Möglichkeiten und Grenzen der Inhalationstherapie bei Asthma

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Matthias Kopp, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Schwerpunkt Pädiatrische Pneumologie und Allergologie
Zusammenfassung
In der Behandlung von Kindern mit obstruktiven Atemwegserkrankungen erfolgt die Applikation von Arzneistoffen überwiegend als inhalative
Therapie. Obwohl immer wieder darauf hingewiesen wird, dass für den Therapieerfolg die richtige Auswahl und wiederholte Schulung des
Inhalationssystems entscheidend sind, kommt es im Behandlungsalltag zu zahlreichen Anwendungsfehlern. Dieser Artikel gibt auf der Basis
der Empfehlungen der Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma (NVL Asthma, 2. Auflage 2010) praktische Hinweise zur Auswahl des
Inhalationssystems. Darüber hinaus werden die Ursachen für Anwendungsfehler und mögliche Lösungen diskutiert, um die
Inhalationstherapie effektiver umsetzen zu können.
Auswahl des Inhalationssystems
Grundsätzlich werden drei unterschiedliche Inhalationssysteme unterschieden: DosierAerosole (DA), Pulverinhalatoren und elektrische
Verneblersysteme. Prinzipiell ist die Auswahl des Inhalationssystems individuell auf den jeweiligen Patienten abzustimmen [1]. Dabei können
jedoch folgende Empfehlungen eine Entscheidungshilfe darstellen:
1) Für Kinder unter fünf Jahren empfiehlt die NVL, dass für die Inhalation "Treibgasdosieraerosole mit Spacer bevorzugt werden" sollen
(Tab. 1). Darüber hinaus kommen Dosieraerosole als Notfallmedikament für alle Altersgruppen zum Einsatz [1].
2) Dosieraerosole sollten immer mit einem Spacer zur Steigerung der bronchialen Deposition und zur Reduktion der
oropharyngealen
Deposition verwendet werden. So früh wie möglich sollte ein Spacer mit einem Mundstück verwendet werden. Das ist oft schon im zweiten
Lebensjahr möglich. Da die Verwendung einer Maske zu einem erheblichen Depositionsverlust in der Lunge bei gleichzeitig höherer
unerwünschter Deposition auf den Wangen und im Auge führen kann, lohnt sich das frühzeitige Training für die betroffenen Kinder [2].
3) Bei Schulkindern (über sechs Jahre) kann primär eine Pulverinhalation eingesetzt werden, wenn der Patient zuvor im Inhalationstraining
gezeigt hat, dass er in der Lage ist, den hierfür notwendigen inspiratorischen Fluss von mindestens 30 l/min aufzubringen. Die
Pulverinhalation ist nicht geeignet für a) die Behandlung des schweren Asthmaanfalls, b) als Notfallmedikament und c) für Kinder mit einer
starken inspiratorischen Flusslimitierung.
4) Die Verwendung von elektrischen Verneblersystemen in der Dauertherapie bringt im Hinblick auf die pulmonale Deposition keine
Vorteile gegenüber dem Dosieraerosol mit Spacer. Längere Inhalationszeiten und höhere Anschaffungskosten sind bei einem dauerhaften
Einsatz sind bei einem dauerhaften Einsatz von elektronischen Verneblersystemen nachteilig.
5) Für die Akuttherapie in der Notfallambulanz oder in den ersten Tagen eines stationären Klinikaufenthaltes kommen allerdings einige
Aspekte hinzu, die den Einsatz von elektrischen Verneblersysteme sinnvoll machen: a) Die längere Inhalationsdauer bringt den Patienten
und seine Eltern zur Ruhe. b) Der positive Effekt der Therapie wird während des Inhalationsvorganges oft selbst von den Patienten bemerkt
und bestärkt die Zustimmung in die Inhalationstherapie. c) Der Einsatz eines neuen Inhalationssystems wird nach vorausgegangenem
(möglicherweise erfolglosem) Einsatz eines Dosieraerosols als Notfallspray von Eltern und Patienten als positiv bewertet im Sinne von: "Es
geschieht etwas Neues" -an Stelle von: "Sie versuchen das gleiche noch mal".
Die Vor-und Nachteile der unterschiedlichen Inhalationssysteme sind in Tab. 2 dargestellt.
Inhalationstraining: Das "Stiefkind" in der Asthmatherapie
Obwohl die Inhalationstherapie zentraler Bestandteil der antiobstruktiven Intervention ist, ist die Inhalationstechnik oft fehlerhaft. Gründe für
die hohe Fehleranfälligkeit und die damit verbundene ineffektive Pharmakotherapie sind in erster Linie eine fehlende oder eine ineffektive
Schulung der Patienten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass eine einmalige Schulung oft nicht ausreichend ist. Möglicherweise ist
aber nicht nur das Wissen der Patienten ungenügend oder lückenhaft, sondern auch das des medizinischen Personals im Bereich der Ärzte,
der Pflege und der Apotheker. Die Leitlinie empfiehlt im Zusammenhang mit Technik und Training der Inhalation dezidiert, dass die
Inhalationstechnik mindestens zwei Mal in höchstens vierwöchigem Abstand kontrolliert werden sollte. Gleichzeitig fordert die Leitlinie:
"Treten Handlungsfehler auf, so sollte eine engmaschige Kontrolle innerhalb von vier Wochen vorgenommen werden." Für das Kindesalter
empfiehlt die Leitlinie darüber hinaus, dass bei jeder ärztlichen Konsultation wegen Asthma die Inhalationstechnik überprüft werden soll. In
einer systematischen Literaturübersicht von Lavorini aus dem Jahr 2008 wird deutlich, dass in Abhängigkeit von der Inhalationsform zwischen
4 und 94 Prozent der Patienten das Inhalationsgerät nicht korrekt verwenden [3]. 25 Prozent der untersuchten Patienten hatten nie eine
verbale technische Instruktion erhalten. In einer holländischen Studie wurden 66 Kinder im Alter von 1-14 Jahren mit der Erstdiagnose Asthma
bronchiale untersucht. Obwohl 91 Prozent der betroffenen Kinder und Eltern eine Schulung erhalten hatten, konnten nur 29 Prozent die
verordnete Pulverinhalation korrekt durchführen. Eine Übersicht über die häufigsten Fehler gibt Tab. 3 [4].
Etwas günstiger waren die Ergebnisse für die Verwendung eines Dosieraerosols, hier waren 67 Prozent nach einmaliger Instruktion in der
Lage, korrekt zu inhalieren. Nach wiederholter Instruktion waren 79 Prozent (Pulverinhalation) bzw. 93 Prozent (Dosieraerosol) in der Lage.
die Inhalation ohne größere Fehler durchzuführen. Die Autoren fordern, dass eine regelmäßige und wiederholte Schulung für Patienten mit
obstruktiven Atemwegserkrankungen unabdingbar ist. In der VITA-Untersuchung (Verbesserung der Inhalationstechnik von Menschen mit
Asthma oder COPD in Apotheken) wurde die Inhalationstechnik bei 757 Erwachsenen untersucht [5]. 79 Prozent der untersuchten Patienten
machten mindestens einen Fehler. Durch eine einmalige Beratung in der Apotheke konnte dieser Anteil auf 28 Prozent reduziert werden.
Interessanterweise hat die VITA-Studie auch gezeigt, dass sich im Laufe der Behandlung neue Fehler einschleichen können, selbst wenn die
Patienten den Umgang mit ihrem Inhalationssystem zuvor korrekt erlernt hatten. Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig eine
wiederholte Instruktion ist. Wie schon in anderen Studien konnte auch hier gezeigt werden. dass Patienten mit zwei oder mehr
Inhalationssystemen signifikant mehr Fehler bei der Anwendung machten. Aus diesen wenigen Beispielen wird deutlich, dass inhalative
Arzneimittel zu den kritischsten Applikationsformen zählen. Im Zusammenhang mit Rabattverträgen ist daher zu berücksichtigen, dass der
Austausch eines rabattbegünstigten Inhalationssystems mit einer Inhalationstechnik, die vom verordneten Vorgängerpräparat abweicht, im
Hinblick auf Erfolg und Sicherheit der Therapie problematisch sein kann. Dieser Möglichkeit muss sich der verordnende Arzt bewusst sein,
indem er auf dem Rezept den Austausch des Arzneimittels ausschließt. Für den Apotheker ist in Zweifelsfällen eine Rücksprache mit dem
verordnenden Arzt empfehlenswert, wenn das Aut-Idem-Kreuz auf dem Rezept fehlt.
Umsetzung in die Praxis: Der Inhalationsführerschein
Momentan liegen keine Daten darüber vor, inwieweit die klaren Empfehlungen der NVL Asthma zur Inhalationsschulung in
der täglichen Praxis tatsächlich umgesetzt werden. In unserer eigenen kinderpneumologischen Ambulanz wird jedoch
deutlich, dass die Eltern die Inhalationssysteme trotz eindeutiger Instruktion in der Regel nicht zu den ambulanten
Konsultationen mitbringen. Als Anreiz für die Schulkinder wurde daher in unserer kinderpneumologischen Abteilung ein
"Inhalationsführerschein" entwickelt (Abb. 1), der den Kindern nach erfolgter Instruktion und korrekt demonstrierter
Inhalationstechnik (“InhalationsFührerschein-Prüfung") ausgehändigt wird. Dieser Inhalations-Führerschein soll bei
jedem Ambulanzbesuch vorgelegt werden, bei dem dann die Inhalationstechnik erneut überprüft und dokumentiert
wird. Im kommenden Jahr soll untersucht werden, inwieweit diese einfache Maßnahme die Fehlerquote in der
Inhalationstherapie senken kann.
Prof. Dr. Matthias Kopp Leiter des Schwerpunktes Pädiatrische Pneumologie und Allergologie Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck E-Mail: [email protected]
www.kinderklinik-Iuebeck.de/ kinderpneumologie
Literatur
[1] Nationale Versorgungs-Leitlinie Asthma;
2. Aulage 2010. www.asthma .versorgungsleitlinien.de
[2] Wildhaber JH, Dore ND, Wilson JM, Devadason SG, LeSouef PN: Inhalation therapy in asthma: nebulizer or pressurized metered-dose inhaler
with holding ehamber? In vive eomparison of lung deposition in ehildren. J Pediatr 1999; 135: 28-33
[3] Lavorini F, Magnan A, Dubus JC, Voshaar T, Corbetta L, Broeders M, Dekhuijzen R, Sanehis J, Viejo JL, Barnes P, Corrigan C, Levy M,
Crompton GK: Effeet of ineorreet use of dry powder inhalers on management of patients with asthma and COPD. Respir Med 2008; 102: 593-604
[4] Kamps AW, van Ewijk B, Roorda RJ, Brand PL: Poor inhalation teehnique, even after inhalation instruetions, in ehildren with asthma . Pediatr
Pulmonol. 2000; 29: 39-42
[5] Basheti IA, Armour CL, Reddei HK, Bosnie-Antieevieh SZ: Long-term maintenanee of pharmaeists' inhaler teehnique demonstration skills.
Am J Pharm Edue
2009; 73: 32
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