WAchStum duRch innovAtive GeSundheitStechnoLoGien

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acatech Symposium | 26. April 2005
> Wachstum durch innovative
GESUNDHEITstechnologien
acatech Symposium | 26. April 2005
> Wachstum durch innovative
GESUNDHEITstechnologien
Inhalt
> acatech Symposium 2005
> Wachstum durch innovative
Gesundheitstechnologien
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> Inhalt.
01 Vorwort
> Joachim Milberg
7
02 Einleitung
> Günter Spur
13
03 Beiträge
> Zum Selbstverständnis der Gesundheitstechnologien
Günter Spur
> Wissenschaftlicher Fortschritt und klinische Forschung – Welche neuen Strukturen brauchen wir in Deutschland?
Detlev Ganten
> Innovative Medizintechnik als Schrittmacher für eine Reform der Gesundheitsversorgung Dietrich Grönemeyer
> Die Medizintechnik als innovativer Wirtschaftsfaktor der Zukunft Heinrich Kolem
> Entwicklungstrends in der Biomaterialforschung und Implantattechnologie Klaus-Peter Schmitz
> Sechs Thesen zur Innovation in der Medizintechnik Olaf Dössel
>Die Gesundheitskarte – Prozessmanagement im Gesundheitswesen Dieter Spath
> Systeminnovationen als Treiber des Gesundheitsmarktes
Norbert Klusen
> Chancen für den Gesundheitsmarkt durch e-Health Eckhard Nagel/Karl Jähn
> Finanzierbarkeit des medizinisch-technischen Fortschritts Klaus-Dirk Henke
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20
26
34
38
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48
52
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72
04 Fragen aus der Diskussion
> Patrick Illinger 81
82
05 Impressionen vom acatech Symposium 87
06 acatech Portrait
93
07 Teilnehmer
97
08 Autorenportraits
103
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> Vorwort.
> Joachim Milberg
> 01
Vorwort
> Vorwort.
> Joachim Milberg, Präsident acatech
Die Gesundheitsdebatte in jüngster Zeit hatte den Kostenfaktor zum Thema und massive Einsparungen im Fokus.
­Nahezu unberücksichtigt blieb dabei aber die Tatsache, dass
das ­ Gesundheitswesen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist
– meines Erachtens besonders auch im Hinblick auf die Innovationskraft und die
Lebensqualität in unserem Land.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
In Deutschland gibt es zahlreiche Forschungsinstitute und Unternehmen in
den Bereichen Medizintechnik, Biotechnik und Pharma, die über ein enormes
Potenzial an Innovationen verfügen. Es muss für uns alle – gerade im Hinblick
auf die demographische Entwicklung in unserem Land – von Interesse sein,
dieses Innovationspotenzial zu heben und in wirtschaftlichen Erfolg für die
hier tätigen Unternehmen und unsere Volkswirtschaft umzumünzen.
Genau hierzu will acatech einen Beitrag leisten. acatech steht für die Symbiose
von academia und Technik und ist die gemeinsame nationale Stimme der
Technikwissenschaften auf der Ebene der Akademien der Wissenschaften in
Deutschland.
acatech hat den Anspruch, die unabhängige und anerkannte Institution in
Deutschland zu werden, die für die Interessen der Technikwissenschaften
– auch international – eintritt. acatech bewirbt sich deshalb auch darum, die
Deutsche Akademie für Technikwissenschaften zu werden.
Es ist das Bestreben von acatech, die technologische Leistungsfähigkeit
Deutschlands so zu fördern, dass sie weiterhin zur Weltspitze zählt. acatech
macht es sich deshalb auch zur Aufgabe, eine Brücke zu schlagen zwischen
Wissenschaft und Wirtschaft, um den Forschungs- und Produktionsstandort
Deutschland leistungs- und zukunftsfähiger zu machen. Wir lassen uns in die
Pflicht nehmen und dies nicht nur innerhalb acatechs, sondern bei verschiedenen Initiativen, wie etwa bei der Initiative „Partner für Innovation“ der
Bundesregierung.
Uns beschäftigt dabei insbesondere die Frage nach Wegen zur Verbesserung
der Innovationsfähigkeit in unserem Land. Denn Deutschland wird langfristig
nur durch Innovationen erfolgreich sein, da nur sie nachhaltiges Wachstum
schaffen und Impulse für mehr Beschäftigung bieten.
Vorwort
Innovationen geschehen jedoch nicht in einem luftleeren Raum.
Vielmehr gibt es bestimmte Faktoren, die das Innovationsgesche­hen
in einem Land beeinflussen – positiv wie negativ. Um das Wechselspiel dieser Faktoren zu beschreiben, möchte ich das Innovationsgeschehen in einem Kreislauf darstellen. Dieser Kreislauf wird von
zwei Polen her gesteuert, die sich gegenseitig beeinflussen:
Auf der einen Seite stehen die Universitäten und die Wissenschaft,
die durch Lehre und Forschung neues Wissen, neue Wissensträger
und neue Wissensarbeiter generieren. Diese Seite möchte ich
Enabler-Seite nennen, denn hier geht es darum, Inventionen zu
schaffen und Kreativität zu fördern.
Auf der anderen Seite des Kreislaufes stehen die Unternehmen
und der Markt, der letztlich entscheidet, was Innovationen sind.
Diese Seite ist die Umsetzungsseite. Hier werden Inventionen,
das heißt Forschungsergebnisse, Erfindungen und neue Ideen,
in Innovationen umgesetzt. Wie hängen nun diese beiden Pole,
Wissenschaft und Markt, wechselseitig miteinander zusammen?
10
Dieser Rahmen ist zum einen durch den Staat bestimmt. Welchen
Freiraum lässt der Staat Wissenschaft und Unternehmen zur
­eigenverantwortlichen Gestaltung? Fördert er den produktiven
Wettbewerb, oder schränkt er ihn ein?
Zum anderen ist der Rahmen des Kreislaufs durch das gesellschaftliche Klima bestimmt. Wie offen ist eine Gesellschaft für neues
Wissen, für Inventionen, für Innovationen? Sieht sie in neuen
Technologien, Entwicklungen und Produkten eher Chancen oder
Gefahren? Vertraut sie ihren Fachleuten, die diese Innovationen
entwickeln?
Für eine nachhaltige positive Entwicklung des Innovationsgeschehens in Deutschland brauchen wir eine Gesellschaft, die
grundsätzlich offen ist für Innovationen. Wir brauchen eine Gesellschaft, die wachsen will und die willens ist, eine neue Balance
zu finden zwischen soziologischen, kulturellen, ökologischen,
ökonomischen und technologischen Chancen und Risiken.
Während auf der Seite der Wissenschaft Kapital eingesetzt werden muss, um neues Wissen zu generieren, wendet die Marktseite
gerade dieses neue Wissen an, um daraus Kapital zu generieren.
Die Gewinne auf der Marktseite sind dann wieder die Grundlage
für jedwede Investitionstätigkeit auf der Wissenschaftsseite.
Wie das eben beschriebene Kreislaufmodell zeigt, ist das Innovationsgeschehen in Deutschland in hohem Maße abhängig
von gesamtgesellschaftlichen Faktoren. Denn Unternehmen, die
Innovationen schaffen, benötigen einen innovationsfreudigen
Markt und eine Gesellschaft und eine Politik, die Innovationen
gegenüber aufgeschlossen sind.
Das heißt also: Je mehr Ergebnis auf der Marktseite generiert wird,
desto mehr Investitionspotenzial existiert für die Wissenschaftsseite. Im Idealzustand bedeutet ein Zuwachs an Wissen jeweils einen
Zuwachs an Ergebnis und vice versa. Solch eine positive Rückkoppe­
lung muss unser Ziel sein. Diese positive Rückkoppelung kann gefördert oder behindert werden. Denn beide Seiten, die Enabler-Seite
wie die Umsetzungsseite, bewegen sich in einem Rahmen, der das
Wechselspiel im Kreislauf positiv wie negativ beeinflussen kann.
Um das Innovationsgeschehen, wie eben beschrieben, positiv zu
beeinflussen, bedarf es meines Erachtens deshalb auch eines Mentalitätswandels in unserem Land. Wenn wir weiter wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir für Fortschritt – auch technischen
Fortschritt – einen breiten gesellschaftlichen Konsens erreichen,
also gewissermaßen das Gesellschafts-“mindset“ ändern. Es geht
konkret darum, Technikchancen genauso wichtig zu nehmen wie
negative Technikfolgen.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Welche Schlussfolgerungen müssen wir aus diesen Überlegungen
ziehen? Was ist zu tun? Was wir meines Erachtens brauchen, ist eine Vision, ein Leitbild, das den Willen zu nachhaltigem Wachstum
durch Innovationen gesamtgesellschaftlich verankern kann. Solch
ein Leitbild kann man nicht verordnen. Vielmehr ist ein Leitbild
das Ergebnis einer breiten und offenen gesamtgesellschaftlichen
Diskussion.
acatech beteiligt sich in verschiedenen Arbeitskreisen an dieser Diskussion. acatech möchte im Sinne einer unabhängigen
Stabsstelle für Technikwissenschaften auf der Basis des besten
wissenschaftlichen Know-hows Fakten und Sachargumente zusammentragen und eine objektive und kompetente Bewertung
der Technologieaspekte vornehmen.
Die drei acatech Arbeitskreise
❙ Technikwissenschaften und Innovation
❙ Ingenieurausbildung und
❙ Forschung
widmen sich Fragen der Forschung und Ausbildung in den Technikwissenschaften.
Die vier acatech Arbeitskreise
❙ Mobilität
❙ Lebenswissenschaften
❙ Energie und Umwelt
❙ Kommunikationstechnik und Wissensmanagement
hingegen beschäftigen sich mit Sachthemen der Technikwissenschaften, um Möglichkeiten für innovatives Wachstum in ihren
jeweiligen Feldern auszuloten.
Die in diesem Band zusammengestellten Beiträge sind aus einem
Symposium hervorgegangen, das der Arbeitskreis Technikwissenschaften und Innovation unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Günter
Spur am 26. April 2005 in den Räumen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgerichtet hat. Unter
dem Titel „Wachstum durch innovative Gesundheitstechnologien“
diskutierten dort Mediziner, Gesundheitsökonomen, Medizintechniker, Ingenieure und Krankenkassenvertreter über die ökonomischen Potenziale, aber auch die Potenziale für mehr Lebensqualität, die in der modernen Gesundheitstechnologie stecken.
Die Veranstaltung hat deutlich gemacht, dass Deutschland aufgrund seines wissenschaftlichen Know-hows und mit den in dem
Gebiet bereits tätigen Unternehmen gute Voraussetzungen hat,
dieses Feld maßgeblich mitzugestalten. Allerdings müssen wir
die Chancen auch nutzen. Die hier versammelten Beiträge zeigen
Wege dazu auf.
11
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> Einleitung.
> Günter Spur
> 02
Einleitung
> Einleitung.
> Günter Spur, Chairman des Symposiums
Die deutsche Wirtschaft braucht Wachstum durch Innovation.
Dies ist durch neuerliche Regierungserklärungen auch sichtbar als politisches Ziel der nahen Zukunft erklärt worden.
14
14
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Wachstumsmärkte der global orientierten Wirtschaft dürfen an
unserer Volkswirtschaft nicht mehr vorbeigehen. Die Erfahrung
mit der Informationstechnik hat uns gezeigt, dass der Eintritt in
den Innovationswettbewerb mit den hoch entwickelten Industrienationen nicht früh genug erfolgen kann.
Alle Zukunftsprognosen sind sich über die steigende Bedeutung des Innovationspotenzials der Medizintechnik mit ihren
komplexen Anwendungsgebieten einig. In Deutschland besteht
traditionsgemäß ein äußerst leistungsfähiges Netzwerk in Forschung und Wirtschaft auf diesem auch technologisch expandierenden Wirtschaftsbereich. Angesichts des weltweiten Innovationsbedarfs gibt es auch einen zunehmenden internationalen
Wettbewerb um wichtige Schlüsselpositionen für die zukünftige
Marktbeherrschung.
Das Innovationspotenzial der Medizintechnik beinhaltet jedoch
neben der Impulswirkung auf die Wirtschaft auch eine entscheidende Schlüsselfunktion für die zukünftige Entwicklung der
von staatlicher Verantwortung getragenen Gesundheitssysteme
für die Gesellschaft. Die Kosten hierfür sind das eine Problem,
die Effizienz das andere. Eine Umschichtung der Kostenträger
wird auf die Dauer keine Lösung bringen. Die Stabilisierung des
Gesundheitszustands der Menschen in einer Volkswirtschaft erfordert eine Anpassung an die sozialen Bedürfnisse angesichts
einer veränderten demographischen Entwicklung unter Nutzung
aller verfügbaren Innovationspotenziale. Hierbei ist in erster Linie
nach den verfügbaren Wirkmedien in Wissenschaft und Technik
gefragt, die das gesamte Gesundheitssystem modernisieren und
dabei gleichzeitig einen nachhaltigen Innovationsdruck auf die
Wirtschaft entwickeln, der zu einem allgemeinen Wandel der
gesellschaftlichen Grundstimmung führt. Es ist der „Ruck“ auf
eine veränderte Zielsetzung technologischer Schwerpunkte, ein
Paradigmenwechsel, der auch mit Humanisierung der Technologie beschrieben werden kann: Human Technologies wäre
ein Oberbegriff für einen integrativen Innovationsprozess von
Technikwissenschaften und Lebenswissenschaften. Eine solche
Blickrichtung wendet sich zuerst an die Betroffenen, ist also eine
Aufforderung zum Diskurs des jeweiligen Selbstverständnisses
der Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt ihrer Fähigkeit zum innovativen Aufbruch, zur Reform der
wissenschaftlichen Zusammenarbeit.
15
Einleitung
Die medizinischen Wissenschaftsgebiete erleben eine zunehmende technologische Durchdringung ihrer Instrumentalisierung
und Methodik. Dies gilt nicht nur für Diagnose und Therapie, sondern zunehmend für Präventionen und Prophylaxe. Offenbar ist
es besonders in Deutschland schwierig, ein rationales Verhältnis
des Zeitgeistes zum Fortschritt der Biowissenschaften zu finden.
Am Ende überholt uns die Realität. Die gentechnische Industrie
entwickelt ihre globale Dominanz mit dem Standort in den USA.
Dies sollte uns für die Medizintechnik eine Warnung sein.
Ein Aufbruch zur Innovationsoffensive im Bereich der Gesundheits­
technologien ist weltweit erkennbar. Das Wirkungsfeld ist komplex
und vielseitig, es greift tief in die Arbeits- und Lebenswelt der Men­
schen ein. Dabei wird die Integration der Informationstechnik
eine ähnliche Rolle wie im Bereich der Produktionstechnik spielen: Elektronik und Mikrosystemtechnik verbessern die Präzision
medizinischen Handelns, bringen eine Verfeinerung der Sensorik
und Akto­rik und damit neue Anwendungsmöglichkeiten in allen
Gebieten. Nanotechnologisch aufbereitete Wirkprozesse sind noch
längst nicht in ihren vollen Entfaltungsmöglichkeiten erkannt. Die
Gesundheitstechnologien werden durch ein volkswirtschaftlich
nachhaltig wirksames Wachstum gekennzeichnet sein, das nicht
nur die Produktionswirtschaft, sondern sehr arbeitsintensiv auch
den Dienstleistungsbereich erfassen wird.
16
Das Informationsbedürfnis wird im Gesundheitswesen in einem
Ausmaß steigen, wie die Vernetzung der Systeme zunimmt. Das
Wachstumspotenzial wird sich auf die Medizintechnik übertragen. Der Markt ist erkennbar: Die Menschen wollen mehr über
ihre Gesundheit wissen.
Wir stehen vor der großen volkswirtschaftlichen Aufgabe, einen
Strukturwandel der Gesundheitstechnologien sowohl in wissenschaftlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht einzuleiten, der
unser Innovationspotenzial in einer so nachhaltigen Weise steigert, dass wir im weltweiten Vergleich nicht nur eine Führungs­rolle
spielen, sondern auch zum Schrittmacher des technologischen
Fortschritts heranwachsen könnten.
Eine erste Prüfung unserer Wettbewerbssituation macht deutlich,
dass wir eine gute Ausgangsposition haben. Die Versorgung des
Weltmarkts mit medizintechnischen Produkten ist das eine, die
Erneuerung der Gesundheitssysteme als Netzwerk zur Stabilisierung gesellschaftlicher Grundbedürfnisse das andere. Aus der
Informationsgesellschaft wird eine Gesundheitsgesellschaft. Hier
ist auch die Verantwortung des Staates gefordert: Denn es geht
nicht nur um Wachstum, es geht um einen Paradigmenwandel
des technologischen Fortschritts.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
17
18
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> Beitr äge.
> Günter Spur
> Detlev Ganten
> Dietrich Grönemeyer
> Heinrich Kolem
> Klaus-Peter Schmitz
> Olaf Dössel
> Dieter Spath
> Norbert Klusen
> Eckhard Nagel/Karl Jähn
> Klaus-Dirk Henke
> 03
19
Beiträge: Günter Spur
> Zum Selbst verständnis der
Gesundheitstechnologien.
> Günter Spur
Das Selbstverständnis unserer technologisch geprägten Gesellschaft hat hinsichtlich der zu erwartenden Lebensqualität eine
höhere Sensibilität und damit zugleich auch eine neue ­Dimension
technologischer Verantwortung für eine individuell an­gepasste
Lebensführung erfahren. Das Bedürfnis nach einer sicheren Beherrschung dessen,
was wir Gesundheit nennen, hat eine zunehmende Aktualität erhalten. Der technologische Fortschritt orientiert sich mehr und mehr an gesellschaftlichen ­Zielsetzungen
zur gesicherten Entwicklung natürlicher Lebensprozesse.
Die Verbesserung der Lebensqualität ist eine Herausforderung für alle Aktions­
potenziale in Wissenschaft und Wirtschaft, die die Lebensfähigkeit der Mensch­heit
beeinflussen und damit auch Verantwortung für die Gesundheit der Gesamtheit wie
für das Individuum tragen.
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acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
2) Das Umfeld innovativer Gesundheitstechnologien
Das Gesundheitswesen hat höchste Priorität in der Gesellschaft.
Deshalb steigt die Bereitschaft, hierfür zu investieren. Die Nachfrage am Gesundheitsmarkt wird nicht nur die bewährte Biomedizintechnik voranbringen, sondern zunehmend auch unsere
Gesundheitskultur ganzheitlich verändern. Präventive Vorsorge
ist schon jetzt ein umfassendes Thema der Lebensgestaltung
geworden.
Die Gesundheitswirtschaft ist künftig als Innovationsträger mehr
denn je auf eine Aktivierung der Forschung angewiesen (Bild 1).
Die Erneuerung unserer Gesundheitskultur ist kein Luxus, sie ist
bittere Notwendigkeit zur Sicherung unserer Lebensbedingungen.
Diese konzentriert sich als arbeitswirtschaftliche Herausforderung
auf das Wachstum unseres Wirtschaftspotenzials. Es gilt, den zukünftigen Innovationsbedarf im Gesundheitswesen zu erkennen.
Technik­­
wissen­
schaften
Biotechnik
Medizintechnik
Medizin­
informatik
Innovative
Gesundheitstechnologien
Gesund­
heits­
telematik
Kommuni­
kationswis­
senschaften
Natur­
wissen­
schaf­ten
Lebens­­­wissen­
schaften
Medizin­
ethik
Gesund­
heits­­öko­­
no­mie
Versorgungs­
management
Gesundheits­
wissen­­
schaften
Gesundheitswissenschaftliche Forschung gefragt
Die technologische Weiterentwicklung des Gesundheitswesens
ist eine der wichtigsten Aufgaben im zukunftsorientierten Wirtschaftsmanagement. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die das
kreative Technologiepotenzial zur optimalen Entfaltung bringen.
Wichtig ist eine zielgerichtete und intensive Begleitung der Innovationsprozesse durch die medizinische Forschung. Hierbei
muss ein anregendes Wechselspiel zwischen Wissenschaft und
Wirtschaft wirksam werden (Bild 2).
1) Innovationen verändern den Arbeitsmarkt
Technologische Innovationspotenziale der Gesundheitswirtschaft
Materielle
Innovationen
Personelle
Innovationen
Immaterielle
Innovationen
Produktionstechnik
medizinischer Geräte
und Anlagen
Diensttechnik für medizinische Versorgung mit
technischen Mitteln
Informationstechnik
in medizintechnischen
Netzwerken
Gesundheitswissenschaftliche Forschung benötigt Innovationsmotivationen, die von Visionen geleitet Ideen für eine neue Gesundheitstechnologie entfalten. Hierzu ist eine kreative Wechsel­
beziehung zwischen Forschung und Praxis unverzichtbar (Bild 3).
Die Gesundheitswissenschaften beziehen sich aus allgemeiner
Sicht auf die Erforschung biologischer Organismen, deren Lebens­
prozesse durch Selbstregulation beeinflusst werden. Objekt der
Forschung sind dynamische Systeme mit biotischen Prozessen, deren Qualitätszustand durch das Verhalten von Prozessparametern
bestimmt wird, die auf einen optimalen Prozesszustand zielen,
dessen Normalität durch den Begriff Gesundheit umschrieben
wird. Gesundheit ist somit ein angestrebter Zustand der Normalität biotischer Systeme mit möglichst hoher Funktionserfüllung
ihrer regulierbaren Prozessparameter im Sinne optimaler Zielerreichung der Gesamtfunktion. Gesundheit entsteht als Ergebnis
der Regulierung dynamischer Lebensprozesse. Sie kann aus dem
biotischen Generierungspotenzial durch medizinische Behandlung, aber auch durch präventive Überwachung des Gesundheitszustands beeinflusst werden.
21
Beiträge: Günter Spur
Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als einen
Zu­stand vollständigen körperlichen, seelischen, geistigen und
so­zialen Wohlbefindens. Dieser umfasst also mehr als nur die
Ab­wesenheit von Krankheit und Gebrechen. Gesundheit wirkt als
komplexes System interaktiver Potenzialfaktoren, deren Mo­men­
tanzustand von zahlreichen und sehr unterschiedlichen Einflussgrößen abhängig ist.
Aus den Erkenntnissen wissenschaftlicher Forschung hat sich der
Mensch ein technologisches Nutzungspotenzial geschaffen, das
seine Lebenswelt umgestaltet. Es handelt sich um eine Hilfswelt,
die durch Wissen und Kreativität sowohl die Lebensqualität
anreichert als auch der Gesundheitsförderung dienen kann. In
Anlehnung an Begriffe der Qualitätswissenschaft könnten Be­
griffe der Gesundheitsqualität eingeführt werden.
Eine aktive Gesundheitstechnologie ermöglicht es, in den Prozess
der Regulierung des Gesundheitszustands einzugreifen. Sie ist
also zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung fähig (Bild 4).
In der modernen Medizin haben die verschiedensten Methoden
für die Diagnose von Krankheiten eine große Bedeutung erlangt.
Das eingespielte System einer externen Beauftragung durch ärztliche Entscheidung hat sich sowohl zur Verlaufskontrolle von Behandlungen als auch zur Beobachtung des Gesundheitszustands
bewährt.
3) Innovations- und Produktivitätszentren im Wechselspiel
Die labordiagnostische Medizintechnik hat weit reichende Fortschritte gemacht, so dass unter Einbeziehung leistungsfähiger
Informations- und Kommunikationssysteme neue Modelle der Gesundheitsregulierung angedacht werden können. Die sensorische
Erfassung des Prozesszustands biotischer Systeme kann zu einem
standardisierten Gesundheitsprofil führen, das als Regulationsbasis für die aktuellen Werte gemessener Gesundheitsparameter
dient. Die fortgeschrittene Informationstechnik ermöglicht erhebliche Verbesserungen zur Regulierung durch systemtechnische
Kontrolle des Gesundheitszustands. Sie vermittelt neue Medien,
Verfahren und Systeme zur Optimierung von Lebensprozessen.
Dies bedeutet eine Umorganisation der alltäglichen Lebensführung im Sinne einer erhöhten Aufmerksamkeit für Folgewirkungen
bestimmter Handlungsweisen. Hierin sind die Möglichkeiten zur
Selbstbildung und Selbsterziehung eingeschlossen. Innere oder
äußere Störwirkungen auf die Gesundheit lassen sich durch gezielte Regulation kompensieren. Dabei ist ärztliche Anweisung
und Überwachung unverzichtbar.
4) Wirkbereiche innovativer Gesundheitstechnologien
Wissenschaftliche
Forschung in Innovationszentren
Wirtschaftliche Umsetzung in
Vernetzungssystemen
Innovative Gesundheitstechnologien
Innovative Gesundheits­
technologien
Produktive Markteinführung
Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch technologischen Fortschritt
in Prävention, Diagnose, Therapie und Rehabilitation
Basis­technologien:
Voraussetzung
zum Markterfolg
22
Schlüssel­­technolo­gien:
Sicherung des
Marktzuwachses
Schrittmacher­
technologien:
Beschleunigung
der Marktein­
führung
Spitzen­
technologien:
Innovative Marktbeherrschung
Zukunfts­
technologien:
Strategische
Sicherung des
Markterfolgs
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Gesundheitsprozess als wissenschaftliches
System
Die Grundfunktion des Systems Gesundheitstechnologie besteht
darin, ein Nutzungspotenzial zur Verbesserung der Gesundheitsqualität der Menschen zu entwickeln. Der als gesund definierte
Normalzustand biotischer Systeme setzt enge Toleranzgrenzen
der Wirkparameter. Dies stellt hohe Anforderungen an die Regulation zur Führung der Prozessparameter. Der Gesundheitsprozess
verläuft in einem dynamischen System, das durch materielle, energetische und informationelle Transformationen gekennzeichnet
ist. Um im Systembild zu bleiben, geht es beim Bemühen um einen
optimalen Gesundheitszustand darum, die Lebensprozesse sensorisch zu erfassen und durch aktorische Hilfsmittel, insbesondere
aber durch technologische Regulationssysteme, zu beeinflussen.
Bewusstes Gesundheitsmanagement erfordert Datenkenntnisse,
um regulativ handeln zu können. Der technologische Fortschritt
der medizinischen Gerätetechnik bietet ein breites Sortiment von
Möglichkeiten an, die individuelle Gesundheitsüberwachung
durch Messdaten zu objektivieren. Hierzu muss ergänzend Aufklärungsarbeit geleistet werden, die alle Arten der medizinischen
Versorgungszentren einschließt. Andererseits entsteht zunehmend ein Markt für technologische Hilfsmittel zur Förderung der
Gesundheitsüberwachung. Die Informationstechnik wird über
verfügbare Netzwerke neue Wege der Gesundheitstechnik öffnen.
Die telematische Überwachung des individuellen Gesundheitsprofils zur Förderung der Selbstregulation ist ein interessantes
Entwicklungsfeld.
Aus diesen Überlegungen kann eine übergeordnete, technologisch orientierte Fachdisziplin abgeleitet werden, die als technologische Wissenschaft die instrumentelle Regulation von Gesundheitsprozessen erforscht und als System von Erkenntnissen und
Methoden auf die Erscheinungsformen von Gesundheitsprozessen
mit dem Ziel gerichtet ist, diese zu stabilisieren und zu optimieren. Hier liegt ein wachstumsfähiges Innovationspotenzial. Dies
richtet sich nicht nur auf die Überwachung von Behandlungen
bei Krankheiten, sondern vielmehr auf die Möglichkeiten einer
permanenten Kontrolle des Gesundheitszustands (Bild 5).
5) Innovationsorientierung gesundheitstechnologischer
­Forschung
Gesundheitstechnolo­
gische Wissenschaften
System von Erkenntnissen und
Methoden zur Entwicklung von
Innovationspotenzialen
Erforschung der Erschei­nungs­
formen gesund­heits­techno­lo­gi­
scher Systeme
Erforschung von Methoden
zur Entwicklung gesundheits­
technologischer Systeme
Innovationsfähigkeit ge­
sund­heitstechnologischer
Potenziale
23
Beiträge: Günter Spur
Innovative Gesundheitstechnologien
Die Gesundheitstechnologie verändert die Gesundheitsversorgung unserer Gesellschaft durch einen fortschreitenden Innovationsprozess. Sie zielt auf eine Nutzung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in Verbindung mit erfinderischem Handeln.
Ihr Wirkbereich umfasst nicht nur die Diagnose und Therapie,
sondern zunehmend auch die Prävention.
Im gesamten Gesundheitswesen ist ein Wandel von Wertvorstellungen erkennbar, der zu einem kritischen Bewusstsein geführt
hat. Die Politik hat in ihrer normativen Funktion Wissenschaft und
Technologie vor große Herausforderungen gestellt. Insbesondere
gilt dies für die Gesundheitstechnologie, deren Fortschritt die
Ergebnisse medizinischer Forschung mit denen der innovativen
Technikwissenschaften integriert. Die Gesundheitstechnologie
umfasst die Gesamtheit aller Mittel und Verfahren der Technikwissenschaften zur Nutzbarmachung im Gesundheitswesen.
6) Differenzierung innovativer Gesundheitstechnologien
Aufgabenstellungen
Grundlagenorientierte
Wissensgewinnung
Prozessorientierte Optimierung
Systemorientierte Gliederung der
Disziplinen
Verbundorientierte
Kooperationen
24
Strukturorientierte Optimierung
Praxisorientierte Optimierung
Wissenschaftsorientierte
Begründung
7) Wirkrichtungen innovativer Gesundheitstechnologien
Lebensqualität
Informations- undKommunikationsmarkt
Innovative Gesundheitstechnologien
Medizin- und Gesundheitsmarkt
Arbeitsmarkt
Angesichts ihrer zunehmenden Komplexität und innovativen Dynamik erwächst das Bemühen um eine Definition dessen, was wir
unter Gesundheitstechnologie verstehen wollen. Dabei müssen
wir über den konventionellen Wirkungskreis der Medizintechnik
hinausgehen und den Dialog auch mit anderen Wissenschaftsdisziplinen suchen. Es stellt sich auch die Frage nach dem eigenen
Standort und nach der Ausrichtung einer integrativ orientierten
Leitdisziplin der Gesundheitstechnologien. Der Versuch einer Ein­
teilung macht ein Begriffsgemenge unklarer Abgrenzung deutlich.
Klärungsprozesse sind notwendig, die nur schrittweise erfolgen
können und einer vertiefenden Diskussion bedürfen (Bild 6).
Mit zunehmendem technischen Fortschritt hat sich das Sachpotenzial des Gesundheitswesens geändert. Eine steigende Sensibilisierung der Öffentlichkeit hat zu einem sozioökonomischen
Erwartungsdruck gegenüber Forschung und Technologie geführt.
Es gelten nicht mehr allein die Zwänge medizinischer Präferenzen,
sondern auch zunehmend die der ökonomischen Vernunft. Der
Fortschritt in der Gesundheitstechnologie erfordert auch wirtschaftlich verträgliche Versorgungsstrukturen, die den technologischen Innovationsdruck verkraften und verarbeiten können.
Die Wirkrichtungen innovativer Gesundheitstechnologien zielen
nicht nur auf die Verbesserung der individuellen Lebensqualität,
sondern auch auf ein Wachstum der verschiedensten Wirtschaftsbereiche (Bild 7).
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
8) Wachstumsfelder der Gesundheitstechnologien
Forschungswirtschaft
Produktions­
wirtschaft
Innovative Gesundheitstechnologien
Versorgungswirtschaft
Informations­
wirtschaft
Bauwirtschaft
Die fortgeschrittenen Gesundheitstechnologien sind anwendungsorientiert ausgerichtet. Sie kommen als soziotechnische
Reform des Gesundheitswesens zur Entfaltung, gebunden an die
Realität des Gegenwärtigen. Sie benötigen zu ihrer praktischen
Akzeptanz den notwendigen Reifegrad für die Anwendung in der
medizinischen Versorgung.
Der Fortschritt im Gesundheitswesen beruht auf Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung, aber auch auf Erfindungsreichtum im
praktischen Gestalten der medizintechnisch orientierten Produktionswirtschaft. Bei der Gesundheitstechnologie handelt es sich
um eine medizintechnische Hilfswelt, die funktional orientiert
der Befriedigung des Bedarfs im Gesundheitswesen dient. In
Verbindung mit der medizinischen Forschung bildet die Gesundheitstechnologie ein Nutzungspotenzial zur Dienstbarmachung
des technologischen Fortschritts (Bild 8).
Der Innovationsprozess bis zur Markteinführung medizinischer
Produkte ist risikobehaftet. Zur Begleitung sind Spezialisten
gefragt, von Erfahrung geprägt und verantwortungsbereit für
das Neue, aber auch vom Bewusstsein bestimmt, dass das Neue
kein Selbstläufer ist. Bewährtes muss im Neuen erhalten bleiben.
Zuviel Neues erhöht das Risiko der Funktionalität. Die Weisheit
des Entwicklers begründet sich in der Dosierung des Neuen.
Gesundheitstechnologie ist zukunftsorientiert, sie verarbeitet das
Neue, das sie entdeckt oder erfunden hat. Neue Fragestellungen
führen zu neuen Forschungsrichtungen. Sie aktivieren neue Strukturen der medizinischen Forschung.
25
Beiträge: Detlev Ganten
> Wissenschaftlicher Fortschrit t und klinische
Forschung – Welche neuen Strukturen brauchen
wir in Deutschland?
> Detlev Ganten
Vor etwa 400 Jahren begann der medizinisch wissenschaftliche
Fortschritt in Europa mit der Möglichkeit der modernen Analyse
des Körpers von Gesunden und Kranken, der Anatomie und der
sich daraus entwickelnden wissenschaftlichen Inspektion der
Organe des Körpers und der Organpathologie als Grundlage der Medizin.
Eine weitere große Etappe ereignete sich um 1850 bis 1900 in Berlin mit Rudolf
Virchow und der sich damals entwickelnden Biochemie. Man stellte fest, dass nicht
nur die Organe, sondern die kleineren Untereinheiten der Organe, das heißt die
­Zellen, mit Erkenntnissen über Gesundheit und Krankheit verbunden werden konnten.
26
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
So entstanden die Zellularpathologie und fast gleichzeitig die
moderne Biochemie. Diese sind seit fast 150 Jahren immer noch
wichtige Grundlagen der Medizin, mit denen wir heute noch
arbeiten.
Dann gab es einen weiteren großen Fortschritt: die Genomforschung. Sie wird von vielen immer noch unterschätzt, von manchen aber auch überschätzt. Wie sollen wir mit der Sorge um und
der Chance für den medizinischen Fortschritt umgehen?
Dazu einige Basisdaten zum Genom des Menschen: Im Zellkern
gibt es 3 Milliarden Bausteine (Basenpaare) auf den 23 doppelten Chromosomen. Darauf liegen die etwa 30.000 Gene, die
Funktionseinheiten unseres Erbmaterials, die selbst keine direkte
Funktion besitzen, sondern reine Informationsträger sind. Sie müssen erst in Eiweiße übersetzt werden. Dies spielt sich innerhalb
einer jeden Zelle ab und was an biologischer Form und Funktion
entsteht, wird in den Genen als Information gespeichert. Diese
Informationen auf den Genen entscheiden über das, was Goethe
„Gestaltwerdung“ genannt hat.
Der große Fortschritt der Genomforschung besteht darin, dass
wir jetzt beginnen, an diesen Informationsmolekülen ablesen zu
können, welche Genstruktur-Veränderungen zu welchen Funktionsänderungen führen. Eine einzelne Änderung der Genstruktur,
eine so genannte Punktmutation bei einer Krankheit, wie zum
Beispiel der Mukoviszidose, kann darüber entscheiden, ob ein
bisher Gesunder zukünftig ein Patient sein wird oder nicht. Man
unterscheidet erblich angelegte Veränderungen der Gene von
solchen Mutationen, die im Laufe des Lebens erworben werden,
zum Beispiel durch Ablesefehler oder Strahlenexposition der Gene. In diesem Fall handelt es sich um so genannte somatische
Veränderungen. So kommen wir zu einer Vorstellung von einem
„Genotyp“, der in den Genen festgelegt ist, zum Phänotyp, der
sich im Erscheinungsbild der Person oder des Patienten ausprägt.
Dies führt mit Hilfe von sehr schnellen, physikalisch präzisen
Analysen zu neuen Erkenntnissen in der Biologie und Medizin.
27
Beiträge: Detlev Ganten
Ein zweiter, vielleicht noch wichtigerer Aspekt der Genomforschung ist das molekulare Verständnis dessen, woher wir kommen
und wohin wir gehen. Wir können die Evolution des Menschen
inzwischen genomisch untersuchen. Es gibt als ursprünglichen
Ausgangspunkt der Evolution noch Lebewesen, die zum Teil auch
heute in der Natur vorkommen. Fast die gesamte Kette der Evolution des Lebens kann entweder in den Museen oder in der Natur
untersucht werden (Bild 1). Grundsätzlich können wir genomisch
feststellen, was den Menschen von den Einzellern und unseren
evolutionären Ahnen unterscheidet.
Eine exemplarische Entdeckung ist eine Punktmutation im so
genannten Fox-P2-Gen. Dieses Gen reguliert die Muskulatur im
Schlund- und Gesichtsbereich, befähigt den Menschen, schneller
zu artikulieren, Mimiken zu entwickeln, von den Urtönen unserer
Vorfahren zu einer konsonanten- und vokalgeprägten hochdifferenzierten Sprache zu kommen. Somit sind wir in der Lage,
Gedanken äußern zu können, Kommunikation zu entwickeln und
dadurch eine soziokulturelle Entwicklung zu ermöglichen, die es
vorher in dieser Form nicht gegeben hat. Diese Fähigkeiten sind
erstmals vor etwa 100.000 Jahren aufgetaucht, also vor ganz kurzer Zeit in der Evolution, die ungefähr vor 3,5 Milliarden Jahren
begonnen hat. Das bedeutet, dass wir als moderne Menschen
in der Zeitskala der Evolution sozusagen vor wenigen Sekunden
entstanden sind. Diese neue Entwicklung könnte den Siegeszug
des Homo Sapiens in Afrika bewirkt haben, wie wir aus alten
Knochenbefunden feststellen konnten, an denen man die GenAnalyse betreiben kann. Von Afrika ausgehend hat schließlich der
Homo Sapiens aus dem Mittelmeerraum die Welt bevölkert.
28
Das heißt – in unzulässig verkürzter Form dargestellt – die Genomforschung bringt viel mehr Erkenntnisgewinn als nur ein besseres
Verständnis der Informationsmoleküle des Lebens über die Grundlagen von Gesundheit und Krankheit. Das Selbstverständnis des
Menschen als evolutionäres Wesen eröffnet sich plötzlich der
methodischen Untersuchung. Dies ist einer der Gründe, weshalb
viele von uns der Meinung sind, dass die Lebenswissenschaften
so etwas sind oder sein könnten, wie das Leitthema der modernen
Wissensgesellschaft, auf die wir uns hinbewegen. Die Lebenswissenschaften sind mehr als jede andere Disziplin interdisziplinär
und institutionenübergreifend. Es gibt keine Wissenschaft, die
nicht essenziell mit der Lebenswissenschaft verbunden ist, und
jeder kann am eigenen Leib erfahren, was die Fortschritte in
diesen Lebenswissenschaften für ihn persönlich bedeuten.
1) Evolution
3,5 Milliarden Jahre
Einzeller
70 Millionen
Maus
5 Millionen
Schimpanse
Hominiden
Neandertaler
100.000 Jahre
Homo Sapiens
Afrikaner
Griechen
Europäer
Weltbevölkerung
(6 Milliarden)
FOX P2
303
7q- THR
31 ASP
GEN
325
ASP
SER - P
Muskulatur-SchlundGesicht
· Selektion
· Koordination
· Geschwindigkeit
· Sprache
· Kommunikation
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Ein weiteres Beispiel zum Fortschritt in der praktischen Medizin:
Wir wissen bereits, dass die Informationsmoleküle des Lebens den
Genotyp festlegen. Aus dem Genotyp entwickelt sich der Phänotyp, das Erscheinungsbild des Menschen. Dazwischen gibt es eine
ganze Reihe von weiteren Schritten. Die Gene müssen aktiviert werden, so entstehen daraus Eiweiße und Peptide. Diese bilden gewissermaßen die Grundelemente der Zellfunktion, der Organfunktion
und der körperlichen Gesamtfunktion. In diese Schritte können wir
in systematischer Weise eingreifen, viel spezifischer als das früher
möglich war. Dieser Eingriff kann beispielsweise bedeuten, dass
wir mit einer chemischen Substanz, einem Medikament, einen
Krankheitszustand in einen Gesundheitszustand umwandeln,
Symptome erleichtern und Schmerz verhindern können; das wären
dann die heilsamen Wirkungen der Medikamente.
2) Bei F&E-Kapazitäten haben neben den USA Länder wie
­Großbritannien und Frankreich Deutschland überholt
75,7
F&E-Beschäftig­te
in pharmazeuti­schen
Unternehmen 2002
[ ’000 Tsd]
Anteil F&E-Beschäftigte an
­Beschäftigten in pharma­
zeutischen Unternehmen
29,0
19,1
USA
GB
18,7
18,0
1)
1)
F
JD
Länder
[%]
USA
Großbritannien
Frankreich
Deutschland
27
35
20
19
Daraus entwickeln sich zurzeit eine neue Industrie und ein neuer
Wissensbereich. Die Entwicklung und auch die Einschätzung sowie die Vorhersage der Wirkung von Medikamenten können auf
Grund der Genanalyse verbessert werden; ein Bereich, den wir
auch als Pharmakogenetik bezeichnen.
Solche Medikamente werden beispielsweise bei Herz- oder Nierentransplantationen eingesetzt, um zu verhindern, dass Organe
danach abgestoßen werden. Wir wissen, dass einige dieser Medikamente langsamer oder schneller ausgeschieden werden. Hierüber entscheiden spezifische Gene. Personen, die eine besondere
genetische Disposition haben, scheiden ein Medikament langsam
aus, andere schneller. Deshalb würden bei einer Standarddosierung langsam ausscheidende Personen überdosiert und schnell
ausscheidende unterdosiert werden. Das kann bei Organtransplantationen über Leben und Tod entscheiden. Die individuelle
Vorhersage der Verstoffwechselung im einzelnen Patienten ist
ein entscheidender Punkt für Wirkung und Nebenwirkung eines
Medikaments. Diese Systematik führt zu einer ganz neuen Form
der Therapie, auch der klassischen medikamentösen Therapie.
Bisher ist jede Therapie ein echter Therapieversuch und kein Arzt
kann Nebenwirkung und Wirkung vorhersagen. Wenn wir aber
eine systematische und spezifische Gendiagnostik entwickeln,
dann wird langfristig die Vorhersage möglich. So lässt sich eine
rationale individualisierte Therapie installieren. Dies sind einige
Beispiele für Fortschritte und Entwicklungen aus der Genomforschung, die sich zunächst sehr allgemein, aber dann auch sehr
spezifisch am Markt auswirken können.
Quelle: PhRMA, EFPIA, 1) = 2001
29
Beiträge: Detlev Ganten
Wie sieht es in Deutschland aus, das einmal in diesem Bereich
Andererseits bedeutet das nicht, dass weniger Kranke behandelt
führend war? Berlin war ein Ort der europäischen und der abendwerden: Es wird jedoch rationalisiert, durch zum Beispiel kürzere
ländischen Medizin. Diese Zeiten sind vorbei. Nach dem Kriege
Liegezeiten und vieles mehr. Entscheidend ist, dass wir Gesundwaren wir noch für einige Zeit die „Apotheke der Welt“. Inzwischen
heit nicht nur als Kostenfaktor, sondern auch strukturell als Wirtsind viele pharmazeutische Unternehmen ganz oder teilweise
schaftsfaktor auffassen. Die Gesamtausgaben für Gesundheit in
ausgewandert. Kein einziges deutsches Pharmaunternehmen ist
der Gesellschaft steigen in allen Bereichen. Gesundheit ist ein
heute noch unter den Top 10 der internationalen Pharmaindustrie
Boommarkt auch bezüglich der Bereitschaft der Einzelnen, für
zu finden (Bild 2). Hinzu kommt, dass die deutsche Biotech-Indust­
Gesundheit mehr Mittel auszugeben. Berechnungen zeigen, dass
rie hinsichtlich ihres Reifegrads noch immer um viele Jahre hinter
die Deutschen selbst für ihr liebstes Kind, das Auto, weniger ausden USA zurückliegt. Ursächlich für Letzteres ist insbesondere die
geben als für Gesundheit. Wenn man im neuen Jahr jemandem
Zurückhaltung internationaler Investoren bei Investitionen in die
etwas Gutes wünschen will, so ist es „Gesundheit“. Gesundheit
deutsche Biotech-Industrie. Ein weiterer entscheidender Punkt
hat eben einen hohen Wert, und das müssen wir nutzen. Etwa
ist aber auch, dass die Genomforschung und die Gentechnik
10 Prozent des Wirtschaftswachstums und -volumens in Berlin,
gesellschaftlich noch immer nicht so anerkannt sind, wie sie es
aber auch in der Bundesrepublik insgesamt, betrifft den Gebrauchen, um die entsprechende Förderung zu bekommen. Gesundheitsmarkt sowohl bezüglich des Umsatzes als auch der
sundheit wird im Wesentlichen zurzeit als Kostenfaktor diskutiert.
Beschäftigtenzahlen (Bild 3).
Wenn eine neue Charité oder andere Universitätskliniken aufgebaut oder umstrukturiert werden, geschieht das fast immer unter
In den medizinischen Bereichen Biotechnologie und Medizindem Druck der Kosten, der Bindung an die Lohnnebenkosten,
technik geht es deutlich aufwärts; hier werden neue ArbeitsDiktat der Kassen und der Fallpauschale des neuen DRGs-Kranplätze geschaffen. Die Innovationen in der Anwendung für den
kenhausfinanzierungssystems. Das wird dazu führen, so sind die
Menschen kommen natürlich aus den forschenden Bereichen der
Vorhersagen einer Untersuchung von Ernst&Young, dass in allen
Universitätskliniken, wie zum Beispiel der Charité – UniversitätsBereichen die Kapazitätsentwicklung und die Bettenzahl in den
medizin Berlin.
Krankenhäusern stark reduziert werden. Die
freien gemeinnützigen Krankenhausträger,
insbesondere aber die privaten Betreiber,
3) Der Gesundheitsmarkt als ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in Deutschland
werden marktanteilsmäßig zunehmen. Die
gesamte Krankenhauslandschaft ist im Gesamtausgaben (Mrd. EUR)
Anteil am BIP (%)
Ausgaben je Einwohner (EUR)
Abbau begriffen.
+3,7% p.a.
+1,0% p.a.
+3,5% p.a.
2.840
10,9
234,2
203,0
218,8
9,9
10,2
10,6 10,6
2.660
10,9
2.480
202,4
180,2
2.210
163,2
92949698
30
2.540
2.020
00
02
92949698
00
02
92949698
00
02
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Das Unternehmen Charité
Leuchtturmprojekte
Damit aus der Charité ein Leuchtturm der Lebenswissenschaften
werden kann, muss sich an der Charité neben viel versprechenden
Forschungsaktivitäten auch eine neue Kultur entwickeln: Strukturen, Prozesse und Mentalitäten, welche die Charité prägen,
müssen sich neben dem traditionsreichen Universitätsbetrieb
auch am Leitbild eines kunden- und marktorientiert handelnden
Unternehmens orientieren. Nur dann werden aus den Forschungsaktivitäten auch neue Produkte und damit neue Arbeitsplätze für
die Charité und für Berlin entstehen.
Mit den Leuchtturmprojekten soll die Idee einer Vernetzung kli­
nischer und wissenschaftlich-akademischer Arbeiten mit den In­
teressen der Wirtschaft verwirklicht werden. Dieses Vorhaben ist
eingebunden in die Initiative „Gesundheitsstadt Berlin“, in der
nach dem Willen aller politischen Parteien, der Universitäten, der
Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft die Kapazitäten ge­
bündelt werden sollen, um den Gesundheitsmarkt weiter zu entwickeln. In diesem Rahmen soll auch eine fruchtbare Entwicklung
des großen Bereichs der Lebenswissenschaften stattfinden. In
Berlin wird es darauf ankommen, spezifische Projekte gezielt voran­
zubringen. Einige thematische Schwerpunkte sind zum Beispiel:
Damit dieser Wandel von der traditionellen Charité mit der
Struktur Fakultät/Klinikum zum „Unternehmen Charité“ gelingt,
braucht die 15.000 Mitarbeiter umfassende Charité „Unternehmerische Zellen“ – kleine, flexible, privatwirtschaftliche Einheiten,
in denen aufeinander abgestimmte strategische Reformprojekte
unternehmerisches Denken und Handeln entfachen.
4) Innovationsmotor Universitätsmedizin
Erfindungsmeldungen insgesamt*
Anzahl Erfindungsmeldungen
300
280
103
250
200
177
150
100
50
0
Gesamt
Charité
* Angaben bezogen auf die Jahre 2002 und 2003, Quelle: ipal
FU, TU, HU,
TFH, FHTW
❙ Die Therapieforschung mit dem Ziel, die Effizienz und die Qualität im Gesundheitswesen durch eine regionale Bündelung
klinischer und wissenschaftlicher Expertise zu steigern.
❙ Die bildgebenden Verfahren: Imaging – Molekulare Diagnostik.
Zukünftige technische Entwicklungen werden es erlauben, komplexe Vorgänge des Körpers sichtbar zu machen und damit neue
Methoden der Diagnose und Therapie zu entwickeln. Diesem
Bereich muss eine Plattform gegeben werden, von der aus eine
erfolgreiche Umsetzung weiterer Entwicklungen gewährleistet
werden kann.
❙ Die Entwicklung einer modernen IT-Landschaft für die Medizin
im Digitalen Krankenhaus, die einerseits als Rückgrat eines
funktionsfähigen Klinikums unerlässlich ist, und andererseits die
Grundlage einer Umsetzung der integrierenden, intersektoralen
Patientenversorgung durch Minimierung der Schnittstellenproblematik darstellt.
❙ Die Regenerative Medizin basiert auf dem Verständnis, wie
einzelne Zellen Gewebe des Körpers regenerieren. Dieses international wachsende Forschungsgebiet ermöglicht einen
Paradigmenwechsel in der Medizin hin zur Transplantation und
Regeneration funktionsfähiger Zellen sowie der Stimulierung
von Gewebereparaturmechanismen erkrankter Organe. Ziel ist
die Entwicklung von neuen Therapien durch interdisziplinäre
Fokussierung und Integration von Basisforschung und klinischer
Anwendung.
31
Beiträge: Detlev Ganten
Insgesamt umfassen diese und andere Leuchtturmprojekte der
Lebenswissenschaften ein institutionelles und infrastrukturelles
Netzwerk verschiedenster Einrichtungen und Partner. Eine zent­
rale Rolle fällt hierbei der „Charité – Universitätsmedizin Berlin“
zu, die heute Europas größtes Universitätsklinikum ist (Bild 4).
Integrale Bestandteile sind neben dem Campus Mitte – mit dem
Hochhauskomplex als Life Science Tower Berlin, ein sichtbares
Symbol des Gesamtprojekts – und den weiteren Standorten der
Charité die Universitäten mit Fakultäten der Humboldt Universität, der Biocampus der Freien Universität sowie die Bereiche Medizintechnik und Public Health der Technischen Universität. Eine
wichtige Rolle spielen außerdem die Forschungseinrichtungen
der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Institute, der Fraunhofer-Institute und die Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.
Der Erfolg der Initiative beruht neben der inhaltlich-thematischen
Exzellenz maßgeblich auf dem wirtschaftlichen Gelingen und
den zu erzielenden nachhaltigen Effekten für den Wissenschaftsund Wirtschaftsstandort Berlin. Diese Impulse sind verknüpft mit
einem Engagement von Seiten der Privatwirtschaft, zum Beispiel
durch Entwicklungspartnerschaften oder andere Geschäftsmodelle der „Public Private Partnership“. Unverzichtbar bedarf es auch
einer Unterstützung aus der Politik in Bezug auf eine Schaffung
der notwendigen Umfeldbedingungen.
32
Gesundheitsstadt Berlin
Das Land Berlin hat die politische Entscheidung getroffen, die
Wissenschaften und hier insbesondere die Medizin in ganz
besonderer Weise zukunftsfähig zu machen und eine deutliche
Priorität in der Weiterentwicklung zu setzen. Politik, Wirtschaft
und Wissenschaft haben sich auf dieses Ziel verständigt. Die
„Gesundheitsstadt Berlin“ wird von allen Parteien und Senatsverwaltungen unterstützt und gefördert. Darüber hinaus haben
sich private Initiativen konstituiert, die den gesamten Gesundheitsmarkt und die Wissenschaft in Berlin koordinieren und in
besonderer Weise fördern wollen. Dies reicht von der Biotechnologie und der Medizintechnik bis hin zur Reorganisation des
Krankenhauswesens sowie der Förderung, Unterstützung und
Koordination der Forschung in den Universitäten und anderen
Forschungseinrichtungen.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Die neue Charité – Universitätsmedizin Berlin
Der Senat von Berlin hat im Jahre 2003 den Beschluss gefasst,
die medizinischen Fakultäten der Freien Universität und der
Humboldt Universität zur „Charité – Universitätsmedizin Berlin“
zusammenzufassen. Damit entstand das größte Universitätsklinikum Europas mit einem Jahresetat von über einer Milliarde Euro
und rund 15.000 Mitarbeitern. Als einer der größten Arbeitgeber
Berlins verfügt die Charité über fast 3.500 Betten an den vier
Standorten: Campus Benjamin Franklin, Campus Berlin-Buch,
Campus Mitte, Campus Virchow Klinikum (Bild 5).
5) Die Charité vernetzt sich mit Partnern in Wissenschaft
und Krankenversorgung – Nukleus eines Netzwerks
Die Charité wurde 1710 gegründet und hat eine lange und
stolze Tradition. Herausragende Berliner Ärzte und Wissenschaftler haben hier die moderne Medizin geprägt. Hierzu gehören
berühmte Namen wie Johannes Müller, Emil Du Bois-Reymond,
Hermann von Helmholtz, Rudolf Virchow, Robert Koch, Emil von
Behring, Paul Ehrlich, Christoph Hufeland, Albrecht von Graefe
und Ferdinand Sauerbruch, um nur einige zu nennen. Vierzehn
Nobelpreisträger haben in Bereichen der klinischen Medizin,
Physiologie und Chemie enge Verbindungen zur Berliner Medizin. Im Jahre 1910, anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der
Charité und der Blütezeit des wissenschaftlichen Berlins, kam die
internationale Welt der Wissenschaft in die Stadt. Die Charité
war ein weltweit anerkanntes Zentrum medizinischen Fortschritts.
Die neue Charité – Universitätsmedizin Berlin hat die Vision,
im Jahre 2010, dem Jahr der 300-Jahrfeier der Charité und der
200-Jahrfeier der Humboldt Universität zu Berlin, an diese große
Tradition der Berliner Wissenschaft anzuschließen.
CHARITÉ
Leuchtturmprojekte
Universitätsklinikum
Institutionen
T herapieforschung
Digitales Krankenhaus
Molekulare Diagnostik
Regenerative Medizin
Grundlagenforschung
Klinische Forschung
Krankenversorgung
Charité Research
­Organisation
IT-Management
Zentrum für Molekulare
Bildgebung
Diagnostik & Therapie
Center for Regenerative
Therapies
Public Health
Technologie-Transfer
Telemedizin
IT
Charité Gesundheitssystem
Public Private Partnership
Universitäten
HU/FU/TU
Forschungseinrichtungen
Helmholtz/Max Planck/Fraunhofer
Leibniz
Lebenswissenschaften Berlin-Brandenburg
Gesundheitsstadt Berlin
33
Beiträge: Dietrich H. W. Grönemeyer
> Innovative Medizintechnik als Schrit tmacher für
eine Reform der Gesundheitsversorgung.
> Dietrich Grönemeyer
In der Diskussion um die Reform des deutschen Gesundheitssystems wird immer wieder über die Kosten, weniger über die
medizinischen Inhalte und schon gar nicht über den gesprochen,
den diese Diskussion am meisten angeht: den Patienten. Eine
humane und an den Bedürfnissen des kranken Menschen ausgerichtete Medizin
sollte daher nicht so sehr die Kosten als vielmehr die Werte, das heißt eine die
Lebensqualität für alle erhöhende Medizin in den Blick nehmen. Die Erhaltung be­
ziehunsweise Wiederherstellung der Gesundheit sollte in Deutschland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden.
34
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Unser Gesundheitswesen ist nur ein Teil einer viele assoziierte
Branchen umfassenden Gesundheitswirtschaft. International gesehen ist die Gesundheitswirtschaft von Wirtschaftswissenschaft­
lern als die Boombranche des 21. Jahrhunderts prognostiziert worden. In Deutschland sind derzeit 4,2 Millionen Menschen in dieser
Branche beschäftigt. Tendenz steigend. In manchen Großstädten,
wie zum Beispiel Essen, ist diese Branche mittlerweile der größte
Arbeitgeber. In den nächsten zehn Jahren wird für das Ruhrgebiet
ein Beschäftigungszuwachs von 20 Prozent vorhergesagt.
Die neuen bildgebenden Verfahren wie die Computer- und Kernspintomographie dienen nicht nur der leistungsstärkeren Diagnostik, sondern erlauben die präzise Steuerung von Therapieverfahren
durch die gleichzeitige Kontrolle der Effekte. Anwendungsfelder
sind beispielsweise die Prävention von Herzinfarkten durch die
katheterlose Darstellung (ultraschnelle Computertomographie)
der Herzkranzgefäße zur Beurteilung von Gefäßeinengungen.
So können millimetergroße Verkalkungen in den Gefäßwänden
Jahrzehnte vor krankhaften Schädigungen sichtbar gemacht
werden. Dies ist eine hervorragende Methode zur Vorbeugung
und zum Einsatz gezielter Gesundheitsförderungsprogramme. Bis
heute, zehn Jahre seit Einführung des Verfahrens, gibt es jedoch
keine Abrechnungsziffern, obwohl in Deutschland jährlich mehr
als 90.000 Menschen an einem Herzinfarkt sterben, bevor sie in
ein Krankenhaus kommen. Bei bis zu 290.000 Herzinfarktereignissen ist der Infarkt heute noch die häufigste Todesursache in
Deutschland.
Eine Medizin, die dem kranken Menschen gerecht werden will,
muss sowohl den rasanten Wissenszuwachs im technologischen
Bereich als auch alternative und nicht rein somatische Aspekte
integrieren. Also kann eine zukünftige ganzheitliche Medizin
nicht auf innovative Gesundheitstechnologien verzichten. Es
muss in diese neuen Technologien investiert werden; sie werden
auf einen riesigen Markt treffen und der deutschen Wirtschaft
gut tun. Zu den wichtigsten Bereichen, die
die technologische Seite der zukünftigen
Medizin bestimmen werden, gehören neue 1) Neue Technologien für neue Behandlungsangebote
bildgebende Verfahren für eine präzise
Diagnostik und Therapie, Robotikverfahren
im OP, der biologische Ersatz geschädigter
Robotik im OP
Bildgebende Verfahren
Neue Eingriffe ­werden
Präzise Diagnostik und
Gewebe (Tissue Engineering), die Telememöglich
Therapie
dizin, neue Werkstoffe und Medikamente
(Drug-Design), die Mikrosystemtechnik und
die Nanotechnologie. Zunehmende Bedeutung wird auch die Gesundheitstechnik zum
Beispiel in der Präventions- und Gerontomedizin erhalten (Bild 1).
Telemedizin
Arbeiten in Netzwer­ken,
Bündelung von Kompetenz
Material-Wissen­schaft &
Drug-Design
Neue Werkstoffe und Medikamente
Tissue Engineering
Biologischer Ersatz
geschä­­dig­ter Gewebe
Mikrosystemtechnik
Mikrosensoren für die
­Früherkennung
35
Beiträge: Dietrich H. W. Grönemeyer
Zweites Beispiel: Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit,
deren Behandlung jährlich mit rund 50 Milliarden € bei den
Krankenkassen und der Wirtschaft durch Arbeitsunfähigkeit zu
Buche schlägt (Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2002). Aber auch bei 100-maligem Röntgen wird
man beispielsweise keinen Bandscheibenvorfall erkennen – obgleich andererseits die modernen bildgebenden Verfahren wie
die Computertomographie und Kernspintomographie überzeugende Möglichkeiten zur berührungsfreien Diagnose bieten. Da
das konventionelle Röntgen aber gängige Praxis in Deutschland
ist, entstehen nicht nur Mehrkosten durch die häufig wiederholte Leistung, sondern auch durch das auf Falschannahmen
basierende Therapiekonzept. Zudem wird das Röntgen von den
Krankenkassen anstandslos bezahlt, die modernen Verfahren
bis heute aber nur zögerlich. Und das gilt grundsätzlich für die
meisten Innovationen und leider gerade für die, die in Deutschland entwickelt wurden, wie die Geschichte der Endoskopie, der
Mikrotherapie, der Herzkatheterisierung und der Ballondilatation
zeigt. Dadurch gehen neue Verfahren für die Patienten verloren
und stehen erst nach einem langen und teuren Reimport zur
Verfügung.
Darüber hinaus gibt es negative Auswirkungen auf die Forschungslandschaft, das Know-how, auf Arbeitsplätze, Gewinne
und Steuereinnahmen. Große Chancen werden einfach vertan!
Die Mikrosystemtechnik (MST) bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten wie das Monitoring chronischer Krankheiten, den Ersatz
von Organfunktionen, die Früherkennung von Krankheiten, die Her­
stellung mikrochirurgischer Instrumente und die Labordiagnostik.
In der Mikrotherapie werden diagnostische bildgebende Verfahren
und interventionelle Verfahren durch sehr kleine Instrumente (unter einem Millimeter Länge, Breite und Tiefe) sowie die Schmerztherapie zusammengeführt. Die Mikrotherapie wird künftig we­
sent­licher Bestandteil aller medizinischen Fachdisziplinen sein.
To­mo­graphiegestützte Kleinsteingriffe zur Gewebeentnahme und
Schmerztherapie, mikrotherapeutische Bandscheiben-, Gelenksund Tumoroperationen sowie moderne Implantationstechniken
wer­den Routineeingriffe in allen Fachdisziplinen. Computer- und
schritt­­weise auch Kernspintomographen werden bis heute fast aus­­
schließlich zu rein diagnostischen Zwecken eingesetzt. Aber diese
Technologie hat darüber hinaus das Potenzial, die minimal in­­va­siven
medizinischen Verfahren entscheidend voranzubringen (Bild 2).
2) Mikrosystemtechnik – Baustein der Medizin von morgen
MST zum Monito­ring chronischer
Krankheiten
MST zum Ersatz
von Organfunk­
tionen
IOL mit Drucksensor zur Retinaimplantat
Glaukomüberwachung Quelle: FhG-IBMT
Quelle: FhG-IBMT
36
MST zur Früherken- MST für die
nung von KrankLabordiagnostik
heiten
MST für mikro­
chirurgische
Instrumente
Laserscanning-Mikroskop Spektrometer für die
zur Tumorfrüherkennung Bilirubinmessung
Quelle: Delas Projekt
Quelle: microparts
Mikrogreifer
Quelle: FZK
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Das in Umrissen dargelegte hochtechnologische Potenzial
bedarf jedoch zu seiner Entwicklung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Das bedeutet, dass die Forschungsergebnisse
unserer Hochschulen unternehmerisch umgesetzt werden. Zusammenkommen sollten Forschungsergebnisse und eine entsprechende Unternehmensidee. Dies setzt aber voraus, dass auch
die Hochschulen Interesse zeigen an der Verwertbarkeit ihrer
Forschungen. Ein Paradebeispiel für Innovationshürden bietet
die telemetrische Mikrosystemtechnik (zum Beispiel mobiles EKG,
mobile Blutdrucküberwachung, Televisite): In einer Umfrage bei
Forschungsinstituten und der herstellenden Industrie stellte sich
heraus, dass die Hindernisse im nicht-technischen Bereich verortet
werden. Hohe Anschaffungskosten, eine unzureichende Vergütung der Ärzte, Skepsis bei den Anwendern, nicht nachgewiesene
Effizienz und rechtliche Bedenken wurden häufig genannt. Eine
breitflächige Einführung der telemetrischen Mikrosysteme in
der Medizin kann also nur in einer allgemein gesellschaftlichen
Anstrengung geleistet werden, wie die gleiche Umfrage bei Forschungsinstituten, Großunternehmen, dem KMU-Bereich und den
Start-up-Unternehmen herausfand. Die Voraussetzungen sollten
in einer gemeinsamen Anstrengung von Kostenträgern, Industrie
und Politik geschaffen werden. Genannt wurden vor allem eine
Erhöhung der Akzeptanz bei Kostenträgern und Krankenkassen,
eine spezielle Förderung durch die Politik, eine Herstellung von
integrierten Mikrosystemlösungen durch die Industrie und die
Schaffung von interdisziplinären Entwicklungszentren im universitätsnahen Bereich.
Ein kurzer Überblick über den Medizinproduktemarkt zeigt, dass
Deutschland bereits jetzt sehr gut im internationalen Rahmen positioniert ist und hervorragende Ausbauchancen hat. Die Gesamtausgaben für Medizinprodukte betrugen in Deutschland im Jahre
2003 im ambulanten Bereich 12 Milliarden €, im stationären
Bereich 7 Milliarden €, zusammen also 19 Milliarden €. Damit
belegt der nationale Markt Deutschland den 3. Platz hinter den
USA (79 Milliarden €) und Japan (Welt: 184 Milliarden €, Europa: 55 Milliarden €). Der Umsatzzuwachs betrug in Deutschland
2002 6,5 Prozent, im Jahre 2003 3,9 Prozent und weltweit in
demselben Jahr 7,0 Prozent. In der deutschen MedTech-Industrie
waren im gleichen Zeitraum ca. 108.000 Menschen beschäftigt.
Trotz dieser recht imponierenden Zahlen und obwohl das Gesundheitswesen jährlich rund 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
auf sich vereint, geht es bisher nicht in die volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes ein (Bild 3).
3) Gesundheitswirtschaft als Wachstumsmotor
senkt Lohn­
nebenkosten
schafft Lebens­qualität
schafft Arbeits­
plätze und Wirtschaftskraft
medizinische
Innovation
Zusammenfassend heißt das: Die Gesundheitsbranche ist international und national einer der wichtigsten Wachstumsmärkte
der Zukunft; neue Technologien sind ein wichtiger Schlüssel für
die Entwicklung wettbewerbsstarker Produkte; Innovationen haben starken Einfluss auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der
Patientenversorgung. Die hier skizzierten Pozenziale werden aber
nur dann langfristig Wirklichkeit werden, wenn alle in Teamarbeit
zusammenarbeiten, das heißt Industrie, Kostenträger, politische
Entscheidungsträger sowie medizinische Forscher und Ärzte, und
zwar alle für einen in gemeinsamer Fürsorge: den Patienten, den
kranken Menschen.
Deutschland muss hier Vorbild für die internationale Gemeinschaft werden. Wir haben bereits jetzt das Know-how, die große
Qualität und die Leidenschaft, um das Land der Gesundheit zu
werden – mit „Med. in Germany“ als Gütesiegel. Wir müssen die
Chancen nur nutzen!
37
Beiträge: Heinrich Kolem
> Die Medizintechnik als innovativer
Wirtschaftsfaktor der Zukunft.
> Heinrich Kolem
Um einleitend die Perspektive der Medizintechnik-Industrie
­darzustellen, soll das Themenfeld zunächst aus strategischer
Sicht betrachtet werden: In stark komprimierter Form ist das strategische Ziel von Siemens Medical Solutions, Effizienz­steigerung
im Gesundheitswesen zu erzielen, einerseits durch Steigerung der ­Qualität, andererseits durch gleichzeitige Senkung der dafür notwendigen Kosten. Wir erreichen das
im heutigen Wettbewerbsumfeld sicher nur durch hochinnovative Produkte und
Lösungen sowie über Prozessoptimierungen.
38
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Auf Grund dieser Basis – Innovation und Prozessoptimierung – hat
es in den letzten Jahren einige Entwicklungen in der Medizintechnik gegeben, die in diesem Beitrag kurz dargestellt werden sollen.
Resultat dieser erfolgreichen Entwicklungen ist das Wachstum in
einem schwierigen Umfeld. Einige der Innovationen sollen hier
nur übersichtsartig dargestellt werden; auf ein Thema – Innovation in der Magnet­resonanz – möchte ich jedoch etwas ausführlicher eingehen und auch die Folgewirkungen aufzeigen. Im
Gesamtspektrum des Angebots (Produkte, Lösungen und Dienstleistungen, Bild 1) sind wir ständig bestrebt, neue Konzepte zu
entwickeln, die im Sinne der oben genannten Strategie zu einer
Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen beitragen können.
Dazu gehören beispielsweise:
❙ Durch die intraoperative 3D-Bildgebung mit einem rotierenden
C-Bogen ist 3D-Bildgebung im OP ohne Patientenbewegung
möglich. Für zahlreiche chirurgische Fragestellungen führt
dieses Verfahren zu einer qualitativen Verbesserung mit einer
möglichen Verkürzung des Gesamtprozesses.
❙ Eine Integration aller notwendigen Komponenten zur Mammo­
graphie ermöglicht ebenfalls eine schnellere und qualitativ hoch­
wertigere, also somit auch sichere Diagnose durch die Zusam­men­
fassung aller notwendigen Einzelschritte.
❙D
ie Einführung der 64-Zeilen-Computertomographie erlaubt
eine noch bessere Auflösung und damit die Bearbeitung von
klinischen Fragestellungen, die bisher für diese Technik wenig
zugänglich waren. Ebenso wird die Gesamtdauer der Einzeluntersuchung reduziert. Dabei ist für die schnelle Verarbeitung und
Auswertung der entstehenden großen Datenmengen Sorge zu
tragen.
❙ Die Kombination der Verfahren Computertomographie und PET
(Positronen-Emissions-Tomographie) erlaubt eine effiziente und
präzise anatomische Zuordnung der im PET-Bild dargestellten
krankhaften Prozesse. Ebenso wird durch diese Kombination die
Gesamtuntersuchungszeit kürzer, da neben innovativer Kristalltechnologie auch die im PET allein erforderliche Abschwächungsmessung entfallen kann.
❙ Die Einführung der magnetischen Steuerung von Kathetern unter
Bildkontrolle ermöglicht eine Katheternavigation, wie sie bisher
nicht möglich war, und beschleunigt somit zum Beispiel die in der
Elektrophysiologie angewandte Ablation von Nervengewebe des
Herzens bei Rhythmusstörungen.
1) Siemens Produkt- und Lösungsportfolio
Produkte
Röntgensysteme Nuklear-Medizin Ultraschall
Computertomographie
Ma­gnet­­re­so­nanz­ Onkologieto­mo­­gra­phie
Systeme
Kardiologie­Lösungen
Onkologie­Lösungen
Women‘s-Health- Digital-Hospital­Lösungen
Lösungen
Beratung
Kundenservice
Audiologische
Technik
Lösungen
RadiologieLösungen
Dienst­
leis­tun­
gen
Bildarchivie­rungs- Klinische und
und Kommunika- administrative
tionssysteme
Software
39
Beiträge: Heinrich Kolem
Am Beispiel der Innovationen in der Magnetresonanztomographie soll jetzt etwas ausführlicher auf den Innovationsprozess
eingegangen werden. Integraler Bestandteil des Innovationsprozesses ist die enge Zusammenarbeit mit Kunden und führenden
Forschungsinstituten. Beispielsweise pflegt das Geschäftsgebiet
Magnetresonanz von Siemens Medical Solutions die Zusammenarbeit mit über 200 Instituten weltweit. Somit beginnt eine
2) Ganzkörper-MR mit Total imaging ­ma­trix
(Tim)-Technologie – anatomische Abdeckung
bis zu 205 cm mit Darstellung von Morphologie und Gefäßen
Neuentwicklung zunächst mit den üblichen Marktforschungen und
Kundenbefragungen. Aber schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt
werden auch intensive Diskussionen mit den Kunden über die optimale Kombination von Kundenanforderungen mit den zukünftigen technischen Möglichkeiten geführt, zum Beispiel im Rahmen
von internationalen Fokusgruppen. Auf dieser Basis werden dann
innovative Entwicklungen in interdisziplinären Teams durchgeführt, die meist an großen Tafeln konzeptartig im Sinne eines
„Brainstormings“ starten. Wenn dann die Entwicklungen auf
Basis der Kundenanforderungen und der strategischen Prämisse
der Prozessoptimierung zur Kostensenkung beginnen, werden
parallel hierzu auch oft enorme technische Fortschritte in der
Integration von Komponenten erzielt. So konnte beispielsweise
die räumliche Dichte der Elektronik von Empfangskanälen für die
Magnetresonanztomographie vervierfacht werden.
Ergebnis einer solchen innovativen Entwicklung war zum Beispiel
die Tim-Technologie (Bild 2). Tim steht für „Total imaging matrix“
– eine Erhöhung der Anzahl paralleler Empfangskanäle in der
Magnetresonanztomographie – integriert in einem patientenoptimierten Antennenkonzept, das erstmalig höchste Bildqualität
und Auflösung mit gesamter Körper-Abdeckung kombinieren
konnte. Es lassen sich damit sehr effizient Ganzkörperaufnahmen
erstellen, die selbst die Bildauflösung der bisherigen optimierten
Lokalmessungen übertreffen. Tim ermöglicht damit neue Anwendungen für die Magnetresonanz (MR), zum Beispiel zur Untersuchung von Tumor- oder Gefäßerkrankungen.
Die Kombination von hoher Ergebnisqualität und Effizienzsteigerung sowie der Möglichkeit neuer Anwendungen mit Tim führte
zu einem durchschlagenden Markterfolg des ersten Systems, das
diese Technologie benutzt (Bild 3). So konnten Auftragseingang
und Umsatz gesteigert und damit auch die Beschäftigung gesichert werden. Auch die sonst bekannten Effekte von Innovationen
am Markt konnten demonstriert werden: Die hohe Akzeptanz
im Markt resultiert aus den deutlichen Vorteilen dieser Innovationen für unsere Kunden, so dass sich gegenüber den Konkurrenzprodukten auch ein entsprechend höherer Preis erzielen ließ.
Ermöglicht werden hierdurch wiederum Investitionen in weitere
Forschung und Entwicklung.
40
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Erfreulich war hierbei auch, dass für diese bahnbrechende Neuentwicklung auf dem Gebiet der MR mehrere Innovationspreise
verliehen wurden.
An dieser Stelle sei neben der Tim-Technologie noch auf weite­re
Neu­erungen in der Magnetresonanz hingewiesen: In der Anwen­
dung von höchsten Grundmagnetfeldern – das heißt 7 Tesla im
Vergleich zu heute üblichen 1,5 Tesla in der klinischen Routine
beziehungsweise 3 Tesla in der klinischen Forschung – zeigen sich
Effekte, die unter Umstän­den eine schnelle und frühe Erkennung
von neurologischen Erkrankun­gen möglich machen (Bild 4). Dies
stellt bereits heute eine Vorentwicklung in dem Sinne dar, dass
die bei Höchstfeldern gesammelten Forschungserkenntnisse zukünftig auch in die klinischen Systeme integriert werden können.
Oder es könnte sich zeigen, dass zur Nutzung der Vorteile klinische
Geräte mit einer so hohen Feldstärke er­for­derlich sind. Bei derart
komplexen Forschungsprojekten ist es zwingend notwendig, dass
Forschungsinstitute und Industrie zusammen­arbeiten. Auch wenn
die ersten 7-Tesla-Systeme in den USA in Be­­trieb gingen (in
3) MAGNETOM Avanto, das erste MR-System mit ­
Tim-Technologie
Minneapolis und Boston), konnte erfreulicherweise auch in
Deutschland sehr schnell eine solche Anlage installiert werden.
Obwohl es noch offen ist, ob diese Geräte eine klinische Anwendung finden werden, stellen sie sicherlich eine wichtige Grundlage
für die Anwendungsforschung und auch für die mögliche Entwicklung von Medikamenten dar. Um die Spitzenstellung der Forschung auch hier in Deutschland zu halten, wären schnelle Entscheidungen sicherlich hilfreich.
Insgesamt lassen sich die wesentlichen Inhalte wie folgt zusammenfassen:
❙ Durch die Innovationsführerschaft lässt sich der Geschäftserfolg
nachhaltig sichern und damit auch ein positiver Beitrag zum
Wirtschaftsstandort Deutschland leisten.
❙ Innovative Entwicklungen erlauben einen Wettbewerbsvorteil,
der eine höhere Preisdurchsetzung erlaubt und somit wieder
Investitionen ermöglicht.
❙ Schnelle und fokussierte Entscheidungen können helfen, die
Spitzenposition der Medizintechnik in Deutschland zu sichern.
4) Mikroskopische Bildgebung bei 7-Tesla-Magnetfeldstärke
– hochaufgelöst zu sehen sind Kerngebiete des Gehirns
41
Beiträge: Klaus-Peter Schmitz
> Entwicklungstrends in der Biomaterialforschung
und Implantat technologie.
> Klaus-Peter Schmitz
Bereits seit Jahrhunderten werden in der Medizin körperfremde
Materialien dazu verwendet, Gewebe und Organstrukturen des
Menschen zu ersetzen und wiederherzustellen. Beispiele hierfür
sind die Anwendung von Edelmetallen in der Zahnmedizin oder
Glas in der kosmetischen Chirurgie alter Kulturen. Eine entscheidende und bis dahin
fehlende medizinische Grundlage für die erfolgreiche invasive Anwendung körperfremder Materialien wurde durch Lister in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
mit der Ent­wicklung aseptischer chirurgischer Techniken gelegt. Geleitet von der
Suche nach dem idealen Implantatwerkstoff wurde seit dieser Zeit eine Vielzahl
von Werkstoffen mit wachsendem Erfolg für die Herstellung der unterschiedlichsten
Implantate verwendet.
42
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Innovative Biomaterialien und Implantate
– Grundlage für neue Therapiekonzepte
Einige der vielen Meilensteine auf diesem Weg sind bis heute etwa
die von Charnley 1958 beschriebene zementierte Hüft­­endo­prothese,
die künstliche Herzklappe von Starr und ­Edwards aus dem Jahr 1960
oder der 1977 von Grüntzig eingeführte Angio­plastiekatheter (Bild 1).
In der Summe haben die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte dazu
geführt, dass die Medizin- oder Gesundheitstechnologie innerhalb
der Medizin und der Gesellschaft einen hohen Stellenwert mit außer­
ordentlicher politischer und ökonomischer Bedeutung einnimmt.
Implantate und ­künstliche Organe tragen heute entscheidend dazu
bei, die Vitalität, Mobi­lität und Lebensqualität bei Millionen von
Patienten weltweit zu erhöhen. Etablierte Therapiekonzepte zu
verbessern und für die Zukunft neue medizinische Applikationen zu
erschließen, ist die ­Zielstellung für die Forschung auf diesem Gebiet.
Ausgangspunkt für Fortschritt und Innovation sind einerseits innovative Materialien und Technologien, andererseits neue medizinisch
wün­schenswerte Diagnose- und Therapiekonzepte.
Trends in der Biomaterialforschung
Ein Hauptinteresse der Biomaterialforschung gilt derzeit dem Verständnis der zellulären Mechanismen der Interaktionen zwischen
Biomaterial und Empfängerorganismus, die sich auf der Oberfläche bzw. der Grenzfläche eines Implantates vollziehen. Basierend
auf diesem Wissen soll die Antwort des Empfänger-Organismus
auf das Implantat durch die Gestaltung der Architektur, insbesondere der Mikro- und Nanostruktur der Implantatoberfläche
optimiert werden. Neben der passiven Funktionalisierung von Implantatoberflächen bietet die Anbindung von Medikamenten an
die Implantatoberfläche eine Möglichkeit zur aktiven Steuerung
der zellulären Prozesse. So genannte Drug-Delivery-Technologien,
die die lokal begrenzte und zeitlich gesteuerte Abgabe von Medikamenten ermöglichen, sind auf Grund ihres modularen Konzepts
sehr vielseitig anwendbar und besitzen ein großes Potenzial für
unzählige Anwendungen. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung
von Nanopartikeln in der Tumortherapie.
1) Implantate aus der klinischen Praxis
Herzklappenprothese
Koronarstent
Hüftgelenks­endoprothese
Herzschrittmacher-Generationen
Intraokularlinse
Cochlea-Implantat
Dental­implantat
43
Beiträge: Klaus-Peter Schmitz
Eine Strategie zur Therapie von Tumoren ist die Applikation toxischer Substanzen, die die Tumorzellen zerstören sollen. Eine
solche Chemotherapie überschwemmt jedoch den gesamten Körper mit dem Zellgift, was zu den bekannten schweren Nebenwirkungen führt. Deshalb wäre eine lokale und gezielte Applikation
von Zellgift ­ eine bessere ­ Alternative als die systemische Gabe.
Hierzu muss das Gift zunächst in verpacktem Zustand zu den
Tumorzellen transportiert und soll dort erst nach der Aufnahme
wirksam ­werden. Ermöglicht werden soll diese Therapieform durch
Nanopartikel, die – eingebettet in eine Matrix – das Zellgift transportieren. Die Oberfläche der Nanopartikel ist mit tumorspezifischen Liganden versehen, so dass die Nanopartikel gezielt an
Tumorzellen andocken, in die Zellen aufgenommen werden und
dadurch zum Absterben der Tumorzellen führen. Dieses Beispiel
zeigt zugleich zwei weitere Forschungstrends auf: das gezielte
Drug-Targeting sowie den Einsatz von Mikro- und Nanotechnologien bei Biomaterialien und Implantaten.
Eine grundsätzliche Fragestellung im Zusammenhang mit Biomaterialien und Implantaten ist die Fähigkeit der Implantate zu
Wachstum, Regeneration und Adaption. Diese Implantateigenschaften sollen mit dem Ansatz des Tissue Engineering realisiert
werden. Das Tissue Engineering zielt auf eine Wiederherstellung
von erkrankten Gewebe- und Organstrukturen, beispielsweise von
Knochen, Knorpel, Haut, Blutgefäßen und Herzklappen, durch
körpereigenes Gewebe ab. Dieses Ziel ist jedoch aus heutiger
Sicht nur über Umwege zu erreichen. Zunächst wird die Funktion
des erkrankten Gewebes durch ein Implantat wiederhergestellt
und danach soll das Implantat nach und nach vom Organismus
abgebaut und sukzessive durch neues, körpereigenes Gewebe
ersetzt werden.
Hierzu muss das Implantat bzw. die Gerüststruktur (Scaffold)
biodegradierbar sein, und es muss zur Stimulierung der Regeneration gesunden Gewebes mit Wachstumsfaktoren oder Pharmaka beladen werden. Alternativ dazu können mit körpereigenen
Zellen besiedelte Gerüststrukturen im Reagenzglas kultiviert und
schließlich als Ersatz für das kranke Gewebe implantiert werden.
Die biologische Prozessierung ist dabei in der Regel zeitaufwändig und deshalb für akute Behandlungen schwer zu realisieren.
Ein Fernziel bei der Entwicklung von Biomaterialien und Implantaten
ist der Aufbau von In-silico-Modellen kompletter Organsysteme, die
eine Simulation der Interaktion zwischen einem Implantat und
dem Empfänger-Organismus gestatten. Voraussetzung hierfür ist
neben der Bewältigung der rechentechnischen Herausforderungen
ebenfalls das Verständnis zellulärer und molekularer Mechanismen.
Experimentell analysiert werden diese Prozesse in der Genom- und
Proteomforschung mit Hilfe von Biochip-Technologien. Diese Techniken ermöglichen es, ein detailliertes Bild des physiologischen
Status einer Zelle, bzw. eines Gewebes zu erfassen. Die in solchen
Experimenten erarbeiteten Daten können über Datenbanken zugänglich gemacht und für die In-silico-Modellierung, beispielsweise
von pharmakabeladenen Nanopartikeln, genutzt werden.
Entwicklung innovativer Implantate
Derzeit vollzieht sich auf dem Gebiet der Implantattechnologie
eine Konvergenz zwischen Medizintechnik, Biowissenschaften,
Pharmazie und Informationstechnologie. Es ist davon auszugehen, dass dieser Trend den Fortschritt auf dem Forschungssektor
dominieren und in den nächsten Jahren dazu führen wird, dass die
Leistungsfähigkeit von Implantaten ständig steigt. Illustriert werden kann diese Tendenz beispielsweise anhand der Entwicklungen
auf dem Gebiet der vaskulären Interventionen. Waren die hier
zur Behandlung stenosierter Gefäße verwendeten Stents zunächst
einfache Drahtgeflechte, so werden bereits heute mit steigender
Tendenz bei einem Großteil der jährlich in Deutschland durchgeführten 220.000 Koronarstentimplantationen polymerbeschichtete, pharmakabeladene Drug-Eluting Stents eingesetzt (Bild 2).
2) Weltweite Umsatzentwicklung bei Koronarstents – Trend zu
Drug-Eluting Stents
in Mrd. E
3.9
DrugEluting Stents
4.7
4.8
4.9
5.1
5.2
2006
2007
2008
2009
2010
3.3
Metallstents
2003
44
4.4
2004
2005
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Weiter fortsetzen wird sich dieser Trend mit der Integration der Bio­
technologie bei der Entwicklung so genannter Stammzell-Stents,
deren Oberfläche gezielt für die Adhäsion im Blut zirkulierender
Progenitorzellen mit Zell-Ligandstrukturen ausgestattet ist. Einen
anderen Entwicklungstrend bilden abbaubare Stents aus metallischen oder polymeren Werkstoffen, die ihre Stützfunktion temporär erfüllen und die eine Gefäßregeneration ohne permanentes
Implantat ermöglichen (Bild 3). Aktuell geben erste klinische
Erfolge mit einem abbaubaren Stent auf Basis einer Magnesium-Legierung Grund zur Hoffnung auf die Verwirklichung einer
regenerativen vaskulären Therapie.
Im Gegensatz zu den heute allein in Deutschland etwa 500.000-mal
jährlich im Rahmen von Katarakt-Operationen implantierten In­tra­
okularlinsen, bei denen die Patienten auf die Verwendung einer
Brille für unterschiedliche Distanzen angewiesen sind, soll die inji­­
zier­bare Linse (Bild 5) eine Akkommodationfähigkeit des Auges
im physiologischen Sinne, unter Verwendung von Zonula und
Ziliarkörper, ermöglichen. Der durch ein solches Implantat erzielbare enorme Gewinn an Lebensqualität für die Patienten eröffnet
den Raum für Visionen und könnte zu einem Innovationsschub in
der Augenheilkunde mit vielen Spinoff-Konzepten führen.
Der Einfluss der Informationstechnologie auf die Implant­
atentwicklung wird insbesondere deutlich auf dem Gebiet der
aktiven Implantate für die Elektrostimulation – implantierbare
Cardioverter und Defibrillatoren, physiologische Herzschrittmacher, Neurostimulatoren und Cochlea-Implantate sind allesamt
Implantate, deren Leistungsniveau eng mit den Entwicklungen
im Bereich der Mikroelektronik, insbesondere der Miniaturisierung, verknüpft ist. Zukünftig ist auch damit zu rechnen, dass
die Mechatronik im Zuge der fortschreitenden Miniaturisierung
enorm an Stellenwert innerhalb der Prothetik gewinnen wird.
Denkbar sind elektromechanische Prothesen, deren Funktion über
neuronale Schnittstellen steuerbar ist.
3) Forschungstrend in derKardiologie – abbaubarer Magnesiumstent
Sieht man von Ausnahmen ab, gründet sich Innovation auf der
Wei­­­­ter­entwicklung von Bewährtem. Welche Bedeutung bewähr­
tes Wissen für zukunftsweisende Implantatinnovationen besitzt,
ver­­deutlicht ein gegenwärtiger Entwicklungstrend in der Augen­
heil­kunde. Grundlage für die Entwicklung einer injizierbaren ak­
kom­modationsfähigen Intraokularlinse ist hier die Akkommo­da­
tions­theorie von Hermann von Helmholtz aus dem Jahr 1855
(Bild 4).
8 Wochen Stützwirkung. Mg-Legierung im Minipig. Heublein, et al., MHH
100
Stenose / %
Mg-Legierung
80
5
Referenz
5
60
10
10
40
20
0
28d
56d
QCA nach
Ergebnissen einer tierexperimentellen Studie
Forschungsprojekt der: Biotronik GmbH & Co. KG, Berlin-Erlangen-Bülach,
Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, Medimplant,
Medizinische Hochschule Hannover,
Institut für Biomedizinische Technik, Universität Rostock
45
Beiträge: Klaus-Peter Schmitz
4) Akkommodationstheorie nach von Helmholtz
Hermann von
Helmholtz
(1821–1894)
Potenzial innovativer Medizinprodukte für
invasive Anwendungen
Wie in allen Bereichen der Produktentwicklung besteht auch bei
Implantaten ständiger Innovationsbedarf sowohl bei der Weiterentwicklung als auch bei der Neuentwicklung von Produkten.
Geht es aus medizinischer Sicht darum, den Therapieerfolg durch
neue oder verbesserte Implantate und künstliche Organe zu erhöhen und damit einen Gewinn für den Patienten zu erzielen,
so ist es das primäre Ziel der Medizinproduktehersteller, sich
durch Innovationen am Markt zu behaupten und wirtschaftliches
Wachstum zu erzielen.
5) Wiederherstellung der Akkommodationsfähigkeit mit einer
­in­ji­zierbaren, akkommodationsfähigen Linse – Grundprinzip
und Ergebnisse
Injektion von Präpolymeren in den gereinigten Kapselsack
Konzept von Haefliger-Hettlich-Nishi
„Über die Akkommodation des Auges“
46
Kaninchenauge mit injizierter
Polymerlinse, 6 Monate post op.
Guthoff, Universitätsaugenklinik
Rostock Terwee, AMO Groningen BV
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Für das öffentliche Gesundheitswesen ergeben sich dabei Herausforderungen, die entstehenden wirtschaftlichen und ethischen
Probleme zu bewältigen, denn Implantate stellen einen immensen
Kostenfaktor dar und sollen trotzdem allen Patienten gleichermaßen zugänglich sein. Verschärft wird die Situation in Deutschland
durch die wirtschaftliche Lage und die demographische Entwicklung. Neue Diagnoseverfahren tragen zudem dazu bei, dass der
Bedarf an Implantaten steigt. Vor diesem Hintergrund liegen
die Chancen neuer Entwicklungen insbesondere auch bei der
Erhöhung der Kosteneffizienz von Therapiekonzepten.
Die Produktentwicklung bei Implantaten ist im Allgemeinen
durch erheblichen Forschungsbedarf, hohe Entwicklungsrisiken
und einen langen Weg bis zur Produktzulassung gekennzeichnet.
Gerade auf dem Gebiet des Tissue Engineering wird derzeit deutlich, wie schwierig es ist, das Potenzial innovativer Gesundheitstechnologien wirtschaftlich nutzbar zu machen.
47
Beiträge: Olaf Dössel
> Sechs Thesen zur Innovation in der Medizintechnik.
> Olaf Dössel
In Anbetracht verschiedener Kriterien nimmt Deutschland im
weltweiten Vergleich den zweiten Rang in der Medizintechnik
ein. Diese Position gilt es zu festigen und auszubauen. Denn
trotz aller positiven Nachrichten ist der Umsatzanteil deutscher
Unternehmen am Weltumsatz von 1991 bis 2001 von 21 Prozent auf 16 Prozent
gesunken. Im gleichen Zeitraum konnten beispielsweise die USA ihren Anteil von
26 Prozent auf 31 Prozent steigern. Deutschland erfüllt trotzdem alle Randbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft in der Medizintechnik.
48
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
These 1: Medizintechnik ist eine wichtige zukunftsorientier­te
Hochtechnologie-Branche, die Arbeitsplätze und Wohlstand in
Deutschland sichert und gleichzeitig einen Beitrag zur ­Ge­sundheit
der Menschen und zur Steigerung der Effizienz im Gesundheitswesen erbringt.
Hierzu ein paar Zahlen und Fakten: Im Jahr 2003 wurden in
Deutschland Waren im Werte von 14 Mrd. Euro im Bereich Medizintechnik produziert. Davon gingen über 50% in den Export. Die
jährliche Steigerung dieses Produktionsvolumens liegt stabil über
viele Jahre bei 5,5% und damit deutlich über dem Durchschnitt
des verarbeitenden Gewerbes. Und eine konservative Prognose
besagt, dass diese Steigerungs­rate mindestens für die nächsten
100 Jahre anhält – es gibt kaum eine Branche mit solch positiven
Zukunftsaussichten. Medizintechnik sichert in Deutschland heute
ca. 110.000 Arbeitsplätze. Trotz einer vereinzelt bei größeren Unternehmen erkennbaren Auslagerung von Produktionsbereichen
und Entwicklungsabteilungen ins Ausland gibt es insgesamt ein
positives Beschäftigungssaldo. Mittelständische Unternehmen
behaupten sich erfolgreich im Weltmarkt. Zahlreiche Unternehmensgründungen sind erfolgreich.
These 2: Drei Motoren müssen bei medizintechnischen Innova­
tionen zusammenspielen:
a)Neue technologische, informationstechnische oder naturwissenschaftliche Möglichkeiten müssen entstehen und ihre
Potenziale für die Medizin erkannt werden.
b)Technische Möglichkeiten müssen zur Anwendung am Menschen in beispielsweise Komponenten, Geräte, Systeme sowie
Software übertragen werden.
c)Neue medizinische Möglichkeiten müssen erkannt und ausgeschöpft werden.
These 3: Medizintechnik ist interdisziplinäre Zusammenarbeit
„par ex­cellence“.
Nur durch eine reibungslose interdisziplinäre Kooperation können
Innovationen entstehen. Trotz vieler guter Beispiele gibt es hier
in Deutschland Verbesserungsbedarf: Zu oft wird noch „Abgrenzungspolitik“ zwischen verschiedenen Fachrichtungen oder
Berufsgruppen betrieben. Hierzulande gibt es über 20 eigenständige Fachverbände, die sich mit Medizintechnik beschäftigen und
nicht immer an einem Strang ziehen. Interdisziplinär angelegte
Lehrstühle gehen verloren und DFG-Sonderforschungsbereiche
mit medizintechnischen Themen haben es schwer, weil sich beispielsweise keine Interessengruppe mit ihnen identifiziert. Dies
gilt es zu überwinden. Interdisziplinäre Teams, die sich gegenseitig verstehen, anerkennen und befruchten, sind der Schlüssel für
Innovationen – nicht nur in der Medizintechnik.
These 4: Innovationen der Medizintechnik werden in der Regel
Kosten im Gesundheitswesen senken und die Behandlungsqualität ver­bessern.
Der Nachweis von Kostenreduktion und Qualitätsverbesserung
kann aber fast nie in einer frühen Projektphase erbracht werden.
Heute ist dieser Nachweis oft Voraussetzung für die Forschungsförderung. Hier sind mehr Spürsinn und visionäres Denken
gefragt. Trotz des hohen Kostendrucks im Gesundheitswesen
muss es auch in Zukunft möglich sein, Medizintechnik für die
reine Qualitätsverbesserung zu erforschen. Meist stellt sich die
Kostenreduktion dann in einer späteren Phase ein, wenn die neue
Methode verbreitet zum Einsatz kommt.
Die Forschungslandschaft in Deutschland ist in allen drei Bereichen stark im internationalen Vergleich – dies ist ein deutlicher
Trumpf. Die öffentliche Forschung bewegt sich aber in der perso­
nellen und finanziellen Ausstattung „am Limit“. In der Forschung
in Deutschland darf keiner dieser drei Motoren gebremst werden.
49
Beiträge: Olaf Dössel
These 5: Nur durch einfache, transparente und nachvollziehbare
Strukturen für einen Eintritt neuer Medizintechnik in den geregelten deutschen Markt kann die Stellung der Medizintechnik in
Deutschland erhalten werden.
Am Ende einer oft sehr langen Phase der technischen Vorentwicklung stehen immer die klinische Studie und danach die Frage nach
der Aufnahme der neuen Methode in den Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenkassen. In diesen beiden Bereichen ­wurden
in Deutschland in den letzten Jahren immer mehr Bremsen in
den Innovationsprozess eingebaut. Forscher und Entwickler in
der Medizintechnik wollen niemals Technik um der Technik willen.
Im Vordergrund steht immer der nachgewiesene Nutzen für den
Patienten. Aber wenn es am Ende zu viele Hürden gibt, diesen
Nachweis zu erbringen, verlaufen medizintechnische Innovationen im Sande. Dringend werden gefordert:
❙ einfach funktionierende und transparente Strukturen für die
Erprobung innovativer Methoden in der Medizin sowie
❙ berechenbare, flexible und schnelle Entscheidungsstrukturen zur
Abrechenbarkeit von innovativen Leistungen in der Medizin.
1) Intelligente Prothese
These 6: Die großen und besonders wichtigen Innovationsfelder der
Medizintechnik sind:
❙ Mikrosysteme für aktive Implantate, Neuroengineering, In-vivoDiagnostik, In-vitro-Diagnostik, DNA-Chips, Lab-on-Chip, Drug-Delivery-Systeme,
❙ Medizintechnik für minimalinvasive und bildgeführte Interventionen,
❙ neue bildgebende Verfahren mit Fokus auf Funktionsdiagnostik
und biomolekulare Bildgebung,
❙ Medizintechnik für die regenerative Medizin, Gewebezüchtung,
Zelltherapie,
❙ computerunterstützte Diagnostik, Therapieplanung und -begleitung,
❙ neue Materialien für die Diagnostik und Therapie, Nanomaterialien, funktionelle Oberflächen, passive Implantate aus neuen
Werkstoffen,
❙ e-Health, elektronische Patientenakte, Datennetze, Telemedizin,
Workflow-Management und Prozessoptimierung.
Auch in den Bereichen Instrumente, Systeme und Materialien für
die Zahnmedizin und Ophthalmologie sowie bei der Dialyse hat
Deutschland ein großes Produktionsvolumen und eine starke Position im Weltmarkt.
2) Blinde werden wieder sehen können: Retina Implantat
Otto Bock, Duderstadt
50
retina implant ag, Reutlingen
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
3) Analytik an Nanoliter-Proben
Fazit: In Anbetracht verschiedener Kriterien nimmt Deutschland
im weltweiten Vergleich den zweiten Rang in der Medizintechnik
ein. Diese Position gilt es zu festigen und auszubauen. Denn
trotz aller positiven Nachrichten ist der Umsatzanteil deutscher
Unternehmen am Weltumsatz von 1991 bis 2001 von 21 Prozent auf 16 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum konnten
beispielsweise die USA ihren Anteil von 26 Prozent auf 31 Prozent
steigern. Deutschland erfüllt trotzdem alle Randbedingungen für
eine erfolgreiche Zukunft in der Medizintechnik:
Lab-on-Chip von Advalytix AG, Brunnthal
4) Bildgeführte und navigierte Neurochirurgie
❙ Innovative Ärzte, die eine Entwicklung neuer Verfahren an­stoßen
und neue Produkte und Methoden einsetzen wollen,
❙ eine hervorragende Grundlagenforschung mit kreativen Wissen­
schaftlern in den Bereichen Medizin, Naturwissenschaften und
Technik,
❙ eine stark F&E-geprägte Unternehmenslandschaft, die in der
Vergangenheit viele Ideen aus der Grundlagenforschung in innovative, am Weltmarkt erfolgreiche Produkte umsetzen konnte,
❙ ein Gesundheitswesen, das als Erstnutzer den schnellsten Vorteil
von Innovationen wahrnehmen kann und als starker Heimatmarkt eine Signalwirkung für den internationalen Absatz von
Medizintechnik hat.
Brain-SUITE von BrainLAB, Heimstetten
Vor dem Hintergrund eines ständig steigenden internationalen
Wett­­bewerbs muss allen Beteiligten und Verantwortlichen klar
sein, dass sich die gute deutsche Position nur durch eine erfolgreiche und geschlossene Wirkungskette von der Grundlagenforschung über die Entwicklung und Produktion bis zur Anwendung
halten lässt.
5) Das bunte Spektrum der Medizintechnik
Bedarf & Verbrauch
besonderer Einrichtungen
Pflaster, OP-Einrichtungen
Diagnosesysteme
EEG, EKG, Monitoring, Lungendiagnose, Schlafdiagnose
Diagnostika & Labor
Hämatologie, Immunologie,
DNA-Chips, Lab-on-Chip
Bildgebende Systeme
Röntgen, CT, MRT, Ultraschall,
SPECT, PET, molek. Bildgebung
Hygiene & Sicherheit
Hygiene, Sterilisation, Dosi­
metrie & Strahlenschutz,
Sicherheit, Gerätemanagement, Katheter
Chirurgie & Intervention
Chirurgische Systeme, Anäs­
thesie, minimal-invasive Interventionen
e-Health & Software
Elektronische Patientenakte,
Telemedizin
Dienstleistung & Medizintechnik
Workflow-Management,
­Disease-Management
Medizintechnik für besondere
Disziplinen
Audiologie, Ophtalmologie,
Zahnmedizin, Rettung &
Not­fall
Therapie-Systeme
Beatmung & Inhalation, Dialyse & Apherese, Injektion &
Infusion, Ultraschalltherapie,
Physiotherapie
Implantate
Aktive Implantate, passive
Implantate
Strahlentherapie
Gammastrahlen, Kerne
Zell- und Gewebetechnik
Zelltherapie, Gewebestücke,
künstliche Organe
Hilfen für Behinderte
Prothesen, Rollstühle
Rehabilitation
51
Beiträge: Dieter Spath
> Die Gesundheitsk arte – Prozessmanagement
im Gesundheitswesen.
> Dieter Spath
Die Potenziale der Gesundheits-Telematik für ein patienten­
orientiertes und zukunftssicheres Gesundheitswesen sind heute allgemein anerkannt. Die Nutzung moderner Informationsund Kommunikationstechnologien ermöglicht überhaupt erst
die zeitgemäße diagnostische und therapeutische Praxis. Die Politik hat mit dem
­Modernisierungsgesetz für die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), kurz
GMG genannt, den rechtlichen und finanziellen Rahmen geschaffen, um die digitale
Unterstützung von Gesundheitsprozessen der Zukunft zu gestalten. Die Einführung
der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und die Förderung der integrierten Versorgung sind die ersten Schritte der Umsetzung.
52
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Welche Ziele werden nun mit der Einführung der GesundheitsTelematik in Deutschland verfolgt? Grundsätzlich sollen hochwertige Gesundheitsdienstleistungen kostendeckend angeboten
werden. Die Einführung der Gesundheits-Telematik fordert von
den Akteuren und Patienten ein hohes Maß an Flexibilität und
hinreichenden Veränderungswillen. Ob jedoch allein durch die
Einführung der eGK die gewünschten Ziele – Qualität, Transparenz
und Wirtschaftlichkeit – erreicht werden, ist fraglich. Durch den
Einsatz eines übergreifenden Prozessmanagements kann ein tiefer
gehender Effekt erzielt werden, weil notwendige Veränderungen
bislang an Partikularinteressen scheiterten. Mit Hilfe eines Verständnisses der „Sektoren-übergreifenden Prozessketten“ können
sowohl Einzel- als auch Gesamtleistung im Gesundheitswesen
optimiert werden. Letztlich ist die Einbindung des Patienten, seine
Motivation, gesund zu bleiben, der Motor für Veränderungen hin
zu einer besseren und günstigeren Gesundheitsversorgung. Die
eGK ist nur Mittel zum Zweck; und die Einbettung in ein Prozessmanagement ist ein notwendiger Schritt, um die gewünschten
Ziele zu erreichen.
1
Gesundheitsausgaben Statistisches Bundesamt Deutschland unter
http://www.destatis.de/themen/d/thm_gesundheit.php,
zuletzt besucht am 24.06.05.
2
GKV-Zahlen des BMGS 2004 unter http://www.bmgs.bund.de/downloads/
GKVAnlagen.pdf, zuletzt besucht am 24.06.05.
Zukunftsmarkt Gesundheitswirtschaft
Lohnt sich die Optimierung des Gesundheitswesens überhaupt?
Dazu einige Fakten. Der Gesundheitsmarkt der Bundesrepublik
Deutschland nimmt heute mit 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einen der vorderen Plätze unter den Branchen ein und ist
im Vergleich sogar größer als der Anteil der Automobilindustrie
(9,7 % des BIP). Die aktuellen Gesundheitsausgaben belaufen
sich auf ca. 240 Mrd. € p. a. Die Branche bietet zurzeit 4,2 Mio.
Menschen Beschäftigung und ist damit „Arbeitgeber Nr. 1“ in der
Bundesrepublik Deutschland.1
Hatten noch die Maßnahmen des GMG vor allem durch Einsparungen bei Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln sowie bei Fahrkosten in 2004 zu einem Einnahmenüberschuss der gesetzlichen
Krankenkassen von ca. 4 Mrd. € geführt, so stiegen ab diesem
Jahr die Ausgaben erneut an. Mit knapp 156 Mio. € wurde im
1. Quartal 2005 ein deutlich niedrigerer Überschuss als im Vergleichszeitraum des Vorjahres erzielt (950 Mio. €), was jedoch
darauf zurückzuführen ist, dass die Einnahmen weniger stark als
die Ausgaben stiegen.2
53
Beiträge: Dieter Spath
Optimierungspotenzial im deutschen Gesundheitswesen
Notwendige Einsparungen führen zu einem Zielkonflikt: Die
­Erhaltung der Versorgungsqualität steht der Finanzierung und
der Ver­teilungsgerechtigkeit gegenüber. Zeitnah können Einsparungen durch die Performance-Steigerung und den Einsatz von
IuK-Lösungen erreicht werden. Dafür ist die eGK ein Paradebeispiel. Mittelfristig ist es möglich, durch ein besseres Ineinandergreifen der Ar­beitsabläufe auch über die Sektoren hinweg einen
weiteren Nutzen zu erzielen. Die Schaffung von Transparenz kann
dabei ein Mittel zu einer höheren Qualität der Behandlung und
zur Vermeidung von Fehlversorgung sein. Langfristig besteht die
Möglichkeit, nur durch die Steigerung der Patientensouveränität
und die Unterstützung von Prävention und gesundheitsförderlichem Verhalten einen po­siti­ven Effekt in relevanter Größenordnung zu erreichen (Bild 1).
Anwendungen der eGK
Laut GKV-Modernisierungsgesetz § 291 a SGB V (Sozialgesetzbuch) ist die elektronische Gesundheitskarte als Speicherkarte
ge­plant. Sie ist geeignet, Informationen zu authentifizieren, zu
ver­schlüsseln und eine elektronische Signatur zu ermöglichen.
Sie wird Anwendungen in einem Pflichtteil und einem freiwilligen Teil enthalten. Im Pflichtteil werden folgende Informationen
gespeichert sein:
❙ administrative Daten des Patienten, vergleichbar mit den Daten,
die auch auf der aktuellen KV-Karte gespeichert sind sowie der
Zuzahlungsstatus
❙ elektronisches Rezept – auch eRezept genannt (s. Bild 3)
❙ aufgedruckter Sichtvermerk auf der Rückseite der eGK für die
Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen innerhalb der
EU (E111)
1) Bedingung, Maßnahme, Risiko – Veränderungen im deutschen
­Gesundheitswesen
Gesellschaft
Deckungsdefizit GKV,
steigende Kosten (Innovation,
­Demographie) vs. sinkende Einnahmen
(Arbeitsmarkt)
Maßnahme Gesetzgebung: neue Entgeltsysteme,
neue Versorgungsformen (integrierte
Versorgung, DMP)
Entlastung der GKV (Fremdleistungen/
Kopfpauschale/Bürgerversicherung)
Bedingung
Risiko
54
schlechtere Versorgungsqualität
Organisation
Ressourcenverknappung, sinkende
­Erlöse, steigende Löhne, Wettbewerb
um Fachkräfte und Patienten
Individuum
Leistungsverknappung, geringere
­Vielfalt, höhere Beiträge
Durchsatzsteigerung,
Fallzahl (+), Verweildauer (–)
Risikoselektion, Spezialisierung,
­ambulantes Leistungsangebot (+)
Erlösoptimierung (Kodierung,
­Controlling)
Reibungsverluste, Fehlsteuerung,
Insolvenz
Eigenverantwortung, Zusatzversorgung,
Wahl alternativer Versorgungsstrukturen, Selbstmedikation, Prävention
individuelle Mehraufwände, Krankheit
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Für den freiwilligen Teil der eGK wurde bereits im Gesetzestext
eine Vielzahl von sinnvollen Anwendungen genannt. In diesem
Teil könnten folgende Informationen gespeichert sein:
❙ Arzneimitteldokumentation, Informationen zu Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten gegenüber Medikamenten und
deren Inhaltsstoffen
❙ Notfalldaten, zum Beispiel direkt abrufbare Informationen zu
chroni­schen Krank­­heiten, Implantaten, Blutgruppenzugehörigkeit, Un­ver­träg­lich­keiten gegenüber Medikamenten und Inhaltsstoffen sowie Allergien
2) Fehleranfällig, ineffizient – das Papierrezept
Patient
Arzt
Patient
Apotheke
Papierrezept
· verloren
· gefälscht
· fehlerhaft
· unlesbar
ApothekenRechen­zentrum
Papierrezept
❙ P atientenquittung, das heißt Übersicht über die vom Arzt erbrachten Leistungen, Summe der geleisteten Zuzahlungen
❙ elektronischer Arztbrief – Informationen für den weiterbehandelnden Arzt
❙ Patientenfach, also ein privater Speicherbereich des Patienten,
um wesentliche Befunde, wie zum Beispiel Laborwerte oder ein
EKG, direkt auf der Karte zu speichern
Die eGK enthält in der ersten Ausbaustufe (Pflichtteil) bis auf
den Teilaspekt des eRezepts nur eine Schlüsselfunktion für den
sicheren Zugang zur Gesundheits-Telematik. Eine Vielzahl von
sinnvollen medizinischen Anwendungen
findet (noch) keine Verwendung, was die
Akzeptanz unter den Akteuren gefährdet.
Kosten­träger
E
· Scannen
· Zuordnen
· manuelles nach­
bearbeiten
Patientenweg
Informationsfluss
3) Sicher, schnell und durchgängig – das eRezept
Patient
eGK
Arzt
Patient
Apotheke
Kosten­träger
eRezept auf eGK
TelematikInfrastruktur
Patientenweg
E
Ab dem Jahr 2006 soll nach jetziger Gesetzeslage zunächst das eRezept als wesentlicher Teil der Pflichtanwendungen der eGK
umgesetzt werden. Die bisherige Lösung
(Bild 2) ist gegen Fälschung und Missbrauch
nahezu ungeschützt, und die vorhandenen
Medienbrüche führen zu einem erheblichen
Aufwand in der Bearbeitung. Häufig sind Rezepte fehlerhaft ausgefüllt, unleserlich oder
gehen verloren. Die Zuordnung der Rezepte
und die manuelle Nachbearbeitung im Apotheken-Rechenzentrum sind sehr aufwändig.
In Zukunft werden alle wesentlichen Informationen in elektronischer Form zugänglich
sein, was eine durchgängige, schnelle und
sichere Übertragung ermöglicht (Bild 3).
Allein daraus ergibt sich nach vorsichtigen
Schätzungen bei rund 700 Mio. Rezepten
in der Bundesrepublik ein Einsparpoten­zial
von ca. 250 Mio. € pro Jahr3, was etwa
0,18 Prozent der gesamten GKV-Ausgaben
des Jahres 2004 entsprochen hätte.
Informationsfluss
3
Abschlussbericht Kommunikationsplattform für das Gesundheitswesen Kosten-Nutzen-Analyse für
die Neue Versichertenkarte und das Elektronische Rezept, Friedwart Lender, Nürnberg, 29. Juni 2001,
unter http://www.debold-lux.com/pdf/abschlussbericht.pdf, zuletzt besucht am 27.06.05.
55
Beiträge: Dieter Spath
Sektorenübergreifendes Prozessmanagement
Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen
Wie kann darüber hinaus durch ein sektorenübergreifendes
Prozessmanagement noch weiteres Optimierungspotenzial im
Gesundheitswesen realisiert werden? Dazu werden die einrichtungsübergreifenden Prozesse, beispielsweise die dem stationären Aufenthalt vor- und nachgeschalteten Schritte, mit in die
Betrachtung einbezogen.
Einrichtungen des Gesundheitswesens unterliegen einer Vielzahl
von externen Einflussfaktoren, wie zum Beispiel den gesetzlichen
Rahmenbedingungen (Datenschutz, sozialer Auftrag, Vergütung),
den Kundenwünschen und der demographischen Entwicklung.
Daneben spielen aber auch innere Einflussfaktoren, beispielsweise die eigene Motivation, die Mitarbeiterorientierung und
der eigene Qualitätsanspruch, eine entscheidende Rolle für die
Realisierung eines erfolgreichen Prozessmanagements. Welche
Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, damit ein sektoren­
übergreifendes Prozessmanagement erfolgreich sein kann?
Die Prozesse innerhalb einer einzelnen Einrichtung lassen sich
durch die Verwendung klassischer Methoden des Managements
bereits gut optimieren. Auf dieser Ebene unterstützen Controlling
und Methoden der Qualitätssicherung das Management. Sie können auf eine einheitliche, einrichtungsinterne Informations- und
Kommunikationsplattform fußen. Sollen die internen Grenzen
überwunden und die Beziehungen zu anderen Einrichtungen sowie den Kunden einbezogen werden, sind Qualitätsmanagementmodelle wie ISO, TQM, EFQM oder KTQ hilfreich. Dadurch besteht
die Möglichkeit, Prozesse der Führung, Wertschöpfung und Unterstützung mit dem Ziel der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit
zu verbessern. Bislang fehlt diesem Bereich die oben genannte
informationstechnische Basis, um in Einrichtungsverbünden,
privaten Strukturen, Holdings oder Strukturen der integrierten
Versorgung wesentliche Informationen für das sektorenübergreifende Prozessmanagement zusammenzutragen.
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Ohne stabile rechtliche und ökonomische Randbedingungen – wie
in Modellen der integrierten Versorgung – fehlt die notwendige
Sicherheit für die zu leistenden Investitionen in Technik, Organisa­
tion und Personal. Dazu müssen der Wille zur Kooperation und
ge­meinsame Ziele vorhanden sein. Sehr große Verantwortung
obliegt dabei dem Management, der Koordination und dem Controlling. Vor allem muss man Wert auf die Qualitätssicherung und
die Kommunikation legen, um beispielsweise zu vermeiden, dass
notwendige Einsparungen durch Qualitätsverluste erkauft werden.
Ziel ist es, die Akzeptanz aller Beteiligten zu erreichen. Besonders
die Wahrung des Datenschutzes und die Unterstützung der Patien­
tensouveränität stellen hohe Anforderungen an die Umsetzung.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Zusammenfassung
Qualität und Wirtschaftlichkeit durch Performance, Eigenverantwortung und Transparenz, so werden die Ziele der Einführung
der Telematik-Plattform im Gesundheitswesen zusammengefasst.
Die elektronische Gesundheitskarte ist zwar ein Enabler zur Verwirklichung eines sektorenübergreifenden Prozessmanagements,
aber sicher noch keine hinreichende Bedingung dafür. Wenn ökonomische Aspekte beim Veränderungsprozess im Vordergrund
stehen, beschränkt sich auch die Wirkung der elektronischen
Gesundheitskarte auf das primäre Einsparpotenzial. Werden auch
Qualität der Versorgung, Transparenz und Stärkung der Patientensouveränität als Ziele verfolgt, müssen diese Anforderungen
aufgenommen und auf allen Ebenen einbezogen werden.
Die elektronische Gesundheitskarte kann so einen wesentlichen
Beitrag für ein funktionierendes Prozessmanagement leisten; sie
ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
4) TOP – der Mensch unterstützt von Technik, ­Organisation und Personal
Genesung
T
Nachsorge,
Pflege
Prävention
Prophylaxe
Früh­er­ken­nung
Imp­fen
Erkrankung
Lebenswelt
Betriebliche
Gesundheitsförderung
Mensch
Fitness
Wellness
Anti-Aging
Reha
Prävention,
Gesundheitserziehung,
Eigenverantwortung
OP/
Therapie
O
Dia­­gnos­tik
Arbeitswelt
P
Ein Ansatz, der dem Rechnung trägt, stellt den Menschen in den
Mittelpunkt seiner Lebens- und Arbeitswelt. Das Individuum wird
durch Technik, Organisation und Personal darin unterstützt, sich
selbständig und eigenverantwortlich um den Prozess der Gesund­
erhaltung und der Gesundung zu kümmern (Bild 4). Akteure und
Patienten suchen vor allem Vertrauen in die neue Technologie.
Akzeptanz kann dort entstehen, wo die Beteiligten frühzeitig in
den Veränderungsprozess einbezogen und die richtigen Anreize
gesetzt werden. Den Einrichtungen des Gesundheitswesens, der
Dienstleistung und der Industrie muss mit stabilen Rahmenbedingungen und zuverlässigen Vorgaben die für sie wichtige Investitionssicherheit gegeben werden, um in die Telematik-Plattform
zu investieren.
Beratung
57
Beiträge: Norbert Klusen
> SYSTEMINNOVATIONEN ALS TREIBER
DES GESUNDHEITSMARKTES.
> Norbert Klusen
Welche gesellschaftlichen Trends bestimmen das Gesundheitswesen? Das deutsche Gesundheitswesen rückt seit einigen
­Jahren immer stärker in den Fokus gesellschaftlicher wie poli­
ti­scher Diskurse. Sozial- und gesundheitspolitische ­Konzepte
und (Miss-)Erfolge können politische Wahlen entscheiden, gleichzeitig ist das
­Gesundheitswesen Angriffspunkt verschiedenster Interessen.
Wirtschaftsverbände und Industrie fordern Leistungskürzungen der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV), deutlich erhöhte finanzielle Eigenbeteiligungen der
Patienten und eine (fortgesetzte) Rückführung der paritätischen Finanzierung der
Sozialversicherungen zwecks Entlastung der Arbeitgeber. Viele Unternehmen, zum
Beispiel die Pharma-, Medizintechnik- und Hilfsmittel-Branche, sind hingegen um
einen möglichst ­ großen Umsatz ihrer Produkte bemüht. Doch größere Umsätze
belasten die Finanzen und die Stabilität der GKV, insbesondere wenn die höhere
Leistungserbringung zu ­keinem Mehr an Gesundheit und Lebensqualität führt.
58
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Der medizinische und insbesondere der medizintechnische Fortschritt sind keine Faktoren, welche die GKV notwendigerweise
belasten, doch in der Praxis bedeuten neue Technologien meist
auch zusätzliche Leistungen. Alte Verfahren werden nicht ausgetauscht, sondern beibehalten, die neuen kommen hinzu: Addition
statt Substitution.
So ist in der Herzchirurgie die Anzahl an Bypass-Operationen
in Deutschland nicht zurückgegangen, obwohl parallel und in
großem Ausmaß Katheter-Eingriffe (Ballondilatationen) durchgeführt wurden und wir nicht herzkranker sind als vor zehn Jahren.
Ähnlich verhält es sich bei den bildgebenden Diagnose-Verfahren:
Wir konnten mit der Kernspin-Tomographie und der ComputerTomographie einen enormen technischen Fortschritt verzeichnen,
trotzdem ist die Anzahl der Röntgenaufnahmen nicht gesunken.1
1
Moderne, innovative Medizintechnik könnte durchaus dazu bei­
tragen, kommende finanzielle Herausforderungen zu bewältigen.
Voraussetzung ist jedoch, dass wir aus medizintechnischen Innovationen auch soziale Innovationen machen, dass wir also neue
Verfahren zur Vermehrung des Gemeinwohls einsetzen, anstatt
unser Gesundheitswesen zu torpedieren. Denn die sozialen Sicherungssysteme sehen sich künftig verstärktem Handlungsdruck
ausgesetzt – insbesondere durch die demograph ische Entwicklung und das eintretende Double-Aging: Die insgesamt steigende
Lebenserwartung und der zunehmende Bevölkerungsanteil der
älteren Generationen werden die Ausgaben erhöhen und die
Einnahmen mindern; das steht fest – auch wenn sich die Wissenschaftler über das Ausmaß nicht einig sind.
Letztendlich steigern die künftigen Finanzierungsrisiken, mit
denen wir uns ständig befassen, den Optimierungs- und den
Legitimationsbedarf eines solidarisch finanzierten Gesundheitswesens. Und je weniger soziale Innovationen uns gelingen, umso
stärker wird versucht werden, den Druck auf den Beitragssatz über
eine Individualisierung von Krankheitsrisiken aufzufangen. Daran
wird der sichtbare und begrüßenswerte Trend zu mehr Citizenship
(Bürgerorientierung) und Empowerment (Befähigung) der Versicherten und Patienten nichts ändern. Für viele Unternehmen
stellen dann der private Gesundheitsmarkt und Wellness-Bereich
die alternativen Geschäftsfelder dar.
Hingegen ist die moderne Positronen-Emissions-Tomographie (PET) eine sinnvolle ­Ergänzung, da sie
auch raumfordernde krankhafte Prozesse unter 1 cm identifizieren kann und daher eine Früh­
erkennung von Weichteil-Tumoren ermöglicht.
59
Beiträge: Norbert Klusen
Aufbruchstimmung und Innovationskultur
für das Gesundheitswesen
Deutschland hat ein sehr erfolgreiches Gesundheitswesen, das
überwiegend solidarisch finanziert ist, eine einzigartige medizinisch-therapeutische Versorgungsdichte aufweist und den gesetzlich Krankenversicherten einen umfassenden Regelleistungskatalog und einen guten Zugang zu den Versorgungsleistungen
bietet. Die Versicherten und Patienten genießen relativ hohe
Freiheitsgrade, wie zum Beispiel Kassenwahlrecht ohne Risikoselektion und freie Therapeutenwahl.
Es gibt jedoch merklich Probleme in der Innovationsbereitschaft;
Systemschwächen werden nur unzureichend therapiert und überdauern daher sämtliche Reformen. Das korporatistische System
ist verbürokratisiert und nicht mehr in der Lage, angemessene
Steuerungsimpulse zu geben. Der Krankenkassenmarkt ist gekennzeichnet von einem ausufernden Finanzausgleich und einer
Verbandshaftung, die eine unseriöse Haushaltsführung und bewusste Schuldenpolitik belohnt statt sanktioniert. Daraus resultiert ein Rent-Seeking, das heißt der Einsatz vieler Krankenkassen
für immer fortgesetzte und ausgebaute Subventionen, weil dieser
häufig lohnenswerter erscheint als Investitionen in effizientere
Organisationsformen und eine bessere sowie wirtschaftlichere
gesundheitliche Versorgung.
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Das System der Forschungsfinanzierung ist nicht mehr zeitgemäß.
Die GKV darf Forschung allenfalls im Rahmen von Modellvorhaben
finanzieren. Mehrkosten der Behandlung in Folge einer Teilnahme
von Patienten an Forschungsstudien müssen vollständig über
Drittmittel oder staatliche Forschungsfinanzierung abgedeckt
werden. Die Einführung neuer medizintechnischer Verfahren ist in
Deutschland kompliziert und langwierig. Medizinischer Fortschritt
erreicht derzeit erst nach ca. 10 Jahren die reale Versorgung.
Einzig mit Modellvorhaben können Krankenkassen diesen Prozess
etwas beschleunigen. Doch Forschung und Innovation wird es
ohne Investitionen nicht geben. Versäumen wir es, die spürbaren
Innovationsbremsen zu beseitigen, wird der Erfolg des deutschen
Gesundheitswesens sehr schnell verspielt sein.
Grundlegende Veränderungen zum Positiven gibt es bereits auf
dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Informationen. Das Internet und der medienübergreifende Quoten-Garant Gesundheit
sorgen für eine neue Kultur der Gesundheitskommunikation. Nur
ein Beispiel: Im Frühjahr 1995 gab es in Deutschland 250.000
Internetnutzer – im Mai 2003 waren es knapp 39 Millionen [1].
Versicherte und Patienten, die aktiv Informationen einfordern,
setzen einen Prozess in Gang, der am Ende das gesamte Gesundheitswesen transparenter werden lassen könnte. Und Transparenz
ist erforderlich, um Qualität sicht- und vergleichbar zu machen,
damit sich die Versicherten, Patienten und auch Vertragspartner
für die beste Qualität entscheiden können. Bis zu einer Nutzerorientierung unseres Gesundheitswesens ist es wohl noch ein
langer Weg, und er wird für viele Beteiligte einen Kulturschock
auslösen.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Dazu ein Beispiel: Arzt-Patient-Beziehungen in Deutschland sind
häufig noch immer von einem stark ausgeprägten Paternalismus
gekennzeichnet, das heißt Patienten werden vielfach unzureichend
bzw. in nicht verständlicher Form informiert. Patientenautonomie
beschränkt sich dann darauf, die Therapieentscheidungen des
Arztes mitzutragen oder abzulehnen. Bei einer partnerschaftlichen Entscheidungsfindung (Shared Decision-Making), die wir
auch in der Techniker Krankenkasse (TK) gezielt unterstützen,
werden hingegen die Meinungen, Werte und Präferenzen des
Patienten berücksichtigt und einbezogen. Richtig angewendet,
führt eine partnerschaftliche Entscheidungsfindung zu einem
besseren Therapieerfolg, zu einer größeren Zufriedenheit sowohl
des Patienten als auch des Arztes und häufig sogar zu einer
verbesserten Effizienz der Versorgung [2].
Unsere täglichen Kontakte zu den Versicherten bestätigen den
Trend: Versicherte und Patienten erwarten und fordern immer
stärker Transparenz über die Möglichkeiten (zum Beispiel Versorgungsalternativen), Abläufe (Wege durch den Versorgungs­
dschungel), Rechte (Patientenschutz) sowie Qualität (Strukturen,
Prozesse, Ergebnisse) der Versorgung.
Zeitgemäße, angemessene Gesundheitskommunikation ist wichtig,
eine Kultur, die soziale Innovationen ermöglicht, muss allerdings
auch die Vertragsstrukturen einbeziehen. Transparenz und Entscheidungsfreiheiten für alle Akteure geben Impulse für neue,
innovative und qualitativ hochwertige Versorgungsstrukturen. So
hat die seit 1996 mögliche Freiheit der Kassenwahl zu einem
Wettbewerb zwischen den Krankenkassen mit Unternehmergeist,
Leistungs- und Serviceorientierung geführt. Gestaltungsmöglichkeiten im Leistungs- und Versorgungsbereich fehlen den Krankenkassen hingegen noch immer; sie werden jedoch benötigt,
damit sich die Kassen im Dienste des Versicherten für die beste
Versorgungsqualität entscheiden können. Ist das Gesundheitswesen hinreichend transparent und bietet es umfassende Entscheidungsspielräume, so werden sich die guten Dienstleister
durchsetzen – sowohl auf der Seite der Leistungserbringer als
auch auf der Seite der Kostenträger.
Wettbewerb heißt, die Bürger, Versicherten und Patienten stärker
als Steuerungsinstanz ins System einzubinden. Dazu wurden erste
richtige Schritte im GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) unternommen. Die neu gefasste Integrationsversorgung, die Medizinischen
Versorgungszentren und die Elektronische Gesundheitskarte sind
viel versprechende Ansätze zur Erhöhung der Innovationsbereitschaft und -fähigkeit. Die im GMG beschlossene verbesserte
Transparenz über Angebote, Leistungen, Kosten und Qualität,
die Informationsrechte der Versicherten sowie die Entscheidungsund Gestaltungsmöglichkeiten beim Versicherungsumfang und
dessen Finanzierung sind nun zügig weiter auszubauen.
61
Beiträge: Norbert Klusen
Qualitätsorientierung in der TK
Innovationen in der medizinischen Versorgung
In der heutigen Situation – die Gesetzliche Krankenversicherung befindet sich in einer ernsten Legitimationskrise – reicht es nicht, den
gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Die Akteure selbst müssen
wichtige Impulse zur Weiterentwicklung des Systems setzen. Die TK
versteht sich daher als Innovationsmotor des Gesundheitswesens;
dies ist eines der strategischen Ziele unseres Unternehmens. Ausgehend von diesem Anspruch entwickeln wir Management- und
Produktinnovationen in drei zentralen Themenfeldern, das sind das
Empowerment der Versicherten, Innovationen in der medizinischen
Versorgung und die Organisationsentwicklung (Bild 1).
Die Spielräume für Krankenkassen, medizinische Innovationen zu
för­­­dern, sind sehr begrenzt, weil die gesamte Regelversorgung ein­
heit­­lich und gemeinsam über die gemeinsame Selbstverwaltung
der Ärz­­te und Krankenkassen organisiert wird. Damit entziehen
sich die Ver­­sorgungsstrukturen und die -qualität in weiten Teilen
dem Einfluss der einzelnen Krankenkassen. Im Rahmen der verbleibenden Hand­­lungsmöglichkeiten – das betrifft insbesondere Modellvorhaben, die integrierte Versorgung und medizinische Versorgungszentren – entwickeln wir Konzepte zur Förderung besonders
innovativer medizinischer Verfahren.
Empowerment der Versicherten
Beispielsweise fördern wir seit 2003 den Einsatz medikamentenbeschichteter Stents in der Versorgung von Herzinfarktpatienten und
leisten dadurch aktiv einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten sowie auch zur Erhöhung der Versorgungseffizienz. Ein erster Zwischenbericht des evaluierenden Instituts für
Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité bestätigt: Die Investition in die beschichteten Stents führt
durch weniger Restenosen, weniger Rehospitalisierungen und
­weniger erneute PTCA-Eingriffe2 zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten (Bild 2). Obwohl deutlich teurer – ca. 2.100 gegenüber 300 Euro, rechnen sich die Stents im Mittel bereits nach
sechs Monaten. In der realen Versorgungssituation, das heißt ohne
gezielte Förderung, lohnt sich der Einsatz teurerer Stents für die
Kran­kenhäuser nicht. Grund sind die Fallpauschalen (Dia­gnosis
Related Groups – DRG), die etwaige Mehrkosten durch Einsatz
höherwer­tigen Materials grundsätzlich nicht kompensieren. Im
Rahmen von Einzelverträgen (selektive Kontrahierung) zwischen
Krankenkassen und Leistungserbringern ließen sich diese Webfehler der Fall­pauschalenfinanzierung hingegen ohne Weiteres korrigieren. Der Gesetzgeber gestattet dies bislang jedoch lediglich im
Rahmen der integrierten Versorgung.
Empowerment zielt auf einen Zustand, in dem die Menschen
die Fähigkeit entwickeln und verbessern, ihre soziale Lebenswelt
und ihr Leben selbst zu gestalten und sich nicht gestalten zu
lassen. Abgeleitet von Antonovskys Konzept der Salutogenese
[3] als Erklärungsmodell für Gesundheit sind Empowerment und
Selbstkontrolle über das eigene Leben die Grundvoraussetzung
für körperliches und seelisches Wohlbefinden.
Aktiv unterstützt die TK eine solche „Bemächtigung“ der Versicherten. Stellvertretend seien hier das „TK-Ärztezentrum Medizin
und Gesundheit“, die „Versicherteninformation Arzneimittel
(TK-ViA)“ sowie unser gegen erhebliche politische Widerstände
durchgesetztes Modellvorhaben „Solidarverträglicher Selbstbehalt“ genannt.
1) TK – Qualitätsorientierung durch Innovation
Empowerment der
­Ver­sicherten
Innovationen in der medizinischen Versorgung
Organisationsentwicklung
Management- und Produktinnovationen der TK
Quelle: TK
2
62
P TCA – Percutane Transluminare Coronare Angioplastie: Aufweitung einer verengten Herzkranzarterie mittels eines aufblasbaren Ballons (Ballon-Dilatation)
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Organisationsentwicklung
> Literatur.
Zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit unternimmt die TK
seit 2002 eine gewaltige Umstrukturierung ihres gesamten
Unternehmens. Strukturen und Prozesse werden optimiert, der
Kundenservice weiter verbessert sowie die Leistungs- und Verwaltungsausgaben gesenkt. Nach Abschluss der Maßnahmen im
Jahr 2007 werden wir die Produktivität um ca. 20 Prozent erhöht
und den Beitragssatz rechnerisch um 0,4 Prozentpunkte gesenkt
haben. Mit zahlreichen weiteren Anstrengungen setzen wir uns,
wie viele andere Akteure, für eine Verbesserung der Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit des Systems ein.
[1] Glossar.de.
ARCHmatic-Glossar und -Lexikon.
http://www.glossar.de/glossar/ (Zugriff: 15.04.2005).
[2] Härter, M.; Loh, A.:
Shared Decision Making. Partizipative Entscheidungsfindung.
http://www.patient-als-partner.de (Zugriff: 15.04.2005).
[3] Antonovsky, A.:
Unraveling the Mystery of Health.
San Francisco, Jossey Bass 1987.
Innovationen sind allerdings in besonderem Maße auf gesetzliche
Rahmenbedingungen angewiesen. Aufgabe der Gesundheitspolitik muss es daher sein, einen fairen, das heißt organisations- und
vertragsrechtlich konsistenten Wettbewerb von Kräften und Ideen
als Innovationstreiber zu ermöglichen. Transparente Strukturen,
Prozesse und Ergebnisse lassen dann für Gruppenegoismen und
für ein Rent-Seeking der Akteure wenig Raum. So können soziale
Innovationen zu Stützpfeilern eines zukunftssicheren, solidarischen Gesundheitswesens in Deutschland werden.
2) „Vermeidung koronarer Restenosen“ – Modellvorhaben nach
§63 SGBV
Herkömmliche Stents
Initiale Krankenhauskosten
3.600 E
Direkte Folgekosten
5.400 E
Krankheits-Gesamtkosten
10.700 E
Rehospitalisierungsrate
1 von 3 Patienten
Schwere kardiologische Ereignisse bei 31% der Patienten
Beschichtete Stents
5.400 E
3.700 E
9.700 E
1 von 6 Patienten
16% der Patienten
Quelle: TK
63
Beiträge: Eckhard Nagel, Karl Jähn
> Chancen für den Gesundheitsmarkt
durch e-Health.
> Eckhard Nagel, Karl Jähn
Binnen weniger Jahre sind die
Informations- und Kommunika­
tionstechnologien (IuK-Technologien) ein zentrales DiskussionsEckhard Nagel
Karl Jähn
thema für die Ausgestaltung der
Gesundheitsversorgung von morgen geworden. Betrachtet man den Gesundheitsmarkt im weiteren Sinne, so ergeben sich neue Perspektiven für medizinassoziierte
Dienst­leistungen, die ihrerseits die „klassische“ ärztliche Versorgung maßgeblich
beeinflussen werden.
64
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Die bereits heute technologisch möglichen und in zahlreichen
Einzelprojekten erfolgreichen Entwicklungen begegnen in der
Gesundheitsbranche einem zwar deutlich wachsenden Markt,
sind jedoch auch mit oft unterschätzten systemimmanenten
Innovationshürden konfrontiert: Die Betrachtung des einzigartigen Stellenwerts der medizinischen Dienstleistung per se, die
heterogene Organisation der gegebenen Versorgungsstrukturen
und der gesundheitsassoziierten Teilmärkte sowie auch die Partikulärinteressen der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen
führen zu der Schlussfolgerung, dass trotz aller Möglichkeiten im
Detail nur jene Innovationen erfolgreich sein werden, die sich
strikt an den heutigen oder zu erwartenden „urgent needs“ des
Patienten (bzw. des Gesundheitsinteressierten) und des praktisch
tätigen Gesundheitsdienstleisters orientieren. Die nachfolgende
Skizzierung aktueller Sachverhalte und FuE-Trends erfolgt mit der
Vorstellung, dass erst und gerade durch das Zusammenspiel der
verschiedenen Innovationsansätze ein über die Strukturen des
heutigen Gesundheitswesens weit hinausreichernder Gesundheitsmarkt entstehen wird.
Telemedizin
Trotz des hohen Standards der Gesundheitsversorgung in
Deutschland und des herausragenden Stellenwerts von bisherigen – zum Beispiel medizintechnologischen – Entwicklungen
wird Deutschland in Bezug auf die mit dem World Wide Web
erheblich an Bedeutung gewonnene Telemedizin als Entwicklungsland betrachtet. Als Hauptgründe dafür galten bislang die
hohe Dichte der ärztlichen Versorgung und die oft ablehnende
Haltung der vergleichsweise hoch qualifizierten Ärzteschaft.
Diese Situation könnte sich angesichts der dramatisch zunehmenden Unterversorgung in strukturschwachen Regionen, der
zunehmenden fachlichen Anforderungen an den einzelnen Arzt
und der gesundheitsökonomischen Herausforderungen an eine
sich demographisch wandelnde Gesellschaft alsbald ändern.
Home-Monitoring-Projekte beinhalten das Potenzial, Liegezeiten
im Krankenhausbereich zu verkürzen oder die Situation in Pflegeheimen bzw. in der häuslichen Pflege zu begünstigen. Parallel
finden Themen wie Teleconsulting, Patienteneducation, Patienten­
unterstützung durch Online-Communities oder Virtuelle Therapie
in der wissenschaftlichen Literatur zunehmend Beachtung.
Die in Bild 1 hervorgehobenen Innovationsfelder beanspruchen
für sich, einer regionalen Unterversorgung entgegenwirken zu
können. Für die angewandte Praxis sind die entsprechenden
Pilotprojekte der kritischen Frage zu unterstellen, ob sie reibungslos in die konkrete Behandlungssituation integrierbar sind sowie
den Informations- und Wissenstransfer zwischen Fachexperten,
anderen klinisch tätigen Ärzten und Patient evidenzbasiert zu unterstützen vermögen. Erste Studienergebnisse geben Hoffnung zu
der These: „Die konsequente Integration von realen und virtuellen
Arbeitsfeldern wird eine flächendeckende qualitätsgesicherte Versorgung aufrechterhalten.“
1) Innovationsfelder telemedizinischer Verfahren
Home­Monitoring
Hausärzte
(e-HealthBegleiter)
stationäre
Versorgung
Telecon­
sulting
Fachärzte
(ambulant)
OnlineCommu­
nities
Patient
Apotheken
Pflege­service
Virtuelle
Therapie
65
Beiträge: Eckhard Nagel, Karl Jähn
IuK-Entwicklungen im Gesundheitswesen
Der Rechercheaufwand angesichts der rasanten Zunahme des
me­di­zinischen Wissens, die zunehmende Anspruchsleistung des
Pa­tienten und der stets ansteigende Dokumentationsaufwand im
Interesse einer Qualitätssicherung der medizinisch-pflegerischen
Betreuung stellen für die Gesundheitsversorger nicht nur eine
fachliche, sondern auch eine erhebliche zeitliche Herausforderung
dar. Wissensmanagement ist auch in der Medizin ein zentraler
Wirtschaftsfaktor geworden, der durch gesundheitsassoziierte Ent­
wicklungen und Fragestellungen aus Bereichen der Gendiagnostik, der computerunterstützten Therapieplanung und Prognose,
der individualisierten Pharmakotherapie, der Medizinethik oder
des Medienmarktes noch mehr an Bedeutung gewinnen wird.
Die von der EU forcierten Bestrebungen hin zur Wissensgesell­
schaft im Allgemeinen und zur Integration der Telematik
im Ge­sundheitswesen im Speziellen erfordern aktuell einen
wesentlichen ersten Schritt: Die erfolgreiche Einführung der
elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und des eRezepts. Diese Innovation, die mittelfristig eher als „Schlüssel zu weiteren
e-Health-Anwendungen“ denn als reiner „mobiler Datenträger“
zu verstehen ist, stellt eine maßgebende Grundlage für die Einführung und Verbreitung der elektronischen Patientenakte (EPA)
bzw. elektronischen Gesundheitsakte (EGA) dar: Während Ersterer
eine sektorenübergreifende, integrierte Versorgung ermöglicht,
würde Letztere in der Obhut des Patienten auch weit über die medizinische Versorgung hinausreichende e-Health-Anwendungen
koordinieren.
66
Der Verbreitung Web-basierter Standards könnte eine Generation
von Informationssystemen folgen, bei der nicht mehr zwischen
Praxissoftware- und Krankenhausinformationssystemen (KIS)
unterschieden wird. Das Lizenzgeschäft würde sich auf Zusatzapplikationen verlagern, wie Internet- und Mobilfunk-basierte
Gesundheitsinformation, eLearning-Angebote und entscheidungsunterstützende Systeme (EUS), die sich sowohl an den Experten
wie auch an den Laien richten. Die bislang vorherrschende „persönliche Evidenz“ bei der ärztlichen Entscheidungsfindung wird
durch Informationssysteme unterstützt, die bereits heute ihre
Überlegenheit bei manchen Indikationen unter Beweis stellen
konnten und nichtsdestotrotz den Arzt niemals ersetzen werden
können. Parallel wird der Patient aktiv und über die reine Gesundheitsversorgung hinaus eingebunden. Während der Ärzteschaft
eine vermehrte informationstechnologische Expertise abverlangt
werden wird, wäre ein Großteil der Patienten nicht „ermächtigt“
genug, die Hoheit über ihre Daten und die individualisierten
Gesundheitsinformationen alleine zu bewerkstelligen bzw. bei
dem viel gepriesenen „shared decision making“ auch eine „shared
responsibility“ zu tragen.
Hier könnte sich eine neue Rolle für den Primär- bzw. Hausarzt
entwickeln: Während der „Wald- und Wiesen-Doktor“ zusehends
weniger gefragt sein wird, bleibt eine über Jahre wachsende
Vertrauenssituation zu einem „Familienarzt“ sinnvoll. Angesichts
der bislang vorherrschenden Funktion einer wohnortnahen Koordination der fachmedizinischen Versorgung, ist die hausärztliche
dazu prädestiniert, auch die „virtuellen“ Informations- und Versorgungsangebote zu vermitteln (Bild 2). Die sich daraus ergebende
These lautet: „Der Primär- bzw. Hausarzt wird vom Lotsen im Gesundheitswesen zum e-Health-Begleiter im Gesundheitsmarkt.“
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
2) IuK-unterstützte Versorgung („Blended Healthcare“) unter
hausärztlicher Koordination
Hausärzte
(e-HealthBegleiter)
StationäreVersorgung
Entschei­
dungs­
unterstüt­
zende
Sys­teme
Apotheken
Praxis-/Kran­ken­
haus-Informa­
tionssysteme
Patient
eGesund­heitskarte
(eRezept)
ePatientenakte
(eGesundheitsakte)
Fachärzte
(ambulant)
Online-/
Mobile-Ge­
sundheitsinforma­
tion
Wenn sie zu der im aktuell diskutierten Präventionsgesetz gefor­
derten „4. Säule“ des Gesundheitswesens werden soll, ist vor dem
Hintergrund bisheriger Fehlschläge der „Setting-Ansatz“ beson­ders
zu beachten: Eine Selbstbestimmung über die eigene Gesundheit
lässt sich nicht mit einer reinen Wissensvermittlung erzielen,
sondern erfordert eine auf das Lebensumfeld des Einzelnen abgestimmte Verhaltensvermittlung.
Pflege­service
Präventive Sensornetzwerke
Aktuell zeichnet sich eine Fokussierung auf die medizinisch
not­wendige Grundversorgung innerhalb des Versicherungssys­
tems bei Öffnung der Marktstruktur hin zu selbstfinanzierten
Leistungen für Patienten und Gesundheitsinteressierte ab. Dieser
Trend wird durch die demographische Entwicklung, die Zunahme
chronischer Erkrankungen bzw. die begrenzten Möglichkeiten der
solidarisch finanzierten Regelversorgung beschleunigt.
Neben dem seit Jahren wachsenden Marktvolumen für gesundheitsassoziierte Dienstleister und Wellness-Anbieter ist auch auf Seiten
der konventionellen Gesundheitsversorger eine deutliche Zunahme
an Angeboten für Selbstzahler zu beobachten, wie zum Beispiel
Gesundheits-Screenings. Hier wäre zu fordern, auch die nicht-indikationsgestützten gesundheitsassoziierten Leistungen und Produkte
einer umfassenden medizinischen Evaluation zu unterziehen und
die Gesundheitsförderung interdisziplinär zu unterstützen: Krankheitsprävention bedeutet mehr als eine Früherkennung möglicher
pathologischer Befunde mit bildgebenden Screening-Verfahren.
Das anhaltende Monitoring von „Krankheits-“ oder gar noch zu
entwickelnden „Gesundheitsparametern“ mit Hilfe so genannter
„körpernaher Sensorik“ könnte dem Individuum die positiven Auswirkungen von gesundheitsfördernden Verhaltensänderungen
unmittelbar erfahrbar machen – möglicherweise mit Begleitung
des Hausarztes durch ein Medizinisches Kommunikationszentrum
(Bild 3). Die daraus abzuleitende These lautet: „Die Kombination von körpernahen Sensornetzwerken, Mobilfunk-Technologie
und intelligenter Datenverarbeitung auch im häuslichen Umfeld
eröffnet die Möglichkeit, wirksame Anreizsysteme für die Gesundheitsförderung zu entwickeln.“
3) Prävention mit Hilfe von Gesundheitstechnologien und
­Medizininformatik
Hausärzte
(e-HealthBegleiter)
Praxis-/Kran­ken­
haus-Informa­
tionssysteme
Gesundheits­asso­ziierte
Produktanbieter
Entschei­
dungs­
unterstüt­
zende
Sys­teme
Patient
Haustele­matik-Station
Körpernahe
Sensorik
Online-/
Mobile-Ge­
sundheitsinforma­
tion
Gesundheits­asso­ziierte
Dienstleister
ePatientenakte
(eGesundheitsakte)
Medical Communication Center
67
Beiträge: Eckhard Nagel, Karl Jähn
Herausforderungen für die Zukunft
Ein bürgerzentriertes Gesundheitswesen von morgen wird all die
Chancen nutzen, die sich in kultureller, medizinischer, technologischer sowie gesundheitspolitischer Hinsicht abzeichnen. Die
bevorstehenden Trends und Entwicklungen bereiten jedoch erst in
ihrer Zusammenwirkung den Boden für einen Innovationsschub, der
dem Patienten nachhaltig zugute kommt. In einer eigenen Studie
zu Telemedizin-Projekten konnten die dafür notwendige enge Verzahnung von Hochleistungsmedizin, Basisversorgung und Industrie
belegt und die maßgeblichen Innovationsfelder definiert werden:
❙ Integration in das Arbeitsumfeld,
❙ Akzeptanz bei Ärzten und
❙ technologische Standardisierung.
Auf dem langen Weg von einer Krankheitsversorgung hin zu einer
Krankheitsvermeidung ist das Zusammenspiel von Informationsund Gesundheitsmanagement erst noch zu entwickeln. Eine
gesundheitsorientierte Sensorik und ein mobiles Gesundheitsmonitoring könnten dabei wesentliche Bausteine sein.
Die bislang nur in Einzelaspekten vorhandenen IuK-unterstützten
Lösungen werden erst in ihrem Zusammenwirken marktfähig sein
können, wofür sie konsequent in das jeweilige Arbeits- und Lebens­
umfeld von Patient und Arzt integrierbar sein müssen, um einen
„echten“ Nutzen herbeiführen zu können. Zu finanzieren sind sie
erst dann, wenn ein Großteil der Bürger und Leistungserbringer
par­tizipieren können. Dann könnte sich ein dynamischer Markt
entwickeln, der mehr zu leisten vermag als die Solidargemeinschaft.
Aus heutiger Sicht ergibt sich daraus die These: „Die Chancen von
e-Health finden erst durch das Zusammenwirken der verschiedenen
IuK-Lösungen Einzug in den Gesundheitsmarkt von morgen.“
4) Dimensionen von e-Health (nach Jähn,K.)
Für die medizinischen Versorger ergibt sich schon frühzeitig die
Verantwortung, das medizinisch Notwendige zu definieren und es
weiterhin in der Regelversorgung zu belassen sowie Handlungsrichtlinien auch für nichtmedizinische Gesundheitsdienstleister zu entwickeln – bis hin zu einer e-Health-Ethik. Sicher
erscheint nur, dass dem größten Beschäftigungs- und
Wachstumsmarkt binnen einer Generation eine tief
greifende Umwandlung bevorsteht.
Home­Monitoring
StationäreVersorgung
Hausärzte
(e-HealthBegleiter)
Praxis-/Kran­ken­
haus-Informa­
tionssysteme
Fachärzte
(ambulant)
Patient
Telecon­ Apotheken Entschei­
sulting
dungs­
unterstüt­
zende
Sys­teme
Haustele­matik-Station
Körpernahe
Sensorik
eGesund­
heitskarte
(eRezept)
ePatientenakte
(eGesundheitsakte)
Gesund­­­heits­­asso­­zi­­­ier­te Pro­­­­­­dukt­an­bie­ter
Medical Communication Center
Virtuelle
Therapie
68
Online-/
Mobile-Ge­
sundheitsinforma­
tion
Pflege­
service
Gesundheits­asso­ziierte
Dienstleister
OnlineCommu­
nities
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
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acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
71
Beiträge: Klaus-Dirk Henke
> Finanzierbarkeit deS medizinisch-technischen
Fortschrit ts.
> Klaus-Dirk Henke
Zur Ausgangslage: Fragen der Finanzierung des medizinischen
und des medizinisch-technischen Fortschritts werden selten gestellt und dann meist nur am Rande behandelt. Der Fortschritt
wird als Finanzierungsgegenstand bisher kaum thematisiert [1].
Dabei zählt der technische Fortschritt neben dem Faktor Arbeit und dem Faktor
Kapital zu den wichtigsten Bestimmungsgrößen des Wirtschaftswachstums, das in
Deutschland bedauerlicherweise derzeit sehr gering ausfällt. Seine Bestimmungsfaktoren stehen unter Hinweis auf die Inventionen, Innovationen und Imitationen
als die drei Stufen des technischen Fortschritts im Mittelpunkt der wachstums­
politischen Auseinandersetzung.
72
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
In aller Regel wird in diesem Ziel-Mittel-Zusammenhang auf die
Notwendigkeit einer öffentlichen Grundlagenforschung (zum
Beispiel Universitäten, Forschungsinstitute) hingewiesen. Auch
öffentliche Ausgaben für private Forschung und Entwicklung sowie Entwicklungsaufträge für besonders risikoreiche Investitionen
durch den Staat in Form einer zeitlich befristeten Anschubfinanzierung sowie Steuervergünstigungen gehören zur finanzpolitischen
Förderung des als wünschenswert angesehenen technischen
Fortschritts [2]. Günstige Rahmenbedingungen (zum Beispiel
Patentschutz) für Erfindungen und Rationalisierungen gehören
schließlich zusammen mit branchenübergreifenden finanziellen
Anreizen zur indirekten Förderung durch die öffentliche Hand.
Dieser bereits im Lager der Gesundheitsökonomen nicht unumstrittenen Position [6] steht gegenüber, dass von den Ingenieuren
und Vertretern der Medizinproduktehersteller mit Nachdruck darauf hingewiesen wird, dass die Medizintechnik einen nur sehr
kleinen Anteil an den Ausgaben im Gesundheitswesen ausmacht.
So betrug etwa der Umsatz der deutschen Medizintechnik im Jahr
2003 12,54 Mrd. € Unter Vernachlässigung des leichten Export­
überschusses der Branche ergab sich 2003 damit ein Anteil der
Medizintechnik an den Gesamtausgaben im Gesundheitswesen
(€ 239,70 Mrd.) von etwa 5 Prozent [7].
Ganz unabhängig von diesem Hintergrund des notwendigen
gesamtwirtschaftlichen Wachstums gilt bei vielen Gesundheitsökonomen der medizinisch-technische Fortschritt als wichtigster
Bestimmungsfaktor der Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen. Dieser Fortschritt in Form der Innovationen in der Medizintechnik und bei den Herstellern von Medikalprodukten wird
dort weniger im Zusammenhang mit dem Standort Deutschland
gesehen und auch nicht als potenzieller Wachstumsmarkt in ­einer
Dienstleistungsgesellschaft erkannt, sondern vornehmlich als
kritischer Hinweis auf die stets zu hohen Gesundheitsausgaben
betrachtet. Im Vergleich zur demographischen Entwicklung wird
der medizinisch-technische Fortschritt als der Hauptkostentreiber
isoliert [3, 4], ohne überhaupt alle Faktoren in die Ausgabenentwicklung einzubeziehen, die sie bestimmen [5].
73
Beiträge: Klaus-Dirk Henke
Der Finanzierungsgegenstand
Wie schwierig eine Aufklärung dieser Ausgangslage ist, zeigt
bereits ein Blick auf den Finanzierungsgegenstand. Diejenigen,
die das Gesundheitswesen nur als einen Hort der Gesetzlichen
Sozialversicherung mit ihren gesundheitsrelevanten Bereichen
kurative Behandlung, Rehabilitation, Pflege und Prävention ansehen, erkennen nur in den öffentlichen Gesundheitsausgaben den
Finanzierungsgegenstand, der in Deutschland weit überwiegend
aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen bezahlt wird. Die im
Jahre 1977 eingeführte Beitragssatzstabilität in der Gesetzlichen
Krankenversicherung gilt als politischer Preis, der ähnlich wie der
Beitragssatz in der Rentenversicherung stabilisiert werden soll.
Obwohl es eine schillernde Zielgröße ist, die im Zeitvergleich zumindest um die sich ändernden Abgrenzungen der Gesundheitsleistungen und der Beitragseinnahmen bereinigt werden müsste,
steht der Beitragssatz wegen seiner arbeitsmarktpolitischen Bedeutung noch immer im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik.
Trennt man sich von dieser Perspektive, die in der Krankenversorgung und gesundheitlichen Betreuung der Bevölkerung immer
nur einen Kostenfaktor sieht, zu Gunsten einer Betrachtung, die
das Gesundheitswesen in einer Dienstleistungsgesellschaft als
personalintensive Wachstumsbranche erkennt [8], so öffnet sich
das Bild für einen Finanzierungsgegenstand, der nicht auf die
bestehenden Gesundheitsausgaben in der Sozialversicherung mit
ihrer starken Pfadabhängigkeit fixiert ist.
Bild 1 ist das bunte Spektrum der Biomedizintechnik zu ent­
nehmen, das eindrucksvoll zeigt, welche Vielzahl und Vielfalt
es allein aus dieser Perspektive gibt. Folgt man darüber hinaus
den Kondratieff-Zyklen, so zeigt sich ein gänzlich anderes Bild
des Finanzierungsgegenstands. Kondratieff und auch Schumpeter haben als erste die Theorie der langen Wellen thematisiert
und neue Basistechnologien und den Prozess ihrer Verbreitung
in den Vordergrund gestellt. Kondratieff hat vor knapp 80 Jahren
die Überlagerung kurzfristiger und eher konjunktureller Schwankungen durch längerfristige Wellen von 40 bis 70 Jahren erkannt.
Durch sie ändern sich die Wertschöpfungsketten, die Strukturwandel, Beschäftigung und Wachstum auslösen [9].
1) Das bunte Spektrum der Medizintechnik
Bedarf & Verbrauch
besonderer Einrichtungen
Pflaster, OP-Einrichtungen
Diagnosesysteme
EEG, EKG, Monitoring, Lungendiagnose, Schlafdiagnose
Diagnostika & Labor
Hämatologie, Immunologie,
DNA-Chips, Lab-on-Chip
Bildgebende Systeme
Röntgen, CT, MRT, Ultraschall,
SPECT, PET, molek. Bildgebung
Hygiene & Sicherheit
Hygiene, Sterilisation, Dosi­
metrie & Strahlenschutz,
Sicherheit, Gerätemanagement, Katheter
Chirurgie & Intervention
Chirurgische Systeme, Anäs­
thesie, minimal-invasive Interventionen
e-Health & Software
Elektronische Patientenakte,
Telemedizin
Dienstleistung & Medizintechnik
Workflow-Management,
­Disease-Management
74
Medizintechnik für besondere
Disziplinen
Audiologie, Ophtalmologie,
Zahnmedizin, Rettung &
Not­fall
Therapie-Systeme
Beatmung & Inhalation, Dialyse & Apherese, Injektion &
Infusion, Ultraschalltherapie,
Physiotherapie
Implantate
Aktive Implantate, passive
Implantate
Strahlentherapie
Gammastrahlen, Kerne
Zell- und Gewebetechnik
Zelltherapie, Gewebestücke,
künstliche Organe
Hilfen für Behinderte
Prothesen, Rollstühle
2) Gesundheit als sechster Kondratieff-Zyklus [10]
Dampf­
maschine
Stahl, Eisenbahn
Chemie, ­
E-Technik
Kunststoffe,
Automobil
Informa­tions­technik
Gesundheit
Rehabilitation
1. Zyklus
1800
Textilien
Kleidung
2. Zyklus
1850
Transport
3. Zyklus
1900
Massen­
konsum
4. Zyklus
1950
Individuelle
Mobilität
5. Zyklus
2000
Umgang
mit Wissen
6. Zyklus
2050
Biotechnologie
Med.tec., etc.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Dieses Auf und Ab wird durch immer neue Basistechnologien
geprägt, die sich nach Nefiodow [10] über die letzten 250 Jahre
identifizieren lassen (Bild 2). In dem neuen Zyklus stehen die
„Lebenswissenschaften“ im Vordergrund. Dazu gehört auch die
Gesundheit. Damit verbunden wird es neue Gesundheitstechnologien geben, also neue Produkte, Verfahren und Dienstleis­tungen,
die zur Systemerneuerung durch andersartige und innovative
Wertschöpfungsketten führen werden. Angesichts der demogra­
phischen Herausforderung geht es auch um die Wellness- und
Fit­ness-Industrie, deren Ausgaben mit der Grundversorgung
einer gesetzlich verfügten Krankenversicherung sicherlich nicht
abdeckbar sind. Der private Konsum von gesundheitsfördernden
Produkten (zum Beispiel Ernährung) und Dienstleistungen (zum
Beispiel Fitnesszentren) tritt mehr und mehr in den Vordergrund
eines nachhaltigen Strukturwandels, der gleichermaßen von der
Nachfrage- und Angebotsseite neuer Märkte induziert wird.
Aus Bild 3 sind die konsumnahen Anwendungsfelder zu entnehmen. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich um jeweils einen Nachfragesog handelt, oder ob es Technologieanstöße sind, die von der
Angebotsseite ausgehen und durch den medizinisch-technischen
Fortschritt induziert werden.
3) Beispiele für konsumnahe Anwendungsfelder
Das Bild 3 mit den konsumnahen Anwendungsfeldern macht
deutlich, dass sich eine immer stärker werdende Trennung des
„medizinisch Machbaren“ von dem in einer Pflichtversicherung
„nicht mehr Finanzierbaren“ abzeichnet. Durch Forschung und
Entwicklung wird es immer neue Gesundheitstechnologien in
Form von Produkt-, Prozess- und Systeminnovationen geben. Die
insbesondere altersbedingte Nachfrage führt angesichts der „Fortschrittsfalle der Medizin“ zu weiter steigenden Umsätzen. Und die
Gesellschaft wird lernen müssen, dass dies eine wünschenswerte
und positive Entwicklung ist, die in Deutschland noch immer
stark durch die Art der Finanzierung behindert wird. Gesundheitsund Arbeitsmarktpolitik sind über die Lohnnebenkosten zu eng
miteinander verbunden.
Ein erstes Zwischenfazit zur Finanzierung lautet vor diesem Hintergrund, dass es auf Grund der demographischen Herausforderung
und des medizinisch-technischen Fortschritts keine Patentrezepte
gibt. Die Gesellschaft braucht angesichts der absehbaren demographischen Entwicklung „mehr Babies“ und damit auch mehr
Steuer- und Beitragzahler, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum,
eine Teilkapitalbildung als demographieresistente Finanzierungsform und höhere Beiträge der älteren Menschen in Zeiten einer
Stagnation, die sich hoffentlich nicht durch die älter werdende
Bevölkerung noch verstärkt.
4) Zukünftige äußere und innere Finanzierung im
bestehenden Umfeld
(Freizeit-) Sportmedizinische Diagnostik (Wellness, Fitness)
Ästhetische Zahnheilkunde, Prothetik, Implantate
Regelmäßige Check-ups, elektronisches (Selbst- und Fremd-) Gesundheitsmonitoring,
Online-Erfassung von Vitalparametern
„Home Care for the Elderly“
Integrierte Versorgung / Versorgungsnetze auf der Grundlage des § 140 a-e SGB V
Plastisch-Ästhetische Chirurgie und Refraktionschirurgie
Grundlagenforschung (auch als Nebeneffekt der Wehrtechnik, Rüstungs- und Weltraumforschung)
Wagniskapital/Gründerfonds für kleinere Technologieunternehmen
Collective risk taking (zeitlich befristete öffentliche Anschub- bzw. Anstoßfinanzierung)
Netzbudgets, Leistungskomplexhonorierung und Fallpauschalen in der integrierten Versorgung
(nach § 140 a-e SGB V)
Medizinische Versorgungszentren
In-Vitro-Fertilisation (bei ungewollter Kinderlosigkeit)
75
Beiträge: Klaus-Dirk Henke
Zukünftige äussere und innere Finanzierung
Lässt man an dieser Stelle einmal die Diskussion über die Bürgerversicherung (richtiger: Bürgersteuer) und die Kopfprämie
(richtiger: Bürgerversicherung) beiseite [11, 12] und betrachtet
die derzeitige Realität, so ergibt sich die in Bild 4 wiedergegebene
Situation, wobei die Möglichkeiten der integrierten Versorgung
nach § 140 a-e SGB V auf absehbare Zeit im Vordergrund stehen
werden [13].
Dazu gehört die Vernetzung von Herstellern über das Klinikum
zum Patienten mit Hilfe der Datenbanken und Internet-Technologie ebenso von Teleportalkliniken als regionale Gesundheitszentren im Rahmen einer gesetzlichen Rundumversorgung.
Vielleicht gibt es in dieser Entwicklung so etwas wie eine Effizienzrevolution bzw. Innovationseffizienz, so dass sich der technische Fortschritt selbst finanziert. Mit Hilfe von Bild 5 lässt sich
eine solche Perspektive zumindest grafisch und stark vereinfacht
an Hand des Wirtschaftlichkeitsprinzips im Gesundheitswesen
zeigen. Durch den technischen Fortschritt ergeben sich neue Produktionsfunktionen, die es erlauben, ein gleiches Ergebnis – im
Bild idealtypisch als Lebenserwartung bezeichnet – mit weniger
Mitteln, zum Beispiel Gesundheitsausgaben, zu verwirklichen. Die
freigesetzten Ressourcen können anderweitig verwendet werden.
Zumindest bei dieser Betrachtung ergibt sich ein sich selbst finanzierender Fortschritt.
Bei der Umsetzung der Innovationen, also des technischen
Fortschritts, sind vielleicht Mediziningenieure erforderlich, beispielsweise in den entstehenden Versorgungszentren, um den
technologischen Innovationsdruck patientenfreundlich umzusetzen. Dass mehr Marktwirtschaft und mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen in diesem Kontext erforderlich sind, ergibt sich
bereits aus der Gesetzeslage des GKV-Modernisierungsgesetzes
vom 01.01.2004, das im Rahmen einer partiell großen politischen
Koalition parteiübergreifend auf absehbare Zeit als Grundlage
der Gesundheitspolitik in Deutschland anzusehen ist. Dazu zählt
eine stärker ziel- und ergebnisorientierte Krankheitsbekämpfung.
Die Qualität wird dabei zu einem der wichtigsten Parameter des
Wettbewerbs. Verbraucheraufklärung, Mündigkeit, Transparenz
sowie Wahlmöglichkeiten in der Prävention [14, 15], kurative
Behandlung, Rehabilitation und Pflege, also die vier Säulen unseres Gesundheitswesens, sind mehr als nur Schlagworte der sich
verändernden Gesundheitswelt.
5) Das Wirtschaftlichkeitsprinzip und medizinisch-technischer Fortschritt
Lebenserwartung
X2
E
C
X1
Neue Situation in C und in E
(z. B. durch medizinisch-tech­nischen
Fortschritt)
Ausgangssituation B
B
F
Gesundheitsausgaben
76
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Weitere Voraussetzungen für die Finanzierbarkeit des Fortschritts
Ein sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum braucht ein Innovationsklima bzw. ein entsprechendes Innovationsmilieu und
dazu Schumpetersche Pionierunternehmer im Gesundheitswesen.
Die gesundheitswissenschaftliche Forschung und Entwicklung
benötigt hierzu Innovationsschübe und Ideen für neue von
Visionen geleitete Gesundheitstechnologien. Das in Berlin neu
gegründete Zentrum für innovative Gesundheitstechnologie (ZiG)
an der TU will zu einem solchen Klima zwischen Forschung und
Praxis mit Ingenieuren, Ärzten, Krankenhäusern und Ökonomen
in der Gesundheitsmetropole Berlin beitragen. Neben den aus
Bild 6 zu entnehmenden „Heimatkompetenzen“ des im Oktober
2004 gegründeten Zentrums bietet es eine Kompetenzplattform
für den Wachstumsmarkt Gesundheit nicht nur für den Raum
Berlin/Brandenburg [16, 17]. Zu den Heimatkompetenzen kommen derzeit vor allem folgende fünf Querschnittsthemen, die
interdisziplinär bearbeitet werden:
Das acatech Symposium „Wachstum durch innovative Gesundheitstechnologien“ trägt dazu bei, dass das erforderliche Klima für
Innovation und Wachstum in unserer Dienstleistungsgesellschaft
gefördert, weiterentwickelt und gepflegt wird. Die äußere und innere Finanzierung folgt dann mehr oder weniger den innovativen
Leistungen in Prävention, kurativer Behandlung, Rehabilitation
und Pflege.
❙ digitalisierte integrierte bürgernahe Versorgung,
❙ innovatives Gesundheitsmonitoring,
❙ Industrialisierung der Aufbereitung von Medizinprodukten,
❙ digitaler OP und intensivmedizinische Versorgung sowie
❙ Finanzierbarkeit des medizinisch-technischen Fortschritts.
6) Das Zentrum für innovative Gesundheitstechnologie (ZiG)
Gesundheits­
wirtschaft
Digitales
Krankenhaus
ZiG
e-Health
Innova­
tive me­­di­zi­nische
Techno­lo­gien
Werkstoffe
im Zell­
kontakt
77
Beiträge: Klaus-Dirk Henke
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acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
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[17] „Vivantes lockt Niedergelassene“.
In: KMA – Das Magazin für Gesundheitswirtschaft (2005)
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[13] Henke, K.-D.; Friesdorf, W.; Marsolek, I.:
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Manuskript in Druck (2005)
79
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> Fragen aus der
Diskussion.
> Patrick Illinger
> 04
Fragen aus der Diskussion
> Fragen aus der Diskussion.
> Patrick Illinger
Medizintechnik
könnte
besonders
in
­Deutschland in mehrfacher Hinsicht als
spannender und nachhaltiger Innovationsmotor dienen. Dass die Forschung und die
Industrie in ­diesem Land dieses Technologiefeld für sich ent­­decken,
ist aus zwei Gründen sinnvoll: Zum einen sind die Wachstumsraten
auf ­ diesem Gebiet ermunternd und das Durchschnittsalter der
Menschen steigt. Zum anderen ist die Beschäftigung mit Medi­
zintechnik schlicht und einfach sympathisch. Dieses Thema dürfte
allgemein eine höhere Akzeptanz erfahren als beispielsweise die
Entwicklung und der Vertrieb von Waffen. Eine wichtige Fest­
stellung aus den Vorträgen des Symposiums war jedoch, dass
Deutschland, was die Umsatzzahlen im Bereich der Medizin­technik betrifft, die international üblichen Wachstumsraten noch
nicht erreicht hat.
82
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Aus den Vorträgen am Vormittag des Symposiums vom 26. April 2005 hat
sich eine Reihe von Fragen ergeben, die in einer Diskussionsrunde mit den
Referenten angesprochen werden konnten.
Der erste Punkt betrifft die „Bodenhaftung“ der Forscher und Entwickler.
Inwieweit sind die Ingenieure von heute verpflichtet, ihre Arbeit in einen
gesellschaftlichen Kontext einzubetten? Nach Ansicht von Prof. Spur haben
sich der Status und die Arbeitsweise eines modernen Ingenieurs gegenüber
dem „Fabrikbeamten“ von einst massiv geändert. Dezentralisierung und
flache Hierar­chien hätten zu einem Zustand geführt, in dem die Innovationskraft „aus der Gemeinschaft der Wissenden“ kommt. Hinzu komme, dass
die Bevölkerung heute mehr als früher als Kunde verstanden werden muss.
Das Verständnis für diese nicht rein technisch gefärbte Interaktion müssten
Ingenieure aber noch stärker bereits in der Ausbildung vermittelt bekommen.
Prof. Spur prägte in der Diskussion den Begriff der „Soziotechnik“.
Nach den Vorträgen von Prof. Grönemeyer und Dr. Kolem kam die Frage auf,
ob und inwieweit moderne bildgebende Verfahren nicht den Nachteil haben,
eine Virtualität zwischen Arzt und Patient zu schaffen und möglicherweise
entfremdend zu wirken. Inwieweit besteht die Gefahr, dass ein Arzt in der
künstlichen Bilderwelt den unmittelbaren Blick für den Patienten verliert?
Ist das einer der Gründe, warum beispielsweise noch immer meist eine invasive Koloskopie der virtuellen Koloskopie vorgezogen wird? Prof. Grönemeyer
erklärte hierzu, dass es gerade in einem hochtechnisierten Umfeld unumgänglich sei, die Arzt-Patienten-Beziehung auf einer Ebene des menschlichen
Umgangs zu erhalten und künftig sogar zu stärken. Technik dürfe hierbei
nicht nur im Fließbandsystem eingesetzt werden. Wenn es jedoch gelänge,
medizintechnische Innovation als heilenden Faktor erkennbar zu machen,
könne der Vorteil sanfter Technologie gegenüber invasiven Verfahren mehr
Akzeptanz erhalten. Womöglich könne die fortschreitende Technisierung dann
sogar dazu beitragen, die unmittelbare Arzt-Patienten-Beziehung zu fördern.
Diesen Aussagen stimmt auch Dr. Kolem zu: Der Alltag habe gezeigt, dass
Diagnosen oft sogar besser werden, wenn Radiologen die Ergebnisse aus der
Hochtechnologie mit den Patienten persönlich besprechen.
83
Fragen aus der Diskussion
Der von Prof. Schmitz vorgetragene beeindruckende Fortschritt
moderner Implantattechnik wirft die Frage nach den Grenzen des
Machbaren auf: Wo ist das Ende? Welche Körperteile wird man
nie durch eine Maschine ersetzen können? Schmitz verwies an dieser Stelle darauf, dass Voraussagen zufolge die heute geborenen
Menschen gut 100 Jahre alt werden. Das spreche bereits für einen
weiterhin steigenden Bedarf moderner Implantattechnik. Grundsätzlich lassen sich allerdings die Physik und die Werkstofftechnik
nicht überlisten. Es werde zwar weitere Fortschritte geben, wichtig
sei jedoch ein weiterer Punkt: Der Einsatz klassischer Implantattechnik hat noch lange nicht jene Breitenwirkung entfaltet, ab der
man von einer Sättigung des Marktes sprechen könne.
Im Nachgang zu dem Vortrag von Prof. Dössel ergab sich eine
sehr grundsätzliche Frage, nämlich jene, wie es gelingen könnte,
in der Bevölkerung eine marktwirtschaftlichere Einstellung zu
medizinischen Leistungen zu erzeugen. Ein wenig erinnert die
jetzige Situation an die unterschiedlichen Haltungen zu E-Mail
und SMS: Für das eine (E-Mail) wäre man nicht bereit zu bezahlen,
für das andere gibt man viel Geld aus, obwohl die technische
Leistung viel geringer ist (SMS). Dössel erklärte hierzu, dass unmittelbar lebensbedrohende Krankheiten zu den weiterhin zu versichernden Leistungen gehören müssten. Das gelte nicht für jedes
Schnupfenmittel, wohl aber für ein krankes Herz beispielsweise.
In diesem Fall sei auch in Zukunft Hightech der Spitzenklasse
anzuwenden. Er sehe im deutschen Gesundheitssystem zunächst
noch ein Sparpotenzial von zirka 30 Prozent. Das solle erst abgeschöpft werden. Danach müsse man über die 50-50-Teilung der
Krankenversicherung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
reden. Prof. Grönemeyer fügte an dieser Stelle ein, dass mehr
Gespräche zwischen Arzt und Patient die Menschen motivieren
könnten, selbst mehr für das eigene Wohlbefinden zu tun, siehe Rückenschmerzen. Er verwies darauf, dass die Deutschen
im vergangenen Jahr 32 Milliarden Euro für Wellness-Produkte
ausgaben. Wichtig sei das Verständnis dafür, dass Innovation sich
nicht gegen den Patienten wendet, sondern ihn unterstützt.
84
Um die Frage der Akzeptanz ging es auch am Nachmittag des
Symposiums, nachdem Prof. Spath das Prinzip der Gesundheitskarte erläuterte. Wie kann erreicht werden, dass die Bevölkerung
nicht nur versteht, sondern verinnerlicht, dass zwischen einer
Chipkarte und einer Papierakte sicherheitstechnisch kein Unterschied besteht? Lässt sich Datensicherheit auf diesem Niveau
garantieren? Spath erklärte, das sei genauso technisch lösbar
wie es bei Sparkonten, Girokonten und EC-Karten der Fall ist. Die
Sicherheit sei kein technisches Problem, sondern nur abhängig
von der gesellschaftlichen Willensbildung. Noch immer gebe es
jedoch viele Missverständnisse in der Bevölkerung. Nicht zuletzt
aus diesem Grund sind öffentliche Feldversuche geplant. Was
die vielfach zitierte Sicherheit der Daten auf der Karte betrifft,
betonte Spath, dass die Karte nur als Zugangsschlüssel diene; die
eigentlichen Daten befinden sich in einer sicheren technischen
Infrastruktur. Wenn die Karte Schaden nimmt, kann man sie einfach austauschen.
Prof. Klusen nannte in seinem Vortrag ein Beispiel für eine medizintechnische Innovation, die in der Anschaffung zunächst zwar
teurer komme, in einer Gesamtkostenrechnung aber billiger sei.
Das lasse sich an einem verbesserten Stent mit medikamentöser
Beschichtung verdeutlichen. Der innovative Stent senke die Häufigkeit von Restenosen derart, dass er trotz seines Preises von rund
2.000 Euro gegenüber einem klassischen Stent von 300 Euro
letztlich weniger Kosten verursache. Das sei jedoch ein besonders
plakatives Beispiel. Insgesamt dürfe es nicht passieren, dass beispielsweise jedes kleine Krankenhaus den aufwändigsten Tomographen anschafft und dann Reihenuntersuchungen anstellt, die
medizinisch nicht gerechtfertigt sind, aber Umsätze bringen. Man
müsse allerdings auch mal alte Zweige abschneiden, damit neue
wachsen. So habe beim Thema Brustkrebs der Einsatz von MRTUntersuchungen die Zahl der Mammografien bereits gesenkt. Die
Krankenkassen müssten an dieser Diskussion beteiligt werden,
und der Bundesausschuss müsse in manchen Bereichen seine
restriktive Haltung lockern.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Nach den Ausführungen von Prof. Nagel kam es zu der Frage,
in welchen Bereichen e-Health und Telemedizin besonders sinnvoll sind. Prof. Nagel nannte Schnellschnittuntersuchungen von
Gewebe, beispielsweise während einer Operation. In diesem Fall
sei es ausreichend, wenn es Zentralen gäbe, die digital übermittelte OP-Präparate aus der Ferne beurteilen. Kreiskrankenhäuser
könnten so unmittelbaren Zugriff auf Expertenwissen erhalten.
Grundsätzlich seien bildgebende Verfahren besonders geeignet
für telemedizinische Anwendungen. Das Thema betreffe jedoch
auch Patientendienste im Internet. Dort sei schwer unterscheidbar, wie gut das jeweilige Angebot ist. Selbsthilfegruppen könnten
Vorteile haben, aber einige Informationsquellen, beispielsweise
Überlebensraten für Krebserkrankungen, seien kritisch zu sehen.
Grundsätzlich solle dem Internet in der Patientenunterstützung
eine Lotsenfunktion zukommen.
Nachdem Prof. Henke die Theorie der Kondratieff-Zyklen erläuterte und die Gesundheit nach dem Automobil und der Computertechnik als Wirtschaftsmotor für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts einführte, ergab sich ein kritischer Einwand. Während
den bisherigen Zyklen jeweils eine so genannte Killerapplikation
(Ottomotor, Integrierter Schaltkreis) voranging, ist die Gesundheitstechnologie eher als Zusammenführung existierender
Techniken zu sehen. Henke verwies darauf, dass der Wettbewerb
künftig stärker in der Art der Leistungserbringung zu sehen sei.
Ein befreiter Wettbewerb werde Innovation mehr beflügeln als
die regulierten Strukturen von heute. Der von ihm prognostizierte Zyklus beziehe sich auf die gesamte Versorgung, inklusive
Wellness und Prävention. Auch die Ökonomie des Alterns sei
einzubeziehen. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang
auch eine neue Beschäftigungswelle. Der Fortschritt könnte sich
dann selbst finanzieren.
Ob Medizintechnik in Deutschland letztlich zu einem Innovationsmotor und somit zu einer Stütze für den wirtschaftlichen Erfolg
des Landes werden kann, dürfte wesentlich davon abhängen, wie
sich die Gesellschaft in Zukunft dem Thema Gesundheit stellt.
Das seit vielen Jahren gelebte und gelernte System, bei dem
medizinische Leistung und pharmazeutische Produkte scheinbar
in unbegrenzter Fülle zur Verfügung stehen und über einen fixen
monatlichen Kassenbeitrag abgegolten sind, wird nicht auf Dauer tragfähig sein. Es muss ein System gefunden werden, bei dem
Gesundheit als ein Gut gesehen wird, das in Teilen aus eigener
Kraft erlangt und erarbeitet werden muss. Dabei geht es nicht
um ein bedingungsloses Zweiklassen-System. Akute, unmittelbar
lebensbedrohliche Krankheiten müssen auch in Zukunft behandelt werden, ohne dass der soziale Status des Patienten eine Rolle
spielt. Viele Heilmethoden und Pharmaprodukte jedoch, von denen manche die Grenze zum Wellness-Bereich berühren, können
auf Dauer nicht von einem Solidarsystem getragen werden. Hier
werden Patienten eine gewisse marktwirtschaftliche Dynamik
akzeptieren müssen, so wie es beispielsweise beim Kauf von Nahrungsmitteln der Fall ist. Hinzu kommt, dass Ärzte konkret dafür
belohnt werden müssen, dass ihre Patienten gesund bleiben, und
nicht indirekt für das mitunter mehr Gewinn bringende Gegenteil.
So gibt es beispielsweise in den USA Modellversuche, bei denen
Ärzte, deren Patienten bestimmte Cholesterinwerte unterschreiten, gesonderte finanzielle Zuwendungen erhalten. Das aktuelle
System in Deutschland, bei dem Kassen, Politiker, Ärzte und Patienten pausenlos über die Erstattung von Leistungen streiten,
erzeugt jedenfalls kein positives Klima für Innovation. Nur wenn
Bewegung in dieses Gefüge kommt, wenn Menschen begreifen,
dass Vorbeugung und Heilung von Krankheiten unmittelbar
mit dem eigenen Handeln gekoppelt ist, wird Medizintechnik
zu einem lebendigen, akzeptierten und – wie gesagt – sympathischen Wirtschaftszweig.
85
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> Impressionen vom
acatech symposium.
> 05
Impressionen
1)
2)
3)
4)
Referenten und Moderator:
1) Olaf Dössel
2) Detlev Ganten
3) Dietrich Grönemeyer
4) Klaus-Dirk Henke
5) Patrick Illinger
6) Norbert Klusen
7) Heinrich Kolem
8) Joachim Milberg
9) Eckhard Nagel
10) Klaus-Peter Schmit z
11) Dieter Spath
12) Günter Spur
Dietrich Grönemeyer und Peter Deuflhard.
88
5)
6)
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
7)
8)
Reinhard Hüttl im Gespräch mit Franz Pischinger,
9)
10)
11)
12)
Hermann Scholl, Joachim Milberg, Gerhard Zeidler und Roman Herzog.
Günter Pritschow und Philipp Hartl.
89
Impressionen
1)
Tagungsteilnehmer:
1) Carsten Schröder im Gespräch mit Ulrich Stottmeister
2) Joachim Hagenauer
3) Oliver Krause und Werner Borrmann
4) Günter Spur und Roman Herzog
5) Fred Robert Heiker im Gespräch mit Günther Wilke
und Reinhard Hüttl
6) Bernd Hillemeier und Klaus-Peter Schmitz
Günther Wilke und Rainer Seibel.
90
2)
3)
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
4)
5)
Chairman Günter Spur mit Detlev Ganten.
6)
Hartwig Höcker.
91
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> acatech Portrait.
> 06
acatech Portrait
> Stimmen Für die TechnikWissenschaften.
Das Profil
Die Ziele
acatech steht für die Symbiose von Akademie und Technik. Der gemeinnützige Verein „acatech – Konvent für Technikwissenschaften
der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften“ wurde
im Februar 2002 gegründet. Erstmalig sind damit die technikwissenschaftlichen Aktivitäten der sieben – bisher weitgehend regional orientierten – Akademien der Wissenschaften in Deutschland
unter einem nationalen Dach vereint. Als länderübergreifende,
selbständige und unabhängige Institution vertritt acatech die
deutschen Akademien in allen technikwissenschaftlichen Belangen im In- und Ausland. acatech versteht sich als Forum für die
unabhängige Beleuchtung technikwissenschaftlicher Fragen vor
gesellschaftspolitischem Hintergrund. Zu den Mitgliedern zählen
herausragende Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft
und Gesellschaft. Getragen von der Reputation und Unabhängigkeit seiner Mitglieder will acatech seine Leitbildfunktion für
den Standort Deutschland wahrnehmen.
Technikwissenschaften können in der Zusammenarbeit mit den
Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften weltweit technische,
ökonomische, ökologische und soziale Probleme lösen helfen.
Technische Innovationen sind Voraussetzung für nachhaltiges
Wirtschaftswachstum, die hervorragende Ausbildung von
Ingenieu­ren ist eine notwendige Bedingung für die Prosperität
unserer Volkswirtschaft. Diese Zusammenhänge sind noch immer
zu wenig bekannt in der Öffentlichkeit.
Die Vision
acatech will einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass
Deutschland mit seiner technologischen Leistungsfähigkeit auch
weiterhin zur Weltspitze zählt. Technikwissenschaften sollen als
Treiber für Innovation und nachhaltiges Wachstum in Deutschland breite Anerkennung finden. Sie sind Schlüsselfaktoren für die
Standort- und Zukunftssicherung. Diese gesellschaftspolitische
Relevanz der Technikwissenschaften möchten wir im Bewusstsein
einer breiten Öffentlichkeit verankern.
94
acatech will durch den Dialog über wissenschaftliche und nationale Grenzen hinweg die Bedeutung von zukunftsweisenden
Technologien verdeutlichen und eine Brücke schlagen zwischen
Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Ziel ist es,
Wissen und Vertrauen zu schaffen, um innovatives Wachstum
voranzutreiben.
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Die Aufgaben
Die Präsenz
acatech versteht sich als Arbeitsakademie. Dezentrale Arbeitskreise, die sich aus Mitgliedern und externen Fachwissenschaftlern
zusammensetzen, behandeln Schwerpunktthemen ebenso wie die
Zukunft technikwissenschaftlicher Ausbildung und Forschung.
acatech ist die gemeinsame nationale Stimme der Technik­
wissenschaften auf der Ebene der Akademien der Wissenschaften
in Deutschland. acatech hat den Anspruch, die unabhängige
und anerkannte Institution zu werden, die für die Interessen der
Technikwissenschaften – auch international – eintritt.
Mit Symposien, Foren und Workshops schafft acatech Räume für
die fachwissenschaftliche Diskussion. Mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen will acatech die Öffentlichkeit informieren und
ein Forum für die kritische Erörterung technikwissenschaftlicher
Fragen im gesellschaftspolitischen Kontext bieten. Insgesamt arbeiten sieben Arbeitskreise, um Wege zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit in Deutschland zu finden. Die drei Arbeitskreise
❚ Technikwissenschaften und Innovation
❚ Ingenieurausbildung und
❚ Forschung
widmen sich Fragen der Forschung und Ausbildung in den Technikwissenschaften.
Die vier Arbeitskreise
❚ Mobilität
❚ Lebenswissenschaften
❚ Umwelt und Energie und
❚ Kommunikationstechnik und Wissensmanagement
beschäftigen sich mit Sachthemen der Technikwissenschaften,
um Möglichkeiten für innovatives Wachstum in ihren jeweiligen
Feldern auszuloten.
acatech bietet ein offenes Forum für die gezielte und kritische
Erörterung technikwissenschaftlicher Fragen im gesellschaftspolitischen Kontext. Der Konvent führt interdisziplinäre Projekte zu
technikwissenschaftlichen Fragestellungen durch, initiiert und
organisiert Veranstaltungen und beteiligt sich an Initiativen,
Projekten und Veranstaltungen von Kooperationspartnern. Die
Ergebnisse der Arbeit von acatech werden in Tagungsbänden,
Projektberichten und Stellungnahmen veröffentlicht.
DIE STRUKTUR
acatech wird durch drei Organe repräsentiert:
❚ Mitgliederversammlung
❚ Vorstand
❚ Senat
acatech zählt aktuell 215 Mitglieder aus den Akademien der
Wissenschaften, Universitäten, Forschungseinrichtungen sowie
Unternehmen. Die Mitgliederversammlung wählt den Vorstand,
der Joachim Milberg zum Präsidenten bestimmt hat. Die inhaltliche Ausrichtung wird von einem Senat begleitet, dessen Vorsitz
Bundespräsident a. D. Roman Herzog übernommen hat.
95
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> Teilnehmer.
> 07
Teilnehmerliste
> Teilnehmerliste.
Insgesamt kamen 143 Teilnehmer zum acatech Symposium in
die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Lfd. NrVorname 1
Kathrin
Nachname Institution
Adlkofer
Science Agentur GmbH
Charité – Universitätsmedizin
2
Klaus
Affeld
Berlin
Laser- und Medizin-
3
Hansjörg
Albrecht
Technologie GmbH
4
Jürgen
Allinger
acatech
5
Rainer
Bayer
Universität Düsseldorf
SPECTARIS e. V.
6
Sven
Behrens
7
Peter
Berlien
8
Werner A.
Borrmann
9
Wilfried
Brauer
A.T. Kearney
10
Werner A.
Bröcker
DFG
11
Tilmann
Bur
HAEMONETICS GmbH
12
Felix
Colsman
The Boston Consulting Group
13
Peter
Deuflhard
Konrad Zuse Zentrum für Infor-
mationstechnik Berlin
14
Olaf
Dössel
Universität Karlsruhe
15
Robert
Downes
geterned Medizin- und Infor-
mationstechnik AG
16
Norbert
Dubbert
acatech
17
Heinz
Duddeck
TU Braunschweig
18
Karl Joachim
Ebeling
Universität Ulm
19
Uwe
Eckardt
InnoMed e. V. – Netzwerk für
98
Norgenta Norddeutsche Life
20
Andreas
Eckert
Neuromedizintechnik
Eckert & Ziegler Strahlen- und Medizintechnik AG
TU Berlin
21
Marco
Eisenberg
22
Helmut
Ermert
Ruhr-Universität Bochum
23
Walter
Eversheim
RWTH Aachen
24
Klaus
Faber
25
Roland
Felix Charité – Universitätsmedizin
Berlin
Fraunhofer Institut (IPK)
26
Yetvart
Ficiciyan
27
Wolfgang
Förster
28
Wolfgang
Friesdorf
TU Berlin
29
Detlev
Ganten
Charité – Universitätsmedizin
Berlin
BMW Group
30
Richard
Gaul
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Lfd. NrVorname Nachname Institution
31
Christine
Gernat
BBB Management GmbH
32
Dietrich H. W.
Grönemeyer
Universität Witten/Herdecke
33
K. H.
Grote
Universität Magdeburg
34
Rudolf F.
Guthoff
35
Joachim
Hagenauer
TU München
36
Peter
Hahn
VDI/VDE Innovation +
Technik GmbH
37
Philipp
Hartl
Universität Stuttgart
38
Karl
Hartmann
Berlin-Brandenburgische
Fortbildungsakademie
MEDIPAN GmbH
39
Reinhold
Hartwig
40
Marion
Haß
IHK zu Berlin
41
Uwe-Frithjof
Haustein
Sächsische Akademie der
Wissenschaften
42
Bayer Innovation GmbH
Fred Robert
Heiker
43
Klaus-Dirk
Henke
TU Berlin
44
Roman
Herzog
Bundespräsident a. D.
45
Monika
Hey
46
Bernd
Hillemeier
acatech
47
Hartwig Höcker
acatech
48
Tobias
Hoffmann
acatech
49
Thomas
Hopfe
50
Jens
Hörner
51
Monika
Huber
TU Berlin
52
Rainer
Hupe
hp.komm
53
Reinhard
Hüttl
acatech
54
Patrick
Illinger
Süddeutsche Zeitung
55
Karl
Jähn
Universität Bayreuth
56
Rainer
Jäkel
Bundesministerium für Wirt-
schaft und Arbeit
57
Jakobs
RWTH Aachen
Universität Jena
Eva-Maria
58
Werner A.
Kaiser
59
Hartmut
Keller
60
Meike
Keller
61
Heribert
Kentenich
DRK Kliniken Westend
62
Ulrich
Kertzscher
Charité – Universitätsmedizin
Berlin
Heidelberger Druckmaschinen
63
Helmut
Kipphan
AG
64
Matthias
Kleiner
Universität Dortmund
65
Norbert
Klusen
Techniker Krankenkasse
66
Frank
Kniep
Somatex Medical
Technologies GmbH
67
Steffen
Koch
Fraunhofer Institut (IAO)
68
Heinrich
Kolem
Siemens AG
69
Reiner
Kopp
acatech
99
Teilnehmerliste
Lfd. NrVorname Nachname Institution
70
Marc
Kraft
TU Berlin
71
Oliver
Krause
Fraunhofer IPK
72
Rainer
Krause
Kastner-Praxisbedarf GmbH
73
Gerhard
Krüger
Universität Karlsruhe
74
Klaudia
Kunze
acatech
75
Adelheid
Lanz
St. Josefshaus Krankenhaus
Potsdam
76
Sigrid
Lauff
VVA Health Marketing GmbH
77
Heinz U.
Lemke
TU Berlin
78
Hanns-Jürgen
Lichtfuß
79
Technologiezentrum Innovationszentrum Berlin
Joachim
Manz
RHÖN-KLINIKUM AG
80
Horst
Meier
Ruhr-Universität Bochum
81
Frank
Meiser
Vereinigung der Bayerischen
Wirtschaft e. V.
82
Walter
Michaeli
RWTH Aachen
83
Joachim
Milberg
acatech
DaimlerChrysler AG
84
Eckard
Minx
85
Andreas
Müller
86
Gerhard J.
Müller
Charité – Universitätsmedizin
Berlin
87
Walter
Müller
Welch Allyn GmbH & Co. KG
88
Eckhard
Nagel
Universität Bayreuth
89
Peter
Noll
TU Berlin
90
Reinhold
Orglmeister
TU Berlin
91
Andreas
Ostendorf
Laser Zentrum Hannover e. V.
92
Jens
Pape
acatech
93
Robert
Paquet
94
Herbert
Partzsch
Senatsverwaltung für Wirtschaft,
Arbeit und Frauen
95
Berufsakademie Sachsen
Rainer
Penzel
96
Peter
Pepper
TU Berlin
97
Marcus
Peter
Stiftung Brandenburger Tor
98
Klaus
Petermann
TU Berlin
99
Franz
Pischinger
acatech
100
Christa
Polze
101
Christoph Polze
102
Günter
Pritschow
acatech
103
Wolfgang
Reith
Universitätsklinikum des
Saarlandes
Universität Göttingen
104
Otto
Rienhoff
105
Lutz
Robers
106
Hans-Jörg
Roesmann
107
Carsten
Rolle
108
Horst-Jürgen
Rösgen
100
Technologiepark Münster GmbH
Senatsverwaltung für Wirtschaft,
Arbeit und Frauen
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Lfd. NrVorname Nachname Institution
109
Peter
Sachsenmeier
110
Markus
Saga
111
Susanne
Schick
ITRI Western Europe Office
112
Anja
Schlicht
Somatex Medical Technologies
113
Alexandra
Schmidt
114
Martin
Schmidt
TU Berlin
GmbH
Fraunhofer Institut (IAO)
115
Klaus-Peter
Schmitz
Universität Rostock
116
Thomas
Schmitz-Rode
RWTH Aachen
117
Hermann
Scholl
Robert Bosch GmbH
118
Marten
Schönherr
TU Berlin
119
Heike
Schöning
IHK zu Berlin
120
Harald
Schottenloher
Medi Tech Consult
121
Carsten S.
Schröder
acatech
122
Thomas
Schwab
Bayerisches Staatsministerium für
Wirtschaft, Verkehr, Infrastruktur
und Technologie
123
Rainer M. M.
Seibel
Mülheimer Radiologie Institut
124
Dieter
Spath
acatech
125
Günter
Spur
acatech
126
Peter
Starke
Humboldt Universität Berlin
127
Gustav
Steinhoff
Universität Rostock
128
Ulrich
Stottmeister
UFZ Umweltforschungszentrum
129
Christoph
Tilke
acatech
130
Sibille
Tröster
131
Jochen
Verhasselt
Fraunhofer Institut (IPK)
132
Achim
Volmer
TU Berlin
133
Herwig
von Nettelhorst
geterned Medizin- und Informa-
tionstechnik AG
134
Alexander
Vorwerk
TU Berlin
135
Torsten
Walter
BMW Group
136
E. G.
Welp
Ruhr-Universität Bochum
137
Günther
Wilke
acatech
TU Chemnitz
138
Eugen-Georg
Woschni
139
Joachim
Zaage
140
Stefan
Zachow
141
Thomas
Zaengel
Philips Med. Systeme GmbH
142
Gerhard
Zeidler
DEKRA e. V.
143
Hans Heinz
Zimmer
VDE-Haus
101
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
> AutorenPortraits.
> Olaf Dössel
> Detlev Ganten
> Dietrich Grönemeyer
> Klaus-Dirk Henke
> Patrick Illinger
> Karl Jähn
> Norbert Klusen
> Heinrich Kolem
> Joachim Milberg
> Eckhard Nagel
> Klaus-Peter Schmitz
> Dieter Spath
> Günter Spur
> 08
Autorenportraits
> AutorenportraitS.
Olaf Dössel
Prof. Dr. rer. nat. Olaf Dössel, geb. 1957 in Lübeck, ist Leiter des Instituts für Biomedizinische Technik der Universität
Karlsruhe und unter anderem Vorsitzender der Deutschen
Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE.
Er studierte bis 1979 Physik an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und wurde anschließend Assistent am Institut für Experimentalphysik
der Universität Kiel bei Prof. Dr. Ruprecht Haensel, wo er auch 1982 mit einer Arbeit
zum Thema „Lumineszenz fester Edelgase“ zum Dr. rer. nat. promovierte. Danach war er
Wissenschaftlicher Assistent am Philips Forschungslaboratorium in Hamburg. Ab 1985
übernahm er dort die Leitung der Forschungsgruppe Messtechnik. 1996 erfolgte der Ruf
auf den Lehrstuhl für Medizintechnik an der Universität Karlsruhe.
Detlev Ganten
Prof. Dr. med. Detlev Ganten, geb. 1941 in Lüneburg, studierte Medizin
in Würzburg, Montpellier (Frankreich) und Tübingen und forschte mehrere
Jahre am Clinical Research Institute der McGill Universität in Montreal
(Kanada), wo er seinen Doctor of Philosophy (Ph.D.) erwarb.
1975 wurde Detlev Ganten an das Pharmakologische Institut der Universität Heidelberg berufen. 1991 wurde Prof. Ganten Gründungsdirektor und Vorstand des Max-DelbrückCentrums für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch und zugleich Inhaber eines Lehrstuhls für
Klinische Pharmakologie am Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin.
Seit 2004 ist er Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die durch die Fusion
der medizinischen Fakultäten der Freien Universität Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin
entstanden ist.
Als Bluthochdruckforscher klärte Prof. Ganten grundlegende Mechanismen der Entstehung des Bluthochdrucks auf. Sein Forschungsgebiet umfasst die hormonale Regulation des Blutdrucks, insbesondere das Renin-Angiotensin-System und die molekulare Genetik von Herz-Kreislauferkrankungen.
104
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Dietrich H. W. Grönemeyer
Prof. Dr. med. Dietrich H. W. Grönemeyer, geb.1952 in Clausthal-Zellerfeld,
studierte Medizin, Sinologie, Physik in Kiel und Bochum. Er ist Ordinarius für
Radiologie und Mikrotherapie und Leiter des Grönemeyer-Instituts im Lehrstuhl für Radiologie und MikroTherapie an der Universität Witten-­Herdecke.
Professor Grönemeyer ist Arzt, Wissenschaftler und Unternehmer.
Seine wesentlichen Werke sind: Interventional Computed Tomography, 1990, Blackwell Science,
Berlin; Open Field MRI, 1999, Springer Wissenschaft, Heidelberg; Med. in Deutschland, Standort mit
Zukunft, 2. Auflage, 2001, ABW Wissenschaftsverlag; Mensch bleiben, 2003, Herder-Verlag; Mein
Rückenbuch, 2004, Sandmann-Verlag; Gesundheitswirtschaft, 2004, ABW-Wissenschaftsverlag.
Klaus-Dirk Henke
Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke, geb. 1942 in Hannover, studierte von 1963
bis 1970 Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität zu
Köln, der London School of Economics and Political Science, London, und
der University of Michigan, Ann Arbor, USA. Von 1970 bis 1971 war er
Wissenschaftlicher Assistent an der Universität zu Köln und promovierte
dort zum Dr. rer. pol. In den Jahren von 1971 bis 1976 arbeitete er als
Wissenschaftlicher Assistent und Universitätsdozent an der Philipps-Universität Marburg, wo er 1976
auch habilitierte.
Im selben Jahr wurde er daraufhin Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere
Finanzwissenschaft, am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hannover. 1995 erfolgte seine Berufung zum Universitätsprofessor für Finanzwissenschaft und Gesundheitsökonomie
an der Fakultät Wirtschaft und Management der Technischen Universität Berlin. Prof. Henke war
von 1996 bis 2004 Direktor am Europäischen Zentrum für Staatswissenschaften und Staatspraxis,
Berlin, und von 1999 bis 2002 Sprecher des Graduiertenkollegs der DFG „Bedarfsgerechte und kostengünstige Gesundheitsversorgung – Grundlagen einer optimalen Allokation der Ressourcen“. Seine
Hauptarbeitsgebiete sind Finanzwissenschaft, Gesundheitsökonomie und Soziale Sicherungssysteme
in Europa.
105
Autorenportraits
Patrick Illinger
Dr. Patrick Illinger, geb. 1965 in München, ist Leiter der Redaktion Wissen bei der
Süddeutschen ­ Zeitung. Er studierte ­ Physik und daneben auch Theaterwissenschaften an der Technischen Universität ­München und an der ­Ludwig-MaximiliansUniversi­tät München. 1994 promovierte er hier zum Dr. rer. nat. im Fach Physik.
Dr. Illinger war von 1993 bis 1994 freier Mitarbeiter bei Rundfunk und Presse.
1996 schloss er sein Volontariat beim ­ Bayerischen Rundfunk ab und wurde Redakteur bei Focus (Ressort
­Forschung + Technik). 1997 wechselte er zur Süddeutschen Zeitung (Technik, Computer) und wurde danach
Chef­redakteur für Computer & Co (Beilagenmagazin in 30 Zeitungen). Von 2000 bis 2002 war er Chef­redakteur
für sueddeutsche.de (Online­angebot der SZ) und seit April 2002 ist Dr. Illinger Ressortleiter Wissen, Süddeutsche
Zeitung.
Karl Jähn
Dr. med. Karl Jähn, geb. 1962 in Göttingen, studierte Human­medizin an der medizinischen
Fakultät der Universität ­Hamburg. Seit 2005 arbeitet er in der Lehr- und Gemeinschaftspraxis
Dr. G. Kowalski – Dr. K. Jähn und führt Bereitschaftsdienste der KV Berlin durch. Außerdem
ist er seit April 2004 externer Leiter der AG e-Health, Institut für Medizinmanagement
und Gesundheitswissenschaften, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät,
­Universität Bayreuth.
Von April 2001 bis März 2004 war er als Wissenschaftlicher Assistent für den Aufbau der Arbeitsgruppe e-Health
und Health Communication, Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften (Direktor: Prof. Dr.
med. Dr. phil. E. Nagel), zuständig.
Norbert Klusen
Prof. Dr. Norbert Klusen, geb. 1947, ist seit 1996 Vorsitzender des Vorstands der Techniker Krankenkasse. Er studierte
Wirtschaftswissenschaften und Soziologie an der RWTH
Aachen sowie der TU Berlin und promovierte zum Dr. rer.
oec. Umfangreiche Management-Erfahrungen sammelte
er in internationalen Unternehmen, zuletzt bis 1993 als
Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor einer Aktiengesellschaft des Maschinen- und
Fahrzeugbaus.
Anschließend wurde Dr. Klusen Geschäftsführer der Techniker Krankenkasse. Seit 1999
ist Dr. Klusen auch als Honorarprofessor für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik an der Westsächsischen Hochschule Zwickau sowie als Lehrbeauftragter für
Strategisches Management an der Universität Hannover tätig.
106
acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Heinrich Kolem
Dr. rer. nat. Heinrich Kolem, geb.1956 in Recklinghausen, ist seit 1. Januar
2001 Leiter des Geschäftsgebiets Magnet­resonanz, Siemens Medical Solutions. Nach seinem Abitur 1974 studierte er an der Universität Dortmund
Physik. Daran schloss sich die Promotion mit dem Thema „Magnet­resonanzUntersuchung an Kristallen“ an.
Nach einer wissenschaftlichen Tätigkeit an der University of Utah, Salt Lake City, kam Kolem 1989 zum
Siemens-Bereich Medical Solutions. Im Geschäftsgebiet Magnet­resonanz nahm er unterschiedliche
Aufgaben wahr, wie zum Beispiel Applikations- und Hardwareentwicklung, Logistik und Marketing.
Joachim Milberg
Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult. Dr.-Ing. E. h. mult. Joachim
­Milberg ist ehe­mali­ger Vorstandsvorsitzender der BMW
Group, München. Er studierte Produktionstechnologie in Bielefeld und an der Technischen Universität Berlin. Von 1972 bis
1981 arbeitete Milberg für den Werkzeugmaschinenhersteller
Gildemeister in Bielefeld, danach war er bis 1993 Professor
für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften an der Technischen Universität
München, mit den Schwerpunkten Automatisierung und Roboter-Technologie.
Von 1993 bis 2002 gehörte Milberg dem BMW Vorstand an, von 1999 an als dessen
Vorsitzender. Er ist heute Vorsitzender des Aufsichtsrates von BMW und sitzt in den
Kontrollgremien der Firmen Allianz Versicherung, Festo, MAN, John Deere, Leipziger
Messe und Bertelsmann sowie im Senat der Max-Planck-Gesellschaft. Joachim Milberg
ist Präsident von acatech.
107
Autorenportraits
Eckhard Nagel
Prof. Dr. med. Dr. phil. Eckhard Nagel, geb. 1960 in Hannover, ist Direktor des
Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften und der Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie der Universität Bayreuth
und außerdem Leiter des Bereichs Allgemeiner Viszeral- und Transplantationschirurgie im Klinikum Augsburg. ­
Eckhard Nagel studierte Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover, an der University of
Vermont (USA), an der Dumfries Royal Infirmary (England), an der Université de Grenoble (Frankreich) und an
der Dartmouth Medical School, New Hampshire (USA).
1986 erhielt er seine Approbation als Arzt und 1987 promovierte er. Danach nahm er eine Tätigkeit als wissen­
schaftlicher Mitarbeiter und später als Oberarzt in der Klinik für Abdominalchirurgie- und Transplantations­
chirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover auf und machte hier die Facharztausbildung in der Abteilung
von Rudolf Pichlmayr. 1998 habilitierte Eckhard Nagel zum Thema „Modelle für die klinische Forschung am
Beispiel der Analyse und Bewertung der Nieren- und Lebertransplantation“. Außerdem studierte er Philosophie
und Geschichte an der Universität Hannover und promovierte zum Dr. phil. 1999 erhielt er den Ruf auf den
Lehrstuhl für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth. Er ist Chirurg mit
einem Schwerpunkt auf Leberchirurgie und Organtransplantationen, Hochschullehrer in Bayreuth und seit 2001
stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Ethikrates.
Klaus-Peter Schmitz
Prof. Dr.-Ing. Klaus-Peter Schmitz, geb. 1946, ist seit 1995 Direktor des
Instituts für Biomedizinische Technik (IBMT) der Universität Rostock. Er
studierte von 1964 bis 1969 Angewandte Mechanik an der Universität
Rostock und promovierte hier 1972 zum Dr.-Ing.
Seine Habilitation erfolgte 1980. Er arbeitete von 1972 bis 1984 als Ent­
wicklungsingenieur am Institut für Schiffbau Rostock. Von 1984 bis 1990 war er Bereichsleiter/WB-Leiter „Assistierte Zirkulation und Künstliches Herz“, Klinik für Innere Medizin der Universität Rostock.
In den Jahren von 1990 bis 1992 leitete Dr. Schmitz die Abteilung „Biomechanik und Medizinische
Werkstoffe“, Zentrum für Bioengineering der Universität Rostock an der Klinik für Innere Medizin. Im
Jahre 1992 erfolgte die Überleitung zum HRG-Professor entsprechend dem Hochschulerneuerungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern und die Übernahme zum Universitätsprofessor, Berufungsgebiet
Biomedizinische Technik. Von 1992 bis 1995 war er Leiter der Abteilung Biomedizinische Technik des
Instituts für Biomedizinische Technik und Medizinische Informatik der Medizinischen Fakultät der
Universität Rostock.
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acatech SYMPOSIUM | 26. April 2005
Dieter Spath
Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath, geb. 1952 in Lichtenau, Kreis Ansbach, ist seit
2002 Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation
(IAO) und des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT), Universität Stuttgart.
Er studierte von 1971 bis 1975 Maschinenbau, Fachrichtung Betriebs- und
Fertigungstechnik an der Technischen Universität München. Bis 1981 war er Wissenschaftlicher
Assistent und Akademischer Rat am gleichen Institut.
1981 promovierte er zum Dr.-Ing. und trat anschließend in die KASTO-Firmengruppe ein, wo er 1985
Prokurist und 1988 Geschäftsführer wurde. Seine Ernennung zum ordentlichen Professor an der
Universität Karlsruhe, Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebstechnik, erfolgte 1992. Er war
von 1996 bis 1998 Dekan der Fakultät Maschinenbau, Universität Karlsruhe (TH). Im Jahre 1999
wurde er als Nachfolger von Professor Milberg an die Technische Universität München, Institut für
Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb), berufen.
Günter Spur
Prof. Dr. h. c. mult. Dr.-Ing. Günter Spur, geb. 1928 in Braunschweig,
ist emeritierter Professor der Technischen Universität Berlin. Über Jahrzehnte leitete er das Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb
der TU Berlin sowie das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und
Konstruktionstechnik. In der Zeit von 1991 bis 1996 war er Gründungsrektor der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Prof. Spur
hat bedeutende Beiträge zur Produktionswissenschaft geleistet – vor allem auf den Gebieten der
Werkzeugmaschinen und der Fertigungstechnik, des Fabrikbetriebes sowie der rechnerintegrierten
Produktion. Über 900 Zeitschriften- und Buchveröffentlichungen sowie zahlreiche Vorträge im In- und
Ausland sind Bestandteil seiner Forschungsarbeiten.
Günter Spur ist Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen und Akademien. Seine Verdienste als Wissenschaftler und Hochschullehrer wurden auch international durch hohe Auszeichnungen und Ehrungen gewürdigt.
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> Impressum
Herausgeber:
acatech – Konvent für
Technikwissenschaften
der Union der deutschen
Akademien der
Wissenschaften e. V.
Residenz München
Hofgartenstraße 2
80539 München
T + 49 (0) 89/5 20 30 90
F + 49 (0) 89/5 20 30 99
E-Mail: [email protected]
Internet: www.acatech.de
Verantwortlich:
Dr.-Ing. Carsten S. Schröder
Koordination:
Jens Pape
Redaktion:
Yetvart Ficiciyan
Gestaltung und Produktion:
klink, liedig werbeagentur gmbh
Die Erstellung dieses Tagungsbandes erfolgte
mit freundlicher Unterstützung der klink, liedig
werbe­agentur gmbh, Stievestr. 9, 80638 München.
Der Tagungsband ist auch online unter
www.acatech.de verfügbar.
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