Elektrolytstörungen Dr. med. Nilufar Mohebbi [email protected] Klinik für Nephrologie, Universitätsspital Zürich und Physiologisches Institut und Zentrum für Integrative Humanphysiologie (ZIHP), Universität Zürich Definition Elektrolyt Chemisch: Eine Substanz, die – in einer Flüssigkeit gelöst (meistens in H2O aber auch in anderen Flüssigkeiten) - zu Ionen dissoziiert und somit fähig ist, Strom zu leiten Beispiel: NaCl → Na+ + Cl- (in H2O) • • Physiologisch: positiv geladen: negativ geladen: Kation Anion Ionen, die die elektrische Ladung von Zellen, den pH und den osmotischen Gradienten aufrecht erhalten Normwerte Blutplasma [mmol/l] Intrazelluläre Flüssigkeit [mmo/l] Na+ 142 15 K+ 4.3 140 Ca²+ 2.5 0.0001 Mg²+ 1.1 15 Cl- 104 8 HCO³- 24 15 HPO42-/H2PO4- 1.1 25 Proteine 0.9 60 Sonstige (z.B. SO42-, Laktat) 5.5 70 Interstitielle Flüssigkeit hat eine ähnliche Zusammensetzung wie Blutplasma! Adatpted from Burton D. Rose, 5th Edition Schmidt/Thews/Lang 1999 Einteilung Hyponatriämie/ Hypernatriämie Hypokaliämie/ Hyperkaliämie Hypokalzämie/ Hyperkalzämie Hypomagnesiämie/ Hypermagnesiämie Hypochlorämie/ Hyperchlorämie Hypophosphatämie/ Hyperphosphatämie Häufig kombiniert mit Störungen des Säure-Basen-Haushalts! Metabolische Alkalose Metabolische Azidose Most Frequently Accessed Topics in UpToDate: 2003-2004 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. Causes of hyponatremia Approach to abnormal liver function tests Diagnosis of hyponatremia Manifestations and diagnosis of acute pulmonary embolism Approach to the patient with anemia Diagnostic evaluation of a pleural effusion Approach to the patient with renal disease Approach to the diagnosis of dementia Alcohol withdrawal syndromes Rhabdomyolysis Approach to the patient with metabolic acidosis Treatment of hyponatremia Burton Rose 2005 Natrium-Konzentration → fast immer Zeichen einer Störung im Wasserhaushalt! ~ Plasma [Na+] = Nae+ + Ke+ Gesamtkörperwasser Plasma Na+, meq/L Zusammenhang zwischen Serum-Na-Konzentration und das Verhältnis zum Gesamtkörperwasser adapted from Edelman et al, J Clin Invest 1958 Natrium-Konzentration → fast immer Zeichen einer Störung im Wasserhaushalt! Plasma [Na+] ~= Nae+ + Ke+ Gesamtkörperwasser ADH Pathogenese Hyponatriämie Gestörte renale Wasserausscheidung A. Verminderung des effektiv zirkulierenden Blutvolumens 1. 2. 3. 4. B. Diuretika 1. 2. C. D. Thiazide (sehr häufig) Schleifendiuretika (selten) Nierenversagen ADH-Ueberschuss 1. 2. 3. E. F. Gastrointestinaler Verlust: Erbrechen, Diarrhoe, Blutung Renaler Verlust: Diuretika, Hypoaldosteronismus, Na+-VerlustNephropathie Verlust über die Haut: Marathonläufer, Verbrennung Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Nephrot. Syndrom mit Hypalbuminämie SIADH (Syndrom der inadäquaten ADHAusschüttung) Cortisolmangel (Nebenniereninsuffizienz) Hypothyreose Verminderte Einnahme von Solute Zerebraler Salzverlust > Normale renale Wasserausscheidung A. Primäre Polydipsie B. Reset Osmostat: z.B. Schwangerschaft, Psychose, Tetraparese, Mangelernährung Fallbeispiel Hyponatriämie • 32-jähriger Mann mit der Diagnose Bronchial-Ca • 60 kg, euvoläm, keine Oedeme, normotensiv, verwirrt • Na 112 mmol/l, K 4.1 mmol/l, Glukose 6 mmol/l, Harnstoff 5 mmol/l Was nun? Wichtige Fragen bei der Diagnostik und Therapie hyponatriämer Patienten 1. Liegt eine Hyponatriämie und eine Hypoosmolalität vor? 2. Ist die Antwort der Niere adäquat? 3. Wie ist der Volumenstatus des Patienten? 4. Wie schnell ist die Hyponatriämie entstanden? Diagnostisches Flussdiagramm bei Hyponatriämie (1) Hyponatriämie POsm normal oder hoch Pseudohyponatriämie • Protein • Lipid Translokationelle Hyponatriämie POsm niedrig UOsm < 100mosm/kg UOsm > 100mosm/kg • Glukose • Mannitol • Primäre Polydypsie und niedrige Solut‐ Zufuhr (Wasser‐Einfuhr zu hoch für Urin‐ Verdünnung) s. nächste Abb. Fallbeispiel 1. Liegt eine Hyponatriämie und eine Hypoosmolalität vor? Ja, Serumosmolalität: 235 mosm/l [Serumosmolalität = (2 x Na) + Glukose + Harnstoff] 2. Ist die Reaktion der Niere adäquat? 3. Wie ist der Volumenstatus des Patienten? 4. Wie schnell ist die Hyponatriämie entstanden? Diagnostisches Flussdiagramm bei Hyponatriämie (1) 235 mosm/l Hyponatriämie POsm normal oder hoch Pseudohyponatriämie • Protein • Lipid Translokationelle Hyponatriämie POsm niedrig UOsm < 100mosm/kg UOsm > 100mosm/kg • Glukose • Mannitol • Primäre Polydypsie und niedrige Solut‐ Zufuhr (Wasser‐Einfuhr zu hoch für Urin‐ Verdünnung) s. nächste Abb. Fallbeispiel 1. Liegt eine Hyponatriämie und eine Hypoosmolalität vor? Ja, Serumosmolalität: 235 mosm/l [Serumosmolalität = (2 x Na) + Glukose + Harnstoff] 2. Ist die Reaktion der Niere adäquat? Urinosmolalität 443 mosm/l 2. Wie ist der Volumenstatus des Patienten? 4. Wie schnell ist die Hyponatriämie entstanden? ADH und Osmolalität 235 mosm/l 443 mosm/l Vasopressin/AQP2 Diagnostisches Flussdiagramm bei Hyponatriämie (1) 235 mosm/l Hyponatriämie POsm normal oder hoch Pseudohyponatriämie • Protein • Lipid Translokationelle Hyponatriämie POsm niedrig UOsm < 100mosm/kg UOsm > 100mosm/kg • Glukose • Mannitol • Primäre Polydypsie und niedrige Solut‐ Zufuhr (Wasser‐Einfuhr zu hoch für Urin‐ Verdünnung) s. nächste Abb. Diagnostisches Flussdiagramm bei Hyponatriämie (2) Hyponatriämie UOsm > 100mosm/kg Wie ist der Volumen‐Status des Patienten? Hypovolämie Euvolämie UNa > 25 mmol/l UNa < 25 mmol/l Renale Verluste Extrarenale Verluste • Diuretika • Mineralokortikoid Defizienz • Salz‐Verlust‐ Nephropathie • Ketonurie • Zerebraler Salz Verlust • Erbrechen • Diarrhoe • Verbrennungen • Pankreatitis • Blutung UNa > 25 mmol/l SIADH Hypervolämie UNa < 25 mmol/l • Herzinsuffizienz • Leberzirrhose • Nephrotisches Syndrom UNa > 25 mmol/l • Nieren‐ insuffizienz • Schwanger‐ schaft Fallbeispiel 1. Liegt eine Hyponatriämie und eine Hypoosmolalität vor? Ja, Serumosmolalität: 235 mosm/l [Serumosmolalität = (2 x Na) + Glukose + Harnstoff] 2. Ist die Reaktion der Niere adäquat? Urinosmolalität 443 mosm/l 3. Wie ist der Volumenstatus des Patienten? keine Oedeme, normaler Blutdruck → euvoläm 4. Wie schnell ist die Hyponatriämie entstanden? Diagnostisches Flussdiagramm bei Hyponatriämie (2) Hyponatriämie UOsm > 100mosm/kg Wie ist der Volumen‐Status des Patienten? Hypovolämie Euvolämie UNa > 25 mmol/l UNa < 25 mmol/l Renale Verluste Extrarenale Verluste • Diuretika • Mineralokortikoid Defizienz • Salz‐Verlust‐ Nephropathie • Ketonurie • Zerebraler Salz Verlust • Erbrechen • Diarrhoe • Verbrennungen • Pankreatitis • Blutung UNa > 25 mmol/l SIADH Hypervolämie UNa < 25 mmol/l • Herzinsuffizienz • Leberzirrhose • Nephrotisches Syndrom UNa > 25 mmol/l • Nieren‐ insuffizienz • Schwanger‐ schaft Fallbeispiel 1. Liegt eine Hyponatriämie und eine Hypoosmolalität vor? Ja, Serumosmolalität: 235 mosm/l [Serumosmolalität = (2 x Na) + Glukose + Harnstoff] 2. Ist die Reaktion der Niere adäquat? Urinosmolalität 443 mosm/l 3. Wie ist der Volumenstatus des Patienten? keine Oedeme, normaler Blutdruck → euvoläm 4. Wie schnell ist die Hyponatriämie entstanden? innerhalb der letzten 4-5 Wochen Komplikation der Hyponatriämie normal Hyponatriämie Verschiebung von Wasser aus dem EZR in den IZR → Hirnödem! Symptomatische Behandlung Abschätzung des Effekts eines Liters einer Infusionslösung: ∆ Na (mmol) = Infusat Na - Serum Na total body water + 1 ∆ Na (mmol) = (Infusat Na + Infusat K) - Serum Na total body water + 1 Adrogué and Madias, N Engl J Med 2000; 342:1581 Vorsicht ! Langsame Entstehung → langsame Korrektur! Bei zu schneller Korrektur der Hyponatriämie: T2-gewichtetes MRT mit symmetrischen Arealen erhöhter Signale in der Brücke: „ pontine Myelinolyse“. Ann Int Med 1997;126:57 SIADH • Hypothalamische ADH-Produktion – Neuropsychiatrische Erkrankungen: • Infektionen: Meningitis, Enzephalitis, Abszesse, Herpes zoster • Vaskulär: Thrombose, Subarachnoidal-Blutung, Arteriitis temporalis – Medikamente: • Carbamazepin, Fluoxetin, Sertralin, Haloperidol, Gabapentin – Lungen-Erkrankungen: • Tuberkulose, Pneumonie – Übelkeit, Erbrechen, starke Schmerzen • Ektope ADH-Produktion: – Karzinome: kleinzelliges Bronchial-CA, solide Darm-Tumoren, Pankreas-CA • Exogenes ADH: – Gabe von Vasopressin oder Oxytocin Hypernatriämie → fast immer Zeichen einer Störung im Wasserhaushalt! ↑ ~ Plasma [Na+] = Nae+ + Ke+ Gesamtkörperwasser ↓ Pathogenese Hypernatriämie Wasserverlust A. Unsichtbarer Verlust 1. 2. B. Renaler Verlust 1. 2. 3. C. Osmotische Diarrhoe: Laktulose, Malabsorption, infektiöse Gastroenteritis Hypothalamische Störung 1. 2. 3. E. Zentraler Diabetes insipidus Nephrogener Diabetes insipidus Osmotische Diurese: Glukose, Harnstoff, Mannitol Gastrointestinaler Verlust 1. D. Vermehrtes Schwitzen (z.B. Fieber, Sport) Verbrennung Primäre Hypodipsie Osmostatverstellung Essentielle Hypernatriämie mit Funktionsverlust der Osmorezeptoren Wasserverschiebung in die Zelle 1. 2. Krampfanfall Rhabdomyolyse > Salzzufuhr A. Verabreichung von hypertoner NaCloder NaHCO3-Lösung B. Salzeinnahme Fallbeispiel Hypernatriämie Selten, aber wahr! Wichtige Fragen bei der Diagnostik und Therapie hypernatriämer Patienten 1. Wie ist der Volumenstatus des Patienten? 2. Hat der Patient Gewicht verloren? 3. Hat der Patient Durst? 4. Ist die Reaktion der Niere adäquat? Differentialdiagnose Hypernatriämie Häufig! Selten! Fallbeispiel 1. Wie ist der Volumenstatus des Patienten? Blutdruck hoch → hypervoläm 2. Hat der Patient Gewicht verloren? 3. Hat der Patient Durst? 4. Ist die Reaktion der Niere adäquat? Hypernatriämie Ist das ECF Volumen expandiert? Ja Nein Hat das Körpergewicht abgenommen? Zuviel Natrium Ja Wie sind Urin‐Volumen Nein und ‐Osmo? Volumen niedrig Osmo hoch Nicht renale H2O‐Verluste Volumen hoch Osmo niedrig H2O‐Shift Ist die Urin Osmo sehr niedrig? Nein Ja Steigt die Urin‐Osmo nach ADH‐Gabe? Diuretikum? Osmotische Diurese Glucose, Urea, Mannitol Medik. induziert Zentraler Diabetes insipidus Nephrogener Diabetes insipidus Fallbeispiel 1. Wie ist der Volumenstatus des Patienten? Blutdruck hoch → hypervoläm 2. Hat der Patient Gewicht verloren? nein 3. Hat der Patient Durst? sicher, aber leider keinen freien Zugang zu Wasser! 4. Ist die Reaktion der Niere adäquat? ja, Urin-Osmolalität 800 mosm/l! Klinik und Komplikationen der Hypernatriämie Therapie der Hypernatriämie • Beseitigung der Ursache • Cave! Maximal 10 mmol/l pro Tag ∆ Na (mmol) = Infusat Na - Serum Na total body water + 1 ∆ Na (mmol) = (Infusat Na + Infusat K) - Serum Na total body water + 1 Adrogué and Madias, N Engl J Med 2000; 342:1581 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Na-Konzentration und Osmolalität PlasmaOsm ~= 2 x Plasma [Na+] + Glukose + Harnstoff effektive PlasmaOsm ~ = 2 x Plasma [Na+] + Glukose Unter norm. Bedingungen tragen Glukose und Harnstoff nur mit 10mosm/kg zur PlasmaOsm bei! → PlasmaOsm ~= 2 x Plasma [Na+] ~ effektive Osmolalität des Gesamtkörperwasssers effektive PlasmaOsm = + + K +) 2 x (Na ~ e e = Gesamtkörperwasser Plasma [Na+] ~ = Nae+ + Ke+ Gesamtkörperwasser Hyponatriämie Wie ist der Volumen‐Status des Patienten? Hypovolämie Euvolämie Hypervolämie • Diuretika • Mineralokortikoid Defizienz •Erbrechen • Diarrhoe SIADH • Herzinsuffizienz • Leberzirrhose • Nephrotisches Syndrom Therapie‐Prinzip 0,9% NaCl • Flüssigkeits‐ Restriktion • 3% NaCl • Furosemid • Tolvaptan • Herzinsuff‐Therapie • kausale Therapie • evtl. Hämodialyse • Tolvaptan Berechnung der Wasser-Ungleichgewichts Wasser-Exzess = 0.6 x Körpergewicht (kg) x (1 - Naist ) 140 Wasser-Defizit = 0.6 x Körpergewicht (kg) x ( Naist - 1) 140 Freie Wasser-Clearance Die freie Wasserclearance ist die Menge von Wasser, die aus dem Urin entfernt werden muß oder zu dem Urin hinzugegeben werden muß, um ihn isoosmolal mit dem Plasma zu machen. Cl H2O(e) = V 1 - UNa+UK PNa Wenn UNa+UK < SNa, ist die ClH2O(e) + und Serum Na muss steigen Wenn UNa+UK >SNa, ist die ClH2O(e) - und Serum Na muss fallen Quantifizierung der renalen Wasserexkretion (Solut-freies Wasser) dilute urine 140 mosmol/kg 280 mosmol/kg 1000 ml concentrated urine 280 mosmol/kg 560 mosmol/kg 2000ml 1000 ml 2000ml +1000ml 0 mosmol/kg Clwater = + 1000ml Posm 2000ml -1000ml 0 mosmol/kg Clwater = - 1000ml Posm Ellison and Berl, N Engl J Med 2007 Ellison and Berl, N Engl J Med 2007