Österreichische Apothekerkammer, Schladming 2015 17.1.2015 Niere und Blutdruck René R. Wenzel Der folgende Artikel fasst den Vortrag über das Thema „Niere und Blutdruck“ zusammen und wird auf die physiologische und pathophysiologische Regulation des Blutdruckes und die Rolle der Niere eingehen. Zudem werden nicht medikamentöse und medikamentöse Therapieoptionen diskutiert, auf die Besonderheiten der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik bei Niereninsuffizienz eingegangen. Schließlich wird die Frage, welche Maßnahmen und Pharmaka, insbesondere im Hinblick auf die Niere, besonders günstig und besonders ungünstig sind, sowie der Stellenwert von altbekannten Pharmaka beleuchtet. 1. Physiologie von Blutdruck und Niere Die Niere erfüllt als komplexes Organ zahlreiche Aufgaben. Hierunter fällt nicht nur die Ausscheidung von Wasser, Salzen, Medikamenten und Stoffwechselabbauprodukten, sondern auch die Regulation des Knochenhaushaltes über die Vitamin D-Aktivierung, sowie die Stimulation der Erythropoese über Erythropoetin. Eine ganz wichtige Aufgabe ist die Blutdruckregulation, auf die später näher eingegangen wird. Die Niere kann über die Natriurese (Ausscheidung von Natriumchlorid), sowie über die Aquaphorese (Ausscheidung von freiem Wasser), den Volumenhaushalt über verschiedene humorale Systeme regulieren. Bei der Regulation der Nierenfunktion spielt ganz wesentlich das sympathische Nervensystem, das darüber stimulierte ReninAngiotensin-Aldosteron-System und das lokale Gefäßendothel eine wichtige Rolle. Zusätzlich reguliert Vasopressin („antidiuretisches Hormon“), sowie natriuretische Peptide (ANP, BNP) die Nierenfunktion. Unter pathophysiologischen Bedingungen kommt es vor allem über eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems zu einer Stimulation dieser pressorischen Systeme, die zu einem ganz wesentlichen Ungleichgewicht auch auf renaler Ebene führen können. Gleichzeitig erkennt man an diesen regulatorischen Systemen die Angriffspunkte für die pharmakologische Beeinflussung, die sich nicht nur bei der arteriellen Hypertonie, sondern auch bei der Herzinsuffizienz bewährt haben. Hierzu gehört die Hemmung des sympathischen Nervensystems mittels Betablockern, die Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems durch ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorantagonisten und AldosteronAntagonisten, sowie die Hemmung von ADH durch Vasopressin-Antagonisten. Auch die natriuretischen Peptide können medikamentös beeinflusst werden, derzeit hat sich diesbezüglich jedoch noch keine Verbesserung der Mortalität gezeigt. 2. Rolle der Niere bei der arteriellen Hypertonie Eine Nierenerkrankung kann typischerweise zu einer arteriellen Hypertonie führen. Umgekehrt kann jedoch auch eine essentielle Hypertonie die Nierenfunktion bis hin zur Dialysepflichtigkeit verschlechtern. Wir haben in Österreich aufgrund des österreichischen Dialyse- und Transplantationsregisters in den letzten 10 Jahren eine kontinuierliche Zunahme der Patienten, die eine Nierenersatztherapie benötigen, dokumentiert. Hierbei nehmen hinsichtlich der Inzidenz als Ursache der Typ 2 Diabetes und zunehmend auch vaskuläre Erkrankungen einen immer höheren Stellenwert ein. Kardiorenale Syndrome sind zudem in deutlicher Zunahme begriffen. Es ist bekannt, dass diese Patientinnen und Patienten eine besonders schlechte Prognose haben und sehr schwierig zu managen sind. 2 Diese einerseits für den Patienten außerordentlich belastende Situation, andererseits auch die gesundheitsökonomischen Folgen daraus gilt es günstig zu beeinflussen. Hierbei spielt ganz besonders die Prävention eine ganz wesentliche Rolle, die auf die vaskulären – sprich atherosklerotischen - Erkrankungen und den Diabetes Typ 2 fokussieren müssen. Andererseits sind die Ressourcen für Nierenersatztherapien wie auch die Transplantation weiterhin zu knapp, sodass die Wartelisten eher steigen. Somit gilt es zur Protektion der Nieren Risikofaktoren früh zu erkennen und zu beeinflussen. Eine adäquate, zielwertorientierte antihypertensive Therapie zu etablieren und jegliche nephrotoxische Medikation zu vermeiden. Die Nephropathie wird nach den KDIGO-Guidelines in 5 Stadien eingeteilt (G1 bis G 5 (D)), zusätzlich wird nach der neuen Klassifikation der die Proteinurie je nach Stärke in A1 bis A3 klassifiziert. Bei jeder Hypertonie mit fraglicher Nierenbeteiligung ist eine spezifische nephrologische Diagnostik sinnvoll. Hierzu gehört neben der Sonographie die Kreatinin-Clearance und die Harnanalyse (Mikroskopie und Proteinanalyse), sowie ggf. eine Nierenpunktion. Es ist in Studien erwiesen, dass die Mitbetreuung durch eine(n) Nephrologin/en bei Erkrankungen der Niere zu einer deutlichen Risikoreduktion für eine Nierenersatztherapie bei den Patienten führt. Bei der Blutdruckmessung sollte auf die empfohlenen Standards und die Klassifikation der Blutdruckwerte (Arztmessung, Selbstmessung, 24 StundenBlutdruckmessung) geachtet werden, da diese zur genaueren Risikostratifizierung der Patienten mit entsprechend unterschiedlichen therapeutischen Konsequenzen führen. Die Therapieindikation hängt nach den neuesten österreichischen und internationalen Guidelines einerseits von der Höhe des Blutdruckes andererseits von den begleitenden Risikofaktoren ab, wobei insbesondere eine renale Begleiterkrankung, sowie Diabetes eine wichtige Rolle spielen. 3. Nicht-medikamentöse und medikamentöse Therapie Nicht medikamentöse Therapiemaßnahmen, insbesondere die Lebensstilbeeinflussung, stehen in allen Alters- und Patientengruppen an oberster Stelle. Bei einer medikamentösen Therapie empfehlen wir in Österreich wie auch international in der First-Line-Therapie Angiotensin-Rezeptorblocker oder ACE-Hemmer, Thiaziddiuretika, Kalziumantagonisten und Betablocker, wobei diese im wesentlichen miteinander kombiniert werden können (Ausnahme Angiotensin-Rezeptorblocker und ACE-Hemmer). Eine Hinzunahme anderer Antihypertensiva ist ergänzend möglich, wenn die Zielwerte nicht erreichbar sind. Gerade bei Niereninsuffizienz ist auf die renale Elimination und wie immer auf Interaktionen und Kontraindikationen zu achten. Hierbei hat sich die Q0 (extrarenal ausgeschiedener bioverfügbarer Dosisanteil bei normaler Nierenfunktion) bewährt. Je niedriger die Q0 einer Substanz ist, desto höher das Risiko einer Kumulation der Substanz. Auch Antihypertensiva können kumulieren, wobei dies teilweise sogar therapeutisch in der Nephrologie ausgenutzt werden kann, um eine Dosissteigerung bzw. um eine Wirkungssteigerung bzw. Dosisreduktion zu erreichen. Der Vortrag wird dann im Detail auf die Dosierung der verschiedenen Wirkstoffklassen eingehen. Hierbei ist 3 zu berücksichtigen, dass sowohl zentrale Sympathikolytika als auch Betablocker, ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorantagonisten, Diuretika und Kalziumantagonisten je nach GFR und verwendeter Substanz unterschiedlich dosiert werden müssen oder sogar kontraindiziert sind. Thiaziddiuretika wirken bei höhergradiger Niereninsuffizienz nicht mehr (Ausnahme Xipamid) sodaß bevorzugt - sofern nötig und sinnvoll – Schleifendiuretika eingesetzt werden. Xipamid stellt eine Ausnahme dar, da diese Substanz auch bei höhergradiger Niereninsuffizienz äußerst potent ist, jedoch nicht selten auch schwere Nebenwirkungen (Elektrolytentgleisung, Dehydratation) hat, weswegen diese Substanz sehr vorsichtig eingesetzt werden sollte. Die Vermeidung nephrotoxischer Substanzen spielt zudem eine besondere Rolle. Hier stehen an erster Stelle der zu vermeidenden Substanzen jegliche nicht-steroidalen Antirheumatika dar. Diese führen zu einer Wirkungsabschwächung oder gar -verlust von Antihypertensiva und zu einer Steigerung des Blutdrucks bis hin zu hypertensiven Notfällen. Nicht-steroidale Antirheumatika beeinflussen die Nierenfunktion z.T. beträchtlich, können ein akutes Nierenversagen und erhöhen das Risiko einer akuten Herzinsuffizienz und einer akuten Hepatopathie. Auf weitere Substanzen (Guanfacin, Hilti Hydralazin, Minoxidil) wird in dem Vortrag dann speziell eingegangen. Literatur: (beim Verfasser) 4