Dr. med. vet. Rosa Barsnick MS, DipACVIM, DipECEIM Fachtierärztin für Pferde Therapie von Nierenerkrankungen www.pferdeklinik-aschheim.de Akutes Nierenversagen (ARF) • Abrupt verminderte GFR, Azotämie, Elektrolytund Säure-Base-Störungen • Apathie, Inappetenz, selten neurologische Symptome, Oligurie (variabel) • Mangelhafte Nierenperfusion (prärenal) – hämodynamisch • Parenchymale Dysfunktion (intrinsisch) – toxisch/ischämisch Akutes Nierenversagen (ARF) Prärenal • Hypoperfusion, Hypotension, Hypovolämie (Flüssigkeitsverlust, Blutverlust) • Sepsis, Endotoxämie • Volumenredistribution (Körperhöhlenergüsse) • DIC Postrenal • Obstruktive Urolithiasis Instrinisch • Akute tubuläre Nekrose (Ischämie durch hochgradige Hypoperfusion) • Nephrotoxine (Aminoglykoside, Tetracycline, Schwermetalle, Myo/Hämoglobin, NSAIDs, Ahorn, Eicheln, etc.) • Bakterielle Infektionen (Leptospirosis pomona, Streptokokken) Therapie bei ARF • Verhinderung des Übergangs von prärenalem zu intrinsischem Nierenversagen • Infusionstherapie zur Korrektur der Imbalanzen/Störungen des Flüssigkeits-, Wasser-, Elektrolyt- und Säure-BasenHaushalts • Flüssigkeitsdefizit innerhalb von 12 h korrigieren Therapie bei ARF • Infusionen von > 30 l/Tag unbedingt notwendig! • Elektrolytmessungen und -substitutionen erforderlich • Überwachung auf Oligurie (Gefahr der Überinfusion Lungenödem!) • Nach Korrektur des Flüssigkeitsdefizits mindestens den Erhaltungsbedarf (50-60 ml/kg/Tag) oder mehr, bis das Pferd normal frisst und trinkt und Crea um 75% gesunken ist • Infusionstherapie dann über 2-3 Tage ausschleichen Therapie bei ARF Medikamente zur Verbesserung der Nierenperfusion und Urinproduktion 1. Furosemid (1-2 mg/kg alle 6 h, ggf. anfänglich bis zu 6 mg/kg, oder DTI 0,12 mg/kg/h) • • • Erhöht die Urinproduktion Blockt Na/K/Cl-Cotransporter, dadurch geringere Na/K/ATPaseAktivität, weniger Sauerstoffbedarf, Abmilderung der Ischämie Fraglich, ob eine Konversion von oligurischer in nonoligurische ARF tatsächlich möglich ist 2. Dobutamin DTI (2-5 µg/kg/min) • • Verbessert das Herzminutenvolumen die Nierenperfusion Periphere Vasodilatation Therapie bei ARF Medikamente zur Verbesserung der Nierenperfusion und Urinproduktion 3. Dopamin DTI (1-3 µg/kg/min) 1. 2. Renale arteriolare Vasodilatation und Inotropie Bei Menschen wurde keine Verbesserung der Prognose bei ARF festgestellt, da erhöhte Urinproduktion durch Inhibierung der Na-Kanäle, aber keine verbesserte GFR; Wirkung sehr variabel 4. Mannitol (1 g/kg über 30-60 min) • • • Osmotisch, erhöht das Kreislaufvolumen, verbessert dadurch renalen Blutfluss und GFR, evtl. auch tubuläre Funktion Kann in hohen Dosen ARF verschlimmern, wird in der Humanmedizin daher nicht mehr bei ARF verwendet Kann bei überinfundierten Patienten Hypervolämie verschlimmern Therapie bei ARF Dialyse 1. Intermittierende Hämodialyse 2. Kontinuierliche veno-venöse Hämofiltration 3. Peritonealdialyse Chronisches Nierenversagen (CRF) • Entwicklungsbedingte Anomalien (16%) • Renale Agenesie/Hypoplasie/Dysplasie • Polyzystische Nierenerkrankung • Glomerulonephritis • Immunvermittelte glomeruläre Schäden (Immunkomplexablagerungen, z.B. bei Streptokokkeninfektionen) • Chronisch Interstitielle Nephritis • Tubulär-interstitielle Erkrankung • Beginnt meist mit akuter tubulärer Nekrose • Nephrotoxin bedingt Chronisches Nierenversagen (CRF) • Progressiver Verlust von Nierenfunktionen – Mangelnde Konzentration des Harns – Retention harnpflichtiger Substanzen – Störungen des Elektrolyt- und Säure-BaseHaushalts – Hormonelle Dysfunktionen • End-Stage-Kidney-Disease (terminales Nierenversagen, „Schrumpfniere“) Chronisches Nierenversagen (CRF) • Meist schleichende Entwicklung • Vorbericht? (NSAIDs? Erkrankungen? Andere Nephrotoxine?) • Klassische Symptome (Apathie, Anorexie, Gewichtsverlust) treten erst spät auf, CRF wird daher oft erst spät erkannt Ätiologie oft nicht mehr nachvollziehbar (schon länger andauernde PU?) • Anämie (Leistungsinsuffizienz?) durch mangelnde Erythropoetinsynthese Therapie bei CRF • Kurzzeitige (24-72 h) Infusionstherapie sinnvoll bei urämischer Krise, um Diurese zu unterstützen, zweifache Erhaltungsrate (ca. 50-60 Liter/Tag) • Flüssigkeitstherapie auch per NSS möglich, z.B. 3 x täglich 10 Liter 0,9% NaCl Management bei CRF • Flüssigkeitsbedarf dauerhaft durch Gras (Weidegang) decken • Kalzium und -proteinreiche Futtermittel meiden (z.B. Luzerne, Rübenschnitzel) • Ration sollte <10% Protein enthalten (z.B. Heu und Mais/Hafer) • Omega-3 Fettsäuren (Leinöl) • Vermeiden von Nephrotoxinen Nephrolithiasis • Renale und ureterale Konkremente kommen vorwiegend bei Pferden mit CRF vor • (Kalzium-) Kristalle und organische Matrix (Proteine, Zellen) formen Urolithe • Blasensteine können renale Konkremente als Vorläufer haben (Rezidive!) • Sekundäre Hydronephrose • Diagnose oft sehr spät, da meist lange keine Azotämie entsteht Nephrolithiasis • Nephrotomie – Schwierig aufgrund hohen Risikos von Hämorrhagie • Percutane Nephrostomie per Nephrostomiekatheter oder Ureterotomie • Nephrektomie – Nur sinnvoll, sofern die verbleibende Niere die Funktion komplett übernehmen kann – Früher mit Rippenresektion , heute Hand-assistiert laparoskopisch im Stehen mit Flankenschnitt Renale Tubuläre Azidose • Hyperchlorämische metabolische Azidose • Chloridkonzentrationen von 106-121 mmol/l • Bicarbonat bis zu 13 mmol/l oder weniger • Manchmal begleitende Hypokaliämie oder Hyponatriämie • Manchmal Azotämie • Angeboren, erworben, idiopathisch • Medikamenten-induzierte Typ II RTA • Aminoglykoside, Tetrazykline, NSAIDs, Trim/Sulfa, Amphotericin B (auch Typ I bei Menschen) Renale Tubuläre Azidose • Typ I und II bei Pferden beschrieben, aber meist schwer zu differenzieren – und klinisch bzw. therapeutisch nicht wesentlich • Typ II: proximale renale tubuläre Azidose • Mangelhafte Reabsorption von Bicarbonat in Zellen des proximalen Tubulus Bicarbonatverlust Chloridretention Azidose • Typ I: distale renale tubuläre Azidose • Exzessive Rückdiffusion von H+ -Ionen im distalen Nephron (Sammelgänge) Therapie der RTA • Bicarbonat-Behandlung (per Infusion, per os) • Elektrolytsupplementation (Kalium!) • Infusionen bei Dehydratation/Azotämie HCO3- -Defizit berechnen: KGW(kg) x 0,3 x Defizit (mmol/l) = absolutes Defizit (mmol) • 8,4% ige NaHCO3 (1 ml enthält 1 mmol HCO3-) ist hyperton, daher langsam mittropfen lassen (z.B. mit Ringer Lactat, kein NaCl) oder in schweren Fällen als isotonische (1,3%ige) Lösung infundieren • 20-40 mmol/l K + der Infusion hinzufügen, max. 0,5 mmol/kg/h Therapie der RTA Orale Supplementierung von Bicarbonat und Kalium KGW(kg) x 0,3 x rel. Defizit (mmol/l) = Gesamtdefizit (mmol) Zu supplementierende Menge (g) = Gesamtdefizit (mmol) / Molmenge pro Gramm Salz (mmol/g) Molmenge pro Gramm Salz (mmol/g) = 1/Atomgewicht des Salzes, z.B. KCl: 1/(39+35,5) x 1000 = 13,4 mmol/g NaHCO3: 1/(23+61) x 1000 = 11,9 mmol/g Fallbeispiele Fallbeispiel 1 • 23 Jahre alte Warmblutstute • Vor einem Jahr zum ersten Mal auffällig geworden mit Hämaturie • Großer Blasenstein wurde entfernt • Jetzt wieder Hämaturie • Erneute Zystoskopie zeigt hochgradige ulzerative Zystitis und einen kleinen Blasenstein sowie multiple kleinere Konkremente, Blase wird gespült Fallbeispiel 1 • Vorberichtlich leichte Erhöhung des Harnstoffwertes, wiederholte Messung Harnstoff und Creatinin im Referenzbereich • Sonografie beider Nieren Fallbeispiel 1 Fallbeispiel 1 Fallbeispiel 2 • • • • • 10 Jahre alter Haflingerwallach Akute Inappetenz, Apathie Mit Verdacht auf Kolik in die Klinik überwiesen Rektale Untersuchung obB Sonografisch vermehrt freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle • Creatinin 9,0 mg/dl Fallbeispiel 2 Fallbeispiel 2 • Leukozytose (12,7 G/l) • Azotämie • BUN 51 mg/dl (10-20 mg/dl) • Creatinin 9 mg/dl (bis 2 mg/dl) • BUN/Crea -Quotient 5:1 • Hypoproteinämie (TP 3,8 g/dl, Alb. 1,3 g/dl) • γGT/Creatinin-Quotient 371 IU/gCr (<25-100) Fallbeispiel 2 • • • • • Hyponatriämie (128 mmol/l) Hypochloridämie (93 mmol/l) Hyperkaliämie (6,1 mmol/l) Hypophosphatämie (0,1 mmol/l) Fraktionierte Elektrolytausscheidung Fallbeispiel 2 • Infusionstherapie – keine Besserung der Azotämie, Oligurie • Nierenbiopsie entnommen • Furosemid begonnen • keine Besserung, Lidödem Fallbeispiel 2 • Histopathologie: Hochgradige, mesangioproliferative, teils nekrotisierende Glomerulonephritis mit mittelgradiger, lympho-histiozytärer und plasmazellulärer, interstitieller Nephritis. Hochgradig degenerativ/nekrotisierende Veränderungen in den Glomerula sowie eine bis zu mittelgradig ausgeprägte chronisch-interstitielle Nephritis. Immunpathologische Genese? Intoxikation? Fallbeispiel 3 • • • • 12 Jahre alte Warmblutstute PU/PD, trinkt bis zu 120 Liter/Tag ACTH normal Hatte nach einer vermutlichen Plazentitis (Red Bag Delivery) schon einmal eine Episode PU/PD • Später wurde eine Hufrehe lange mit Phenylbutazon behandelt Fallbeispiel 3 Fallbeispiel 3 • Serum Biochemie normal • Hämatologie – Anämie (Htk 22%, Hb 8,2 g/dl, Erythrozyten 4,9 T/l) • FE aller Elektrolyte erhöht • γGT/Creatinin-Quotient 30 IU/gCr (<25-100) • Therapie nicht gewünscht und vermutlich auch nicht sinnvoll Fallbeispiel 4 • 19 Jahre alter Deutsches Reitpony Wallach • Umfangsvermehrung von HTÄ im Abdomen palpiert (Kolik) • RU: abdominal links hartes, rundes Gebilde palpierbar • Manchmal milde „Kolik“-Episoden nach dem Reiten („stellt sich wie zum Pinkeln hin“) Fallbeispiel 4 Fallbeispiel 4 • Sonografie rechte Niere obB • Serum Biochemie normal • Hämatologie normal • Getrennte Urinuntersuchung (Katheterisierung beider Ureteren): – γGT/Creatinin-Quotient: linke Niere 27 IU/gCr, rechte Niere 20 IU/gCr (<25-100) – Protein-Creatinin-Quotient beide Nieren normal Fallbeispiel 4 Nephrektomie Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !!!