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BZB Mai 14
Wissenschaft und Fortbildung
Versorgung einer Frontzahnlücke bei
massivem Hart- und Weichgewebsdefizit
Sichere, vorhersagbare und langzeitstabile Rehabilitation eines komplexen Falles
E i n B e i t r a g v o n D r. J ö r g - M a r t i n R u p p i n , P e n z b e r g
Mit zunehmendem Wissen und Verständnis über
die Mechanismen der Osseointegration hat sich in
der Implantologie ein Paradigmenwechsel vollzogen.
Heute kann eine implantatprothetische Versorgung
nur als erfolgreich bewertet werden, wenn funktionelle und ästhetische Gesichtspunkte beachtet
werden. Die Ansprüche der Patienten hinsichtlich
einer ästhetischen Rehabilitation sind in den vergangenen Jahren berechtigterweise deutlich gestiegen. Ein Erfolg ist dabei direkt von der nach
prothetischen Gesichtspunkten gewählten Implantatposition abhängig. Dies unterstreicht die
Wichtigkeit von sicheren Augmentationstechniken,
um prothetisch definierte Implantatpositionen
chirurgisch auch umsetzen zu können.
Bezüglich Sicherheit, Reproduzierbarkeit und biologischer Wertigkeit eines Implantatlagers ist die
autologe Knochentransplantation allen anderen
Augmentationsverfahren überlegen. Das Beherrschen techniksensitiver Augmentationen vorausgesetzt, bieten autologe Knochentransplantate
eine hohe Sicherheit für den implantologischen
Langzeiterfolg bei geringer Morbidität und kurzer
Heilungszeit für den Patienten. Für eine ästhetische Rehabilitation ist neben dem Hart- auch das
Weichgewebsmanagement entscheidend. Im vorliegenden Bericht soll exemplarisch gezeigt werden, wie ein Fall mit komplexem Hart- und Weichgewebsdefizit schrittweise, sicher, vorhersagbar und
langzeitstabil rehabilitiert werden kann.
In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Implantologie in der Zahnheilkunde fest etabliert. Stand
anfangs das Erreichen einer sicheren Osseointegration im Zentrum der Bemühungen, werden heute – dank der Zunahme des Wissens und der Weiterentwicklung chirurgischer Techniken – Erfolgsraten von 95 bis 99 Prozent erreicht [12,14]. Mit der
sicheren Osseointegration hat sich der Fokus auf
die Funktionalität, die Langzeitstabilität und die
Ästhetik verlagert. Eine präoperative, prothetisch
orientierte Planung ist dabei entscheidend. Ist das
prothetische Ziel durch „Backward Planning“ de-
finiert, ist es Aufgabe der Chirurgie, die geplante
Implantatposition und die Grundlagen für ein stabiles Weichgewebe zu realisieren.
Bedingt durch das Resorptionsmuster zahnloser
Kieferabschnitte ist die transversale Verbreiterung
des Kieferkammes der häufigste Eingriff in der augmentativen Chirurgie. Dies kann durch Knochenspreizung oder durch eine Auflagerungsosteoplastik erreicht werden. Die Technik der Knochenspreizung, auch als „Bone Splitting“ beziehungsweise
„Bone Spreading“ bezeichnet, bei der der Kieferkamm nach krestaler Osteotomie nach bukkal aufgedehnt wird, eignet sich aufgrund der spongiösen
Knochenstruktur vor allem für den Oberkiefer [11].
Das Verfahren birgt die Gefahr erheblicher postoperativer Resorptionsraten von bis zu 40 Prozent
des Knochenvolumens und ist daher kritisch zu
betrachten [7].
Eine höhere Sicherheit vor Resorption bieten die
Auflagerungstechniken. Sie können in Form einer
„Guided Bone Regeneration“ mit Membranen oder
mit Titanmesh durchgeführt werden und eignen
sich am ehesten für kleine periimplantäre Knochendefekte. Sie wurden sowohl mit autologem Knochen als auch mit Knochenersatzmaterialien beschrieben [1,2,14]. Grundsätzlich muss hierbei das
Augmentat mit einer Barriere zum Weichgewebe
hin abgedeckt werden, um eine Resorption des Augmentats zu vermeiden. Dabei wurden in der Vergangenheit hauptsächlich nicht-resorbierbare Barrieren
wie GoreTex-Membranen oder Titanmesh eingesetzt.
Diese bewirken einen ausreichenden Resorptionsschutz, erfordern aber zu ihrer Entfernung einen
chirurgischen Zweiteingriff. Zudem bergen sie ein erhebliches Risiko von Komplikationen, die zu Infektionen und zum Verlust des Augmentats führen können [9]. Resorbierbare Membranen reduzieren dieses
Risiko, es ist aber nicht geklärt, ob sie einen ausreichenden Resorptionsschutz bieten können [4].
Die Auflagerungsosteoplastik durch autologe, kortikospongiöse Knochentransplantate stellt die sicherste und komplikationsärmste Methode zur horizontalen und vertikalen Augmentation dar. Die
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Abb. 1: Klinische Ausgangssituation von frontal und okklusal: ausgeprägtes Weich- und Hartgewebsdefizit
Knochentransplantate können intraoral oder extraoral gewonnen werden. Aufgrund Knochenmenge,
Knochenqualität und Entnahmemorbidität ist die
Entnahme aus der Linea obliqua externa des Unterkieferwinkels oder aus der Crista iliaca externa am
gebräuchlichsten. Der Unterkieferwinkel birgt bei
korrekter Operationstechnik ein gutes Knochenangebot, die Risiken und die Morbidität sind gering
[10]. Als Nachteil ist lediglich die zum Teil ausgeprägt kortikale Struktur des Knochens zu sehen,
die zu einer nur langsamen knöchernen Durchbauung bei geringer Vitalität des Transplantates
führen kann. Während für den Großteil der Augmentationen die intraorale Entnahme Goldstandard ist [10], kann bei der Notwendigkeit sehr ausgedehnter Augmentate auf die Crista iliaca ausgewichen werden. Ein Vorteil sind hier die sehr gute
Qualität und Vitalität und die verfügbare Quantität des Knochens. Nachteilig sind die erhöhte Entnahmemorbidität für den Patienten und die geringe Resorptionsstabilität des Transplantates.
Ein Sonderweg ist die Schalentechnik, wie sie von
Khoury und Kollegen [6] beschrieben wurde. Hierbei wird versucht, die ausgezeichnete Vitalität eines Beckenkammtransplantates mit der hohen
Resorptionsstabilität und geringen Entnahmemorbidität eines Kieferwinkeltransplantates zu
kombinieren. Dazu wird ein kortikospongiöser
Knochenspan aus dem Kieferwinkel entnommen
und daraus eine dünne, rein kortikale Knochenscheibe gewonnen, die mit Mikroosteosyntheseschrauben lagestabil fixiert wird. Der zu augmentierende Bereich wird zusätzlich mit den übrigen
partikulierten Knochenanteilen aufgefüllt. Dadurch wird eine schnelle und sichere knöcherne
Durchbauung bei hervorragender Vitalität des
Augmentats sichergestellt, während die kortikale
Schale das Augmentat vor zu starker Resorption
während der Heilungsphase schützt. Neben der
„weißen“ Ästhetik spielt gerade im sichtbaren Bereich die „rosa“ Ästhetik eine große Rolle für den
ästhetischen Gesamterfolg. Hierbei ist ein korrektes Weichgewebsmanagement von der Freilegung
der Implantate, über die Ausformung mit Langzeitprovisorien bis hin zur definitiven prothetischen Versorgung notwendig.
Fallbericht
Anamnese und Befund
Die 36-jährige Patientin, der alio loco die Zähne 21
und 22 entfernt worden waren, wurde mit der Bitte
nach implantologischer Rehabilitation vorstellig.
Die Allgemeinanamnese war unauffällig, sie ist
Nichtraucherin. Nach Aussage der Patientin wurden in den vorangegangenen Jahren die wurzelgefüllten Zähne 21 und 22 mehrere Male reseziert
beziehungsweise Zysten entfernt, was aber immer
nur für einen begrenzten Zeitraum zur Beschwerdefreiheit führte. Schließlich wurden die Zähne vom
Vorbehandler entfernt und eine Interimsprothese
eingegliedert. Aufgrund der multiplen Voroperationen zeigte der intraorale Befund zum Zeitpunkt
der Erstvorstellung bei uns einen erheblichen Hartund Weichgewebsverlust mit einem vernarbten
Vestibulum (Abb. 1). Die Nachbarzähne wiesen
Kompositrestaurationen auf, waren vital, klinisch
fest und entzündungsfrei. Der weitere klinische und
radiologische Befund war unauffällig (Abb. 2).
Planung
Um bei einem derart komplexen Fall die richtige
Behandlungsstrategie festlegen zu können, muss
zunächst eine Evaluation der Gesamtsituation erfolgen. Nur wenn der Fall in der Summe seiner ein-
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Abb. 2: Orthopantomogramm der Ausgangssituation
zelnen Aspekte richtig bewertet wird, kann die geeignete Therapie gewählt werden. Eine Möglichkeit zur Analyse wurde von Dawson et al. [3] mit
der sogenannten SAC-Klassifizierung (Straightforward – Advanced – Complex) vorgestellt. Hierbei
wird nach allgemeinen, ästhetischen, chirurgischen
und restaurativen Einflussfaktoren unterteilt. Gemäß dieser Klassifizierung stellten sich uns vor
Therapiebeginn folgende Fragen:
· Wie ist das zu erwartende Hart- und Weichgewebsangebot im Bereich der geplanten Implantationen?
· Welche Implantatanzahl und -position ist sinnvoll?
· Wie ist im Hinblick auf die multiplen vorangegangenen Operationen das Heilungspotenzial hinsichtlich Durchblutung und Vernarbungen im Weichgewebe?
· Wie ist der Gingivatyp zu bewerten?
· Wo liegt die Lachlinie der Patientin?
Im vorliegenden Fall war die Gesamtsituation durch
den relativ dünnen, „high scalloped“ Gingivatyp,
das erhebliche Hart- und Weichgewebsdefizit, die
zu erwartende kompromittierte Durchblutung und
das erschwerte Weichgewebsmanagement aufgrund
der Vernarbungen sowie durch die Lage der Lücke
(fehlender mittlerer und seitlicher Schneidezahn)
sehr komplex. Vor diesem Hintergrund wurde folgende Vorgehensweise geplant:
· Autologe Augmentation mit einem kortikospongiösen Knochenspan aus dem Kieferwinkel in der
von Khoury und Kollegen [6] beschriebenen Schalentechnik. Gleichzeitig Verbesserung der Weichgewebssituation durch ein subepitheliales Bindegewebstransplantat vom Gaumen.
· Nach einer Heilungszeit von drei Monaten Insertion zweier Camlog Screw Line-Implantate sowie
gegebenenfalls weitere Weichgewebsaugmentation, um ausreichend Volumen für die prothetische Ausformung des Weichgewebes zu erhalten.
· Freilegung der Implantate nach weiteren drei Monaten.
· Nach einer Heilungszeit von vier Wochen Beginn
der prothetischen Rehabilitation mit einem Langzeitprovisorium zur sukzessiven Ausformung des
Weichgewebes.
· Nach einer insgesamt sechsmonatigen Ausformungs- und Reifungsphase des Weichgewebes
Überführung der provisorischen in die definitive
prothetische Versorgung.
Chirurgisches Vorgehen
Im ersten Eingriff erfolgte die Augmentation des
Alveolarfortsatzes. Nach Bildung eines Mukoperiostlappens und Entfernung allen Granulationsgewebes zeigte sich ein ausgedehnter Defekt, der den
Alveolarfortsatz fast vollständig destruiert hatte.
Zusätzlich bestand apikal von 22 ein nach palatinal tunnelierender Defekt, verursacht durch eine
Residualzyste (Abb. 3). Die Augmentation stand
somit – wie in der Planung bereits berücksichtigt –
unter kompromittierten Voraussetzungen. Eine
sichere Augmentation ist jedoch auch in solchen
Fällen mit der von Khoury [6] vorgestellten Schalentechnik möglich. Es wurde ein kortikospongiöser Span aus dem rechten Unterkieferwinkel entnommen. Dieser wurde in Längsrichtung in eine
rein kortikale Schale mit einer Stärke von etwa
zwei Millimetern und in einen spongiösen Restanteil geteilt. Die kortikale Schale wurde mithilfe
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Abb. 3: Frontalansicht nach Darstellung des knöchernen Defekts (links), tunnelierender Defekt nach palatinal im apikalen Bereich regio 22. Die weitgehende Destruktion
des Alveolarfortsatzes wird besonders in der okklusalen Ansicht deutlich (rechts).
Abb. 4: Augmentation in Schalentechnik nach Khoury in frontaler und okklusaler Ansicht
Abb. 5: Eingeheiltes Augmentat bei Freilegung nach
drei Monaten
Abb. 6: Positionierung zweier Implantate in korrekter prothetischer Lage
zweier Mikroosteosyntheseschrauben fixiert. Der
verbliebene Raum wurde mit dem partikulierten,
spongiösen Restanteil des Augmentats vollständig
aufgefüllt (Abb. 4). Es folgte eine Verdickung des
insuffizienten Weichgewebes mit einem subepithelialen Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen
bei spannungsfreiem mehrschichtigen Nahtverschluss. Auf die Anwendung eines Knochenersatzmaterials oder einer Membran wurde bewusst verzichtet, es kam also ein rein autologes Augmentat
zur Anwendung.
Nach einer komplikationslosen Heilungszeit von drei
Monaten wurden die Mikroosteosyntheseschrauben
entfernt. Das Knochenlager war vollständig ausgeheilt und gut durchblutet (Abb. 5) und es konnten
zwei Camlog Screw Line-Implantate mit einem
Durchmesser von 3,8 Millimetern inseriert werden
(Abb. 6). Gleichzeitig wurde ein weiteres subepitheliales Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen entnommen und eingebracht, um für die in
der prothetischen Phase geplante Ausformung des
Weichgewebes ausreichend Volumen zur Verfügung
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Abb. 7: Die Situation vor der Freilegung der
Implantate
Abb. 8: Links: Gut ausgeheiltes Weichgewebe. Rechts: Start der Ausformung des Weichgewebes durch Langzeitprovisorien. Vorübergehende Anämie der Gingiva durch Druck auf das Weichgewebe.
Abb. 9: Links: Langzeitprovisorien zu Beginn, in der Mitte nach der Ausbildung des Emergenzprofils. Rechts: Weichgewebe nach der Ausbildung des Emergenzprofils durch
die Langzeitprovisorien.
Abb. 10: Links: Ausgeformte Langzeitprovisorien mit Modellanalogen. Mitte: Negativform des Emergenzprofils in Silikon. Rechts: Abdruckpfosten in die in der Silikonform
verbliebenen Modellanaloge eingeschraubt.
zu haben. Nach einer wiederum komplikationslosen
Heilungszeit von drei Monaten war das Weichgewebe ausgereift, mit ausreichendem Volumen und
stabiler keratinisierter Gingiva (Abb. 7). Es folgten
die Freilegung der Implantate und eine Heilungsphase der Gingiva von vier Wochen. Danach war
die Gingiva genügend ausgereift, um mit der prothetischen Versorgung beginnen zu können (Abb. 8).
Prothetisches Vorgehen
Zunächst wurde laborseitig ein Schalenprovisorium
hergestellt, welches chairside auf zwei provisorische
PEEK-Implantataufbauten aufpolymerisiert wurde.
Die korrekte Positionierung der Implantate ermöglichte eine Ausführung als verblockte, palatinal
verschraubte Kronen, was das Handling in dieser
Phase sehr vereinfachte. Um ein anatomisch korrektes Emergenzprofil zu erreichen, wurden die
Provisorien basal in mehreren Behandlungssitzungen mit Flow-Komposit aufgebaut (Abb. 9).
Für die vollständige Ausreifung des Weichgewebes
war eine Zeit von sechs Monaten vorgesehen. Die
Abbildung 9 zeigt die Situation der Gingiva zu Beginn der definitiven prothetischen Phase. Die kera-
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Abb. 11: Links: Form des Emergenzprofils mit Autopolymerisat an den Abdruckpfosten ergänzt. Rechts: Aus der Silikonform entnommene,
individualisierte Abdruckpfosten.
Abb. 12: Abformung über die individualisierten Abdruckpfosten (links). Das Emergenzprofil wurde exakt auf das Meistermodell mit
elastischer Gingivamaske übertragen (rechts).
Abb. 13: Links: Einprobe der individuellen Zirkonoxidaufbauten. Rechts: Vollkeramische Kronen auf Zirkonoxidaufbauten mit
CAD/CAM-Klebebasis.
tinisierte Gingiva ist stabil und entzündungsfrei.
Zur Übertragung des Emergenzprofils auf das Modell wurden die Abdruckpfosten mit Autopolymerisat individualisiert. Dazu wurden die Langzeitprovisiorien mit Modellanalogen versehen und bis
zur maximalen Zirkumferenz der Kronen in Silikon
eingebettet. Nach der Aushärtung des Silikons wurden die Langzeitprovisorien entfernt und Abdruckpfosten in die in der Silikonform verbliebenen Modellanaloge eingeschraubt (Abb. 10). Dann wurde
an den Abdruckpfosten die Form des Emergenzprofils mit Autopolymerisat ergänzt und nach dessen
Aushärtung die Verschraubung der individualisierten Abdruckpfosten gelöst und diese aus der Silikonform entnommen (Abb. 11). Es folgte die Abformung
in offener Technik. Nach Ausgießen des Abdrucks
und Herstellung einer abnehmbaren Gingivamaske
war das Meistermodell als exakte Replik der intraoralen Situation fertiggestellt (Abb. 12).
Der definitive Zahnersatz wurde von ZTM Stefan
Picha als vollkeramische Restauration mit individuellen Zirkonoxidaufbauten auf Titanklebebasen
der Firma Camlog hergestellt (Abb. 13). Für die
anatomische Gestaltung der Abutments ist ein kor-
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Abb. 14: Definitive Versorgung klinisch und radiologisch
rekt geschaffenes Emergenzprofil entscheidend. Die
vollkeramischen Kronen (Zirkonoxid voll verblendet) wurden konventionell zementiert. Die Abbildung 14 zeigt das Behandlungsergebnis.
Diskussion
Das Fehlen des seitlichen und mittleren Schneidezahnes stellt die ästhetisch schwierigste Situation
dar, die es in der Implantologie gibt [16]. Das Fehlen eines parodontalen Stützgewebes wegen fehlender Nachbarzähne und die Ausbildung der biologischen Breite um Implantate führen in der Regel zu einem flachen interimplantären Knochenverlauf. Dadurch ist die vollständige Ausbildung
einer interimplantären Papille nur schwer vorhersagbar. In der Regel ist mit einer ästhetischen Einbuße durch einen flachen Verlauf der Papille zu
rechnen. Es wird daher aktuell diskutiert, ob in solchen Situationen das Setzen nur eines Implantats
und die Anfertigung einer Implantatkrone mit einem einseitig frei endenden Brückenglied ästhetische Vorteile bringt, da im Bereich des Brückengliedes die Ausformung einer Papille vorhersagbarer
erscheint. Unklar bleibt bis heute, ob dabei Langzeitprobleme wie die Lockerung des Implantataufbaus beziehungsweise der Ankerkrone oder eine
Überlastung des Implantats zu erwarten sind. Hierzu gibt es eine prospektive Pilotstudie von Tymstra
et al. [13]. In die Studie wurden ausschließlich Fälle
mit fehlendem seitlichen und mittleren Schneidezahn aufgenommen. In der Hälfte der Fälle wurde
ein Implantat zur Versorgung mit einer Freiendbrücke inseriert, in der anderen Hälfte wurden zwei
Implantate zur Versorgung mit Einzelkronen gesetzt. Nach einem Jahr waren in beiden Gruppen
keine Implantatverluste oder Probleme nachweisbar und die Patientenzufriedenheit war gleich hoch.
Die Autoren zogen daraus den Schluss, dass sich
der Erfolg der beiden Versorgungsformen nicht wesentlich unterscheidet.
Im vorliegenden Fall wurde zugunsten einer maximalen Langzeitstabilität eine Versorgung mit zwei
Implantaten gewählt. Entscheidend ist dabei neben
der suffizienten Hart- und Weichgewebsaugmentation die Auswahl geeigneter Implantatdurchmesser, da nach den Tarnow’schen Regeln zwischen
den Nachbarzähnen und den Implantaten ein Abstand von mindestens 1,5 und interimplantär von
mindestens 3 Millimetern eingehalten werden muss.
Durch die hier gewählten Implantatdurchmesser
von 3,8 Millimetern war beides gewährleistet. Auch
im präsentierten Fall ist die Papille zwischen 21
und 22 durch die genannten Effekte etwas flacher
als an den natürlichen Zähnen. Da die Nachbarzähne ausgedehnte vestibuläre Kompositrestaurationen aufwiesen, wäre zur Harmonisierung der
Gesamtästhetik die Eingliederung zweier Veneers
vorteilhaft gewesen. Die Patientin lehnte dies jedoch ab, da sie mit der erreichten Ästhetik sehr zufrieden ist und keinen weiteren Handlungsbedarf
sieht. Damit bestätigt der vorliegende Fall die Ergebnisse der Studiengruppe um Tymstra [13], wonach beide Versorgungsformen – ein korrektes chirurgisches und prothetisches Management vorausgesetzt – zu einer hohen Patientenzufriedenheit
führen.
Korrespondenzadresse:
Dr. Jörg-Martin Ruppin
Fachzahnarzt für Oralchirurgie
Dres. Masur, Ruppin & Kollegen
Bichler Straße 17
82377 Penzberg
[email protected]
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