52 BZB Mai 14 Wissenschaft und Fortbildung Versorgung einer Frontzahnlücke bei massivem Hart- und Weichgewebsdefizit Sichere, vorhersagbare und langzeitstabile Rehabilitation eines komplexen Falles E i n B e i t r a g v o n D r. J ö r g - M a r t i n R u p p i n , P e n z b e r g Mit zunehmendem Wissen und Verständnis über die Mechanismen der Osseointegration hat sich in der Implantologie ein Paradigmenwechsel vollzogen. Heute kann eine implantatprothetische Versorgung nur als erfolgreich bewertet werden, wenn funktionelle und ästhetische Gesichtspunkte beachtet werden. Die Ansprüche der Patienten hinsichtlich einer ästhetischen Rehabilitation sind in den vergangenen Jahren berechtigterweise deutlich gestiegen. Ein Erfolg ist dabei direkt von der nach prothetischen Gesichtspunkten gewählten Implantatposition abhängig. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von sicheren Augmentationstechniken, um prothetisch definierte Implantatpositionen chirurgisch auch umsetzen zu können. Bezüglich Sicherheit, Reproduzierbarkeit und biologischer Wertigkeit eines Implantatlagers ist die autologe Knochentransplantation allen anderen Augmentationsverfahren überlegen. Das Beherrschen techniksensitiver Augmentationen vorausgesetzt, bieten autologe Knochentransplantate eine hohe Sicherheit für den implantologischen Langzeiterfolg bei geringer Morbidität und kurzer Heilungszeit für den Patienten. Für eine ästhetische Rehabilitation ist neben dem Hart- auch das Weichgewebsmanagement entscheidend. Im vorliegenden Bericht soll exemplarisch gezeigt werden, wie ein Fall mit komplexem Hart- und Weichgewebsdefizit schrittweise, sicher, vorhersagbar und langzeitstabil rehabilitiert werden kann. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Implantologie in der Zahnheilkunde fest etabliert. Stand anfangs das Erreichen einer sicheren Osseointegration im Zentrum der Bemühungen, werden heute – dank der Zunahme des Wissens und der Weiterentwicklung chirurgischer Techniken – Erfolgsraten von 95 bis 99 Prozent erreicht [12,14]. Mit der sicheren Osseointegration hat sich der Fokus auf die Funktionalität, die Langzeitstabilität und die Ästhetik verlagert. Eine präoperative, prothetisch orientierte Planung ist dabei entscheidend. Ist das prothetische Ziel durch „Backward Planning“ de- finiert, ist es Aufgabe der Chirurgie, die geplante Implantatposition und die Grundlagen für ein stabiles Weichgewebe zu realisieren. Bedingt durch das Resorptionsmuster zahnloser Kieferabschnitte ist die transversale Verbreiterung des Kieferkammes der häufigste Eingriff in der augmentativen Chirurgie. Dies kann durch Knochenspreizung oder durch eine Auflagerungsosteoplastik erreicht werden. Die Technik der Knochenspreizung, auch als „Bone Splitting“ beziehungsweise „Bone Spreading“ bezeichnet, bei der der Kieferkamm nach krestaler Osteotomie nach bukkal aufgedehnt wird, eignet sich aufgrund der spongiösen Knochenstruktur vor allem für den Oberkiefer [11]. Das Verfahren birgt die Gefahr erheblicher postoperativer Resorptionsraten von bis zu 40 Prozent des Knochenvolumens und ist daher kritisch zu betrachten [7]. Eine höhere Sicherheit vor Resorption bieten die Auflagerungstechniken. Sie können in Form einer „Guided Bone Regeneration“ mit Membranen oder mit Titanmesh durchgeführt werden und eignen sich am ehesten für kleine periimplantäre Knochendefekte. Sie wurden sowohl mit autologem Knochen als auch mit Knochenersatzmaterialien beschrieben [1,2,14]. Grundsätzlich muss hierbei das Augmentat mit einer Barriere zum Weichgewebe hin abgedeckt werden, um eine Resorption des Augmentats zu vermeiden. Dabei wurden in der Vergangenheit hauptsächlich nicht-resorbierbare Barrieren wie GoreTex-Membranen oder Titanmesh eingesetzt. Diese bewirken einen ausreichenden Resorptionsschutz, erfordern aber zu ihrer Entfernung einen chirurgischen Zweiteingriff. Zudem bergen sie ein erhebliches Risiko von Komplikationen, die zu Infektionen und zum Verlust des Augmentats führen können [9]. Resorbierbare Membranen reduzieren dieses Risiko, es ist aber nicht geklärt, ob sie einen ausreichenden Resorptionsschutz bieten können [4]. Die Auflagerungsosteoplastik durch autologe, kortikospongiöse Knochentransplantate stellt die sicherste und komplikationsärmste Methode zur horizontalen und vertikalen Augmentation dar. Die Wissenschaft und Fortbildung BZB Mai 14 Abb. 1: Klinische Ausgangssituation von frontal und okklusal: ausgeprägtes Weich- und Hartgewebsdefizit Knochentransplantate können intraoral oder extraoral gewonnen werden. Aufgrund Knochenmenge, Knochenqualität und Entnahmemorbidität ist die Entnahme aus der Linea obliqua externa des Unterkieferwinkels oder aus der Crista iliaca externa am gebräuchlichsten. Der Unterkieferwinkel birgt bei korrekter Operationstechnik ein gutes Knochenangebot, die Risiken und die Morbidität sind gering [10]. Als Nachteil ist lediglich die zum Teil ausgeprägt kortikale Struktur des Knochens zu sehen, die zu einer nur langsamen knöchernen Durchbauung bei geringer Vitalität des Transplantates führen kann. Während für den Großteil der Augmentationen die intraorale Entnahme Goldstandard ist [10], kann bei der Notwendigkeit sehr ausgedehnter Augmentate auf die Crista iliaca ausgewichen werden. Ein Vorteil sind hier die sehr gute Qualität und Vitalität und die verfügbare Quantität des Knochens. Nachteilig sind die erhöhte Entnahmemorbidität für den Patienten und die geringe Resorptionsstabilität des Transplantates. Ein Sonderweg ist die Schalentechnik, wie sie von Khoury und Kollegen [6] beschrieben wurde. Hierbei wird versucht, die ausgezeichnete Vitalität eines Beckenkammtransplantates mit der hohen Resorptionsstabilität und geringen Entnahmemorbidität eines Kieferwinkeltransplantates zu kombinieren. Dazu wird ein kortikospongiöser Knochenspan aus dem Kieferwinkel entnommen und daraus eine dünne, rein kortikale Knochenscheibe gewonnen, die mit Mikroosteosyntheseschrauben lagestabil fixiert wird. Der zu augmentierende Bereich wird zusätzlich mit den übrigen partikulierten Knochenanteilen aufgefüllt. Dadurch wird eine schnelle und sichere knöcherne Durchbauung bei hervorragender Vitalität des Augmentats sichergestellt, während die kortikale Schale das Augmentat vor zu starker Resorption während der Heilungsphase schützt. Neben der „weißen“ Ästhetik spielt gerade im sichtbaren Bereich die „rosa“ Ästhetik eine große Rolle für den ästhetischen Gesamterfolg. Hierbei ist ein korrektes Weichgewebsmanagement von der Freilegung der Implantate, über die Ausformung mit Langzeitprovisorien bis hin zur definitiven prothetischen Versorgung notwendig. Fallbericht Anamnese und Befund Die 36-jährige Patientin, der alio loco die Zähne 21 und 22 entfernt worden waren, wurde mit der Bitte nach implantologischer Rehabilitation vorstellig. Die Allgemeinanamnese war unauffällig, sie ist Nichtraucherin. Nach Aussage der Patientin wurden in den vorangegangenen Jahren die wurzelgefüllten Zähne 21 und 22 mehrere Male reseziert beziehungsweise Zysten entfernt, was aber immer nur für einen begrenzten Zeitraum zur Beschwerdefreiheit führte. Schließlich wurden die Zähne vom Vorbehandler entfernt und eine Interimsprothese eingegliedert. Aufgrund der multiplen Voroperationen zeigte der intraorale Befund zum Zeitpunkt der Erstvorstellung bei uns einen erheblichen Hartund Weichgewebsverlust mit einem vernarbten Vestibulum (Abb. 1). Die Nachbarzähne wiesen Kompositrestaurationen auf, waren vital, klinisch fest und entzündungsfrei. Der weitere klinische und radiologische Befund war unauffällig (Abb. 2). Planung Um bei einem derart komplexen Fall die richtige Behandlungsstrategie festlegen zu können, muss zunächst eine Evaluation der Gesamtsituation erfolgen. Nur wenn der Fall in der Summe seiner ein- 53 54 BZB Mai 14 Wissenschaft und Fortbildung Abb. 2: Orthopantomogramm der Ausgangssituation zelnen Aspekte richtig bewertet wird, kann die geeignete Therapie gewählt werden. Eine Möglichkeit zur Analyse wurde von Dawson et al. [3] mit der sogenannten SAC-Klassifizierung (Straightforward – Advanced – Complex) vorgestellt. Hierbei wird nach allgemeinen, ästhetischen, chirurgischen und restaurativen Einflussfaktoren unterteilt. Gemäß dieser Klassifizierung stellten sich uns vor Therapiebeginn folgende Fragen: · Wie ist das zu erwartende Hart- und Weichgewebsangebot im Bereich der geplanten Implantationen? · Welche Implantatanzahl und -position ist sinnvoll? · Wie ist im Hinblick auf die multiplen vorangegangenen Operationen das Heilungspotenzial hinsichtlich Durchblutung und Vernarbungen im Weichgewebe? · Wie ist der Gingivatyp zu bewerten? · Wo liegt die Lachlinie der Patientin? Im vorliegenden Fall war die Gesamtsituation durch den relativ dünnen, „high scalloped“ Gingivatyp, das erhebliche Hart- und Weichgewebsdefizit, die zu erwartende kompromittierte Durchblutung und das erschwerte Weichgewebsmanagement aufgrund der Vernarbungen sowie durch die Lage der Lücke (fehlender mittlerer und seitlicher Schneidezahn) sehr komplex. Vor diesem Hintergrund wurde folgende Vorgehensweise geplant: · Autologe Augmentation mit einem kortikospongiösen Knochenspan aus dem Kieferwinkel in der von Khoury und Kollegen [6] beschriebenen Schalentechnik. Gleichzeitig Verbesserung der Weichgewebssituation durch ein subepitheliales Bindegewebstransplantat vom Gaumen. · Nach einer Heilungszeit von drei Monaten Insertion zweier Camlog Screw Line-Implantate sowie gegebenenfalls weitere Weichgewebsaugmentation, um ausreichend Volumen für die prothetische Ausformung des Weichgewebes zu erhalten. · Freilegung der Implantate nach weiteren drei Monaten. · Nach einer Heilungszeit von vier Wochen Beginn der prothetischen Rehabilitation mit einem Langzeitprovisorium zur sukzessiven Ausformung des Weichgewebes. · Nach einer insgesamt sechsmonatigen Ausformungs- und Reifungsphase des Weichgewebes Überführung der provisorischen in die definitive prothetische Versorgung. Chirurgisches Vorgehen Im ersten Eingriff erfolgte die Augmentation des Alveolarfortsatzes. Nach Bildung eines Mukoperiostlappens und Entfernung allen Granulationsgewebes zeigte sich ein ausgedehnter Defekt, der den Alveolarfortsatz fast vollständig destruiert hatte. Zusätzlich bestand apikal von 22 ein nach palatinal tunnelierender Defekt, verursacht durch eine Residualzyste (Abb. 3). Die Augmentation stand somit – wie in der Planung bereits berücksichtigt – unter kompromittierten Voraussetzungen. Eine sichere Augmentation ist jedoch auch in solchen Fällen mit der von Khoury [6] vorgestellten Schalentechnik möglich. Es wurde ein kortikospongiöser Span aus dem rechten Unterkieferwinkel entnommen. Dieser wurde in Längsrichtung in eine rein kortikale Schale mit einer Stärke von etwa zwei Millimetern und in einen spongiösen Restanteil geteilt. Die kortikale Schale wurde mithilfe Wissenschaft und Fortbildung BZB Mai 14 55 Abb. 3: Frontalansicht nach Darstellung des knöchernen Defekts (links), tunnelierender Defekt nach palatinal im apikalen Bereich regio 22. Die weitgehende Destruktion des Alveolarfortsatzes wird besonders in der okklusalen Ansicht deutlich (rechts). Abb. 4: Augmentation in Schalentechnik nach Khoury in frontaler und okklusaler Ansicht Abb. 5: Eingeheiltes Augmentat bei Freilegung nach drei Monaten Abb. 6: Positionierung zweier Implantate in korrekter prothetischer Lage zweier Mikroosteosyntheseschrauben fixiert. Der verbliebene Raum wurde mit dem partikulierten, spongiösen Restanteil des Augmentats vollständig aufgefüllt (Abb. 4). Es folgte eine Verdickung des insuffizienten Weichgewebes mit einem subepithelialen Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen bei spannungsfreiem mehrschichtigen Nahtverschluss. Auf die Anwendung eines Knochenersatzmaterials oder einer Membran wurde bewusst verzichtet, es kam also ein rein autologes Augmentat zur Anwendung. Nach einer komplikationslosen Heilungszeit von drei Monaten wurden die Mikroosteosyntheseschrauben entfernt. Das Knochenlager war vollständig ausgeheilt und gut durchblutet (Abb. 5) und es konnten zwei Camlog Screw Line-Implantate mit einem Durchmesser von 3,8 Millimetern inseriert werden (Abb. 6). Gleichzeitig wurde ein weiteres subepitheliales Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen entnommen und eingebracht, um für die in der prothetischen Phase geplante Ausformung des Weichgewebes ausreichend Volumen zur Verfügung 56 BZB Mai 14 Wissenschaft und Fortbildung Abb. 7: Die Situation vor der Freilegung der Implantate Abb. 8: Links: Gut ausgeheiltes Weichgewebe. Rechts: Start der Ausformung des Weichgewebes durch Langzeitprovisorien. Vorübergehende Anämie der Gingiva durch Druck auf das Weichgewebe. Abb. 9: Links: Langzeitprovisorien zu Beginn, in der Mitte nach der Ausbildung des Emergenzprofils. Rechts: Weichgewebe nach der Ausbildung des Emergenzprofils durch die Langzeitprovisorien. Abb. 10: Links: Ausgeformte Langzeitprovisorien mit Modellanalogen. Mitte: Negativform des Emergenzprofils in Silikon. Rechts: Abdruckpfosten in die in der Silikonform verbliebenen Modellanaloge eingeschraubt. zu haben. Nach einer wiederum komplikationslosen Heilungszeit von drei Monaten war das Weichgewebe ausgereift, mit ausreichendem Volumen und stabiler keratinisierter Gingiva (Abb. 7). Es folgten die Freilegung der Implantate und eine Heilungsphase der Gingiva von vier Wochen. Danach war die Gingiva genügend ausgereift, um mit der prothetischen Versorgung beginnen zu können (Abb. 8). Prothetisches Vorgehen Zunächst wurde laborseitig ein Schalenprovisorium hergestellt, welches chairside auf zwei provisorische PEEK-Implantataufbauten aufpolymerisiert wurde. Die korrekte Positionierung der Implantate ermöglichte eine Ausführung als verblockte, palatinal verschraubte Kronen, was das Handling in dieser Phase sehr vereinfachte. Um ein anatomisch korrektes Emergenzprofil zu erreichen, wurden die Provisorien basal in mehreren Behandlungssitzungen mit Flow-Komposit aufgebaut (Abb. 9). Für die vollständige Ausreifung des Weichgewebes war eine Zeit von sechs Monaten vorgesehen. Die Abbildung 9 zeigt die Situation der Gingiva zu Beginn der definitiven prothetischen Phase. Die kera- Wissenschaft und Fortbildung BZB Mai 14 Abb. 11: Links: Form des Emergenzprofils mit Autopolymerisat an den Abdruckpfosten ergänzt. Rechts: Aus der Silikonform entnommene, individualisierte Abdruckpfosten. Abb. 12: Abformung über die individualisierten Abdruckpfosten (links). Das Emergenzprofil wurde exakt auf das Meistermodell mit elastischer Gingivamaske übertragen (rechts). Abb. 13: Links: Einprobe der individuellen Zirkonoxidaufbauten. Rechts: Vollkeramische Kronen auf Zirkonoxidaufbauten mit CAD/CAM-Klebebasis. tinisierte Gingiva ist stabil und entzündungsfrei. Zur Übertragung des Emergenzprofils auf das Modell wurden die Abdruckpfosten mit Autopolymerisat individualisiert. Dazu wurden die Langzeitprovisiorien mit Modellanalogen versehen und bis zur maximalen Zirkumferenz der Kronen in Silikon eingebettet. Nach der Aushärtung des Silikons wurden die Langzeitprovisorien entfernt und Abdruckpfosten in die in der Silikonform verbliebenen Modellanaloge eingeschraubt (Abb. 10). Dann wurde an den Abdruckpfosten die Form des Emergenzprofils mit Autopolymerisat ergänzt und nach dessen Aushärtung die Verschraubung der individualisierten Abdruckpfosten gelöst und diese aus der Silikonform entnommen (Abb. 11). Es folgte die Abformung in offener Technik. Nach Ausgießen des Abdrucks und Herstellung einer abnehmbaren Gingivamaske war das Meistermodell als exakte Replik der intraoralen Situation fertiggestellt (Abb. 12). Der definitive Zahnersatz wurde von ZTM Stefan Picha als vollkeramische Restauration mit individuellen Zirkonoxidaufbauten auf Titanklebebasen der Firma Camlog hergestellt (Abb. 13). Für die anatomische Gestaltung der Abutments ist ein kor- 57 58 BZB Mai 14 Wissenschaft und Fortbildung Abb. 14: Definitive Versorgung klinisch und radiologisch rekt geschaffenes Emergenzprofil entscheidend. Die vollkeramischen Kronen (Zirkonoxid voll verblendet) wurden konventionell zementiert. Die Abbildung 14 zeigt das Behandlungsergebnis. Diskussion Das Fehlen des seitlichen und mittleren Schneidezahnes stellt die ästhetisch schwierigste Situation dar, die es in der Implantologie gibt [16]. Das Fehlen eines parodontalen Stützgewebes wegen fehlender Nachbarzähne und die Ausbildung der biologischen Breite um Implantate führen in der Regel zu einem flachen interimplantären Knochenverlauf. Dadurch ist die vollständige Ausbildung einer interimplantären Papille nur schwer vorhersagbar. In der Regel ist mit einer ästhetischen Einbuße durch einen flachen Verlauf der Papille zu rechnen. Es wird daher aktuell diskutiert, ob in solchen Situationen das Setzen nur eines Implantats und die Anfertigung einer Implantatkrone mit einem einseitig frei endenden Brückenglied ästhetische Vorteile bringt, da im Bereich des Brückengliedes die Ausformung einer Papille vorhersagbarer erscheint. Unklar bleibt bis heute, ob dabei Langzeitprobleme wie die Lockerung des Implantataufbaus beziehungsweise der Ankerkrone oder eine Überlastung des Implantats zu erwarten sind. Hierzu gibt es eine prospektive Pilotstudie von Tymstra et al. [13]. In die Studie wurden ausschließlich Fälle mit fehlendem seitlichen und mittleren Schneidezahn aufgenommen. In der Hälfte der Fälle wurde ein Implantat zur Versorgung mit einer Freiendbrücke inseriert, in der anderen Hälfte wurden zwei Implantate zur Versorgung mit Einzelkronen gesetzt. Nach einem Jahr waren in beiden Gruppen keine Implantatverluste oder Probleme nachweisbar und die Patientenzufriedenheit war gleich hoch. Die Autoren zogen daraus den Schluss, dass sich der Erfolg der beiden Versorgungsformen nicht wesentlich unterscheidet. Im vorliegenden Fall wurde zugunsten einer maximalen Langzeitstabilität eine Versorgung mit zwei Implantaten gewählt. Entscheidend ist dabei neben der suffizienten Hart- und Weichgewebsaugmentation die Auswahl geeigneter Implantatdurchmesser, da nach den Tarnow’schen Regeln zwischen den Nachbarzähnen und den Implantaten ein Abstand von mindestens 1,5 und interimplantär von mindestens 3 Millimetern eingehalten werden muss. Durch die hier gewählten Implantatdurchmesser von 3,8 Millimetern war beides gewährleistet. Auch im präsentierten Fall ist die Papille zwischen 21 und 22 durch die genannten Effekte etwas flacher als an den natürlichen Zähnen. Da die Nachbarzähne ausgedehnte vestibuläre Kompositrestaurationen aufwiesen, wäre zur Harmonisierung der Gesamtästhetik die Eingliederung zweier Veneers vorteilhaft gewesen. Die Patientin lehnte dies jedoch ab, da sie mit der erreichten Ästhetik sehr zufrieden ist und keinen weiteren Handlungsbedarf sieht. Damit bestätigt der vorliegende Fall die Ergebnisse der Studiengruppe um Tymstra [13], wonach beide Versorgungsformen – ein korrektes chirurgisches und prothetisches Management vorausgesetzt – zu einer hohen Patientenzufriedenheit führen. Korrespondenzadresse: Dr. Jörg-Martin Ruppin Fachzahnarzt für Oralchirurgie Dres. Masur, Ruppin & Kollegen Bichler Straße 17 82377 Penzberg [email protected] Literatur beim Verfasser