KLINISCHE PHARMAKOLOGIE ENTWICKLUNG ANALYTISCHER

Werbung
KLINISCHE PHARMAKOLOGIE
ENTWICKLUNG ANALYTISCHER VERFAHREN
Prof. Dr. J. Boos, Dr. rer. nat. G. Hempel
Die Bestimmungen der Krebsmedikamente im Blut geben darüber Auskunft, ob die Zytostatika
bei dem jeweiligen Patienten in wirksamen und verträglichen Konzentrationen verabreicht
wurden. Systematische Untersuchungen der Blutspiegel von Zytostatika sind daher
unverzichtbar, wenn es darum geht, die optimale Dosierung eines Zytostatikums für Kinder zu
finden.
Um diese Untersuchungen bei Kindern, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern
durchführen zu können, sind empfindliche Analysenmethoden/Verfahren nötig, die es
ermöglichen, die Zytostatika aus einem möglichst geringen Blutvolumen zu bestimmen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Bereichs Klinische Pharmakologie beschäftigt sich daher mit
Entwicklung derartiger analytischer Verfahren.
Ausgewählte Literatur:
Zur
Durchführung
des
Pharmakokinetik/
Pharmakodynamik und Drug Monitoring ist die
Entwicklung geeigneter analytischer Verfahren
und die Etablierung ihrer routinemäßigen
Durchführung im klinisch pharmakologischen
Labor notwendig.
Die Entwicklung neuer Methoden findet in enger
Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe Klinische
Pharmakologie
mit
dem
Institut
für
Pharmazeutische Chemie der Westfälischen
Wilhelms-Universität in Münster statt.
So
können
neben
dem
umfassenden
methodischen Know-how auch die technischen
Ressourcen des Instituts für Pharmazeutische
Chemie von der Klinischen Chemie genutzt
werden.
Ziel der Zusammenarbeit ist die Etablierung und
Nutzung innovativer, leistungsfähiger Methoden,
die nur einen Bruchteil der sonst üblichen
Probenvolumina benötigen.
Zu diesen Methoden gehören die Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatographie (HPLC)
(Abb.1), die Gaschromatographie (GC) und seit
einigen Jahren auch die Kapillarelektrophorese
(CE).
Insbesondere
die
Anwendbarkeit
der
Kapillarelektrophorese
im
Bereich
der
Pädiatrischen Onkologie ist Gegenstand
intensiver Forschung, da diese Methode die
Möglichkeit bietet, die Belastung der Kinder
durch die Entnahme größerer Blutvolumina
erheblich zu reduzieren.
Da bei diesem Verfahren die Analyse der
Substanzen in einer Glaskapillare mit einem
geringen Innendurchmessers (Abb.2) erfolgt,
sind theoretisch nur wenige Nanoliter ( 1
Nanoliter = 1/1000000000 Liter) Probe für eine
Messung notwendig.
Abb.1: Gerät zur Hochleistung-Flüssigkeits-Chromatographie (HPLC-Analge)
Hempel G, Lehmkuhl D, Krümpelmann S,
Blaschke G, Boos J: Determination of Paclitaxel
(Taxol ) in biological fluids by Micellar
Electrokinetic Chromatography (MEKC).
J Chromatogr A 745:173-179; 1996
Hempel G, Schulze Westhoff P, Flege S, Laubrock
N, Boos J. Therapeutic drug monitoring of
doxorubicin in paediatric oncology using capillary
electrophoresis. Electrophoresis 19: 2939-2943;
1998
Sczesny F, Hempel G, Boos J, Blaschke G.
Capillary electrophoretic drug monitoring of
methotrexate and leucovorin and their metabolites.
J Chromatogr B 718:177-85; 1998
Olgemöller J, Hempel G, Boos J, Blaschke G:
Determination
of
(E)-5-(2-bromovinyl)-2‘deoxyuridine in plasma and urine by capillary
electrophoresis.
J Chromatogr B 726, 261-268; 1999
30
Methotrexat wird in der klinischen Routine mit
einem Immunoassy bestimmt, der jedoch nicht
in der Lage ist, zwischen Methotrexat und
seinen Metaboliten zu unterscheiden. Um die
Bedeutung der Metaboliten für die Therapie zu
bestimmen wurde eine schnelle und einfache
CE-Methode entwickelt.
Weitere Projekte beschäftigen sich mit
Supportiva wie dem Virustatikum Brivudin, dem
Analgetikum
Paracetamol
und
dem
Immunsuppressivum Mycofenolat Mofetil.
Abb.2: Zentrales Element der Kapillarelektrophorese.
Zur Analyse in diesem System sind nur wenige
Nanoliter Probenvolumen nötig.
Die Kapillarelektrophorese konnte zum ersten
Mal für die routinemäßige Bestimmung von
Zytostatika in biologischen Proben im klinischen
Labor etabliert werden. Die Belastung für die
Patienten wurde durch das geringere erforderliche Probenvolumen deutlich reduziert.
Im folgenden sind exemplarisch einige der
Methoden aufgeführt, die in Kooperation mit
dem Institut für Pharmazeutische Chemie
entwickelt und mittlerweile zum Drug-Monitoring
in der Pädiatrischen Onkologie routinemäßig
eingesetzt werden.
Durch
die
Kombination
von
Kapillarelektrophorese und moderner Laserdetektion
wurden Methoden entwickelt werden, mit denen
die Krebsmedikamente aus der Gruppe der
Anthracycline in weniger als 100 µl Blut
bestimmt werden können.
Für Doxorubicin wurde das erforderliche Probenvolumen für eine Bestimmung auf 10 µl
gegenüber 1,5 ml reduziert (Abb.3). Dieses
Verfahren ermöglicht die systematische Bestimmung der Maximalkonzentrationen von
Doxorubicin bei allen Kindern, um die Bedeutung dieses Parameters für die Kardiotoxizität
der Therapie abzuschätzen. Aus den Ergebnissen der Untersuchungen werden Vorschläge
für
weniger
toxische
Therapie-schemata
erarbeitet.
Folgende im Bereich der pädiatrischen Onkologie
relevanten Arzneistoffe und ihre wichtigsten
Metabolite
können
derzeit
routinemäßig
analysiert werden:
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
Abb.3:Benötigte Blutvolumina im Vergleich
Desweiteren wurden für die Zytostatika
Idarubicin,
Daunorubicin,
Paclitaxel
und
Methotrexat Bestimmungsverfahren mit der CE
entwickelt und nach den allgemein anerkannten
Kriterien für bioanalytische Methoden validiert.
31
Asparaginase
Asparagin
Busulfan
(in Kooperation mit der Universität Dresden)
Cyclophosphamid
Ifosfamid
Trofosfamid
Methotrexat
Thioguanin
6-Mercaptopurin
Taxol
Idarubicin
Daunorubicin
Doxorubicin
Epirubicin
Etoposid, Etoposidphosphat
Vincristin
Cisplatin, Carboplatin
(in Kooperation mit der Universität Bonn)
Cytosinarabinosid
all-trans-Retinsäure
13-cis-Retinsäure
Vitamin A
Paracetamol
Sulfamethoxazol
KLINISCHE PHARMAKOLOGIE
EXPERIMENTELLE UND MOLEKULARE PHARMAKOLOGIE
Prof. Dr. J. Boos, Dr. C. Lanvers
Ein weiterer Schwerpunkt der klinischen Pharmakologie beschäftigt sich mit der Wirkung der
Zytostatika auf Tumorzellen.
Diese Untersuchungen werden nicht am Menschen sondern an Modellsystemen (in vitro, d.h. an
Tumorzellen außerhalb des Körpers) durchgeführt und ermöglichen neue Erkenntnisse darüber, wie
die Tumorzellen auf die Zytostatika reagieren und wie sie sich unter Umständen gegen die
Medikamente wehren.
Im weiteren werden an den Tumorzellen in vitro neue Substanzen bzw. neue Zytostatikakombinationen auf ihre Wirksamkeit bei der Behandlung kindlicher Tumore untersucht.
Die experimentelle Pharmakologie liefert damit grundlegende Kenntnisse, die im weiteren zur
Optimierung bestehender und zur Entwicklung neuer Therapieschemata dienen.
Brit J Haematol in press
Abb.1: Tumorzellen im Blut eines
Kindes mit akuter Leukämie - vor
Durchführung der in-vitro
Untersuchungen
Ausgewählte Literatur:
Wagner A, Boos J: Unphysiological Effects contributing
to Asparagi-nase Toxicity in vitro
Am J Physiol: Cell Physiol , 274(4), 1185; 1998 (Letter)
Lanvers C, Hempel G, Blaschke G, Boos J. Chemically
induced isomerization and differential uptake
modulate retinoic acid disposition in HL-60 cells.
FASEB J 12:1627-33; 1998
Freund A, Rössig C, Lanvers C, Gescher A,
Hohenlöchter B, Jürgens H, Boos J: All-trans-retinoic
acid increases cytosine arabinoside cytotoxicity in HL60 human leukemia cells in spite of decreased
cellular ara-CTP accumulation.
Annals of Oncology 10: 335-338; 1999
May-Manke A, Kroemer H, Bohnenstengel F, Hempel
G, Hohenlöchter B, Blaschke G, Boos J: Identification
of the major human hepatic cytochrome P450 involved
in 4-hydroxylation and N-dechloroethylation of
trofosfamide.
Cancer Chemother Pharmacol 44: 327-334; 1999
Dübbers A, Würthwein G, Müller HJ, Schulze-Westhoff
P, Winkelhorst M, Kurzknabe E, Lanvers C, Pieters R,
Kaspers GJL, Creutzig U, Ritter J, Boos J: Asparagine
Synthetase Activity in Pediatric Acute Leukemias: AMLM5 Subtype Shows Lowest Activity.
32
Aufgrund seiner erfolgreichen Testung an Zelllinien
Untersuchungen
pharmakologischer
Wirkprinzipien
Ziel der Behandlung mit Zytostatika ist es, die
Tumorzellen irreversibel zu schädigen und damit
das Absterben der Tumorzellen herbeizuführen. Bei
dieser Form des Zelltods (Apoptose) handelt es
sich um einen geordneten und genetisch
kontrollierten Prozeß. Obwohl mittlerweile eine
Reihe von Mechanismen bekannt sind, die in den
Tumorzellen nach der Einwirkung von Zytostatika
aktiviert werden, ist ein Großteil dieser Vorgänge
noch weitgehend unbekannt.
Ein Projekt beschäftigt sich daher mit der
Identifizierung neuer Signalwege, die bei der
Weiterleitung der Zytostatika-induzierten Schäden
und der Apoptoseinduktion in Tumorzellen eine
Rolle spielen.
In Abhängigkeit von der Art des Tumors
unterscheiden sich die Tumorzellen in ihrer
Sensibilität
gegenüber
den
verschiedenen
Zytostatika. Während einige Tumorarten durch ein
Zytostatikum schnell und effizient abgetötet
werden, zeigen sich andere Tumore gegenüber
diesem Zytostatikum unempfindlich (resistent).
Ein zentrales Zytostatikum bei der Behandlung der
akuten lymphatischen Leukämie (ALL) ist das
Medikament Asparaginase. Dieses Medikament
verhindert die Versorgung der Tumorzellen mit
einem
lebensnotwendigen
Nährstoff,
der
Aminosäure Asparagin. Tumorzellen, die selbst
kein Asparagin bilden können, sterben unter der
Asparaginase Behandlung. Die Fähigkeit Asparagin
zu bilden ist somit ein entscheidendes Kriterium für
die Empfindlichkeit der Tumorzellen gegenüber der
Asparaginase-Behandlung.
In Untersuchungen an Leukämiezellen konnten wir
zeigen, dass auch bestimmte Leukämieformen, die
bislang pauschal als Asparaginase unempfindlich
eingestuft wurden, nur geringe Mengen Asparagin
bilden können. Eine Behandlung mit Asparaginase
könnte bei diesen Leukämieformen daher durchaus
von Nutzen sein.
Die Wirksamkeit der Asparaginase wird derzeit bei
Patienten mit einer dieser Leukämieformen, der
akuten myeloischen Leukämie AML-M5 klinisch
geprüft.
von Ewing Tumoren gehört das Taxol zu den neuen
Zytostatika, bei denen eine klinische Prüfung bei
Ewing Tumoren sinnvoll erscheint.
Pharmakologische Interaktionen
Das Zytostatikum Cytosinarabinosid ist ein
unverzichtbarer Bestandteil bei der Behandlung
akuter
myeloisch
Abb.3: Zytostatika-Toxizitätstestung an Tumorzellen. Je
er
geringer die Färbung desto effektiver das Zytostatikum
Leukämien
. Voraussetzung für seine Wirksamkeit ist die
Umsetzung des Cytosinarabinosids in den
Tumorzellen zum toxischen Triphosphat. So konnte
gezeigt
werden,
dass
die
Bildung
des
Triphosphates
mit
dem
Behandlungserfolg
korreliert. Die Bildung des Triphosphates und damit
die Effektivität des Cytosinarabinosids läßt sich
durch Substanzen, die die Signaltransduktion in
den Tumorzellen beeinflussen, sowie durch die
Zytostatika Fludarabin, Cladribin und Hydroxyurea
steigern. Derartige Kombinationen eröffnen neue
therapeutische Möglichkeiten, insbesondere in den
Fällen, die nur unzureichend auf die Behandlung
ansprechen.
Zytostatika Nebenwirkungen
In Anbetracht der Tatsache, dass ca. 70% der
Tumore im Kindesalter dauerhaft geheilt werden
können,
besteht
ein
weiterer
wichtiger
Forschungsschwerpunkt
der
experimentellen
Pharmakologie
in
der
Erforschung
substanzspezifischer Zytostatikanebenwirkungen.
Dazu gehören unter anderem die Schädigung des
Herzmuskels durch Anthrazykline wie auch die
Beeinträchtigung des Hörvermögens durch das
Zytostatikum Cisplatin.
Ein Projekt, welches in Kooperation mit dem
Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie (Leitung:
Frau Prof. Dr. A. Lamprecht-Dinnesen) und dem
Institut für Humangenetik (Leitung: Prof. Dr. J.
Testung neuer Zytostatika
Neben
der
Optimierung
bisheriger
Behandlungsstrategien durch neue Erkenntnisse
pharmakologischer Zusammenhänge kommt der invitro Testung neuer Zytostatika auf ihre
Wirksamkeit bei der Behandlung pädiatrischer
Tumore besondere Bedeutung zu. Mit Hilfe der invitro
Testungen
können
Substanzen
und
Substanzkombinationen mit potentiellen therapeutischem Wert identifiziert und für neue
Behandlungsstrategien evaluiert werden.
33
Abb.3: Durchführung von in-vitro
Horst) der Universitätskliniken Münster durchgeführt
wird, beschäftigt sich daher mit der Identifizierung
von Risikofaktoren, die dafür verantwortlich sind,
dass einige Patienten bereits nach geringen
Cisplatindosen Hörverluste erleiden. Die Kenntnis
von Risikofaktoren kann zukünftig dazu beitragen,
Patienten mit einem erhöhten Risiko im Vorfeld der
Behandlung zu identifizieren und Risiko-adaptiert
zu behandeln.
Beurteilung von in-vitro Effekten
In-vitro Untersuchungsmethoden haben mitt-lerweile
einen immer größeren Stellenwert bei der
Einführung neuer Substanzen zur Behandlung von
Tumoren und bei der Entwicklung neuer
Therapiekonzepte erhalten.
Da diese Systeme aber auch anfällig für Störungen
sind, werden gleichzeitig auch modellbedingte
Parameter untersucht, die bei der Bewertung der
Ergebnisse berücksichtigt werden müssen, um
falsche Rückschlüsse zu vermeiden.
34
KLINISCHE PHARMAKOLOGIE
ZENTRUM FÜR KOOPERATIVE ARZNEIMITTELPRÜFUNG
Prof. Dr. Joachim Boos
Die Behandlung von Kindern mit bösartigen Erkrankungen erfordert auch den Einsatz von
Medikamenten, die für die Altersklassen oder Erkrankungen nicht von den Behörden
zugelassen sind. Über das Zentrum für Kooperative Arzneimittelprüfung wird versucht, die
Ursachen zu analysieren und an der Behebung dieses Mißstandes zu arbeiten.
Das zentrale Mittel zu diesem Zweck ist ein runder Tisch aller relevanten gesellschaftlichen
Gruppen und Institutionen in Arzneimittelfragen.
Die Gründe dafür sind vielschichtig:
Krebserkrankungen im Kindesalter sind mit ca.
2000-3000 pro Jahr selten. Jede der wichtigen
Krebserkrankungen des Erwachsenen wie
Brust-, Lungen- oder Darmkrebs kommen mehr
als 10mal häufiger vor.
Hinzu kommt, dass nach Hinweisen auf eine
Wirkung im Zellkultursystem und entsprechenden Tierversuchen die klinische Arzneimittelprüfung am Menschen die Voraussetzung für
eine Zulassung ist.
Dies bedeutet, dass bestimmte Gruppen von
Patienten das Arzneimittel unter streng kontrollierten Bedingungen und genauer Beobachtung
angeboten bekommen. Entsprechende Arzneimittelprüfungen werden für Kinder durch
spezielle gesetzliche Auflagen erschwert. Für
Kinder müßten zudem z.T. extra Tabletten oder
Ampullen hergestellt werden und es müßten
verschiedene Altersklassen berücksichtigt werden.
Eine Vielzahl von Richtlinien sind in den letzten
Jahren zusätzlich entstanden, die bei derartigen
Medikamentenstudien zu beachten sind. Diese
werden von den zuständigen Aufsichtsbehörden
überwacht.
Ausgewählte Publikationen
Boos J: Drug trials in paediatric oncology: a
multi-facetted problem. Int J Clin Pharm Ther
36:613-620; 1998
Breitkreuz J, Wessel T, Boos J: Dosage
forms for peroral drug administration to
children. Paediatric and Perinatal Drug
Therapy. 3:25-33; 1999
Zur Information auch:
Focus 17:170; 1999
Die Zeit 22: 41-42; 1999
Der Spiegel 23: 208-212; 1999
In Deutschland muß, wie überall auf der Welt,
ein Medikament von den Behörden, hier dem
Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die in Frage kommenden
Erkrankungen und Patientengruppen zugelassen werden. Die Zulassung beantragt der
Hersteller, der dazu den Beweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erbringen muß.
Dieses System entstand als Folge der großen
Arzneimittelzwischenfälle wie z.B. mit dem
Contergan und soll der Sicherheit des Verbrauchers dienen, ihm gute Medikamente garantieren.
Schätzungsweise
80%
der
Arzneimittel-
Nicht für die Dosis eines Säuglings
vorbereitet: Herstellung von Kapseln mit 1/50
einer „normalen“ Tablette (links) ?
behandlungen bei Kindern erfolgen allerdings
ohne entsprechende Zulassung. Oft enthält die
Gebrauchsanweisung sogar einen Warnhinweis.
Neue Krebsmedikamente: welche wirken auch bei
kindlichen Tumoren??
35
36
Patienten, Ärzte, Arzneimittelhersteller, Krankenversicherungen, Juristen, Aufsichtsbehörden,
Politiker alle haben mit der Frage der
Arzneimittelprüfung und der Arzneimittelsicherheit zu tun. Alle haben ganz spezielle
Aufgaben in der Organisation der Versorgung
Kranker mit Medikamenten und daraus abgeleitet spezielle Sichtweisen des Problems.
Alle sind in ihrer Position gut zu verstehen.
Unternehmen müssen wirtschaftlich denken,
Zulassungsbehörden auf Recht und Qualität
achten, Aufsichtsbehörden auf Einhaltung der
Richtlinien. Ärzte möchten und müssen behandeln, die Patienten und Kinder hoffen auf
wirksame Medikamente, die ihnen helfen
können, und die Krankenkassen haben darauf
Industrie über Aufsichtsbehörden, Juristen,
Ethikkommission,
Ärzte,
Elternvertreter,
Grundlagenforscher und andere regelmäßig
zusammenarbeiten.
Neue Behandlungsmöglichkeiten und Vorschläge werden in diesem Gremium besprochen
und die möglichen Umsetzungen in einer
klinischen Arzneimittelstudie diskutiert. Das
oberste Ziel ist dabei, für die zu behandelnden
Kinder ein gutes, vielversprechendes Angebot
aufzustellen und gleichzeitig den Erfahrungsgewinn so gut es geht zu organisieren.
Sowohl die Auswahl der zu prüfenden Fragestellungen als auch die optimale Durchführung
sind Aufgaben des Zentrum. Dabei versteht es
sich in erster Linie als Hilfs- und Beratungseinrichtung. Ärzte aus
anderen Kliniken können
Konzept: Kooperation, Transparenz, Ergebnisqualität
so auch erhebliche Hilfen
zur
Umsetzung
ihrer
GPOH-Therapiestudiengruppen
Ideen
bekommen.
Europ. Studiengruppen
Präklinische Testung
Derzeit haben 15 Kliniken
Fragestellungen
Internistische Onkologie
Tumormaterial
aus der Gesellschaft für
Auftragsforschungsunternehmen
Zelllinien etc.
Pädiatrische Hämatologie
Pharmaindustrie
Individueller Heilversuch
und
Onkologie
ihre
Fachgesellschaften
Prioritäten?
Zentrum für kooperative
Bereitschaft zur Mitarbeit
Beratung
Arzneimittelprüfungen
Aufsichtsbehörden
erklärt.
Dokumentation
Ethikkommission
Neue Substanzen können
Planung,
Juristen
so auf breiter Basis,
Abstimmung,
Patienten
Organisation
fachlich
qualifizierter
Klinische Prüfung
würden Sie sich BITTE beeilen!
Auswertung
Grundlage und in AbWeiterbildung
stimmung
mit
KranQualitätssicherung
kenkassen,
Behörden
Zulassung
und
anderen
Kooperatoren auf ihren Nutzen
für Kinder und ihre seltezu achten, dass nicht nur das Prinzip Hoffnung
nen Tumorarten geprüft werden.
teuer bezahlt werden muß.
Auf diese Weise ist es auch möglich, in enger
Auch die meisten Kinder, denen die bekannten
Kooperation mit europäischen Studiengruppen
Therapieschemata letztlich nicht haben helfen
und pharmazeutischen Unternehmen ganz neue
können, möchten neue, alternative oder expeMedikamente einzusetzen, die noch gar nicht
rimentelle Therapieansätze versuchen.
im Handel sind.
Diese einfach einzusetzen, wäre möglich. Ob
Für die betroffenen Patienten ergibt sich die
das Medikament aber dann geringradig geholfen
Möglichkeit, evtl. Jahre vor der Zulassung von
hat oder evtl. neben hohen Kosten auch noch
neuen Entwicklungen zu profitieren.
Verschlechterungen verursacht, wird immer
offen bleiben.
Da dieser Forschungsbereich ein wissenschaftlich, juristisch, ethisch sehr sensibles
Die Lösung heißt daher kooperative ArzneiFeld darstellt, ist die methodische Weitermittelprüfung:
entwicklung eines der Ziele des Zentrums. Im
Vordergrund steht neben der Hoffnung auf die
Das Zentrum für kooperative Arzneimittelprüfung
Eröffnung von neuen Heilungsperspektiven vor
hat das Ziel, den gesamten Prozess der
allem aber das Bestreben, diese Arbeit
Arzneimittelentwicklung für Kinder zu bekooperativ, transparent und effektiv zu gestalten.
schleunigen. Hierzu wurde eine Kooperation im
Sinne eines runden Tisches etabliert, in der alle
gesellschaftlichen
Gruppen
von
der
37
LEUKÄMIE- UND STAMMZELLFORSCHUNG
Dr. med. Josef Vormoor, Dr. med. Margit Baumann, Dr. rer. nat. Marc Hotfilder
Akute Lymphatische Leukämie (ALL) Zellen
Die
Arbeitsgruppe
Stammund
Leukämiezellforschung beschäftigt sich mit
der Erforschung grundlegender Fragen zur
blutbildenden Stammzelle und Entstehung
von Leukämien. Ein weiterer Schwerpunkt
liegt in der Entwicklung von klinischen
Protokollen zur Aufreinigung gesunder
Stammzellen (Stammzellpurging) und zur
Stammzellgentherapie.
Normale und leukämische Stammzellen bei
der akuten lymphatischen Leukämie im
Kindesalter
Alle reifen Zellen des Blutes stammen von einer
kleinen Gruppe sog. blutbildender Stammzellen
ab. Bedingt durch die relativ kurze Lebensdauer
der reifen Blutzellen (Tage – Wochen) müssen
diese kontinuierlich von den Stammzellen neu
gebildet werden. Dieser Prozess der Neubildung
wird als Differenzierung bezeichnet. Leukämien
sind dadurch gekennzeichnet, dass der Prozess
der Differenzierung an einem bestimmten
Reifungsstadium gestoppt ist und es bei
gleichzeitiger ungebremster Proliferation der
leukämischen Zellen zur Anreicherung unreifer
Blutzellen
(Blasten)
kommt.
Ziel
der
Untersuchungen ist es herauszufinden, auf
welche
Ebene
der
Differenzierung
die
leukämische Transformation stattfindet, und, ob
es möglich ist residuale gesunde Stammzellen
von den leukämischen Blasten abzutrennen. Die
klinische Bedeutung der letzteren Frage liegt in
der
Möglichkeit
gesunde
blutbildende
Stammzellen für die autologe Transplantation
aufzureinigen (Stammzellpurging).
Ausgewählte Literatur
Vormoor, J., Lapidot, T., Pflumio, F., Risdon, G.,
Patterson, B., Broxmeyer H.E., Dick, J.E.: Immature
human cord blood progenitors engraft and
proliferate to high level in immune-deficient SCID
mice. Blood 83: 2489-2497, 1994.
Larochelle, A.*, Vormoor, J.*, Hahnenberg, H.,
Wang, J.C.Y., Bhatia, M., Lapidot, T., Moritz, T.,
Murdoch, B., Xiao, X.L., Kato, I., Williams, D.A., Dick,
J.E.: Identification of primitive human
hematopoietic cells capable of repopulating
NOD/SCID mice using retroviral gene marking and
cell purification: implications for gene therapy. Nat.
Med. 2:1329-1337, 1996 (*gemeinsame
Erstautoren)
Vormoor, J., Baersch, G., Baumann, M., Ritter, J.,
Jürgens, H.: Flow cytometric identification of
candidate normal stem cell populations in CD45negative B-cell precursor acute lymphoblastic
leukaemia. Br. J. Haematol. 100:501-508, 1998.
Leukämien bei Kindern mit Trisomie 21
Kinder mit einer Trisomie 21 (Down-Syndrom)
haben ein hohes Risiko an der sonst sehr selten
auftretenden
akuten
megakaryozytären
Leukämie (AML M7) zu erkranken. Im Gegensatz zu Kindern ohne Trisomie 21 sind die
Heilungschancen dieser Leukämie bei diesen
Kindern sehr gut. Darüberhinaus können Neugeborene mit einer Trisomie 21 an einer sog.
transienten Myeloproliferation erkranken, die
Hotfilder, M., Baxendale, S., Cross, M.A., Sablitzky,
F.: Def-2, -3, -6 and –8, novel mouse genes
differentially expressed in the haemopoietic
system. Br. J. Haematol. 106: 335 – 344, 1999.
Baersch, G., Baumann, M., Ritter, J., Jürgens, H.,
Vormoor, J.: Expression of AC133 and CD117 on
candidate normal stem cell populations in
childhood B-cell precursor acute lymphocytic
leukaemia. Br. J. Haematol. 107:572-80, 1999.
38
Differenzierung der blutbildenden Stammzelle in die reifen Zellen des Bluts
Blutbildende Stammzelle
Stammzellen
Myeloide Stammzelle
Lymphatische Stammzelle
Vorläuferzellene
Myeloblast
Monoblast
Erythroblast
Megkaryoblast
Prä-B-Zelle
ProT-Zelle
reife Blutzellen
basophiler
neutrophiler
Granulozyt
eosinophiler
Makrophage
Erythrozyt
Megakaryozyt
klinisch wie zytologisch nicht von einer echten
Leukämie zu unterscheiden ist. In der Regel
bildet sich die transiente Myeloproliferation
meist innerhalb weniger Wochen ohne
Chemotherapie zurück.
Ziel der Untersuchungen ist es herauszufinden,
welche Rolle die Trisomie 21 bei der Entstehung
der transienten Myeloproliferation und der
ansonsten sehr seltenen megakaryozytären
Leukämie spielt.
B-Zelle
T-Zelle
Stammzellen
eingeschleust.
In
einem
vorklinischen Testsystem wird die Effektivität
dieser Methode getestet
Core Facility – Zellsortierung
Im Rahmen des Aufbaus des interdisziplinären
Knochenmarktransplantationszentrums konnte
mit finanzieller Unterstützung der Deutschen
Krebshilfe eine zentrale Einrichtung zur Analyse
und Aufreinigung seltener Zellen im Blut und
Knochenmark aufgebaut werden. Diese steht
allen
Wissenschaftlern
des
Transplantationszentrums zur Verfügung.
Stammzellgentherapie – Neue Ansätze zur
Tumorbehandlung
Die
Bekämpfung
von
Tumoren
mittels
Chemotherapie
hat
u.a.
schädliche
Nebenwirkungen auf die Blutbildung. Damit sind
die
verwendeten
Zytostatika
bzgl.
Anwendungsdosis und -dauer nur beschränkt
einsetzbar.
Eine
Möglichkeit
die
Nebenwirkungen zu vermindern, besteht darin,
dem Krebspatienten blutbildende Stammzellen
zu transplantieren, die resistent sind gegen die
Wirkung der Zytostatika und damit eine
kontinuierliche Blutbildung auch während der
Chemotherapie
gewährleisten.
Bei
der
Gentherapie werden mit Hilfe retroviraler
Vektoren Resistenzgene in die blutbildenden
Der Zellsortierer (FACS-Gerät)
39
40
Herunterladen