Arzneimitteltherapie Internist 2006 · 47:434–440 DOI 10.1007/s00108-006-1580-4 Online publiziert: 8. März 2006 © Springer Medizin Verlag 2006 Rubrikherausgeber M. Wehling, Mannheim S. Jacob2 · N. Marx1 1 Abteilung für Innere Medizin II, Medizinische Univ.-Klinik und Poliklinik Ulm 2 Forum für Vaskuläre Medizin e.V., Villingen-Schwenningen Pharmakotherapie des Diabetes mellitus Typ 2 Von der glukozentrischen Tradition zum kardiovaskulären Risikomanagement Während vor Jahrzehnten das Leben des Diabetikers noch durch die hyperglykämische Entgleisung bedroht war, sind es heute die vaskulären Ereignisse, welche die Prognose der Patienten bestimmen. Die überwiegende Zahl der Patienten verstirbt an kardiovaskulären Problemen. Epidemiologische Daten zeigen, dass das kardiovaskuläre Risiko der Patienten nicht nur bei Vorliegen eines manifesten Diabetes mellitus erhöht ist, sondern dass schon Patienten mit einer gestörten Glukosetoleranz als Vorstadium des Diabetes eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität aufweisen [1]. Darüber hinaus belegen neuere Erhebungen, dass 2/3 aller Patienten z. B. mit einem Myokardinfarkt – bei genauerer Untersuchung – bereits eine Glukosestoffwechselstörung im Sinne einer gestörten Glukosetoleranz oder eines manifesten Diabetes aufweisen [2]. Entsprechend nehmen die mit der Glukosestoffwechselstörung assoziierten Gefäßerkrankungen zu einem viel früheren Zeitpunkt ihren Anfang. > Die vaskulären Ereignisse bestimmen die Prognose des Diabetikers Betrachtet man die Prognose der Diabetiker, so zeigen verschiedene epidemiologische Daten, dass Diabetiker im Vergleich zu Nichtdiabetikern wesentlich häufiger einen Myokardinfarkt, einen Schlaganfall oder den kardiovaskulären 434 | Der Internist 4 · 2006 Tod erleiden. Am deutlichsten kommt dies in einer skandinavischen Studie zum Ausdruck [3], in der das Risiko des Diabetikers und Nichtdiabetikers vor und nach Myokardinfarkt verglichen wurde. In dieser Studie zeigte sich, dass das Risiko des Diabetikers, der noch keinen Myokardinfarkt gehabt hat, äquivalent ist zum Risiko des Nichtdiabetikers nach seinem ersten Infarkt. Dieses Risiko umfasst das Auftreten eines Myokardinfarkts, eines Schlaganfalls oder des kardiovaskulären Todes über die nächsten 7 Jahre. Sobald der Diabetiker seinen ersten Infarkt erlitten hat, steigt das Risiko nahezu exponentiell an. In anderen Populationen ist das Risiko des Diabetikers nicht äquivalent zum KHKPatienten, aber dennoch deutlich erhöht. Typ-2-Diabetes: nicht nur Hyperglykämie In den letzten Jahren hat sich unser pathophysiologisches Verständnis des Diabetes dergestalt geändert, dass heute nicht mehr die Hyperglykämie allein als der Hauptrisikofaktor angesehen wird. Die Diagnose des Diabetes wird nach wie vor durch erhöhte Blutzuckerwerte gestellt. Das kardiovaskuläre Risiko der Patienten beruht jedoch auf einer wesentlich komplexeren Stoffwechselsituation. So konnten große epidemiologische Studien zunächst zeigen, dass mehr als 80 aller Patienten mit Typ-2-Diabetes insulinresistent sind [4]. Wir wissen mitt- lerweile, dass die Insulinresistenz per se ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse darstellt. In der finnischen Helsinki Policemen Study mit 970 gesunden Patienten ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen und Diabetes konnte gezeigt werden, dass Individuen mit einer ausgeprägten Insulinresistenz ein signifikant höheres Risiko für eine koronare Herzerkrankung und einen Diabetes innerhalb der Follow-up-Phase hatten [5]. Diese Daten wurden in der San Antonio Heart Study bestätigt, die an 2569 Nichtdiabetikern zeigen konnte, dass diejenigen Individuen, die in der höchsten Quintile bezüglich ihrer Insulinresistenz angesiedelt waren, ein ca. 2fach erhöhtes Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis über die nächsten 8 Jahre hatten [6]. Pathophysiologie Wie lassen sich diese Befunde erklären? Nach unserem gegenwärtigen Verständnis handelt es sich bei der Insulinresistenz nicht nur um die Beschreibung der verminderten Insulinsensitivität in Leber, Fettgewebe und Muskeln, sondern um eine komplexe Stoffwechselstörung, die eine ganze Reihe anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren beinhaltet. So finden sich bei diesen Patienten in der Mehrzahl der Die vorliegende Arbeit wurde durch eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SFB 451, Projekt B9 und B11) für Prof. Dr. N. Marx unterstützt. Arzneimitteltherapie giotensin II ein potenter Vasokonstriktor ist, trägt dies zumindest partiell zu der bei den Patienten gefundenen arteriellen Hypertonie bei. Abb. 1 9 Die Insulinresistenz ist eine komplexe Stoffwechselstörung, die eine Reihe anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren beinhaltet Abb. 2 9 Das viszerale Fettgewebe bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 besteht aus großen „stoffwechselträgen“ Adipozyten, die bezüglich ihrer Stoffwechselaktivität nicht die Eigenschaften aufweisen, die man von einer Fettgewebszelle erwartet (Details s. Text) Fälle eine arterielle Hypertonie, eine Dyslipidämie, Gerinnungsstörung, Alterationen der Thrombozytenfunktion, eine endotheliale Dysfunktion und ein proinflammatorisches Milieu (. Abb. 1). Der manifeste Typ-2-Diabetes stellt in diesem Gesamtzusammenhang nur eine Komponente des metabolischen Syndroms dar. Entscheidende Rolle des viszeralen Fettgewebes Pathophysiologisch bedeutsam für diese Risikokonstellation scheint besonders das viszerale Fettgewebe zu sein. Computertomographische Untersuchungen der letzten Jahre konnten zeigen, dass sich bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz und Typ-2-Diabetes große Mengen viszerales Fettgewebe finden. Dieses viszerale Fettgewebe besteht aus großen „stoffwechselträgen“ Adipozyten, die bezüglich ihrer Stoffwechselaktivität nicht diejenigen Eigenschaften aufweisen, die man von einer Fettgewebszelle erwartet (. Abb. 2). So ist die Fettsäurespeicherung und die Fettsäureoxidation reduziert. Dagegen ist die lipolytische Aktivität dieser Zellen erhöht, sodass sich bei diesen Patienten erhöhte Mengen zirkulierender freier Fettsäuren finden [7]. 436 | Der Internist 4 · 2006 Darüber hinaus setzen diese Zellen Mediatoren, sog. Adipokine frei wie Resistin, Leptin und TNF-α [8]. Diese führen in Kombination mit den freien Fettsäuren zur verminderten Insulinsensitivität anderer Organe und tragen maßgeblich zur hyperglykämischen Stoffwechsellage bei diesen Patienten bei. Zusätzlich fördern die aus dem viszeralen Fettgewebe freigesetzten Mediatoren wie IL-6, Resistin und TNF-α das inflammatorische Milieu, in dem sie zum einen direkt aktivierende Wirkung auf die Gefäßwand haben [9] und zum anderen in der Leber die Induktion von Akutphaseproteinen, wie C-reaktives Protein, induzieren. Hierzu konnten epidemiologische Daten zeigen, dass Patienten mit gestörter Glukosetoleranz oder manifestem Diabetes signifikant erhöhte Spiegel von hochsensitivem C-reaktivem Protein als kardiovaskulären Risikomarker aufweisen [10]. Dagegen ist bei der Adipositas ein (vaskulo)protektives Adipozytokin, das Adiponektin, deutlich vermindert. Des Weiteren setzen diese großen Adipozyten vermehrt Angiotensinogen und Angiotensin-Converting-Enzym frei, was dazu führt, dass sich bei diesen Patienten erhöhte Angiotensin-II-Spiegel finden [11]. Vor dem Hintergrund, dass An- Endotheliale Dysfunktion und Inflammation Neuere mit dem Insulinresistenzsyndrom assoziierte Risikofaktoren sind die endotheliale Dysfunktion und die Inflammation. Die endotheliale Dysfunktion als erster Schritt in der Atherogenese findet sich bei Patienten mit Diabetes und gestörter Glukosetoleranz [14]. Langzeitbeobachtungen konnten darüber hinaus zeigen, dass eine gestörte Endothelfunktion, gemessen am Unterarmfluss, mit einer schlechten Prognose in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse einhergeht [15]. Bezüglich der Inflammation konnten große epidemiologische Erhebungen der letzten Jahre darlegen, dass erhöhte Spiegel von hochsensitivem C-reaktiven Protein mit einem erhöhten Risiko für makrovaskuläre Ereignisse einhergehen. So konnte z. B. in der MONICA-Augsburg-Kohorte Männern im Alter von 45– 64 Jahren gezeigt werden, dass diejenigen, die in der höchsten Quintile des im Normbereich liegenden C-reaktiven Proteins lagen, ein 2,5- bis 3fach erhöhtes Risiko für ein makrovaskuläres Ereignis über die nächsten 8 Jahre hatten [16]. Vor dem Hintergrund, dass Diabetiker und Patienten mit gestörter Glukosetoleranz signifikant erhöhte CRP-Spiegel aufweisen [10], scheint auch hier das inflammatorische Milieu zur schlechten Prognose dieser Patienten beizutragen. Neben diesen Risikofaktoren finden sich bei Patienten mit Insulinresistenz und Diabetes Besonderheiten in der Entwicklung der Atherogenese, die dazu führen, dass diese Patienten schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt ausgedehnte und diffuse arteriosklerotischer Läsionen aufweisen [17]. Schlussfolgerungen Zusammenfassend lässt sich anhand dieser Daten sehr eindrucksvoll zeigen, dass das kardiovaskuläre Risiko des Diabetikers nicht allein durch die Hyperglykämie, sondern durch die komplexe, im Rahmen der Insulinresistenz auftretende Stoffwechselstörung bedingt ist (. Abb. 1). Zusammenfassung · Abstract Jeder der mit der Insulinresistenz assoziierten Faktoren bestimmt unabhängig das kardiovaskuläre Risiko der Patienten. Therapeutische Optionen Die pathophysiologische Konstellation der Insulinresistenz legt nahe, dass die Hyperglykämie allein das kardiovaskuläre Risiko des Diabetikers nur bedingt erhöht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die Blutzuckereinstellung allein das kardiovaskuläre Risiko bei Diabetikern modulieren kann und ob nicht die therapeutische Adressierung der assoziierten Risikofaktoren einen wichtige(re)n Stellenwert hat. Antidiabetische Therapie Unzweifelhaft trägt auch die Hyperglykämie selbst zum kardiovaskulären Risiko der Patienten mit Insulinresistenz bei. So zeigen Querschnittsbeobachtungen aus der UKPDS-Studie, dass ein um 1 niedriger HbA1c-Wert mit einem 14 niedrigeren Herzinfarktrisiko und mit einem 12 geringeren Schlaganfallrisiko assoziiert ist. Vergleicht man dies jedoch mit dem Risiko für mikrovaskuläre Endpunkte wie diabetische Nephropathie, so ist die Assoziation des HbA1C-Wertes mit diesen mikrovaskulären Komplikationen im Vergleich zur makrovaskulären Komplikation noch deutlich akzentuierter [12, 13]. Betrachtet man in der UKPDS-Studie darüber hinaus den Effekt der blutzuckersenkenden Intervention auf die kardiovaskulären Ereignisse, so zeigt sich, dass die Reduktion des Blutglukosespiegels allein zwar das Herzinfarktrisiko reduziert, dass dieser Effekt aber in der Population von nahezu 4000 Patienten – mit Ausnahme der Subgruppe unter Metformin – bei einer Studiendauer von über 10 Jahren nicht signifikant war [12, 13]. Im Gegensatz dazu zeigte sich eine signifikante Reduktion mikrovaskulärer Endpunkte, was nahe legt, dass die Blutzuckersenkung allein das kardiovaskuläre Risiko nur bedingt senken kann [13]. Internist 2006 · 47:434–440 DOI 10.1007/s00108-006-1580-4 © Springer Medizin Verlag 2006 S. Jacob · N. Marx Pharmakotherapie des Diabetes mellitus Typ 2. Von der glukozentrischen Tradition zum kardiovaskulären Risikomanagement Zusammenfassung Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 sind nicht durch die hyperglykämische Entgleisungen, sondern durch die vaskulären Komplikationen gefährdet. Heute wird nicht mehr der erhöhte Blutzucker allein als der Hauptrisikofaktor angesehen: das kardiovaskuläre Risiko der Patienten beruht vielmehr auf wesentlich komplexeren Veränderungen. So finden sich bei diesen Patienten in der Mehrzahl der Fälle eine arterielle Hypertonie, eine Dyslipidämie, Gerinnungsstörung, Alterationen der Thrombozytenfunktion, eine endotheliale Dysfunktion und ein proinflammatorisches Milieu. Hierbei spielt das viszerale Fettgewebe und die Insulinresistenz eine besondere Rolle. Daher muss die Therapie neben der Hyperglykämie auch bei all diesen Faktoren ansetzen. Viele Studien zeigen, dass die Patienten mit Typ-2-Diabetes zumindest ähnlich wie Nichtdiabetiker von der Intervention mit Antihypertensiva, Lipidsenkern, und Acetylsalicylsäure profitieren. Die STENO-2-Studie belegt eindrucksvoll die Wertigkeit dieses multimodalen Ansatzes. Dies bedeutet aber auch ein Verlassen des „glukozentrischen“ Ansatzes. Schlüsselwörter Diabetes mellitus · Kardiovaskuläre Erkrankungen · Metabolische Kontrolle · Vaskuläre Komplikationen Pharmacotherapy of diabetes mellitus type 2. From the glucocentric tradition towards cardiovascular risk management Abstract Patients with diabetes type 2 are not directly endangered by dysglycemia but they suffer vascular complications. The diabetic patient with existing cardiovascular disease has a particularly high risk for further cardiovascular complications and therefore requires specific attention. This is not only due to the hyperglycemia, but due to the coexistence of further cardiovascular risk factors, such as hypertension, dyslidemia, visceral fat accumulation, chronic inflammation and coagulopathy, also clinically described as the metabolic syndrome. These patients need an intense and multi-modal therapeutic approach, not only for improvement of glycemic control. Also other vascular risk factors should be handled aggressively, such as blood pressure, coagulopathy and dyslipidemia. Recent studies – as STENO 2 – indicate that a multi-modal and aggressive approach in diabetic patients can markedly improve their prognosis. Therefore, the current practice of a glucocentric approach should be changed towards a more vascular approach. Keywords Cardiovascular disease · Diabetes mellitus · Metabolic control · Vascular complications Verbesserung der Insulinresistenz durch Glitazone Mit der Substanzgruppe der Glitazone (Rosiglitazon und Pioglitazon) ist seit eiDer Internist 4 · 2006 | 437 Arzneimitteltherapie Tab. 1 Typ 2 Therapeutische Ansätze bei der Therapie des Patienten mit Diabetes mellitus Intervention Gewicht Blutdruck Lipide Glukose Entzündung + Endothelfunktion + Lebensstil: Ernährungsum- + + + + stellung, Gewichtsreduktiona Lebensstil: Bewegung (+) + + + + + (=) ++ (+) + + + ACE-Hemmer AT1-Blocker Statine (=) (=) ++ ((+)) ++ + Fibrate (=) (=) ++ = + (+) Acarbose (+) (+) + ++ (+) (+) Glitazone − (+) + ++ ++ + Metformin (+) (+) + ++ (+) (+) + Günstiger Effekt, − ungünstiger Effekt, = kein Effekt, ( ) kleiner Effekt. a Inklusive Verstärkung der Gewichtsreduktion durch medikamentöse Unterstützung. nigen Jahren eine gezielte pharmakologische Intervention zur Verbesserung der Insulinsensitivität möglich. Klinische Studien zeigen neben einer Verbesserung der Glukosewerte und einer Verminderung der Insulinresistenz interessanterweise auch eine Verbesserung der Lipide (besonders HDL, Triglyzeride und Small Dense LDL), der Entzündung, der Endothelfunktion, eine leichte Verbesserung des Blutdrucks sowie eine Reduktion der Mikroalbuminurie [18]. In der ProActive-Studie, der ersten Endpunktstudie mit dieser Substanzklasse, wurde zwar der primäre Endpunkt (−10) hinsichtlich der Signifikanz verfehlt, was durchaus an dem Studiendesign liegen kann, doch wurden die makrovaskulären Ereignisse wie Herzinfarkt, Mortalität und Schlaganfall in den knapp 3 Jahren Studiendauer um 16 signifikant reduziert. Die Numbers Needed to Treat (NNT) für diese 3 Ereignisse war bemerkenswerter Weise mit 48 über 3 Jahre [19] im Niveau der erfolgreichen und allgemein akzeptierten großen Statinstudien. Antihypertensive Therapie Ein besonders starker Risikofaktor in dieser Stoffwechselkonstellation ist der arterielle Hypertonus. Die Empfehlungen der Deutschen Hochdruckliga von 2003 zeigen sehr eindrucksvoll, dass das Risiko des Diabetikers mit einer milden Hypertonie (Blutdruckwerte systolisch 140– 159 und diastolisch 90–99 mmHg) über 10 Jahre für den kardiovaskulären Tod, 438 | Der Internist 4 · 2006 den Schlaganfall oder den Myokardinfarkt bei 20–30 liegt. Damit ist das Risiko vergleichbar mit dem Risiko des Nichtdiabetikers, der einen milden Hypertonus und eine Hypercholesterinämie hat und gleichzeitig raucht. In der UKPDS wurde in der Substudie Hypertonie der Effekt einer stärkeren Blutdrucksenkung bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 untersucht. Durch die strengere Einstellung der Hypertonie wurden die kardiovaskulären Ereignisse besser gesenkt [20]. Diese Ergebnisse unterstreichen eindrücklich die Wertigkeit der Blutdrucksenkung, ein Effekt, der sich auch in anderen Studien zeigt. > Der Diabetiker scheint von einer Blutdrucksenkung überproportional zu profitieren So scheint der Diabetiker von einer Blutdrucksenkung im Vergleich zum Nichtdiabetiker überproportional zu profitieren, wie dies z. B. eindrucksvoll in der Hypertension-Optimal-Treatment- (HOT-) Studie gezeigt werden konnte. Die Reduktion des diastolischen Zielwerts unter 80 mmHg führte im Vergleich zu einer Reduktion unter 90 mmHg zu einer signifikanten Reduktion der makrovaskulären Ereignisse und der Kardiovaskularmortalität [21]. Das gleiche gilt für die Analyse der Syst-Eur-Studie [22], in der die Diabetiker besonders profitierten. Basierend auf diesen Daten und den Daten anderer Studien bestehen beim Diabetiker strenge Ziele bezüglich der Blut- druckeinstellung mit einem Zielwert unter 130/80 mmHg. Diabetiker mit Mikroalbuminurie oder einer manifesten Nephrophatie sollten Werte unter 120/80 mmHg erzielen. Lipidsenkende Therapie Bezüglich des Lipidprofils findet sich bei diesen Patienten eine charakteristische Dyslipidämie mit vermindertem HDL, erhöhten Small-Dense-LDL-Partikeln und erhöhten Triglyzeriden. Für jede dieser Faktoren konnte gezeigt werden, dass sie unabhängig mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert sind. Sowohl Primär- als auch Sekundärpräventionsstudien belegen, dass der Diabetiker im Vergleich zu Nichtdiabetikern von einer Statintherapie stärker profitiert. So konnte z. B. in der Primärpräventionsstudie mit Lovastatin AF/TexCAPS eine kardiovaskuläre Gesamtreduktion von 37 bei allen Studienteilnehmern gezeigt werden, wohingegen die Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei Diabetikern 43 betrug [23]. In gleicher Weise zeigte sich dies in der Sekundärprävention, z. B. in der 4 SStudie unter Simvastatin mit einer 32igen Risikoreduktion in der Gesamtpopulation und einer 55igen Risikoreduktion in der diabetischen Population [24]. Interessante Daten zur Primärprävention bei Diabetes mellitus Typ 2 lieferte CARDS (Collaborative Atorvastatin Diabetes Study), die erstmals prospektiv den Effekt eines Statins ausschließlich bei Typ-2-Diabetikern (LDL-Cholesterin <160 mg/dl) ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung, aber mit mindestens einem zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor untersuchte. Sie wurden über 4 Jahre entweder mit Placebo oder Atorvastatin 10 mg behandelt. Kardiovaskuläre Ereignisse ließen sich um 37 reduzieren, die Schlaganfallrate um 48 und die Gesamtmortalität um 27 [25]. Die Heart Protection Study (HPS) zeigte den Effekt von Simvastatin in der Primär- und Sekundärprävention bei knapp 6000 Typ1- und Typ-2-Diabetikern (2912 ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung) mit einer Senkung des kardiovaskulären Risikos im Vergleich zu Placebo um 33 bzw. um 18 [26, 27]. HPS erhärtete, was sich bereits in CARE abgezeichnet hatte: Von einer Sta- tintherapie profitieren die Patienten weitgehend unabhängig vom Cholesterinausgangswert, also auch bei nicht massiv erhöhtem LDL-Cholesterinspiegel. Diese Daten verdeutlichen, dass unter einer lipidsenkenden Therapie mit Statinen das kardiovaskuläre Risiko der Diabetiker signifikant reduziert werden kann. Therapeutische Ziele sind hier das Erreichen eines LDL-Cholesterins unter 100 mg/dl als Primärziel und eine Reduktion der Triglyzeride unter 150 mg/dl bzw. eine Erhöhung des HDL über 40 mg/dl bei Männern und über 50 mg/dl bei Frauen als Sekundärziele. Optional sollte das LDL bei Diabetikern mit hohem Risiko unter 70 mg/dl gesenkt werden. Behandlung der Thrombopathie Ein weiterer entscheidender Faktor der zur Prognoseverbesserung der Diabetiker führt, ist die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS). Hier konnte z. B. in der Physician’s Health-Study gezeigt werden, dass die Subgruppe der Diabetiker unter einer ASS-Therapie im Vergleich zu Placebo eine 39ige relative Risikoreduktion erfährt [28]. Daher wird empfohlen, allen Diabetikern in der Sekundärprävention ASS zu verschreiben sowie darüber hinaus allen, die über 40 Jahre sind oder weitere Risikofaktoren (positive Familienanamnese, Hypertonie, Nikotinabusus, Dyslipidämie oder Albuminurie) haben. Multimodaler statt glukozentrischer Therapieansatz Die angesprochenen Punkte verdeutlichen, dass es zur Prognoseverbesserung des Diabetikers der Abkehr vom „glukozentrischen Weltbild“ bedarf, da die Blutzuckereinstellung alleine das kardiovaskuläre Risiko dieser Patienten nur bedingt beeinflussen kann. Vielmehr ist hier ein multimodaler Therapieansatz von großer Bedeutung, der die Einstellung des Hypertonus, die Adressierung der Dyslipidämie sowie die Gabe von Acetylsalicylsäure zusätzlich zur Blutzuckereinstellung notwendig macht. Sehr eindrucksvoll zeigte die STENO-2-Studie, dass die strenge Einstellung der Lipide, des Blutdrucks, der Gerinnung und die zusätzliche blutdruckunabhängige Gabe von einem ACE- Hemmer oder AT1-Rezeptorantagonisten eine deutliche Reduktion makrovaskulärer Ereignisse bewirkt [29]. Nicht zu vernachlässigen im multimodalen Therapieansatz bei Typ-2-Diabetikern sind die Allgemeinmaßnahmen von Gewichtsreduktion, bewussterer Ernährung und körperlicher Aktivität. Alle diese Maßnahmen führen in ihrer Gesamtheit zu einer Reduktion des viszeralen Fettgewebes und damit zu einer Verbesserung der Insulinsensitivität, einer Reduktion des inflammatorischen Milieus und einer Senkung des Blutdrucks (. Tab. 1). Für die medikamentöse Therapie sollten bevorzugt Substanzen eingesetzt werden, die günstige Effekte auf die weiteren atherogenen Faktoren, wie Entzündung, Blutdruck oder Stoffwechsel haben (. Tab. 1). Fazit für die Praxis Das Therapieziel bei Patienten mit Diabetes mellitus 2 sollte nicht allein die Glukose, sondern der Gefäßschutz sein. Die Therapie des Diabetikers hat sich dergestalt gewandelt, dass nicht mehr die Blutzuckersenkung allein im Vordergrund steht, sondern der Patient in seiner gesamten metabolischen Konstellation gesehen und angemessen therapiert werden muss. Ebenso wie jede der einzelnen Komponenten des metabolischen Syndroms zum kardiovaskulären Risiko dieser Patienten beiträgt, führt auch die therapeutische Modulation jeder dieser Faktoren unabhängig voneinander zu einer Verbesserung der Prognose. Die Daten aktueller Studien machen deutlich, dass die Therapie dieser Hochrisikopatienten von einem blutzuckerzentrierten Regime zu einem multimodalen Therapieansatz gewechselt hat, der in Zukunft bei der wachsenden Zahl der Diabetiker noch intensiver verfolgt werden sollte. Die Betreuung dieser vaskulären Hochrisikogruppe erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Hausarzt, Kardiologen (Gefäßmediziner) und Diabetologen und eine engmaschige Kontrolle aller Risikofaktoren. Korrespondierender Autor Prof. Dr. N. Marx Abteilung für Innere Medizin II, Medizinische Univ.-Klinik und Poliklinik Robert-Koch-Straße 8, 89081 Ulm [email protected] Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor weist auf eine Verbindung mit folgender Firma/Firmen hin: Beide Autoren haben Vorträge für GSK und Takeda gehalten. Literatur 1. Hu FB, Stampfer MJ, Haffner SM et al. (2002) Elevated risk of cardiovascular disease prior to clinical diagnosis of type 2 diabetes. Diabetes Care 25: 1129–1134 2. Bartnik M, Ryden L, Ferrari R et al. (2004) The prevalence of abnormal glucose regulation in patients with coronary artery disease across Europe. The Euro Heart Survey on diabetes and the heart. Eur Heart J 25: 1880–1890 3. Haffner SM, Lehto S, Ronnemaa T et al. (1998) Mortality from coronary heart disease in subjects with type 2 diabetes and in nondiabetic subjects with and without prior myocardial infarction. N Engl J Med 339: 229–234 4. Haffner SM, Mykkanen L, Festa A et al. 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