Wie verlässlich sind endodontisch behandelte Zähne als Pfeiler prothetischer Restaurationen? Sind Implantate besser? Michael Naumann, Prof. Dr. med. dent. Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre CC 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde 0 endodontische Behandlung 1 Defekt 2 Aufbau und Aufbaustift 3 Zement & Adhäsion 4 Zahnersatz (Komposit oder Krone) 5 Parodontologische Aspekte 6 (Tiefzerstörter) Zahn oder Implantat verkompliziert durch… zahllose natürliche oder pathologische Variationen verschiedene Optionen der Behandlungsplanung Einstellung und/oder Fähigkeiten des Behandlers Preferenzen des Patienten ökonomische Aspekte (für Patient und Zahnarzt) Einzelzahnversorgung Brückenversorgung (Front-, Seitenzahn) (kleinspannig Endpfeiler-, Extensions-) Kombiniert festsitzend-herausnehmbare Versorgung (Teleskope, Geschiebe) Einzelzahnversorgung Brückenversorgung (Front-, Seitenzahn) (kleinspannig Endpfeiler-, Extensions-) Kombiniert festsitzend-herausnehmbare Versorgung (Teleskope, Geschiebe) Ist eine (Komposit-) Füllung genug? Single crowns versus conventional fillings for the restoration of root filled teeth (Review) Fedorowicz Z, Carter B, de Souza RF, de Andrade Lima Chaves C, Nasser M, Sequeira-Byron P insuffiziente Evidenz, um Effektivität konventioneller Füllungen gegenüber Kronen auf EBZ zu unterstützen oder abzulehnen ZÄ sollen ihre Entscheidungen weiter auf Basis ihrer eigenen klinischen Erfahrungen treffen... und die individuellen Umstände und Präferenzen ihrer Patienten in Betracht ziehen This is a reprint of a Cochrane review, prepared and maintained by The Cochrane Collaboration and published in The Cochrane Library 2012, Issue 5 http://www.thecochranelibrary.com Single crowns versus conventional fillings for the restoration of root filled teeth (Review) Fedorowicz Z, Carter B, de Souza RF, de Andrade Lima Chaves C, Nasser M, Sequeira-Byron P insuffiziente Evidenz, um Effektivität konventioneller Füllungen gegenüber Kronen auf EBZ zu unterstützen oder abzulehnen ZÄ sollen ihre Entscheidungen weiter auf Basis ihrer eigenen klinischen Erfahrungen Gegenteil guter Evidenz für treffen... diese Therapieoption und die individuellen Umstände und Präferenzen ihrer Patienten in Betracht ziehen This is a reprint of a Cochrane review, prepared and maintained by The Cochrane Collaboration and published in The Cochrane Library 2012, Issue 5 http://www.thecochranelibrary.com nur Komposit Komposit mit Stiftunterstützung Ist eine (Komposit-) Füllung genug? Vielleicht. Es hängt von der Defektgröße ab! Einzelzahnversorgung Brückenversorgung (Front-, Seitenzahn) (kleinspannig Endpfeiler-, Extensions-) Kombiniert festsitzend-herausnehmbare Versorgung (Teleskope, Geschiebe) 322 Endpfeilerbrücken vital p = 0,002 WKB 168 Extensionsbrücken vital p = 0,01 WKB Einzelzahnversorgung Brückenversorgung (Front-, Seitenzahn) (kleinspannig Endpfeiler-, Extensions-) Kombiniert festsitzend-herausnehmbare Versorgung (Teleskope, Geschiebe) retrospektiv, 565 Patienten, 802 gegossene SSA - signifikanter Einfluss der Restaurationsart (RR Kombi = 1,9; RR EK = 1) - unabhängig von Zahnposition - gegossene SSA gute Langzeitprognose (durchschnittliches Überleben 7,3 Jahre) retrospektiv, 360 Patienten, 864 Zähne, konischer Metallstift (ER-System, Brasseler) nach 60 Monaten Überlebenswahrscheinlichkeit: EK und Brücken Kombi-ZE / Doppelkronensystem / Konuskronen 93 % 51 % Pfeilerposition - nicht relevant bei festsitzenden ZE - Molaren - Prämolaren - Eckzähne - FZ 0 Versager 38 % 53 % 53 % p<0,0001 p<0,0001 hohes Risiko, wenn EBZ mit metallisch-konfektionierten SSA als Pfeiler für Doppelkronen-retinierten Kombi-ZE Friktionsteleskope im stark reduzierten Restgebiss (Szentpetery et al. 2011) 74 Patienten mit 1-3 Restzähnen je Kiefer 82 Prothesen auf 173 Friktionsteleskopen nach 5 Jahren: 90 % Überlebenswahrscheinlichkeit der Pfeilerzähne 81 % Überlebenswahrscheinlichkeit der Primärteleskope Friktionsteleskope im stark reduzierten Restgebiss (Szentpetery et al. 2011) selbst in ungünstigsten Situationen eines stark reduzierten Restgebisses hohe Patientenzufriedenheit Primärkronenverlust abhängig von: - Pfeilerverteilung triangulär mit 3 oder 4 TVs RR=1 linear/diagonal RR=11 punktuell RR=3,6 linear sagittal RR=2,7 - Geschlecht (M RR=3), - Kiefer (OK RR=3,4), - Pfeilerzahnvitalität (RR=3,4) Empfehlung auch geschwächte, devitale Zähne einzubeziehen, um parodontale Unterstützung zu verbessern generelle Pfeilerzahnüberlastung konnte nicht festgestellt werden J Periodontol 2009; 80: 476-491 keine universellen Regeln, die auf jeden klinischen Fall anwendbar klinische Symptomatik, Erfahrung und gesunder Menschenverstand („common sense“, „dentales Bauchgefühl“) des Behandlers bleiben wichtigstes Instrument der Therapieentscheidung „Die Qualität der Evidenz für die meisten Zahnbehandlungen kann insgesamt getrost als gering oder nicht existierend betrachtet werden.“ ~8 % aller zahnmedizinischen Behandlungen wissenschaftlich legitimiert Böning 2002, Bayne 2006 nur 5 % der Information über Restaurationsmaterialien mit klinischen Studien unterlegt Bayne und Marshall 1999 Die wichtigen Fragen sind noch nicht gestellt! Fejerskov 2006 Vorhersage von Zahnverlust anhand des Attachmentlevels und anderer Faktoren über 4 Jahre (678 Patienten, 847 Zähne) (Gilbert et al. 2002) Ø Neigung, Extraktion zu Therapiebeginn vor anderen Alternativen zu wählen, hat höchsten Vorhersagewert für Zahnverlust Ist das Implantat die sichere Alternative? Sonntag morgen - eine Whatsapp B k c rü I r e d o e ? t a t n a l p m Clin Oral Implant Res 2012 andere Faktoren als Kosten und Überlebenswahrscheinlichkeit entscheiden Patienten- oder Zahnarzt-bezogene Faktoren Nachbarzähne unpräpariert zu lassen, kann Implantatkrone ökonomischer machen Extraktion ohne Zahnersatz: psycho-sozial schlecht (sichtbarer Bereich) Überlebenswahrscheinlichkeit (WKB = Implantat) > Brücke keine gesundheitsökonomischen Daten prospektive Langzeitstudien mit großen Patientenzahlen notwendig Torabinejad et al J Prosthet Dent 2007 Extraktion ohne Zahnersatz: psycho-sozial schlecht (sichtbarer Bereich) Überlebenswahrscheinlichkeit (WKB = Implantat) > Brücke keine gesundheitsökonomischen Daten prospektive Langzeitstudien mit großen Patientenzahlen notwendig Torabinejad et al J Prosthet Dent 2007 Kosten-Effektivitäts-Analyse von Zahnerhaltung vs. Implantattherapie für tiefzerstörte Zähne: Eine multizentrische, prospektive, randomisierte Pilotstudie ITI Research Grant No. 719_2010 Kosten-Effektivitäts-Analyse von Zahnerhaltung vs. Implantattherapie für tiefzerstörte Zähne: Eine multizentrische, prospektive, randomisierte Pilotstudie ITI Research Grant No. 719_2010 34 Erhalt tief zerstörter Zähne - Zahn oder Implantat? WSR, chirurgische Kronenverlängerung oder orthodontische Extrusion Betrag verbliebener Zahnhartsubstanz entscheidend für strategischen Wert eines Pfeilerzahnes 2mmresiziert ferrule=2mm Kontrolle 2mmcoronalextrudiert ferrule=2mm WSR 2mmkrestalresiziert ferrule=2mm orthodontische Extrusion chirurgische Kronenverlängerung BL CEJ Implantatkrone (4.1/12mm) dynamic loading thermo-cycling (10,000 5°/55°, in destilled water) and parallel mechanical loading (1-49 N; 1,2x106 cycles) 135° linear loading cross-head speed of 1mm/sec loading until failure 135° p=0.001 1.2 p=0.001 p=0.001 1.1 p=0.139 1.0 0.9 0.8 p=0.001 p=0.001 0.7 0.6 control apical surgery orthodontic extrusion surgical crown lengthening implant Kronen-Wurzel-Verhältnis hat keinen Einfluss! 600 p=0.001 p=0.045 maximum load capability [N] 500 p=0.001 p=0.033 400 300 200 C/R < 1.0 C/R = 1.0 C/R = 0.8 100 Kontrolle WSR orthodontische Extrusion chirurg. KV Implantat Fazit Kronen-Wurzel-Verhältnis spielt kein so große Rolle chirurg. Kronenverlängerung problematisch, da Kronenhebel sehr lang besser orthodontische Extrusion WSR biomechanisch unproblematisch Implantatkrone offenkundig am belastbarsten aber Risiken wie Nichteinheilung, Periimplantitis und technische Ausführung nicht unterschätzen…. Int Endodont J 42: 757-774, 2009 unabhängig von der gewählten Therapie auf Zähnen und/oder Implantaten beständige Erhaltungstherapie (UPT, PZR) notwendig A comparison of teeth and implants during maintenance therapy in terms of the number of disease-free years and costs an in vivo internal control study Øystein Fardal1 and Jostein Grytten2 1 Private practice, Egersund, Norway; Institute of Community Dentistry, University of Oslo, Blindern, Oslo, Norway 2 Fardal Ø, Grytten J. A comparison of teeth and implants during maintenance therapy in terms of the number of disease-free years and costs – an in vivo internal control study. J Clin Periodontol 2013; doi: 10.1111/jcpe.12101. Abstract Background: Little is known about the cost minimization and cost effectiveness involved in maintaining teeth and implants for patients treated for periodontal disease. Materials & Methods: A retrospective study was carried out encompassing all patients who had initial periodontal treatment followed by implant placement and maintenance therapy in a specialist practice in Norway. The neighbouring tooth and the contra-lateral tooth were used as controls. The number of diseasefree years and the extra cost over and above maintenance treatment for both teeth and implants were recorded. Results: The sample consisted of 43 patients with an average age of 67.4 years. The patients had 847 teeth at the initial examination and received 119 implants. Two implants were removed 13 and 22 years after insertion. The prevalence of peri-implantitis was 53.5% at the patient level and 31.1% at the implant level. The prevalence of periodontitis was 53.4% at the patient level and 7.6% at the tooth level. The mean number of disease-free years was: implants: 8.66; neighbouring tooth: 9.08; contra-lateral teeth: 9.93. These mean values were not statistically significantly different from each other. The extra cost of maintaining the implants was about five times higher for implants than for teeth. Conclusion: The number of disease-free years was the same for neighbouring teeth, contra-lateral teeth and implants. However, due to the high prevalence of peri-implantitis, the cost of maintaining implants was much higher than the cost of maintaining teeth. Key words: cost effectiveness; cost minimization; implants; maintenance; periimplantitis; periodontal disease; re-treatment Accepted for publication 25 February 2013 Was sollte ich dem Patienten empfehlen? Endo hochgradig kosteneffektiv als Therapie der 1. Wahl Endo hochgradig kosteneffektiv als Therapie der 1. Wahl orthograde Revision ebenfalls kosteneffektiv, wenn 1. Endo fehlschlägt (aber keine chirurgische Revision/WSR) Endo hochgradig kosteneffektiv als Therapie der 1. Wahl orthograde Revision ebenfalls kosteneffektiv, wenn 1. Endo fehlschlägt (aber keine chirurgische Revision/WSR) Implantat spielt Rolle als Therapie der 3. Wahl, wenn Revision misslingt Was möchte der Patient? Quality of life of endodontically treated versus implant treated patients: a University-based qualitative research study Gatten et al. J Endod 2011 OHIP-14 17 Pat. mit endodontisch behandelten Zahn 20 Pat. mit Einzelzahnimplantat vergleichbare Scores für beide Therapien, für beide hohe Patientenzufriedenheit 51 Quality of life of endodontically treated versus implant treated patients: a University-based qualitative research study Gatten et al. J Endod 2011 OHIP-14 17 Pat. mit endodontisch behandelten Zahn 20 Pat. mit Einzelzahnimplantat vergleichbare Scores für beide Therapien, für beide hohe Patientenzufriedenheit Haupthemen für Patienten: - Wichtigkeit der allgemeinen Gesundheit 52 Quality of life of endodontically treated versus implant treated patients: a University-based qualitative research study Gatten et al. J Endod 2011 OHIP-14 17 Pat. mit endodontisch behandelten Zahn 20 Pat. mit Einzelzahnimplantat vergleichbare Scores für beide Therapien, für beide hohe Patientenzufriedenheit Haupthemen für Patienten: - Wichtigkeit der allgemeinen Gesundheit - finanzielle Implikationen 53 Quality of life of endodontically treated versus implant treated patients: a University-based qualitative research study Gatten et al. J Endod 2011 OHIP-14 17 Pat. mit endodontisch behandelten Zahn 20 Pat. mit Einzelzahnimplantat vergleichbare Scores für beide Therapien, für beide hohe Patientenzufriedenheit Haupthemen für Patienten: - Wichtigkeit der allgemeinen Gesundheit - finanzielle Implikationen - Wahrnehmung der Behandlung und deren Ergebnis 54 Quality of life of endodontically treated versus implant treated patients: a University-based qualitative research study Gatten et al. J Endod 2011 OHIP-14 17 Pat. mit endodontisch behandelten Zahn 20 Pat. mit Einzelzahnimplantat vergleichbare Scores für beide Therapien, für beide hohe Patientenzufriedenheit Haupthemen für Patienten: - Wichtigkeit der allgemeinen Gesundheit - finanzielle Implikationen - Wahrnehmung der Behandlung und deren Ergebnis - Zeit seit Behandlung 55 Quality of life of endodontically treated versus implant treated patients: a University-based qualitative research study Gatten et al. J Endod 2011 OHIP-14 17 Pat. mit endodontisch behandelten Zahn 20 Pat. mit Einzelzahnimplantat vergleichbare Scores für beide Therapien, für beide hohe Patientenzufriedenheit Haupthemen für Patienten: - Wichtigkeit der allgemeinen Gesundheit - finanzielle Implikationen - Wahrnehmung der Behandlung und deren Ergebnis - Zeit seit Behandlung - Recall-Besuche 56 Quality of life of endodontically treated versus implant treated patients: a University-based qualitative research study Gatten et al. J Endod 2011 OHIP-14 17 Pat. mit endodontisch behandelten Zahn 20 Pat. mit Einzelzahnimplantat vergleichbare Scores für beide Therapien, für beide hohe Patientenzufriedenheit Haupthemen für Patienten: - Wichtigkeit der allgemeinen Gesundheit - finanzielle Implikationen - Wahrnehmung der Behandlung und deren Ergebnis - Zeit seit Behandlung - Recall-Besuche - Patient: Zahnerhalt, wann immer möglich 57 Kombination aus tiefzerstörter Zahn, parodontaler Vorschädigung und Implantattherapie Implant prosthodontics: Variability of therapeutic decisions in complex clinical situations Shaza Bishti, Julia Lautensack, Jens C. Türp, Stefan Wolfart COI 2017 Erfahrung und Spezialisierung hatten einen klinisch relevanten Einfluss auf die Entscheidungsfindung und Behandlungsplanung Klare Präferenz für nicht Implantat-basierte Therapie bei Zahnärzten mit mehr als 2 Jahrzehnten Berufserfahrung Zahl der geplanten Implantate sinkt mit Zahl der Berufsjahre durch Berufen auf individuelle Erfahrung (interne Evidenz) Eine Zusammenfassung Bias-Varianz-Dilemma Es geht darum, alles so einfach wie möglich zu machen, aber nicht einfacher. Albert Einstein präendodontische Checkliste („lohnt sich“ WKB?, Eignung als Pfeilerzahn?) präendodontische Checkliste 2 mm ferrule vorhanden, sonst: chirurgische Kronenverlängerung (cKV) oder orthodontische Extrusion (oEx) biologische Breite ok, sonst: cKV oder oEx Bereitschaft zur cKV / oEx (nein: Alternativen aufzeigen) Eingriff ästhetisch akzeptabel (nein: Alternativen aufzeigen) Wunsch Patienten für Zahnerhalt (nein: ad ex /Alternativen) alveoläre Knochenunterstützung >/= 50 % (nein: Prognose fraglich) verbleibende Wurzelwandstärke > 1 mm >/= 1 Approximalkontakt (optimal = geschlossene Zahnreihe) Aufklärung erhöhtes Risiko mechanisches Versagen bei Frontresto postendodontische Checkliste postendodontische Checkliste Stiftsetzung bei </= 2 Kavitätenwänden ferrule von 2 mm präparieren Vermeide Schrauben Aufklärung erhöhtes Risiko mechanisches Versagen bei Frontresto primäre Verblockung bzw. festsitzenden vor sekundäre Verblockung bzw. herausnehmbaren ZE vermeide Extensionsbrücken Segmentierung der Versorgung, kleine Einheiten Erweiterbarkeit empfehlenswert ab mod-Defekt Teilkrone planen Alles was wir als Zahnärzte tun, ist temporär mit der Ausnahme der Extraktion. Wir führen Behandlungen mit der Idee durch, dass die Ergebnisse dauerhaft und langlebig sind, keine jedoch ist „permanent“. Unsere Behandlungsplanung sollte diese Realität widerspiegeln. Endodontics: Colleagues for Excellence, Spring/Summer 2004