Kalte Atome in singulaeren Potentialen

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Kalte Atome in
singulären Potentialen
Dissertation
zur Erlangung des Grades eines Doktors
an der
Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Universität Innsbruck
vorgelegt von
Johannes Peter Denschlag
Innsbruck, September 1998
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
5
2 Experimenteller Aufbau
2.1 Die magneto-optische Falle (MOT) . . . . . . . . .
2.2 Die Vakuumkammer . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Die Quadrupol-Magnetfeldspulen . . . . . . . . . .
2.4 Laser System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Der Laserlock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Steuerung des Experiments . . . . . . . . . . . . . .
2.7 Datenaufnahme und Verarbeitung . . . . . . . . . .
2.8 Temperatur und Verteilung der Atome in der MOT
2.9 Atomanzahl der Falle . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.10 Herstellung dünner Drähte . . . . . . . . . . . . . .
2.10.1 Ströme durch einen dünnen Draht . . . . . .
3 Atome im 1/r 2 Potential
3.1 Methode des Experiments . . . . . . . .
3.2 Durchführung des Experiments . . . . .
3.3 Scannen der Drahtladung . . . . . . . .
3.4 Lichteinflüsse auf die Messungen . . . . .
3.4.1 Der Schatteneffekt . . . . . . . .
3.5 Quantitativer Vergleich zwischen Theorie
3.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . .
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und Experiment
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9
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35
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39
46
49
53
60
60
62
67
4 Der Draht als Sonde für Atomflußdichten
69
5 Van der Waals Kräfte
75
6 Atome im 1/r Potential
79
6.1 Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
6.2 Atome in Donuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
i
6.3
6.4
6.5
Simulationsrechnungen zum 1/r Potential
Magnetische Streufelder . . . . . . . . . .
6.4.1 Magnetfeld entlang des Drahtes . .
6.4.2 Magnetfeld senkrecht zum Draht .
Einfluß des elektrischen Feldes . . . . . . .
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100
104
105
106
116
7 Magnetische Atomschläuche: Die Seitenfalle
117
7.1 Integrierte Schaltkreise atomoptischer Elemente . . . . . . . . 123
Zusammenfassung und Ausblick
125
A Das Element Lithium
A.1 g-Faktoren für den Grundzustand von 7 Li
127
. . . . . . . . . . . 128
B Streutheorie in zwei Dimensionen
129
C Berechnung der Quantenstufen
133
C.1 Der unendlich dünne Draht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
C.2 Der geladene Draht endlicher Dicke . . . . . . . . . . . . . . . 137
C.3 Experimentelle Parameter für die Quantenstufen . . . . . . . . 142
D Magnetisches Moment und Magnetfeld
145
D.1 Klassische Bahngleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
D.2 Monte-Carlo Simulationen für das 1/r Potential . . . . . . . . 146
E Eine elektrisch geladene optische Faser als Atomleiter
151
F Miszellaneen
157
F.1 Spontane Kräfte in einem Drahtmagnetfeld mit Laserlicht . . . 157
F.2 Neue Magnetfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
1
wire
trap
Abbildung 1: Draht und Atom-Falle. Gezeigt wird der Blick in die Vakuumapparatur. Neben der kleinen, roten Wolke von etwa 107 Lithium Atomen
scheint rechts daneben im Laserlicht ein 10 µm dünner Draht. Weiter rechts
eine Gewindestange, die der Aufhängung des Drahtes dient.
2
Abstract
In the early days of atom optics it was desirable to separate atoms as far as
possible from material objects in order to obtain pure and isolated quantum
systems. Today cooling and trapping techniques of atoms are so well established that there is now an interest in bringing the atoms close to material
macroscopic objects. The proximity of atoms to the object allows the design
of tailored and easily controllable potentials which can be used to build novel
atom optical elements.
In order to study the feasibility of such elements we used thin free standing
wires. We chose this system because the small wire size allows the interaction
region to remain optically accessible, and the influence of the wire itself on
the atoms can be kept small.
We studied both theoretically and experimentally the interaction between cold Li atoms from a magnetic-optical trap (MOT) and a charged or
current-carrying wire. With this system, we were able to realize 1/r 2 and 1/r
potentials in two dimensions and to observe the motion of cold atoms in both
potentials.
A pure attractive 1/r 2 potential has never before been experimentally realized even though it is often discussed in classical mechanics textbooks. For
an atom in this potential, there exist no stable trajectories, instead there is
a characteristic class of trajectories for which atoms fall into the singularity.
We were able to observe this falling of atoms into the center of the potential.
Moreover, by probing the singular 1/r 2 potential with atomic clouds of varying size and temperature we extracted scaling properties of the atom-wire
interaction.
For very cold atoms and very thin wires the motion of the atoms must
be treated quantum mechanically. Here we predict that the absorption cross
section for the 1/r 2 potential should exhibit quantum steps. These quantum
steps are a manifestation of the quantum mechanical decomposition of plane
waves into partial waves.
For the second part of this work, we realized a two dimensional 1/r potential for cold atoms. If the potential is attractive, the atoms can be bound and
follow Kepler-like orbits around the wire. The motion in the third dimension
along the wire is free. We were able to exploit this property and constructed
a novel cold atom guide, the ‘Kepler guide’.
We also demonstrated another type of atom guide (the ‘side guide’), by
combining the magnetic field of the wire with a homogeneous offset magnetic
field. In this case, the atoms are held in a potential ‘tube’ on the side of the
wire. The versatility, simplicity, and scaling properties of this guide make it
an interesting technique. Because atoms are held to the side of a wire, the
3
wire may be mounted on a flat surface. This allows for simple miniaturization
and also construction of complex, integrated structures for mesoscopic atom
optical networks. For example, by simply combining two wires it may be
possible to construct an atomic beamsplitter.
In addition to producing singular potentials and new types of atom guides
we demonstrated that the wire can also be used as a probe to determine
the local density flux of atoms in a MOT. This measurement technique is
complementary to the fluorescence measurement on atomic clouds for which
only the local atomic density can be extracted.
Finally our experiments have also shown that using the wire we can measure the Van der Waals interaction between cold atoms and material surfaces.
4
Kapitel 1
Einleitung
Die rasante Entwicklung der atomoptischen Kühl- und Fallentechniken in
den letzten Jahren hatte zum primären Ziel, möglichst reine Quantensysteme
zu konstruieren [Ato89, Ada94, Bos95]. Dies gelang durch maximale Trennung und Isolierung der Atome von anderen materiellen Gegenständen. Mit
den fortschreitenden Erfolgen in der Kühlung und Manipulation der Atomzustände ist es nun von Interesse, sich mit den kalten Atomen wieder makroskopischen, materiellen Objekten zu nähern. Dies eröffnet neue Möglichkeiten
für das Studium der Wechselwirkungen zwischen kalten Atomen und Oberflächen und ermöglicht eine neue Generation maßgeschneiderter und kontrollierbarer Potentiale, in denen sich Atome bewegen können. Die Konstruktion neuer, effizienter atom-optischer Elemente wie Atomspiegel, Atomleiter,
Strahlteiler und Fallen bietet sich an [Atopt]. Erste Vorschläge zur Miniaturisierung und Zusammenfassung atomoptischer Bauelemente in integrierte
atomoptische Schaltungen liegen vor [Wei95, Den98b, Sch98, Vul98].
Dünne, freistehende Drähte sind einfache, makroskopische Körper, die
sich gut für erste Untersuchungen zur Konstruktion atomoptischer Bauelemente eignen, weil sie aufgrund ihrer Kleinheit für Laserstrahlen praktisch kein Hindernis darstellen: Die Wechselwirkungsregion bleibt optisch
vollständig zugänglich und der Einfluß des Festkörpers auf die Atome kann
kleingehalten werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wird die Wechselwirkung kalter Lithiumatome
aus einer magneto-optischen Falle mit geladenen und stromdurchflossenen
Drähten experimentell und theoretisch untersucht. Mit Hilfe der Drähte werden ein 1/r 2 Potential und ein 1/r Potential in 2 Dimensionen für kalte Atome realisiert und die Bewegung der Atome in diesen zylindersymmetrischen
Potentialen studiert.
Das 1/r 2 Potential ist ein Modell-Potential der klassischen Mechanik
[Cas50, Mor53, Lan87, Lan88, Lev67], das in der vorliegenden Arbeit zum
5
ersten Mal experimentell realisiert und analysiert werden konnte [Den98a].
In einem 1/r 2 Potential gibt es keine stabilen Bahnen. Den in theoretischen
Lehrbüchern vorhergesagte “Sturz” der Teilchen ins Zentrum konnten wir im
Experiment beobachten.
Im quantenmechanischen Regime, d.h. für kalte Atome und sehr dünne
Drähte (d.h. Radius des Drahtes Rw ist kleiner als die deBroglie Wellenlänge
der Atome λ), wird für das 1/r 2 Potential in einem theoretischen Teil der
Arbeit ein Quanteneffekt vorausgesagt: Der Absorptionsquerschnitt des 1/r 2
Potentials besteht aus “Quantenstufen”. Die Quantenstufen entsprechen einer direkten Manifestierung der quantenmechanischen Zerlegung einer ebenen Welle in Partialwellen.
Im zweiten Teil der Arbeit wird die Realisierung eines 1/r Potentials
mit einem stromdurchflossenen Draht für kalte Atome beschrieben. Atome
können in diesem 1/r Potential gebunden werden und bewegen sich in Keplerellipsen um den Draht [Vla61, Sch92]. Weil die Bewegung der Atome in
Draht-Richtung frei ist, läßt sich damit ein Atomleiter konstruieren, der in
der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal experimentell für kalte Atome demonstriert wird [Den98b].
Es wird weiterhin durch Experimente gezeigt, wie man durch Kombination des Drahtmagnetfeldes mit einem homogenen magnetischen Offsetfeld
einen weiteren Atomleiter bauen kann. Die Atome werden in diesem Fall in
einem magnetischen Potentialschlauch an der Seite des Drahtes gehalten. Dieser Atomleiter besticht vor allem durch seine Vielseitigkeit, Einfachheit und
sein Skalierungsverhalten. So kann er zum Beispiel auf einer glatten Oberfläche montiert werden, sodaß die Atome oberhalb der Oberfläche entlang
des Drahtes geführt werden. Es ist dann denkbar, durch Verknüpfung vieler solcher Drähte auf der Oberfläche eine komplexe, integrierte Architektur
atom-optischer Elemente zu ermöglichen. Zum Beispiel kann durch einfache
Kombination zweier Drähte ein Atomstrahlteiler hergestellt werden.
Es wird experimentell gezeigt, daß neben der Erzeugung der singulären
Potentiale, der Draht auch als Sonde verwendet werden kann, um den lokalen
Dichtefluß, ρ · v, in einem atomaren Ensemble zu messen. Diese Meßmethode
ist komplementär zu Fluoreszenzmessungen einer Atomwolke, in die nur die
lokale Dichte ρ der Atome eingeht.
Weiterhin zeigt sich, daß unsere Experimente eine geeignete Methode darstellen, um Wechselwirkungen wie die Van der Waals-Kraft zwischen kalten
Atomen und materiellen Oberflächen zu vermessen (siehe auch die Experimente von [Lan30]).
Die Arbeit gliedert sich wie folgt:
In dem ersten Abschnitt wird der Aufbau des Experiments, sowie die Her6
stellung und freie Aufhängung dünnster Drähte beschrieben. Es folgt dann
Theorie und Experiment zum elektrisch geladenen Draht. Anschließend werden Theorie und Experiment des stromführenden Drahtes behandelt. Einige
der theoretischen Betrachtungen werden mit ausführlichen Rechnungen im
Anhang genauer erläutert, um die Darstellung im Hauptteil übersichtlich zu
gestalten.
7
8
Kapitel 2
Experimenteller Aufbau
2.1
Die magneto-optische Falle (MOT)
Ein Hauptbestandteil unserer Experimente ist die magneto-optische Falle
(MOT) [Raa87, Lin91]. Sie dient als Quelle und Behälter eines Gases kalter
Lithiumatome. Die MOT empfängt ihre Atome von einem effusiven LithiumGasstrahl, der aus einem 380o C heißen Ofen tritt1 . Sie sammelt die Atome in
einer etwa 1 mm großen Wolke und kühlt diese auf submilli-Kelvin Temperaturen ab. In unserer Falle können einige 107 Lithiumatome gefangen werden
mit Atomdichten von etwa 1011 Atomen pro cm3 . Die Ladezeit für die Falle beträgt etwa 20 Sekunden. Durch einen zusätzlichen Laser-Bremsstrahl
(Slower), der 100 MHz rotverstimmt zur Lithium Linie ist, kann die Anzahl der gefangenen Atome um einen Faktor 5 gesteigert werden. Bei einem
Hintergrundgasdruck von etwa 6 · 10−10 Torr haben die Lithiumatome eine
Lebensdauer in der Falle zwischen 10 und 20 Sekunden (siehe Abb. 2.1).
Obwohl die magneto-optische Falle schon ein Standard-Instrument in der
experimentellen Quantenoptik darstellt, soll im Sinne einer abgeschlossenen
Darstellung kurz auf ihre Funktionsweise eingegangen werden. Die MOT basiert auf zwei Mechanismen: Kühlung und räumlicher Einschluß von Atomen.
• Die Kühlung basiert auf einer Idee von Hänsch und Schawlow [Han75],
nach der das Atom durch eine geschwindigkeitsabhängige Bremskraft
im Impulsraum eingefangen wird: Es befindet sich im rotverstimmten
Lichtfeld zweier gegenläufiger Lichtstrahlen gleicher Intensität. Bewegt
sich das Atom auf einen der beiden Strahlen zu, so wird die Dopplerverschiebung ∆ν = kv den einen Strahl näher zur Resonanz schieben
und der andere Strahl wird weiter weg ins Rote verschoben. Daraus
1
Der Ofen besteht aus einem angeflanschten Rohr, das mit einem Heizdraht (1.3 A, 40
V) von außen auf Temperatur gebracht wird.
9
CCD
Laser
Draht
Falle
Ofen
Bremsstrahl
100 MHz
Photodiode
Abbildung 2.1: Schema des Versuchsaufbaus in der Vakuumkammer.
resultiert dann ein Kräfteungleichgewicht, weil von dem Laserstrahl,
dem das Atom entgegenläuft, häufiger Photonen absorbiert werden als
vom anderen Strahl. Jedes absorbierte Photon überträgt wegen der
punktsymmetrischen Reemissionscharakteristik des Atoms im Mittel
einen Photonenrückstoß auf das Atom. Dies sollte das Atom auf die Geschwindigkeit Null bremsen. Allerdings bewirken die spontanen Emissionen des Atomes zusätzlich eine Diffusion im Impulsraum, die eine
der Kühlung entgegen wirkende ‘Aufheizung’ bedeutet. Die minimal
erreichbare Temperatur ergibt sich schließlich aus dem Verhältnis der
Diffusionsgeschwindigkeit und der Kühlgeschwindigeit. Theoretisch findet man die tiefsten Temperaturen bei einer Laserverstimmung der halben Linienbreite Γ und die erreichbare Temperatur TD ergibt sich zu
[Win79]:
m
Γ
TD =
< v 2 >= h̄
.
(2.1)
3kB
2kB
Im Fall von Lithium liegt diese Dopplertemperatur bei TD = 140µK;
sie entspricht einem Impuls von etwa 5 Photonenrückstößen. Für viele andere Elemente führen zusätzliche Kühlvorgänge zu noch kälteren
Temperaturen. Diese, unter dem Begriff Polarisationsgradientenkühlen
bekannten Schemata, wurden zufällig 1988 entdeckt[Let88]. Verschiedene Variationen dieser Kühlmechanismen sind seitdem vorhergesagt und
experimentell demonstriert worden [Ato89]. Allen ist gemeinsam, daß
10
zum Kühlen Kräfte zur Anwendung gelangen, die durch die Bewegung
des Atoms in stehenden Lichtwellen mit räumlich veränderlicher Polarisation entstehen. In Lithium treten diese Kühlprozesse jedoch nicht
in Erscheinung, weil die Hyperfeinaufspaltung des 2P1/2 Niveaus sehr
klein ist und in der Größenordnung weniger MHz liegt. Außerdem liegt
die in einer MOT für Lithium erreichbare minimale Impulsverteilung
mit 5 Photonenrückstößen sowieso schon sehr nahe an der Untergrenze
der spontanen Kühlung, dem einzelnen Photonrückstoß.
• Für eine Falle wird außer dem Einschluß des Atoms im Impulsraum
auch ein räumlicher Einschluß benötigt, der durch eine ortsabhängige
Kraft realisiert werden muß. Es zeigt sich, daß spontane Kräfte, die
allein auf einer räumlich variierenden Intensitätsverteilung basieren,
nicht geeignet sind einen dreidimensionalen Einschluß zu gewährleisten.
und der
(Dies kann aus der Divergenzfreiheit des Poyntingvektors S
abgeleitet werden
daraus folgenden Divergenzfreiheit der Kräfte F ∝ S
[Ash83].) und wird als ‘optisches Earnshaw’-Theorem bezeichnet.
Die für den räumlichen Einschluß erforderlichen räumlich variierende Kräfte auf die Atome werden nach einer Idee von Jean Dalibard
durch Ausnutzung des Zeemaneffekts in einem inhomogenen Magnet-
Energie
! ωLaser
σ+
mF
σ−
+1
0
-1
F=1
0
F=0
z
Abbildung 2.2: Die Funktionsweise einer magneto-optischen-Falle. Ein Atom
∝ zêz
mit F = 1 im angeregten Zustand erfährt im Magnetfeld der Form B
am Ort z = 0 eine Zeeman-Verschiebung, die einen der Übergänge ∆mF =
±1 in Resonanz mit dem Laserlicht bringt. Dieser Übergang kann aufgrund
der Polarisation des Lichtes nur aus einem der beiden Laserstrahlen angeregt
werden, so daß sich eine rücktreibende Kraft ergibt.
11
feld erreicht. Das Prinzip ist in Abb. 2.2 anhand eines Modellsystems
in einer Dimension dargestellt. Ein Atom mit drei magnetischen Unterzuständen MF = −1, 0, +1 im angeregten Zustand erfährt in einem entlang der z-Achse linear ansteigenden Magnetfeld der Form
= B0 z êz ) eine ortsabhängige Zeeman-Verschiebung der Über(B
gangsfrequenzen mit entgegengesetzten Vorzeichen für die Zustände
mF = −1 und mF = +1. Zwei entlang der z-Achse in entgegengesetzten Richtungen propagierende, rotverstimmte Laserstrahlen zirkularer
σ + bzw. σ − Polarisation können jeweils Übergänge mit ∆mF = −1
bzw. ∆mF = +1 anregen. Befindet sich nun ein Atom z.B. an einem Ort z > 0, so wird über die Zeeman-Verschiebung gerade der
mF = −1 Zustand näher in Resonanz mit der Lichtfrequenz geschoben.
Dieser Zustand wird durch Licht aus dem in -z Richtung propagierenden Strahl angeregt. Die daraus resultierende, in -z Richtung wirkende
spontane Lichtkraft stellt eine ortsabhängige, rücktreibende Kraft, die
dazu benutzt werden kann, Atome am Ursprung z = 0 ‘festzuhalten’.
Die magneto-optische Falle ist eine Erweiterung dieser Konfiguration
in drei Raumdimensionen. Laserstrahlen werden aus den drei Raumrichtungen x, y, z eingestrahlt und in sich zurückreflektiert. Magnetfeldgradienten in x, y und z Richtung werden durch ein Spulenpaar in
7Li
(I = 3/2, τ = 27.2ns)
22P3/2
a2 = -3.08 MHz
-15a2 /4
-11a2 /4
-3a2 /4
F2
0
1
2
9a2 /4
3
670.962(0) nm
Kühlübergang
670.961(0) nm
Rückpumper
10056 MHz
22P1/2
3a1/4
22S1/2
F1
2
803.5 MHz
-5a1/4
1
Abbildung 2.3: Ausschnitt aus dem Niveauschema für das Element 7 Lithium
nach [Lin91]. Eingezeichnet ist der zum Betrieb der magneto-optischen Falle
verwendete Übergang, sowie der Rückpumpübergang (Repumper).
12
Anti-Helmholtzkonfiguration erzeugt.
In unserer Falle haben die Laserstrahlen einen Radius von RL = 1 cm
und eine Leistung von etwa 30 mW/Strahl (eine Richtung). Abb. 2.3
stellt einen Ausschnitt aus dem Niveauschema von 7 Li dar (siehe auch
Anhang A). Das zum Laden eingestrahlte Laserlicht ist zum Übergang
22 S1/2 F = 2 → 22 P3/2 F = 3 (D2 -Linie) des Isotops 7 Li um 25 MHz
rotverstimmt. Weil die oberen Hyperfein-Niveaus von 22 P3/2 sehr eng
liegen, werden zusätzlich zum F = 3 Niveau auch noch die Niveaus
F = 2 und F = 1 bevölkert. Diese zerfallen spontan mit einer hohen
Wahrscheinlichkeit (1/2 und 5/6) in den Zustand 22 S1/2 F = 1. Auf
diese Weise würden bereits nach wenigen Mikrosekunden alle Atome in
den letztgenannten Zustand gepumpt werden. Um dies zu verhindern,
wird zusätzlich Rückpumplaserlicht eingestrahlt, dessen Frequenz resonant zum Übergang 22 S1/2 F = 1 → 22 P3/2 F = 2 ist. Die Atome
werden dann wieder in den Kühlübergang zurückgepumpt. Die Erzeugung der Laserfrequenzen wird im Kapitel 2.4 beschrieben.
Ofen
Blick von vorne
CF63
Pumpe
CF40
Blick von oben
Ofen
Abbildung 2.4: Die Vakuumaparatur des Experiments. Gezeigt wird (links)
ein Blick von oben auf die Kammer mit Turbopumpe. Rechts der Blick
von vorne auf die Kammer. Die Cf40 Rohre werden für die MOTLaserlichtstrahlen benutzt.
2.2
Die Vakuumkammer
Die Experimente mit den kalten Lithium-Atomen finden unter Ultra-HochVakuum (UHV) Bedingungen bei ungefähr 5 · 10−10 Torr statt. Die dazugehörige Vakuumaparatur besteht aus einem 6-Wege Kreuz der Dimension
13
CF63 (63 mm Innendurchmesser, Rohre aus V2A Stahl) mit vier zusätzlichen Rohren (CF40) die zwischen den CF63 Rohren angebracht sind (siehe
Abb. 2.4). Diese dienen dazu, zwei der drei Laserstrahlenpaare in die Falle einzubringen. Als Pumpe verwenden wir eine Turbopumpe (Fa. Varian,
Model Turbovac), die eine Saugleistung von 250 l/s aufweist. Eine Ionisationsröhre erlaubt es, Drücke bis 2 · 10−11 Torr zu messen. An einem CF63
Flansch ist ein kleines Rohr angeflanscht, das mit Lithiummetall gefüllt ist
[Weh96]. Das Rohr wird von außen mit einem Widerstandsdraht auf etwa
380 o C aufgeheizt, um das Lithium zu verdampfen. Durch ein 1mm großes
Loch tritt das Lithium als effusiver Strahl in die Vakuumkammer, um damit
die magneto-optische Falle zu laden.
2.3
Die Quadrupol-Magnetfeldspulen
Das magnetische Quadrupolfeld, das für den Betrieb der MOT gebraucht
wird, stammt von 2 Spulen in Anti-Helmholtz-Konfiguration mit je 65 Windungen. Die Spulen bestehen aus mit Plastikschrumpfschläuchen isolierten Kupferkapillarröhren (Außendurchmesser 2.2 mm, Innendurchmesser 1.5
mm), die mit Leitungswasser unter 3 bar Druck im Durchfluß gekühlt werden. Damit kann man problemlos kontinuierlich 30 Ampere durch die Spulen
schicken, ohne daß sie zu warm werden.
In den Experimenten dieser Arbeit wurden die Spulen jedoch nur mit
einem Strom von 9 A betrieben. Bei einem Abstand von d = 9 cm zwischen
den Spulen und einem mittleren Spulenradius von R = 4 cm ergibt sich ein
gemessener Magnetfeldgradient von etwa 14 Gauß/cm auf der Symmetrieachse. Die Spulen befinden sich außerhalb der Vakuumkammer, die aus nicht
magnetischem V2A-Stahl besteht.
Abschalten des Magnetfeldes
Das Quadrupolmagnetfeld muß in manchen unserer Experimente möglichst
schnell abgeschaltet werden können, um eine zwischenzeitliche Expansion der
Atomwolke zu verhindern. In unserem Setup erreichen wir Schaltzeiten von
0.5 ms. Abb. 2.5 zeigt den Schaltplan zur Magnetfeldabschaltung. Ein FET
(BUZ 30 A) unterbricht innerhalb weniger Nanosekunden den 9 A Stromkreis
zur Stromquelle (Fa. Heinzinger, Modell LNG 16-30, Economy Line). Aufgrund der Selbstinduktion der Quadrupolspulen mit der Induktion L baut
sich eine Spannung U gemäß
U = −LI˙
14
(2.2)
an den Spulenenden auf. Über den Darlingtontransistor baut sich die in den
Spulen gespeicherte Energie ab. Die Schaltung aus Zener-Diode und Darlingtontransistor hält die Induktionsspannung U auf konstant hohem Niveau von
80 V. Eine hohe Induktionsspannung beschleunigt die Abschaltgeschwindigkeit. Trotzdem wurde sie auf 80 Volt begrenzt, weil bei zu hohen Spannungen
die Schaltung unsicher wird und Überschläge drohen. Zudem wird die Abschaltgeschwindigkeit der Spulen durch Induktionsströme in den Wänden der
Vakuumapparatur begrenzt.
TTL
Spulen
+
BUZ 30A
Zener 80V
Schottky
Darlington
Abbildung 2.5: Durch die Spulen in Anti-Helmholtz Konfiguration fließt ein
Strom von 9 A. Um diesen Strom im Experiment abzuschalten, wird die
Stromzufuhr mit dem FET BUZ 30A unterbrochen. Induktionsströme fließen
über den Darlingtontransistor und die Schottkydiode ab. Die Schaltung aus
Zener-Diode und Darlingtontransistor hält die Induktionsspannung U auf
konstantem Niveau von 80 V, was den Abschaltvorgang beschleunigt.
2.4
Laser System
Um die magneto-optische Falle zu betreiben, werden zwei Laserfrequenzen
bei 670,962 nm benötigt. Das Laserlicht wird in einem von einem Argon-Laser
(Coherent Innova 400) gepumpten Farbstoff-Laser (Coherent Ring Laser 89921) erzeugt (siehe Abb. 2.6). Als Farbstoff benutzen wir DCM-Spezial2 . Der
2
Wir haben uns für den Farbstoff von Lambda-Chrome entschieden anstatt für den von
Radiant Dyes, weil er viel länger haltbar ist und auch eine größere Lichtleistung gibt. 22.5g des Farbstoffs werden in 400 ml Benzylalkohol über Nacht im geheizten Rührer gelöst
und dann zusammen mit 600 ml Ethylenglykol in die Farbstoffpumpe des Farbstofflasers
gegeben. Beim Anrühren sollte das Ethylenglykol auf keinen Fall schon dazugegeben werden, da es schäumt und die feinen Schaumblasen eine lange Lebensdauer haben. Geraten
sie durch die Düse in den Jet, so bricht für kurze Zeit die Frequenzstabilisierung zusammen. Der Farbstoff hat uns schon viele Nerven gekostet, weil er schlecht löslich ist und
15
Ar-Ion-Laser
BS
AOM 3
80 MHz
BS
-
Lithium
Heatpipe
Photo
dioden
AOM 1 BS
70 MHz
Polarisator
Slower
PlanSubstrat
MOT Laser
Dye- Laser
AOM 2
95 MHz
EOM
812 MHz
Zur Lockbox
Abbildung 2.6: Aufbau des Lasersystems. Das Kürzel “BS” steht für Strahlteiler (Beamsplitter). Weitere Erklärungen siehe Text.
Farbstofflaser erzeugt mit frisch angerührtem Farbstoff und einer Pumpleistung von etwa 7 Watt etwa ein halbes Watt rotes Licht. Sie fällt innerhalb
etwa anderthalb Monaten (200 Betriebstunden) auf eine Leistung von 300
mW, bei der unser Experiment gerade noch betrieben werden kann. Von
dieser Laserleistung werden etwa 20 mW benutzt, um den Laser in der Frequenz zu stabilisieren (locken). Dazu wird der Laserstrahl durch einen 75
MHz akusto-optischen Modulator (AOM) geschickt, der mit 40 kHz frequenzmoduliert ist (Hub ≈ 1MHz). Es wird dann dopplerfreie Sättigungsspektroskopie betrieben, in der ein Sonden- und Sättigungsstrahl entgegengesetzt
durch eine Lithium-“Heatpipe” laufen. Ein dritter Strahl läuft parallel dazu
durch die Heatpipe und mißt den reinen Dopplerdip ohne Lambdips. Dieses Signal wird vom Signal mit Lambdips abgezogen, um die Lambdips und
deren Ableitungen offsetfrei zu erhalten (vgl. Kapitel 2.5).
Die Heatpipe
Gewöhnliche Gaszellen eignen sich nicht für Lithium, weil es sehr schnell auf
Glasoberflächen aufdampft und sie verspiegelt. Zusätzlich greift Lithium auch
gewöhnliches Glas chemisch an und macht es stumpf. Nach vielen Versuchen
mit verschiedenen Zellentypen wurde in unseren Experimenten schließlich die
gerne einmal auskristallisiert. Es muß auf absolute Sauberkeit geachtet werden und es muß
sichergestellt sein, daß der Laserfarbstoff vollständig im Butylalkohol gelöst ist. Der Laserfarbstoff DCM Spezial hat weiterhin die unangenehme Eigenschaft, daß er leicht im Jet
zu “kochen” beginnt: Der Farbstoff sprüht dann kleinste Farbstoffspritzer und Tröpfchen
ab. Damit die Spiegel nicht beschmutzt werden, darf so etwas natürlich nicht vorkommen.
Das Spritzen tritt vor allem bei hohen Pumpdrücken (> 50 PSI, 40 PSI sind normal) und
hohen Laser-Pumpleistungen auf.
16
Heatpipe als Gaszelle eingesetzt. Sie ist ein etwa 50 cm langes Rohr, das in
der Mitte auf etwa 260o C geheizt wird und dort Lithiumgas freisetzt. An
den Enden wird das Rohr gekühlt. Das Rohr ist so lang, daß Atome auf jeden
Fall mit der kalten Wand kollidieren, bevor sie auf die Endfenster gelangen
können. So wird das Beschlagen der Fenster verhindert.
Seitenbänder mit EOM
Auf den Hauptstrahl des Lasersystems werden mittels Phasenmodulation in
einem elektro-optischen Modulator (EOM) Seitenbänder mit 812 MHz aufgeprägt. Sie dienen als Rückpumper für die MOT und enthalten 2×30% der
Laserintensität des Hauptträgers. Der EOM wird per induktiver Einkopplung
mit einigen Watt elektrischer Leistung resonanzüberhöht betrieben [Abf94].
Seine Wirkung ist stark temperaturabhängig und über einen Zeitraum von
etwa einer halben Stunde haben wir Drifts in seinen Polarisationseigenschaften festgestellt. Die Drehung der Polarisation des Fallenlaserlichtes wirkt sich
jedoch sehr stark auf Temperatur und Form der magneto-optischen Falle aus.
Um diese Drifts zu beseitigen, wurde nach den aktiven optischen Elementen
(EOM, AOM) ein Polarisator zur Filterung in den Strahlengang gegeben, was
die Stabilität und Reproduzierbarkeit unserer Messungen bedeutend erhöhte.
Beim Durchgang durch den EOM verliert der Laserstrahl etwa 25 % seiner
Leistung durch Rückreflexe.
AOMs
Nach dem EOM läuft der Laser durch den AOM 2 (-95 MHz), der zur Kontrolle der Laserintensität benutzt wird. Der Durchgang durch den AOM 3
(-80 MHz) schließlich sorgt für einen zusätzlichen, 105 MHz rot-verstimmten
Laserstrahl, der als Bremsstrahl (Slower) verwendet wird. Die Effizienz der
AOMs war sehr gut und es konnten routinemäßig 85-90 % der Laserleistung
in die erste Beugungsordnung konvertiert werden.
2.5
Der Laserlock
Während der Experimente war es wichtig, den Laser über Stunden hinweg
driftfrei auf Frequenz zu halten. Zusätzlich sollte die Laserfrequenz in einigen Millisekunden beliebig und genau verfahren werden können, ohne dabei die Richtung des Laserstrahles zu ändern, denn die magneto-optische
Falle ist sehr sensitiv auf Richtungsänderungen des Laserstrahls. Dies wird
gewöhnlich in einer AOM-Doppelpass Geometrie erreicht, in der der Lichtstrahl zweimal den AOM-Kristall durchläuft. Weil man aber üblicherweise
17
beim AOM-Doppelpass etwa die Hälfte der Laserleistung verliert, haben wir
uns für eine andere Lösung entschieden, die etwas ungewöhnlich ist, und hier
vorgestellt werden soll.
Dopplerfreie Sättigungsspektroskopie
Der Laser wird in der Ladephase der magneto-optischen Falle nach der Methode der dopplerfreien Sättigungsspektroskopie auf den Lambdip der Lithium D2 Linie gelockt [Dem88]. Ein typisches spektroskopisches Signal der
Lithium D2 Linie bestehend aus breitem Dopplerdip, den zwei Lambpeaks
und Crossoverdip findet man in Abbildung 2.7. Das Lambdipsignal wird im
Lock-In-Verstärker analysiert, der zum Signal die Ableitung liefert (siehe
Abb. 2.8). Es wird auf den Nulldurchgang des Peaks links im Bild gelockt,
(22 S1/2 F = 2 → 22 P3/2 F = 3). Dieser Nulldurchgang wird von der Kontrollbox des Farbstofflasers als Fehlersignal interpretiert und entsprechend
nachgeregelt. Dies ist allerdings nur eine langsame Regelung, die ein paar
Millisekunden Zeit in Anspruch nimmt. Intern ist der Farbstofflaser (Fa. Coherent, Modell 899-21 Ring-Laser) für den schnellen Zeitbereich bis 1/10 ms
auf eine Cavity gelockt. Von außen kann über die Kontrollbox die Eigenfrequenz der Cavity und damit die Frequenz des Lasers verstellt werden. Dieser
Kontrollbox-Eingang wird für das spektroskopische Fehler-Signal benutzt.
Lock auf Lasercavity
Da die Laser Cavity über Sekunden hinweg weniger als ein MHz driftet, haben wir uns entschieden, den Laser nur während des Ladens auf die Lithium
Linie zu locken. Im eigentlichen Experiment, wenn die Atome gekühlt werden und mit dem Draht wechselwirken, wird nur auf die Laser Cavity selbst
gelockt. Die dazugehörige Schaltung ist in Abb. 2.9 dargestellt. Das LambdipFehlersignal aus dem Lock-In Verstärker kann über einen Relais-Schalter von
der restlichen Elektronik abgetrennt werden. Ist der Schalter geschlossen,
wird das Fehlersignal in einer PI Regelstufe aufbereitet und dann in einem
Analog-Addierer mit weiteren Offset- und Steuerspannungen kombiniert und
in die Laser-Kontrollbox geschickt. Die Offsetspannung dient dazu, den Laser genau auf die Lithium Resonanzlinie zu stellen. Mit der Steuerspannung
aus dem “Labview”-Computer (der das Experiment steuert), kann dann die
Frequenz des Lasers eingestellt werden.
In dieser Konfiguration kann die Laser-Frequenz innerhalb 4 ms beliebig
innerhalb des Scanbereiches verfahren werden (Prinzipiell bis zu 30 GHz!).
Dabei ändert sich die Laserintensität und die Richtung des Laserstrahles
nicht. Wir betrieben den Farbstoff-Laser in einem Scanbereich von 500 MHz,
18
0.4
Lambdips der D2 Linie
0.35
7
von Li
Transmission [a.u.]
0.3
0.25
0.2
0.15
0.1
0.05
0
−4000
−2000
0
2000
4000
Detuning [MHz]
Abbildung 2.7: Der Dopplerdip der Lithium D2 Linien zusammen mit Lambdips (links und rechts)und Crossoversignal (Mitte).
10
Lock−In Signal
(Volt)
Ableitungen der Lambdips
5
0
−5
−10
−200
0
200
400
600
800
Detuning [MHz]
Abbildung 2.8: Das Ableitungssignal der Lambdips und des Crossoversignals.
Auf den Nulldurchgang des dispersiven Signals ganz links im Bild wird in
Innsbruck gelockt.
19
'Ableitung'
Lithiumlinie
Lock-in
Verstärker
TTL
Schalter
P
I
1 ms schnell
+
Referenz
Cavity
0.1 ms schnell
Stellmechanik
Addierer
Laser
fester Offset
(Lockbox)
variabler Offset
(Labview)
25 MHz = 0.9 V
Abbildung 2.9: Aufbau des Laserlocks. Erklärungen finden sich im Text.
wo nach letzter Kalibrierung 1 Volt am Steuerspannungseingang einen Frequenzschub von etwa 28 MHz ausmachen.
Wurde der Laser gut einjustiert und gelockt, blieb er gewöhnlich über
einen ganzen Tag lang auf Frequenz. Es wurde trotzdem gewöhnlich alle 2-3
Stunden nachjustiert, weil die Laserintensität etwa 10% pro Stunde sank.
2.6
Steuerung des Experiments
Zur Steuerung des Experimentes wurde die Computer Software “Labview”
benutzt. Labview zeichnet sich aus durch eine übersichtliche und flexible
Oberfläche, mit der vollautomatisch Experimente gesteuert, experimentelle
Daten erfaßt und auch verarbeitet werden können. Auf der anderen Seite
macht seine Langsamkeit es manchmal nahezu unbrauchbar.
In unserem Experiment kontrolliert Labview das Experiment über verschiedene Erweiterungskarten von National Instruments. So wurde eine Timer Karte, PC-TIO10, mit 10 unabhängigen 16 bit Zählern dazu benutzt,
TTL Trigger-Pulse mit einer Präzision von 5 MHz auszugeben. Eine AnalogIn/Out Karte, AT-MIO16X, dient im Experiment dazu, analoge Signale von
−10V bis +10V zu lesen als auch herauszuschreiben. Es können 16 verschiedene analoge Spannungen gemessen werden und 2 verschiedene analoge
Spannungen ausgegeben werden. Das Lesen und Schreiben der Spannungen
geschieht mit einer Auflösung von 16 Bit (z.B. 0.3 mV bei einem Meßbereich
von ± 10 Volt) und einer maximalen Samplingrate von 100 kHz. Eine zusätz20
KameraComputer
LaserFrequenz
LaserIntensität
Labview-Steuerungs-Computer
LaserEin /Aus
schalten
SlowerEin / Aus
Mech.Shutter
Hochspannungsgerät
VerschiebeSpulen
Magnetisches
Quadrupolfeld
Ein / Aus
Photodiodensignal messen
Abbildung 2.10: Mit Hilfe von Labview wird eine ganze Reihe von Geräten
gesteuert und ausgelesen.
liche GPIB Karte kann mit ‘intelligenten’ Geräten direkt kommunizieren. Da
der Computer auch am Haus-internen Ethernetz hängt, kann er auch mit
dem Computer für die CCD Kamera Informationen austauschen. Abbildung
2.10 zeigt, welche Geräte im Wesentlichen vom Labview-Computer gesteuert
und getriggert werden. In unseren Experimenten wird an einem typischen
Experimentiertag nach Vorbereitungen und Probemessungen schließlich die
Kontrolle des Experimentes vollständig an Labview übergeben. Labview arbeitet dann Serien von Messungen durch, die jeweils etwa 20 Sekunden dauern. Diese langsame Repetitionsrate ist durch die Ladezeit der MOT bedingt.
2.7
Datenaufnahme und Verarbeitung
In der Datenaufnahme wurden zwei triggerbare, interlaced Standard-CCD
Kameras (Fa. Pulnix, Modell TM 620 und TM 6AS) verwendet, mit denen
Breite, Temperatur und Ort der Wolke der gespeicherten Atome gemessen
wurden. Dazu wurden Fluoreszenzbilder der Atomwolke aufgenommen. Unter
der Annahme einer räumlich konstanten Anregungswahrscheinlichkeit innerhalb der Wolke ist die Intensitätsverteilung des abgestrahlten Lichtes proportional zur Dichteverteilung der Atome, und das Bild der Intensitätsverteilung
entspricht einem Bild der Dichteverteilung. Beide Kameras sind etwa 20 cm
von der Atomwolke entfernt. Die Abbildung auf den CCD-Chip geschieht
mit lichtstarken Standardobjektiven (z.B. Fa. Nikon, Modell Nikkor 1:1.2,
55mm). Längeneichungen ergeben typischerweise, daß der Abstand zweier
Bildpunkte auf dem CCD-Chip (‘Pixel’) einem abgebildeten Abstand in der
Fallenregion von 30 bzw. 60 µm entspricht. Eine Länge von 30 µm entspricht
auch ungefähr dem Auflösungsvermögen des Objektivs. Belichtungszeiten la21
KameraComputer
KameraComputer
Pceye
C-Programm
CCD Kamera
Matlab
Kommunikation
über DDE
Kamerasteuerung,
Bilddarstellung
LabviewComputer
Kommunikation
über Ethernet
Bildauswertung
(Temperatur,
Fallenparameter)
Experimentsteuerung
Abbildung 2.11: CCD Kamera und Computer.
gen je nach Fall zwischen 0.5 und 20 ms. Das Auslesen des Bildes geschieht
über einen Framegrabber (Fa. Eltec, Modell Pceye1), der das von der Kamera erzeugte Signal mit einer Tiefe von 8 bit digitalisiert. Das Kamera-Bild
(276 × 448 Pixel, interlaced) wird vom Framegrabber in den Computerspeicher geschrieben und von dort von einem selbstgeschriebenen C-Programm
“Pceye” in Empfang genommen (siehe Abb. 2.11). Es übernimmt das Anzeigen der Bilder auf dem Bildschirm und ihr Abspeichern auf der Festplatte.
Gleichzeitig ruft es über “DDE” (Direct Data Exchange) die Matlabumgebung3 auf und übergibt Matlab die Bilddaten, die dort bequem online analysiert werden. Weiterhin wurde der Kameracomputer über das Ethernet mit
dem Labview-Computer, der das Experiment steuert, verbunden, um Daten
austauschen zu können und die Synchronisation zu vereinfachen. Details und
genauere Ausführungen zum Pceye Programm können in der Diplomarbeit
von Gerhard Umshaus [Ums98] gefunden werden.
Die Anzahl der gefangenen Atome wird zeitaufgelöst in einer Si-PIN Photodiode (Fa. Thorlabs, Modell Det100, 13.7mm2 ) gemessen, die über einen
empfindlichen Low-Noise Stromverstärker (Fa. SRS, Modell SR570) an eine Analog-Karte (Fa. National Instruments, Modell AT-MIO 16x, 16 bit,
100 kS/s) im Labview-Computer führt. Labview übernimmt anschließend
die Aufbereitung und teilweise auch die Analyse der Daten und speichert sie
danach ab. Die Abbildung der Falle auf die Photodiode geschieht mit Hilfe
einer geeigneten, antireflexionsbeschichteten Linse (f = 70 mm, Durchmesser
=2RL = 23 mm). Der Abstand dieser Linse von der Falle beträgt r = 23
3
Matlab ist eine umfangreiche Computersoftware für numerische Mathematik und Tabellenkalkulationen.
22
cm. Damit beträgt der abgebildete Raumwinkel πRL2 /(4πr 2) = 1/1600. Mit
der Effizienz der Photodiode von 0.45 A/Watt bei 670 nm konnten wir in
unseren Messungen Lichtintensitäten bis unterhalb von 10 pW messen bei
einer Frequenzbreite von etwa 100 Hz. Das entspricht bei 2 · 107 Atomen
einer Fluoreszenzrate pro Atom von einem Photon in 400 Mikrosekunden.
Das Photodetektionssystem war in dieser Einstellung so empfindlich, daß es
als Bewegungsmesser im Labor benutzt werden konnte: Näherte man sich
dem Detektor während der Messung, so wurden kapazitiv Ströme induziert.
Deswegen lieferten die Experimente immer besonders gute Daten, wenn sich
vorübergehend niemand im Labor aufhielt...
2.8
Temperatur und Verteilung der Atome in
der MOT
Zur experimentellen Bestimmung der Temperatur T ∝< v 2 > wird die freie
Expansion der Wolke von Atomen nach Abschalten der Falle beobachtet
[Kun96]: Unter der Annahme eines nicht wechselwirkenden Ensembles von
Teilchen werden sich die Atome nach Abschalten der Laserstrahlen aufgrund
ihrer Geschwindigkeitsverteilung ρv frei auseinander bewegen. Aus der Geschwindigkeit der Expansion kann dann auf die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit < v 2 > geschlossen werden. Dabei ergibt sich die Größe der
Wolke zur Zeit t aus der Orts- und Geschwindigkeitsverteilung zu Beginn der
Expansion ρr ρv . Wurde die Falle zum Zeitpunkt t = 0 ausgeschaltet, so hat
sich nach der Zeit t jedes Atom um die Strecke r = v t bewegt. Die Dichte am
Ort r zum Zeitpunkt t ergibt sich daher aus der Integration über alle Atome der Anfangsverteilung, die sich während der Zeit t an den Ort r bewegt
haben
ρr (r, t) = ρr (r − v t, t = 0)ρv (v )dv.
(2.3)
Die Ortsverteilung ρr (r) und Geschwindigkeitsverteilung ρv (v ) der Atome in
einer MOT ist unter normalen Bedingungen zu einer sehr guten Näherung
durch eine Gaußverteilung gegeben,
ρ(r, v) = ρr (r)ρv (v )
1
1
1
= √ 6
×
( 2π) σx σy σz σvx σvy σvz
x2
y2
z2
exp − 2 exp − 2 exp − 2 ×
2σx
2σy
2σz
2
vy
vx2
vz2
exp − 2 exp − 2 exp − 2 .
2σvx
2σvy
2σvz
23
(2.4)
Dies rührt daher, daß die Verteilungsfunktion durch eine Boltzmannverteilung beschrieben wird und daß die magneto-optische Falle näherungsweise
durch ein harmonisches Potential V genähert werden kann [Raa87].
Sind die Geschwindigkeitsbreiten σv ≡ σvx = σvy = σvz gleich (was durchaus in einer MOT nicht der Fall ein muß), so läßt sich die Temperatur des
Atomgases definieren durch:
Mσv2 = kB T,
(2.5)
wo M die Masse des Atoms ist und kB die Boltzmannkonstante. Die Temperatur T kann aus dem Expansionsverhalten von ρr (r, t) bestimmt werden.
Unter der Annahme der Verteilung gemäß Gl. (2.4) separieren die drei Ortskoordinaten, und es ergibt sich die eindimensionale Ortsverteilung ρx (x, t):
ρx (x, t) ∝
vx2
(x − vx t)2
exp −
exp
dvx .
2σx2
2σv2
(2.6)
Die Ortsverteilung ρx (x, t) entsteht aus einer Faltung zweier Gaußfunktionen
der Breiten σx und σv t. Das Ergebnis ist wieder eine Gaußfunktion der Breite
σx (t),
1
x2
exp −
ρx (x, t) = √
2σx (t)2
2πσx (t)
mit
(2.7)
σx (t) =
σx2 (t = 0) + (σv t)2 .
(2.8)
Die volle Breite (FWHM) der Dichteverteilung ρx (x, t) zum Zeitpunkt t ist
also gegeben durch
√
∆x(t) = 8 ln 2 σx (t).
(2.9)
Zur Messung der Temperatur werden die Laserstrahlen und das QuadrupolMagnetfeld der MOT zum Zeitpunkt t = 0 abgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt expandiert die Atomwolke frei gemäß Gl. (2.8) für eine variable Zeit
von ein paar ms (typisch 0.5 bis 5 ms). Nach der Expansionszeit wird das Laserlicht wieder blitzartig eingeschaltet und es wird mit der CCD-Kamera ein
Bild von der Atomwolke aufgenommen mit einer typischen Belichtungszeit
von 0.5 bis 1 ms.
Innerhalb dieser Belichtungszeit verändert sich die Größe und Form der
Falle praktisch nicht, da die Atome in einer optischen Melasse “eingefroren”
sind: Die Atome streuen ununterbrochen Photonen und bewegen sich in einer
Art Brownschen Bewegung, sodaß die Atomwolke nur sehr langsam auseinander diffundiert4 .
4
Eine theoretische Abschätzung
√ liefert
√ für die diffusive Ausdehnung eines punktförmigen atomaren Ensembles σx = σv 2τ t, wo τ die typische Abbremszeit der Atome in der
Melasse angibt [Let89]. Für Lithium gilt ungefähr τ = 14 µs. In t = 10 ms wächst z.B. ein
punktförmiges atomares Ensemble dann auf nur σx = 0.5 mm.
24
0.5 ms
1.5 ms
2.5 ms
3.5 ms
4.5 ms
5.5 ms
0
5
10
P os ition [m m ]
Abbildung 2.12: Frei expandierende Atomwolke. Links: Bilder der expandierenden Wolke nach unterschiedlichen Zeitschritten in FalschfarbenDarstellung. Die y-Achse der Bilder ist im Vergleich zur x-Achse um einen
Faktor 2 gestaucht. Deswegen erscheinen die Wolken als Ellipsen. Unterhalb
der Atomwolke ist der Draht zu erkennen, hier allerdings nur als “passiver”
Zuschauer. Rechts: Waagrechter Schnitt durch die Atomwolke und Gauß’sche
Fitkurven. Die atomare Wolke wird sehr gut durch eine Gaußverteilung beschrieben.
25
5
4.5
4
267 µ K
465 µ K
798 µ K
Breite σx [mm]
3.5
3
2.5
2
1.5
1
0.5
0
0
1
2
3
Expansions−Zeit [ms]
4
5
Abbildung 2.13: Je nach Temperatur der Atom-Falle expandiert das atomare
Gas schneller oder langsamer. σx ist die Breite der gaußförmigen Atomwolke.
Die Bilder der Falle spiegeln dann die Dichteverteilung ρr (r, t) wider.
Durch das Anfitten von Gaußverteilungen kann daraus die Breite σx (t) bestimmt werden. Abb. 2.12 zeigt Bilder der expandierenden MOT und Schnitte
durch die Atomverteilungen. Die atomare Wolke wird offensichtlich sehr gut
zu allen Zeiten durch eine Gaußverteilung beschrieben, was den Ansatz zur
Dichteverteilung in Gl. (2.4) bestätigt.
Wiederholte Messungen für verschiedene Expansionszeiten t erlauben die
Messungen der Größe der Wolke in Abhängigkeit der Zeit t. Abb. 2.13 zeigt
eine entsprechende Auftragung der Breiten σx (t) gegen die Expansionszeit t.
Aus dieser Auftragung kann durch einen erneuten Fit der in Gl. (2.8) gegebenen Form die Temperatur bestimmt werden. Für die gezeigten Beispiele
beträgt die Temperatur 270, 470 und 800 µK mit einem Fehler von etwa 40
µK.
Meßgenauigkeit
Die Unsicherheiten in der Temperaturmessung stammen von den Unsicherheiten der Pixelabstands-Kalibrierung und von den Schwankungen der Falle
selber. Zur Messung der Temperatur darf die “Melasse” als ganzes sich nicht
bewegen. Zu einer Bewegung der Melasse kommt es, falls Offsetmagnetfelder
26
1200
600
25 MHz Detuning
6 MHz Detuning
Temperatur µK
Temperatur µK
1000
800
500
600
15 MHz Detuning
10 MHz Detuning
400
400
200
0 −1
10
300
10
0
10
1
10
2
3
10
Intensität des Lasers [mW]
Abbildung 2.14: Die Temperatur der
Atome hängt von der Intensität des
Fallenlasers und seinem Detuning ab.
Für Lithium werden die niedrigsten
Temperaturen von etwa 200 µK erzeugt
bei geringem Detuning und niedriger
Leistung. Die “Intensität des Lasers”
ist die totale Intensität des Fallenlasers
mit Seitenbändern. Dieser Laserstrahl
wird noch aufgeweitet und auf die drei
Fallenstrahlen aufgeteilt.
0
0.05
0.1
0.15
0.2
t(on) / t(off)
Abbildung 2.15: Die Temperatur
der Falle ist ebenfalls eine Funktion des “Chopverhältnisses”, wenn
die Falle gepulst betrieben wird.
Je kürzer die Atome angeblitzt
werden, desto kälter werden sie.
existieren oder gegenläufige Laserstrahlen verschiedene Intensitäten aufweisen. In unserem Aufbau wurde meist das Ungleichgewicht der Laserstrahlen
durch entsprechende Offsetmagnetfelder ausgeglichen, um die Melasse zum
Stillstand zu bringen.
Gemessene Temperaturen
Für die Lithium MOT liegen die Temperaturen typischerweise im Bereich
zwischen 200 µK und 1 mK. Anders als bei anderen Elementen gelangt man
für Lithium zu den kältesten Temperaturen bei niedrigen Laserleistungen
und geringem Detuning (etwa 6 MHz). Im Rahmen der Diplomarbeit von
G. Umshaus [Ums98] wurde die Abhängigkeit der Temperatur von Laserleistung, Detuning und weiteren Parametern ausgemessen. Abb. 2.14 zeigt
Messungen zur Abhängigkeit der Temperatur der Atome von der Intensität
des Lasers und seinem Detuning. Deutlich ist zu erkennen, daß die Temperatur mit sinkender Laserintensität abnimmt. Die Intensität des Lasers kann
27
0.25
nicht beliebig klein gewählt werden, da sonst die Atome aus der Falle entkommen. Deswegen wird für ein Detuning von 25 MHz mehr Leistung benötigt
als für 6 MHz. Die Daten wurden über einen Zeitraum von vielen Wochen
gesammelt und geben gleichzeitig einen Eindruck zur Reproduzierbarkeit der
Fallenparameter.
Gepulste Falle
In einem Teil unserer Experimente betrieben wir die magneto-optische Falle
in einem gepulsten Modus. Das Laserlicht wurde in kurzen Intervallen einund ausgeschaltet (typisch 0.5 ms aus, 50 µs an). Erstaunlicherweise fanden wir eine Abhängigkeit der Temperatur von den Schaltzeiten: So sinkt
zum Beispiel die atomare Temperatur je kürzer die Beleuchtungsdauer der
Atome ist. Dies zeigt Abb. 2.15. Diesen Kühleffekt kann man sich wie folgt
erklären: In den Dunkelpausen expandieren die Atome frei, die Dichte der
Atome in der Wolke sinkt dadurch. Mit der Atomdichte sinkt auch gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit der Vielfachstreuung eines Photons im Atomgas
(ein Fluoreszensphoton wird durch eine zweites Atom in der Falle reabsorbiert.). Die Vielfachstreuung ist aber gerade ein Heizprozeß in der MOT.
2.9
Atomanzahl der Falle
Die Atomanzahl in der Falle wird bestimmt, indem die Fluoreszenz der Atome in der MOT mit Hilfe einer geeichten Photodiode gemessen wird. Dazu wurde bei voller Laserleistung innerhalb von 100 ms die Laserfrequenz
der Fallenstrahlen über die Lithiumlinie gefahren. In dieser Zeit steigt das
Fluoreszenzsignal der Atome solange, bis bei der Resonanzfrequenz der Lithiumlinie schließlich die Falle instabil wird und birst. Ziel ist es, die Atome
maximal zu sättigen. Dann ist jedes Niveau im Grund- und angeregten Zustand gleichbesetzt. Lithium hat 16 Zustände im angeregten Zustand (2P3/2 )
und 8 Zustände im Grundzustand (2S1/2 ). Die Lebensdauer jedes angeregten
Zustands beträgt 27.2 ns.
Eine Linse mit einem Linsenradius von RL = 11.5 mm im Abstand
Ra = 23 cm von der MOT bildet das Bild der fluoreszierenden Falle durch
eine Iris auf die Photodiode ab. Der dazugehörige Raumwinkel beträgt
(πRL2 )/(4πR2 ) = 1/1600. Das Fluoreszenzlicht einer Falle von typischerweise
2 · 107 Atomen erzeugt dann in der Photodiode (0.45 A/W bei 670nm) einen
Strom von 40 nA.
Obwohl dies die einfachste und schnellste Weg ist, die Atomanzahl zu
bestimmen, haben wir noch andere Methoden zur Atomzahl und Dichtebe28
stimmung getestet und verglichen.
Dazu wurde ein schwacher Laser-Probe-Strahl einer Laserdiode durch die
MOT fokussiert, dessen Frequenz über die beiden Lithiumlinien in etwa einer Sekunde gefahren wurde. Die Absorption des Laserstrahles in der MOT
wurde von einer Photodiode gemessen.
In einer dritten Methode wurde das Licht der Laserdiode aufgeweitet und
als breiter Strahl durch den Fallenbereich in eine CCD Kamera geschickt. Die
CCD Bilder zeigen die Absorption des Lasers in der MOT als ortsaufgelöstes
Bild. Bei dieser Methode müssen noch zusätzliche Hintergrundbilder aufgenommen werden (Laserstrahl ohne Falle), die von den Absorptionsbildern im
Computer elektronisch subtrahiert werden. Ergebnisse und Bilder sind in der
Diplomarbeit von Alexander Kasper zu finden [Kas98].
2.10
Herstellung dünner Drähte
Für die Drahtexperimente werden Drähte unterschiedlicher Dicke und
Leitfähigkeit benötigt. Für die Beschaffung dünner Drähte gibt es im wesentlichen drei Methoden: 1) Dünne Metalldrähte kaufen. 2) Sehr dünne Metalldrähte ätzen. 3) Sehr dünne Quarzfäden ziehen und mit einer Metallschicht
bedampfen (siehe auch [Sac82]).
1. Wolfram-Drähte bis 4µm Dicke können auf Rollen gewickelt im Handel
bezogen werden [Good]. Obwohl ein 4µm Draht schon so dünn ist,
daß er nur noch mit Mühe mit dem bloßen Auge im normalen Licht
gesehen werden kann, läßt er sich doch noch relativ einfach handhaben.
Dabei machte sich ein Arbeitsmikroskop der Firma Wild/Heerbrugg
(Modell M8, 20×Vergrößerung) verdient, das den Vorteil hat, daß das
Mikroskopobjektiv bis zu 8 cm vom Objekt entfernt ist. Der Draht
läßt sich sehr gut bewegen und einspannen, wenn man an seinen Enden
kleine Klebestreifen anklebt. Der 4µm Draht ist gerade noch so dick,
daß man zumindest am Ruck in den Fingern merkt, wenn er gerissen
ist. Die Wolframdrähte sind relativ sauber oder lassen sich leicht in
Aceton und Isopropanol reinigen und variieren in der Dicke etwa um
10% über einen Zentimeter Länge.
2. Für noch dünnere Metallfilamente empfehlen sich Wollaston Drähte.
Diese sind dünne Silberdrähte (0.1mm Durchmesser), die einen feinen
Platinkern mit einem Radius zwischen 120 nm und 500 nm haben.
In Salpetersäure (Konzentration 20 bis 30 %) wird der Silbermantel
dann weggeätzt. Platin ist chemisch edler als das Silber und wird von
29
HNO3
CCl4
Abbildung 2.16: Herstellung und Aufhängung des Wollaston-Drahtes.
der Salpetersäure nicht angegriffen. Im Vergleich zu den dickeren Wolframdrähten sind die Platindrähte aufgrund ihres kleinen Durchmessers
und des weicheren Materials um Größenordnungen zerbrechlicher. Es
soll nun kurz besprochen werden, worauf beim Ätzen der Drähte zu
achten ist und wie man die Drähte am besten montiert und spannt.
Folgende Methode hat sich bewährt: Man spannt den Wollastondraht
an einem Ende in die Fassung ein (siehe Abb. 2.16) und läßt zunächst
das andere Ende frei hängen5 . Der Wollaston-Draht wird dann in die
Salpetersäure eingetaucht und über eine Länge von etwa 5 cm geätzt.
Das dünn geätzte Metallfädchen ist äußerst leicht und wird vom kleinsten Lufthauch wie eine Spinnwebe weggetragen. Um zu verhindern,
daß der Draht beim Herausziehen aus der Lösung unkontrolliert durch
die Lüfte schwebt, kann sein freies Ende beschwert werden. Dies hält
den Draht an Ort und Stelle und spannt ihn gleichzeitig. Das Beschweren des Drahtes gelingt, indem man etwa 1-1.5 cm des unteren Teils
des Drahtes nicht ätzt. Dazu wurde Tetrachlorkohlenstoff verwendet,
das schwerer als Salpetersäure ist, zudem inert und hydrophob. Säure
und ‘Tetra’ durchmischen sich also nicht. Man taucht den Draht durch
5
Spannt man beide Enden von Anfang an ein und ätzt dann den Draht in der Mitte,
so zerreißt er. Dies liegt wahrscheinlich an inneren Spannungen im Metall des WollastonDrahtes zwischen den beiden Enden. Wird an einer Stelle der dünne Teil des Wollaston
Drahtes freigelegt, so ziehen an ihm die gesamten inneren Spannungs-Kräfte.
30
drehbare
Hebebühne
Drahtaufhängung
Salpetersäure
Abbildung 2.17: Bild der Hebebühne zur Drahtherstellung. Die Arbeiten geschehen am besten im Reinraum des Institutes, der Staubfreiheit und die
nötige Ruhe garantiert.
die Säure in das Tetra. Das Drahtende, das in Kontakt mit dem Tetrachlorkohlenstoff ist, wird nicht weggeätzt6 . Beim Ätzen des Drahtes
werden Gase (Stickoxid NO) frei,
3Ag + 4HNO3 −→ 3AgNO3 + NO + 2H2 0 ,
(2.10)
die zunächst als kleine Blasen auf dem Draht sitzen. Werden die Blasen zu zahlreich, so können sie den Draht aus dem Tetra herausheben.
Deswegen sollte nicht zu schnell geätzt werden. Nach einem Ätzvorgang
ist der Draht oft noch nicht sauber, er kann nach dem Abschöpfen der
Säure mit einer Hebebühne aus dem Tetra gehoben werden und in
Aceton und Isopropanol gereinigt werden. Der Draht wird danach oft
ein zweites Mal einem konzentrierteren Säurebad ausgesetzt, um letzte
Reste Silber aufzulösen. Nach dem Ätzvorgang läßt sich der Draht mit
der Hebebühne aus der Lösung heben (Abb. 2.17 ). Durch anschließendes Kippen der Drahthalterung kommt das Drahtende auf einem mit
elektrisch leitendem UHV Kleber benetzten Metallplättchen zu liegen
und wird in gespanntem Zustand fixiert. Bis jetzt sind auf diese Weise Drähte bis zu einem Radius von 250 nm erfolgreich geätzt und in
6
In anderen Versuchen wurde das Drahtende mit Gold bedampft, um das darunterliegende Silber vor der Säure zu schützen. Man könnte dann auf die Arbeit mit Tetrachlorkohlenstoff verzichten, das sehr leicht flüchtig und toxisch ist. Diese Versuche scheiterten
allerdings, weil die Säure sich rasend schnell unter die Goldschicht hineinfrißt — es bildet
sich ein mikroskopisches Goldtöpfchen.
31
eine Halterung wie in Abb. 2.16 eingebaut worden. Ein Draht mit einem Radius von nur 100 nm konnte ebenso über eine Länge von 1
cm geätzt werden und in einer kleineren Halterung montiert werden.
Die 100 nm Drähte sind um ein Vielfaches empfindlicher als die 250
nm Exemplare, und nur einer von vielen Ätzvorgängen führt zum Ergebnis. Deswegen ist es sinnvoll, diese Drähte in einer verkleinerten
Halterungsversion einzubauen. Abb. 2.18 und 2.19 zeigt eine kleine
Gallerie von Drähten verschiedener Größen. Deutlich erkennbar ist ein
Hauptproblem: Auf der Drahtoberfläche haften unerwünschte Verunreinigungen und Staub. Zusätzlich bildet sich über einen längeren Zeitraum innerhalb der Vakuumkammer auf dem Draht ein Überzug: Der
Draht steht im Lithiumstrahl unseres Lithiumofens. Atome, die auf den
Draht treffen, bilden eine Lithiumkruste. Diese sollte aber prinzipiell
durch Ausheizen des Drahtes aufzulösen sein. Die Bilder zeigen Beispiele für Drähte (Drahtabschnitte), die sich teilweise mehrere Monate
in Vakuumsystem befanden und dem Lithiumstrahl ausgesetzt waren.
Die Aufnahmen wurden mit einem Rasterelektronenmikroskop des Institutes aufgenommen (Zeiss, DSM 950). Dieses Mikroskop hat eine
maximale Auflösung von 50 nm.
Wollaston Drähte bezogen wir von der Firma Goodfellow oder Leico
[Good, Leico]. Goodfellow verkauft halb-Meterware mit Preisen von
etwa 10000 ATS pro Meter. Leico möchte mindestens 10 Meter Draht
verkaufen zu einem Preis von 2500 ATS pro Meter.
3. Sehr dünne Fäden können mit etwas Geschicklichkeit auch aus
Quarzfäden gewonnen werden. Dabei verwendet man einen Quarzstab,
der in eine heiße Wasserstoff- oder Acetylen-Flamme (bis 3200 o C) gehalten wird. Schmilzt das Quarzglas7 bei 1500 o C, so kann man den
Quarzstab in der Flamme dünnziehen. Ab einer bestimmten Dicke wird
schließlich das Quarzfädchen reißen und die beiden Enden werden vom
glühenden Luftstrom der Flamme mitgerissen, wo sie sich weiterhin
verjüngen. Die Quarzstabenden werden anschließend aus der Flamme
entfernt und mit etwas Glück hängen die dünnen etwa 30 cm langen
Quarzfäden noch daran und schweben in der Luft. Die Kunst besteht
nun darin, sie zu finden, aufzufangen und einzuspannen. Dies kann
auf folgende Weise getan werden: Mit einer Metallgabel streicht man
durch die Luft und hofft, die Quarzfäden aus der Luft zu fischen. Anschließend können die auf der Gabel aufgefangenen Quarzfäden mit
7
Quarz existiert in verschiedenen Modifikationen. β−Cristobalit z.B. schmilzt erst bei
1700 o C. Bei langem Glühen des Quarzglases wandelt es sich in β−Cristobalit um [Hol60].
32
Abbildung 2.18: Dünne Drähte unter dem Elektronenmikroskop.
33
Abbildung 2.19: Dünne Drähte unter dem Elektronenmikroskop.
34
Gold bedampft werden und unter dem Mikroskop vermessen werden.
Es wurden8 auf diese Weise in Innsbruck Quarzdrähte bis zu einem
Durchmesser von 200 nm hergestellt. Glücklicherweise ist Quarz wesentlich stabiler als Platin und der Umgang mit den Quarzdrähten
nicht ganz so kritisch. In einem nächsten Schritt muß der Quarzfaden
von der Gabel auf die UHV Halterung übertragen werden. Dazu nähert
man dem Draht vorsichtig die Halterung, die mit zwei mit UHV Kleber bestrichenen Metallplättchen versehen ist, bis der Draht auf beiden
Metallplättchen zu liegen kommt. In diesem letzten Schritt konnte bisher nur ein 3.5 µm Quarzfaden erfolgreich in die Halterung eingespannt
werden.
V
V
Draht 4.6 Ω
10 Ω
Spannungstreiber
Pulsgen.
Trigger
Abbildung 2.20: Sicherheitsschaltung für die Stromversorgung des Drahtes.
2.10.1
Ströme durch einen dünnen Draht
Der in der ersten Generation verwendete Draht unserer Stromexperimente
war 50 µm dick und etwa 10 cm lang. Er bestand aus Wolfram und hatte
einen Widerstand von RD = 4.6 Ω, wenn er kalt war. Ein konstanter Strom
von etwa 100 mA brachte den Draht im Vakuum zu einem zarten orange
Glühen, und sein Widerstand stieg auf etwa 13 Ω. Wegen der Infrarotempfindlichkeit der CCD Kameras und weil der Draht auf keinen Fall durchbrennen
sollte, ist ein heißer Draht für die Experimente unbrauchbar. Um einen ‘kalten’ Draht zu haben und gleichzeitig hohe Ströme, wurde der Draht gepulst
betrieben. Bis zu 40 Millisekunden konnte ein Strom von etwa 1 A durch
den Draht geschickt werden, danach durfte er sich für eine Zeitdauer von
etwa 20 Sekunden abkühlen. Das Abkühlen geht relativ langsam vor sich,
8
G. Umshaus hat sich mit der Herstellung dieser Quarzfäden befaßt und gibt nähere
Ausführungen dazu in seiner Diplomarbeit [Ums98].
35
5
4.5
Dicke: 25 µm
Dicke: 50 µm
Maximaler Strom [A]
4
3.5
3
2.5
2
1.5
1
0.5
0
0
0.05
0.1
0.15
0.2
0.25
0.3
Zeit−0.5 [ms−0.5]
Abbildung 2.21: Eingetragen sind die maximalen Ströme zu verschiedenen
Stromflusszeiten ∆t für einen 50 µm Kupfer-Draht, die den Draht gerade
noch nicht zum Glühen bringen. Man erkennt, daß der Strom in den Heizprozeß quadratisch eingeht. Eine Verdopplung des Stroms viertelt die Experimentierzeit ∆t.
da es im Vakuum praktisch vollständig über Wärmestrahlung stattfindet.
Im Laufe eines Pulses erwärmt sich der Draht aufgrund ohmscher Verluste
und seine Temperatur kann zeitaufgelöst über seinen Widerstand abgelesen
werden. Eine Temperatur, die einem Widerstand von 10 Ω des Drahtes entsprach, wurde von den CCD Kameras noch nicht gesehen und als maximale
Endtemperatur eines experimentellen Durchlaufs festgelegt. Um eine hohe Sicherheit vor dem Durchbrennen des Drahtes zu gewährleisten, verwendeten
wir den in Abb. 2.20 gezeigten Aufbau. Ein programmierbarer Pulsgenerator (Fa. SRS, Modell DS345) bekommt von der Timer-Karte (National Instruments, PC TIO-10) des Steuerungscomputers (Windows, Labview) einen
Startpuls und generiert dann einen vorprogrammierten Puls, der eine stromstarke Spannungsquelle steuert. Sollte das Computersystem abstürzen9 , so
sorgt der Pulsgenerator als Sicherheitsstufe dafür, daß nicht unkontrollierte
Ströme durch den Draht fließen. Ebenso macht die Verwendung einer Spannungsquelle anstatt eines Stromtreibers die Gefahr des Durchbrennens weniger kritisch: Heizt sich der Draht sehr stark auf, so steigt sein Widerstand
und es fließt weniger Strom. Vor den Draht ist ein geeichter Widerstand von
RRes = 10 Ω vorgeschaltet. Er wird benutzt, um bequem auf einem Oszilloskop den Strom durch den Draht zu messen und den aktuellen Widerstand
9
Auf diese Weise verloren wir schon einen Draht.
36
des Drahtes zu bestimmen. Gleichzeitig stabilisiert der 10 Ω Vorwiderstand
RRes ein wenig den Stromfluß durch den Draht, der durch das Aufwärmen
seinen Widerstand RD von 4.6 Ω bis auf 10 Ω vergrößert. Der Strom sinkt
dann nicht um einen Faktor 4.6/10, sondern nur um einen Faktor 14.6/20 =
0.73.
Die Aufheizung des Drahtes in der Zeit ∆t ist einerseits bestimmt durch
seine Wärmekapazität und die durch den Strom verursachte Wärmeleistung
P innerhalb des Drahtes. Um die Temperatur des Drahtes um einen bestimmten Betrag zu erhöhen, braucht man eine Energie ∆E, die aus dem
elektrischen Strom stammt,
2
∆E = P ∆t = RD I ∆t = RD
U
RRes + RD
2
∆t,
(2.11)
wo U die angelegte Spannung ist und I der Strom durch die Widerstände.
Gleichung (2.11) scheint nur für kurze Zeiten ∆t richtig zu sein, da ja der
Widerstand RD mit der Zeit wächst, RD (∆t) ≈ RD (0) + const ∆t. Allerdings
fällt zur gleichen Zeit der Strom I. In unserem Fall (2 RD ≈ RRes ) heben
sich diese beiden Effekte gerade in der ersten Ordnung gegeneinander weg
und Gl. (2.11) liefert korrekte Werte auch für längere Zeiten ∆t. ∆E ist festgelegt durch die maximale Temperatur, die der Draht erreichen darf. Möchte
man die Stromflußzeit √
∆t um einen Faktor 2 erhöhen, so braucht der Strom
nur um einen Faktor 2 verkleinert zu werden. Dieser Zusammenhang ist
auch in Abb. 2.21 zu erkennen. Eingetragen sind die maximalen Ströme zu
verschiedenen Stromflußzeiten ∆t, die einen 50µm Kupfer-Draht gerade noch
nicht zum Glühen bringen.
Für das Experiment bedeutet das: wurden in Strom-Experimenten die
Atome nur 20 ms lang anstatt 40 ms dem stromführenden
Draht ausgesetzt,
√
so konnte die Stromstärke gefahrlos von 1 A auf 2 A = 1.4 A angehoben
werden.
37
38
Kapitel 3
Atome im 1/r2 Potential
In diesem Kapitel wird gezeigt, wie man ein 1/r 2 Potential für Atome durch
elektrisches Aufladen eines Drahtes herstellen kann. Es wird die klassische
und quantenmechanische Bewegung des Atoms in diesem Potential studiert.
Wir werden sehen, daß die starke Singularität des 1/r 2 Potentials stabile Bahnen von Atomen um den Draht verbietet. Atome stürzen in die Singularität
ähnlich einem Sturz in ein schwarzes Loch.
Im Grenzfall sehr dünner Drähte und sehr kalter Atome gelangt man in ein
Quantenregime: die Quantisierung des Drehimpulses der externen Bewegung
der Atome sollte auf direkte Weise beobachtbar sein. Die physikalischen Ideen
zu dieser Vorhersage werden vorgestellt, detaillierte Berechnungen befinden
sich aber im Anhang. Theorie und Experiment sind in kompakter Form in
[Den97, Den98a] veröffentlicht worden.
Wir betrachten nun ein neutrales Atom im radial-symmetrischen elektri (Zylinderkoordinaten) eines geladenen, dünnen Drahtes. Das
schen Feld E
elektrische Feld hat die Form
=
E
1 q
U êr
êr =
,
2π(0 r
ln( RRwg ) r
(3.1)
wobei êr der Einheitsvektor in radialer Richtung und q die elektrische Linienladung auf dem Draht (Einheit [C/m]) ist. Im Experiment wird der Ladezustand des Drahtes über die Spannung U zwischen Draht mit Radius Rw und
Vakuumkammer (Radius Rg ) kontrolliert (siehe Abb. 3.1b). Das elektrische
Feld E induziert im Atom ein elektrisches Dipolmoment di ,
di = αE,
wo α die Polarisierbarkeit des Atoms ist. Wir nehmen im Folgenden an, daß
die Polarisierbarkeit α des Atoms eine skalare Größe ist, was im allgemeinen
39
a)
Linienladung q
+
+
+-
Wände der
Vakuumkammer
E
Rg
Atomare Dipole
(Polarisierbarkeit α )
-+
b)
Atom
r
Draht
2Rw
+
Abbildung 3.1: a) Neutrale Atome wechselwirken mit einem geladenen Draht:
Das elektrische Feld E induziert in den neutralen Atomen mit der Polarisierbarkeit α ein elektrisches Dipolmoment. In dem inhomogenen elektrischen
Feld resultiert eine anziehende Kraft auf den geladenen Draht. b) zeigt die
Geometrie unseres Setups: Der Draht ist mit einem geerdeten Zylinder umgeben (die Wände der Vakuumapparatur). Dies definiert die Randbedingungen
des elektrischen Feldes.
der Fall ist für Alkaliatome im Grundzustand. Wegen der Inhomogenität des
elektrischen Feldes um den Draht (1/r Abfall) erfährt das Atom ähnlich wie
in einem Stern- Gerlach Versuch eine anziehende Kraft auf den Draht. Wenn
so
wir alle anderen Wechselwirkungen vernachlässigen wie z.B. c12 µ · (v × E),
lässt sich das Wechselwirkungspotential in zylindrischen Koordinaten (der
Draht läuft entlang der z-Achse) wie folgt schreiben,
1
1
1
Vpol (r) = − di E = − αE 2 (r) = −
2
2
2π(0
2
α q2
.
2r 2
(3.2)
Dieses Potential ist immer anziehend und seine Stärke kann über die Drahtladung q kontrolliert werden. Seine Zylindersymmetrie ist offensichtlich und
bedingt die Erhaltung des Drehimpulses in z-Richtung, der Richtung des
Drahtes. Weil Bewegungskomponenten der Atome entlang der z-Achse frei
sind, können unsere Betrachtungen also auf Bewegungen in zwei Dimensionen
(x,y-Richtung) beschränkt werden.
Vpol hat genau die gleiche radiale (1/r 2 ) Abhängigkeit wie das abstoßende
Zentrifugalpotential
VL = L2z /2Mr 2
zum Drehimpuls Lz . Das Zentrifugalpotential VL ist bekannt aus Lehrbüchern
der Mechanik. Es ist berühmt, weil es die Bahnen von Teilchen in allen rota40
Lz < Lcrit
Lz > Lcrit
x Achse
Draht
y Achse
Abbildung 3.2: Gezeigt werden zwei klassische Trajektorien mit Lz < Lcrit
und Lz > Lcrit . Wenn der Drehimpuls des Atoms um den Draht zu klein ist,
stürzt das Atom spiralförmig ins Zentrum, anderenfalls wird es gestreut und
läuft ins Unendliche.
tionssymmetrischen Potentialen stabilisiert, die für kleine Distanzen r langsamer gegen unendlich streben als 1/r 2 . Zum Beispiel verhindert das Zentrifugalpotential das Fallen der Erde auf die Sonne. Wie steht es nun mit einem
attraktiven 1/r 2 Potential wie Vpol ? Vpol läßt sich mit dem Zentrifugalpotential VL in der Hamiltonfunktion kombinieren (Radialgleichung),
H=
L2z
p2r
1
+
−
2M
2 M r2
2π(0
2
L2eff
p2r
α q2
+
=
,
2r 2
2M
2Mr 2
(3.3)
wo sie zusammen ein effektiv attraktives oder repulsives Potential bilden, je
nach Vorzeichen von L2eff ,
Leff =
L2z − M α (q/2π(0 )2 =
L2z − L2crit .
(3.4)
Es existieren keine stabilen Bahnen für das Atom. Abhängig vom Vorzeichen von L2eff stürzt das Atom entweder ins Zentrum (auf den Draht)
oder es entkommt dem anziehenden Drahtpotential und läuft ins Unendliche [Lan87, Lan88]. Zwei typische klassische Bahnen von Teilchen im 1/r 2
Potential werden in Abb. 3.2 gezeigt.
Es ist in diesem Zusammenhang nützlich, einen (critical) GrenzDrehimpuls Lcrit einzuführen (vgl. Gl. (3.4)),
√
(3.5)
Lcrit = Mα|q|/(2π(0 ),
41
sodaß für (|Lz | < Lcrit ) das effektive Potential in der radialen Bewegungsgleichung anziehend ist und alle klassischen Trajektorien durch das Zentrum
laufen. Für (|Lz | > Lcrit ) ist L2eff positiv und das effektive Potential in der
Radialgleichung ist repulsiv, was verhindert, daß die Atome ins Zentrum fallen. Der komplette Satz von Lösungen für die Bewegungsgleichungen des 1/r 2
Potentials findet sich in [Lan87]. Wir geben diese Lösungen der Vollständigkeit halber an:
a) für
b) für
c) für
E > 0, Lz > Lcrit ,
1
=
r
E > 0, Lz < Lcrit ,
1
=
r
E < 0, Lz < Lcrit ,
1
=
r
 
2ME
L2
φ1 − crit  ,
cos
L2z − L2crit
L2z
 2
L

sinh φ crit
2ME
2
Lcrit − L2z
 L2z

− 1 ,

L2
2ME
φ crit − 1 ,
cosh
L2z − L2crit
L2z
und für die Zeit t gilt
t=
1 2ME r 2 − L2z + L2crit .
2E
(3.6)
In diesen Formeln wurden für Phase φ und Zeit t jeweils geeignete Nullpunkte
gewählt:
• Im Fall a) stürzt das Teilchen nicht in den Ursprung. Es gibt aber einen
Punkt der größten Annäherung an den Draht. Dort befindet sich das
Atom bei t = 0 und φ = 0 (siehe auch Abb. 3.2 rechts).
• In b) und c) fallen die Atome auf einer Spiralbahn in die Singularität,
die sie bei φ = +∞ erreichen. In b) startet das Atom im Unendlichen
bei φ = 0 und t = +∞
(läuft in der Zeit rückwärts) und erreicht das
1
Zentrum bei t = 2E −L2z + L2crit .
• Für Fall c) schließlich ist das Teilchen energetisch im Potential gebunden und es gibt einen Punkt maximaler Entfernung vom Ursprung; dort
gilt φ = 0 und t = 0.
Beginnend im Abstand r braucht das Atom für alle drei Fälle beim Sturz ins
Zentrum die endliche Zeit ∆t,
∆t =
1
2E
L2crit − L2z + 2MEr 2 −
42
L2crit − L2z .
(3.7)
RD
q
p
p
p
bcrit
Abbildung 3.3: Eine paralleler Strahl monoenergetischer Teilchen mit Impuls p = Mv trifft auf einen geladenen Draht. Teilchen mit einem kleineren
Stoßparameter als bcrit fallen auf den Draht. Der entsprechende Absorptionswirkungsquerschnitt ergibt sich folglich als 2 × bcrit .
Wirkungsquerschnitte
Wir nehmen nun im Folgenden an: Ein paralleler Strahl von monoenergetischen, klassischen Teilchen mit Impuls p trifft auf einen unendlich dünnen
geladenen Draht, siehe Abb. 3.3. Alle Teilchen mit einem kleineren Stoßparameter b als bcrit = Lcrit /p fallen auf den Draht. Unter der Annahme, daß alle
Atome, die auf den Draht treffen auf seiner Oberfläche adsorbiert werden (kleben bleiben), läßt sich ein Absorptions-Wirkungsquerschnitt definieren mit
σabs = 2bcrit . Anders als üblich hat der Wirkungsquerschnitt nicht die Dimension einer Fläche, sondern in den hier besprochenen zwei-dimensionalen
Streuexperimenten die Dimension einer Länge. Nach Ersetzen von Lcrit durch
seinen Ausdruck in Gl. (3.5) nimmt der Absorptionsquerschnitt σabs für den
unendlich dünnen Draht folgende Form an,
σabs =
|q| 1
v π(0
α
.
M
(3.8)
Die lineare Abhängigkeit des Absorptionsquerschnitts σabs von der Ladung q
und von der inversen Geschwindigkeit 1/v sind Charakteristika für die 1/r 2
Singularität.
Für einen geladenen Draht endlicher Dicke bekommt man einen Ausdruck
für den Absorptionsquerschnitt σabs nach folgender Überlegung: Es werden
nicht nur die Atome aus dem einfallenden Strahl absorbiert, die in die Singularität bei r = 0 stürzen, sondern auch die, die nicht in die Singularität
43
σ abs
Rw>0
Rw=0
Drahtladung q
Abbildung 3.4: Klassische Absorptionswirkungsquerschnitte für einen unendlich dünnen Draht und einen Draht endlicher Dicke. Im Limes großer Drahtladungen q ist der σabs auch für den endlich dicken Draht eine lineare Funktion
von q.
fallen, dafür aber auf Ihrer Trajektorie mit dem endlich dicken Draht (Radius
Rw ) kollidieren. Mithilfe der Energie- und Drehimpulserhaltung Lz = Mvb
und mit rmin als Entfernung der größten Annäherung gilt
1
Mv 2
=−
E=
2
2π(0
2
αq 2
M 2 v 2 b2
+
.
2
2
2rmin
2Mrmin
(3.9)
Je nachdem, ob rmin innerhalb oder außerhalb des Drahtradius liegt (rmin <
(>)Rw ), wird absorbiert oder nicht. Für den Grenzfall, daß die Trajektorie
den Draht tangential berührt, ersetzen wir rmin in Gl. 3.9 durch den Drahtradius Rw und lösen nach b auf. So erhalten wir schließlich
σabs = 2b = 2
Rw2
1
+
2π(0
2
α q2
.
M v2
(3.10)
Abbildung 3.4 zeigt diesen Wirkungsquerschnitt zusammen mit dem des unendlich dünnen Drahtes als Funktion der Drahtladung. Der Wirkungsquerschnitt setzt sich aus zwei Teilen unter der Wurzel zusammen: der erste Teil
beschreibt die Absorption durch die endliche Dicke des Drahtes selbst. Er
dominiert im Limes kleiner Ladung auf dem Draht die Absorption und ist
gegeben durch den doppelten Drahtradius, 2Rw . Für große Ladungen auf dem
Draht dominiert hingegen der zweite Teil, der die elektrische Wechselwirkung
und den Sturz des Atoms ins Zentrum beschreibt. In diesem Grenzfall erhält
man für einen endlich dicken Draht wieder das lineare Verhalten bezüglich
Ladung q und 1/v zurück, das als Charakteristikum für die 1/r 2 Singularität
erhalten bleibt.
44
Beispiel
Wir betrachten nun anhand eines Beispieles, wie stark im Experiment die
Ladung des Drahtes den Wirkungsquerschnitt σabs bestimmt. Ein Draht mit
Radius Rw = 1 µm sei in einem Metallzylinder mit Radius Rg = 3 cm zentrisch aufgehängt. Bei einer elektrischen Spannung U von 100 Volt (Es gilt
q = 2π(0 U/ ln(Rg /Rw ).) zwischen Zylinder und Draht entsteht dann für Lithiumatome der Geschwindigkeit v = 0.5 m/s (senkrecht zum Draht) ein
Absorptionsquerschnitt von etwa 19 µm. Im Vergleich zum reinen Drahtabsorptionsquerschnitt von 2 µm dominiert also schon bei 100 Volt die elektrische Wechselwirkung.
σabs (1/k)
10
8
6
kR= 0
kR= 0.1
kR= 1
kR= 2
4
2
0
0
1
2
3
4
5
Drahtladung in Drehimpulseinheiten
Abbildung 3.5: Quantenstufen für verschiedene relative Drahtdicken kRw . k
ist der Wellenvektor der einfallenden ebenen Welle der Atome. Die Einheit der
Ladung auf dem Draht ist in reduzierten Einheiten gegeben (siehe Anhang
C).
Quantenstufen
Bevor wir nun dazu übergehen, die Experimente zu besprechen, mit denen
die Absorptionsquerschnitte und Ihre Abhängigkeiten gemessen wurden, soll
kurz die Physik des 1/r 2 Potentials im quantenmechanischen Limes dargestellt werden.
Im Gegensatz zur klassischen Betrachtung, wo der Drehimpuls Lz = Mvb
der Teilchen eine kontinuierliche Größe ist, ist Lz im Quantenregime quantisiert. Die einfallende ebene Welle der Atome mit Wellenvektor k läßt sich
in Partialwellen, d.h. einfach gesprochen Klassen von Atomen zerlegen mit
ganzzahligen Drehimpulsen. Je nach Ladung auf dem Draht wird jede Klasse
45
für sich genommen auf den Draht stürzen oder nicht. Variiert man die Ladung
auf dem Draht, so wird die Absorption sich entsprechend der Quantisierung
des Drehimpulses und der Klassenaufteilung sprunghaft ändern: Der Absorptionswirkungsquerschnitt zeigt “Quantenstufen”. Dies ist in Abbildung 3.5
für verschiedene Drahtradien dargestellt. Für dünne Drähte sind die Quantenstufen sehr gut zu sehen. Je dicker der Draht allerdings wird, desto mehr
und mehr waschen die Stufen aus.
Die Größe, die in die Berechnungen eingeht, ist nicht die absolute Dicke
des Drahtes, sondern seine Dicke im Vergleich zur deBroglie Wellenlänge
(λ = 2π/k) der einfallenden Atome. Im Grenzfall dicker Drähte und schneller
Atome erhält man wieder die glatte Wurzelfunktion in Gl. 3.10 der klassischen
Betrachtung. Das Auswaschen der Stufen, kann auf zwei Arten verstanden
werden. Zum einen gibt es eine Reflexion von Teilchen an der Oberfläche:
Partialwellen, die eigentlich unseren Überlegungen zufolge absorbiert werden sollten, können teilweise entkommen. Zum anderen gibt es auch einen
Tunnelprozeß, indem die Teilchen, die in der semiklassischen Beschreibung
eigentlich nicht absorbiert werden sollten, durch die Zentrifugalbarriere auf
die absorbierende Oberfläche des Drahtes hindurchtunneln. In Anhang C
und C.2 findet man nocheinmal eine ausführliche Behandlung der gesamten
Theorie zu den Quantenstufen.
3.1
Methode des Experiments
Der Absorptionswirkungsquerschnitt aus Gl. (3.10),
σabs = 2
Rw2
1
+
2π(0
2
α q2
.
M v2
(3.11)
könnte prinzipiell gemessen werden, indem der geladene Draht in einen kollimierten Strahl von Atomen mit Impuls p = Mv gestellt wird und die Zahl der
auf den Draht auftreffenden Atome gezählt wird. In unserem Labor bot sich
eine andere Methode an. Der Draht wechselwirkt nicht mit einem Strahl von
Atomen, sondern mit einer im Raum stehenden Atomwolke mit N Atomen.
Innerhalb der Wolke bewegen sich kalte Lithiumatome wie ein quasi freies Gas, das in einer Box gehalten wird (siehe Abb. 3.6). Diese, die Atome
haltende Box, wird realisiert durch eine Modifikation der magneto-optischen
Falle. Dazu wird entweder die kontinuierliche Lichtintensität der Falle sehr
stark gesenkt oder aber die MOT wird gepulst betrieben. Im gepulsten Betrieb werden die Fallen-Laserstrahlen der MOT abgeschaltet, nur für eine
kurze Zeit von wenigen Mikrosekunden Länge wird jede halbe Millisekunde
das Laserlicht in die Fallenregion geblitzt. Dieses Verfahren erlaubt es, die
46
Draht
Abbildung 3.6: In einer MOT mit niedriger Lichtintensität werden N kalte
Atome wie ein freies Gas in einer Box gehalten. Sie streuen immer wieder am
1/r 2 Potential des Drahtes, bis sie früher oder später auf den Draht stürzen,
wo sie absorbiert werden.
Atome stabil in der Falle zu halten. Gleichzeitig kann man erreichen, daß
die Atome sich bis zu 95% der Zeit frei im Dunkeln bewegen. In dieser Zeit
können sie ungestört mit dem Drahtpotential wechselwirken. Zusätzlich wird
durch das Senken der Lichtintensität auch die Laderate der MOT praktisch
abgeschaltet. Dies garantiert eine gewisse Abgeschlossenheit der Atomwolke
nach außen. Die sich in der Atomwolke bewegenden Atome wechselwirken
und streuen solange mit dem 1/r 2 Potential des Drahtes, bis ein Atom nach
dem anderen auf den Draht gestürzt ist. Dort bleiben sie entweder haften
oder sie lösen sich mit thermischen Geschwindigkeiten wieder vom Draht
und entkommen der lichtschwachen MOT. Der geladene Draht stellt durch
die Absorption der Atome auf seine Oberfläche einen Verlustmechanismus
der Atomanzahl in der Atomwolke dar. Die daraus resultierende Verlustrate
der Atome wird im Experiment gemessen. Aus ihr können Informationen zur
Singularität des Potentials und seiner Stärke gewonnen werden, was später
an den experimentellen Daten gezeigt wird.
Folgende Ratengleichung läßt sich für die Anzahl N der Atome in der
Falle aufstellen,
dN
= −N ρ(xw , v ) σabs vx2 + vy2 d3 vdz + L+ − L− ,
(3.12)
dt
wo ρ(xw , v ) die normalisierte Phasenraumdichte der Atome am Ort des Drahtes, xw , ist. Für sie gilt
ρ(x, v ) d3 x d3 v = 1.
47
(3.13)
Gl. (3.12) beschreibt den Atomfluß N ·ρ·v von Atomen mit Geschwindigkeit v
auf ein Target mit Wirkungsquerschnitt σabs . Da in der Atomwolke Atome aus
allen Richtungen auf den Draht strömen, wird über alle Geschwindigkeiten
integriert. L+ ist die verbleibende Laderate der lichtschwachen MOT und L−
steht für Verluste durch Kollisionen mit dem thermischen Hintergrundgas.
Es soll im weiteren Verlauf angenommen werden, daß die Dichteverteilung ρ(xw , v ) zeitunabhängig ist. Dies ist der Fall, wenn die Atome in der
Falle sich nicht gegenseitig beeinflussen und damit die atomare Verteilung
dichteunabhängig ist. Weiter muß man voraussetzen, daß es einen effektiven
Mechanismus gibt, der die Bewegungzustände der Atome in der Falle mischt
und auf diese Weise den Phasenraum der absorbierten Atome (Atome mit
Drehimpuls Lz < Lcrit ) wieder auffüllt. Das Mischen wird durch Lichtstreuung in der MOT erreicht.
Solange die drei Summanden in Gleichung (3.12) linear abhängig von N
oder unabhängig von N sind, wird die Zahl der Atome (N) in der “magnetooptischen Box” exponentiell abnehmen:
N(t) = No e−(D+Db )t + const.
(3.14)
Db stammt vom L− Term und wir nennen Db den “Hintergrund”-Zerfall. Die
Zerfallskonstante D ergibt sich aus der Atom- Draht Wechselwirkung und ist
gleich dem Integral in Gl. (3.12). Wir nehmen an, daß die Dichteverteilung
der Atome in Raum und Geschwindigkeit, ρ(x, v ), gaußförmig ist, was für eine
MOT niedriger Dichte typisch ist und in unseren Experimenten durch Kontrollmessungen immer wieder bestätigt wurde. Der vollständige Ausdruck für
ρ(x, v ) findet sich in Gl. (2.4) in Kapitel 2.8. Falls die Geschwindigkeitsverteilung isotrop ist, σv = σvx = σvy , kann das Integral analytisch gelöst werden
und man erhält als Zerfallskonstante D
y
x
exp(− 2σ
2 ) exp(− 2σ 2 )
Rw σv
1 α q
x
y
√
WF +
,
D =
σx σy
π M 2π(0
2π
2
2
WF = WF (Wp ) = eWp 1 − Erf
Wp =
π
4
Wp
(3.15)
,
R2 σ 2
1 α q2
w v
.
2
2
π M (2π(0 )
2π
Die Zerfallskonstante D besteht aus zwei Summanden: der rechte beschreibt
die elektrische Atom-Draht Wechselwirkung (und das Fallen in die Singularität), der linke ist eine Korrektur und berücksichtigt die endliche Ausdehnung des
√ Drahtes. Dieser Term ist als Produkt geschrieben: der Faktor Rw σv / 2π beschreibt die Absorption durch den ungeladenen Draht.
48
Absorptionskonstante D [a.u.]
4
exakt
3
2
Näherung
1
0
0
0.5
1
1.5
2
Ladung q [a.u.]
2.5
3
Abbildung 3.7: Vergleich des exakten Integrals für die Zerfallskonstante D
mit der wurzelförmigen Näherung.
Die Wichtungsfunktion WF gibt an, wie stark die Absorption des ungeladenen Drahtes an der Gesamtabsorption beteiligt ist. Es gilt WF (0) = 1 und
WF (∞) = 0. Die Wichtung erfolgt über einen Wichtungsparameter WP , der
gegeben ist durch das Verhältnis der Größe der reinen elektrischen Absorption zur Absorption des ungeladenen Drahtes. Obwohl die Formel (3.15) für
D also anschaulich ist, ist sie trotzdem ein wenig unhandlich. Sie kann jedoch sehr gut durch die folgende einfache und intuitive Beziehung genähert
werden,
σv R 2
1
D=√
2π σx σy
w +
1
2 α q2
.
2
π M (2π(0 ) σv2
(3.16)
In diesem Schritt wurde gleichzeitig noch (x = y = 0) gesetzt, weil später im
Experiment die Falle mittig auf den Draht zentriert sein wird.
Diese Darstellung von D hat die gleiche Form wie der Absorptionsquerschnitt σabs in Gl. (3.10). Die Abweichung dieser Näherung vom exakten
Ausdruck für D in Gl. (3.16) ist nie größer als 3% und exakt im Limes q = 0
and q → ∞. Abb. 3.7 zeigt die Kurvenform der exakten Lösung im Vergleich
zur Näherung des Integrals.
3.2
Durchführung des Experiments
Um die Absorptionsexperimente durchführen und die Zerfallskonstanten D
zu bestimmen, werden die Experimente, wie in Abb. 3.8 dargestellt, in drei
Schritten ausgeführt.
49
1)
Laden
2)
Schieben
3)
Zerfall
Falle
PhotoGeladener Draht
Linse
diode
Abbildung 3.8: Schrittfolge im Experiment.
1. Laden: In einem ersten Schritt (1) werden die Lithiumatome, wie in
Kapitel 2.1 beschrieben, 20 Sekunden lang in die MOT eingeladen. Die
Falle ist dabei etwa ein 1 bis 2 mm vom Draht entfernt, um Verluste
durch den Draht zu vermeiden.
2. Verschieben: Nach dem Laden (2) wird der “Slower”-Laserstrahl abgeschaltet. Die MOT wird auf den Draht geschoben und dort auf den
geladenen Draht zentriert. Die Justage der Falle geschieht mit Hilfe
verschiedener CCD-Kameras, die aus drei Raumrichtungen auf Falle
und Draht blicken. Das Verschieben der Falle benötigt etwa 5 ms und
geschieht mit einem zusätzlichen Offset-Magnetfeld, das in einer dafür
vorgesehenen Spule erzeugt wird. Durch das magnetische Offsetfeld verschiebt sich der Nullpunkt des Quadrupolfeldes und damit der Ort der
Falle.
Die Ladung auf dem Draht wird kontrolliert über die Spannung
U zwischen Draht und dem Gehäuse der Vakuumkammer, U =
ln(Rg /Rw )q/(2π(0 ), wo Rw der Radius des Drahtes ist und Rg der Radius der geerdeten Vakuumkammer. Als nächstes wird die Laserfrequenz
und die Laserleistung auf vorgesehene Werte gesetzt. Auf diese Weise
kann die Größe (Dichte) der Falle als auch ihre Temperatur eingestellt
werden. Während der Absorptionsexperimente wird die MOT bei einem
sehr niedrigen Lichtlevel betrieben, um zu garantieren, daß die Atome
sich möglichst frei im 1/r 2 Potentials des Draht bewegen. Entweder das
Laserlicht wird einfach stark abgeschwächt oder die Falle wird mit gepulstem Laserlicht betrieben. Dazu werden die Laserstrahlen an- und
ausgeschaltet mit einer typischen Rate von 1 bis 20 kHz. Das Verhältnis der Zeitdauern zwischen aus und an, (tof f /ton ), variiert zwischen 0
50
und 50. Es zeigt sich, daß Laserlichtblitze von wenigen Mikrosekunden
Länge ausreichen, um die Atome bei Dunkelzeiten von etwa einer Millisekunde in der Falle zu halten. Damit bewegen sich die Atome über
90 % der Zeit in der Dunkelheit.
3. Messung des Zerfalls: Im dritten Schritt (3) wird schließlich der exponentielle Zerfall der Zahl der gefangenen Atome über die Fluoreszenz
der Atomwolke zeitaufgelöst gemessen. Dazu wird die rote Fallenwolke
auf eine Photodiode abgebildet (Abb. 3.8), die einen zur Lichtmenge
proportionalen elektrischen Strom erzeugt.
Diese Messungen werden für verschiedene Drahtladungen wiederholt, wobei für jede Ladung auf dem Draht die Schritte 1, 2, 3 nacheinander durchlaufen werden.
Abb. 3.9 zeigt einen kleinen “Film”, aufgenommen von der CCD-Kamera,
der den Zerfall der Falle am Draht zeigt. Zum Zeitpunkt t = 0 leuchtet die
gesamte Falle um Draht. Nach etwa einer halben Sekunde sind alle Atome auf den Draht gestürzt. Abb. 3.10 zeigt Photodiodensignale zum Zerfall
der Falle. Die drei verschiedenen Zerfälle gehören zu unterschiedlichen Spannungen auf dem Draht. Es läßt sich erkennen — je höher die Spannung
auf dem Draht ist, desto schneller zerfällt die Falle. Weiterhin beobachtet
man tatsächlich einen exponentiellen Zerfall über 2 bis 3 Größenordnungen
hinweg. Dies wird besonders deutlich in logarithmischer Auftragung. Durch
einen Fit an eine jeder dieser Zerfallskurven erhält man jeweils eine Zerfallskonstante Draw = D + Db . Draw enthält immer noch den kleinen Beitrag Db ,
der sich aus dem Verlustterm L− in Gl. (3.12) ergibt. In unseren Messungen
wurde große Sorgfalt darauf verwendet, diesen “Hintergrund-Zerfall” Db zu
messen und ihn anschließend vom gemessenen Zerfall Draw abzuziehen, um
D zu erhalten. Man mißt den “Hintergrund-Zerfall” Db durch Verschieben
der Falle vom Draht weg, anstatt sie auf die Falle hinzuschieben. Dabei wurden alle anderen Parameter der Messung unverändert gelassen. Schob man
die Falle vom Draht weg, aber in verschiedene Richtungen, so wurden unabhängig vom Ort gleiche Hintergrund-Zerfälle gemessen. Dies bestätigt die
Meßmethode. Die Zerfallskonstanten sind Funktionen der Größe der Falle und
der Ladung auf dem Draht. Typische Werte für D variieren von unterhalb
1 s−1 bis zu 100 s−1 . Der Hintergrund-Zerfall Db bewegt sich normalerweise
zwischen 0.1 - 0.3 s−1 . Um zuverlässige und vergleichbare Daten zu erhalten,
ist vor allem eine gute Stabilität des Lasers über Stunden hinweg erforderlich. Rauschen des Lasers in Frequenz oder Leistung schlagen sich sofort in
der Qualität der Daten nieder.
In den Experimenten vergewisserten wir uns immer wieder, daß die
Zerfälle der Falle exponentieller Natur waren. Nichtexponentielle Zerfälle tre51
0ms
100ms
200ms
300ms
400ms
500ms
Fluoreszenz Signal [a.u.]
Abbildung 3.9: Film zum Zerfall der MOT auf dem Draht. Nach etwa einer
halben Sekunde sind alle Atome auf den Draht gestürzt. Deutlich zu sehen
ist der Draht, der senkrecht durch die Falle führt.
a)
1.2
b)
1
400V
400V
80V
0.8
80V
0.1
0V
0V
0.4
0.01
0.0
0.0
0.4
0.8
1.2
Zeit [s]
0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
Zeit [s]
Abbildung 3.10: a) Gezeigt werden Photodiodensignale und exponentielle
Fitkurven. Die Photodiode mißt über die Fluoreszenz die Anzahl der Lithiumatome. Je höher die Ladung auf dem Draht ist, desto schneller fallen die
Atome auf den Draht. b) Die logarithmische Darstellung des Fluoreszenzsignals zeigt deutlich die exponentielle Natur des Fallenzerfalls.
52
ten vor allem auf, wenn die atomare Dichte in der Falle groß ist. In diesen
Fällen war es dann möglich zu einem exponentiellen Zerfallsregime zurückzukehren, in dem beim nächsten Experiment anfangs weniger Atome in die
Falle eingeladen wurden.
3.3
Scannen der Drahtladung
In den folgenden Untersuchungen wird nun experimentell die Abhängigkeit
der Zerfallskonstante D von Ladung und den Fallenparametern wie Temperatur und Dichte der Falle untersucht. Dazu werden Reihen von “Scans”
gemessen, in denen diese Parameter variiert werden. Abb. 3.11 zeigt einen
solchen Scan, in dem die Ladung auf dem Draht variiert wurde. Jedes Plotsymbol (Dreieck) entspricht einer Messung, in der die Falle anfangs geladen
wird, auf den geladenen Draht geschoben wird und dort zerfällt. Die Fitkurve
durch die Daten ist gegeben durch die Wurzelfunktion D(q),
D(q) =
O2 + S 2q2 ,
(3.17)
in Anlehnung an die theoretische Vorhersage in Gl. (3.16). Offensichtlich
werden die Daten durch die Wurzelfunktion gut beschrieben! In der Fitfunktion sind zwei freie Parameter enthalten O und S, die durch Anpassen
bestimmt werden. Wir nennen O den “Offset” und S den “Slope”. Der Offset
O beschreibt die Absorption der Atome auf einem ungeladenen Draht und
O sollte proportional zum Radius des Drahtes sein. Der Slope S beinhaltet
die elektrische Wechselwirkung zwischen Atom und geladenem Draht. Für
große Ladungen q geht die Zerfallskonstante D in einen lineare Funktion von
q über. Wie auf Seite 43 diskutiert wurde, ist diese lineare Steigung gerade
ein charakteristisches Zeichen des 1/r 2 Potentials.
Messungen und Drifts
Bevor wir fortfahren mit weiteren Analysen und Experimenten hier noch ein
paar Bemerkungen zur Aufnahme der Meßdaten. Jeder Meßpunkt in Abb.
3.11 benötigt etwa 25 Sekunden Zeit. Um einen ganzen Scan aufzunehmen,
braucht man somit etwa 20 Minuten Zeit. Oft sollen verschiedene Scans miteinander verglichen werden, dies treibt die gesamte Meßzeit in die Ordnung
von Stunden. Da die Messungen höchst sensitiv auf Fluktuationen und Drifts
in Laserfrequenz, Intensität und Justage reagieren, gilt es, das Lasersystem
für diese Zeiten stabil zu halten. Dieser Umstand erschwerte ein wenig unsere
Messungen. Eine Neujustage des Farbstoff-Lasers in Frequenz oder Intensität
während eines Durchlaufs verändert gewöhnlich ein wenig die Richtung der
53
Zerfallskonstante [Hz]
8
6
4
2
0
0
10
20
Ladung [pC/cm]
Abbildung 3.11: In vielen aufeinanderfolgenden Absorptionsexperimenten
wird die Ladung auf dem Draht variiert. Jedes Plotsymbol (Dreieck) entspricht einer Messung, in der die Falle anfangs geladen wird, auf den geladenen Draht geschoben wird und dort zerfällt. Der Fit durch die Datenpunkte
ist von der Form Gl. (3.17). Eine Ladung von 20 pC/cm entspricht in der experimentellen Geometrie etwa einer Spannung von 300 Volt zwischen Draht
und Vakuumapparatur.
54
Zerfalls Konstante [Hz]
Fallenstrahlen des Lasers, was sich stark auf die Falle und die Absorptions-
8
8
skaliert
6
6
4
4
2
2
0
0
10
0
20
Ladung [pC/cm]
0
10
20
Ladung [pC/cm]
Abbildung 3.12: Skalierung mit der Fallengröße. Die drei Datenkurven des
linken Plots gehören zu Fallen unterschiedlicher Größe. Die Kurven lassen
sich durch entsprechende jeweilige Umskalierung der y-Werte übereinanderlegen.
messungen auswirkt. Um Drifts zu erkennen oder um sie auszuschließen zu
können, wurden Scans wie in Abb. 3.11 in drei Durchläufen aufgenommen.
Ergaben alle Durchläufe gleiche Resultate so wurde der Scan akzeptiert.
Skalierung mit den Breiten σx und σy
Macht man Scans an unterschiedlichen Tagen oder mit leicht veränderter
Justage bekommt man gewöhnlich auch unterschiedliche Ergebnisse. Entsprechende Beispiele zeigt Abb. 3.12. Alle Kurven scheinen, wie die Fits
beweisen, der Wurzelfunktion Gl.(3.17) zu gehorchen. Warum sind sie verschieden? Nach einer Datenanalyse fällt auf, daß die drei Kurven sich sauber
aufeinander legen lassen durch Multiplikation der y-Werte einer jeden Kurve
mit je einem passenden Faktor. In dem gezeigten Beispiel muß die Kurve
mit den Dreiecken ungefähr mit 0.8 multipliziert werden, dann kommt sie
auf derjenigen mit den Kreissymbolen zu liegen. Was bedeutet dieses Skalierungsgesetz? Ein Blick auf Formel (3.16) hilft weiter,
σv R 2
1
D=√
2π σx σy
w
55
+
1
2 α q2
.
2
π M (2π(0 ) σv2
(3.18)
Fluoreszenz Zerfall [Hz]
12
10
8
6
1mK
4
2
250 µK
0
0
10
20
30
Ladung [pC/cm]
Abbildung 3.13: Abhängigkeit des Fallenzerfalls von der Temperatur der Atome.
Offensichtlich sollte die Zerfallskonstante D mit den inversen Breiten σx
und σy skalieren. Durch verschiedene Justage der Laserstrahlen hatten die
Atomwolken der drei Scans in Abb. 3.12 unterschiedliche Breiten!
Skalierung mit Temperatur
Was würde passieren, falls die Fallen noch zusätzlich unterschiedliche Temperaturen hätten? Diese Frage wird in Abb. 3.13 untersucht. Gezeigt werden
zwei Scans, die mit Fallen durchgeführt wurden mit 1mK und 250 µK Temperatur. Die linearen Abschnitte der beiden Scans können zwar aufeinanderskaliert werden — der Offset O bleibt aber verschieden. Auch dies erklärt
Gl. (3.18): Slope S und Offset O skalieren unterschiedlich mit der Geschwindigkeit σv : S ist unabhängig von σv während O linear mit σv wächst. Der
Unterschied von einem Faktor 4 zwischen den Temperaturen der beiden Fallen, entspricht einem Faktor 2 in den Geschwindigkeiten. Dieser Faktor 2
findet sich in Abb. 3.13 beim Vergleich der beiden Offsets.
56
Funktionale Abhängigkeiten von Offset und Slope
Die vorhergehende Diskussion zu den Skalierungseigenschaften von Offset
und Slope können wir zusammenfassen, indem wir quantitativ die erwartete
funktionale Abhängigkeit des Offsets O und Slopes S von den Parametern
σv , σx , σy testen (siehe Gl. (3.18)). Dazu wurden Reihen von Experimenten
der eben beschriebenen Ladungsscans durchgeführt, in denen neben den Zerfallskonstanten D auch Temperatur der Atome und Fallengröße gemessen
wurde. Die Größe der Fallenwolke, σx und σy , wurde mit einer kalibrierten
und triggerbaren CCD Kamera aufgenommen. Die Temperatur (∝ σv2 ) der
Atome wurde über die Messung der Expansionsgeschwindigkeit der freien
Fallenwolke bestimmt (vgl. Kapitel 2.8). Die Temperaturmessungen wurden
meist direkt im Anschluß an die Ladungsscans vorgenommen, um Fehler
durch Drifts klein zu halten.
Die beiden
Offset O und Slope S aus den Fits der Wurzelfunk√ Parameter
2
2
2
tion D(q) = O + S q an die Ladungsscans sind in Abb. 3.14 aufgetragen.
Wie von Gleichung (3.18) vorhergesagt, zeigt der Offset O eine lineare
Abhängigkeit von Rw und σσx σv y (Abb. 3.14 links). Der Slope S (Abb. 3.14
rechts) hängt dagegen nicht von σv und dem Radius Rw ab, aber ist eine
lineare Funktion von σx1σy . Die Tatsache, daß S nicht von σv abhängt, kann
auf einen Absorptions-Wirkungsquerschnitt σabs zurückgeführt werden, der
proportional zu 1/σv wächst. Dieses 1/v-Verhalten von σabs wird für ein 1/r 2
Potential tatsächlich erwartet (vgl. Kapitel 3).
In Abb. 3.15 werden zum Abschluß drei Ladungsscans gezeigt, die sich
nur durch die Dicken der Drähte unterscheiden. Die Radien Rw betragen etwa
4.8 µm, 1.8 µm und 0.7 µm. Es soll noch einmal deutlich werden, daß die
Zerfallskonstante für einen ungeladenen Draht direkt proportional zu seinem
Radius ist, aber die elektrische Wechselwirkung (gegeben durch den Slope S)
für alle drei Drähte die gleiche ist.
57
Slope S [s-1 pC-1cm]
Offset O [s-1]
20
10
2
1
0
0
0
2
4
6
σv/(σxσy) [s-1 mm-1]
Rw = 4.8µ m
Rw = 2.6µ m
0
2
4
6
1/(σxσy) [ mm-2]
Abbildung 3.14: Offset O und Slope S sind lineare Funktionen von σv /σx σy
und 1/σx σy respektive. Bei den Messungen der gezeigten Daten wurde die
Fallengröße und Temperatur der Falle unabhängig voneinandner über einen
größtmöglichen Bereich variiert. Die Breiten σx und σy bewegten sich im Bereich zwischen 0.2 und 2 mm. Die Geschwindigkeit σv der Atome variierte
zwischen 0.5m/s und 1.5m/s. Es werden zwei Datensätze gezeigt: eine Messung mit einem Rw = 2.6µm Draht und eine Messung mit einem Rw = 4.8µm
Draht. Ein separater Vergleich zwischen beiden Datensätzen zeigt die lineare
Abhängigkeit des Offsets O vom Drahtradius Rw . Der Slope S ist hingegen
unabhängig von Rw .
58
R w = 4.8 µm
R w = 1.8 µm
Zerfallsrate
-1
[s ]
10
R w = 0.7 µm
5
0
0
10
20
Drahtladung [pC/cm]
Abbildung 3.15: Es werden Ladungsscans gezeigt, die sich nur durch die
Dicken der Drähte unterscheiden. Die Zerfallsrate für einen ungeladenen
Draht ist proportional zu seinem tatsächlichen Durchmesser. Deutlich wieder,
die Unabhängigkeit des Slopes S vom Drahtradius. Weil in den drei Messungen die Fallenparameter σv , σx , σy sich ursprünglich geringfügig unterschieden, wurden die gezeigten Daten auf gleiche Temperatur und Fallengröße
normalisiert.
59
3.4
Lichteinflüsse auf die Messungen
Nach dem vorangegangenen Kapitel scheinen sich alle theoretischen Erwartungen zu bestätigen. Trotzdem drängt sich die Frage auf, welchen Effekt
das Fallenlicht auf das Experiment hat. Schließlich bewegen sich die Atome
nicht wirklich in einem reinen 1/r 2 Potential, denn sie werden ja von der
lichtschwachen MOT gehalten!
In Abb. 3.16 sind für verschiedenste Ladungsscans die Größe O/(Sσv )
gegen die Lichtintensität aufgetragen. O/(Sσv ) sollte nach Formel (3.18)
eine Konstante sein und nur noch von der Polarisierbarkeit α und dem
Drahtradius Rw abhängen. Für den dicken Draht (Rw = 4.8µm) ist dies nach
Abb. 3.16a) nicht der Fall. Für höhere Lichtintensitäten wächst O/(Sσv ) um
bis zu 30%. Für den dünnen 0.7 µm-Radius Draht kann keine solche Zunahme
festgestellt werden.
3.4.1
Der Schatteneffekt
Dies kann man wie folgt verstehen: Der Draht wirft Schatten in die 6 MOT
Laserstrahlen (siehe Zeichnung in Abb. 3.17). Fliegt nun ein Atom dicht am
Draht vorbei und tritt in einen solchen Schatten, so kompensieren sich die
Lichtkräfte gegenläufiger Laserstrahlen auf das Atom nicht mehr gegenseitig.
Das Atom erfährt nur noch die Impulsüberträge einer der beiden Laserstrahlen und wird stark auf den Draht gedrückt. Dies erhöht effektiv die Absorption der Atome auf dem Draht. Die ‘absorbierende Dicke’ des Drahtes wächst
und damit auch Offset O. Dieses lichtinduzierte Wachstum des Absorptionsquerschnitts sollte eine große Rolle bei dicken Drähten spielen, die lange und
große Schatten werfen. Bei dünnen Drähten mit einem Radius, der kleiner ist
als die Lichtwellenlänge, hingegen sollte dieser Effekt vernachlässigbar sein.
Genauso sollte sich bei Verringerung der Laserlicht-Intensität die mittlere
freie Weglänge der Atome vergrößern. Atomen sollte es dann möglich sein,
den Schattenbereich zu passieren, ohne auf den Draht geschoben zu werden.
Die Meßergebnisse in Abb. 3.16a) bestätigen diese Vorhersagen.
Gepulste MOT
Dieses Bild bestätigt sich ebenfalls in Experimenten, in denen die magnetooptische Falle gepulst betrieben wird (Abb. 3.16b). Wie in Abschnitt 3.2
dargestellt, wird das Fallenlicht der MOT abwechselnd für eine kurze Zeit
tof f (typischerweise 0.2 ms) abgedreht und dann für eine Zeit ton wieder
angestellt. In Abb. 3.16b) wird O/(Sσv ) dargestellt als Funktion verschiedener Puls-Verhältnisse, tof f /ton . Wird das Verhältnis tof f /ton vergrößert, so
60
0.10
[pC s cm-2]
a)
b)
4.8 µm
O/(S*σv )
0.05
1.8 µm
0.7 µm
0.00
10
20
30
0.01
0.1
1 0
-2
Laserstrahl Intensität [mW cm ] Zeit-Verhältnis: aus/an
Abbildung 3.16:
Der Einfluß des MOT Lichtes auf das Absorptionsexperiment. Im Gegensatz zu Gl. (3.18) ist die Größe O/(S ∗ σv ) keine
Konstante, sondern wächst mit steigender Lichtintensität für den dicken
Draht(Rw ≈ 4.8 µm). In Bild a) wird die Strahlintensität des cw-Fallenlasers
variiert. Bild b) gehört zu Experimenten, in denen die Falle gepulst betrieben
wurde. Hier wird O/(S ∗σv ) als Funktion des Pulsverhältnisses tof f /ton aufgetragen. Der Effekt kann erklärt werden durch einen Schattenwurf des Drahtes
in die Laserstrahlen. Die Messungen wurden bei einem Laser-Detuning von
12 MHz vorgenommen. Die Laserintensität in b) war etwa 0.6 mW cm−2 pro
Fallenstrahl.
61
LASER
Draht Schatten
Atom
Abbildung 3.17: Erklärung für den Schatteneffekt: Schatten, die vom Draht
in die Laserstrahlen geworfen werden, führen zu einem StrahlungsdruckUngleichgewicht. Die Atome werden im Schattenbereich verstärkt auf den
Draht gedrückt. Die Absorption auf dem Draht wird so intensitätsabhängig.
bedeutet das für die Atome eine längere freie Bewegung im 1/r 2 Potential.
Ist das Chop-Verhältnis größer als 10 so ist auch für den dicken Draht mit
Rw = 4.8 µm kein Schatteneffekt mehr zu sehen. Für noch größere Verhältnisse tof f /ton bleibt schließlich O/(Sσv ) konstant und hat gleiche Werte wie
die der kontinuierlich betriebenen Falle.
Beim dünnen Rw = 0.7µm Draht ist kein Schatteneffekt ist zu erkennen.
3.5
Quantitativer Vergleich zwischen Theorie
und Experiment
Die durchgezogenen Linien in Abb. 3.16 zeigen theoretische Vorhersagen für
die Größe O/(Sσv ). In die Berechnung der theoretischen Vorhersagen geht
die Größe der elektrischen Polarisierbarkeit für Lithium αLi = 24.3 ± 0.5 [Å3 ]
[Mil77] ein und die Dicke der Drähte. Die Dicke der Drähte wurde mithilfe
des Elektronenmikroskops des Institutes bestimmt, nachdem die Absorptionsexperimente an ihnen im Vakuum beendet waren. Die Unsicherheit dieser
Dickemessungen gründet sich einerseits auf Ungleichmäßigkeit des Drahtradius über wenige mm und zusätzliche Verunreinigungen auf der Drahtoberfläche. Die Bilder in Abb. 2.18 in Kapitel 2.10 vermitteln dazu einen Eindruck. Über die absolute Längeneichung des Elektronenmikroskops lagen keine Unterlagen vor. Die Unsicherheit der Dickenmessung des (Rw = 4.8µm)
Drahtes lag bei etwa 3% Prozent. Für die dünnen Drähte lag sie mitunter
62
viel höher, (20 bis 30%). Die theoretischen Vorhersagen in Abb. 3.16 liegen
für den dicken Draht (Rw = 4.8µm) etwa 5% unterhalb den experimentellen
Messungen. Auch für alle anderen Drähte liegen die theoretischen Vorhersagen unterhalb der experimentellen Messungen. Deshalb erhält diese Abweichung eine hohe Signifikanz. In Kapitel 5 werden diese Ergebnisse durch
Atom-Oberflächen Wechselwirkungen erklärt.
Präzision der Messungen
Um die höchste Präzision in der Auswertung unserer Messungen zu erreichen, werden die Daten in Form vom Quotienten von Offset/ Slope (d.h.
O/S) verwendet. Auf diese Weise fallen nämlich Fehler in der Messung der
Fallengröße heraus. Genauso heben sich Abweichungen der Fallenform von
der Gaußverteilung und Fehler in der Justage der Falle auf den Draht weg.
Schatteneffekt für Offset und Slope
Was passiert, wenn Offset und Slope getrennt diskutiert werden? Dazu werden im Folgenden die Abbildungen 3.18, 3.19 und 3.20 betrachtet. Sie gehören
zu einer Experimentreihe mit dem Rw =4.8 µm dicken Wolframdraht, in der
die Falle gepulst (gechoppt) betrieben wurde. Die Daten in Abb. 3.18 stammen aus Abbildung 3.16 und sind zum Vergleich hier noch einmal vergrößert
dargestellt. Für lange Licht-Zeiten und nur kurze Dunkelabschnitte bewirkt
der Schatteneffekt eine kräftige Erhöhung der Größe O/(S · σv ). Wie schon
vorher erwähnt, liegt der theoretisch erwartete Wert 5 % unterhalb der experimentellen Asymptote. Die Größe Oσx σy /σv in Abb. 3.19 zeigt ein ähnliches
Verhalten wie O/(S · σv ) in Abb. 3.18. Oσx σy /σv sollte nach Gleichung 3.18
auch eine Konstante sein. Aber für hohe Lichtleistungen tritt wieder der
Schatteneffekt auf: Der absorbierende Drahtradius Rw , der linear in den Offset O des Drahtes eingeht, wird durch den Schattenwurf effektiv dicker. Die
aufgetragenen Daten zeigen im Vergleich zu Abb. 3.18 ein erhöhtes Rauschen,
was durch zusätzliche Fehler der Größen σx und σy zustandekommt.
Etwas überraschend ist die große, 20%ige Diskrepanz zwischen Theorie
und Experiment!
Bevor wir diese Diskrepanz analysieren, zuerst ein Blick auf Abb. 3.20.
Hier wird Sσx σy /σv aufgetragen. Auch diese Größe sollte theoretisch eine
Konstante sein und dies ist anscheinend auch tatsächlich der Fall! Bis auf die
zwei Datenpunkte bei tof f /ton = 0 ist keine steigende oder fallende Tendenz
auszumachen. Dies kann dadurch erklärt werden, daß der Schatteneffekt nach
unserer Vorstellung ein lokaler Effekt am Ort des Drahtes selber ist. Der
63
[m]
140
Offset σx σy /σv
Offset / Slope /σv [volt s/m]
6
x 10
3.2
150
130
Theorie
120
110
0
5%
4
8
12
16
2.8
2.4
20%
0
Licht Chop-Verhältnis: aus/an
Theorie
2
4
8
12
16
Licht Chop-Verhältnis: aus/an
Abbildung 3.18: Der Schatteneffekt:
Auftragung Offset/Slope für den
Draht mit 4.8µm Radius. Theorie
und Experiment sind sich bis auf 5%
einig. Gezeigt werden die gleichen
Daten wie in Abb. 3.16.
Abbildung 3.19: Der Schatteneffekt
für den Offset ist deutlich zu erkennen. Die Daten sind aber verrauschter als in der Auftragung Offset O/Slope S. Zusätzlich besteht eine Diskrepanz von etwa 20% zwischen Theorie und Experiment.
4
Slope σx σy /σv
[m]
2.4
x 10
2.2
2
15 %
Theorie
1.8
0
4
8
12
16
Licht Chop-Verhältnis: aus/an
Abbildung 3.20: Ein Schatteneffekt für den Slope S ist praktisch nicht festzustellen, d.h. der Slope S ist nahezu unabhängig von der Lichtintensität.
Es besteht trotzdem eine Diskrepanz von etwa 15% zwischen Theorie und
Experiment.
64
Einfangradius des 1/r 2 Potentials reicht jedoch für erhöhte Ladungen weit
über die Schatten heraus.
Probleme mit σx und σy
Auch in Abb. 3.20 taucht ein 15%iger Unterschied zwischen Theorie und Experiment auf. Was hat es damit auf sich? Anscheinend führen die Breiten σx
und σy einen systematischen Fehler mit sich, der durch Quotientenbildung in
O/S/σv herausfällt. Dieser Fehler kann eigentlich nicht durch eine ungenaue
Längen-Kalibrierung der CCD Kamera Pixel entstehen, da die Messung der
Geschwindigkeitsbreite σv der Atome mit der gleichen Eichung vorgenommen wird. Die Fehler in σx,y und σv sollten sich dann durch den Quotienten
σx σy /σv teilweise wieder herausheben. Die Kalibrierung der Kamera wurde
oft und mit großer Sorgfalt durchgeführt und erzielte bis auf 2-3 % reproduzierbare Ergebnisse.
Die Lösung des Puzzles ist sehr wahrscheinlich die Tatsache, daß die
Größen σx und σy der Atomwolke während der Absorptionsexperimente am
Draht gemessen werden: In dieser Zeit ist das magnetische Quadrupolfeld mit
einem Gradienten von etwa 14 (bzw. 7) Gauß/cm eingeschaltet. Im Magnetfeld tritt eine Zeemanverschiebung der atomaren Niveaus auf, die manche der
magnetischen Level näher zur Resonanz mit der Laserfrequenz schiebt. Dies
geschieht vor allem am Rand der atomaren Falle, wo das Magnetfeld groß
ist. Es klingt deswegen plausibel, daß Atome am Rand der MOT stärker mit
dem Licht wechselwirken und so auch mehr Licht streuen als im Zentrum.
Dies bedeutet, daß die CCD Bilder nicht mehr nur die atomare Verteilung
der Falle widerspiegeln, weil die Anregungswahrscheinlichkeit ortsabhängig
ist. In jedem Fall führt dieser Effekt zu einer Verbreiterung der sichtbaren
Wolkenausdehnung.
Zusätzlich ist auch denkbar, daß Photonen beim Durchlaufen der Falle mehrfach an Lithiumatomen gestreut werden. Dies würde auch zu einer
scheinbaren Verbreiterung der Fallengröße führen, da im Zentrum der Falle,
wo die Dichte der Atome hoch ist, die Photonen häufiger reabsorbiert werden als am Rand. Allerdings sollte dieser Effekt sehr klein sein für Fallen
bei großen “Chop-Verhältnissen”, da diese sehr ausgedehnt sind und eine
niedrige Atomdichte besitzen.
Kleines Modell für Lichtverteilung
Die volle theoretische Behandlung der Verteilung der Fluoreszenz in einer
Falle ist schwierig. Es soll hier nur kurz und qualitativ ein eindimensionales
65
10 Gauss / cm
1.2
σ
schein
/σ
x
1.25
Breitenverhältnis
1.15
1.1
σx = 0.7 mm
1.05
σ = 0.5 mm
σx = 1 mm
x
1
10
12
14
16
18
20
Detuning [MHz]
Abbildung 3.21: Verhältnis zwischen gemessener Breite der Atomwolke σschein
und wirklicher Breite σx für verschiedene Breiten σx .
Modell betrachtet werden, um die ausgesprochenen Vermutungen zu untermauern. Dazu benutzen wir das magneto-optische Fallenschema aus Abb.
2.2. Die eindimensionale Atomverteilung ρ(x) sei gaußförmig mit Breite σx .
Die Linienform sei für jeden der Übergänge m = 0 → m = ±1 lorentzförmig.
Als Magnetfeldgradient dB/dx des Quadrupolfeldes wählen wir 10 Gauß/cm,
dies entspricht in etwa dem Mittel zwischen 14 und 7 Gauß/cm. Der g-Faktor
beträgt g = 2 und die Breite Γ/2π = 5.8 MHz. Für die räumliche Leuchtverteilung KL (x) der Atomwolke kann man ansetzen,
x2
KL ∝ exp(− 2 )
2σx
Γ2 /4
Γ2 /4
+
,
(2π)2 (∆ + ξx)2 + Γ2 /4 (2π)2 (∆ − ξx)2 + Γ2 /4
(3.19)
wo ∆ die Rotverstimmung des Lasers zum atomaren Übergang ist. Der
Frequenzgradient ξ = gµB dB/dx /h gibt die Frequenzverschiebung der
|mF | = 1 Niveaus an.
Zeichnet man die Kurve für Funktion KL aus Gl. (3.19), so stellt man
fest, daß sie eine Breite σschein hat, die größer ist als σx . Abb. 3.21 zeigt
das Verhältnis der Breiten σschein und σx in Abhängigkeit der Rotverstimmung ∆ des Lasers und der Größe der Falle. Für typische Parameter unseres
Experiments ist die Breite σschein um 10 bis 20 Prozent größer als σx . Dies
liegt gerade auch in der Größenordnung der beobachteten Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment der Abb. 3.19 und 3.20. Für genauere Vor66
hersagen müßte ein besseres Modell als das eindimensionale zu Rate gezogen
werden, das außerdem die unterschiedlichen Magnetfeldgradienten in x und
y Richtung berücksichtigt. Je schwächer der Gradient, desto kleiner ist die
Verbreiterung der Atomwolke.
Um den echten und scheinbaren Breiten weiter auf den Grund zu gehen,
bot sich mit Hilfe des Drahtes eine neue Methode an, die Atomverteilungen zu
vermessen als auf optischen Wege. Dies wird im folgenden Kapitel vorgestellt.
3.6
Zusammenfassung
Durch elektrisches Laden eines dünnen Drahtes wurde für kalte Atome ein
1/r 2 Potential in zwei Dimensionen realisiert. In diesem Potential gibt es keine stabilen Bahnen: Atome werden entweder elastisch gestreut und verlassen
dann die Drahtregion oder sie fallen in Spiralbahnen in die Singularität, wo
sie auf dem Draht absorbiert werden.
Es läßt sich entsprechend ein Absorptionsquerschnitt σabs für das 1/r 2
Potential definieren. Wir haben die Abhängigkeit dieses Querschnitts von
seinen Parametern experimentell im Detail studiert und konnten die theoretischen Vorhersagen bestätigen. So ist der Wirkungsquerschnitt geschwindigkeitsabhängig (∝ 1/v im Limes großer Ladungen q) und zeigt eine lineare Abhängigkeit von der Drahtladung q. Dies sind zwei Charakteristika des
αq 2 /r 2 Potentials.
Die Absorptionsmessungen wurden durchgeführt, indem ein geladener
Draht in eine abgeschlossene Wolke kalter Lithiumatome eingebracht wurde.
Exponentielle Verlustraten in der Atomanzahl der Wolke wurden gemessen,
die vom Sturz und Absorption der Teilchen im 1/r 2 Potential rühren.
Gleichzeitig konnten wir Lichteinflüsse auf die Absorptionsmessungen studieren. Für hohe Lichtintensitäten und dicke Drähte tritt ein Schatteneffekt
auf: Durch den Schattenwurf des Drahtes in den Laserstrahlen werden Atome
durch Strahlungsdruck-Ungleichgewichte verstärkt auf den Draht geschoben.
Für dünne Drähte und niedrige Lichtintensitäten läßt sich der Schatteneffekt
jedoch unterdrücken.
Unsere Daten zeigen in einer geeigneten Auftragung bis auf 5% Übereinstimmung mit unseren theoretischen Vorhersagen. Eine Analyse der Absorptionsmessungen deutet darauf hin, daß die visuellen Breiten σx , σy der
Atomverteilung der MOT in unseren Experimenten um etwa 10% größer erscheinen, als sie es in Wirklichkeit sind.
Im quantenmechanischen Regime sagen wir für den Absorptionsquerschnitt des 1/r 2 Potentials “Quantenstufen” voraus. Diese Quantenstufen
67
entsprechen einer direkten Manifestation der Existenz von Partialwellen.
68
Kapitel 4
Der Draht als Sonde für
Atomflußdichten
In diesem Kapitel wird der Draht nicht als Quelle eines Potentials für kalte
Atome benutzt, sondern als Sonde für die kalte Atomwolke. Der Draht dient
der Messung der lokalen Atomflußdichte der MOT, ρr ·v, eine Größe, die in der
Atomoptik bisher nicht direkt vermessen wurde. Sie ist komplementär zu den
optischen Dichtemessungen mit der CCD Kamera, die auf der Fluoreszenz
der Atome in der Falle fußen.
Die Hauptidee dabei ist, wieder Absorptionsmessungen mit Atomen
durchzuführen, nur diesmal mit ungeladenem Draht. Wir interessieren uns
für die zweidimensionale Dichteverteilung der MOT-Atomwolke ρr (x, y), die
man erhält durch Integration entlang der z-Achse. Man erwartet analog zu
Gl. (3.12) auf Seite 47 folgenden Zusammenhang für die Absorption der Atome auf dem Draht,
dN
= −N ρr (x, y)|v|(x, y) 2Rw + L+ − L− ,
dt
(4.1)
wo |v|(x, y) ein lokales Maß für die mittlere Geschwindigkeit der Atome ist.
Gleichung 4.1 läßt sich aus Gl. (3.12) ableiten, wenn man die Dichteverteilung ρ(x, y, vx , vy ) als Produkt schreibt,
ρ(x, y, vx , vy ) = ρr (x, y) ρv (x, y, vx , vy ).
(4.2)
Die Größe ρr (x, y) gibt die Ortsverteilung der Atome an und ρv (x, y, vx , vy )
die Geschwindigkeitsverteilung der Atome am Ort (x, y). |v|(x, y) ist folglich
gegeben durch
|v|(x, y) =
vx2 + vy2 ρv (x, y, vx , vy )dvx dvy =
|v| ρv (x, y, vx, vy )dvx dvy ,
(4.3)
69
das Mittel über den Geschwindigkeitsbetrag der Atome.
Indem der Sonden-Draht an verschiedene Stellen der AtomDichteverteilung gebracht wird, kann über die Zerfallskonstante
D = 2Rw · ρr (x, y) · |v|(x, y) die Atomflußdichte ρr (x, y) · |v|(x, y) punktweise
gemessen werden. So erhält man nach einigen Messungen ein Profil der
Atomflußdichte.
Die Terme L+ und L− sind konstant oder höchstens linear abhängig von
der Atomzahl N. Sie können durch das Erniedrigen der Laserintensität kleingehalten und später herauskorrigiert werden.
In unseren Messungen war es einfacher, die Atomwolke mit Hilfe von
entsprechenden Offsetfeldern relativ zum Draht zu translatieren (Abb. 4.1),
anstatt den Draht über die Atomwolke zu bewegen. Dies liefert gleiche Er-
Spule
I
Draht
B
Abbildung 4.1: Die Dichteverteilung der Atome in der Falle kann gemessen
werden, indem die Falle in vielen Schritten über den Draht bewegt wird und
die Absorption gemessen wird.
gebnisse, solange sich die Form und Geschwindigkeitsverteilung der Falle dadurch nicht ändert. Diese Vorraussetzung ist sicherlich erfüllt, wenn die Falle
nur wenige Bruchteile eines Millimeters bewegt wird.
Die Eigenschaften der Falle werden nahezu ausschließlich durch die Form
der Fallen-Laserstrahlen bestimmt. In unserer Falle sind die Strahlen auf 2
cm Durchmesser parallel aufgeweitet und weisen ein relativ glattes Intensitätsprofil auf.
Messung
Abb. 4.2 zeigt eine Messung in der in vielen Schritten die Falle über den
Draht bewegt wurde. Jeder Meßpunkt entspricht einem Versuchszyklus, indem die MOT, etwa 1-2 mm vom Draht entfernt, 20 Sekunden lang geladen
wird. Danach wird sie relativ zum Draht verschoben und ihr exponentieller
70
Zerfalls- Konstante [Hz]
2
1.5
1
CCD Kamera
0.5
Draht Messungen
0
-0.5
4
5
6
7
8
9
Ort [mm]
Breitenverhältnis (CCD / Drahtscan)
Abbildung 4.2: Die räumliche Fallendichteverteilung, gemessen mit der
Drahtsonde im Vergleich mit Breiten aus CCD Bildern. (Magnetfeldgradient = 14 Gauß/cm, Detuning = 15 MHz).
1.2
Theorie
1.15
1.1
15 MHz Detuning
1.05
1
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
CCD- Bild Fallenbreite [mm]
1.1
Abbildung 4.3: Die Diskrepanz der Fallen-Breiten, die aus MOT Bildern
und aus Draht-Sonden-Experimenten gewonnen werden, wächst mit steigender Fallengröße. (Magnetfeldgradient = 14 Gauß/cm, Detuning = 15 MHz).
Die durchgezogene Linie ist eine Rechnung, die auf dem einfachen eindimensionalen Modell von Gl. (3.19) basiert. Sie beschreibt in erster Näherung den
Verlauf der Daten. Damit bestätigt sich die Vermutung, daß die CCD Bilder aufgrund des magnetischen Quadrupolfeldes eine zu große Fallenbreite
widerspiegeln.
71
Zerfall wird anschließend beobachtet. Es ergibt sich eine gaußförmige Verteilungsfunktion, die man für eine Dichteverteilung ρ(r, v) nach Gl. (2.4) in
Kapitel 2.8 auch erwarten würde. Da in Gl. (2.4) angenommen wird, daß
die Geschwindigkeitsverteilung ρv nicht vom Ort abhängt, können unsere
Dichteflußmessungen in diesem Fall benutzt werden, um die lokale Dichte
ρr (x, y) der Atome zu messen. Deswegen wird in Abb. 4.2 im Vergleich zu
den Draht-Absorptionsmessungen die aus CCD Bildern bestimmte Fallenbreite dargestellt (auch eine Gaußkurve). Diese Bilder wurden während der
exponentiellen Zerfälle der Atomwolke aufgenommen.
Es ist klar zu erkennen, daß die durch die CCD Fluoreszenz-Aufnahmen
gewonnene Atomverteilung breiter ist, als die Absorptionsmessungen erwarten lassen.
Was ist nun die wahre Breite der Atomwolke?
Als Erklärung für die Diskrepanz der beiden Messungen sind zunächst
verschiedene Ansätze denkbar:
• Man nimmt an, daß die Geschwindigkeitsverteilung ρv (x, y, vx , vy ) in
der MOT entgegen obiger Vorraussetzung in Wirklichkeit ortsabhängig
ist. Falls dies der Fall ist, sollten die Atome im Zentrum der Falle kälter
sein als am Rand, da die Atome im Zentrum am besten gekühlt werden.
Eine solche Geschwindigkeitsverteilung führt allerdings zu einer Korrektur in der falschen Richtung: Die Drahtabsorptionskurve sollte sich
dadurch verbreitern und nicht verschmälern. Damit läßt sich also die
beobachtete Diskrepanz der beiden Kurven in Abb. 4.2 nicht erklären.
• Man nimmt an, daß Fluoreszenz-Photonen innerhalb der Atomwolke
reabsorbiert werden. Photonen aus dem Zentrum der Wolke werden
dann häufiger absorbiert als Photonen vom Rand der Wolke. Dieser Effekt “verdunkelt” das Zentrum und vergrößert die sichtbare Breite der
Atomwolke. Dem kann entgegengesetzt werden, daß bei ausgedehnten
Fallen (kleinen Atomdichten) der Verbreiterungseffekt kleiner werden
sollte, da die Mehrfachstreuung der Photonen mit der Dichte zunimmt.
Auch dies ist nicht der Fall, wie man mit einem Blick auf Abb. 4.3 feststellen kann. Es ist das Verhältnis der aus den CCD Bildern bestimmten
Breiten σCCD und der Breiten aus den Drahtmessungen σx aufgetragen.
Die CCD Bilder liefern immer größere Breiten als die Drahtmessungen.
Mit wachsender Fallengröße wächst auch das Verhältnis σCCD /σx .
• So bleibt uns nur die Erklärung von Seite 66, daß die Fluoreszenz der
Atomwolke durch das magnetische Quadrupolfeld ein verzerrtes Bild
der wirklichen Atomverteilung vorgibt. Die Atome am Rande der MOT
72
streuen aufgrund der Zeemanaufspaltung mehr Laserlicht als im Zentrum der Falle. Dies bewirkt eine scheinbare Fallenverbreiterung.
Die durchgezogene Kurve in Abb. 4.3 ist eine Rechnung zu dem einfachen Modell aus Gl. (3.19) für die entsprechenden experimentellen
Parameter (Magnetfeldgradient = 14 Gauß/cm, Detuning = 15 MHz).
Sie steht qualitativ im Einklang mit den gemessenen Daten.
Damit erhärtet sich auch die Vermutung, daß die 15% Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment in den Experimenten mit geladenem Draht
im magnetischen Quadrupolfeld zu suchen ist, (vgl. Abb. 3.19 und 3.20 auf
Seite 64).
Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß Sondenuntersuchungen
mit ungeladenem Draht nicht nur nützlich sind, um den Dichtefluß in der
Falle zu messen, sondern auch die Dichteverteilung (ρv (x, y, vx , vy ) muß unabhängig von x, y sein!). Auch in anderen Fallentypen wie magnetischen
oder Dipolfallen sind interessante Experimente mit Drahtsonden denkbar. So
könnte man mit dem Draht z.B. Durchmischungsvorgänge im Phasenraum
von verschiedenen Potentialen studieren.
73
74
Kapitel 5
Van der Waals Kräfte
In unserer bisherigen Diskussion wurde der Draht als ein Stück Materie betrachtet, das Atome absorbieren kann. Der Draht ist durch seinen Radius
scharf begrenzt. In Kapitel 3.4 wurde erkannt, daß der Schatteneffekt der
Laserstrahlen die effektiv gemessene (absorbierende) Drahtdicke erhöht. Diese effektive Drahtdicke wird noch durch einen zweiten Effekt erhöht, die Van
der Waals Kräfte [Lon30, Cas48, Len32]. Atome in der Nähe der Oberfläche
des Drahtes spüren eine anziehende Kraft auf den Draht. Diese Kraft ist
bedingt durch die induzierte Dipol-Dipol Wechselwirkung zwischen Atomen
des Drahtes und dem vorbeifliegenden Atom. Das Van der Waals Potential
zwischen zwei Atomen folgt einer 1/r 6 Abhängigkeit, das Potential zwischen
einem Atom und einem Festkörper mit ebener Oberfläche dagegen einer 1/z 3
Abhängigkeit (folgt durch Integration über alle Atome des Festkörpers).
Es wird nun interessant sein, abzuschätzen, ob und welchen Einfluß das
Van der Waals Potential auf unsere Messungen hat. Dazu wollen wir es uns
in den folgenden Zeilen sehr einfach machen und legen keinen Wert auf hohe
Präzision. Casimir-Polder-Retardierungseffekte, die wichtig sind für Atom Oberflächenabstände von mehreren 100 nm, werden vernachlässigt. Da die
Van der Waals Kraft nur sehr kurzreichweitig ist, sehen Atome dieses Potential nur, wenn sie direkt sich über der Oberfläche des Drahtes befinden, d.h.
(r−Rw ) << Rw , wo (r−Rw ) der Abstand des Atoms zur Drahtoberfläche ist.
In dieser (groben) Näherung ist die Drahtoberfläche aus der Sicht des Atoms
effektiv eben, und das anziehende Potential hat die Form 1/(r − Rw )3 .
Für dieses Potential läßt sich wieder analog zum geladenen Draht ein
Wirkungsquerschnitt für die Absorption berechnen. Wir betrachten einen
einfallenden Strahl von Atomen mit Geschwindigkeit v, die auf den Draht
zulaufen. Die vom Draht angezogenen Atome werden genau dann auf ihn
fallen, wenn ihr Stoßparameter b = Lz /(Mv) kleiner ist als ein bestimmter
Wert bcrit . Hat man bcrit gefunden, so ist der Wirkungsquerschnitt σabs gege75
eff. Potential
Hohes Lz
Energie
Atom
Niedriges Lz
radialer Abstand
Abbildung 5.1: Das effektive Potential Ueff , das sich zusammensetzt aus anziehendem Van der Waals Potential und abstoßender Drehimpulsbarriere.
Für unterschiedliche Drehimpulse Lz muß das Atom mit Gesamtenergie E
verschieden hohe Potential-Barrieren überwinden, um auf den Draht zu gelangen.
ben durch 2bcrit . Um bcrit zu berechnen, betrachten wir die radiale Bewegung
des Atoms. Es sieht das effektive Potential Ueff ,
Ueff = −
A
L2z
+
,
(r − Rw )3 2Mr 2
(5.1)
das sich aus Van der Waals Term, A/(r−Rw )3 , und dem Drehimpulspotential
zusammensetzt. Bild 5.1 zeigt Ueff für verschiedene Drehimpulse Lz . Um
auf den Draht zu fallen, muß die Drehimpulsbarriere überwunden werden.
Je kleiner der Drehimpuls des Teilchens, desto kleiner auch die Barriere.
Für einfallende Atome mit Energie E gibt es folglich einen Grenzdrehimpuls
LG , sodaß es das Atom noch gerade über die Barriere “schafft”. Dazu muß
die Spitze der Barriere gleich der Energie E des Teilchens sein. Die Spitze
der Barriere findet sich durch erste Ableitung von Ueff und anschließendes
Nullsetzen,
dUeff
3A
L2z
=
−
= 0.
(5.2)
dr
(r − Rw )4 Mr 3
Aus Gl. (5.2) und der Bedingung, daß die Energie des Teilchens E = 1/2Mv 2
an der Spitze E = Ueff genügt, kann bcrit berechnet werden, wenn A gegeben
ist. Der Wert der Konstante A des Van der Waals Potentials für die Wechselwirkung von Lithiumatomen mit einer perfekt leitenden Metalloberfläche
76
[µ m]
0.5
v = 0.5 m/s
0.4
0.3
b crit - R w
v = 0.75 m/s
0.2
v = 1.5 m/s
0.1
0
0
2
4
6
8
Radius des Drahtes [ µ m]
10
Abbildung 5.2: Der Absorptionsquerschnitt des Drahtes wird durch das Van
der Waals Potential vergrößert. Diese Zunahme ergibt sich zu 2(bcrit − Rw ).
Der Radius der Drähte scheint je nach Drahtgröße und Geschwindigkeit v
der einfallenden Atome um 200 bis 400 nm dicker zu sein als der tatsächliche
Drahtradius.
ist im Limes r −→ Rw gegeben durch [Mar97, Seg97],
A = 1.4468 · 27.2eV · (0.529 10−10 m)3 .
(5.3)
Die Rechnung ergibt, daß der “absorbierende” Radius des Drahtes bcrit
größer ist als Rw . Abb. 5.2 zeigt den scheinbaren Radiuszuwachs des Drahtes,
∆Rw = bcrit −Rw , aufgrund der Van der Waals Wechselwirkung. ∆Rw wächst
mit steigendem Durchmesser der Drähte und mit fallender Temperatur der
Atome. Dieses Anwachsen von Rw läßt sich zurückführen auf die steigende
Wechselwirkungszeit für Atom und Draht beim Passieren des Drahtes: Das
Atom hat mehr Zeit auf den Draht zu stürzen.
Bedeutet für einen dicken Draht von 10 µm die Wirkung des Van der
Waals Potentials nur eine “Verbreiterung” um wenige Prozent, so erhöht es
den Absorptionsradius eines dünnen Drahtes doch sehr erheblich. Um also Van der Waals-Wechselwirkungen quantitativ zu messen, sollten dünne
Drähte besonders geeignet sein. Allerdings ist auf der anderen Seite die Bestimmung des tatsächlichen Radius dünner Drähte oft viel schwieriger als
von dicken.
Absolute Messungen zum Absorptions-Wirkungsquerschnitt wurden wie
in Abb. 3.16 gezeigt, in den elektrischen Drahtexperimenten mit Drähten
77
mit Radius Rw = 4.8, 1.8, 0.7µm durchgeführt. Die Genauigkeit der Radienbestimmung der Drähte war dabei sehr unterschiedlich, Rw = 4.8 ± 0.1, 1.8 ±
0.2, 0.7 ± 0.4µm. Der Radius des 0.7µm Drahtes kann nur sehr ungenau angegeben werden, da der Draht während des Experiments durch einen Unfall
zerstört wurde1 . Nominell hätte dieser Draht einen Durchmesser von etwa 0.6
µm. Dieser Durchmesser wurde bei Messungen an vergleichbaren Drähten wegen starker Verunreinigungen allerdings nur an sehr wenigen Stellen erreicht.
Zusätzlich bilden sich im Laufe der Zeit in der Vakuumkammer Lithiumkrusten auf der Drahtoberfläche, die den Drahtradius zusätzlich vergrößern. Der
Radius von Rw = 0.7µm für den dünnen Draht wurde nach Auswertung der
Absorptionsmessungen einfach festgesetzt.
Trotz dieser Unsicherheiten zeigen jedoch alle Absorptions-Meßreihen
deutlich eine größere absorbierende Dicke der Drähte, als ihrer wirklichen
Dicke Rw entspricht. Die gemessene Verbreiterung ∆Rw des Drahtes verträgt
sich mit den Abschätzungen aus Abb. 5.2. Im Klartext, die Drähte mit Radius Rw hatten einen gemessenen Absorptionsradius, der größer war als Rw .
Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht zu den in unseren Experimenten
vermessenen Drähten.
Radius AbsorptionsRw
radius
4.8µm
5.1µm
1.8µm
2.1µm
‘0.7’µm
0.8µm
Aufgrund dieser Ergebnisse ist es relativ sicher, daß wir Van der
Waals’sche Potentiale in unseren Messungen beobachten konnten. Mit einem dünnen Draht bekannter Dicke sollten quantitative Messungen nach der
hier vorgestellten Methode zur Atom-Oberflächen Wechselwirkung möglich
sein.
Das Verständnis von Van der Waals Kräften ist sicherlich von großer
Wichtigkeit, möchte man mikroskopische Atomoptik betreiben, in der Atome
und materielle Oberflächen nur durch kurze Distanzen voneinander getrennt
sind. Prinzipielle Fragen zu Kohärenzverlust und Aufheizung von Atomen
durch die Kopplung an warme Oberflächen sind noch zu beantworten.
1
Das Windows-Betriebssystem des Steuercomputers stürzte ab. Dadurch gaben die
Analogausgabekarten des Computers unkontrollierte Spannungen aus, und auf den Draht
wurde über ein Hochspannungsgerät 1000 V gelegt. Dabei zeriss der Draht.
78
Kapitel 6
Atome im 1/r Potential
Nun werden unsere Experimente mit stromdurchflossenem Draht beschrieben. Wir leiten im theoretischen Vorspann her, daß ein Atom im reinen magnetischen Feld des Drahtes ein effektives 1/r Potential spürt. Es folgt eine
Besprechung unserer Experimente und Resultate. In Kapitel 7 besprechen wir
Versuche, in denen das magnetische Feld des Drahtes mit einem homogenen
Magnetfeld kombiniert wird.
Befindet sich ein Atom in der Nähe eines stromführenden Drahtes, wech
selwirkt es über sein magnetisches Moment µ mit dem magnetischen Feld B
des Drahtes,
Vint = −µ · B.
(6.1)
Ist der Draht gerade, so ist sein zylindersymmetrisches Magnetfeld gegeben
durch
= µ0 I êφ ,
(6.2)
B
2π r
Draht
B
I
µ
Abbildung 6.1: Magnetische Wechselwirkung eines Atomes mit dem Magnetfeld eines stromdurchflossenen Drahtes.
79
wo I der Strom durch den Draht ist und êφ der Einheitsvektor (Zylinderkoordinaten) in φ-Richtung. Die resultierende Hamiltonfunktion des Atoms ist
gegeben durch
p2
H=
− µ · B,
(6.3)
2M
und die Bewegung entlang des Drahtes (z-Richtung) ist frei, sodaß sich das
Problem auf 2 Dimensionen einschränken läßt. Das magnetische Moment des
Atoms ist proportional zu seinem Spin und die Wechselwirkung läßt sich wie
folgt schreiben:
µ0 I
,
(6.4)
2π r
wo mF die magnetische Quantenzahl des Atoms ist mit der Quantisierungsachse entlang zum B-Feld. gF ist der g-Faktor des atomaren Zustands (siehe
Appendix A.1).
Zeigt das magnetische Moment in die gleiche Richtung wie das Magnetfeld
> 0), so ist die Wechselwirkung attraktiv und das Atom ist in einem
(µ · B
‘high field seeker’ Zustand. Es kann dann im 1/r Potential gebunden werden.
< 0, dann sind die Atome im ‘low field seeker’ Zustand und werden
Falls µ · B
vom Draht abgestoßen.
Das Potential in Gl. (6.4) sieht wie ein konservatives 1/r Potential aus,
was aber in Wirklichkeit nicht stimmt, da die Spinquantenzahl mF im allgemeinen zeitabhängig ist. Bewegt sich nämlich das Atom um den Draht,
so dreht sich im Ruhesystem des Atoms das Magnetfeld um seine z-Achse.
Um ein konservatives Potential zu erhalten, muß der Spin des Atoms adiabatisch dem drehenden Magnetfeld folgen. Dies ist der Fall [Gut31], wenn die
Larmor-Präzession des Spins ωLa viel schneller ist als die scheinbare Drehung
des Magnetfeldes ωB ,
(6.5)
ωLa >> ωB .
Vint = −gF mF µB B = −gF mF µB
In unseren Experimenten, in denen Atome typischerweise eine Geschwindigkeit von 1 m/s haben und sich in 1 mm Entfernung um den Draht bewegen,
ist ωB größenordnungsmäßig ωB = 2π·150 Hz und bei einem typischen Strom
von 1 A durch den Draht ist ωLa = 2π·1.4 MHz. Das heißt, wir arbeiten sicher
im adiabatischen Limes und können in der adiabatischen Approximation von
einem 2-dimensionalen 1/r Potential in unserem System ausgehen. Die Bewegung des Atoms um den Draht ist dann beschrieben durch Kepler-Bahnen,
ganz ähnlich der klassischen Himmelsmechanik. Aus der Rotationssymmetrie
um den stromführenden Draht folgt, daß der Drehimpuls Lz des Atoms in
z-Richtung (entlang des Drahtes) erhalten bleibt. Weiterführende und tiefergehende Diskussionen, die hier nicht fortgeführt werden brauchen, findet man
in [Sch95a, Sch95b, Sch96a, Sch96b].
80
Abbildung 6.2: Ein Leiter für Atome — die Atome sind in 2 Richtungen
gefangen, die Bewegung in der dritten Raumrichtung ist frei.
Sind die Atome ungebunden, E > 0, so beschreiben sie offene Hyperbelbahnen und verlassen früher oder später die Drahtregion. Atome im 1/r
Potential mit einer negativen Gesamtenergie E < 0 sind gebunden und bewegen sich in Kepler-Ellipsen um den Draht. Weil die Bewegung entlang des
Drahtes frei ist, läßt sich damit ein Leiter für Atome bauen (siehe Abb. 6.2).
Solch ein Leiter wurde schon 1992 [Sch92] demonstriert für einen thermischen, kollimierten Strahl von Natriumatomen, der entlang einem stromdurchflossenen Draht geschickt wurde. In diesem Experiment war durch die
hohe Geschwindigkeit der Atome die Wechselwirkungszeit auf etwa eine Millisekunde begrenzt und die Atome vollzogen in dieser Zeit höchstens 1-2 Orbits
um den Draht.
In unseren Experimenten mit kalten Atomen kann nun diese Wechselwirkungszeit bedeutend verlängert werden und die Atome führen viele Drahtumrundungen aus. Dieses Regime erlaubt eine eingehende Untersuchung der
Atom-Draht Wechselwirkung.
6.1
Experiment
Abb. 6.3 zeigt die experimentellen Schritte, um die kalten Atome aus der
magneto-optischen Falle in die ‘high field seeker’ Drahtfalle einzuladen.
• Laden: In einem ersten Schritt wird die MOT bei einer roten Laserlichtverstimmung von 25 MHz 20 Sekunden lang geladen, bis sich
ungefähr 3 · 107 Atome in der Falle befinden.
81
Draht
Lichtintenstät
MOT
20s
Falle
laden
30ms
5-20ms
schieben, Wechsel
kühlen wirkung
CCD Bild
nehmen
aus: Spulen, Licht
an: Drahtstrom (1A)
Abbildung 6.3: Experimentelle Schritte für das Einladen und Leiten der
Lithiumatome entlang des Drahtes.
• Schieben: Dann wird die Falle in 5-10 Millisekunden zum Draht geschoben und auf den Draht zentriert. Dies geschieht, indem mit zusätzlichen Stromspulen homogene Offsetmagnetfelder erzeugt werden, die
den Feldnullpunkt des magnetischen Quadrupolfeldes verschieben. Die
Falle darf nicht zu schnell verschoben werden, da sie sonst nach dem
‘Absetzen’ der Atome wegen ihrer Masse-Trägheit nachpendelt. Die
Position der Falle wird mit getriggerten Kameraaufnahmen überprüft.
• Kühlen: Zur gleichen Zeit wird der Slower-Laserstrahl der Falle mit
dem AOM 3 abgestellt. In einer 4-5 ms langen Rampe wird die Lichtintensität des Fallenlasers mit dem AOM 2 um einen Faktor 100 gesenkt
und das Laserdetuning von 25 MHz auf etwa 8 MHz näher an die Resonanz gefahren. Damit erreicht man eine effiziente Kühlung der Atome
auf etwa 200 µK. Je kälter die Atome sind, desto leichter und effizienter
können sie in den Atomleiter eingeladen werden. Die Atomwolke hat
zu diesem Zeitpunkt eine Ausdehnung von etwa σx,y,z = 0.7 mm.
• MOT abstellen: Sodann wird das Licht mit dem AOM 2 abgeschaltet.
Dies bringt eine Unterdrückung der Lichtintensität von etwa 10−4 . Um
das Licht wirklich vollständig auszulöschen, benutzen wir zusätzlich
mechanische Shutter, die etwa in einer halben Millisekunde geschal82
CCD
MOT
Laser
Ofen
CCD
Draht
Bremsstrahl
100 MHz
Falle
Abbildung 6.4: Setup für Atomleiter. Mit zwei Kameras können Atomverteilungen senkrecht zum Draht und entlang des Drahtes aufgenommen werden.
tet werden können1 . Zur gleichen Zeit werden die Quadrupolfelder der
MOT und die magnetischen Offsetfelder abgestellt. Dazu braucht man
wegen der hohen Spuleninduktivitäten und der Eddi-Ströme in den
Wänden der Vakuumkammer etwa eine halbe Millisekunde Zeit. Mit
dem Abklingen dieser Magnetfelder wird der Strom (etwa 1-1.4 Ampere) durch den Draht in 100 µs eingeschaltet.
• Wechselwirkung: Die Atome befinden sich jetzt im Rahmen der
adiabatischen Approximation im 1/r Potential des Drahtes, dem sie
eine beliebige Zeit zwischen 3 und 40 ms lang ausgesetzt werden. Im
Potential ändert sich die räumliche Verteilung der Atome aufgrund der
Wechselwirkung.
• CCD-Bild: Nach Ablauf der Wechselwirkungszeit wird der Strom
durch den Draht abgestellt (Abstelldauer etwa 100 µs). Sobald das geschehen ist, wird das Laserlicht mit voller Leistung wieder eingestrahlt.
Es bildet sich eine optische Melasse, die die örtliche Verteilung der Atome für mehrere Millisekunden ‘einfriert’. Die triggerbare CCD Kamera
1
Atome in einer magnetischen Falle sind äußerst sensitiv auf resonantes Streulicht. Ein
einziges gestreutes Photon kann den Spin eines Atoms umklappen und damit das Atom
in einen ungebunden Zustand überführen, das der magnetischen Falle dann verloren geht.
Es zeigte sich jedoch in unseren Experimenten von bis zu 40 ms Wechselwirkungszeit, daß
die Verwendung der mechanischen Shutter höchstens geringfügig die Lebensdauer in der
Falle erhöhte.
83
macht ein Bild von der Atomwolke mit einer Belichtungszeit zwischen
0.5 und 1 ms. Bilder können aus verschiedenen Raumrichtungen gemacht werden: Senkrecht zum Draht und entlang des Drahtes (siehe
Abb. 6.4).
• Untergrundbild: Zusätzlich werden Untergrundbilder aufgenommen
und von den Bildern der Atomwolken im Leiter abgezogen. Dies unterdückt störende Streulichtsignale und Signale von ungebundenen Atomen.
Die Bilder in Abb. 6.5 (oben) zeigen Atomverteilungen nach Wechselwirkungszeiten von 3 bis 20 ms. Entlang des Drahtes ist ein längliche Wolke
von Lithiumatomen zu erkennen, die im Atomleiter (‘Keplerleiter’) gebunden
sind. Deutlich ist die freie Expansion der Atomwolke bis zur 10. Millisekunde
in Drahtrichtung zu erkennen. Sie entspricht der Geschwindigkeitskomponente der Atome in dieser Richtung. Die Höhe des Bildausschnitts beträgt
etwa 2 cm, begrenzt durch den Durchmesser der Fallenlaser. Die Bilder sind
ein optischer Nachweis für das Leiten von Atomen entlang eines Drahtes
über diese Entfernung. Für lange Zeiten wird das Fluoreszenzsignal der Atome schwächer, weil durch die Expansion die Atomdichte sinkt. Für kurze
Wechselwirkungszeiten t < 15ms ist neben den im Keplerleiter gebundenen
Atomen noch ein großer fluoreszierender Untergrund einer expandierenden
Wolke ungebundener Atome vorhanden.
Dieser Untergrund kann größtenteils eliminiert werden, indem von den
Bildern der oberen Reihe Bilder von Atomwolken nach freier Expansion abgezogen werden. Für die Aufnahmen der Atomwolken nach freier Expansion wird das Experiment einfach nocheinmal durchgeführt, diesmal aber mit
stromlosem Draht. Die untere Reihe der Bilder in Abb. 6.5 wurden auf diese
Weise gewonnen.
Abb. 6.6 zeigt die geführten Atome, wenn sie von oben entlang des Drahtes betrachtet werden. Es ergibt sich eine runde Wolke in deren Zentrum der
Draht sitzt. Ein kreuzförmiger Schattenwurf des 50 µm dicken Drahtes in die
Laserstrahlen ist zu sehen.
Quantitative Analyse
Es folgt nun eine quantitative Analyse der Bilder der Kamera. Das CCD Bild
liegt im Computer als Matrix vor, deren Einträge proportional zur Fluoreszenzintensität (lokalen Atomdichte) sind. Aus dieser Matrix werden senkrecht
zum Draht liegende Pixelreihen ausgewählt und aufgetragen. Um das SignalRauschverhältnis zu verbessern, wird über viele solcher Pixelreihen gemittelt
(siehe Abb. 6.7).
84
3ms
5ms
10ms
15ms
20ms
Abbildung 6.5: Atomwolken, die in der zwei dimensionalen Drahtfalle zwischen 3 und 20 ms gefangen wurden. Deutlich ist die Expansion der im Leiter
gebundenen Atome entlang des Drahtes zu erkennen. Die Bilder zeigen einen
etwa 2 cm langen Ausschnitt des Drahtes und bilden einen optischen Nachweis für das Leiten von Atomen über diese Entfernung. Die gezeigten Bilder
der unteren Reihe ergeben sich aus der Differenz der Bilder der oberen Reihe
und Bildern für Atome nach freier Expansion.
Abbildung 6.6: Blick entlang des Drahtes auf die im Atomleiter gebundenen
Atome. Die Atomverteilung ähnelt einem Kleeblatt. Dieser Scheineffekt hat
seinen Ursprung im Schatten, den der Draht in die Laserstrahlen wirft.
85
Draht
Summe
über
Pixel
Abbildung 6.7: Um ein deutliches Signal zu erhalten, wird über Pixelreihen
entlang des Drahtes summiert.
Abb. 6.8 zeigt solche radiale Atomverteilungen nach 7.5 ms Wechselwirkungszeit. Die Kurve a) entspricht dem Fall, wenn während der Wechselwirkungszeit durch den Draht 1.2 Ampere Strom geschickt wurde. Dazu im
Vergleich Referenzkurve b). Sie wurde unter gleichen Bedingungen aufgenommen mit dem einzigen Unterschied, daß diesmal kein Strom durch den Draht
floß: Es resultiert dann eine freie Expansion der Atome. Wie nach Kapitel
2.8 zu erwarten, zeigt die zur freien Expansion der Atome gehörende Verteilung eine Gaußglockenform. Die Verteilung der Atome im 1/r Potential ist
im Vergleich dazu verändert, in der Mitte der breiten Verteilung sitzt eine
Spitze. Sie gehört zu den im 1/r Potential gefangenen Atomen. Dies wird
noch deutlicher, wenn wir Kurve c) betrachten. Sie ist die Differenz zwischen
Kurve a) und Kurve b). Der Kurvenverlauf in c) wird recht gut beschrieben
durch zwei angepaßte Gaußkurven: ein breiter Dip und eine schmaler Peak.
Der Peak in der Mitte des Dips entspricht den gefangenen Atomen, die um
den Draht kreisen. Welche Bedeutung hat der Dip? Einerseits, wegen der
Erhaltung der Teilchenzahlen, stammt er von den Atomen, die vom Draht
angezogen wurden und sich jetzt im Peak befinden. Zum anderen Teil wird er
erzeugt durch Atome, die sich in anderen Spinzuständen befinden und vom
Draht abgestoßen werden. Sie wandern schneller vom Draht weg als ohne
repulsives Potential und erzeugen eine weitere positive Ringverteilung weiter außen in der radialen Verteilung. Diese ist allerdings hier praktisch nicht
zu sehen, weil sie sich über einen breiten Raumbereich verteilt. Für kürzere
Wechselwirkungszeiten (∆t ≤ 5ms) ist sie aber klar erkennbar (siehe zum
Beispiel Abb. 6.11, erstes Bild).
Ist die Wechselwirkungszeit so kurz, daß sich die Atome alle noch im Be86
Draht-Position
20
Kein Strom
b)
Atom Dichte [a.u.]
10
a)
Strom (1.2 A)
0
Gefangene Atome
2
Repulsiver Dip
c)
0
-2
-4
Differenz
0
2
4
6
8
10
12
Position [mm]
Abbildung 6.8: Radiale Verteilung der Atome um den Draht. a) Verteilung
der Atome im 1/r Potential; b) Verteilung der Atome nach freier Expansion;
c) Differenz der Kurven a) und b). Der Peak in der Mitte entspricht gefangenen Atomen, während der Dip auch abgestoßenen Atomen zugeordnet
werden kann.
80
80
70
70
5 ms
60
Atomic density [a.u.]
Atomic density [a.u.]
60
50
40
10 ms
30
20
50
40
10 ms
30
20
20 ms
10
0
0
5 ms
2
4
6
8
Location [mm]
20 ms
10
10
0
0
12
Abbildung 6.9: Atomwolken nach 5,
10, 20 ms langem Guiding. Auf dem
breiten Untergrund der expandierenden Wolke sitzt eine Spitze gefangener Atome.
2
4
6
8
Location [mm]
10
12
Abbildung 6.10: Atomwolken nach 5,
10, 20 ms freier Expansion. Sie sind
gaußförmig.
87
reich der Laserstrahlen befinden, wo sie Fluoreszenzlicht streuen können, so
entspricht die Fläche unter dem zentralen Peak der Anzahl der 2-dimensional
gefangenen Atome. Vergleicht man die Fläche des Peaks mit der Fläche unter
der Gaußkurve (freie Expansion der Teilchen), so läßt sich der Anteil der im
1/r Potential gefangenen Atome bestimmen. In unseren Experimenten konnten wir bis zu 10 % der Atome aus der MOT in den Atomleiter einladen.
Eine ausführlichere Diskussion dieses Aspektes folgt in Kapitel 6.3.
Abb. 6.11 zeigt die Zeitentwicklung der radialen Verteilung der Atome
in der Nähe des Drahtes. Folgendes ist festzustellen: Der Dip ist zu Beginn
schmal und tief. Er dehnt sich im Folgenden aus, während seine Amplitude
abnimmt. Der Dip expandiert wie eine freie Wolke von Atomen, weil er das
‘fehlende’ Signal der freien Expansion der Population von Atomen darstellt,
die nun am Draht gefangen sind (oder die durch die Abstoßung das Gebiet
um den Draht schneller verlassen haben).
Die Breiten der Verteilung
Die Breiten des Dips als Funktion der Zeit sind in Abb. 6.12 dargestellt. Die
Ausdehnung des Dips ist näherungsweise durch eine Nullpunktsgerade in der
Zeit beschrieben.
Anders hingegen der Peak der gefangenen Atome am Draht (siehe Abb.
6.13). Seine Breite vergrößert sich viel weniger im Verlauf der Zeit. Dies liegt
daran, daß die gebundenen Atome sich im 1/r Potential auf stabilen KeplerEllipsen um den Draht bewegen und damit die Atomverteilung von Anfang
an fixiert ist.
Worauf gründet sich dann das experimentell nachgewiesene Anwachsen
der Breite? Zum einen müssen wir uns vor Augen halten, daß in unserem Experiment die Stromstärke über die Wechselwirkungszeit nicht konstant gehalten wird. Sie fällt aufgrund des steigenden Drahtwiderstandes durch die ohmsche Aufheizung (vgl. Kapitel 2.10.1). Damit wird das Potential schwächer
und die Verteilung der gefangenen Atome dehnt sich aus. Zum anderen sind
zusätzlich zu unserem Draht-Magnetfeld immer noch schwache Streumagnetfelder vorhanden. Diese zerstören die Symmetrie und die Eigenschaften des
reinen 1/r Potentials. Als Folge verändern sich die Kepler-Bahnen um den
Draht im Verlauf der Zeit, was sich in einem Anwachsen der Breite der Verteilung bemerkbar macht. Auf den Einfluß der Streumagnetfelder auf die
Kepler-Orbits gehen wir im Detail in Kapitel 6.4 ein.
88
20
20
3 ms
10
0
0
−10
−10
−20
−20
−30
0
2
4
6
8
10
12
−30
14
Difference signal [a.u.]
20
10 ms
2
4
6
8
10
12
14
0
−10
−10
−20
−20
0
2
4
6
8
10
12
14
6
8
10
12
14
15 ms
10
0
6
8
10
12
−30
14
20
0
2
4
20
20 ms
10
0
−10
−10
−20
−20
0
2
4
25 ms
10
0
−30
0
20
10
−30
5 ms
10
6
8
10
12
−30
14
Location [mm]
0
2
4
Location [mm]
Abbildung 6.11: Zeitentwicklung der radialen Verteilung. Dip und Peak
können durch Gaußkurven beschrieben werden. Der sehr enge, große “dispersive” Peak in der Mitte zeigt den Ort des Drahtes. Dieser Peak kommt
bei der Subtraktion des Hintergrundbildes zustande, da sich der Draht ein
wenig verschiebt, je nachdem ob Strom durch ihn fließt oder nicht.
89
Breite des rep. Dips [mm]
5
4
3
2
1
00
5
10
Expansionszeit [ms]
15
Abbildung 6.12: Breite des repulsiven Dips als Funktion der Zeit. Die Breiten
sind aus gaußförmigen Fits an die experimentellen Daten gewonnen worden.
Breite der gefangenen Atome
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0
5
10
15
20
25
30
Wechselwirkungszeit [ms]
35
40
45
Abbildung 6.13: Verbreiterung des Peaks der gefangenen Atome als Funktion
der Zeit. Daß sich der Peak überhaupt verbreitert, läßt sich auf das Sinken des
Drahtstroms und magnetische Streufelder zurückführen. Die Breiten wurden
durch Anpassung von Lorentzkurven an die Peaks gewonnen.
90
Lorentz- oder Gaußkurve?
Es ist nicht ganz einfach, absolute Werte für die Breiten in Abb. 6.12 und
6.13 anzugeben. Dies liegt daran, daß uns bisher unbekannt ist, durch welche
theoretische Funktion der Peak und der Dip beim Fitten zu beschreiben sind.
Wir haben in unseren Versuchen, die experimentellen Kurven zu beschreiben,
zum Vergleich Gauß- und Lorentzkurven zum Fitten benutzt. Überraschenderweise finden wir, daß für lange Wechselwirkungszeiten (t > 20ms) die
Verteilungen sehr gut durch Lorentzfunktionen beschrieben werden.
Abb. 6.14 und 6.15 zeigt zwei typische, experimentell gemessene, radiale
Verteilungen nach 10 und 20 ms Wechselwirkungszeit.
In Abb. 6.14 geben beide, Gauß- und Lorentzfit, gute Fitresultate für die
radiale Atomverteilung der gebundenen Atome. Der Dip wurde in beiden Fits
durch eine Gauß’sche Glockenkurve beschrieben. Während der Dip für den
Gaußfit streng den experimentellen Daten folgt, reicht der Dip des Lorentzfits
tiefer und hat ausladende Flanken. Beide Fits liefern recht unterschiedliche
Ergebnisse, wenn man Breiten und Amplituden der Kurven vergleicht. Dies
erklärt die Unsicherheit bei der Bestimmung der Breiten der Verteilung in
den ersten 10 ms.
Abb. 6.15 zeigt die Verteilung im Atomleiter nach 20 ms Wechselwirkungszeit. Die ungebundenen Atome der MOT haben zum größtenteil ihrer Temperatur entsprechend die Wechselwirkungszone verlassen. Sie bilden
nur noch ein dünnes homogenes Hintergrundgas. Auf diesem flachen Untergrund sitzt nun der Anteil der gebundenen Atome und ist leicht davon zu
unterscheiden. Es zeigt sich hier, daß der zentrale Peak eher schlecht durch
eine Gaußverteilung beschrieben wird. Die atomare Verteilung hat zu langreichweitige Flanken. Eine Lorentzverteilung dagegen liefert ein sehr gutes
Ergebnis.
In Monte-Carlo Rechnungen, in denen das Experiment mit etwa 107 klassischen Punktteilchen simuliert wurde, erhielten wir ganz ähnliche Verteilungen der Atome wie im Experiment. Diese Bilder und Kurven finden sich
in Anhang D.2. Auch hier gilt, daß für Wechselwirkungszeiten > 15ms die
Atomverteilungen sehr gut durch Lorentzkurven beschrieben werden.
91
Fluoreszenssignal [a.u.]
10
Lorentzfit
5
Gaußfit
nach 10 ms
0
-5
-10
Dip für Gaußfit
-15
-5
Dip für Lorentzfit
0
5
Abstand vom Draht [mm]
Fluoreszenssignal [a.u.]
Abbildung 6.14: Verteilung von Atomen zusammen mit Gauß- und Lorentzfit für den Peak. Der Dip wird in beiden Fällen durch einen Gaußfunktion
beschrieben.
8
6
nach 20 ms
4
2
Lorentzfit
und Daten
Fit an Dip
0
-2
Gaußfit
-4
-5
0
5
Abstand vom Draht [mm]
Abbildung 6.15: Nach langen Wechselwirkungszeiten wird die Dichteverteilung der Atome recht gut durch eine Lorentzkurve beschrieben.
92
Anteil der geführten Atome [%]
14
12
10
8
6
4
2
0
0
10
20
30
40
Zeit in der Atome geleitet wurden [ms]
Abbildung 6.16: Zeitlicher Verlust des Signals der gefangenen Atome im 1/r
Potential. Datenpunkte = experimentelle Werte; Ausgezogene Linie = Rechnung (siehe Text).
Anteil gefangener Atome
Wir betrachten nun, wie sich die Anzahl der gefangenen Atome in unserem
Atomleiter als Funktion der Zeit verhält. Die Fläche unter dem zentralen
Peak sollte proportional sein zu dieser Anzahl. Abb. 6.16 zeigt dieses Signal
in Abhängigkeit der Zeit. Die Fehlerbalken der Atomzahlen für kurze Wechselwirkungszeiten sind relativ groß. Das kommt, wie oben diskutiert, durch
die Unsicherheit und Unkenntnis der funktionellen Form der Atomverteilung.
Der Atomleiter scheint relativ schnell seine Atome zu verlieren! Schon
nach 40 ms sind nur noch etwa 1/4 der Atome, die anfangs eingeladen wurden, zu sehen! Dies hat aber zunächst eine einfache Erklärung: Ein großer
Teil der ‘Verluste’ ist in Wirklichkeit nur scheinbar. Die gefangenen Atome
können sich nämlich in Richtung des Drahtes frei bewegen. Mit ihrer Geschwindigkeit von etwa σv = 50 cm/s verlassen sie recht schnell entlang des
Drahtes die Fallenregion, wo der optische Nachweis der Atome stattfindet.
Dieses Abwandern der Atome aus dem Detektionsgebiet wird noch zusätzlich
verstärkt durch das Fallen der Atome im Gravitationsfeld. Der Draht ist in
unseren Experimenten parallel zum Schwerefeld montiert.
93
Mathematisches Modell
Beide ‘Verlust’-Effekte kann man relativ einfach mathematisch modellieren:
Dazu nehmen wir an, N Atome sind im Atomleiter gebunden. Zur Zeit t = 0
befindet sich die Atomwolke bei zo (t) = 0 und besitzt in z-Richtung eine
Gauß’sche Orts- und Geschwindigkeitsverteilung mit den Breiten σz bzw. σv .
Diese Wolke fällt nun im Schwerefeld und expandiert gleichzeitig, sodaß sich
folgende Dichteverteilung ρ(z) der Atome ergibt:
1
−(z − zo )2
ρ(z) = √
exp
2σz2
2πσz
mit
(6.6)
σz2 (t = 0) + σv2 t2
1
= − gt2 ,
2
σz =
zo
und
wo g = 9.81m/s2 die Gravitationsbeschleunigung ist. Nehmen wir an, daß die
Laserstrahlen homogen und auf den Bereich −B < z < +B eingeschränkt
sind. Dann ist der Anteil AA (t) an Atomen, die zur Zeit t noch detektiert
werden, gegeben durch
B
AA =
−B
B + zo
1
ρ(z) dz =
Erf √
2
2σz
B − zo
− Erf √
2σz
,
(6.7)
wobei Erf(x) die Errorfunktion ist. Der Anteil AA (t) ist in Abb. 6.16 als
durchgezogene Linie eingetragen worden. Er erklärt einen großen Teil des
verlorenen Signals. Trotzdem gehen die Atome immer noch um einen Faktor
2 schneller verloren, als erwartet. Hier spielt sicherlich wieder eine Rolle, daß
der Strom durch den Draht im Laufe der Zeit sinkt, und zwar auf etwa 75%
seines Ausgangswertes nach 40 ms. Zusätzlich spielen Streumagnetfelder eine
Rolle, die, wie wir in Kapitel 6.4 sehen werden, die Keplerellipsen um den
Draht immer exzentrischer werden lassen, bis schließlich die Atome auf den
Draht stürzen und dort der Falle verloren gehen.
Magnetische Offsetfelder
Wir haben in ersten Versuchen, die Abhängigkeit der Fallenstabilität von
magnetischen Offsetfeldern experimentell untersucht. Dies ist in Abb. 6.17
dargestellt. Eine Abhängigkeit der Anzahl gebundener Atome von angelegten
Offsetfeldern nach 20 ms Wechselwirkungszeit ist klar zu erkennen. Je größer
das magnetische Offsetfeld ist, desto schneller gehen Atome verloren. Die
Sensitivität auf Streumagnetfelder scheint laut Abbildung nicht sehr hoch zu
94
4.5
Signal [a.u.]
4
3.5
3
2.5
Linie für das Auge
2
1.5
-0.5
0
0.5
1
Magnetisches Offsetfeld [Gauß]
Abbildung 6.17: Experimentelle Stabilität der Falle als Funktion von angelegten Offset-Feldern. Es wurde das atomare Signal der im Leiter gebundenen
Atome gemessen nach einer Wechselwirkungszeit von 20 ms.
sein, da sich anhand der Kurve der Offset-Nullpunkt nur auf etwa 100 mGauß
genau angeben läßt. Dies kann allerdings täuschen, da bei diesen Messungen
das magnetische Offsetfeld nie richtig kompensiert wurde. Das bedeutet, daß
in Abb. 6.17 wahrscheinlich selbst bei “Offsetfeld = 0” noch ein Magnetfeld
vorhanden war.
Laden bei verschiedenen Strömen und Temperaturen
Abb. 6.18 zeigt den Anteil der Atome der MOT, die in den Atomleiter eingefangen wurden und nach 20 ms Leiten noch detektiert werden konnten. Dieser Anteil wächst mit der Stromstärke im Draht. Die durchgezogene Kurve
stammt aus einer Rechnung für typische Fallenparameter, die in y-Richtung
auf den höchsten Datenpunkt skaliert wurde. Es ist deutlich erkennbar, daß
die theoretische Kurve für schwache Ströme überproportional mehr gebundene Atome vorhersagt, als im Experiment gemessen wird. Für schwache
Ströme unterhalb von 0.2 A bricht in unseren Experimenten die Funktionalität des Atomleiters ganz zusammen. Dies mag an magnetischen Streufeldern
liegen, die, wenn sie von der gleichen Stärke sind wie das Drahtmagnetfeld,
das Laden der Atome unmöglich machen. Außerdem verursachen die magnetischen Streufelder eine Destabilisierung der Keplerbahnen und Atome
95
4
Sichtb. Gefang. Atome [%]
Sichtb. Gefang. Atome [%]
5
4
Theorie
3
2
Daten
1
0
0
0.5
1
1.5
3
2
1
0
200
400
600
Temperatur [µK]
Drahtstrom [A]
Abbildung 6.18: Anteil gefangener
(sichtbarer) Atome in Abhängigkeit
des Stromes durch den Draht nach 20
ms Wechselwirkungszeit. Die Theorie
sagt für kleine Ströme mehr gefangene
Atome voraus, als tatsächlich gemessen werden.
Abbildung 6.19: Anteil gefangener (sichtbarer) Atome in
Abhängigkeit der Temperatur
nach 20 ms Wechselwirkungszeit.
Experimentelle Daten und theoretische Kurve.
werden auf dem Draht absorbiert.
In anderen Experimenten wurde untersucht, wie der Anteil gefangener
Atome von ihrer Temperatur abhängt. Die Einfangseffizienz sollte umgekehrt
zur Temperatur skalieren, da ein Atom gebunden wird, falls für die Gesamtenergie E < 0 gilt. Daten für drei verschiedene Temperaturen sind in Abb.
6.19 zu finden. Es ist deutlich abzulesen, daß Atomwolken am besten eingefangen werden, wenn sie kalte Temperaturen haben, also aus langsamen
Atomen bestehen. Die durchgezogene Kurve in Abb. 6.19 stammt aus einer
Monte Carlo Rechnung und wurde in y-Richtung auf die Daten skaliert. Die
Qualität der gezeigten experimentellen Daten ist noch nicht sehr gut, da
sie von ersten “Sondierungsexperimenten” stammen, in denen wir uns einen
Überblick über die Natur des Keplerleiters verschaffen wollten. Sie werden
in nachfolgenden Arbeiten unter verbesserten Bedingungen noch einmal im
Detail studiert.
6.2
Atome in Donuts
Um die Bewegung der Atome im Keplerleiter genau zu verstehen, ist es notwendig, die Geschwindigkeitsverteilung und die Temperatur der Atome inner96
800
Atomverteilung [a.u.]
10
9 ms freie Expansion
5
Draht
0
-5
0
Position [mm]
5
Abbildung 6.20: Ein Schnitt durch die Atomdichteverteilung des expandierenden Donuts. Das “Donut-Loch” in der Mitte zeigt, daß keine Atome
mit verschwindender Geschwindigkeit im Kepler-Leiter vorhanden sind. Diese Atome stürzen nämlich auf den Draht und sind dadurch verloren.
halb des Leiters zu studieren. Eine Antwort auf diese Fragen kann man sich
experimentell beschaffen, indem man die Atome in den Leiter lädt und sie etwa 10 ms lang darin propagieren läßt. Nach dieser Zeit hat der größte Teil der
ungebundenen Atome das Beobachtungsfeld verlassen und der Strom durch
den Draht wird ausgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt expandiert die Atomwolke aus dem Leiter ballistisch, ihrer Geschwindigkeitsverteilung entsprechend. Nach ein paar Millisekunden freier Expansion konvertiert sich so die
Geschwindigkeitsverteilung der Atome in eine räumliche Dichteverteilung.
Abbildung 6.21 zeigt die Ausdehnung der Atomwolke des Keplerleiters als
Funktion der Zeit. Es bildet sich interessanterweise eine ringförmige Struktur aus! Abb. 6.20 zeigt einen Schnitt durch das Zentrum des Ringes nach 9
ms Expansion. Offensichtlich gibt es keine Atome mit verschwindender Geschwindigkeit.
Dies hat eine einfache Erklärung: Atome mit Geschwindigkeit Null können
im Atomleiter nicht existieren, sie würden sofort ins Zentrum (auf den Draht)
fallen. Um stabil gebunden zu werden, müssen die Atome um den Draht zirkeln. Dazu benötigen sie ein Minimum an Drehimpuls und Geschwindigkeit.
Aus den Bildern kann außerdem eine Abschätzung für die “Temperatur” der
Teilchen gewonnen werden, die im eigentlichen Sinne nicht mehr definiert ist,
97
0 ms
1 ms
3 ms
5 ms
7 ms
9 ms
Abbildung 6.21: Temperaturmessung der Atome aus der Keplerfalle. Nach
wenigen ms freier Expansion konvertiert sich die Geschwindigkeitsverteilung
des Keplerleiters in eine Ortsverteilung. Die Falle expandiert Donut-förmig!
98
da die Geschwindigkeiten der Atome nicht mehr einer Gauß’schen Verteilung
gehorchen. Die Atome aus dem Leiter bewegen sich sehr langsam und die
Wolke expandiert mit nur etwa 20 cm/s. Dies würde in einer Gauß’schen
Verteilung einer Temperatur von etwa 40 µK entsprechen!
Stabilität
Bevor wir fortfahren mit theoretischen Betrachtungen und ergänzenden
Rechnungen sollte an diesem Punkt noch einmal ein experimenteller Aspekt
beleuchtet werden: Wo liegen Schwierigkeiten in den Leiter-Experimenten?
Für quantitative Messungen muß das Lasersystem über lange Zeiten stabil
arbeiten, damit die Anzahl der Atome und ihre Fluoreszenz keinen Schwankungen unterliegt. Dies ist umso wichtiger, weil in unserer Datenanalyse immer verschiedene CCD Bilder voneinander subtrahiert werden. Schwankungen und Drifts werden damit verstärkt und können das Bild der Atomverteilung stark verzerren.
Ebenfalls stellt sich die Kontrolle der Streufelder als nicht ganz einfach
heraus. Für viele andere Alkalimetalle in magneto-optischen Fallen lassen
sich magnetische Offsetfelder über die Temperaturmessungen kompensieren:
Beim Polarisationsgradientenkühlen von Atomen ist die End-Temperatur
sehr sensitiv auf Streumagnetfelder. Kalte Temperaturen werden nur bei sehr
niedrigen Magnetfeldern von einigen mGauß erreicht. Im Fall von Lithium
funktioniert aber die Technik des Polarisationsgradientenkühlens nicht (vgl.
Kapitel 2.8).
Eine weitere Methode das Magnetfeld zu kompensieren, besteht darin,
eine atomare Melasse zu betreiben2 . Ist ein Magnetfeld vorhanden, so driftet
die optische Melasse als Ganzes. Allerdings bewirkt auch ein Ungleichgewicht
in den Lichtintensitäten der kontrapropagierenden Laserstrahlen eine Drift.
Da sich in unserem Fallenaufbau die Intensitäten der hin- und rücklaufenden
Laserstrahlen aufgrund von Reflexion an Oberflächen und Absorption um bis
zu 15% unterscheiden, liefert deshalb eine Magnetfeldkompensation über die
Drift der Melasse keine guten Ergebnisse.
Wir gehen momentan von magnetischen Streufeldern in der Größenordnung von 50 mGauß aus. Selbst wenn man eine Methode hat, das Magnetfeld am Ort der MOT gut zu kompensieren, so wird es dennoch schwierig
sein, auch eventuelle Magnetfeld-Gradienten zu beseitigen. Da sich im Experiment die Atome entlang des Drahtes ausbreiten, sollte auf der gesamten
Länge kein Streufeld existieren. Als Lösung bietet sich dann eigentlich nur
eine µ-Metall Abschirmung an, die Streumagnetfelder nicht ins Innere der
2
Atome werden in Lichtfeldern ohne magnetisches Quadrupolfeld gehalten.
99
Vakuumapparatur gelangen läßt. Eine gute µ-Metall Abschirmung verträgt
sich aber wiederum nicht mit einem guten optischen Zugang der Fallenregion.
6.3
Simulationsrechnungen zum 1/r Potential
In diesem Abschnitt werden einige Ergebnisse aus Monte-Carlo Rechnungen
vorgestellt mit denen quantitative Vorhersagen gefunden werden können, etwa zur Anzahl der in der Drahtfalle eingefangenen Atome. In den Simulationen werden Ort und Anfangsgeschwindigkeit der Atome gewürfelt. Durch
Berechnung des Drehimpulses, Energie und Bahnform für jedes Teilchen lassen sich dann Informationen extrahieren. Wir gehen bei den Rechnungen von
realistischen Anfangsparametern aus, die bei unseren Experimenten mit der
Falle auftraten. Diese sind:
• Die Atome aus der magneto-optischen Falle haben eine Temperatur von
etwa 200 µK, was einer Geschwindigkeitsbreite von σvx,y,z = 50 cm/s
entspricht.
• Die räumliche Verteilung der Fallenwolke gehorcht zum Zeitpunkt des
Einladens einer gauß’schen Glockenkurve mit einer Breite von etwa
σx,y,z = 0.7 mm.
• Die Lithiumatome befinden sich alle gleichverteilt im Grundzustand:
(F = 1 mit mF = −1, 0, 1 und F = 2 mit mF = −2, −1, 0, 1, 2 ).
Prinzipiell erfahren nur 3 der 8 Grundzustände (die ‘high field seekers’) eine
zum Draht hin anziehende Kraft, dies sind 37 % der Teilchen. Um im Leiter
gebunden zu werden, muß die Gesamtenergie E < 0 sein, sodaß anfangs 21%
aller Atome eingeladen werden. Unter diesen sind allerdings viele mit Orbits,
die während eines Umlaufs den Draht treffen und dort absorbiert werden.
Am Ende bleiben schließlich noch typischerweise 14 % aller Atome, die auf
stabilen Kepler-Bahnen den Draht umkreisen.
Das Histogramm in Abb. 6.22 zeigt eine Auflistung der Atome im Leiter mit ihren jeweiligen Orbitzeiten. Die vollen Balken gehören zu Atomen
mit stabilen Bahnen. Dahinter (leere Balken) die Werte für alle Atome, die
anfangs eingefangen werden. Die Säule ganz rechts faßt als “Endsäule” alle
weiteren Säulen, die rechts von ihr zu finden wären, zusammen. Die Rechnung wurde mit 80000 Teilchen durchgeführt. Jedem Grundzustandsniveau
entspricht also eine Population von 10000 Atomen. Auf der y-Achse der Abbildung 6.22 sind die Atomzahlen der Rechnung eingetragen. Etwa 30 % der
100
4500
4000
3500
Atomanzahl
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
0
5
10
15
20
Zeit für einen Drahtumlauf [ms]
25
Abbildung 6.22: Umlaufszeiten der geführten Atome. Die leeren Balken des
Histogramms geben die Statistik der Atome wieder, die anfangs in den Leiter
eingefangen werden. Die vollen Balken zeigen den Anteil dieser Atome, die
nicht auf den Draht stürzen werden.
stabil eingefangenen Atome brauchen weniger als 5 ms für einen Orbit. 6%
schaffen es sogar in 1 ms. Die Differenz zwischen vorderer und hinterer Säule
gibt die Anzahl der absorbierten Atome an. Vor allem Bahnen mit kurzen
Umlaufszeiten sind von der Kollision mit dem Draht betroffen.
Das erkennt man auch in Abb. 6.23. Hier ist der Zeitverlauf der Absorption aufgetragen nach dem Einladen der Atome in den Leiter zum Zeitpunkt
t = 0. Schon in den ersten 2 ms treffen faktisch alle Atome, die dem Draht
“geweiht” sind auf ihn auf. Danach findet ein praktisch verlustfreies Leiten
entlang des Drahtes statt.
Abb. 6.24 zeigt die Verteilung des Betrages der Geschwindigkeit |v| =
+ vy2 . Die leeren Balken zeigen die Geschwindigkeitsverteilung der Atome innerhalb der magneto-optischen Falle, die zum Zeitpunkt t = 0 in den
Keplerleiter eingeladen wird. Von diesen Atomen wird nur ein kleiner Teil
vom Keplerleiter gebunden (dunkle Balken). Die Verteilung hat sich verschmälert. Atome mit zu großer Geschwindigkeit entkommen dem Potential
wegen ihrer zu großen Energie. Atome mit einer sehr niedrigen Geschwindigkeit stürzen auf den Draht, denn für diese ist der Drahtradius größer als die
Drehimpulsbarriere. Dieses Phänomen wurde experimentell in Abb. 6.20 auf
Seite 97 bestätigt: Die gebundene Atomwolke des Keplerleiters expandierte
ringförmig nach dem Ausschalten des Stroms durch den Draht.
vx2
101
2000
3500
1800
3000
1400
Atomanzahl
Anzahl absorbierter Atome
1600
2500
2000
1500
1200
1000
800
600
1000
400
500
200
0
0
5
10
15
20
0
0
25
0.5
Zeit [ms]
Abbildung 6.23: Gezeigt wird, wann
und wieviele Atome nach dem Laden des Leiters auf den Draht treffen. Die Absorption der Atome mit
auf den Draht treffenden Orbits findet in den ersten zwei Millisekunden
statt.
1
Geschwindigkeit [m/s]
1.5
2
Abbildung 6.24:
Verteilung
des
2
Geschwindigkeitsbetrages vx + vy2 .
Die Verteilung der MOT (leere Balken) wird durch das Einladen in
den Keplerleiter verschmälert. Atome mit zu hoher und zu niedriger
Energie haben keine stabilen Bahnen.
2500
4000
3500
2000
1500
Atomanzahl
Atomanzahl
3000
1000
2500
2000
1500
1000
500
500
0
0
1
2
3
4
5
6
Abstand Aphel / Draht [mm]
7
0
0
8
Abbildung 6.25: Die Häufigkeitsverteilung des Aphels, dem größten
Abstand der Bahnkurve vom Draht.
Man erkennt, daß die meisten im
Leiter gefangenen Atome innerhalb
eines Bereiches von 2 mm lokalisiert
sind.
2
4
6
8
10
Achsenverhältnis der Ellipse (a / b)
12
Abbildung 6.26: Gezeigt wird das
Verhältnis großer Halbachse a zu
kleiner Halbachse b der Keplerorbits.
Ein Großteil der Orbits ist kreisähnlich.
102
Abb. 6.25 und 6.26 geben Informationen zur Ortsverteilung der Atome
im magnetischen Keplerleiter. Aufgetragen ist der Drahtabstand zum Aphel,
dem Punkt der Bahn mit der größten Entfernung zum Draht. Dort ist die
Geschwindigkeit der Atome am langsamsten und ihre Aufenthaltswahrscheinlichkeit am größten. Obwohl sich die meisten Atome innerhalb eines Bereiches
von 2 mm aufhalten, zieht es einen beträchtlichen Teil der Teilchen auf lange
“Kometenbahnen”.
Über die Form der Keplerellipsen gibt Abb. 6.26 Auskunft. Aufgetragen
ist das Verhältnis von großer Halbachse a zu kleiner Halbachse b. (Dieses
Verhältnis kann nie kleiner als eins sein.) Ist a/b = 1 so ist der Orbit kreisrund. Deutlich ist zu sehen, daß nur wenige Atome auf stark exzentrischen
Bahnen um den Draht kreisen. Diese Atome werden nämlich zum großen Teil
auf dem Draht absorbiert.
103
6.4
Magnetische Streufelder
Sind neben dem von dem Draht erzeugten Magnetfeld noch magnetische
Streufelder vorhanden, so hat das Drahtpotential nicht mehr die 1/r Form.
Dementsprechend ändern sich auch alle Orbits der Atome um den Draht
und es treten neue Effekte auf. Der allgemeine Fall für ein Potential, das sich
aus einem zylindersymmetrischen Magnetfeld (Draht) und einem homogenen
Offsetfeld ergibt, ist analytisch nicht exakt lösbar. Wir gehen im Folgenden
davon aus, daß die magnetischen Streufelder schwach sind im Vergleich zum
Magnetfeld des Drahtes, und betreiben Störungsrechnung. In dem resultie aus Offset und Drahtanteil,
renden Magnetfeld B




− sin(φ)
BxO
B
D




=
B
 cos(φ)  +  0  ,
r
0
BzO
(6.8)
können wir aus Symmetriegründen auf einen Offset-Anteil ByO senkrecht zum
Draht verzichten. Die Felder entlang des Drahtes, BzO , und senkrecht dazu,
BxO , besprechen wir nacheinander, da sich ein unterschiedliches Verhalten ergibt. In beiden Fällen wird von der adiabatischen Approximation Gebrauch
gemacht, sodaß der Spinfreiheitsgrad des Atoms eliminiert wird. Das Wechselwirkungspotential schreibt sich damit,
= −µB,
Vint = −gF mF µB |B|
(6.9)
sodaß wir es mit einem skalaren, konservativen Potential Vint zu tun haben.
Die Energie E der Atome ist somit eine Erhaltungsgröße.
In den folgenden Abschnitten werden Näherungen mit numerisch berechneten Bahnkurven verglichen. Es wurden dazu die Bewegungsgleichungen in
Zylinderkoordinaten numerisch gelöst,
pr
∂H
,
=
∂pr
M
Lz
∂H
=
,
φ̇ = +
∂Lz
Mr 2
L2
∂H
∂B
= z3 + µ
,
ṗr = −
∂r
Mr
∂r
∂B
∂H
L̇z = −
=µ
.
∂φ
∂φ
ṙ = +
(r, pr ) und (φ, Lz ) sind zueinander kanonisch konjugierten Variablen.
104
(6.10)
y−Achse [mm]
0.4
0.2
0
−0.2
−0.5
0
x−Achse [mm]
0.5
Abbildung 6.27: Läuft das magnetische Offsetfeld parallel zum Draht tritt
eine Präzession der Kepler Ellipsen um den Draht auf. In diesem Beispiel
wurde ein Offsetfeld von 2 Gauß mit dem Feld des Drahtes (1 A Strom =
ˆ 2
Gauß in 1 mm Abstand vom Draht) kombiniert. Das Atom startet bei x =
0.5 mm mit einer Geschwindigkeit von 28 cm/s.
6.4.1
Magnetfeld entlang des Drahtes
Ist das magnetische Offsetfeld entlang des Drahtes gerichtet, so ergibt sich
für B
B=
2
BD 1 (BzO )2 r
BD
O )2 ≈
+
(B
.
+
z
r2
r
2
BD
(6.11)
Das sich daraus ergebende Wechselwirkungspotential Vint hat Zylindersymmetrie und der Drehimpuls Lz ist damit erhalten. Die klassischen Bahnkurven im gestörten Potential werden immer noch ellipsenähnlich sein, aber es
kommt eine Präzession der Ellipse um die Drahtachse hinzu (siehe z.B. das
Lehrbuch von Landau-Lifshitz [Lan87]). In Abb. 6.27 ist eine solche Präzession dargestellt. Die Geschwindigkeit der Präzession kann man erhalten durch
Betrachtung der Periheldrehung (Perihel = Bahnpunkt, der dem Draht am
nächsten liegt) pro Umlauf um den Draht. Man setzt
Vint = −
µBD
+ δV.
r
105
(6.12)
In erster Näherung ergibt sich dann nach einem Umlauf eine Drehung der
Ellipsenachse um den Winkel ∆φ

∂  2M
∆φ =
∂Lz Lz
π

r 2 δV dφ .
(6.13)
0
Wir setzen δV = 0.5µ(BzO )2 r/BD aus Gleichung (6.11) ein und benutzen für
r die Ellipsenbahnkurve
P
r=
,
(6.14)
1 + e cos φ
wo
P = L2z /(M µ BD )
(6.15)
der Parameter und
e=
1 + 2 P E/(µ BD )
(6.16)
die Exzentrizität der Bahn ist. Man erhält damit
(BzO )2
(BzO )2
P2
√
=
πab,
(6.17)
2
2
BD
BD
( 1 − e2 )3
√
wo a = P/(1−e2 ) und b = P/ 1 − e2 die lange und kurze Halbachse der Keplerellipse bedeuten. Setzt man in diesen Ausdruck typische Bahnparameter
für unser Experiment ein und erlaubt ein Offsetfeld von 100 mGauß, so ergeben sich Präzessionen von etwa 0.5 Grad pro Umlauf. Ist also das Magnetfeld
gut kompensiert, sollte die Präzession nicht zu beobachten sein. Allerdings
geht das Offsetfeld Bz0 quadratisch in ∆φ ein und durch Vergrößerung von
Bz0 kann sehr wohl ein Regime erreicht werden, indem die Präzession bereits
nach wenigen Umläufen beobachtbar wird.
∆φ = π
6.4.2
Magnetfeld senkrecht zum Draht
Ist das Offsetfeld senkrecht zum Draht gerichtet, BxO = 0, so schreibt sich
das resultierende gesamte Magnetfeld B
B =
≈
2
B BxO
BD
O )2 − 2 D
sin φ
+
(B
x
r2
r
BD
− BxO sin φ.
r
(6.18)
(6.19)
Die explizite Winkelabhängigkeit (φ) des Magnetfeldes zerstört die Zylindersymmetrie des Potentials Vint und der Drehimpuls Lz ist damit nicht mehr
106
erhalten3 . Man zeigt dies durch einen Blick auf die Hamiltonfunktion
p2r
L2z
p2
− µB =
+
− µB,
H=
2M
2M
2Mr 2
(6.20)
wo (pr , r) und (Lz , φ) zueinander konjugierte Variablen sind. Es gilt dann
∂H
dLz
=−
≈ −µBxO cos φ.
dt
∂φ
(6.21)
Diese Differentialgleichung spielt in den folgenden Diskussionen eine zentrale
Rolle. Durch Diskussion von Gl. (6.21) werden wir qualitativ die Bewegungen
und Veränderungen der Orbits im 1/r Potential mit senkrechtem Offsetfeld
klassifizieren und verstehen lernen.
Aus Gleichung (6.21) folgt, daß die Änderung des Drehimpulses auf einfache Weise ortsabhängig ist! Falls BxO > 0 so nimmt rechts von der y-Achse
der Drehimpuls ab, während er links der y-Achse eine Verstärkung erfährt.
Liegt eine Keplerellipse wie in Bild 6.28 (Kurve a) mit ihrer langen Halbachse entlang der x-Achse, so ergibt sich folgendes Bild. Das Atom verbringt
wegen der Asymmetrie seiner Bahn die längste Zeit in der rechten Halbebene und nur eine recht kurze Zeit im linken Teil des Koordinatenkreuzes.
Dies führt zu einer steten Verkleinerung seines Drehimpulses. Was bedeutet
dies? Das Atom wird in erster Näherung immer noch Keplerellipsen um den
Draht herum beschreiben, da die Offset-Störung im Vergleich zum 1/r Potential nach Voraussetzung klein ist. Jedoch werden sich die Eigenschaften
des Kepler-Orbits stetig verändern. So ist zum Beispiel die kleine Halbachse
b explizit vom Drehimpuls abhängig. Sinkt Lz so sinkt auch b,
b = √
Lz
P
.
=
1 − e2
2M|E|
(6.22)
Die lange Halbachse a und die Umlaufszeit T hingegen sind nur von der
konstanten Energie E abhängig und bleiben auf diese Weise unverändert.
µBD
P
,
=
2
1−e
2|E|
m
T = πµBD
.
2|E|3
a =
(6.23)
(6.24)
Im Verlauf der Zeit wird die Ellipse immer schlanker werden, und ihre
Exzentrizität,
2ELz
e= 1+
,
(6.25)
M(µBD )2
3
Die Energie des Atoms ist aber immer noch ein Integral der Bewegung.
107
c
y−Achse [mm]
0.4
0.2
b
a
0
−0.2
−0.4
−0.2
0
0.2
x−Achse [mm]
0.4
0.6
Abbildung 6.28: Bewegungen der Orbits im Offsetfeld. Das Atom startet
für den jeweiligen Orbit bei x = 0.5 mm von einer der Achsen mit einer
tangentialen Geschwindigkeit von 28 cm/s. Je nach Lage der Ellipse schnürt
sich der Orbit zusammen, bläht sich auf oder präzediert.
108
steigt. Der Ort des Perihels, rmin = a(1 − e), wandert auf den Draht zu und
schiebt den Aphel (rmax = a(1 + e)) um den gleichen Betrag nach außen.
Dies geht solange gut, bis das Teilchen früher oder später auf den Draht mit
seinem endlichen Radius auftrifft und dort der Falle verloren geht.
Liegt die lange Halbachse der Ellipse auf der x-Achse, aber auf der rechten
Halbebene (Kurve b), so wird zunächst der Drehimpuls des Atoms steigen!
b steigt, die Exzentrizität e sinkt und die Ellipse wird schließlich kreisförmig
um den Draht zentriert sein. Doch zuviel der Hoffnung — auch dieser Orbit
geht seinem Verderben entgegen — er wandert weiter in die rechte Halbebene
wo das Atom schließlich auf dem Draht landen muß.
Betrachten wir nun eine Ellipse, deren lange Halbachse a auf der y-Achse
zu liegen kommt (Kurve c). Wegen der Symmetrie der Kepler-Bahn verbringt
das Teilchen die gleiche Zeit rechts wie links der y-Achse. Nach einem vollen
Umlauf um den Draht sollte dann auf das Atom kein Netto Drehimpuls
übertragen sein, er ist im Durchschnitt erhalten. Das bedeutet auch, daß sich
die Form der Keplerellipse nicht verändern sollte. Dies ist nach Abb. 6.28 (c)
tatsächlich der Fall. Jedoch tritt eine Präzession der Bahn auf. Abb. 6.29
macht dies verständlich. Läuft das Atom auf der linken Seite der y-Achse, so
y-Achse
Kleines Lz
Großes Lz
x-Achse
Magnetfeldrichtung
Abbildung 6.29: Anschauliche Erklärung der Präzession.
wächst in dieser Zeit sein Drehimpuls Lz und damit wächst auch die kleine
Halbachse b (die Breite der Ellipse). Deswegen sollte die Ellipse etwas weiter
in die rechte Hälfte der Halbebene (x > 0) reichen, als der durchschnittliche
Drehimpuls vorgibt. In der rechten Halbebene geht der Drehimpuls wieder
verloren und die Breite der Ellipse nimmt ab. Es ergibt sich wie aus Abb.
6.29 ersichtlich eine Nettodrift des Aphels der Keplerellipse nach rechts —
die Ellipse präzediert.
109
Quantitative Betrachtung
Nun wollen wir eine quantitative Betrachtung anstellen, die uns die Frage
beantwortet, wie schnell die Atome Ihren Drehimpuls Lz verlieren und präzedieren. Hätte man φ(t) des Atoms für seine Keplerbahn, so ließe sich Gl.
(6.21) einfach integrieren. Geht man z.B. von einer ursprünglich zirkulären
Bahn des Atoms um den Draht aus, so ist φ = ωt. Dann ergibt sich für Lz
unter der Benutzung von (6.21) in der ersten Näherung
−
Lz ≈ LKepler
z
µBxO
cos(ωt).
ω
Solche periodischen Variationen des Drehimpulses Lz während eines Umlaufs
zeigen auch numerische Lösungen der Bewegungsgleichungen (6.10) (siehe
z.B. Abb. 6.30).
Unglücklicherweise kann φ(t) nur in impliziter Form für Keplerbahnen
angegeben werden. Dazu ist es sinnvoll, folgende Parameterdarstellung zu
benutzen: Wir führen den Winkel ξ ein, der in Abb. 6.32 anschaulich dargestellt wird. Das Drehzentrum von ξ liegt im Mittelpunkt der Ellipse. Ist ξ = 0,
so befindet sich das Atom im Perihel (drahtnächster Punkt). Bei ξ = π befindet sich das Atom im Aphel. Die komplette Lösung der Kepler-Bahnkurve
ist im folgenden Satz von Gleichungen als Funktionen des Winkels ξ gegeben.
Ma3
(ξ − e sin ξ)
µBD
r = a(1 − e cos ξ)
x = −a(cos ξ − e)
√
y = −a 1 − e2 sin ξ
t =
(6.26)
(6.27)
(6.28)
(6.29)
Im Folgenden wird nicht mehr die Größe dLz /dt wie in Gl. (6.21) betrachtet,
sondern die Ableitung des Drehimpulses nach dem Winkel ξ, also dLz /dξ.
Dazu gehen wir von einer Ellipse aus, deren lange Halbachse a in die Richtung
des Magnetfeldes zeigt (vgl. Abb. 6.32). Es ist dann
dt
dLz
=
(−µBxO ) cos φ,
dξ
dξ
Ma3
dt
=
(1 − e cos ξ).
dξ
µBD
(6.30)
Der cos φ in Gl. (6.30)läßt sich ausdrücken durch
cos φ =
cos ξ − e
x
=−
.
r
1 − e cos ξ
110
(6.31)
Lz / M [mm2 / ms]
0.283
0.282
0.281
0
5
10
15
Zeit [ms]
20
25
30
Abbildung 6.30: Der Drehimpuls Lz ändert sich periodisch während das Atom
um den Draht läuft. In diesem Beispiel liegt die lange Bahnachse a der Keplerellipse senkrecht zum Offsetmagnetfeld (d.h. entlang der y-Achse; dies entspricht Fall c) in Abb. 6.28). Abgesehen von den periodischen Bewegungen
des Drehimpulses ist noch eine langsame Drift zu erkennen.
0.16
Lz / M
[mm2 / ms]
0.17
0.15
0
5
10
15
Zeit [ms]
20
25
30
Abbildung 6.31: Liegt die lange Bahnachse a des Keplerorbits auf der x-Achse
(Fall a)und b) in Abb. 6.28), so gibt es vor allem eine lineare Änderung des
Drehimpulses.
111
y-Achse
Perihel
b
φ
ξ
Aphel
a
x-Achse
Abbildung 6.32: Definition des Winkels ξ.
Setzen wir das in Gl. (6.30) ein, so kann man leicht über den Winkel ξ
integrieren und erhält
Lz = const − µBxO a b
M
(eξ − sin ξ).
Lz
(6.32)
Der Drehimpuls zeigt also eine lineare Abnahme, die mit einer periodischen
Variation überlagert ist.
Auf ähnliche Weise läßt sich der Fall auswerten, wenn die Ellipse mit
ihrer langen Halbachse a senkrecht zum Magnetfeld steht. In diesem Fall
wählt man cos φ = y/r und erhält nach Einsetzen und Integration
Lz = const − µBxO a b
M √
1 − e2 cos ξ.
Lz
(6.33)
Wie in der qualitativen Besprechung vorweggenommen, ändert sich der Drehimpuls im Durchschnitt nicht, er zeigt nur Variationen innerhalb einer
Drahtumrundung. Man kann aus Gl. (6.33) eine grobe Abschätzung gewinnen
für die Stärke der Präzessionsbewegung des Orbits. Für diese Abschätzung
greifen wir auf das anschauliche Bild 6.29 zurück, daß die Apheldrehung
plausibel macht.
Dazu
vergleicht man die Verschiebung des Aphels ≈ 2∆b =
2∆Lz / 2M|E| (siehe Formel (6.22)) während einer Umdrehung mit dem
Abstand des Aphels vom Draht rmax = a(1 + e). Der Winkelschub δφ pro
Umlauf ergibt sich dann näherungsweise zu
δφ =
∆Lz
2b BxO
2∆b
= =−
.
2a
BD
a 2M|E|
112
(6.34)
Vergleicht man diese Abschätzung mit Werten aus numerischen Rechnungen, so wird die Periheldrehung durch Gl. 6.34 um einen Faktor 3 bis 4 unterschätzt. Mit einem 100 mGauß großen Offsetfeld und einem Drahtstrom
von 1 Ampere, weisen Keplerellipsen mit einer kleinen Halbachse b von 0.5
mm eine Präzession von ein paar Grad pro Umrundung auf.
Nach den vorangegangenen Rechnungen kann man die Bewegung der Ellipse nun auch berechnen für eine beliebigen Winkel θ zwischen der langen
Halbachse a und der Magnetfeldrichtung (siehe Abb. 6.33).
Die Aufgabe ist, in Gl. (6.30) einen Ausdruck für cos φ in ξ-Koordinaten
anzugeben. Dazu benutzen wir die Darstellung der auf der x-Achse liegenden
Ellipse,
x(ξ)
V (ξ) =
(6.35)
y(ξ)
und drehen diesen Vektor um den Winkel θ, sodaß die Ellipse auf der x-Achse
in die gedrehte übergeht,
Ṽ (ξ) = D · V (ξ) =
cos θ − sin θ
sin θ cos θ
x(ξ)
y(ξ)
.
(6.36)
Aus
x
y
Ṽ (ξ)
· êx = cos θ − sin θ
(6.37)
r
r
r
ergeben sich dann zwanglos die Ausdrücke für dLz /dξ und Lz als Linearkombination der beiden oben besprochenen Fälle.
cos φ =
y-Achse
Abb. 6.34 zeigt eine erste experimentelle Beobachtung einer Bewegung
(Verschiebung) des Fallenschwerpunkts relativ zum Draht. Um solche Wanderungen des Falle zu beobachten, wird die Falle seitlich vom Draht eingeladen. Dementsprechend sind die Keplerbahnen der im Potential gebundenen
~
V
θ
V
x-Achse
Abbildung 6.33: Die Ellipse steht im Winkel θ zur Magnetfeldrichtung.
113
Atome exzentrisch und der Fallenschwerpunkt befindet sich seitlich des Drahtes. Wie in Abb. 6.34 zu sehen ist, ist der Schwerpunkt der Falle 20 ms nach
dem Einladen der Atome auf die andere Seite des Drahtes gewandert.
Detaillierte quantitative Untersuchungen zur Periheldrehung in magnetischen Offsetfeldern stehen noch aus. Die Offset-Magnetfelder im Vakuumsystem können bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr gut kontrolliert werden,
daher wird wahrscheinlich die Bewegung der Orbits in Abb. 6.34 durch eine
Mischung von Offsetfeldern von wenigen 100 mG aus verschiedenen Richtungen zu Stande gekommen sein.
0.6
Fallenabstand [mm]
0.4
Linie für's Auge
0.2
0
Ort des Drahtes
-0.2
-0.4
0
10
20
30
Wechselwirkungszeit [ms]
40
Abbildung 6.34: Beobachtung der Bewegung des Fallenschwerpunktes. Lädt
man die Falle in unseren Experimenten etwas seitlich versetzt in den Keplerleiter ein, so läßt sich eine langsame Bewegung des Atomwolkenschwerpunkts
in Bezug auf den Draht feststellen.
Von schwachen zu starken Offsetfeldern
In Abb. 6.35 sind verschiedene gerechnete Trajektorien um den Draht (1 A)
für Offsetfelder von 10, 100 und 1000 mGauß zu einer Übersicht zusammengestellt. Das Magnetfeld zeigt entlang der x-Achse. In den drei Beispielen
startet das Atom bei x = 0.25mm mit einer Geschwindigkeit von ẏ =1 m/s.
Bei 10 mGauß hat das Offsetfeld kaum einen Einfluß auf die Bahn, während
bei 100 mGauß das Atom nach 35 ms auf den Draht fällt (Lz = 0). Für starke
Offsetfelder von 1 Gauß ist die Bewegung des Atoms äußerst kompliziert.
114
Offset-Magnetfeld:
0.01 Gauß
A
L 0.25
0.2
0.2
x [mm]
-0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0.1
-0.2
Zeit [ms]
-0.4
B
10
y [mm]
20
40
0.1 Gauß
L 0.25
0.2
0.4
30
0.15
0.2
0.1
-1
-0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0.05
0.2
Zeit [ms]
-0.2
10
20
30
40
-0.05
-0.4
C
y [mm]
L
1
0.1
0.6
5
0.2
-1.5
-1
-0.5
-0.2
1.0 Gauß
0.2
10
15
20
25
30
-0.1
0.5
1
x [mm]
1.5
-0.2
-0.3
Zeit [ms]
Abbildung 6.35: Variation der Stärke des Offsetfeldes. Links Trajektorien zu
verschiedenen Offsetmagnetfeldern. Rechts dazu das Verhalten des Drehimpulses Lz . Bei einem starken Offsetfeld von 1 Gauß (zu vergleichen mit dem
Feld von 2 Gauß, das von dem Strom von 1 A in 1 mm Entfernung vom
Draht erzeugt wird) beschreibt die Trajektorie eine komplizierte Bewegung.
115
6.5
Einfluß des elektrischen Feldes
Aufgrund des endlichen Drahtwiderstands von 4 bis 10 Ohm (je nach Temperatur) herrscht mit dem momentanen experimentellen Aufbau ein elektrisches Potential von etwa 20 V am Ort der Atom-Strom Wechselwirkung,
(vgl. Abb. 2.20). Dies erzeugt, wie in Kapitel 3 beschrieben, für die Atome
ein zusätzliches 1/r 2 Potential. Das Gesamtpotential aus 1/r und 1/r 2 ist
zylindersymmetrisch und die Hamiltonfunktion lautet
H=
µBD
β
p2
−
+ 2.
2M
r
r
(6.38)
β ist nach den Gleichungen (3.2) und (3.1) gegeben durch
β=−
α q2
α U2
=
.
2(2π(0 )2
2 ln2 (Rcyl /Rw )
(6.39)
Energie E und Drehimpuls Lz sind Erhaltungsgrößen. Das zusätzliche 1/r 2
Potential bewirkt eine Präzession der Ellipsenbahn und pro Umlauf verschiebt sich das Perihel um den kleinen Winkel δφ [Lan87],
δφ = −
2π β
2π βM
.
=−
2
Lz
µBD P
(6.40)
Bei einem Ampere Strom ist BD = 2 Gauß·mm und mit mF = 2 erhalten
wir µ = µB gF mF = µB . Setzt man für den Parameter P typische Werte
für unsere Keplerleiter ein, so sieht man, daß Präzessionen in der Größenordnung 1 Grad/ Umlauf erst bei Spannungen von einigen hundert Volt erreicht
werden. Weil δφ ∝ U 2 eine quadratische Funktion der Spannung U (bzw.
Ladung q) ist, spielt also das elektrische Potential in unseren Experimenten
zunächst keine Rolle.
116
Kapitel 7
Magnetische Atomschläuche:
Die Seitenfalle
Durch das Überlagern des 1/r Drahtmagnetfeldes mit einem homogenen magnetischen Offsetfeld B O , dessen Feldvektoren senkrecht zum Draht laufen,
wird nicht nur das Potential für die “high field seekers” deformiert. Wie man
in Abb. 7.1 und 7.2 erkennt, kompensiert das Offsetfeld das Drahtfeld gerade
an einer zum Draht parallelen Linie im Raum. Um diese Linie herum nimmt
das Magnetfeld in alle Richtungen zu, und somit entsteht ein ‘Schlauch’ mit
einem magnetischen Feldminimum im Zentrum. In diesen Schlauch können
< 0) gebunden werden. Das
nun Atome im “low field seeker”-Zustand (µ · B
Prinzip ist das gleiche, wie das einer gewöhnlichen magnetischen Falle, diesmal allerdings in 2 Dimensionen. Es herrscht freie Bewegung parallel zum
Draht. Gebundene Atome bewegen sich nicht mehr um den Draht herum,
sondern halten sich im Bereich des Feldminimums auf. Abb. 7.3 zeigt CCD
Kameraaufnahmen der Atome in der Seitenfalle (Bilder in der Mitte und
rechts). Rechts davon als Vergleich der Keplerleiter, in dem die Atome um
den Draht kreisen. Der Abstand des “Seitenleiters” vom Draht kann variiert
werden durch verschiedene Stromstärken im Draht oder verschiedene Offsetfelder unterschiedlicher Stärke (Vergleiche Bild Mitte und rechte Seite.).
Das Laden der Seitenfalle geht analog vor sich wie das Laden der Keplerfalle. Lithium-Atome werden in der MOT gefangen und gekühlt. Dann
wird die Falle auf die Stelle geschoben, an der die Seitenfalle geladen werden
soll. Licht und Magnetfelder der MOT werden ausgeschaltet und der Strom
durch den Draht sowie das magnetische Offsetfeld werden schnellstmöglich
(0.5 ms) eingeschaltet. Abhängig von der Position der Atomwolke zum Zeitpunkt des Ladens des Leiters können sowohl “high field seekers” als auch
“low field seekers” gebunden werden. Die einen kreisen um den Draht, die
anderen halten sich in der Nähe des Magnetfeldminimums auf. Wir haben
117
B-Draht
B-bias
Abbildung 7.1: Spulen- und Drahtgeometrie zur Erzeugung der Seitenfalle. Das Magnetfeld des Drahtes
wird entlang einer Linie parallel zum
Draht kompensiert.
Abbildung 7.2: Potentialverlauf für
Draht und Offsetfeld. Neben dem
Feldmaximum am Draht entsteht
ein Feldminimum, in dem “low field
seekers” gebunden werden können.
darauf geachtet, in den hier beschriebenen Untersuchungen möglichst beide
Fallenformen voneinander zu trennen.
Da das Magnetfeld um das Minimum keine Rotationssymmetrie besitzt,
läßt sich die Bewegung und Verteilung der Atome nicht einfach beschreiben.
Abb. 7.4 zeigt die Dichteverteilung der Atome im Seitenleiter in der Ebene
senkrecht zum Draht. Das dazugehörige CCD-Bild wurde nach 20 ms langem
Führen der Atome im Potentialschlauch aufgenommen. Dadurch ist praktisch
kein Untergrund ungebundener Atome vorhanden.
Skalierungsgesetze
Die Tiefe der Seitenfalle wird durch die Stärke B O des Offsetfeldes bestimmt.
Ihr Abstand Rs vom stromführenden Draht ergibt sich durch
Bwire =
µ0 I 1
= BO .
2π Rs
(7.1)
Folglich ist der Abstand Rs bei konstantem Offsetfeld B O eine lineare Funktion des Stroms. Der Magnetfeldgradient dB/dr an der Stelle des Minimums
bestimmt die Steilheit und Breite ∆x der Falle,
dB
2π (B O )2
=
, (am Minimum)
dr
µo
I
dB
≈ BO .
∆x
dr
118
(7.2)
(7.3)
Abbildung 7.3: Seitenleiter (rechts und Mitte) und Keplerleiter (links). Die
drei quadratischen Bilder oben zeigen die Sicht entlang des Drahtes, der mit
einem orangenen Punkt gekennzeichnet wurde. Die Bilder darunter entsprechen einer Blickrichtung senkrecht zum Draht. In den Bildern wird jeweils
etwa 2 cm langer Ausschnitt des Drahtes gezeigt. Diese Länge entspricht der
Breite der Laserstrahlen.
Abbildung 7.4: Die Seitenfalle. Der steile Peak stammt vom Draht, der breite
Hügel beschreibt die Atomverteilung in der Seitenfalle.
119
Es entsteht die paradox erscheinende Situation, daß ein sinkender Strom
durch den Draht die Seitenfalle komprimiert: Die Falle wird steiler und kleiner! Dieser Effekt hat Vorteile, weil er erlaubt, kleinste und steilste Fallen
ohne großen Aufwand zu bauen. Gleichzeitig wird während des Experiments
der Draht durch den geringeren Strom weniger durch Ohm’sches Heizen belastet. Die minimale Größe bzw. maximale Steilheit der Falle ist letztendlich
durch die Dicke des Drahtes bestimmt, weil die Atome nicht in Kontakt mit
der Drahtoberfläche kommen dürfen. So kann man z.B. mit einem Strom von
nur 0.5 A und einem magnetischen Offsetfeld von 10 Gauß Gradienten von
1000 Gauß/cm erzielen. Die Falle wäre dann 100 µm vom Drahtmittelpunkt
entfernt.
Abb. 7.5 zeigt Schnitte durch die Atomverteilung der Seitenfalle für verschiedene Drahtströme bei gleichem Offsetfeld. Deutlich ist zu erkennen, wie
Atomverteilung [a.u.]
20
Drahtstrom
1.1 A
0.8 A
15
Drahtposition
10
0.6 A
0.3 A
5
0
-5
-6
-4
-2
0
2
4
6
8
Abstand vom Draht [mm]
Abbildung 7.5: Durch Erniedrigung des Drahtstromes zieht der Draht die
Seitenfalle näher zu sich heran. Das Signal sinkt, weil durch die schmalere
Falle weniger Atome eingeladen werden können.
die Falle mit sinkendem Strom in Richtung Draht wandert. Gleichzeitig sinkt
die Anzahl der Atome, da mit der Verkleinerung der Falle, die Atome schwerer eingeladen werden können. Abb. 7.6 und 7.7 zeigen diesen Sachverhalt
nocheinmal quantitativ. In Abb. 7.6 wurde der Abstand der Falle/Draht
durch Auffindung des Peakmaximums der Atomverteilung bestimmt. Das
von Gl. (7.1) vorhergesagte lineare Verhalten des Abstandes Rs vom Strom
120
Detektierte, gebundene Atome [%]
Distance from wire [mm]
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
2.5
2
1.5
1
nach 20 ms
0.5
0
0
0.2
Current [A]
0.4
0.6
0.8
1
1.2
Strom durch Draht [A]
Abbildung 7.6: Aufgetragen ist der
Abstand Rs von Seitenfalle zu Draht
als Funktion des Stromes durch den
Draht. Es bestätigt sich Gl. (7.1).
Abbildung 7.7: Detektierte, gefangene Atome nach 20 ms im Atomleiter
als Funktion des Stroms. Die Atomanzahl ist gegeben durch den prozentualen Anteil der aus der MOT
stammenden Atome.
I bestätigt sich. Abb. 7.7 zeigt den Anteil an nachgewiesenen, gefangenen
Atomen im Seitenleiter als Funktion des Stromes nach 20 ms Wechselwirkungszeit. Wie für den Fall der im Keplerleiter gefangenen Atome sind in
den 20 ms etwa 1/3 der gebundenen Atome aus der Nachweisregion abgewandert. Ein Vergleich mit den Daten des Keplerleiters zeigt, daß die Seitenfalle für hohe Ströme weniger effizient Atome lädt. Durch Vergrößern des
Drahtstroms wird nämlich die Seitenfalle zwar breiter, aber nicht tiefer.
Temperatur und Geschwindigkeitsverteilung
Wie im Fall des Keplerleiters kann die Geschwindigkeitsverteilung der Atome
bestimmt werden durch Messung der ballistischen Expansion der gebundenen Atomwolke. Nach dem Einladen der Atome in den Seitenleiter und 10
ms Wechselwirkungszeit wird der Strom durch den Draht innerhalb von 100
µs ausgeschaltet. Abb. 7.8 zeigt die Atomverteilung nach 7.5 ms Expansionszeit. Sie entspricht offensichtlich einer Gauß’schen Geschwindigkeitsverteilung. In Abb. 7.9 sind die Expansionsbreiten wie in Kapitel 2.8 beschrieben
in Abhängigkeit der Zeit aufgetragen, zusammen mit einem Fit der Form
aus Gl. (2.8). Daraus läßt sich auf eine Temperatur des atomaren Ensembles
zwischen 30 und 40 µK schließen.
121
Atomverteilung [a.u.]
Draht
-5
0
Position [mm]
5
Abbildung 7.8: Das Bild links zeigt einen Schnitt durch die Atomverteilung
(rechts). Im Seitenleiter gebundene Atome werden nach 10 ms freigelassen
und expandieren ballistisch während 7.5 ms. Das Bild rechts zeigt die Atomverteilung nach dieser Expansion. Das linke Bild stellt einen Schnitt durch die
Atomverteilung dar. Anders als für den Keplerleiter folgt die Geschwindigkeitsverteilung der Atom in der Seitenfalle einer Gauß’schen Glockenkurve.
Breite σx
1.5
1
0.5
0
0
2
4
6
8
Expansionszeit [ms]
Abbildung 7.9: Temperatur der Atome in der Seitenfalle. Nach dem Ausschalten der Magnetfelder expandiert die Atomwolke ballistisch.
122
7.1
Integrierte Schaltkreise atomoptischer
Elemente
Seitenleiter bestechen durch ihre einfache Konstruktion und ihr Skalierungsverhalten. Darüberhinaus sind sie relativ unempfindlich auf magnetische
Streufelder und können auf einfache Weise miniaturisiert werden durch lithographisches Aufbringen von kleinen Drähten auf glatte Oberflächen. Dadurch, daß die Atome in einem Potentialschlauch oberhalb des Drahtes sitzen,
kommen sie nicht in Kontakt mit der absorbierenden Oberfläche. Auf der
Oberfläche aufgebrachte Drähte sind unempfindlicher als freistehende und
können besser gekühlt werden. Damit können sie auch größere Stromstärken
für längere Zeiten verkraften [Joh98].
Durch Verbinden zweier stromdurchflossener Drähte (siehe Abb. 7.10)
kann man einen Strahlteiler für Atome bauen. Es ist schließlich denkbar,
durch Kombination von Seitenleitern mit anderen atomoptischen Elementen
integrierte, komplexe Netzwerke für Atome herzustellen.
Strom-Draht
Fuehrungs-Potential
glatte Oberflaeche
Abbildung 7.10: Durch das Kreuzen zweier stromführender Drähte kann
ein “Strahlteiler” für kalte Atome gebaut werden. Das Bild dient nur der
Anschauung.
123
124
Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Wechselwirkung kalter Lithiumatome
aus einer magneto-optischen Falle mit geladenen und stromdurchflossenen
Drähten experimentell und theoretisch untersucht. Mit Hilfe der Drähte
konnten für kalte Atome erstmalig das 1/r 2 Potential und das 1/r Potential in 2 Dimensionen realisiert werden. Wir studierten die Bewegung der
Atome in diesen Potentialen.
Die singuläre Form des 1/r 2 Potentials verbietet stabile Bahnen der Atome. Den in theoretischen Lehrbüchern vorhergesagten “Sturz” der Teilchen
ins Zentrum konnten wir im Experiment beobachten. In den Experimenten
mit dem 1/r 2 Potential wurden quantitative Messungen mit Atomwolken
definierter Größe und Temperatur durchgeführt, die es erlauben Skalierungsgesetze und theoretische Voraussagen zu testen.
Ein 1/r Potential für kalte Atome wurde durch einen stromführenden
Draht erzeugt. Es gelang uns, Atome in diesem Potential zu binden und
einen “high field seeker” Atomleiter zu konstruieren, in dem die Atome über
Zentimeter hinweg geführt werden konnten.
Durch Kombination des Drahtmagnetfeldes mit einem homogenen, magnetischen Offsetfeld konnte auch ein Atomleiter für “low field seeking” Atome demonstriert werden. In diesem Leiter werden die Atome in einem Potentialschlauch seitlich des Drahtes geführt (Seitenleiter).
Mit dem stromführenden Draht können neben den verschiedenen Varianten für Atomleiter auch dreidimensionale Magnetfallen gebaut werden. Kombiniert man ein magnetisches Quadrupolfeld mit dem Drahtmagnetfeld läßt
sich z.B. eine Magnetfalle in Form eines Torus herstellen (siehe Anhang F.2).
Die besprochenen Draht-Atomfallen und Leiter weisen vorteilhafte Eigenschaften bezüglich Vielseitigkeit, Einfachheit und ihres Skalierungsverhaltens
auf. Sie zeigen einen möglichen Weg zu einer neuen Generation maßgeschneiderter und kontrollierbarer Potentiale, in denen sich kalte Atome bewegen
125
können. Die Hoffnung ist, verschiedene atomoptische Bauelemente zu kombinieren und damit komplette Schaltungen aufzubauen. So wird zur Zeit in
unserem Labor ein Strahlteiler für kalte Atome getestet, der aus einer Verknüpfung zweier freistehender, stromführender Drähte besteht.
Die Funktionalität des Seitenleiters erlaubt es weiterhin, den Draht auf
einer glatten Oberfläche zu montieren. Da eine Oberfläche dem Draht zusätzlich Halt gibt und eine effiziente Kühlung ermöglicht, steht dann einer Miniaturisierung und einer folgenden Kombination atomoptischer Bauelemente
zu integrierten Schaltungen nichts mehr im Wege.
Für solche Zwecke wird auch die Erforschung der Wechselwirkung zwischen kaltem Atom und Oberflächen wichtig sein. Prinzipielle Fragen zu
Kohärenzverlust und Aufheizung von Atomen durch die Kopplung an die
warme Oberfläche müssen beantwortet werden.
In unseren Drahtexperimenten konnten Effekte der Van der Waals Kräfte
beobachtet werden und es zeigte sich, daß unsere Meßmethode für eine Untersuchung der Atom-Oberflächenwechselwirkung geeignet ist.
Neben diesen visionären Vorschlägen zu einer integrierten Atomoptik, bietet es sich vor allem an, die Experimente dieser Arbeit im Quantenregime
fortzuführen. Dazu sollten Atome mit einer deBroglie Wellenlänge benutzt
werden, die größer ist als der Durchmesser des Drahtes. Es sind dann quantenmechanische Effekte zu erwarten.
So wird für das 1/r2 Potential in einem theoretischen Teil dieser Arbeit
hergeleitet, daß der Wirkungsquerschnitt für den Sturz eines Atoms ins Zentrum aus “Quantenstufen” besteht. Diese Quantenstufen sind eine direkte
Konsequenz der Existenz von Partialwellen.
Das 2D 1/r Potential hat schon großes theoretisches Interesse gefunden
[Theo1r], weil es im Quantenregime die Möglichkeit bietet, experimentell 2
dimensionale ‘synthetische Wasserstoffatome’ zu bauen. Das Atom wäre an
den Draht gebunden, wie in einem Atom das Elektron an den Kern gebunden
ist.
Beide Experimente sollten sich mit den heute zur Verfügung stehenden
Bose-Einstein Kondensaten durchführen lassen.
126
Anhang A
Das Element Lithium
In diesem Kapitel sind die im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Eigenschaften des Elementes Lithium zusammengestellt. Das Alkalielement Lithium mit der Ordnungszahl 3 besitzt zwei in der Natur im Verhältnis 92.5/7.5
vorkommende stabile Isotope, nämlich Lithium 7 und Lithium 6. Unsere
Experimente wurden alle mit dem häufiger vorkommenden Lithium 7 durchgeführt. (Die Selektion aus dem natürlichen Gemisch erfolgt dabei aufgrund
Tabelle A.1: Daten von 7 Li.
Eigenschaft
Ordnungszahl
Kernspin
Masse
Polarisierbarkeit α
Schmelzpunkt
Siedepunkt
Dampfdruck 20◦ C
Dampfdruck 300◦ C
Wellenlänge D2-Linie
Grundzustandsaufspaltung HFS
Lebensdauer τ des 22 p3/2 Niveaus
Linienbreite des ∆νnat = 1/(2πτ )
Sättigungsintensität Is
Photonenrückstoßgeschw.
Dopplertemperatur TDoppler
Dopplershift
127
Wert
3
3/2
1.16510−26 kg
24.3 [4π(0 Å3 ]
180.54 ◦ C
1347 ◦ C
ca. 10−20 mbar
ca. 10−6 mbar
670.962 nm
803.5 MHz
27.2 ns
5.8 MHz
2.53 mW/cm2
8.4 cm/s
140µK ≈ 5 Recoils
1m/s =1.5
ˆ
MHz
der Isotopieverschiebung von 10 GHz automatisch beim Einfang der Atome
in der magneto-optischen Falle.) Tabelle A.1 zeigt einige physikalische und
spektroskopische Daten dieses Isotops. Manchmal ist es besonders nützlich,
Partialdrücke für verschiedene Temperaturen abschätzen zu können,
PLithium = 108.5481−8310/(T [K]) Torr.
(A.1)
Ein Ausschnitt des Niveauschemas von Lithium ist in Abb. 2.3 dargestellt.
A.1
g-Faktoren für den Grundzustand von
7
Li
Für die Bestimmung der magnetischen Wechselwirkung des Atoms mit den
magnetischen Feldern brauchen wir die g-Faktoren gJ und gF vom Grundzustand 22 S1/2 , F = 1(2). Mit [Kuc85, Bra83] gilt für den g-Faktor von
Landé
J(J + 1) + S(S + 1) − L(L + 1)
gJ = 1 +
.
(A.2)
2J(J + 1)
Im schwachen Magnetfeld ergibt sich für die HyperfeinstrukturAufspaltung
F (F + 1) + J(J + 1) − I(I + 1)
2F (F + 1)
µK F (F + 1) + I(I + 1) − J(J + 1)
,
−gK
µB
2F (F + 1)
gF = gJ
(A.3)
wo µB = 0.579 10−4 eV/T = 1.4 MHz/Gauß das Bohr’sche Magneton und
µK = 3.152 10−8 eV/T = 7.6 kHz/Gauß das Kernmagneton bedeutet. gK ist
der g-Faktor für den Atomkern. Da µK /µB ≈ 1/2000 ist der zweite Term in
Gl. (A.4) klein und kann vernachlässigt werden. Die Magnetfeld-Aufspaltung
ergibt sich dann zu
∆E = gF mF µB B.
(A.4)
Für den Grundzustand von 7 Li ergibt sich gJ = 2 und gF = ±0.5.
128
Anhang B
Streutheorie in zwei
Dimensionen
Die grundlegenden Formeln der quantenmechanischen Streutheorie in 3 Dimensionen können fast in jedem Lehrbuch der Quantenmechanik gefunden
werden. Für 2 Dimensionen ist das jedoch nicht der Fall. Bis auf ein paar
Hinweise und Ansätze im Lehrbuch von Morse und Feshbach [Mor53] mußten
unsere Formeln noch einmal hergeleitet werden. Deswegen soll hier in Kürze
eine Ableitung gegeben werden. Glücklicherweise sehen die erhaltenen Formeln denen von 3 Dimensionen sehr ähnlich und man braucht praktisch nicht
umzulernen. Für die Lösung des Streuproblems macht man folgenden Ansatz,
der wie üblich aus einer einfallenden ebenen Welle und einer zylindrischen
Streuwelle besteht,
eikr
Ψ = eikx + f (φ) √ .
r
(B.1)
r ist der Abstand vom Zentrum in zylindrischen Koordinaten und f (φ) ist
die Streuamplitude, die eine Funktion des Winkels φ ist. Anders als im 3
dimensionalen
√ Fall sinkt die Amplitude der Streuwelle mit wachsendem Abstand wie 1/ r . Wegen der Zylindersymmetrie des Potentials des geladenen
Drahtes ist es sinnvoll, die Lösung Ψ und f (φ) nun in Partialwellen (Eigenfunktionen zum Drehimpuls m) zu entwickeln:
Ψ =
f (φ) =
+∞
m=−∞
+∞
m=−∞
129
Ψm ,
(B.2)
fm (φ).
(B.3)
Genauer gesagt, entwickeln wir Gleichung (B.1) in Bessel Funktionen Jm und
benutzen die folgende Darstellung der ebenen Welle,
eikx = eikr cos φ =
∞
1
eim(φ+ 2 π) Jm (kr),
(B.4)
m=−∞
wo Jm (kr) die Bessel-Funktion erster Art ist [Mor53, Abr72]. Weit entfernt
vom Streuer gilt
Jm (rk) −→
1
1
2
cos(rk − mπ − π),
πrk
2
4
(B.5)
und Ψm ist in diesem Limes
Ψm =
im(φ+ 12 π)
e
im(φ+ 12 π)
+ e
1 i(kr− 1 mπ− 1 π)
eikr
2
4
e
+ fm (φ) √
2πrk
r
1 −i(kr− 1 mπ− 1 π)
2
4
e
.
2πrk
(B.6)
Weit vom Streuer, wo die Wechselwirkung vernachlässigbar ist, muß Ψm (bis
auf eine Phase δm ) der Partialwelle eines freien Teilchens gleichen. Das bedeutet
Ψm = A
1
1
2
cos(rk − mπ − π + δm ),
πrk
2
4
(B.7)
wo A ein passender Koeffizient ist. Kombiniert man Gl. (B.7) und (B.6), so
können wir A und fm (φ) bestimmen:
1
A = eiδm eim(φ+ 2 π) ,
π
e−i 4 imφ 2iδm
e (e
fm (φ) = √
− 1).
2πk
(B.8)
(B.9)
Die Streuamplitude f (φ) hat schließlich folgende Form
∞
e−i 4 f (φ) = √
eimφ (e2iδm − 1),
2πk m=−∞
π
(B.10)
und die Streulösung Ψ ergibt sich zu
Ψ=
∞
1
1
1
2 eim(φ+ 2 π) eiδm cos(kr − mπ − π + δm ).
πrk m=−∞
2
4
130
(B.11)
δm wird Streuphase genannt. Sie enthält Informationen zur Streuung. So kann
man aus f (φ) zum Beispiel den elastischen Wirkungsquerschnitt gewinnen,
dσ
= |f (φ)|2.
dφ
(B.12)
Der totale elastische Streuquerschnitt ergibt sich zu
2π
σs =
0
dσ(φ)
dφ.
dφ
(B.13)
Durch Verwendung von Gl.(B.10) bekommt σs in der Partialwellen Notation
folgende Form,
σs =
∞
1 |1 − e2iδm |2 .
k m=−∞
(B.14)
Analog zu dem Vorgehen in Mayer-Kuckuk’s Kernphysik [Kuc84] läßt sich
auch der Reaktionsquerschnitt σr (inelastischer Kanal) berechnen:
σr
∞
1 =
1 − |e2iδm |2 .
k m=−∞
(B.15)
Der Reaktionsquerschnitt beschreibt die Absorption der einfallenden Teilchen
auf dem Draht. Die Streuphase δm hat dann einen imaginären Anteil. Bei
der Herleitung von Gl. (B.15) vergleicht man einfach den netto TeilchenWahrscheinlichkeitsfluß jtot , der in einen gedachten Zylinder um den Draht
strömt, mit der Flußdichte jin der einfallenden ebenen Welle.
σr =
1 jtot r dφ.
jin
(B.16)
Die Wahrscheinlichkeitsflußdichte für eine beliebige Wellenfunktion Φ ist definiert durch
j =
h̄ ∗ ∗ .
Φ ∇Φ − Φ∇Φ
2Mi
(B.17)
In unserem Beispiel wird die Stromdichte jin berechnet, indem die ebene
Welle eikx in Gl.(B.17) eingesetzt wird. Es ergibt sich jin = v = h̄k/M. Um
jtot zu berechnen, muß Ψ anstatt eikx benutzt werden.
131
132
Anhang C
Berechnung der Quantenstufen
Wie in Kapitel 3 besprochen, sollte der Wirkungsquerschnitt für die Absorption von neutralen Atomen auf einem geladenen Draht eine stufenartige Funktion sein. Dies ist eine direkte Konsequenz der Quantisierung des
Drehimpulses. Wir geben dazu in diesem Kapitel die quantenmechanische
Herleitung und Berechnung. Im ersten Schritt soll der idealisierte Fall eines
unendlich dünnen Drahtes betrachtet werden. Darauf werden wir unseren
Formalismus erweitern auf einen Draht endlicher Dicke. Die folgenden Rechnungen und Betrachtungen sind in kompakter Form veröffentlicht worden
[Den97].
C.1
Der unendlich dünne Draht
In der quantenmechanischen Behandlung des 1/r 2 Potentials benutzen wir
denselben Hamiltonian wie in Gleichung 3.3. Der Drehimpuls um den Draht
ist eine Erhaltungsgröße und der Ansatz Ψ = Rm (r)e−imφ führt auf die radiale Schrödingergleichung,
m2crit − m2
d2
1 d
+
+
Rm (r) = −k 2 Rm (r),
dr 2 r dr
r2
(C.1)
wo k der Wellenvektor des Atoms und m die Quantenzahl der Drehimpulskomponente in z Richtung ist (Richtung
des Drahtes). In Analogie zum klas√
sischen Fall wurde hier h̄ mcrit = αM|q|/(2π(0 ) gesetzt. Die Lösungen zu
Gl. (C.1) sind die Bessel Funktionen [Abr72] Jν (kr), Yν (kr)(Hankel Funktionen, Hν1,2 (kρ) = Jν (kr) ± iYν (kr)), wo der Index ν = m2 − m2crit im
allgemeinen komplexe Werte annimmt.
Analog zu Kapitel 3 definieren wir
2
die effektive Quantenzahl meff = m − m2crit , sodaß ν = meff .
133
Bevor die Streulösungen besprochen werden, werfen wir einen Blick auf
die Bindungszustände des 1/r 2 Potentials. In Analogie zum sorgfältig studierten drei-dimensionalen Fall [Lan88, Mor53], gibt es eine unendliche Zahl
von gebundenen Zuständen für mcrit > |m|. Der Grundzustand befindet sich
bei E → −∞ und die Quantisierung der Energie Eigenwerte ist nicht eindeutig (Eine gründlichere Behandlung in drei Dimensionen wird in den Büchern
von Landau/Lifshitz und Morse und Feshbach [Lan88, Mor53] gegeben). Es
gibt keine gebundenen Zustände für Partialwellen mit mcrit < |m|.
Nachdem wir uns mit den Bessel-Funktionen Jmeff die prinzipiellen
Lösungen der Schrödingergleichung beschafft haben, können nun die Wirkungsquerschnitte quantenmechanisch berechnet werden. Dies geschieht, indem wir die Partialwellen-Methode aus Anhang B benutzen: Zu jeder Partialwelle, d.h. jeder Drehimpulsquantenzahl m, wird eine Streuphase δm berechnet. Dies geschieht wie folgt: Man vergleicht die Lösungen der Schrödingergleichung für das 1/r 2 Potential, Jmeff , mit den Lösungen der freien Bewegung, Jm . Wir beschränken uns zunächst auf die Diskussion der Partialwellen
mit m > 0 und lesen aus Gl. (C.1) ab
meff = m + ∆ = m − m +
m2 − m2crit .
(C.2)
∆ kann als Störterm aufgefaßt werden, der durch das 1/r 2 Potential hervorgerufen wird. Weit vom Streuer entfernt, wenn das Potential schwach ist, muß
die Wellenfunktion des Atoms Jmeff aussehen wie die eines freien Teilchens
Jm . Tatsächlich kann man Jmeff (kr) für große r annähern durch
Jmeff (kr) −→
1
2
1
cos(kr − meff π − π).
πkr
2
4
(C.3)
Weit entfernt vom Draht bleibt von der Wechselwirkung hauptsächlich ein
Phasenschub δm in der Wellenfunktion übrig.
Jmeff (kr) −→ Jm (kr + δm )
(meff − m)π
∆π
=−
.
δm = −
2
2
(C.4)
(C.5)
Die Schrödingergleichung (C.1) bleibt unverändert für die Transformation
m −→ −m und δ−m = δm . So erhält man schließlich für alle m’s
δm = −
(meff − |m|)π
.
2
(C.6)
Falls mcrit > m gilt, so wird in Gl. (C.6) meff imaginär (und δm wird komplex). Das Vorzeichen des imaginären meff kann prinzipiell negativ oder positiv sein. Tatsächlich bestimmt das Vorzeichen, ob der Draht im Streuprozeß
134
10
Infinitely thin wire
(1/k)
6
σreac
8
4
2
0
0
1
2
3
4
5
Linecharge q in angular units
Abbildung C.1: Quantenstufen im Absorptionsquerschnitt des unendlich
dünnen Drahtes.
Teilchen absorbiert (er ist eine Teilchen-Senke) oder ob dort Teilchen erzeugt
werden (dann wäre der Draht eine Teilchen-Quelle). Wenn uns der erste Fall
sinnvoller erscheint, muß das Vorzeichen so gewählt werden, daß Im(δm ) ≥ 0.
Dies sieht man durch einen Blick auf die Definition des totalen Absorptionsquerschnitts σr ,
σr =
∞
1 1 − |e2iδm |2 .
k m=−∞
(C.7)
Eigentlich ist es überhaupt verwunderlich, daß Absorption in unserer Theorie
auftritt, ist doch das Wechselwirkungspotential rein reell! Dies kann rechnerisch nur an der starken Singularität des 1/r 2 Potentials liegen. In Abb.
C.1 wird der berechnete Absorptionswirkungsquerschnitt für den unendlich
dünnen Draht (kRw =0) aufgetragen gegen den Drehimpuls mcrit , der ein
Maß für die Ladung auf dem Draht ist. Bei q = 0, d.h. im Fall des freien
Teilchens, gibt es keine Wechselwirkung und deshalb ist auch der Absorptionsquerschnitt null. Sobald jedoch q > 0 wird die Partialwelle mit m = 0
absorbiert werden und der Absorptionsquerschnitt steigt auf 1/k. Im Folgenden steigt der Absorptionsquerschnitt dann in Stufen von 2/k, entsprechend
der Absorption der Partialwellen ±m.
Wenn man die Lösungen Jmeff der Schrödinger-Gleichung (Gl. (C.1)) betrachtet, so findet man, daß für komplexes meff die Wellenfunktion nichtverschwindende Werte in der Nähe des Ursprungs annimmt. Die Wellenfunktion
oszilliert unendlich schnell wenn r → 0. Die endliche Aufenthaltswahrschein135
30
4
(1/k) x103
3
10
102
101
100
σscat
dσscat /dφ
(1/k)
10
10-1
-3
-2
-1
0
Angle φ
1
2
25
20
15
10
5
0
3
0
5
10
15
20
Line charge q in units of mcrit
Abbildung C.2: Streuquerschnitte eines unendlich dünnen geladenen Drahtes.
(a) zeigt den differentiellen Streuquerschnitt dσ/dφ als Funktion von φ, dem
Streuwinkel. Die drei gezeigten Beispiele entsprechen einer Linienladung q
mit mcrit = 1(−), 3.5(· · ·), 6(−−). (b) zeigt den totalen Streuquerschnitt als
Funktion der Ladung auf dem Draht.
lichkeit in der Nähe des Ursprungs macht es plausibel, daß Teilchen im Zentrum absorbiert werden können. Diese Lösungen korrespondieren zum Sturz
des Teilchens in das Zentrum in der klassischen Beschreibung. Falls jedoch
meff reell ist, verschwindet die Wellenfunktion im Zentrum, und es werden
keine Atome absorbiert.
Wie in Kapitel 3 schon ausgeführt, kann man die ‘Quantisierung’ des
Absorptionswirkungsquerschnitts, d.h. die Stufen, verstehen, wenn man sich
die einfallende ebene Welle in Partialwellen mit Drehimpulsen |m| zerlegt.
Durch Erhöhung der Ladung auf dem Draht wird eine Partialwelle nach der
anderen absorbiert. Da diese gequantelt sind, schlägt sich das in Stufen im
Absorptionsquerschnitt nieder.
Nachdem einmal die Streuphasen in Gl. (C.6) gewonnen wurden, können
außer den totalen Absorptionswirkungsquerschnitten natürlich auch andere Größen, wie z.B. der differentielle Streuquerschnitt dσ/dφ als Funktion
des Streuwinkels φ (Abb. C.2(a)) und der totale elastische Streuquerschnitt
(Abb. C.2(b)) berechnet werden. Wie man in a) erkennt, findet die Streuung
vornehmlich in Vorwärtsrichtung statt. Was aber ist die Bedeutung der wellenartigen Beugungsstrukturen auf den Seiten? Die Zahl der Beugungshügel
wächst proportional mit der Ladungsdichte q und hat den gleichen Wert wie
mcrit . Gleichzeitig ist 2mcrit − 1 die Anzahl der absorbierten Partialwellen,
da alle Partialwellen mit |m| < mcrit absorbiert werden. Beugung an einem
Spalt oder Hindernis zeigt ein ähnliches Verhalten: Ist der Spalt dünner als
die Wellenlänge des Lichts, so gibt es nur s-Wellenstreuung. Es treten keine Beugungsmuster auf. Mit steigender Dicke des Spaltes erscheinen jedoch
136
Potential
Beugungsminima und -maxima und ihre Anzahl steigt linear mit der Dicke
des Spaltes. Die Dicke des Spaltes bestimmt auch die Anzahl der durchgelassenen Partialwellen. Im Gegenzug kann man genauso gut argumentieren,
daß der elektrisch geladene Draht durch das Laden effektiv dicker wird, da
er höhere Partialwellen absorbiert. Die Beugungshügel können dann einfach
interpretiert werden als Beugung an einem Draht mit einer effektiven Dicke,
die dem kritischen Stoßparameter entspricht.
Die kleinen Rippel des totalen elastischen Streuquerschnitts in Bild b)
stammen von den Stufen im Absorptionsquerschnitt. Dies ist ein genereller
Effekt, der auf dem Unitaritätsprinzip beruht [Lan87].
komplexer Anteil
Draht
Reeller Anteil (1/r2)
Rw
Abstand r vom Draht
Abbildung C.3: Das komplexe Potential für den Draht mit endlichem Radius
ist in zwei Bereichen definiert. Innerhalb des Drahtes ist es konstant aber
komplex. Außerhalb des Drahtes ist es reell und hat die 1/r 2 Form.
C.2
Der geladene Draht endlicher Dicke
Für einen Draht mit endlichem Radius Rw müssen die obigen Rechnungen verallgemeinert werden. In einer quantenmechanischen Behandlung der
Streuung von einem endlichen Draht muß man angeben können, wie die Absorption auf der Drahtoberfläche beschrieben werden soll. Für solcherlei Probleme gibt es bis jetzt keine einfachen Methoden oder Regeln. In dieser Arbeit wurde ein einfaches Modell konstruiert, in dem die Absorption des Teilchens durch ein geschwindigkeitsabhängiges, komplexes Potential innerhalb
des Drahtes gewährleistet wurde (siehe Skizze C.3). Das Potential wird in
zwei Bereichen definiert, einmal außerhalb des Drahtes (r > Rw ) und einmal
137
innerhalb des Drahtes (r < Rw ).



V1 (r) = V2 (Rw ) + iC,
r < Rw
2
2
V =
1
αq

, r > Rw .
 V2 (r) = −
2π(0
2r 2
(C.8)
Der reelle Anteil des Potentials ist kontinuierlich an der Drahtoberfläche.
Für eine feste Ladung q auf dem Draht und bestimmter relativer Dicke des
Drahtes, Rw k, wurde der komplexe Anteil C des Potentials so bestimmt, daß
der totale Absorptionsquerschnitt maximiert wurde (Ein Maximum existierte
immer.).
Der komplexe Anteil C ist also eine Funktion von q und Rw k. Bei der
Maximierung der Absorption stellt sich heraus, daß C ungefähr linear mit
der Ladung auf dem Draht wächst. Innerhalb des Drahtes sind die Lösungen der
Schrödinger Gleichung die regulären Bessel Funktionen Jm (rχ), wo
χ = k 2 − 2MV1 /h̄2 und m eine ganze Zahl ist. Die Lösungen außerhalb
des Drahtes sind die Besselfunktionen Jν (kr) und Yν (kr), die außerhalb des
Drahtes beschränkt sind und ν = meff . Im Folgenden ist es jedoch praktisch
[Gra85], die Hankel Funktionen Hν1,2 zu benutzen, die lineare Kombinationen
der Bessel Funktionen Jν and Yν sind [Abr72],
Hν1 (z) = Jν (z) + iYν (z),
Hν2 (z) = Jν (z) − iYν (z).
(C.9)
(C.10)
Für eine Partialwelle m können wir die radiale Lösung Rm (r) für die
Schrödingergleichung außerhalb des Drahtes wie folgt ansetzen
1
2
Rm (r) = Bm
Hν1 + Bm
Hν2 ,
r > Rw ,
(C.11)
1,2
noch zu bestimmende Koeffizienten sind. Die Lösungen innerhalb und
wo Bm
außerhalb des Drahtes müssen zueinander angepaßt sein und wir schreiben
1
2
Am Jm (Rw χ) = Bm
Hν1 (Rw k) + Bm
Hν2 (Rw k),
1
2
Am Jm
(Rw χ) = Bm
Hν1 (Rw k) + Bm
Hν2 (Rw k),
(C.12)
(C.13)
wo die Apostrophe für die Ableitung nach r stehen:
Hν1 (rk) =
d 1
H (rk).
dr ν
(C.14)
χ ist der Wellenvektor des Atoms innerhalb des Drahtes,
χ=
k2 −
2MV1
.
h̄2
138
(C.15)
Man erhält dann
Jm Hν2 − Jm
Hν2
,
Hν1 Hν2 − Hν1 Hν2
J H 1 − Jm
Hν2
= Am m2 ν1
.
Hν Hν − Hν2 Hν1
1
Bm
= Am
(C.16)
2
Bm
(C.17)
Wir benutzen nun den gleichen Trick wie im Fall des unendlich dünnen Drahtes, daß im Limes r → ∞ die Lösung der Schrödingergleichung bis auf eine
Phase die gleiche sein muß, wie die eines freien Teilchens:
Rm (r) ≈
=
1
1
2
cos(rk − mπ − π + δm )
πrk
2
4
(C.18)
!
1
1
1
1
1
ei(rk− 2 mπ− 4 π+δm ) + e−i(rk− 2 mπ− 4 π+δm ) , (C.19)
2πrk
und
r→∞
Hν1,2 (rk) −→
2 ±i(rk− 1 νπ− 1 π)
2
4
e
.
πrk
(C.20)
Dies setzen wir in Gl. (C.11) ein. Aufgrund der linearen Unabhängigkeit von
exp(ikr) und exp(−ikr) kann man aus Gl. (C.11) folgern, daß
1 i(rk− 1 mπ− 1 π+δm )
1
2
4
e
= Bm
Hν1 ,
2πrk
(C.21)
1 −i(rk− 1 mπ− 1 π+δm )
2
2
4
e
= Bm
Hν2 .
2πrk
(C.22)
Falls wir ν = m + ∆ setzen, und Gl. (C.21) durch Gl. (C.22) dividieren, folgt
1
Bm
−2i∆ π2
e
2
Bm
Hν2 2iδm
Jm Hν2 − Jm
∞
e
,
=
1
1
Jm H ν − Jm H ν
e2iδm =
(C.23)
(C.24)
∞
wo δm
die Streuphase ist für den Fall des unendlich dünnen Drahtes, vgl.
Gl. (C.6). Die Streuphasen zum Draht endlicher Dicke ergeben sich interessanterweise also gerade als Summe der Streuphase für den unendlich dünnen
∞
Draht, δm
, und einer anderen zusätzlichen Phase, die der endlichen Dicke des
Drahtes Rechnung trägt. Die Streuphase δm aus Gl. (C.24) kann genutzt werden, um die elastischen und Absorptions-Wirkungsquerschnitte zu berechnen
139
60
210
10
58
208
8
56
206
6
54
204
4
52
2
50
σabs
(1/k)
12
0
0
1
2
3
4
5
48
25
kRw =
kRw =
kRw =
kRw =
kRw =
26
27
28
29
0
0.1
1
2
5
202
200
198
30 100 101
102 103
104 105
Line charge q in units of mcrit
Abbildung C.4: Theoretische Absorptionsquerschnitte für einen geladenen
Draht. Die verschiedenen Kurven stehen für verschiedene relative Dicken
(kRw ) des Drahtes.
(vgl. Anhang B). Um die Ausdrücke in Gl. (C.24) wirklich auszurechnen, haben wir ein spezielles Computerprogramm (Fortranroutine COULCC) von
Thompson und Barnett benutzt [Tho85]. In den Rechnungen treten nämlich
Besselfunktionen komplexer Ordnung und komplexer Argumente auf, für die
es sonst keine Standardroutinen gibt. Abbildung C.4 zeigt theoretische Absorptionsquerschnitte für verschiedene relative Drahtdicken kRw . (Ähnliche
Kurven wurden auch in Abb. 3.5 in Kapitel 3 vorgestellt.) Deutlich sind für
dünne Drähte die Absorptions-Stufen zu erkennen. Wie schon in der klassischen Diskussion auf Seite 44 hergeleitet, absorbiert ein endlich dicker Draht
auch dann, wenn er ungeladen ist. Die Absorption wächst linear mit der
Dicke des Drahtes. Quantenmechanisch wird dies erklärt durch die Tatsache,
daß die Partialwellen mit |m| < Rw k einen signifikanten Überlapp mit dem
absorbierenden Draht haben.
In Kapitel 3 wurde auch schon angedeutet, daß die Auswaschung der
Quantenstufen auf zwei Arten verstanden werden kann.
Zum einen gibt es eine Reflexion von Teilchen an der Oberfläche des
Drahtes: Partialwellen, die eigentlich unseren Überlegungen zufolge absorbiert werden sollten, können teilweise entkommen. Zum anderen gibt es auch
einen Tunnelprozeß, indem die Teilchen, die in der semiklassischen Beschreibung eigentlich nicht absorbiert werden sollten, durch die Zentrifugalbarriere
auf die absorbierende Oberfläche des Drahtes hindurchtunneln. In diesem
Fall ist der Anteil der Atome, die absorbiert werden, gegeben durch die Tun140
[1/k]
20
kRw =
kRw =
kRw =
kRw =
15
0
1
2
5
σabs
10
5
0
0
2
4
6
8
Ladung q in Einheiten von mcrit
10
Abbildung C.5: Simulation der Auswaschung der Quantenstufen durch Tunnelprozesse. Partialwellen, die aufgrund ihres Drehimpulses nicht vom Draht
absorbiert werden sollten, tunneln teilweise auf den Draht und werden dort
trotzdem absorbiert.
nelwahrscheinlichkeit Pt :

Pt = exp 2
Rw
rmin

m2eff
− k 2 dr
r2
(rmin > Rw ),
(C.25)
ähnlich dem Gamov-Faktor aus der Kernphysik. rmin ist der klassische Umkehrradius und gibt den kleinsten Abstand zwischen Atom und Draht für die
klassische Trajektorie mit Lz = h̄m. Abbildung C.5 zeigt eine theoretische
Simulation der Auswaschung, die auf dem Tunnelprozeß basiert. Zur Berechnung der Kurve wird in einem ersten Schritt angenommen, daß der Wirkungsquerschnitt durch eine perfekte, eckige Treppenfunktion beschrieben
wird; In einem zweiten Schritt wird eine Korrektur dazu berechnet: Zu jeder
Partialwelle mit Drehimpuls Lz , die nicht absorbiert wird, wird der klassische Umkehrradius rmin bestimmt. Mit diesem und Gleichung C.25 wird die
Tunnelwahrscheinlichkeit Pt berechnet. Es wird angenommen, daß Atome,
die auf die Drahtoberfläche tunneln dort zu 100 % absorbiert werden. Der
Wirkungsquerschnitt steigt also durch das Tunneln und zwar um den Betrag
2 Pt (m).
(C.26)
k
m
meff >kRw
Es ist in Abb. C.5 deutlich zu sehen, daß die Ecken der Quantenstufen durch
diesen Prozeß einseitig abgerundet werden. Interessanterweise kann man von
141
den Abbildungen C.5 und C.4 auch entnehmen, daß die Auswaschung der
Stufen mit bei höheren Drahtladungen (höheren Drehimpulsen m) abnimmt.
Offensichtlich wird der Tunnelprozess für höhere Drehimpulse mehr und mehr
unterdrückt.
C.3
Experimentelle Parameter für die Quantenstufen
Um die oben besprochenen “Quantenstufen” im Experiment beobachten zu
können, muß man im Quantenregime arbeiten, kRw ≤ 1. Das bedeutet, man
sollte sehr kalte Atome und sehr dünne Drähte verwenden. Wie in Kapitel 2.10 besprochen, sind Wollaston Drähte bis hinunter zu einem Radius
von Rw = 0.1 µm kommerziell erhältlich [Good, Leico] oder können als
Quarzfäden erzeugt werden. Diese Drähte müssen nun noch mit der deBroglie Wellenlänge λdB der lasergekühlten Atome verglichen werden. Mit
Geschwindigkeiten, die ein paar Photonimpulsen entsprechen, haben Atome
typischerweise einen k-Vektor von katom ∼ 20µm−1 (katom ∼ 3klight). In einem
solchen Fall kann man also mit einem Rw = 0.1µm Draht Rw k ∼ 2 erreichen,
gerade an der Grenze der Sichtbarkeit der Quantenstufen.
Bislang wurden in unseren Experimenten Drähte mit einem nominellen
Radius von 0.3 µm (der Draht war wegen Schmutzpartikeln und Lithiumablagerungen auf jeden Fall dicker) benutzt. Die Lithium Atome konnten
routinemäßig auf eine Geschwindigkeit von 50 cm/s gekühlt werden, was etwa 6 Photonenrückstößen entspricht. Dies ergibt dann ein relative Dicke des
Drahtes von Rw k ∼ 12 und ein klassisches Regime. Würde man allerdings
mit einem Bose-Einstein-Kondensat arbeiten, sollte es keine Probleme geben
sogar Rw k ∼ 0.1 zu erreichen.
Wieviel Ladung entspricht einer Quantenstufe?
Die Linienladung ∆q (Einheit [C/m]), die auf den Draht gebracht werden
muß, um von Quantenstufe zu Quantenstufe zu gelangen, ergibt sich zu
2π(0h̄
.
∆q = √
Mα
(C.27)
Experimentell wird diese Ladung kontrolliert über die elektrische Spannung
U = q ln(Rg /Rw )/(2π(0 ) zwischen dem Draht und dem Vakuumgehäuse mit
Radius Rg . Eine Spannungsdifferenz von
∆U =
h̄ ln(Rg /Rw )
√
Mα
142
entspricht also gerade einer Quantenstufe. Durch den Logarithmus ist dieser
Term noch schwach von der experimentellen Geometrie abhängig. Setzt man
typische Größen ein (Drahtradius Rw = 0.1µm, Rg = 1cm), so erhält man
für Lithium ∆U = 0.21V , eine Größenordnung, die leicht zu kontrollieren
ist.
143
144
Anhang D
Magnetisches Moment und
Magnetfeld
D.1
Klassische Bahngleichungen
Hier folgt eine kurze Zusammenstellung der klassischen Bewegungsgleichungen für die Wechselwirkung zwischen Spin und magnetischem Feld. Die aus
der Hamiltonfunktion,
p2
− µ · B,
(D.1)
H=
2M
folgenden Bewegungsgleichungen für die Bewegung des Atoms und seinen
Spin (magnetisches Moment) lauten
d2
x = −∇(µ · B)
dt2
d
h̄ µ = γµ × B,
dt
M
(D.2)
(D.3)
wo γ = gF µB (gF = gyromagnetischer Faktor, µB = Bohrmagneton) das
gyromagnetische Verhältnis des Atoms ist. Dieser Satz von Gleichungen hat
den Vorteil, daß er anschaulich die Präzessionsbewegung des magnetischen
beschreibt. In allen unseren BeMomentes µ um das lokale Magnetfeld B
trachtungen konnte aber in der adiabatischen Approximation der Spinfreiheitsgrad aus den Gleichungen eliminiert werden.
145
35
30
30
5ms
15ms
25ms
25
Atomdichte [a.u.]
Atomdichte [a.u.]
35
20
15
10
5
0
−10
20
15
10
5
−5
0
5
10
Position [mm]
0
−10
−5
0
5
10
Position [mm]
Abbildung D.1: Freie Expansion
der Falle. Die Verteilungen werden
durch Gaußkurven beschrieben.
D.2
5ms
15ms
25ms
25
Abbildung D.2: Atomwolke nach
Wechselwirkung mit Drahtpotential.
Monte-Carlo Simulationen für das 1/r
Potential
Hier werden Ergebnisse aus Monte-Carlo Simulationen zusammengestellt, die
eine Erweiterung der Rechnungen in Kapitel 6.3 darstellen. Der Quellcode
stammt von einem Fortran Programm von Jörg Schmiedmayer. Im Vergleich
zum Programm in Kapitel 6.3 werden die Keplergleichungen für jedes einzelne Atom gelöst, sodaß zu jedem Zeitpunkt der Ort und Geschwindigkeit des
Teilchens bekannt ist. Um die optische Detektion im Experiment miteinzubeziehen, werden beim Zählen nur Atome berücksichtigt, die sich innerhalb
eines Würfels der Kantenlänge 2 cm befinden. Dies berücksichtigt die endliche Ausdehnung der Fallen-Laserstrahlen. Die Rechnung wurde durchgeführt
für eine Falle mit einer räumlichen Breite von σx,y = 0.7mm und einer Geschwindigkeitsbreite von σv = 0.5m/s. Durch den Draht floß 1 A Strom.
Abb. D.1 bis D.3 stellen Atomverteilungen dar nach 5, 15, und 25 Millisekunden Wechselwirkungszeit. Abb. D.1 zeigt die freie Expansion der Atomwolke, die durch eine Gaußkurve beschrieben wird. Abb. D.2 zeigt die Verteilung bei Stromfluß durch den Draht und Abb. D.3 zeigt das Differenzsignal
der beiden Kurven.
146
8
Atomdichte [a.u.]
6
5ms
15ms
25ms
4
2
0
−2
−4
−6
−10
−5
0
5
10
Position [mm]
Abbildung D.3: Theoretisches Differenzsignal aus Atomverteilung nach freier
Expansion (Abb. D.1) und Wechselwirkung mit dem Drahtpotential (Abb.
D.2).
Vergleich mit Experiment
Vergleiche mit den experimentell gemessenen Kurven aus Kapitel 6 zeigen,
daß sich die experimentellen Daten durch die klassischen Monte-Carlo Rechnungen gut beschreiben lassen. Als Beispiel zeigt Abb. D.4 gemessene atomare Verteilungen für Atome nach 7.5 ms freier Expansion bzw. nach 7.5 ms
Wechselwirkung mit einem stromführenden Draht von 1.2 A. Die Kurve in b)
zeigt das dazugehörige Differenzsignal. Die Bilder c) und d) stammen aus entsprechenden Monte-Carlo Simulationen. Es herrscht gute Übereinstimmung
zwischen den experimentellen Daten und den theoretischen Kurven.
Gauß- oder Lorentzkurve?
Abb. D.5 trägt zur Klärung der Frage bei, durch welche funktionelle Form
die Atomverteilung im Keplerleiter zu beschreiben ist. Ein Datensatz aus der
Monte-Carlo Rechnung wird mit einer Lorentz- und einer Gaußkurve gefittet.
Während die Gaußkurve aufgrund der weit hinausreichenden Flanken der
Verteilung schlechte Übereinstimmung zeigt, beschreibt die Lorentzkurve die
Daten so genau, daß die Kurven praktisch deckungsgleich sind.
Die Daten in Abb. D.5 gehören zu einer Wechselwirkungszeit von 50 ms.
Für längere Zeiten verändert sich die Atomverteilung praktisch nicht mehr
147
Experiment
Atom-Verteilung [a.u.]
20
a)
M.C. Rechnungen
Draht Position
c)
Draht Position
Kein Strom
Kein Strom
10
Strom (1.2A)
Strom (1.2A)
0
b)
d)
2
0
-2
Differenz
-4
-2
0
2
Position [mm]
4
Differenz
-4
-2
0
2
Position [mm]
4
Abbildung D.4: Vergleich von Experiment und Theorie. a) zeigt experimentell
gemessene Atomverteilungen für freie Expansion und für Wechselwirkung
mit dem stromführenden Draht (1.2 A) jeweils 7.5 ms nach dem Entlassen
der Atome aus der magneto-optischen Falle. b) zeigt das Differenzsignal aus
diesen beiden Kurven. c) und d) stammen von entsprechenden Monte-Carlo
Rechnungen.
und wird weiterhin durch die Lorentzfunktion beschrieben.
In Abb. D.6 werden verschiedene Fitmethoden verglichen zu unterschiedlichen Wechselwirkungszeiten. Dies ist besonders interessant für kurze Zeiten, da hier in den Verteilungen aus der Simulation noch ein Untergrund
aus ungebundenen Atomen vorhanden ist. Die Fits mit Lorentzkurve geben
bis hinunter zu 10 ms im wesentlichen identische Ergebnisse. Die Fits mit
Gaußfunktion variieren bis zu 20 – 30 % in der Breite. Außerdem geben sie
vor, daß die Anzahl der gebundenen Atome (∝ Fläche unter dem Peak) mit
der Zeit wächst, was physikalisch unsinnig ist.
148
Fluoreszenssignal [a.u.]
15
10
nach 50 ms
Lorentzfit
und Daten
5
0
Gaussfit
-5
-10
flacher Dip
-5
0
5
Abstand vom Draht [mm]
10
Abbildung D.5: Nach 50 ms sind praktisch alle nichtgebundenen Atome davongeflogen. Nur noch die im Keplerleiter gebundenen Atome sind vorhanden. Die Verteilung dieser Atome wird sehr gut durch eine Lorentzverteilung
beschrieben.
25
0.8
Breite der Atomverteilung [mm]
20
0.6
15
15
10
Amplitude der Atomverteilung [a.u.]
Zahl gefangener Atome [a.u.]
5
10
0
0
10
20
30
40
50
Wechselwirkungszeit [ms]
0
10
20
30
40
Wechselwirkungszeit [ms]
Abbildung D.6: Gauß- und Lorentzfits an die Verteilungen der Computersimulation für verschiedene Wechselwirkungszeiten. Das Plot-Symbol ✷: Dip
und Peak werden mit Gaußkurven gefittet; ✁: Lorentzfit für Dip und Peak.
◦: Lorentzfit für Peak, Gaußfit für Dip.
149
50
150
Anhang E
Eine elektrisch geladene
optische Faser als Atomleiter
Der elektrisch geladene Draht mit seinem attraktiven Potential hätte angenehme Eigenschaften für einen Atomleiter. So ist sein Potential für alle
Atome attraktiv und nicht spinabhängig. Er könnte außerdem stromlos betrieben werden.
Wie aber in Kapitel 3 besprochen, fallen alle gebundenen Atome ins Zentrum und werden vom Draht absorbiert. Um dies zu verhindern, braucht
man zusätzlich zum attraktiven 1/r 2 Potential des geladenen Drahtes ein
kurzreichweitiges, repulsives Potential, das dem Sturz des Atoms auf die
Drahtoberfläche entgegenwirkt. Die hier vorgestellte Idee1 besteht darin
[Bat94, Ofiber], ein zur Atomlinie blauverstimmtes, evaneszentes Lichtfeld
zu benutzen, welches durch die AC-Starkshift ein repulsives Potential für das
Atom darstellt. Dazu verwendet man anstatt eines metallischen Drahtes eine
elektrisch geladene optische Faser, deren Cladding vorher entfernt wurde (vgl.
Abb. E.1). Sobald Laserlicht durch diese Faser propagiert, entsteht aufgrund
der Totalreflexion ein evaneszentes Lichtfeld an der Oberfläche der Faser. Da
das evaneszente Lichtfeld näherungsweise exponentiell mit dem Abstand zur
Oberfläche abklingt, ist damit die kurze Reichweite des repulsiven Potentials
sichergestellt. Weil Quarz bei Raumtemperatur ein hervorragender Isolator
ist, besteht eine Schwierigkeit darin, die Quarzfaser elektrisch zu laden, um
das attraktive 1/r 2 Potential zu realisieren. Dazu kann der Faser eine dünne
(<< λLicht ), leitende Metallschicht aufgedampft werden, die ein gleichmäßi1
Es gibt auch andere Vorschläge, die Orbits der Atome um den Draht zu stabilisieren.
So kann man z.B. die Drahtladung ständig oszillieren, d.h. den Draht laden und entladen.
Dann befinden sich die Atome zeitweilig im 1/r2 Potential und zeitweilig bewegen sie sich
frei. Auf diese Weise wird der Fall ins Zentrum verhindert und stabile Bahnen sind möglich
[Hau92].
151
Licht
-
1nm SilberSchicht
Quarz
Atom
Glasfaser
Abbildung E.1: Setup für Glasfaserleiter. Durch eine metallisch beschichtete und elektrisch geladene Glasfaser propagiert Licht, dessen Frequenz zur
Atomlinie blau verstimmt ist. Das nach außen dringende evaneszente Lichtfeld bildet ein kurzreichweitiges, repulsives Potential für Atome, die vom
geladenen Draht angezogen werden.
ges elektrisches Aufladen ermöglicht. Die aufgedampfte Schicht muß dünn
sein, damit die Absorption des Laserlichtes in der Schicht kleingehalten wird
und möglichst viel des evaneszenten Lichtes nach außen dringt.
Die genaue Form des evaneszenten Lichtfeldes hängt im Detail von der
Art der Lichtmode ab, die durch die Faser propagiert. Für den einfachen Fall
einer TE01 Mode [Sny83] ist das AC-Starkshiftpotential winkelunabhängig
und das gesamte Wechselwirkungspotential ist gegeben durch
Vguid (r) = AK02 (Br) −
1
2π(0
2
αq 2
,
2r 2
(E.1)
wo A und B Konstanten sind, die von der Bauart der optischen Faser
(n, Rw ,...) wie auch der Lichtintensität, der Wellenlänge und den atomaren
Eigenschaften abhängen. K0 bezeichnet die modifizierte Besselfunktion zweiter Art. Abb. E.2 zeigt ein typisches Beispiel eines solchen Potentials.
Kalte Atome können im Potential in radialer Richtung gebunden werden,
aber bewegen sich frei entlang der z-Richtung, der Richtung des Drahtes.
Tafel E.1 zeigt experimentelle Parameter für verschiedene Atomleiter für das
Element Lithium. Aus der Tabelle geht hervor, daß die Energieabstände der
quantenmechanischen Zustände im Potential größer sind als die Recoilenergie der Atome. Falls sie auch größer sind als die Linienbreite, kann man
Seitenbandkühlung betreiben.
Im Vergleich zum Leiten von Atomen in hohlen optischen Fasern [Ols93,
Mar94, Ren95] hat die geladene optische Faser den Vorteil, daß zum Führen
der Atome keine hohle Faser evakuiert muß, was sich als technisch schwierig
152
[neV]
0
energy
2
-2
guiding potential
Van der Waals
evanescent wave
electric interaction
-4
0.5
1.0
radius
1.5
2.0
[µm]
Abbildung E.2: Radiales Potential für ein neutrales Atom in der Nähe einer
elektrisch geladenen (5V) optischen Faser, durch die 1 mW Licht mit einem
Detuning von ∆/Γ = 3 × 105 propagiert. Das anziehende Potential (1/r 2 )
stammt von der Wechselwirkung des Atoms mit dem elektrischen Feld der
geladenen Faser. Die Abstoßung rührt vom evaneszenten Teil des blau verstimmten Laserstrahls der durch die Glasfaser läuft. Direkt an der Oberfläche
des Drahtes werden auch Van der Waals Kräfte wichtig.
erweist. Ein gutes Vakuum ist wichtig, um Verluste im Leiter durch Stöße
mit Atomen des Hintergrundgases klein zu halten. Dies gilt besonders im
Hinblick auf einen zukünftigen, kohärenten Atomleiter, denn Stöße des Hintergrundgases mit Atomen führen zu Kohärenzverlust.
Erste Versuche, dünne optische Quarzfasern im Labor herzustellen, wurden zusammen mit Donatella Cassettari durchgeführt. Dabei verfolgten wir
zwei Ansätze:
• Man nimmt eine kommerzielle optische Multimode-Faser, in die an einem Ende bequem Licht eingekoppelt werden kann. Nach einem Stück
Länge wird das Cladding entfernt, sodaß das evaneszente Licht freiliegt.
Da die im Handel erhältlichen Multimode-Fasern einen relativ großen
Durchmesser von 100 µm haben, sollte weiterhin der freigelegte Teil
der Faser über einer heißen Gasflamme dünngezogen werden.
Man kann im Handel Multimode-Fasern mit einem reinen Quarzkern (‘Core’) und Plastikcladding kaufen. Das Plastikcladding lässt
sich leicht entfernen durch Abbrennen der Plastikschicht oder durch
Auflösen in Dichlormethan. Der verbleibende Quarzkern hat eine sehr
glatte Oberfläche und leitet weiterhin gut das Laserlicht. Nur wenig
Licht wird aus der Faser herausgestreut. Die Faser wird dann in ei153
Tabelle E.1: Typische Parameter zum Leiten neutraler Atome entlang einer
geladenen optischen Faser. R0 ist der Abstand des Potentialminimums vom
Faserzentrum. Die letzte Spalte gibt die Größe der atomaren Grundzustandswellenfunktion an.
Faser- Detuning Spannung PotentialR0
Fallen
Grundradius
tiefe
Frequenz zustand
[µm]
Γ
[V]
[neV]
[µm]
[kHz]
[µm]
5
0.27
3 × 10
2
-0.55
0.699
105
0.166
0.27
3 × 105
5
-4.54
0.592
321
0.095
3
0.27
1 × 10
200
-10200
0.489
16800
0.013
ner relativ ‘kalten’ Butanflamme an einer Stelle aufgeschmolzen und
händisch dünngezogen. Die Oberfläche der Faser bleibt dabei glatt,
aber ab einer bestimmten Dicke (<50 µm) neigt die Faser dazu, sich
abzuschnüren. An der Abschnürungsstelle tritt das Laserlicht aus der
Fiber. Der Abschnürprozess läßt sich besonders gut verfolgen, wenn
während des Ziehens Laserlicht durch die Faser geschickt wird. Man
sieht dann sofort, sobald Schadstellen auftreten, weil an diesen Laserlicht austritt. Um den Laserstrahl in der Faser zu halten, muß man
die Faser “tapern”, sie darf nur allmählich über eine längere Strecke
dünner werden. Das Tapern stellte sich als schwierig heraus und ist
wahrscheinlich nur industriell zu bewerkstelligen.
• Das Tapern der Fasern ließe sich vermeiden, wenn von Anfang an in eine dünne Faser eingekoppelt wird. Dazu kann man Monomode-Fasern
verwenden, die ein Core haben von 3 bis 4 µm. Das Laserlicht wird
über Standardoptiken in das Faser-Core eingekoppelt. Das Problem ist
diesmal allerdings, das Faser-Core freizulegen, um an das evaneszente Licht zu gelangen. Monomode-Fasern mit Plastik-Cladding gibt es
noch nicht. Die Monomode-Fasern haben ein Quarz-Cladding, das eine leicht andere Dotierung besitzt als das Core. Um das Cladding zu
entfernen, tauchen wir die Faser 18 Stunden lang in 20 %ige Flußsäure
(HF), die das Cladding langsam wegätzt. Das Fortschreiten der Ätzung
kann mit einem normalen Mikroskop beobachtet werden. Unter günstigem Lichteinfall kann man sogar das Core vom Cladding im Mikroskop unterscheiden. In unseren Versuchen lief die Ätzung zunächst sehr
gleichmäßig und erzeugte auch eine glatte Oberfläche. Kam man allerdings schließlich dem Core nahe (<10 µm), so entstanden tiefe Taschen
und Krater an der Quarz-Oberfläche, an denen das Licht der Faser aus154
trat. Dies läßt sich darauf zurückführen, daß die verschieden dotierten
Quarzschichten unterschiedlich schnell geätzt werden. Das Core löst
sich nämlich schneller als das Cladding [Hun98]. Meist sind Core und
Cladding auch keine zwei streng getrennte Schichten, sondern sie ragen
ein wenig ineinander.
Wahrscheinlich führt eine Mischtechnik zum Ziel, in der eine
Monomode-Faser bis auf 12 µm vorgeätzt wird und dann noch ein wenig
dünner gezogen wird.
Zur Konstruktion des elektrisch geladenen Atomleiters braucht man eine
Faserdurchführung durch die Wände der Vakuumapparatur. Das Licht läßt
sich dann außerhalb des Vakuums bequem in die Faser einkoppeln und in der
Vakuumaparatur verwenden. Wir konnten eine geeignete Durchführung bauen unter Verwendung von Schraubflanschen der Firma Swagelock. Ein kleiner
Konus mit einem etwa 1 mm starken Loch in der Mitte wird als Dichtung
benutzt. In das Loch wird mit einen UHV Kleber die Faser eingeklebt. Diese
Durchführung wurde bis zu einem Druck von 10−9 Torr auf Vakuumtauglichkeit getestet.
155
156
Anhang F
Miszellaneen
F.1
Spontane Kräfte in einem Drahtmagnetfeld mit Laserlicht
Abbildung F.1: Atome in der Nähe eines stromführenden Drahtes werden
beim Einschalten des Fallenlichtes in Form von zwei Tropfen vom Draht
abgestoßen. Die Stromrichtung durch den Draht und die Richtung der einfallenden Laserstrahlen bestimmen die Flugrichtung der Tropfen. Zwischen
dem linken und dem rechten Bild wurde z.B. die Stromrichtung umgekehrt.
In beiden Bildern laufen die einfallenden Laserstrahlen horizontaler und vertikaler Richtung.
157
Spule
Draht
Abbildung F.2: Kombination eines Qua-
Abbildung F.3: Potentialverlauf für
drupolfeldes mit dem Drahtfeld.
Draht und Quadrupolfeld. Neben dem
Feldmaximum am Draht entstehen zwei
Feldminima, in denen “low field seekers”
gebunden werden können. Der Draht stopft
das Magnetloch der Quadrupolfalle.
F.2
Neue Magnetfallen
Mit Hilfe des Drahtes lassen sich nicht nur Atomleiter bauen. Durch Kombination des Drahtmagnetfeldes mit dem Quadrupolfeld der MOT lassen
sich neue 3D Fallen-Konfigurationen herstellen. Abb. F.2 zeigt, wie sich
in unserem experimentellen Aufbau die Magnetfelder des Drahtes und der
Anti-Helmholtz-Spulen addieren. Der daraus resultierende Potentialverlauf
für Atome im ‘low field seeker’ Zustand ist in Abb. F.3 abgebildet. Es entsteht ein ringförmiger Bereich um den Draht, in dem Atome gefangen werden
können. An zwei Stellen hat das Potential zwei Vertiefungen. Sind die Atome
kalt genug, so sammeln sie sich in diesen ‘Taschen’. In Abb. F.4 ist dazu eine
entsprechende experimentelle Atomverteilung zu sehen. Das Bild zeigt den
Blick auf die Magnetfalle entlang des Drahtes. In der Mitte der beiden Atomwolken ist ein Stück des Drahtes zu sehen, weil das Bild unter einem leichten
Winkel zum Draht aufgenommen wurde. In Abb. F.5 ist die Atomverteilung
zu sehen, wenn zusätzlich zum Draht- und Quadrupolfeld ein homogenes
magnetisches Offsetfeld dazugeschaltet wird. Das Offsetfeld ‘kippt’ das Potential ein wenig und es bildet sich eine dritte ‘Tasche’ aus, in der sich Atome
sammeln können.
Falls der Draht, wie in Abb. F.6 dargestellt, längs der Symmetrieachse
der Quadrupolspule liegt, entsteht ein ringförmiges Potentialminimum ohne
zusätzliche Vertiefungen (Abb. F.7) und die Atome können wie in einem
Motodrom Runden laufen.
158
Abbildung F.4: Atome sind in
der ‘gestopften’ Quadrupolfalle aus
Abb. F.3 gefangen. In der Mitte ist
ein Stück des Drahtes zu sehen, weil
das Bild unter einem leichten Winkel
aufgenommen wurde.
Abbildung F.5: Durch ein zusätzliches magnetisches Offsetfeld kann
das Potential aus Abb. F.3 noch
zusätzlich ‘gekippt’ werden. Es bildet sich eine dritte ‘Tasche’, in der
sich Atome sammeln.
Draht
Spulen
Abbildung F.6: Kombination des
Quadrupolfeldes mit dem Drahtfeld,
bei der Draht in der Symmetrieachse
der Anti-Helmholtz-Spulen liegt.
Abbildung F.7: Potentialverlauf für
die Fallengeometrie in Abb. F.6.
Aufgrund der Rotations-Symmetrie
entsteht ringförmiges Potentialminimum ohne zusätzliche Vertiefungen
um den Draht.
159
160
Literaturverzeichnis
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in seiner Diplomarbeit aufgebaut. R. Abfalterer, Diplomarbeit, Universität Innsbruck, (1994). 17
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165
Lebenslauf
29.1.1969
Geburt in Mainz, Sohn von Prof. Dr. Johannes Otto Denschlag
und Ilse Denschlag, geb. Schlüter.
1974 - 1978
Besuch der Grundschule in Nieder-Olm.
1978 - 1988
Besuch des Staatlichen Gymnasiums Nieder-Olm.
1985
3-monatiger Schulaufenthalt in Vancouver, Kanada.
1988
Abitur am Staatlichen Gymnasium Nieder-Olm.
1988 - 1989
Wehrdienst bei der Bundeswehr in Limburg/ Lahn.
1989 - 1991
Physikstudium in Mainz.
1991
Vordiplomprüfung
1991
3-monatiges Praktikum an der IRSID, Institut de recherches
de siderurgie, in Paris.
1991 - 1992
2-semestriges Auslandsstudium in Physik in Marseille,
Frankreich, mit dem Erasmus Programm.
Herbst 1992
Maı̂trise in Physik
Juli 1993
Mündliche Diplomprüfungen in Mainz.
1993 - 1994
Diplomarbeit in theoretischer Kernphysik in Mainz,
“Das Schwellenverhalten der Etaproduktion am Proton”
Betreuer: Professor Dr. D. Drechsel.
1994
Diplom in Physik
Febr. 1995
Beginn der Dissertation in Innsbruck.
Danksagung
Ich möchte mich ganz herzlich bei Professor Dr. Anton Zeilinger bedanken für die Aufnahme in seine interessante, internationale Gruppe und seine
großzügige Unterstützung in Rat und Tat während meiner Arbeit.
Als nächstes möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Betreuer, Dr. Jörg
Schmiedmayer, für die Aufnahme in sein Draht-Projekt bedanken. In all den
physikalischen Diskussionen und der gemeinsamen Arbeit im Labor habe ich
unschätzbar viel von ihm gelernt. Fast alle wichtigen Messungen haben wir
zu zweit durchgeführt — oft bis in die frühen Morgenstunden.
Im ersten Jahr meiner Dissertation hatte ich das Vergnügen mit Herman
Batelaan als Postdoc zusammenzuarbeiten. Zusammen haben wir Höhen und
Tiefen gemeistert bei allem, was im Labor noch nicht recht klappen wollte.
Ich erinnere mich an Löcher im Vakuumsystem, die nicht gefunden werden
wollten, und an endlose Spulen, die entwickelt und gewickelt werden mußten.
Ich denke an einen unkooperativen Farbstofflaser, der zu zähmen war, und an
die Suche von Signalen, die lange auf sich warten ließen. Besonders dankbar
bin ich ihm auch für die vielen Klettersteig-Touren z.B. an der Martinswand
oder am Elfer im Stubaital, auf die er mich an vielen Wochenenden mitnahm.
Wunderschön waren für mich auch die Gruppenausflüge an den Wochenenden mit all den Mitarbeitern des Institutes wie Jörg Schmiedmayer, Nancy
Hecker, Herman und Sandra Batelaan, Trixi Erkert, Hans Christoph Nägerl
mit Jule, sowie Claudia Keller und Harald Weinfurter. Der Tag begann mit
Skifahren, Wandern, Figln oder Schlittenfahren und endete mit einem gemeinsamen Abendessen, bei dem es viel zu erzählen gab.
Ein täglicher Höhepunkt war sicherlich das familiäre und lustige Mittagessen in unserem Instituts-Kochclub mit Christine Messner, Claudia Keller, Nancy Hecker, Jörg Schmiedmayer, Christian Roos, Ferdinand SchmidtKaler und Jürgen Eschner. Alle acht Tage durfte jeder für das Wohlbefinden
der anderen sorgen und nicht selten wurden Club-interne Sterne vergeben.
Im Laboralltag hatte ich Gelegenheit, viele nette Mitarbeiter zu treffen
und mit ihnen zu arbeiten. Deshalb geht mein Dank an
- Sonja Franke für die gute und problemlose Zusammenarbeit und das Teilen
von Labor und Laser.
- Sile Nic Chormaic, mit der es in Gesellschaft immer besonders lustig und
interessant zuging.
- Markus Arndt, mit dem ich gerne zusammen am Draht-Experiment gearbeitet hätte.
167
- Stefan Bernet, von dem ich alles über den Farbstofflaser lernte und der
den Laser mit seinen ‘magischen’ Fingern immer wieder aufzupeppeln
wußte.
- Stefan Wehinger, der mir vergeblich ‘patience for beginners’ eintrichterte.
Ich möchte den beiden Diplomanden Alexander Kasper und Gerhard Umshaus danken. Alexander hatte in seiner Diplomarbeit mit den widerspenstigen Laserdioden für das Lithium zu kämpfen, die wir zu Absorptionsmessungen und zur Atomzahlbestimmung nutzten. Gerhard Umshaus beschäftigte
sich mit der Herstellung dünner Quarzfäden und hat zum großen Teil das
C-Programm für den Videoframegrabber geschrieben, eine wichtige Vorraussetzung für alle späteren Messungen. An dieser Stelle möchte ich Ulrich Achleiter nicht vergessen, der uns im Programmieren einige Starthilfen gab.
Einen großen Dank auch an Gregor Weihs, der immer zu helfen weiß,
wenn uns Windows im Stich läßt. Mein Dank auch an Claudia Keller, die
bei Gregors Abwesenheit die EDV Geschäfte übernimmt und immer sehr
hilfsbereit ist.
Ich möchte auch nicht die freundliche Zusammenarbeit mit den anderen Arbeitsgruppen vergessen, wie der Gruppe von Prof. Pulker, deren Aufdampfanlage ich immer wieder benutzen durfte. Der gegenseitige Austausch
von Informationen und Materialien mit den Gruppen von Prof. Blatt und
Prof. Höpfel war äußerst nützlich. Herr Konrad Eller aus der Biologie half
mir immer gerne mit dem Elektronenmikroskop.
Dank den sympathischen Sekretärinnen Elisabeth Hilber, Martina Berger
und vor allem auch Christine Götsch-Obmascher. Dank den Männern in der
Werkstatt, Franz Berger, Toni Schönherr und Stefan Haslwanter. Dank auch
unserem Elektroniker Andreas Mitterer und Surasak Chianga, die mir halfen,
wenn die Elektronen nicht kooperieren wollten.
Ich danke Donatella Cassettari, die immer wieder den Sonnenschein in
unser Labor hereinbringt. Ich wünsche Ihr und den neuen Doktoranden Alexander Chenet und Stefan Schneider mit dem Experiment weiterhin viel Spaß
und schöne Resultate, die sich seit geraumer Zeit ankündigen.
Mein besonderer Dank gilt Nancy Hecker für ihre Freundschaft und dafür
daß sie viele meiner Höhen und Tiefen durch die Doktorarbeit mitgetragen
hat.
Ich möchte von ganzem Herzen meiner Familie, besonders meinen Eltern
danken, die mir eine beständige Stütze sind.
168
Zugehörige Unterlagen
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