Kalte Atome in singulären Potentialen Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck vorgelegt von Johannes Peter Denschlag Innsbruck, September 1998 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 5 2 Experimenteller Aufbau 2.1 Die magneto-optische Falle (MOT) . . . . . . . . . 2.2 Die Vakuumkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Quadrupol-Magnetfeldspulen . . . . . . . . . . 2.4 Laser System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Der Laserlock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Steuerung des Experiments . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Datenaufnahme und Verarbeitung . . . . . . . . . . 2.8 Temperatur und Verteilung der Atome in der MOT 2.9 Atomanzahl der Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10 Herstellung dünner Drähte . . . . . . . . . . . . . . 2.10.1 Ströme durch einen dünnen Draht . . . . . . 3 Atome im 1/r 2 Potential 3.1 Methode des Experiments . . . . . . . . 3.2 Durchführung des Experiments . . . . . 3.3 Scannen der Drahtladung . . . . . . . . 3.4 Lichteinflüsse auf die Messungen . . . . . 3.4.1 Der Schatteneffekt . . . . . . . . 3.5 Quantitativer Vergleich zwischen Theorie 3.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . und Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 9 13 14 15 17 20 21 23 28 29 35 . . . . . . . 39 46 49 53 60 60 62 67 4 Der Draht als Sonde für Atomflußdichten 69 5 Van der Waals Kräfte 75 6 Atome im 1/r Potential 79 6.1 Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6.2 Atome in Donuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 i 6.3 6.4 6.5 Simulationsrechnungen zum 1/r Potential Magnetische Streufelder . . . . . . . . . . 6.4.1 Magnetfeld entlang des Drahtes . . 6.4.2 Magnetfeld senkrecht zum Draht . Einfluß des elektrischen Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 104 105 106 116 7 Magnetische Atomschläuche: Die Seitenfalle 117 7.1 Integrierte Schaltkreise atomoptischer Elemente . . . . . . . . 123 Zusammenfassung und Ausblick 125 A Das Element Lithium A.1 g-Faktoren für den Grundzustand von 7 Li 127 . . . . . . . . . . . 128 B Streutheorie in zwei Dimensionen 129 C Berechnung der Quantenstufen 133 C.1 Der unendlich dünne Draht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 C.2 Der geladene Draht endlicher Dicke . . . . . . . . . . . . . . . 137 C.3 Experimentelle Parameter für die Quantenstufen . . . . . . . . 142 D Magnetisches Moment und Magnetfeld 145 D.1 Klassische Bahngleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 D.2 Monte-Carlo Simulationen für das 1/r Potential . . . . . . . . 146 E Eine elektrisch geladene optische Faser als Atomleiter 151 F Miszellaneen 157 F.1 Spontane Kräfte in einem Drahtmagnetfeld mit Laserlicht . . . 157 F.2 Neue Magnetfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1 wire trap Abbildung 1: Draht und Atom-Falle. Gezeigt wird der Blick in die Vakuumapparatur. Neben der kleinen, roten Wolke von etwa 107 Lithium Atomen scheint rechts daneben im Laserlicht ein 10 µm dünner Draht. Weiter rechts eine Gewindestange, die der Aufhängung des Drahtes dient. 2 Abstract In the early days of atom optics it was desirable to separate atoms as far as possible from material objects in order to obtain pure and isolated quantum systems. Today cooling and trapping techniques of atoms are so well established that there is now an interest in bringing the atoms close to material macroscopic objects. The proximity of atoms to the object allows the design of tailored and easily controllable potentials which can be used to build novel atom optical elements. In order to study the feasibility of such elements we used thin free standing wires. We chose this system because the small wire size allows the interaction region to remain optically accessible, and the influence of the wire itself on the atoms can be kept small. We studied both theoretically and experimentally the interaction between cold Li atoms from a magnetic-optical trap (MOT) and a charged or current-carrying wire. With this system, we were able to realize 1/r 2 and 1/r potentials in two dimensions and to observe the motion of cold atoms in both potentials. A pure attractive 1/r 2 potential has never before been experimentally realized even though it is often discussed in classical mechanics textbooks. For an atom in this potential, there exist no stable trajectories, instead there is a characteristic class of trajectories for which atoms fall into the singularity. We were able to observe this falling of atoms into the center of the potential. Moreover, by probing the singular 1/r 2 potential with atomic clouds of varying size and temperature we extracted scaling properties of the atom-wire interaction. For very cold atoms and very thin wires the motion of the atoms must be treated quantum mechanically. Here we predict that the absorption cross section for the 1/r 2 potential should exhibit quantum steps. These quantum steps are a manifestation of the quantum mechanical decomposition of plane waves into partial waves. For the second part of this work, we realized a two dimensional 1/r potential for cold atoms. If the potential is attractive, the atoms can be bound and follow Kepler-like orbits around the wire. The motion in the third dimension along the wire is free. We were able to exploit this property and constructed a novel cold atom guide, the ‘Kepler guide’. We also demonstrated another type of atom guide (the ‘side guide’), by combining the magnetic field of the wire with a homogeneous offset magnetic field. In this case, the atoms are held in a potential ‘tube’ on the side of the wire. The versatility, simplicity, and scaling properties of this guide make it an interesting technique. Because atoms are held to the side of a wire, the 3 wire may be mounted on a flat surface. This allows for simple miniaturization and also construction of complex, integrated structures for mesoscopic atom optical networks. For example, by simply combining two wires it may be possible to construct an atomic beamsplitter. In addition to producing singular potentials and new types of atom guides we demonstrated that the wire can also be used as a probe to determine the local density flux of atoms in a MOT. This measurement technique is complementary to the fluorescence measurement on atomic clouds for which only the local atomic density can be extracted. Finally our experiments have also shown that using the wire we can measure the Van der Waals interaction between cold atoms and material surfaces. 4 Kapitel 1 Einleitung Die rasante Entwicklung der atomoptischen Kühl- und Fallentechniken in den letzten Jahren hatte zum primären Ziel, möglichst reine Quantensysteme zu konstruieren [Ato89, Ada94, Bos95]. Dies gelang durch maximale Trennung und Isolierung der Atome von anderen materiellen Gegenständen. Mit den fortschreitenden Erfolgen in der Kühlung und Manipulation der Atomzustände ist es nun von Interesse, sich mit den kalten Atomen wieder makroskopischen, materiellen Objekten zu nähern. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für das Studium der Wechselwirkungen zwischen kalten Atomen und Oberflächen und ermöglicht eine neue Generation maßgeschneiderter und kontrollierbarer Potentiale, in denen sich Atome bewegen können. Die Konstruktion neuer, effizienter atom-optischer Elemente wie Atomspiegel, Atomleiter, Strahlteiler und Fallen bietet sich an [Atopt]. Erste Vorschläge zur Miniaturisierung und Zusammenfassung atomoptischer Bauelemente in integrierte atomoptische Schaltungen liegen vor [Wei95, Den98b, Sch98, Vul98]. Dünne, freistehende Drähte sind einfache, makroskopische Körper, die sich gut für erste Untersuchungen zur Konstruktion atomoptischer Bauelemente eignen, weil sie aufgrund ihrer Kleinheit für Laserstrahlen praktisch kein Hindernis darstellen: Die Wechselwirkungsregion bleibt optisch vollständig zugänglich und der Einfluß des Festkörpers auf die Atome kann kleingehalten werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Wechselwirkung kalter Lithiumatome aus einer magneto-optischen Falle mit geladenen und stromdurchflossenen Drähten experimentell und theoretisch untersucht. Mit Hilfe der Drähte werden ein 1/r 2 Potential und ein 1/r Potential in 2 Dimensionen für kalte Atome realisiert und die Bewegung der Atome in diesen zylindersymmetrischen Potentialen studiert. Das 1/r 2 Potential ist ein Modell-Potential der klassischen Mechanik [Cas50, Mor53, Lan87, Lan88, Lev67], das in der vorliegenden Arbeit zum 5 ersten Mal experimentell realisiert und analysiert werden konnte [Den98a]. In einem 1/r 2 Potential gibt es keine stabilen Bahnen. Den in theoretischen Lehrbüchern vorhergesagte “Sturz” der Teilchen ins Zentrum konnten wir im Experiment beobachten. Im quantenmechanischen Regime, d.h. für kalte Atome und sehr dünne Drähte (d.h. Radius des Drahtes Rw ist kleiner als die deBroglie Wellenlänge der Atome λ), wird für das 1/r 2 Potential in einem theoretischen Teil der Arbeit ein Quanteneffekt vorausgesagt: Der Absorptionsquerschnitt des 1/r 2 Potentials besteht aus “Quantenstufen”. Die Quantenstufen entsprechen einer direkten Manifestierung der quantenmechanischen Zerlegung einer ebenen Welle in Partialwellen. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Realisierung eines 1/r Potentials mit einem stromdurchflossenen Draht für kalte Atome beschrieben. Atome können in diesem 1/r Potential gebunden werden und bewegen sich in Keplerellipsen um den Draht [Vla61, Sch92]. Weil die Bewegung der Atome in Draht-Richtung frei ist, läßt sich damit ein Atomleiter konstruieren, der in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal experimentell für kalte Atome demonstriert wird [Den98b]. Es wird weiterhin durch Experimente gezeigt, wie man durch Kombination des Drahtmagnetfeldes mit einem homogenen magnetischen Offsetfeld einen weiteren Atomleiter bauen kann. Die Atome werden in diesem Fall in einem magnetischen Potentialschlauch an der Seite des Drahtes gehalten. Dieser Atomleiter besticht vor allem durch seine Vielseitigkeit, Einfachheit und sein Skalierungsverhalten. So kann er zum Beispiel auf einer glatten Oberfläche montiert werden, sodaß die Atome oberhalb der Oberfläche entlang des Drahtes geführt werden. Es ist dann denkbar, durch Verknüpfung vieler solcher Drähte auf der Oberfläche eine komplexe, integrierte Architektur atom-optischer Elemente zu ermöglichen. Zum Beispiel kann durch einfache Kombination zweier Drähte ein Atomstrahlteiler hergestellt werden. Es wird experimentell gezeigt, daß neben der Erzeugung der singulären Potentiale, der Draht auch als Sonde verwendet werden kann, um den lokalen Dichtefluß, ρ · v, in einem atomaren Ensemble zu messen. Diese Meßmethode ist komplementär zu Fluoreszenzmessungen einer Atomwolke, in die nur die lokale Dichte ρ der Atome eingeht. Weiterhin zeigt sich, daß unsere Experimente eine geeignete Methode darstellen, um Wechselwirkungen wie die Van der Waals-Kraft zwischen kalten Atomen und materiellen Oberflächen zu vermessen (siehe auch die Experimente von [Lan30]). Die Arbeit gliedert sich wie folgt: In dem ersten Abschnitt wird der Aufbau des Experiments, sowie die Her6 stellung und freie Aufhängung dünnster Drähte beschrieben. Es folgt dann Theorie und Experiment zum elektrisch geladenen Draht. Anschließend werden Theorie und Experiment des stromführenden Drahtes behandelt. Einige der theoretischen Betrachtungen werden mit ausführlichen Rechnungen im Anhang genauer erläutert, um die Darstellung im Hauptteil übersichtlich zu gestalten. 7 8 Kapitel 2 Experimenteller Aufbau 2.1 Die magneto-optische Falle (MOT) Ein Hauptbestandteil unserer Experimente ist die magneto-optische Falle (MOT) [Raa87, Lin91]. Sie dient als Quelle und Behälter eines Gases kalter Lithiumatome. Die MOT empfängt ihre Atome von einem effusiven LithiumGasstrahl, der aus einem 380o C heißen Ofen tritt1 . Sie sammelt die Atome in einer etwa 1 mm großen Wolke und kühlt diese auf submilli-Kelvin Temperaturen ab. In unserer Falle können einige 107 Lithiumatome gefangen werden mit Atomdichten von etwa 1011 Atomen pro cm3 . Die Ladezeit für die Falle beträgt etwa 20 Sekunden. Durch einen zusätzlichen Laser-Bremsstrahl (Slower), der 100 MHz rotverstimmt zur Lithium Linie ist, kann die Anzahl der gefangenen Atome um einen Faktor 5 gesteigert werden. Bei einem Hintergrundgasdruck von etwa 6 · 10−10 Torr haben die Lithiumatome eine Lebensdauer in der Falle zwischen 10 und 20 Sekunden (siehe Abb. 2.1). Obwohl die magneto-optische Falle schon ein Standard-Instrument in der experimentellen Quantenoptik darstellt, soll im Sinne einer abgeschlossenen Darstellung kurz auf ihre Funktionsweise eingegangen werden. Die MOT basiert auf zwei Mechanismen: Kühlung und räumlicher Einschluß von Atomen. • Die Kühlung basiert auf einer Idee von Hänsch und Schawlow [Han75], nach der das Atom durch eine geschwindigkeitsabhängige Bremskraft im Impulsraum eingefangen wird: Es befindet sich im rotverstimmten Lichtfeld zweier gegenläufiger Lichtstrahlen gleicher Intensität. Bewegt sich das Atom auf einen der beiden Strahlen zu, so wird die Dopplerverschiebung ∆ν = kv den einen Strahl näher zur Resonanz schieben und der andere Strahl wird weiter weg ins Rote verschoben. Daraus 1 Der Ofen besteht aus einem angeflanschten Rohr, das mit einem Heizdraht (1.3 A, 40 V) von außen auf Temperatur gebracht wird. 9 CCD Laser Draht Falle Ofen Bremsstrahl 100 MHz Photodiode Abbildung 2.1: Schema des Versuchsaufbaus in der Vakuumkammer. resultiert dann ein Kräfteungleichgewicht, weil von dem Laserstrahl, dem das Atom entgegenläuft, häufiger Photonen absorbiert werden als vom anderen Strahl. Jedes absorbierte Photon überträgt wegen der punktsymmetrischen Reemissionscharakteristik des Atoms im Mittel einen Photonenrückstoß auf das Atom. Dies sollte das Atom auf die Geschwindigkeit Null bremsen. Allerdings bewirken die spontanen Emissionen des Atomes zusätzlich eine Diffusion im Impulsraum, die eine der Kühlung entgegen wirkende ‘Aufheizung’ bedeutet. Die minimal erreichbare Temperatur ergibt sich schließlich aus dem Verhältnis der Diffusionsgeschwindigkeit und der Kühlgeschwindigeit. Theoretisch findet man die tiefsten Temperaturen bei einer Laserverstimmung der halben Linienbreite Γ und die erreichbare Temperatur TD ergibt sich zu [Win79]: m Γ TD = < v 2 >= h̄ . (2.1) 3kB 2kB Im Fall von Lithium liegt diese Dopplertemperatur bei TD = 140µK; sie entspricht einem Impuls von etwa 5 Photonenrückstößen. Für viele andere Elemente führen zusätzliche Kühlvorgänge zu noch kälteren Temperaturen. Diese, unter dem Begriff Polarisationsgradientenkühlen bekannten Schemata, wurden zufällig 1988 entdeckt[Let88]. Verschiedene Variationen dieser Kühlmechanismen sind seitdem vorhergesagt und experimentell demonstriert worden [Ato89]. Allen ist gemeinsam, daß 10 zum Kühlen Kräfte zur Anwendung gelangen, die durch die Bewegung des Atoms in stehenden Lichtwellen mit räumlich veränderlicher Polarisation entstehen. In Lithium treten diese Kühlprozesse jedoch nicht in Erscheinung, weil die Hyperfeinaufspaltung des 2P1/2 Niveaus sehr klein ist und in der Größenordnung weniger MHz liegt. Außerdem liegt die in einer MOT für Lithium erreichbare minimale Impulsverteilung mit 5 Photonenrückstößen sowieso schon sehr nahe an der Untergrenze der spontanen Kühlung, dem einzelnen Photonrückstoß. • Für eine Falle wird außer dem Einschluß des Atoms im Impulsraum auch ein räumlicher Einschluß benötigt, der durch eine ortsabhängige Kraft realisiert werden muß. Es zeigt sich, daß spontane Kräfte, die allein auf einer räumlich variierenden Intensitätsverteilung basieren, nicht geeignet sind einen dreidimensionalen Einschluß zu gewährleisten. und der (Dies kann aus der Divergenzfreiheit des Poyntingvektors S abgeleitet werden daraus folgenden Divergenzfreiheit der Kräfte F ∝ S [Ash83].) und wird als ‘optisches Earnshaw’-Theorem bezeichnet. Die für den räumlichen Einschluß erforderlichen räumlich variierende Kräfte auf die Atome werden nach einer Idee von Jean Dalibard durch Ausnutzung des Zeemaneffekts in einem inhomogenen Magnet- Energie ! ωLaser σ+ mF σ− +1 0 -1 F=1 0 F=0 z Abbildung 2.2: Die Funktionsweise einer magneto-optischen-Falle. Ein Atom ∝ zêz mit F = 1 im angeregten Zustand erfährt im Magnetfeld der Form B am Ort z = 0 eine Zeeman-Verschiebung, die einen der Übergänge ∆mF = ±1 in Resonanz mit dem Laserlicht bringt. Dieser Übergang kann aufgrund der Polarisation des Lichtes nur aus einem der beiden Laserstrahlen angeregt werden, so daß sich eine rücktreibende Kraft ergibt. 11 feld erreicht. Das Prinzip ist in Abb. 2.2 anhand eines Modellsystems in einer Dimension dargestellt. Ein Atom mit drei magnetischen Unterzuständen MF = −1, 0, +1 im angeregten Zustand erfährt in einem entlang der z-Achse linear ansteigenden Magnetfeld der Form = B0 z êz ) eine ortsabhängige Zeeman-Verschiebung der Über(B gangsfrequenzen mit entgegengesetzten Vorzeichen für die Zustände mF = −1 und mF = +1. Zwei entlang der z-Achse in entgegengesetzten Richtungen propagierende, rotverstimmte Laserstrahlen zirkularer σ + bzw. σ − Polarisation können jeweils Übergänge mit ∆mF = −1 bzw. ∆mF = +1 anregen. Befindet sich nun ein Atom z.B. an einem Ort z > 0, so wird über die Zeeman-Verschiebung gerade der mF = −1 Zustand näher in Resonanz mit der Lichtfrequenz geschoben. Dieser Zustand wird durch Licht aus dem in -z Richtung propagierenden Strahl angeregt. Die daraus resultierende, in -z Richtung wirkende spontane Lichtkraft stellt eine ortsabhängige, rücktreibende Kraft, die dazu benutzt werden kann, Atome am Ursprung z = 0 ‘festzuhalten’. Die magneto-optische Falle ist eine Erweiterung dieser Konfiguration in drei Raumdimensionen. Laserstrahlen werden aus den drei Raumrichtungen x, y, z eingestrahlt und in sich zurückreflektiert. Magnetfeldgradienten in x, y und z Richtung werden durch ein Spulenpaar in 7Li (I = 3/2, τ = 27.2ns) 22P3/2 a2 = -3.08 MHz -15a2 /4 -11a2 /4 -3a2 /4 F2 0 1 2 9a2 /4 3 670.962(0) nm Kühlübergang 670.961(0) nm Rückpumper 10056 MHz 22P1/2 3a1/4 22S1/2 F1 2 803.5 MHz -5a1/4 1 Abbildung 2.3: Ausschnitt aus dem Niveauschema für das Element 7 Lithium nach [Lin91]. Eingezeichnet ist der zum Betrieb der magneto-optischen Falle verwendete Übergang, sowie der Rückpumpübergang (Repumper). 12 Anti-Helmholtzkonfiguration erzeugt. In unserer Falle haben die Laserstrahlen einen Radius von RL = 1 cm und eine Leistung von etwa 30 mW/Strahl (eine Richtung). Abb. 2.3 stellt einen Ausschnitt aus dem Niveauschema von 7 Li dar (siehe auch Anhang A). Das zum Laden eingestrahlte Laserlicht ist zum Übergang 22 S1/2 F = 2 → 22 P3/2 F = 3 (D2 -Linie) des Isotops 7 Li um 25 MHz rotverstimmt. Weil die oberen Hyperfein-Niveaus von 22 P3/2 sehr eng liegen, werden zusätzlich zum F = 3 Niveau auch noch die Niveaus F = 2 und F = 1 bevölkert. Diese zerfallen spontan mit einer hohen Wahrscheinlichkeit (1/2 und 5/6) in den Zustand 22 S1/2 F = 1. Auf diese Weise würden bereits nach wenigen Mikrosekunden alle Atome in den letztgenannten Zustand gepumpt werden. Um dies zu verhindern, wird zusätzlich Rückpumplaserlicht eingestrahlt, dessen Frequenz resonant zum Übergang 22 S1/2 F = 1 → 22 P3/2 F = 2 ist. Die Atome werden dann wieder in den Kühlübergang zurückgepumpt. Die Erzeugung der Laserfrequenzen wird im Kapitel 2.4 beschrieben. Ofen Blick von vorne CF63 Pumpe CF40 Blick von oben Ofen Abbildung 2.4: Die Vakuumaparatur des Experiments. Gezeigt wird (links) ein Blick von oben auf die Kammer mit Turbopumpe. Rechts der Blick von vorne auf die Kammer. Die Cf40 Rohre werden für die MOTLaserlichtstrahlen benutzt. 2.2 Die Vakuumkammer Die Experimente mit den kalten Lithium-Atomen finden unter Ultra-HochVakuum (UHV) Bedingungen bei ungefähr 5 · 10−10 Torr statt. Die dazugehörige Vakuumaparatur besteht aus einem 6-Wege Kreuz der Dimension 13 CF63 (63 mm Innendurchmesser, Rohre aus V2A Stahl) mit vier zusätzlichen Rohren (CF40) die zwischen den CF63 Rohren angebracht sind (siehe Abb. 2.4). Diese dienen dazu, zwei der drei Laserstrahlenpaare in die Falle einzubringen. Als Pumpe verwenden wir eine Turbopumpe (Fa. Varian, Model Turbovac), die eine Saugleistung von 250 l/s aufweist. Eine Ionisationsröhre erlaubt es, Drücke bis 2 · 10−11 Torr zu messen. An einem CF63 Flansch ist ein kleines Rohr angeflanscht, das mit Lithiummetall gefüllt ist [Weh96]. Das Rohr wird von außen mit einem Widerstandsdraht auf etwa 380 o C aufgeheizt, um das Lithium zu verdampfen. Durch ein 1mm großes Loch tritt das Lithium als effusiver Strahl in die Vakuumkammer, um damit die magneto-optische Falle zu laden. 2.3 Die Quadrupol-Magnetfeldspulen Das magnetische Quadrupolfeld, das für den Betrieb der MOT gebraucht wird, stammt von 2 Spulen in Anti-Helmholtz-Konfiguration mit je 65 Windungen. Die Spulen bestehen aus mit Plastikschrumpfschläuchen isolierten Kupferkapillarröhren (Außendurchmesser 2.2 mm, Innendurchmesser 1.5 mm), die mit Leitungswasser unter 3 bar Druck im Durchfluß gekühlt werden. Damit kann man problemlos kontinuierlich 30 Ampere durch die Spulen schicken, ohne daß sie zu warm werden. In den Experimenten dieser Arbeit wurden die Spulen jedoch nur mit einem Strom von 9 A betrieben. Bei einem Abstand von d = 9 cm zwischen den Spulen und einem mittleren Spulenradius von R = 4 cm ergibt sich ein gemessener Magnetfeldgradient von etwa 14 Gauß/cm auf der Symmetrieachse. Die Spulen befinden sich außerhalb der Vakuumkammer, die aus nicht magnetischem V2A-Stahl besteht. Abschalten des Magnetfeldes Das Quadrupolmagnetfeld muß in manchen unserer Experimente möglichst schnell abgeschaltet werden können, um eine zwischenzeitliche Expansion der Atomwolke zu verhindern. In unserem Setup erreichen wir Schaltzeiten von 0.5 ms. Abb. 2.5 zeigt den Schaltplan zur Magnetfeldabschaltung. Ein FET (BUZ 30 A) unterbricht innerhalb weniger Nanosekunden den 9 A Stromkreis zur Stromquelle (Fa. Heinzinger, Modell LNG 16-30, Economy Line). Aufgrund der Selbstinduktion der Quadrupolspulen mit der Induktion L baut sich eine Spannung U gemäß U = −LI˙ 14 (2.2) an den Spulenenden auf. Über den Darlingtontransistor baut sich die in den Spulen gespeicherte Energie ab. Die Schaltung aus Zener-Diode und Darlingtontransistor hält die Induktionsspannung U auf konstant hohem Niveau von 80 V. Eine hohe Induktionsspannung beschleunigt die Abschaltgeschwindigkeit. Trotzdem wurde sie auf 80 Volt begrenzt, weil bei zu hohen Spannungen die Schaltung unsicher wird und Überschläge drohen. Zudem wird die Abschaltgeschwindigkeit der Spulen durch Induktionsströme in den Wänden der Vakuumapparatur begrenzt. TTL Spulen + BUZ 30A Zener 80V Schottky Darlington Abbildung 2.5: Durch die Spulen in Anti-Helmholtz Konfiguration fließt ein Strom von 9 A. Um diesen Strom im Experiment abzuschalten, wird die Stromzufuhr mit dem FET BUZ 30A unterbrochen. Induktionsströme fließen über den Darlingtontransistor und die Schottkydiode ab. Die Schaltung aus Zener-Diode und Darlingtontransistor hält die Induktionsspannung U auf konstantem Niveau von 80 V, was den Abschaltvorgang beschleunigt. 2.4 Laser System Um die magneto-optische Falle zu betreiben, werden zwei Laserfrequenzen bei 670,962 nm benötigt. Das Laserlicht wird in einem von einem Argon-Laser (Coherent Innova 400) gepumpten Farbstoff-Laser (Coherent Ring Laser 89921) erzeugt (siehe Abb. 2.6). Als Farbstoff benutzen wir DCM-Spezial2 . Der 2 Wir haben uns für den Farbstoff von Lambda-Chrome entschieden anstatt für den von Radiant Dyes, weil er viel länger haltbar ist und auch eine größere Lichtleistung gibt. 22.5g des Farbstoffs werden in 400 ml Benzylalkohol über Nacht im geheizten Rührer gelöst und dann zusammen mit 600 ml Ethylenglykol in die Farbstoffpumpe des Farbstofflasers gegeben. Beim Anrühren sollte das Ethylenglykol auf keinen Fall schon dazugegeben werden, da es schäumt und die feinen Schaumblasen eine lange Lebensdauer haben. Geraten sie durch die Düse in den Jet, so bricht für kurze Zeit die Frequenzstabilisierung zusammen. Der Farbstoff hat uns schon viele Nerven gekostet, weil er schlecht löslich ist und 15 Ar-Ion-Laser BS AOM 3 80 MHz BS - Lithium Heatpipe Photo dioden AOM 1 BS 70 MHz Polarisator Slower PlanSubstrat MOT Laser Dye- Laser AOM 2 95 MHz EOM 812 MHz Zur Lockbox Abbildung 2.6: Aufbau des Lasersystems. Das Kürzel “BS” steht für Strahlteiler (Beamsplitter). Weitere Erklärungen siehe Text. Farbstofflaser erzeugt mit frisch angerührtem Farbstoff und einer Pumpleistung von etwa 7 Watt etwa ein halbes Watt rotes Licht. Sie fällt innerhalb etwa anderthalb Monaten (200 Betriebstunden) auf eine Leistung von 300 mW, bei der unser Experiment gerade noch betrieben werden kann. Von dieser Laserleistung werden etwa 20 mW benutzt, um den Laser in der Frequenz zu stabilisieren (locken). Dazu wird der Laserstrahl durch einen 75 MHz akusto-optischen Modulator (AOM) geschickt, der mit 40 kHz frequenzmoduliert ist (Hub ≈ 1MHz). Es wird dann dopplerfreie Sättigungsspektroskopie betrieben, in der ein Sonden- und Sättigungsstrahl entgegengesetzt durch eine Lithium-“Heatpipe” laufen. Ein dritter Strahl läuft parallel dazu durch die Heatpipe und mißt den reinen Dopplerdip ohne Lambdips. Dieses Signal wird vom Signal mit Lambdips abgezogen, um die Lambdips und deren Ableitungen offsetfrei zu erhalten (vgl. Kapitel 2.5). Die Heatpipe Gewöhnliche Gaszellen eignen sich nicht für Lithium, weil es sehr schnell auf Glasoberflächen aufdampft und sie verspiegelt. Zusätzlich greift Lithium auch gewöhnliches Glas chemisch an und macht es stumpf. Nach vielen Versuchen mit verschiedenen Zellentypen wurde in unseren Experimenten schließlich die gerne einmal auskristallisiert. Es muß auf absolute Sauberkeit geachtet werden und es muß sichergestellt sein, daß der Laserfarbstoff vollständig im Butylalkohol gelöst ist. Der Laserfarbstoff DCM Spezial hat weiterhin die unangenehme Eigenschaft, daß er leicht im Jet zu “kochen” beginnt: Der Farbstoff sprüht dann kleinste Farbstoffspritzer und Tröpfchen ab. Damit die Spiegel nicht beschmutzt werden, darf so etwas natürlich nicht vorkommen. Das Spritzen tritt vor allem bei hohen Pumpdrücken (> 50 PSI, 40 PSI sind normal) und hohen Laser-Pumpleistungen auf. 16 Heatpipe als Gaszelle eingesetzt. Sie ist ein etwa 50 cm langes Rohr, das in der Mitte auf etwa 260o C geheizt wird und dort Lithiumgas freisetzt. An den Enden wird das Rohr gekühlt. Das Rohr ist so lang, daß Atome auf jeden Fall mit der kalten Wand kollidieren, bevor sie auf die Endfenster gelangen können. So wird das Beschlagen der Fenster verhindert. Seitenbänder mit EOM Auf den Hauptstrahl des Lasersystems werden mittels Phasenmodulation in einem elektro-optischen Modulator (EOM) Seitenbänder mit 812 MHz aufgeprägt. Sie dienen als Rückpumper für die MOT und enthalten 2×30% der Laserintensität des Hauptträgers. Der EOM wird per induktiver Einkopplung mit einigen Watt elektrischer Leistung resonanzüberhöht betrieben [Abf94]. Seine Wirkung ist stark temperaturabhängig und über einen Zeitraum von etwa einer halben Stunde haben wir Drifts in seinen Polarisationseigenschaften festgestellt. Die Drehung der Polarisation des Fallenlaserlichtes wirkt sich jedoch sehr stark auf Temperatur und Form der magneto-optischen Falle aus. Um diese Drifts zu beseitigen, wurde nach den aktiven optischen Elementen (EOM, AOM) ein Polarisator zur Filterung in den Strahlengang gegeben, was die Stabilität und Reproduzierbarkeit unserer Messungen bedeutend erhöhte. Beim Durchgang durch den EOM verliert der Laserstrahl etwa 25 % seiner Leistung durch Rückreflexe. AOMs Nach dem EOM läuft der Laser durch den AOM 2 (-95 MHz), der zur Kontrolle der Laserintensität benutzt wird. Der Durchgang durch den AOM 3 (-80 MHz) schließlich sorgt für einen zusätzlichen, 105 MHz rot-verstimmten Laserstrahl, der als Bremsstrahl (Slower) verwendet wird. Die Effizienz der AOMs war sehr gut und es konnten routinemäßig 85-90 % der Laserleistung in die erste Beugungsordnung konvertiert werden. 2.5 Der Laserlock Während der Experimente war es wichtig, den Laser über Stunden hinweg driftfrei auf Frequenz zu halten. Zusätzlich sollte die Laserfrequenz in einigen Millisekunden beliebig und genau verfahren werden können, ohne dabei die Richtung des Laserstrahles zu ändern, denn die magneto-optische Falle ist sehr sensitiv auf Richtungsänderungen des Laserstrahls. Dies wird gewöhnlich in einer AOM-Doppelpass Geometrie erreicht, in der der Lichtstrahl zweimal den AOM-Kristall durchläuft. Weil man aber üblicherweise 17 beim AOM-Doppelpass etwa die Hälfte der Laserleistung verliert, haben wir uns für eine andere Lösung entschieden, die etwas ungewöhnlich ist, und hier vorgestellt werden soll. Dopplerfreie Sättigungsspektroskopie Der Laser wird in der Ladephase der magneto-optischen Falle nach der Methode der dopplerfreien Sättigungsspektroskopie auf den Lambdip der Lithium D2 Linie gelockt [Dem88]. Ein typisches spektroskopisches Signal der Lithium D2 Linie bestehend aus breitem Dopplerdip, den zwei Lambpeaks und Crossoverdip findet man in Abbildung 2.7. Das Lambdipsignal wird im Lock-In-Verstärker analysiert, der zum Signal die Ableitung liefert (siehe Abb. 2.8). Es wird auf den Nulldurchgang des Peaks links im Bild gelockt, (22 S1/2 F = 2 → 22 P3/2 F = 3). Dieser Nulldurchgang wird von der Kontrollbox des Farbstofflasers als Fehlersignal interpretiert und entsprechend nachgeregelt. Dies ist allerdings nur eine langsame Regelung, die ein paar Millisekunden Zeit in Anspruch nimmt. Intern ist der Farbstofflaser (Fa. Coherent, Modell 899-21 Ring-Laser) für den schnellen Zeitbereich bis 1/10 ms auf eine Cavity gelockt. Von außen kann über die Kontrollbox die Eigenfrequenz der Cavity und damit die Frequenz des Lasers verstellt werden. Dieser Kontrollbox-Eingang wird für das spektroskopische Fehler-Signal benutzt. Lock auf Lasercavity Da die Laser Cavity über Sekunden hinweg weniger als ein MHz driftet, haben wir uns entschieden, den Laser nur während des Ladens auf die Lithium Linie zu locken. Im eigentlichen Experiment, wenn die Atome gekühlt werden und mit dem Draht wechselwirken, wird nur auf die Laser Cavity selbst gelockt. Die dazugehörige Schaltung ist in Abb. 2.9 dargestellt. Das LambdipFehlersignal aus dem Lock-In Verstärker kann über einen Relais-Schalter von der restlichen Elektronik abgetrennt werden. Ist der Schalter geschlossen, wird das Fehlersignal in einer PI Regelstufe aufbereitet und dann in einem Analog-Addierer mit weiteren Offset- und Steuerspannungen kombiniert und in die Laser-Kontrollbox geschickt. Die Offsetspannung dient dazu, den Laser genau auf die Lithium Resonanzlinie zu stellen. Mit der Steuerspannung aus dem “Labview”-Computer (der das Experiment steuert), kann dann die Frequenz des Lasers eingestellt werden. In dieser Konfiguration kann die Laser-Frequenz innerhalb 4 ms beliebig innerhalb des Scanbereiches verfahren werden (Prinzipiell bis zu 30 GHz!). Dabei ändert sich die Laserintensität und die Richtung des Laserstrahles nicht. Wir betrieben den Farbstoff-Laser in einem Scanbereich von 500 MHz, 18 0.4 Lambdips der D2 Linie 0.35 7 von Li Transmission [a.u.] 0.3 0.25 0.2 0.15 0.1 0.05 0 −4000 −2000 0 2000 4000 Detuning [MHz] Abbildung 2.7: Der Dopplerdip der Lithium D2 Linien zusammen mit Lambdips (links und rechts)und Crossoversignal (Mitte). 10 Lock−In Signal (Volt) Ableitungen der Lambdips 5 0 −5 −10 −200 0 200 400 600 800 Detuning [MHz] Abbildung 2.8: Das Ableitungssignal der Lambdips und des Crossoversignals. Auf den Nulldurchgang des dispersiven Signals ganz links im Bild wird in Innsbruck gelockt. 19 'Ableitung' Lithiumlinie Lock-in Verstärker TTL Schalter P I 1 ms schnell + Referenz Cavity 0.1 ms schnell Stellmechanik Addierer Laser fester Offset (Lockbox) variabler Offset (Labview) 25 MHz = 0.9 V Abbildung 2.9: Aufbau des Laserlocks. Erklärungen finden sich im Text. wo nach letzter Kalibrierung 1 Volt am Steuerspannungseingang einen Frequenzschub von etwa 28 MHz ausmachen. Wurde der Laser gut einjustiert und gelockt, blieb er gewöhnlich über einen ganzen Tag lang auf Frequenz. Es wurde trotzdem gewöhnlich alle 2-3 Stunden nachjustiert, weil die Laserintensität etwa 10% pro Stunde sank. 2.6 Steuerung des Experiments Zur Steuerung des Experimentes wurde die Computer Software “Labview” benutzt. Labview zeichnet sich aus durch eine übersichtliche und flexible Oberfläche, mit der vollautomatisch Experimente gesteuert, experimentelle Daten erfaßt und auch verarbeitet werden können. Auf der anderen Seite macht seine Langsamkeit es manchmal nahezu unbrauchbar. In unserem Experiment kontrolliert Labview das Experiment über verschiedene Erweiterungskarten von National Instruments. So wurde eine Timer Karte, PC-TIO10, mit 10 unabhängigen 16 bit Zählern dazu benutzt, TTL Trigger-Pulse mit einer Präzision von 5 MHz auszugeben. Eine AnalogIn/Out Karte, AT-MIO16X, dient im Experiment dazu, analoge Signale von −10V bis +10V zu lesen als auch herauszuschreiben. Es können 16 verschiedene analoge Spannungen gemessen werden und 2 verschiedene analoge Spannungen ausgegeben werden. Das Lesen und Schreiben der Spannungen geschieht mit einer Auflösung von 16 Bit (z.B. 0.3 mV bei einem Meßbereich von ± 10 Volt) und einer maximalen Samplingrate von 100 kHz. Eine zusätz20 KameraComputer LaserFrequenz LaserIntensität Labview-Steuerungs-Computer LaserEin /Aus schalten SlowerEin / Aus Mech.Shutter Hochspannungsgerät VerschiebeSpulen Magnetisches Quadrupolfeld Ein / Aus Photodiodensignal messen Abbildung 2.10: Mit Hilfe von Labview wird eine ganze Reihe von Geräten gesteuert und ausgelesen. liche GPIB Karte kann mit ‘intelligenten’ Geräten direkt kommunizieren. Da der Computer auch am Haus-internen Ethernetz hängt, kann er auch mit dem Computer für die CCD Kamera Informationen austauschen. Abbildung 2.10 zeigt, welche Geräte im Wesentlichen vom Labview-Computer gesteuert und getriggert werden. In unseren Experimenten wird an einem typischen Experimentiertag nach Vorbereitungen und Probemessungen schließlich die Kontrolle des Experimentes vollständig an Labview übergeben. Labview arbeitet dann Serien von Messungen durch, die jeweils etwa 20 Sekunden dauern. Diese langsame Repetitionsrate ist durch die Ladezeit der MOT bedingt. 2.7 Datenaufnahme und Verarbeitung In der Datenaufnahme wurden zwei triggerbare, interlaced Standard-CCD Kameras (Fa. Pulnix, Modell TM 620 und TM 6AS) verwendet, mit denen Breite, Temperatur und Ort der Wolke der gespeicherten Atome gemessen wurden. Dazu wurden Fluoreszenzbilder der Atomwolke aufgenommen. Unter der Annahme einer räumlich konstanten Anregungswahrscheinlichkeit innerhalb der Wolke ist die Intensitätsverteilung des abgestrahlten Lichtes proportional zur Dichteverteilung der Atome, und das Bild der Intensitätsverteilung entspricht einem Bild der Dichteverteilung. Beide Kameras sind etwa 20 cm von der Atomwolke entfernt. Die Abbildung auf den CCD-Chip geschieht mit lichtstarken Standardobjektiven (z.B. Fa. Nikon, Modell Nikkor 1:1.2, 55mm). Längeneichungen ergeben typischerweise, daß der Abstand zweier Bildpunkte auf dem CCD-Chip (‘Pixel’) einem abgebildeten Abstand in der Fallenregion von 30 bzw. 60 µm entspricht. Eine Länge von 30 µm entspricht auch ungefähr dem Auflösungsvermögen des Objektivs. Belichtungszeiten la21 KameraComputer KameraComputer Pceye C-Programm CCD Kamera Matlab Kommunikation über DDE Kamerasteuerung, Bilddarstellung LabviewComputer Kommunikation über Ethernet Bildauswertung (Temperatur, Fallenparameter) Experimentsteuerung Abbildung 2.11: CCD Kamera und Computer. gen je nach Fall zwischen 0.5 und 20 ms. Das Auslesen des Bildes geschieht über einen Framegrabber (Fa. Eltec, Modell Pceye1), der das von der Kamera erzeugte Signal mit einer Tiefe von 8 bit digitalisiert. Das Kamera-Bild (276 × 448 Pixel, interlaced) wird vom Framegrabber in den Computerspeicher geschrieben und von dort von einem selbstgeschriebenen C-Programm “Pceye” in Empfang genommen (siehe Abb. 2.11). Es übernimmt das Anzeigen der Bilder auf dem Bildschirm und ihr Abspeichern auf der Festplatte. Gleichzeitig ruft es über “DDE” (Direct Data Exchange) die Matlabumgebung3 auf und übergibt Matlab die Bilddaten, die dort bequem online analysiert werden. Weiterhin wurde der Kameracomputer über das Ethernet mit dem Labview-Computer, der das Experiment steuert, verbunden, um Daten austauschen zu können und die Synchronisation zu vereinfachen. Details und genauere Ausführungen zum Pceye Programm können in der Diplomarbeit von Gerhard Umshaus [Ums98] gefunden werden. Die Anzahl der gefangenen Atome wird zeitaufgelöst in einer Si-PIN Photodiode (Fa. Thorlabs, Modell Det100, 13.7mm2 ) gemessen, die über einen empfindlichen Low-Noise Stromverstärker (Fa. SRS, Modell SR570) an eine Analog-Karte (Fa. National Instruments, Modell AT-MIO 16x, 16 bit, 100 kS/s) im Labview-Computer führt. Labview übernimmt anschließend die Aufbereitung und teilweise auch die Analyse der Daten und speichert sie danach ab. Die Abbildung der Falle auf die Photodiode geschieht mit Hilfe einer geeigneten, antireflexionsbeschichteten Linse (f = 70 mm, Durchmesser =2RL = 23 mm). Der Abstand dieser Linse von der Falle beträgt r = 23 3 Matlab ist eine umfangreiche Computersoftware für numerische Mathematik und Tabellenkalkulationen. 22 cm. Damit beträgt der abgebildete Raumwinkel πRL2 /(4πr 2) = 1/1600. Mit der Effizienz der Photodiode von 0.45 A/Watt bei 670 nm konnten wir in unseren Messungen Lichtintensitäten bis unterhalb von 10 pW messen bei einer Frequenzbreite von etwa 100 Hz. Das entspricht bei 2 · 107 Atomen einer Fluoreszenzrate pro Atom von einem Photon in 400 Mikrosekunden. Das Photodetektionssystem war in dieser Einstellung so empfindlich, daß es als Bewegungsmesser im Labor benutzt werden konnte: Näherte man sich dem Detektor während der Messung, so wurden kapazitiv Ströme induziert. Deswegen lieferten die Experimente immer besonders gute Daten, wenn sich vorübergehend niemand im Labor aufhielt... 2.8 Temperatur und Verteilung der Atome in der MOT Zur experimentellen Bestimmung der Temperatur T ∝< v 2 > wird die freie Expansion der Wolke von Atomen nach Abschalten der Falle beobachtet [Kun96]: Unter der Annahme eines nicht wechselwirkenden Ensembles von Teilchen werden sich die Atome nach Abschalten der Laserstrahlen aufgrund ihrer Geschwindigkeitsverteilung ρv frei auseinander bewegen. Aus der Geschwindigkeit der Expansion kann dann auf die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit < v 2 > geschlossen werden. Dabei ergibt sich die Größe der Wolke zur Zeit t aus der Orts- und Geschwindigkeitsverteilung zu Beginn der Expansion ρr ρv . Wurde die Falle zum Zeitpunkt t = 0 ausgeschaltet, so hat sich nach der Zeit t jedes Atom um die Strecke r = v t bewegt. Die Dichte am Ort r zum Zeitpunkt t ergibt sich daher aus der Integration über alle Atome der Anfangsverteilung, die sich während der Zeit t an den Ort r bewegt haben ρr (r, t) = ρr (r − v t, t = 0)ρv (v )dv. (2.3) Die Ortsverteilung ρr (r) und Geschwindigkeitsverteilung ρv (v ) der Atome in einer MOT ist unter normalen Bedingungen zu einer sehr guten Näherung durch eine Gaußverteilung gegeben, ρ(r, v) = ρr (r)ρv (v ) 1 1 1 = √ 6 × ( 2π) σx σy σz σvx σvy σvz x2 y2 z2 exp − 2 exp − 2 exp − 2 × 2σx 2σy 2σz 2 vy vx2 vz2 exp − 2 exp − 2 exp − 2 . 2σvx 2σvy 2σvz 23 (2.4) Dies rührt daher, daß die Verteilungsfunktion durch eine Boltzmannverteilung beschrieben wird und daß die magneto-optische Falle näherungsweise durch ein harmonisches Potential V genähert werden kann [Raa87]. Sind die Geschwindigkeitsbreiten σv ≡ σvx = σvy = σvz gleich (was durchaus in einer MOT nicht der Fall ein muß), so läßt sich die Temperatur des Atomgases definieren durch: Mσv2 = kB T, (2.5) wo M die Masse des Atoms ist und kB die Boltzmannkonstante. Die Temperatur T kann aus dem Expansionsverhalten von ρr (r, t) bestimmt werden. Unter der Annahme der Verteilung gemäß Gl. (2.4) separieren die drei Ortskoordinaten, und es ergibt sich die eindimensionale Ortsverteilung ρx (x, t): ρx (x, t) ∝ vx2 (x − vx t)2 exp − exp dvx . 2σx2 2σv2 (2.6) Die Ortsverteilung ρx (x, t) entsteht aus einer Faltung zweier Gaußfunktionen der Breiten σx und σv t. Das Ergebnis ist wieder eine Gaußfunktion der Breite σx (t), 1 x2 exp − ρx (x, t) = √ 2σx (t)2 2πσx (t) mit (2.7) σx (t) = σx2 (t = 0) + (σv t)2 . (2.8) Die volle Breite (FWHM) der Dichteverteilung ρx (x, t) zum Zeitpunkt t ist also gegeben durch √ ∆x(t) = 8 ln 2 σx (t). (2.9) Zur Messung der Temperatur werden die Laserstrahlen und das QuadrupolMagnetfeld der MOT zum Zeitpunkt t = 0 abgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt expandiert die Atomwolke frei gemäß Gl. (2.8) für eine variable Zeit von ein paar ms (typisch 0.5 bis 5 ms). Nach der Expansionszeit wird das Laserlicht wieder blitzartig eingeschaltet und es wird mit der CCD-Kamera ein Bild von der Atomwolke aufgenommen mit einer typischen Belichtungszeit von 0.5 bis 1 ms. Innerhalb dieser Belichtungszeit verändert sich die Größe und Form der Falle praktisch nicht, da die Atome in einer optischen Melasse “eingefroren” sind: Die Atome streuen ununterbrochen Photonen und bewegen sich in einer Art Brownschen Bewegung, sodaß die Atomwolke nur sehr langsam auseinander diffundiert4 . 4 Eine theoretische Abschätzung √ liefert √ für die diffusive Ausdehnung eines punktförmigen atomaren Ensembles σx = σv 2τ t, wo τ die typische Abbremszeit der Atome in der Melasse angibt [Let89]. Für Lithium gilt ungefähr τ = 14 µs. In t = 10 ms wächst z.B. ein punktförmiges atomares Ensemble dann auf nur σx = 0.5 mm. 24 0.5 ms 1.5 ms 2.5 ms 3.5 ms 4.5 ms 5.5 ms 0 5 10 P os ition [m m ] Abbildung 2.12: Frei expandierende Atomwolke. Links: Bilder der expandierenden Wolke nach unterschiedlichen Zeitschritten in FalschfarbenDarstellung. Die y-Achse der Bilder ist im Vergleich zur x-Achse um einen Faktor 2 gestaucht. Deswegen erscheinen die Wolken als Ellipsen. Unterhalb der Atomwolke ist der Draht zu erkennen, hier allerdings nur als “passiver” Zuschauer. Rechts: Waagrechter Schnitt durch die Atomwolke und Gauß’sche Fitkurven. Die atomare Wolke wird sehr gut durch eine Gaußverteilung beschrieben. 25 5 4.5 4 267 µ K 465 µ K 798 µ K Breite σx [mm] 3.5 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0 1 2 3 Expansions−Zeit [ms] 4 5 Abbildung 2.13: Je nach Temperatur der Atom-Falle expandiert das atomare Gas schneller oder langsamer. σx ist die Breite der gaußförmigen Atomwolke. Die Bilder der Falle spiegeln dann die Dichteverteilung ρr (r, t) wider. Durch das Anfitten von Gaußverteilungen kann daraus die Breite σx (t) bestimmt werden. Abb. 2.12 zeigt Bilder der expandierenden MOT und Schnitte durch die Atomverteilungen. Die atomare Wolke wird offensichtlich sehr gut zu allen Zeiten durch eine Gaußverteilung beschrieben, was den Ansatz zur Dichteverteilung in Gl. (2.4) bestätigt. Wiederholte Messungen für verschiedene Expansionszeiten t erlauben die Messungen der Größe der Wolke in Abhängigkeit der Zeit t. Abb. 2.13 zeigt eine entsprechende Auftragung der Breiten σx (t) gegen die Expansionszeit t. Aus dieser Auftragung kann durch einen erneuten Fit der in Gl. (2.8) gegebenen Form die Temperatur bestimmt werden. Für die gezeigten Beispiele beträgt die Temperatur 270, 470 und 800 µK mit einem Fehler von etwa 40 µK. Meßgenauigkeit Die Unsicherheiten in der Temperaturmessung stammen von den Unsicherheiten der Pixelabstands-Kalibrierung und von den Schwankungen der Falle selber. Zur Messung der Temperatur darf die “Melasse” als ganzes sich nicht bewegen. Zu einer Bewegung der Melasse kommt es, falls Offsetmagnetfelder 26 1200 600 25 MHz Detuning 6 MHz Detuning Temperatur µK Temperatur µK 1000 800 500 600 15 MHz Detuning 10 MHz Detuning 400 400 200 0 −1 10 300 10 0 10 1 10 2 3 10 Intensität des Lasers [mW] Abbildung 2.14: Die Temperatur der Atome hängt von der Intensität des Fallenlasers und seinem Detuning ab. Für Lithium werden die niedrigsten Temperaturen von etwa 200 µK erzeugt bei geringem Detuning und niedriger Leistung. Die “Intensität des Lasers” ist die totale Intensität des Fallenlasers mit Seitenbändern. Dieser Laserstrahl wird noch aufgeweitet und auf die drei Fallenstrahlen aufgeteilt. 0 0.05 0.1 0.15 0.2 t(on) / t(off) Abbildung 2.15: Die Temperatur der Falle ist ebenfalls eine Funktion des “Chopverhältnisses”, wenn die Falle gepulst betrieben wird. Je kürzer die Atome angeblitzt werden, desto kälter werden sie. existieren oder gegenläufige Laserstrahlen verschiedene Intensitäten aufweisen. In unserem Aufbau wurde meist das Ungleichgewicht der Laserstrahlen durch entsprechende Offsetmagnetfelder ausgeglichen, um die Melasse zum Stillstand zu bringen. Gemessene Temperaturen Für die Lithium MOT liegen die Temperaturen typischerweise im Bereich zwischen 200 µK und 1 mK. Anders als bei anderen Elementen gelangt man für Lithium zu den kältesten Temperaturen bei niedrigen Laserleistungen und geringem Detuning (etwa 6 MHz). Im Rahmen der Diplomarbeit von G. Umshaus [Ums98] wurde die Abhängigkeit der Temperatur von Laserleistung, Detuning und weiteren Parametern ausgemessen. Abb. 2.14 zeigt Messungen zur Abhängigkeit der Temperatur der Atome von der Intensität des Lasers und seinem Detuning. Deutlich ist zu erkennen, daß die Temperatur mit sinkender Laserintensität abnimmt. Die Intensität des Lasers kann 27 0.25 nicht beliebig klein gewählt werden, da sonst die Atome aus der Falle entkommen. Deswegen wird für ein Detuning von 25 MHz mehr Leistung benötigt als für 6 MHz. Die Daten wurden über einen Zeitraum von vielen Wochen gesammelt und geben gleichzeitig einen Eindruck zur Reproduzierbarkeit der Fallenparameter. Gepulste Falle In einem Teil unserer Experimente betrieben wir die magneto-optische Falle in einem gepulsten Modus. Das Laserlicht wurde in kurzen Intervallen einund ausgeschaltet (typisch 0.5 ms aus, 50 µs an). Erstaunlicherweise fanden wir eine Abhängigkeit der Temperatur von den Schaltzeiten: So sinkt zum Beispiel die atomare Temperatur je kürzer die Beleuchtungsdauer der Atome ist. Dies zeigt Abb. 2.15. Diesen Kühleffekt kann man sich wie folgt erklären: In den Dunkelpausen expandieren die Atome frei, die Dichte der Atome in der Wolke sinkt dadurch. Mit der Atomdichte sinkt auch gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit der Vielfachstreuung eines Photons im Atomgas (ein Fluoreszensphoton wird durch eine zweites Atom in der Falle reabsorbiert.). Die Vielfachstreuung ist aber gerade ein Heizprozeß in der MOT. 2.9 Atomanzahl der Falle Die Atomanzahl in der Falle wird bestimmt, indem die Fluoreszenz der Atome in der MOT mit Hilfe einer geeichten Photodiode gemessen wird. Dazu wurde bei voller Laserleistung innerhalb von 100 ms die Laserfrequenz der Fallenstrahlen über die Lithiumlinie gefahren. In dieser Zeit steigt das Fluoreszenzsignal der Atome solange, bis bei der Resonanzfrequenz der Lithiumlinie schließlich die Falle instabil wird und birst. Ziel ist es, die Atome maximal zu sättigen. Dann ist jedes Niveau im Grund- und angeregten Zustand gleichbesetzt. Lithium hat 16 Zustände im angeregten Zustand (2P3/2 ) und 8 Zustände im Grundzustand (2S1/2 ). Die Lebensdauer jedes angeregten Zustands beträgt 27.2 ns. Eine Linse mit einem Linsenradius von RL = 11.5 mm im Abstand Ra = 23 cm von der MOT bildet das Bild der fluoreszierenden Falle durch eine Iris auf die Photodiode ab. Der dazugehörige Raumwinkel beträgt (πRL2 )/(4πR2 ) = 1/1600. Das Fluoreszenzlicht einer Falle von typischerweise 2 · 107 Atomen erzeugt dann in der Photodiode (0.45 A/W bei 670nm) einen Strom von 40 nA. Obwohl dies die einfachste und schnellste Weg ist, die Atomanzahl zu bestimmen, haben wir noch andere Methoden zur Atomzahl und Dichtebe28 stimmung getestet und verglichen. Dazu wurde ein schwacher Laser-Probe-Strahl einer Laserdiode durch die MOT fokussiert, dessen Frequenz über die beiden Lithiumlinien in etwa einer Sekunde gefahren wurde. Die Absorption des Laserstrahles in der MOT wurde von einer Photodiode gemessen. In einer dritten Methode wurde das Licht der Laserdiode aufgeweitet und als breiter Strahl durch den Fallenbereich in eine CCD Kamera geschickt. Die CCD Bilder zeigen die Absorption des Lasers in der MOT als ortsaufgelöstes Bild. Bei dieser Methode müssen noch zusätzliche Hintergrundbilder aufgenommen werden (Laserstrahl ohne Falle), die von den Absorptionsbildern im Computer elektronisch subtrahiert werden. Ergebnisse und Bilder sind in der Diplomarbeit von Alexander Kasper zu finden [Kas98]. 2.10 Herstellung dünner Drähte Für die Drahtexperimente werden Drähte unterschiedlicher Dicke und Leitfähigkeit benötigt. Für die Beschaffung dünner Drähte gibt es im wesentlichen drei Methoden: 1) Dünne Metalldrähte kaufen. 2) Sehr dünne Metalldrähte ätzen. 3) Sehr dünne Quarzfäden ziehen und mit einer Metallschicht bedampfen (siehe auch [Sac82]). 1. Wolfram-Drähte bis 4µm Dicke können auf Rollen gewickelt im Handel bezogen werden [Good]. Obwohl ein 4µm Draht schon so dünn ist, daß er nur noch mit Mühe mit dem bloßen Auge im normalen Licht gesehen werden kann, läßt er sich doch noch relativ einfach handhaben. Dabei machte sich ein Arbeitsmikroskop der Firma Wild/Heerbrugg (Modell M8, 20×Vergrößerung) verdient, das den Vorteil hat, daß das Mikroskopobjektiv bis zu 8 cm vom Objekt entfernt ist. Der Draht läßt sich sehr gut bewegen und einspannen, wenn man an seinen Enden kleine Klebestreifen anklebt. Der 4µm Draht ist gerade noch so dick, daß man zumindest am Ruck in den Fingern merkt, wenn er gerissen ist. Die Wolframdrähte sind relativ sauber oder lassen sich leicht in Aceton und Isopropanol reinigen und variieren in der Dicke etwa um 10% über einen Zentimeter Länge. 2. Für noch dünnere Metallfilamente empfehlen sich Wollaston Drähte. Diese sind dünne Silberdrähte (0.1mm Durchmesser), die einen feinen Platinkern mit einem Radius zwischen 120 nm und 500 nm haben. In Salpetersäure (Konzentration 20 bis 30 %) wird der Silbermantel dann weggeätzt. Platin ist chemisch edler als das Silber und wird von 29 HNO3 CCl4 Abbildung 2.16: Herstellung und Aufhängung des Wollaston-Drahtes. der Salpetersäure nicht angegriffen. Im Vergleich zu den dickeren Wolframdrähten sind die Platindrähte aufgrund ihres kleinen Durchmessers und des weicheren Materials um Größenordnungen zerbrechlicher. Es soll nun kurz besprochen werden, worauf beim Ätzen der Drähte zu achten ist und wie man die Drähte am besten montiert und spannt. Folgende Methode hat sich bewährt: Man spannt den Wollastondraht an einem Ende in die Fassung ein (siehe Abb. 2.16) und läßt zunächst das andere Ende frei hängen5 . Der Wollaston-Draht wird dann in die Salpetersäure eingetaucht und über eine Länge von etwa 5 cm geätzt. Das dünn geätzte Metallfädchen ist äußerst leicht und wird vom kleinsten Lufthauch wie eine Spinnwebe weggetragen. Um zu verhindern, daß der Draht beim Herausziehen aus der Lösung unkontrolliert durch die Lüfte schwebt, kann sein freies Ende beschwert werden. Dies hält den Draht an Ort und Stelle und spannt ihn gleichzeitig. Das Beschweren des Drahtes gelingt, indem man etwa 1-1.5 cm des unteren Teils des Drahtes nicht ätzt. Dazu wurde Tetrachlorkohlenstoff verwendet, das schwerer als Salpetersäure ist, zudem inert und hydrophob. Säure und ‘Tetra’ durchmischen sich also nicht. Man taucht den Draht durch 5 Spannt man beide Enden von Anfang an ein und ätzt dann den Draht in der Mitte, so zerreißt er. Dies liegt wahrscheinlich an inneren Spannungen im Metall des WollastonDrahtes zwischen den beiden Enden. Wird an einer Stelle der dünne Teil des Wollaston Drahtes freigelegt, so ziehen an ihm die gesamten inneren Spannungs-Kräfte. 30 drehbare Hebebühne Drahtaufhängung Salpetersäure Abbildung 2.17: Bild der Hebebühne zur Drahtherstellung. Die Arbeiten geschehen am besten im Reinraum des Institutes, der Staubfreiheit und die nötige Ruhe garantiert. die Säure in das Tetra. Das Drahtende, das in Kontakt mit dem Tetrachlorkohlenstoff ist, wird nicht weggeätzt6 . Beim Ätzen des Drahtes werden Gase (Stickoxid NO) frei, 3Ag + 4HNO3 −→ 3AgNO3 + NO + 2H2 0 , (2.10) die zunächst als kleine Blasen auf dem Draht sitzen. Werden die Blasen zu zahlreich, so können sie den Draht aus dem Tetra herausheben. Deswegen sollte nicht zu schnell geätzt werden. Nach einem Ätzvorgang ist der Draht oft noch nicht sauber, er kann nach dem Abschöpfen der Säure mit einer Hebebühne aus dem Tetra gehoben werden und in Aceton und Isopropanol gereinigt werden. Der Draht wird danach oft ein zweites Mal einem konzentrierteren Säurebad ausgesetzt, um letzte Reste Silber aufzulösen. Nach dem Ätzvorgang läßt sich der Draht mit der Hebebühne aus der Lösung heben (Abb. 2.17 ). Durch anschließendes Kippen der Drahthalterung kommt das Drahtende auf einem mit elektrisch leitendem UHV Kleber benetzten Metallplättchen zu liegen und wird in gespanntem Zustand fixiert. Bis jetzt sind auf diese Weise Drähte bis zu einem Radius von 250 nm erfolgreich geätzt und in 6 In anderen Versuchen wurde das Drahtende mit Gold bedampft, um das darunterliegende Silber vor der Säure zu schützen. Man könnte dann auf die Arbeit mit Tetrachlorkohlenstoff verzichten, das sehr leicht flüchtig und toxisch ist. Diese Versuche scheiterten allerdings, weil die Säure sich rasend schnell unter die Goldschicht hineinfrißt — es bildet sich ein mikroskopisches Goldtöpfchen. 31 eine Halterung wie in Abb. 2.16 eingebaut worden. Ein Draht mit einem Radius von nur 100 nm konnte ebenso über eine Länge von 1 cm geätzt werden und in einer kleineren Halterung montiert werden. Die 100 nm Drähte sind um ein Vielfaches empfindlicher als die 250 nm Exemplare, und nur einer von vielen Ätzvorgängen führt zum Ergebnis. Deswegen ist es sinnvoll, diese Drähte in einer verkleinerten Halterungsversion einzubauen. Abb. 2.18 und 2.19 zeigt eine kleine Gallerie von Drähten verschiedener Größen. Deutlich erkennbar ist ein Hauptproblem: Auf der Drahtoberfläche haften unerwünschte Verunreinigungen und Staub. Zusätzlich bildet sich über einen längeren Zeitraum innerhalb der Vakuumkammer auf dem Draht ein Überzug: Der Draht steht im Lithiumstrahl unseres Lithiumofens. Atome, die auf den Draht treffen, bilden eine Lithiumkruste. Diese sollte aber prinzipiell durch Ausheizen des Drahtes aufzulösen sein. Die Bilder zeigen Beispiele für Drähte (Drahtabschnitte), die sich teilweise mehrere Monate in Vakuumsystem befanden und dem Lithiumstrahl ausgesetzt waren. Die Aufnahmen wurden mit einem Rasterelektronenmikroskop des Institutes aufgenommen (Zeiss, DSM 950). Dieses Mikroskop hat eine maximale Auflösung von 50 nm. Wollaston Drähte bezogen wir von der Firma Goodfellow oder Leico [Good, Leico]. Goodfellow verkauft halb-Meterware mit Preisen von etwa 10000 ATS pro Meter. Leico möchte mindestens 10 Meter Draht verkaufen zu einem Preis von 2500 ATS pro Meter. 3. Sehr dünne Fäden können mit etwas Geschicklichkeit auch aus Quarzfäden gewonnen werden. Dabei verwendet man einen Quarzstab, der in eine heiße Wasserstoff- oder Acetylen-Flamme (bis 3200 o C) gehalten wird. Schmilzt das Quarzglas7 bei 1500 o C, so kann man den Quarzstab in der Flamme dünnziehen. Ab einer bestimmten Dicke wird schließlich das Quarzfädchen reißen und die beiden Enden werden vom glühenden Luftstrom der Flamme mitgerissen, wo sie sich weiterhin verjüngen. Die Quarzstabenden werden anschließend aus der Flamme entfernt und mit etwas Glück hängen die dünnen etwa 30 cm langen Quarzfäden noch daran und schweben in der Luft. Die Kunst besteht nun darin, sie zu finden, aufzufangen und einzuspannen. Dies kann auf folgende Weise getan werden: Mit einer Metallgabel streicht man durch die Luft und hofft, die Quarzfäden aus der Luft zu fischen. Anschließend können die auf der Gabel aufgefangenen Quarzfäden mit 7 Quarz existiert in verschiedenen Modifikationen. β−Cristobalit z.B. schmilzt erst bei 1700 o C. Bei langem Glühen des Quarzglases wandelt es sich in β−Cristobalit um [Hol60]. 32 Abbildung 2.18: Dünne Drähte unter dem Elektronenmikroskop. 33 Abbildung 2.19: Dünne Drähte unter dem Elektronenmikroskop. 34 Gold bedampft werden und unter dem Mikroskop vermessen werden. Es wurden8 auf diese Weise in Innsbruck Quarzdrähte bis zu einem Durchmesser von 200 nm hergestellt. Glücklicherweise ist Quarz wesentlich stabiler als Platin und der Umgang mit den Quarzdrähten nicht ganz so kritisch. In einem nächsten Schritt muß der Quarzfaden von der Gabel auf die UHV Halterung übertragen werden. Dazu nähert man dem Draht vorsichtig die Halterung, die mit zwei mit UHV Kleber bestrichenen Metallplättchen versehen ist, bis der Draht auf beiden Metallplättchen zu liegen kommt. In diesem letzten Schritt konnte bisher nur ein 3.5 µm Quarzfaden erfolgreich in die Halterung eingespannt werden. V V Draht 4.6 Ω 10 Ω Spannungstreiber Pulsgen. Trigger Abbildung 2.20: Sicherheitsschaltung für die Stromversorgung des Drahtes. 2.10.1 Ströme durch einen dünnen Draht Der in der ersten Generation verwendete Draht unserer Stromexperimente war 50 µm dick und etwa 10 cm lang. Er bestand aus Wolfram und hatte einen Widerstand von RD = 4.6 Ω, wenn er kalt war. Ein konstanter Strom von etwa 100 mA brachte den Draht im Vakuum zu einem zarten orange Glühen, und sein Widerstand stieg auf etwa 13 Ω. Wegen der Infrarotempfindlichkeit der CCD Kameras und weil der Draht auf keinen Fall durchbrennen sollte, ist ein heißer Draht für die Experimente unbrauchbar. Um einen ‘kalten’ Draht zu haben und gleichzeitig hohe Ströme, wurde der Draht gepulst betrieben. Bis zu 40 Millisekunden konnte ein Strom von etwa 1 A durch den Draht geschickt werden, danach durfte er sich für eine Zeitdauer von etwa 20 Sekunden abkühlen. Das Abkühlen geht relativ langsam vor sich, 8 G. Umshaus hat sich mit der Herstellung dieser Quarzfäden befaßt und gibt nähere Ausführungen dazu in seiner Diplomarbeit [Ums98]. 35 5 4.5 Dicke: 25 µm Dicke: 50 µm Maximaler Strom [A] 4 3.5 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 Zeit−0.5 [ms−0.5] Abbildung 2.21: Eingetragen sind die maximalen Ströme zu verschiedenen Stromflusszeiten ∆t für einen 50 µm Kupfer-Draht, die den Draht gerade noch nicht zum Glühen bringen. Man erkennt, daß der Strom in den Heizprozeß quadratisch eingeht. Eine Verdopplung des Stroms viertelt die Experimentierzeit ∆t. da es im Vakuum praktisch vollständig über Wärmestrahlung stattfindet. Im Laufe eines Pulses erwärmt sich der Draht aufgrund ohmscher Verluste und seine Temperatur kann zeitaufgelöst über seinen Widerstand abgelesen werden. Eine Temperatur, die einem Widerstand von 10 Ω des Drahtes entsprach, wurde von den CCD Kameras noch nicht gesehen und als maximale Endtemperatur eines experimentellen Durchlaufs festgelegt. Um eine hohe Sicherheit vor dem Durchbrennen des Drahtes zu gewährleisten, verwendeten wir den in Abb. 2.20 gezeigten Aufbau. Ein programmierbarer Pulsgenerator (Fa. SRS, Modell DS345) bekommt von der Timer-Karte (National Instruments, PC TIO-10) des Steuerungscomputers (Windows, Labview) einen Startpuls und generiert dann einen vorprogrammierten Puls, der eine stromstarke Spannungsquelle steuert. Sollte das Computersystem abstürzen9 , so sorgt der Pulsgenerator als Sicherheitsstufe dafür, daß nicht unkontrollierte Ströme durch den Draht fließen. Ebenso macht die Verwendung einer Spannungsquelle anstatt eines Stromtreibers die Gefahr des Durchbrennens weniger kritisch: Heizt sich der Draht sehr stark auf, so steigt sein Widerstand und es fließt weniger Strom. Vor den Draht ist ein geeichter Widerstand von RRes = 10 Ω vorgeschaltet. Er wird benutzt, um bequem auf einem Oszilloskop den Strom durch den Draht zu messen und den aktuellen Widerstand 9 Auf diese Weise verloren wir schon einen Draht. 36 des Drahtes zu bestimmen. Gleichzeitig stabilisiert der 10 Ω Vorwiderstand RRes ein wenig den Stromfluß durch den Draht, der durch das Aufwärmen seinen Widerstand RD von 4.6 Ω bis auf 10 Ω vergrößert. Der Strom sinkt dann nicht um einen Faktor 4.6/10, sondern nur um einen Faktor 14.6/20 = 0.73. Die Aufheizung des Drahtes in der Zeit ∆t ist einerseits bestimmt durch seine Wärmekapazität und die durch den Strom verursachte Wärmeleistung P innerhalb des Drahtes. Um die Temperatur des Drahtes um einen bestimmten Betrag zu erhöhen, braucht man eine Energie ∆E, die aus dem elektrischen Strom stammt, 2 ∆E = P ∆t = RD I ∆t = RD U RRes + RD 2 ∆t, (2.11) wo U die angelegte Spannung ist und I der Strom durch die Widerstände. Gleichung (2.11) scheint nur für kurze Zeiten ∆t richtig zu sein, da ja der Widerstand RD mit der Zeit wächst, RD (∆t) ≈ RD (0) + const ∆t. Allerdings fällt zur gleichen Zeit der Strom I. In unserem Fall (2 RD ≈ RRes ) heben sich diese beiden Effekte gerade in der ersten Ordnung gegeneinander weg und Gl. (2.11) liefert korrekte Werte auch für längere Zeiten ∆t. ∆E ist festgelegt durch die maximale Temperatur, die der Draht erreichen darf. Möchte man die Stromflußzeit √ ∆t um einen Faktor 2 erhöhen, so braucht der Strom nur um einen Faktor 2 verkleinert zu werden. Dieser Zusammenhang ist auch in Abb. 2.21 zu erkennen. Eingetragen sind die maximalen Ströme zu verschiedenen Stromflußzeiten ∆t, die einen 50µm Kupfer-Draht gerade noch nicht zum Glühen bringen. Für das Experiment bedeutet das: wurden in Strom-Experimenten die Atome nur 20 ms lang anstatt 40 ms dem stromführenden Draht ausgesetzt, √ so konnte die Stromstärke gefahrlos von 1 A auf 2 A = 1.4 A angehoben werden. 37 38 Kapitel 3 Atome im 1/r2 Potential In diesem Kapitel wird gezeigt, wie man ein 1/r 2 Potential für Atome durch elektrisches Aufladen eines Drahtes herstellen kann. Es wird die klassische und quantenmechanische Bewegung des Atoms in diesem Potential studiert. Wir werden sehen, daß die starke Singularität des 1/r 2 Potentials stabile Bahnen von Atomen um den Draht verbietet. Atome stürzen in die Singularität ähnlich einem Sturz in ein schwarzes Loch. Im Grenzfall sehr dünner Drähte und sehr kalter Atome gelangt man in ein Quantenregime: die Quantisierung des Drehimpulses der externen Bewegung der Atome sollte auf direkte Weise beobachtbar sein. Die physikalischen Ideen zu dieser Vorhersage werden vorgestellt, detaillierte Berechnungen befinden sich aber im Anhang. Theorie und Experiment sind in kompakter Form in [Den97, Den98a] veröffentlicht worden. Wir betrachten nun ein neutrales Atom im radial-symmetrischen elektri (Zylinderkoordinaten) eines geladenen, dünnen Drahtes. Das schen Feld E elektrische Feld hat die Form = E 1 q U êr êr = , 2π(0 r ln( RRwg ) r (3.1) wobei êr der Einheitsvektor in radialer Richtung und q die elektrische Linienladung auf dem Draht (Einheit [C/m]) ist. Im Experiment wird der Ladezustand des Drahtes über die Spannung U zwischen Draht mit Radius Rw und Vakuumkammer (Radius Rg ) kontrolliert (siehe Abb. 3.1b). Das elektrische Feld E induziert im Atom ein elektrisches Dipolmoment di , di = αE, wo α die Polarisierbarkeit des Atoms ist. Wir nehmen im Folgenden an, daß die Polarisierbarkeit α des Atoms eine skalare Größe ist, was im allgemeinen 39 a) Linienladung q + + +- Wände der Vakuumkammer E Rg Atomare Dipole (Polarisierbarkeit α ) -+ b) Atom r Draht 2Rw + Abbildung 3.1: a) Neutrale Atome wechselwirken mit einem geladenen Draht: Das elektrische Feld E induziert in den neutralen Atomen mit der Polarisierbarkeit α ein elektrisches Dipolmoment. In dem inhomogenen elektrischen Feld resultiert eine anziehende Kraft auf den geladenen Draht. b) zeigt die Geometrie unseres Setups: Der Draht ist mit einem geerdeten Zylinder umgeben (die Wände der Vakuumapparatur). Dies definiert die Randbedingungen des elektrischen Feldes. der Fall ist für Alkaliatome im Grundzustand. Wegen der Inhomogenität des elektrischen Feldes um den Draht (1/r Abfall) erfährt das Atom ähnlich wie in einem Stern- Gerlach Versuch eine anziehende Kraft auf den Draht. Wenn so wir alle anderen Wechselwirkungen vernachlässigen wie z.B. c12 µ · (v × E), lässt sich das Wechselwirkungspotential in zylindrischen Koordinaten (der Draht läuft entlang der z-Achse) wie folgt schreiben, 1 1 1 Vpol (r) = − di E = − αE 2 (r) = − 2 2 2π(0 2 α q2 . 2r 2 (3.2) Dieses Potential ist immer anziehend und seine Stärke kann über die Drahtladung q kontrolliert werden. Seine Zylindersymmetrie ist offensichtlich und bedingt die Erhaltung des Drehimpulses in z-Richtung, der Richtung des Drahtes. Weil Bewegungskomponenten der Atome entlang der z-Achse frei sind, können unsere Betrachtungen also auf Bewegungen in zwei Dimensionen (x,y-Richtung) beschränkt werden. Vpol hat genau die gleiche radiale (1/r 2 ) Abhängigkeit wie das abstoßende Zentrifugalpotential VL = L2z /2Mr 2 zum Drehimpuls Lz . Das Zentrifugalpotential VL ist bekannt aus Lehrbüchern der Mechanik. Es ist berühmt, weil es die Bahnen von Teilchen in allen rota40 Lz < Lcrit Lz > Lcrit x Achse Draht y Achse Abbildung 3.2: Gezeigt werden zwei klassische Trajektorien mit Lz < Lcrit und Lz > Lcrit . Wenn der Drehimpuls des Atoms um den Draht zu klein ist, stürzt das Atom spiralförmig ins Zentrum, anderenfalls wird es gestreut und läuft ins Unendliche. tionssymmetrischen Potentialen stabilisiert, die für kleine Distanzen r langsamer gegen unendlich streben als 1/r 2 . Zum Beispiel verhindert das Zentrifugalpotential das Fallen der Erde auf die Sonne. Wie steht es nun mit einem attraktiven 1/r 2 Potential wie Vpol ? Vpol läßt sich mit dem Zentrifugalpotential VL in der Hamiltonfunktion kombinieren (Radialgleichung), H= L2z p2r 1 + − 2M 2 M r2 2π(0 2 L2eff p2r α q2 + = , 2r 2 2M 2Mr 2 (3.3) wo sie zusammen ein effektiv attraktives oder repulsives Potential bilden, je nach Vorzeichen von L2eff , Leff = L2z − M α (q/2π(0 )2 = L2z − L2crit . (3.4) Es existieren keine stabilen Bahnen für das Atom. Abhängig vom Vorzeichen von L2eff stürzt das Atom entweder ins Zentrum (auf den Draht) oder es entkommt dem anziehenden Drahtpotential und läuft ins Unendliche [Lan87, Lan88]. Zwei typische klassische Bahnen von Teilchen im 1/r 2 Potential werden in Abb. 3.2 gezeigt. Es ist in diesem Zusammenhang nützlich, einen (critical) GrenzDrehimpuls Lcrit einzuführen (vgl. Gl. (3.4)), √ (3.5) Lcrit = Mα|q|/(2π(0 ), 41 sodaß für (|Lz | < Lcrit ) das effektive Potential in der radialen Bewegungsgleichung anziehend ist und alle klassischen Trajektorien durch das Zentrum laufen. Für (|Lz | > Lcrit ) ist L2eff positiv und das effektive Potential in der Radialgleichung ist repulsiv, was verhindert, daß die Atome ins Zentrum fallen. Der komplette Satz von Lösungen für die Bewegungsgleichungen des 1/r 2 Potentials findet sich in [Lan87]. Wir geben diese Lösungen der Vollständigkeit halber an: a) für b) für c) für E > 0, Lz > Lcrit , 1 = r E > 0, Lz < Lcrit , 1 = r E < 0, Lz < Lcrit , 1 = r 2ME L2 φ1 − crit , cos L2z − L2crit L2z 2 L sinh φ crit 2ME 2 Lcrit − L2z L2z − 1 , L2 2ME φ crit − 1 , cosh L2z − L2crit L2z und für die Zeit t gilt t= 1 2ME r 2 − L2z + L2crit . 2E (3.6) In diesen Formeln wurden für Phase φ und Zeit t jeweils geeignete Nullpunkte gewählt: • Im Fall a) stürzt das Teilchen nicht in den Ursprung. Es gibt aber einen Punkt der größten Annäherung an den Draht. Dort befindet sich das Atom bei t = 0 und φ = 0 (siehe auch Abb. 3.2 rechts). • In b) und c) fallen die Atome auf einer Spiralbahn in die Singularität, die sie bei φ = +∞ erreichen. In b) startet das Atom im Unendlichen bei φ = 0 und t = +∞ (läuft in der Zeit rückwärts) und erreicht das 1 Zentrum bei t = 2E −L2z + L2crit . • Für Fall c) schließlich ist das Teilchen energetisch im Potential gebunden und es gibt einen Punkt maximaler Entfernung vom Ursprung; dort gilt φ = 0 und t = 0. Beginnend im Abstand r braucht das Atom für alle drei Fälle beim Sturz ins Zentrum die endliche Zeit ∆t, ∆t = 1 2E L2crit − L2z + 2MEr 2 − 42 L2crit − L2z . (3.7) RD q p p p bcrit Abbildung 3.3: Eine paralleler Strahl monoenergetischer Teilchen mit Impuls p = Mv trifft auf einen geladenen Draht. Teilchen mit einem kleineren Stoßparameter als bcrit fallen auf den Draht. Der entsprechende Absorptionswirkungsquerschnitt ergibt sich folglich als 2 × bcrit . Wirkungsquerschnitte Wir nehmen nun im Folgenden an: Ein paralleler Strahl von monoenergetischen, klassischen Teilchen mit Impuls p trifft auf einen unendlich dünnen geladenen Draht, siehe Abb. 3.3. Alle Teilchen mit einem kleineren Stoßparameter b als bcrit = Lcrit /p fallen auf den Draht. Unter der Annahme, daß alle Atome, die auf den Draht treffen auf seiner Oberfläche adsorbiert werden (kleben bleiben), läßt sich ein Absorptions-Wirkungsquerschnitt definieren mit σabs = 2bcrit . Anders als üblich hat der Wirkungsquerschnitt nicht die Dimension einer Fläche, sondern in den hier besprochenen zwei-dimensionalen Streuexperimenten die Dimension einer Länge. Nach Ersetzen von Lcrit durch seinen Ausdruck in Gl. (3.5) nimmt der Absorptionsquerschnitt σabs für den unendlich dünnen Draht folgende Form an, σabs = |q| 1 v π(0 α . M (3.8) Die lineare Abhängigkeit des Absorptionsquerschnitts σabs von der Ladung q und von der inversen Geschwindigkeit 1/v sind Charakteristika für die 1/r 2 Singularität. Für einen geladenen Draht endlicher Dicke bekommt man einen Ausdruck für den Absorptionsquerschnitt σabs nach folgender Überlegung: Es werden nicht nur die Atome aus dem einfallenden Strahl absorbiert, die in die Singularität bei r = 0 stürzen, sondern auch die, die nicht in die Singularität 43 σ abs Rw>0 Rw=0 Drahtladung q Abbildung 3.4: Klassische Absorptionswirkungsquerschnitte für einen unendlich dünnen Draht und einen Draht endlicher Dicke. Im Limes großer Drahtladungen q ist der σabs auch für den endlich dicken Draht eine lineare Funktion von q. fallen, dafür aber auf Ihrer Trajektorie mit dem endlich dicken Draht (Radius Rw ) kollidieren. Mithilfe der Energie- und Drehimpulserhaltung Lz = Mvb und mit rmin als Entfernung der größten Annäherung gilt 1 Mv 2 =− E= 2 2π(0 2 αq 2 M 2 v 2 b2 + . 2 2 2rmin 2Mrmin (3.9) Je nachdem, ob rmin innerhalb oder außerhalb des Drahtradius liegt (rmin < (>)Rw ), wird absorbiert oder nicht. Für den Grenzfall, daß die Trajektorie den Draht tangential berührt, ersetzen wir rmin in Gl. 3.9 durch den Drahtradius Rw und lösen nach b auf. So erhalten wir schließlich σabs = 2b = 2 Rw2 1 + 2π(0 2 α q2 . M v2 (3.10) Abbildung 3.4 zeigt diesen Wirkungsquerschnitt zusammen mit dem des unendlich dünnen Drahtes als Funktion der Drahtladung. Der Wirkungsquerschnitt setzt sich aus zwei Teilen unter der Wurzel zusammen: der erste Teil beschreibt die Absorption durch die endliche Dicke des Drahtes selbst. Er dominiert im Limes kleiner Ladung auf dem Draht die Absorption und ist gegeben durch den doppelten Drahtradius, 2Rw . Für große Ladungen auf dem Draht dominiert hingegen der zweite Teil, der die elektrische Wechselwirkung und den Sturz des Atoms ins Zentrum beschreibt. In diesem Grenzfall erhält man für einen endlich dicken Draht wieder das lineare Verhalten bezüglich Ladung q und 1/v zurück, das als Charakteristikum für die 1/r 2 Singularität erhalten bleibt. 44 Beispiel Wir betrachten nun anhand eines Beispieles, wie stark im Experiment die Ladung des Drahtes den Wirkungsquerschnitt σabs bestimmt. Ein Draht mit Radius Rw = 1 µm sei in einem Metallzylinder mit Radius Rg = 3 cm zentrisch aufgehängt. Bei einer elektrischen Spannung U von 100 Volt (Es gilt q = 2π(0 U/ ln(Rg /Rw ).) zwischen Zylinder und Draht entsteht dann für Lithiumatome der Geschwindigkeit v = 0.5 m/s (senkrecht zum Draht) ein Absorptionsquerschnitt von etwa 19 µm. Im Vergleich zum reinen Drahtabsorptionsquerschnitt von 2 µm dominiert also schon bei 100 Volt die elektrische Wechselwirkung. σabs (1/k) 10 8 6 kR= 0 kR= 0.1 kR= 1 kR= 2 4 2 0 0 1 2 3 4 5 Drahtladung in Drehimpulseinheiten Abbildung 3.5: Quantenstufen für verschiedene relative Drahtdicken kRw . k ist der Wellenvektor der einfallenden ebenen Welle der Atome. Die Einheit der Ladung auf dem Draht ist in reduzierten Einheiten gegeben (siehe Anhang C). Quantenstufen Bevor wir nun dazu übergehen, die Experimente zu besprechen, mit denen die Absorptionsquerschnitte und Ihre Abhängigkeiten gemessen wurden, soll kurz die Physik des 1/r 2 Potentials im quantenmechanischen Limes dargestellt werden. Im Gegensatz zur klassischen Betrachtung, wo der Drehimpuls Lz = Mvb der Teilchen eine kontinuierliche Größe ist, ist Lz im Quantenregime quantisiert. Die einfallende ebene Welle der Atome mit Wellenvektor k läßt sich in Partialwellen, d.h. einfach gesprochen Klassen von Atomen zerlegen mit ganzzahligen Drehimpulsen. Je nach Ladung auf dem Draht wird jede Klasse 45 für sich genommen auf den Draht stürzen oder nicht. Variiert man die Ladung auf dem Draht, so wird die Absorption sich entsprechend der Quantisierung des Drehimpulses und der Klassenaufteilung sprunghaft ändern: Der Absorptionswirkungsquerschnitt zeigt “Quantenstufen”. Dies ist in Abbildung 3.5 für verschiedene Drahtradien dargestellt. Für dünne Drähte sind die Quantenstufen sehr gut zu sehen. Je dicker der Draht allerdings wird, desto mehr und mehr waschen die Stufen aus. Die Größe, die in die Berechnungen eingeht, ist nicht die absolute Dicke des Drahtes, sondern seine Dicke im Vergleich zur deBroglie Wellenlänge (λ = 2π/k) der einfallenden Atome. Im Grenzfall dicker Drähte und schneller Atome erhält man wieder die glatte Wurzelfunktion in Gl. 3.10 der klassischen Betrachtung. Das Auswaschen der Stufen, kann auf zwei Arten verstanden werden. Zum einen gibt es eine Reflexion von Teilchen an der Oberfläche: Partialwellen, die eigentlich unseren Überlegungen zufolge absorbiert werden sollten, können teilweise entkommen. Zum anderen gibt es auch einen Tunnelprozeß, indem die Teilchen, die in der semiklassischen Beschreibung eigentlich nicht absorbiert werden sollten, durch die Zentrifugalbarriere auf die absorbierende Oberfläche des Drahtes hindurchtunneln. In Anhang C und C.2 findet man nocheinmal eine ausführliche Behandlung der gesamten Theorie zu den Quantenstufen. 3.1 Methode des Experiments Der Absorptionswirkungsquerschnitt aus Gl. (3.10), σabs = 2 Rw2 1 + 2π(0 2 α q2 . M v2 (3.11) könnte prinzipiell gemessen werden, indem der geladene Draht in einen kollimierten Strahl von Atomen mit Impuls p = Mv gestellt wird und die Zahl der auf den Draht auftreffenden Atome gezählt wird. In unserem Labor bot sich eine andere Methode an. Der Draht wechselwirkt nicht mit einem Strahl von Atomen, sondern mit einer im Raum stehenden Atomwolke mit N Atomen. Innerhalb der Wolke bewegen sich kalte Lithiumatome wie ein quasi freies Gas, das in einer Box gehalten wird (siehe Abb. 3.6). Diese, die Atome haltende Box, wird realisiert durch eine Modifikation der magneto-optischen Falle. Dazu wird entweder die kontinuierliche Lichtintensität der Falle sehr stark gesenkt oder aber die MOT wird gepulst betrieben. Im gepulsten Betrieb werden die Fallen-Laserstrahlen der MOT abgeschaltet, nur für eine kurze Zeit von wenigen Mikrosekunden Länge wird jede halbe Millisekunde das Laserlicht in die Fallenregion geblitzt. Dieses Verfahren erlaubt es, die 46 Draht Abbildung 3.6: In einer MOT mit niedriger Lichtintensität werden N kalte Atome wie ein freies Gas in einer Box gehalten. Sie streuen immer wieder am 1/r 2 Potential des Drahtes, bis sie früher oder später auf den Draht stürzen, wo sie absorbiert werden. Atome stabil in der Falle zu halten. Gleichzeitig kann man erreichen, daß die Atome sich bis zu 95% der Zeit frei im Dunkeln bewegen. In dieser Zeit können sie ungestört mit dem Drahtpotential wechselwirken. Zusätzlich wird durch das Senken der Lichtintensität auch die Laderate der MOT praktisch abgeschaltet. Dies garantiert eine gewisse Abgeschlossenheit der Atomwolke nach außen. Die sich in der Atomwolke bewegenden Atome wechselwirken und streuen solange mit dem 1/r 2 Potential des Drahtes, bis ein Atom nach dem anderen auf den Draht gestürzt ist. Dort bleiben sie entweder haften oder sie lösen sich mit thermischen Geschwindigkeiten wieder vom Draht und entkommen der lichtschwachen MOT. Der geladene Draht stellt durch die Absorption der Atome auf seine Oberfläche einen Verlustmechanismus der Atomanzahl in der Atomwolke dar. Die daraus resultierende Verlustrate der Atome wird im Experiment gemessen. Aus ihr können Informationen zur Singularität des Potentials und seiner Stärke gewonnen werden, was später an den experimentellen Daten gezeigt wird. Folgende Ratengleichung läßt sich für die Anzahl N der Atome in der Falle aufstellen, dN = −N ρ(xw , v ) σabs vx2 + vy2 d3 vdz + L+ − L− , (3.12) dt wo ρ(xw , v ) die normalisierte Phasenraumdichte der Atome am Ort des Drahtes, xw , ist. Für sie gilt ρ(x, v ) d3 x d3 v = 1. 47 (3.13) Gl. (3.12) beschreibt den Atomfluß N ·ρ·v von Atomen mit Geschwindigkeit v auf ein Target mit Wirkungsquerschnitt σabs . Da in der Atomwolke Atome aus allen Richtungen auf den Draht strömen, wird über alle Geschwindigkeiten integriert. L+ ist die verbleibende Laderate der lichtschwachen MOT und L− steht für Verluste durch Kollisionen mit dem thermischen Hintergrundgas. Es soll im weiteren Verlauf angenommen werden, daß die Dichteverteilung ρ(xw , v ) zeitunabhängig ist. Dies ist der Fall, wenn die Atome in der Falle sich nicht gegenseitig beeinflussen und damit die atomare Verteilung dichteunabhängig ist. Weiter muß man voraussetzen, daß es einen effektiven Mechanismus gibt, der die Bewegungzustände der Atome in der Falle mischt und auf diese Weise den Phasenraum der absorbierten Atome (Atome mit Drehimpuls Lz < Lcrit ) wieder auffüllt. Das Mischen wird durch Lichtstreuung in der MOT erreicht. Solange die drei Summanden in Gleichung (3.12) linear abhängig von N oder unabhängig von N sind, wird die Zahl der Atome (N) in der “magnetooptischen Box” exponentiell abnehmen: N(t) = No e−(D+Db )t + const. (3.14) Db stammt vom L− Term und wir nennen Db den “Hintergrund”-Zerfall. Die Zerfallskonstante D ergibt sich aus der Atom- Draht Wechselwirkung und ist gleich dem Integral in Gl. (3.12). Wir nehmen an, daß die Dichteverteilung der Atome in Raum und Geschwindigkeit, ρ(x, v ), gaußförmig ist, was für eine MOT niedriger Dichte typisch ist und in unseren Experimenten durch Kontrollmessungen immer wieder bestätigt wurde. Der vollständige Ausdruck für ρ(x, v ) findet sich in Gl. (2.4) in Kapitel 2.8. Falls die Geschwindigkeitsverteilung isotrop ist, σv = σvx = σvy , kann das Integral analytisch gelöst werden und man erhält als Zerfallskonstante D y x exp(− 2σ 2 ) exp(− 2σ 2 ) Rw σv 1 α q x y √ WF + , D = σx σy π M 2π(0 2π 2 2 WF = WF (Wp ) = eWp 1 − Erf Wp = π 4 Wp (3.15) , R2 σ 2 1 α q2 w v . 2 2 π M (2π(0 ) 2π Die Zerfallskonstante D besteht aus zwei Summanden: der rechte beschreibt die elektrische Atom-Draht Wechselwirkung (und das Fallen in die Singularität), der linke ist eine Korrektur und berücksichtigt die endliche Ausdehnung des √ Drahtes. Dieser Term ist als Produkt geschrieben: der Faktor Rw σv / 2π beschreibt die Absorption durch den ungeladenen Draht. 48 Absorptionskonstante D [a.u.] 4 exakt 3 2 Näherung 1 0 0 0.5 1 1.5 2 Ladung q [a.u.] 2.5 3 Abbildung 3.7: Vergleich des exakten Integrals für die Zerfallskonstante D mit der wurzelförmigen Näherung. Die Wichtungsfunktion WF gibt an, wie stark die Absorption des ungeladenen Drahtes an der Gesamtabsorption beteiligt ist. Es gilt WF (0) = 1 und WF (∞) = 0. Die Wichtung erfolgt über einen Wichtungsparameter WP , der gegeben ist durch das Verhältnis der Größe der reinen elektrischen Absorption zur Absorption des ungeladenen Drahtes. Obwohl die Formel (3.15) für D also anschaulich ist, ist sie trotzdem ein wenig unhandlich. Sie kann jedoch sehr gut durch die folgende einfache und intuitive Beziehung genähert werden, σv R 2 1 D=√ 2π σx σy w + 1 2 α q2 . 2 π M (2π(0 ) σv2 (3.16) In diesem Schritt wurde gleichzeitig noch (x = y = 0) gesetzt, weil später im Experiment die Falle mittig auf den Draht zentriert sein wird. Diese Darstellung von D hat die gleiche Form wie der Absorptionsquerschnitt σabs in Gl. (3.10). Die Abweichung dieser Näherung vom exakten Ausdruck für D in Gl. (3.16) ist nie größer als 3% und exakt im Limes q = 0 and q → ∞. Abb. 3.7 zeigt die Kurvenform der exakten Lösung im Vergleich zur Näherung des Integrals. 3.2 Durchführung des Experiments Um die Absorptionsexperimente durchführen und die Zerfallskonstanten D zu bestimmen, werden die Experimente, wie in Abb. 3.8 dargestellt, in drei Schritten ausgeführt. 49 1) Laden 2) Schieben 3) Zerfall Falle PhotoGeladener Draht Linse diode Abbildung 3.8: Schrittfolge im Experiment. 1. Laden: In einem ersten Schritt (1) werden die Lithiumatome, wie in Kapitel 2.1 beschrieben, 20 Sekunden lang in die MOT eingeladen. Die Falle ist dabei etwa ein 1 bis 2 mm vom Draht entfernt, um Verluste durch den Draht zu vermeiden. 2. Verschieben: Nach dem Laden (2) wird der “Slower”-Laserstrahl abgeschaltet. Die MOT wird auf den Draht geschoben und dort auf den geladenen Draht zentriert. Die Justage der Falle geschieht mit Hilfe verschiedener CCD-Kameras, die aus drei Raumrichtungen auf Falle und Draht blicken. Das Verschieben der Falle benötigt etwa 5 ms und geschieht mit einem zusätzlichen Offset-Magnetfeld, das in einer dafür vorgesehenen Spule erzeugt wird. Durch das magnetische Offsetfeld verschiebt sich der Nullpunkt des Quadrupolfeldes und damit der Ort der Falle. Die Ladung auf dem Draht wird kontrolliert über die Spannung U zwischen Draht und dem Gehäuse der Vakuumkammer, U = ln(Rg /Rw )q/(2π(0 ), wo Rw der Radius des Drahtes ist und Rg der Radius der geerdeten Vakuumkammer. Als nächstes wird die Laserfrequenz und die Laserleistung auf vorgesehene Werte gesetzt. Auf diese Weise kann die Größe (Dichte) der Falle als auch ihre Temperatur eingestellt werden. Während der Absorptionsexperimente wird die MOT bei einem sehr niedrigen Lichtlevel betrieben, um zu garantieren, daß die Atome sich möglichst frei im 1/r 2 Potentials des Draht bewegen. Entweder das Laserlicht wird einfach stark abgeschwächt oder die Falle wird mit gepulstem Laserlicht betrieben. Dazu werden die Laserstrahlen an- und ausgeschaltet mit einer typischen Rate von 1 bis 20 kHz. Das Verhältnis der Zeitdauern zwischen aus und an, (tof f /ton ), variiert zwischen 0 50 und 50. Es zeigt sich, daß Laserlichtblitze von wenigen Mikrosekunden Länge ausreichen, um die Atome bei Dunkelzeiten von etwa einer Millisekunde in der Falle zu halten. Damit bewegen sich die Atome über 90 % der Zeit in der Dunkelheit. 3. Messung des Zerfalls: Im dritten Schritt (3) wird schließlich der exponentielle Zerfall der Zahl der gefangenen Atome über die Fluoreszenz der Atomwolke zeitaufgelöst gemessen. Dazu wird die rote Fallenwolke auf eine Photodiode abgebildet (Abb. 3.8), die einen zur Lichtmenge proportionalen elektrischen Strom erzeugt. Diese Messungen werden für verschiedene Drahtladungen wiederholt, wobei für jede Ladung auf dem Draht die Schritte 1, 2, 3 nacheinander durchlaufen werden. Abb. 3.9 zeigt einen kleinen “Film”, aufgenommen von der CCD-Kamera, der den Zerfall der Falle am Draht zeigt. Zum Zeitpunkt t = 0 leuchtet die gesamte Falle um Draht. Nach etwa einer halben Sekunde sind alle Atome auf den Draht gestürzt. Abb. 3.10 zeigt Photodiodensignale zum Zerfall der Falle. Die drei verschiedenen Zerfälle gehören zu unterschiedlichen Spannungen auf dem Draht. Es läßt sich erkennen — je höher die Spannung auf dem Draht ist, desto schneller zerfällt die Falle. Weiterhin beobachtet man tatsächlich einen exponentiellen Zerfall über 2 bis 3 Größenordnungen hinweg. Dies wird besonders deutlich in logarithmischer Auftragung. Durch einen Fit an eine jeder dieser Zerfallskurven erhält man jeweils eine Zerfallskonstante Draw = D + Db . Draw enthält immer noch den kleinen Beitrag Db , der sich aus dem Verlustterm L− in Gl. (3.12) ergibt. In unseren Messungen wurde große Sorgfalt darauf verwendet, diesen “Hintergrund-Zerfall” Db zu messen und ihn anschließend vom gemessenen Zerfall Draw abzuziehen, um D zu erhalten. Man mißt den “Hintergrund-Zerfall” Db durch Verschieben der Falle vom Draht weg, anstatt sie auf die Falle hinzuschieben. Dabei wurden alle anderen Parameter der Messung unverändert gelassen. Schob man die Falle vom Draht weg, aber in verschiedene Richtungen, so wurden unabhängig vom Ort gleiche Hintergrund-Zerfälle gemessen. Dies bestätigt die Meßmethode. Die Zerfallskonstanten sind Funktionen der Größe der Falle und der Ladung auf dem Draht. Typische Werte für D variieren von unterhalb 1 s−1 bis zu 100 s−1 . Der Hintergrund-Zerfall Db bewegt sich normalerweise zwischen 0.1 - 0.3 s−1 . Um zuverlässige und vergleichbare Daten zu erhalten, ist vor allem eine gute Stabilität des Lasers über Stunden hinweg erforderlich. Rauschen des Lasers in Frequenz oder Leistung schlagen sich sofort in der Qualität der Daten nieder. In den Experimenten vergewisserten wir uns immer wieder, daß die Zerfälle der Falle exponentieller Natur waren. Nichtexponentielle Zerfälle tre51 0ms 100ms 200ms 300ms 400ms 500ms Fluoreszenz Signal [a.u.] Abbildung 3.9: Film zum Zerfall der MOT auf dem Draht. Nach etwa einer halben Sekunde sind alle Atome auf den Draht gestürzt. Deutlich zu sehen ist der Draht, der senkrecht durch die Falle führt. a) 1.2 b) 1 400V 400V 80V 0.8 80V 0.1 0V 0V 0.4 0.01 0.0 0.0 0.4 0.8 1.2 Zeit [s] 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 Zeit [s] Abbildung 3.10: a) Gezeigt werden Photodiodensignale und exponentielle Fitkurven. Die Photodiode mißt über die Fluoreszenz die Anzahl der Lithiumatome. Je höher die Ladung auf dem Draht ist, desto schneller fallen die Atome auf den Draht. b) Die logarithmische Darstellung des Fluoreszenzsignals zeigt deutlich die exponentielle Natur des Fallenzerfalls. 52 ten vor allem auf, wenn die atomare Dichte in der Falle groß ist. In diesen Fällen war es dann möglich zu einem exponentiellen Zerfallsregime zurückzukehren, in dem beim nächsten Experiment anfangs weniger Atome in die Falle eingeladen wurden. 3.3 Scannen der Drahtladung In den folgenden Untersuchungen wird nun experimentell die Abhängigkeit der Zerfallskonstante D von Ladung und den Fallenparametern wie Temperatur und Dichte der Falle untersucht. Dazu werden Reihen von “Scans” gemessen, in denen diese Parameter variiert werden. Abb. 3.11 zeigt einen solchen Scan, in dem die Ladung auf dem Draht variiert wurde. Jedes Plotsymbol (Dreieck) entspricht einer Messung, in der die Falle anfangs geladen wird, auf den geladenen Draht geschoben wird und dort zerfällt. Die Fitkurve durch die Daten ist gegeben durch die Wurzelfunktion D(q), D(q) = O2 + S 2q2 , (3.17) in Anlehnung an die theoretische Vorhersage in Gl. (3.16). Offensichtlich werden die Daten durch die Wurzelfunktion gut beschrieben! In der Fitfunktion sind zwei freie Parameter enthalten O und S, die durch Anpassen bestimmt werden. Wir nennen O den “Offset” und S den “Slope”. Der Offset O beschreibt die Absorption der Atome auf einem ungeladenen Draht und O sollte proportional zum Radius des Drahtes sein. Der Slope S beinhaltet die elektrische Wechselwirkung zwischen Atom und geladenem Draht. Für große Ladungen q geht die Zerfallskonstante D in einen lineare Funktion von q über. Wie auf Seite 43 diskutiert wurde, ist diese lineare Steigung gerade ein charakteristisches Zeichen des 1/r 2 Potentials. Messungen und Drifts Bevor wir fortfahren mit weiteren Analysen und Experimenten hier noch ein paar Bemerkungen zur Aufnahme der Meßdaten. Jeder Meßpunkt in Abb. 3.11 benötigt etwa 25 Sekunden Zeit. Um einen ganzen Scan aufzunehmen, braucht man somit etwa 20 Minuten Zeit. Oft sollen verschiedene Scans miteinander verglichen werden, dies treibt die gesamte Meßzeit in die Ordnung von Stunden. Da die Messungen höchst sensitiv auf Fluktuationen und Drifts in Laserfrequenz, Intensität und Justage reagieren, gilt es, das Lasersystem für diese Zeiten stabil zu halten. Dieser Umstand erschwerte ein wenig unsere Messungen. Eine Neujustage des Farbstoff-Lasers in Frequenz oder Intensität während eines Durchlaufs verändert gewöhnlich ein wenig die Richtung der 53 Zerfallskonstante [Hz] 8 6 4 2 0 0 10 20 Ladung [pC/cm] Abbildung 3.11: In vielen aufeinanderfolgenden Absorptionsexperimenten wird die Ladung auf dem Draht variiert. Jedes Plotsymbol (Dreieck) entspricht einer Messung, in der die Falle anfangs geladen wird, auf den geladenen Draht geschoben wird und dort zerfällt. Der Fit durch die Datenpunkte ist von der Form Gl. (3.17). Eine Ladung von 20 pC/cm entspricht in der experimentellen Geometrie etwa einer Spannung von 300 Volt zwischen Draht und Vakuumapparatur. 54 Zerfalls Konstante [Hz] Fallenstrahlen des Lasers, was sich stark auf die Falle und die Absorptions- 8 8 skaliert 6 6 4 4 2 2 0 0 10 0 20 Ladung [pC/cm] 0 10 20 Ladung [pC/cm] Abbildung 3.12: Skalierung mit der Fallengröße. Die drei Datenkurven des linken Plots gehören zu Fallen unterschiedlicher Größe. Die Kurven lassen sich durch entsprechende jeweilige Umskalierung der y-Werte übereinanderlegen. messungen auswirkt. Um Drifts zu erkennen oder um sie auszuschließen zu können, wurden Scans wie in Abb. 3.11 in drei Durchläufen aufgenommen. Ergaben alle Durchläufe gleiche Resultate so wurde der Scan akzeptiert. Skalierung mit den Breiten σx und σy Macht man Scans an unterschiedlichen Tagen oder mit leicht veränderter Justage bekommt man gewöhnlich auch unterschiedliche Ergebnisse. Entsprechende Beispiele zeigt Abb. 3.12. Alle Kurven scheinen, wie die Fits beweisen, der Wurzelfunktion Gl.(3.17) zu gehorchen. Warum sind sie verschieden? Nach einer Datenanalyse fällt auf, daß die drei Kurven sich sauber aufeinander legen lassen durch Multiplikation der y-Werte einer jeden Kurve mit je einem passenden Faktor. In dem gezeigten Beispiel muß die Kurve mit den Dreiecken ungefähr mit 0.8 multipliziert werden, dann kommt sie auf derjenigen mit den Kreissymbolen zu liegen. Was bedeutet dieses Skalierungsgesetz? Ein Blick auf Formel (3.16) hilft weiter, σv R 2 1 D=√ 2π σx σy w 55 + 1 2 α q2 . 2 π M (2π(0 ) σv2 (3.18) Fluoreszenz Zerfall [Hz] 12 10 8 6 1mK 4 2 250 µK 0 0 10 20 30 Ladung [pC/cm] Abbildung 3.13: Abhängigkeit des Fallenzerfalls von der Temperatur der Atome. Offensichtlich sollte die Zerfallskonstante D mit den inversen Breiten σx und σy skalieren. Durch verschiedene Justage der Laserstrahlen hatten die Atomwolken der drei Scans in Abb. 3.12 unterschiedliche Breiten! Skalierung mit Temperatur Was würde passieren, falls die Fallen noch zusätzlich unterschiedliche Temperaturen hätten? Diese Frage wird in Abb. 3.13 untersucht. Gezeigt werden zwei Scans, die mit Fallen durchgeführt wurden mit 1mK und 250 µK Temperatur. Die linearen Abschnitte der beiden Scans können zwar aufeinanderskaliert werden — der Offset O bleibt aber verschieden. Auch dies erklärt Gl. (3.18): Slope S und Offset O skalieren unterschiedlich mit der Geschwindigkeit σv : S ist unabhängig von σv während O linear mit σv wächst. Der Unterschied von einem Faktor 4 zwischen den Temperaturen der beiden Fallen, entspricht einem Faktor 2 in den Geschwindigkeiten. Dieser Faktor 2 findet sich in Abb. 3.13 beim Vergleich der beiden Offsets. 56 Funktionale Abhängigkeiten von Offset und Slope Die vorhergehende Diskussion zu den Skalierungseigenschaften von Offset und Slope können wir zusammenfassen, indem wir quantitativ die erwartete funktionale Abhängigkeit des Offsets O und Slopes S von den Parametern σv , σx , σy testen (siehe Gl. (3.18)). Dazu wurden Reihen von Experimenten der eben beschriebenen Ladungsscans durchgeführt, in denen neben den Zerfallskonstanten D auch Temperatur der Atome und Fallengröße gemessen wurde. Die Größe der Fallenwolke, σx und σy , wurde mit einer kalibrierten und triggerbaren CCD Kamera aufgenommen. Die Temperatur (∝ σv2 ) der Atome wurde über die Messung der Expansionsgeschwindigkeit der freien Fallenwolke bestimmt (vgl. Kapitel 2.8). Die Temperaturmessungen wurden meist direkt im Anschluß an die Ladungsscans vorgenommen, um Fehler durch Drifts klein zu halten. Die beiden Offset O und Slope S aus den Fits der Wurzelfunk√ Parameter 2 2 2 tion D(q) = O + S q an die Ladungsscans sind in Abb. 3.14 aufgetragen. Wie von Gleichung (3.18) vorhergesagt, zeigt der Offset O eine lineare Abhängigkeit von Rw und σσx σv y (Abb. 3.14 links). Der Slope S (Abb. 3.14 rechts) hängt dagegen nicht von σv und dem Radius Rw ab, aber ist eine lineare Funktion von σx1σy . Die Tatsache, daß S nicht von σv abhängt, kann auf einen Absorptions-Wirkungsquerschnitt σabs zurückgeführt werden, der proportional zu 1/σv wächst. Dieses 1/v-Verhalten von σabs wird für ein 1/r 2 Potential tatsächlich erwartet (vgl. Kapitel 3). In Abb. 3.15 werden zum Abschluß drei Ladungsscans gezeigt, die sich nur durch die Dicken der Drähte unterscheiden. Die Radien Rw betragen etwa 4.8 µm, 1.8 µm und 0.7 µm. Es soll noch einmal deutlich werden, daß die Zerfallskonstante für einen ungeladenen Draht direkt proportional zu seinem Radius ist, aber die elektrische Wechselwirkung (gegeben durch den Slope S) für alle drei Drähte die gleiche ist. 57 Slope S [s-1 pC-1cm] Offset O [s-1] 20 10 2 1 0 0 0 2 4 6 σv/(σxσy) [s-1 mm-1] Rw = 4.8µ m Rw = 2.6µ m 0 2 4 6 1/(σxσy) [ mm-2] Abbildung 3.14: Offset O und Slope S sind lineare Funktionen von σv /σx σy und 1/σx σy respektive. Bei den Messungen der gezeigten Daten wurde die Fallengröße und Temperatur der Falle unabhängig voneinandner über einen größtmöglichen Bereich variiert. Die Breiten σx und σy bewegten sich im Bereich zwischen 0.2 und 2 mm. Die Geschwindigkeit σv der Atome variierte zwischen 0.5m/s und 1.5m/s. Es werden zwei Datensätze gezeigt: eine Messung mit einem Rw = 2.6µm Draht und eine Messung mit einem Rw = 4.8µm Draht. Ein separater Vergleich zwischen beiden Datensätzen zeigt die lineare Abhängigkeit des Offsets O vom Drahtradius Rw . Der Slope S ist hingegen unabhängig von Rw . 58 R w = 4.8 µm R w = 1.8 µm Zerfallsrate -1 [s ] 10 R w = 0.7 µm 5 0 0 10 20 Drahtladung [pC/cm] Abbildung 3.15: Es werden Ladungsscans gezeigt, die sich nur durch die Dicken der Drähte unterscheiden. Die Zerfallsrate für einen ungeladenen Draht ist proportional zu seinem tatsächlichen Durchmesser. Deutlich wieder, die Unabhängigkeit des Slopes S vom Drahtradius. Weil in den drei Messungen die Fallenparameter σv , σx , σy sich ursprünglich geringfügig unterschieden, wurden die gezeigten Daten auf gleiche Temperatur und Fallengröße normalisiert. 59 3.4 Lichteinflüsse auf die Messungen Nach dem vorangegangenen Kapitel scheinen sich alle theoretischen Erwartungen zu bestätigen. Trotzdem drängt sich die Frage auf, welchen Effekt das Fallenlicht auf das Experiment hat. Schließlich bewegen sich die Atome nicht wirklich in einem reinen 1/r 2 Potential, denn sie werden ja von der lichtschwachen MOT gehalten! In Abb. 3.16 sind für verschiedenste Ladungsscans die Größe O/(Sσv ) gegen die Lichtintensität aufgetragen. O/(Sσv ) sollte nach Formel (3.18) eine Konstante sein und nur noch von der Polarisierbarkeit α und dem Drahtradius Rw abhängen. Für den dicken Draht (Rw = 4.8µm) ist dies nach Abb. 3.16a) nicht der Fall. Für höhere Lichtintensitäten wächst O/(Sσv ) um bis zu 30%. Für den dünnen 0.7 µm-Radius Draht kann keine solche Zunahme festgestellt werden. 3.4.1 Der Schatteneffekt Dies kann man wie folgt verstehen: Der Draht wirft Schatten in die 6 MOT Laserstrahlen (siehe Zeichnung in Abb. 3.17). Fliegt nun ein Atom dicht am Draht vorbei und tritt in einen solchen Schatten, so kompensieren sich die Lichtkräfte gegenläufiger Laserstrahlen auf das Atom nicht mehr gegenseitig. Das Atom erfährt nur noch die Impulsüberträge einer der beiden Laserstrahlen und wird stark auf den Draht gedrückt. Dies erhöht effektiv die Absorption der Atome auf dem Draht. Die ‘absorbierende Dicke’ des Drahtes wächst und damit auch Offset O. Dieses lichtinduzierte Wachstum des Absorptionsquerschnitts sollte eine große Rolle bei dicken Drähten spielen, die lange und große Schatten werfen. Bei dünnen Drähten mit einem Radius, der kleiner ist als die Lichtwellenlänge, hingegen sollte dieser Effekt vernachlässigbar sein. Genauso sollte sich bei Verringerung der Laserlicht-Intensität die mittlere freie Weglänge der Atome vergrößern. Atomen sollte es dann möglich sein, den Schattenbereich zu passieren, ohne auf den Draht geschoben zu werden. Die Meßergebnisse in Abb. 3.16a) bestätigen diese Vorhersagen. Gepulste MOT Dieses Bild bestätigt sich ebenfalls in Experimenten, in denen die magnetooptische Falle gepulst betrieben wird (Abb. 3.16b). Wie in Abschnitt 3.2 dargestellt, wird das Fallenlicht der MOT abwechselnd für eine kurze Zeit tof f (typischerweise 0.2 ms) abgedreht und dann für eine Zeit ton wieder angestellt. In Abb. 3.16b) wird O/(Sσv ) dargestellt als Funktion verschiedener Puls-Verhältnisse, tof f /ton . Wird das Verhältnis tof f /ton vergrößert, so 60 0.10 [pC s cm-2] a) b) 4.8 µm O/(S*σv ) 0.05 1.8 µm 0.7 µm 0.00 10 20 30 0.01 0.1 1 0 -2 Laserstrahl Intensität [mW cm ] Zeit-Verhältnis: aus/an Abbildung 3.16: Der Einfluß des MOT Lichtes auf das Absorptionsexperiment. Im Gegensatz zu Gl. (3.18) ist die Größe O/(S ∗ σv ) keine Konstante, sondern wächst mit steigender Lichtintensität für den dicken Draht(Rw ≈ 4.8 µm). In Bild a) wird die Strahlintensität des cw-Fallenlasers variiert. Bild b) gehört zu Experimenten, in denen die Falle gepulst betrieben wurde. Hier wird O/(S ∗σv ) als Funktion des Pulsverhältnisses tof f /ton aufgetragen. Der Effekt kann erklärt werden durch einen Schattenwurf des Drahtes in die Laserstrahlen. Die Messungen wurden bei einem Laser-Detuning von 12 MHz vorgenommen. Die Laserintensität in b) war etwa 0.6 mW cm−2 pro Fallenstrahl. 61 LASER Draht Schatten Atom Abbildung 3.17: Erklärung für den Schatteneffekt: Schatten, die vom Draht in die Laserstrahlen geworfen werden, führen zu einem StrahlungsdruckUngleichgewicht. Die Atome werden im Schattenbereich verstärkt auf den Draht gedrückt. Die Absorption auf dem Draht wird so intensitätsabhängig. bedeutet das für die Atome eine längere freie Bewegung im 1/r 2 Potential. Ist das Chop-Verhältnis größer als 10 so ist auch für den dicken Draht mit Rw = 4.8 µm kein Schatteneffekt mehr zu sehen. Für noch größere Verhältnisse tof f /ton bleibt schließlich O/(Sσv ) konstant und hat gleiche Werte wie die der kontinuierlich betriebenen Falle. Beim dünnen Rw = 0.7µm Draht ist kein Schatteneffekt ist zu erkennen. 3.5 Quantitativer Vergleich zwischen Theorie und Experiment Die durchgezogenen Linien in Abb. 3.16 zeigen theoretische Vorhersagen für die Größe O/(Sσv ). In die Berechnung der theoretischen Vorhersagen geht die Größe der elektrischen Polarisierbarkeit für Lithium αLi = 24.3 ± 0.5 [Å3 ] [Mil77] ein und die Dicke der Drähte. Die Dicke der Drähte wurde mithilfe des Elektronenmikroskops des Institutes bestimmt, nachdem die Absorptionsexperimente an ihnen im Vakuum beendet waren. Die Unsicherheit dieser Dickemessungen gründet sich einerseits auf Ungleichmäßigkeit des Drahtradius über wenige mm und zusätzliche Verunreinigungen auf der Drahtoberfläche. Die Bilder in Abb. 2.18 in Kapitel 2.10 vermitteln dazu einen Eindruck. Über die absolute Längeneichung des Elektronenmikroskops lagen keine Unterlagen vor. Die Unsicherheit der Dickenmessung des (Rw = 4.8µm) Drahtes lag bei etwa 3% Prozent. Für die dünnen Drähte lag sie mitunter 62 viel höher, (20 bis 30%). Die theoretischen Vorhersagen in Abb. 3.16 liegen für den dicken Draht (Rw = 4.8µm) etwa 5% unterhalb den experimentellen Messungen. Auch für alle anderen Drähte liegen die theoretischen Vorhersagen unterhalb der experimentellen Messungen. Deshalb erhält diese Abweichung eine hohe Signifikanz. In Kapitel 5 werden diese Ergebnisse durch Atom-Oberflächen Wechselwirkungen erklärt. Präzision der Messungen Um die höchste Präzision in der Auswertung unserer Messungen zu erreichen, werden die Daten in Form vom Quotienten von Offset/ Slope (d.h. O/S) verwendet. Auf diese Weise fallen nämlich Fehler in der Messung der Fallengröße heraus. Genauso heben sich Abweichungen der Fallenform von der Gaußverteilung und Fehler in der Justage der Falle auf den Draht weg. Schatteneffekt für Offset und Slope Was passiert, wenn Offset und Slope getrennt diskutiert werden? Dazu werden im Folgenden die Abbildungen 3.18, 3.19 und 3.20 betrachtet. Sie gehören zu einer Experimentreihe mit dem Rw =4.8 µm dicken Wolframdraht, in der die Falle gepulst (gechoppt) betrieben wurde. Die Daten in Abb. 3.18 stammen aus Abbildung 3.16 und sind zum Vergleich hier noch einmal vergrößert dargestellt. Für lange Licht-Zeiten und nur kurze Dunkelabschnitte bewirkt der Schatteneffekt eine kräftige Erhöhung der Größe O/(S · σv ). Wie schon vorher erwähnt, liegt der theoretisch erwartete Wert 5 % unterhalb der experimentellen Asymptote. Die Größe Oσx σy /σv in Abb. 3.19 zeigt ein ähnliches Verhalten wie O/(S · σv ) in Abb. 3.18. Oσx σy /σv sollte nach Gleichung 3.18 auch eine Konstante sein. Aber für hohe Lichtleistungen tritt wieder der Schatteneffekt auf: Der absorbierende Drahtradius Rw , der linear in den Offset O des Drahtes eingeht, wird durch den Schattenwurf effektiv dicker. Die aufgetragenen Daten zeigen im Vergleich zu Abb. 3.18 ein erhöhtes Rauschen, was durch zusätzliche Fehler der Größen σx und σy zustandekommt. Etwas überraschend ist die große, 20%ige Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment! Bevor wir diese Diskrepanz analysieren, zuerst ein Blick auf Abb. 3.20. Hier wird Sσx σy /σv aufgetragen. Auch diese Größe sollte theoretisch eine Konstante sein und dies ist anscheinend auch tatsächlich der Fall! Bis auf die zwei Datenpunkte bei tof f /ton = 0 ist keine steigende oder fallende Tendenz auszumachen. Dies kann dadurch erklärt werden, daß der Schatteneffekt nach unserer Vorstellung ein lokaler Effekt am Ort des Drahtes selber ist. Der 63 [m] 140 Offset σx σy /σv Offset / Slope /σv [volt s/m] 6 x 10 3.2 150 130 Theorie 120 110 0 5% 4 8 12 16 2.8 2.4 20% 0 Licht Chop-Verhältnis: aus/an Theorie 2 4 8 12 16 Licht Chop-Verhältnis: aus/an Abbildung 3.18: Der Schatteneffekt: Auftragung Offset/Slope für den Draht mit 4.8µm Radius. Theorie und Experiment sind sich bis auf 5% einig. Gezeigt werden die gleichen Daten wie in Abb. 3.16. Abbildung 3.19: Der Schatteneffekt für den Offset ist deutlich zu erkennen. Die Daten sind aber verrauschter als in der Auftragung Offset O/Slope S. Zusätzlich besteht eine Diskrepanz von etwa 20% zwischen Theorie und Experiment. 4 Slope σx σy /σv [m] 2.4 x 10 2.2 2 15 % Theorie 1.8 0 4 8 12 16 Licht Chop-Verhältnis: aus/an Abbildung 3.20: Ein Schatteneffekt für den Slope S ist praktisch nicht festzustellen, d.h. der Slope S ist nahezu unabhängig von der Lichtintensität. Es besteht trotzdem eine Diskrepanz von etwa 15% zwischen Theorie und Experiment. 64 Einfangradius des 1/r 2 Potentials reicht jedoch für erhöhte Ladungen weit über die Schatten heraus. Probleme mit σx und σy Auch in Abb. 3.20 taucht ein 15%iger Unterschied zwischen Theorie und Experiment auf. Was hat es damit auf sich? Anscheinend führen die Breiten σx und σy einen systematischen Fehler mit sich, der durch Quotientenbildung in O/S/σv herausfällt. Dieser Fehler kann eigentlich nicht durch eine ungenaue Längen-Kalibrierung der CCD Kamera Pixel entstehen, da die Messung der Geschwindigkeitsbreite σv der Atome mit der gleichen Eichung vorgenommen wird. Die Fehler in σx,y und σv sollten sich dann durch den Quotienten σx σy /σv teilweise wieder herausheben. Die Kalibrierung der Kamera wurde oft und mit großer Sorgfalt durchgeführt und erzielte bis auf 2-3 % reproduzierbare Ergebnisse. Die Lösung des Puzzles ist sehr wahrscheinlich die Tatsache, daß die Größen σx und σy der Atomwolke während der Absorptionsexperimente am Draht gemessen werden: In dieser Zeit ist das magnetische Quadrupolfeld mit einem Gradienten von etwa 14 (bzw. 7) Gauß/cm eingeschaltet. Im Magnetfeld tritt eine Zeemanverschiebung der atomaren Niveaus auf, die manche der magnetischen Level näher zur Resonanz mit der Laserfrequenz schiebt. Dies geschieht vor allem am Rand der atomaren Falle, wo das Magnetfeld groß ist. Es klingt deswegen plausibel, daß Atome am Rand der MOT stärker mit dem Licht wechselwirken und so auch mehr Licht streuen als im Zentrum. Dies bedeutet, daß die CCD Bilder nicht mehr nur die atomare Verteilung der Falle widerspiegeln, weil die Anregungswahrscheinlichkeit ortsabhängig ist. In jedem Fall führt dieser Effekt zu einer Verbreiterung der sichtbaren Wolkenausdehnung. Zusätzlich ist auch denkbar, daß Photonen beim Durchlaufen der Falle mehrfach an Lithiumatomen gestreut werden. Dies würde auch zu einer scheinbaren Verbreiterung der Fallengröße führen, da im Zentrum der Falle, wo die Dichte der Atome hoch ist, die Photonen häufiger reabsorbiert werden als am Rand. Allerdings sollte dieser Effekt sehr klein sein für Fallen bei großen “Chop-Verhältnissen”, da diese sehr ausgedehnt sind und eine niedrige Atomdichte besitzen. Kleines Modell für Lichtverteilung Die volle theoretische Behandlung der Verteilung der Fluoreszenz in einer Falle ist schwierig. Es soll hier nur kurz und qualitativ ein eindimensionales 65 10 Gauss / cm 1.2 σ schein /σ x 1.25 Breitenverhältnis 1.15 1.1 σx = 0.7 mm 1.05 σ = 0.5 mm σx = 1 mm x 1 10 12 14 16 18 20 Detuning [MHz] Abbildung 3.21: Verhältnis zwischen gemessener Breite der Atomwolke σschein und wirklicher Breite σx für verschiedene Breiten σx . Modell betrachtet werden, um die ausgesprochenen Vermutungen zu untermauern. Dazu benutzen wir das magneto-optische Fallenschema aus Abb. 2.2. Die eindimensionale Atomverteilung ρ(x) sei gaußförmig mit Breite σx . Die Linienform sei für jeden der Übergänge m = 0 → m = ±1 lorentzförmig. Als Magnetfeldgradient dB/dx des Quadrupolfeldes wählen wir 10 Gauß/cm, dies entspricht in etwa dem Mittel zwischen 14 und 7 Gauß/cm. Der g-Faktor beträgt g = 2 und die Breite Γ/2π = 5.8 MHz. Für die räumliche Leuchtverteilung KL (x) der Atomwolke kann man ansetzen, x2 KL ∝ exp(− 2 ) 2σx Γ2 /4 Γ2 /4 + , (2π)2 (∆ + ξx)2 + Γ2 /4 (2π)2 (∆ − ξx)2 + Γ2 /4 (3.19) wo ∆ die Rotverstimmung des Lasers zum atomaren Übergang ist. Der Frequenzgradient ξ = gµB dB/dx /h gibt die Frequenzverschiebung der |mF | = 1 Niveaus an. Zeichnet man die Kurve für Funktion KL aus Gl. (3.19), so stellt man fest, daß sie eine Breite σschein hat, die größer ist als σx . Abb. 3.21 zeigt das Verhältnis der Breiten σschein und σx in Abhängigkeit der Rotverstimmung ∆ des Lasers und der Größe der Falle. Für typische Parameter unseres Experiments ist die Breite σschein um 10 bis 20 Prozent größer als σx . Dies liegt gerade auch in der Größenordnung der beobachteten Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment der Abb. 3.19 und 3.20. Für genauere Vor66 hersagen müßte ein besseres Modell als das eindimensionale zu Rate gezogen werden, das außerdem die unterschiedlichen Magnetfeldgradienten in x und y Richtung berücksichtigt. Je schwächer der Gradient, desto kleiner ist die Verbreiterung der Atomwolke. Um den echten und scheinbaren Breiten weiter auf den Grund zu gehen, bot sich mit Hilfe des Drahtes eine neue Methode an, die Atomverteilungen zu vermessen als auf optischen Wege. Dies wird im folgenden Kapitel vorgestellt. 3.6 Zusammenfassung Durch elektrisches Laden eines dünnen Drahtes wurde für kalte Atome ein 1/r 2 Potential in zwei Dimensionen realisiert. In diesem Potential gibt es keine stabilen Bahnen: Atome werden entweder elastisch gestreut und verlassen dann die Drahtregion oder sie fallen in Spiralbahnen in die Singularität, wo sie auf dem Draht absorbiert werden. Es läßt sich entsprechend ein Absorptionsquerschnitt σabs für das 1/r 2 Potential definieren. Wir haben die Abhängigkeit dieses Querschnitts von seinen Parametern experimentell im Detail studiert und konnten die theoretischen Vorhersagen bestätigen. So ist der Wirkungsquerschnitt geschwindigkeitsabhängig (∝ 1/v im Limes großer Ladungen q) und zeigt eine lineare Abhängigkeit von der Drahtladung q. Dies sind zwei Charakteristika des αq 2 /r 2 Potentials. Die Absorptionsmessungen wurden durchgeführt, indem ein geladener Draht in eine abgeschlossene Wolke kalter Lithiumatome eingebracht wurde. Exponentielle Verlustraten in der Atomanzahl der Wolke wurden gemessen, die vom Sturz und Absorption der Teilchen im 1/r 2 Potential rühren. Gleichzeitig konnten wir Lichteinflüsse auf die Absorptionsmessungen studieren. Für hohe Lichtintensitäten und dicke Drähte tritt ein Schatteneffekt auf: Durch den Schattenwurf des Drahtes in den Laserstrahlen werden Atome durch Strahlungsdruck-Ungleichgewichte verstärkt auf den Draht geschoben. Für dünne Drähte und niedrige Lichtintensitäten läßt sich der Schatteneffekt jedoch unterdrücken. Unsere Daten zeigen in einer geeigneten Auftragung bis auf 5% Übereinstimmung mit unseren theoretischen Vorhersagen. Eine Analyse der Absorptionsmessungen deutet darauf hin, daß die visuellen Breiten σx , σy der Atomverteilung der MOT in unseren Experimenten um etwa 10% größer erscheinen, als sie es in Wirklichkeit sind. Im quantenmechanischen Regime sagen wir für den Absorptionsquerschnitt des 1/r 2 Potentials “Quantenstufen” voraus. Diese Quantenstufen 67 entsprechen einer direkten Manifestation der Existenz von Partialwellen. 68 Kapitel 4 Der Draht als Sonde für Atomflußdichten In diesem Kapitel wird der Draht nicht als Quelle eines Potentials für kalte Atome benutzt, sondern als Sonde für die kalte Atomwolke. Der Draht dient der Messung der lokalen Atomflußdichte der MOT, ρr ·v, eine Größe, die in der Atomoptik bisher nicht direkt vermessen wurde. Sie ist komplementär zu den optischen Dichtemessungen mit der CCD Kamera, die auf der Fluoreszenz der Atome in der Falle fußen. Die Hauptidee dabei ist, wieder Absorptionsmessungen mit Atomen durchzuführen, nur diesmal mit ungeladenem Draht. Wir interessieren uns für die zweidimensionale Dichteverteilung der MOT-Atomwolke ρr (x, y), die man erhält durch Integration entlang der z-Achse. Man erwartet analog zu Gl. (3.12) auf Seite 47 folgenden Zusammenhang für die Absorption der Atome auf dem Draht, dN = −N ρr (x, y)|v|(x, y) 2Rw + L+ − L− , dt (4.1) wo |v|(x, y) ein lokales Maß für die mittlere Geschwindigkeit der Atome ist. Gleichung 4.1 läßt sich aus Gl. (3.12) ableiten, wenn man die Dichteverteilung ρ(x, y, vx , vy ) als Produkt schreibt, ρ(x, y, vx , vy ) = ρr (x, y) ρv (x, y, vx , vy ). (4.2) Die Größe ρr (x, y) gibt die Ortsverteilung der Atome an und ρv (x, y, vx , vy ) die Geschwindigkeitsverteilung der Atome am Ort (x, y). |v|(x, y) ist folglich gegeben durch |v|(x, y) = vx2 + vy2 ρv (x, y, vx , vy )dvx dvy = |v| ρv (x, y, vx, vy )dvx dvy , (4.3) 69 das Mittel über den Geschwindigkeitsbetrag der Atome. Indem der Sonden-Draht an verschiedene Stellen der AtomDichteverteilung gebracht wird, kann über die Zerfallskonstante D = 2Rw · ρr (x, y) · |v|(x, y) die Atomflußdichte ρr (x, y) · |v|(x, y) punktweise gemessen werden. So erhält man nach einigen Messungen ein Profil der Atomflußdichte. Die Terme L+ und L− sind konstant oder höchstens linear abhängig von der Atomzahl N. Sie können durch das Erniedrigen der Laserintensität kleingehalten und später herauskorrigiert werden. In unseren Messungen war es einfacher, die Atomwolke mit Hilfe von entsprechenden Offsetfeldern relativ zum Draht zu translatieren (Abb. 4.1), anstatt den Draht über die Atomwolke zu bewegen. Dies liefert gleiche Er- Spule I Draht B Abbildung 4.1: Die Dichteverteilung der Atome in der Falle kann gemessen werden, indem die Falle in vielen Schritten über den Draht bewegt wird und die Absorption gemessen wird. gebnisse, solange sich die Form und Geschwindigkeitsverteilung der Falle dadurch nicht ändert. Diese Vorraussetzung ist sicherlich erfüllt, wenn die Falle nur wenige Bruchteile eines Millimeters bewegt wird. Die Eigenschaften der Falle werden nahezu ausschließlich durch die Form der Fallen-Laserstrahlen bestimmt. In unserer Falle sind die Strahlen auf 2 cm Durchmesser parallel aufgeweitet und weisen ein relativ glattes Intensitätsprofil auf. Messung Abb. 4.2 zeigt eine Messung in der in vielen Schritten die Falle über den Draht bewegt wurde. Jeder Meßpunkt entspricht einem Versuchszyklus, indem die MOT, etwa 1-2 mm vom Draht entfernt, 20 Sekunden lang geladen wird. Danach wird sie relativ zum Draht verschoben und ihr exponentieller 70 Zerfalls- Konstante [Hz] 2 1.5 1 CCD Kamera 0.5 Draht Messungen 0 -0.5 4 5 6 7 8 9 Ort [mm] Breitenverhältnis (CCD / Drahtscan) Abbildung 4.2: Die räumliche Fallendichteverteilung, gemessen mit der Drahtsonde im Vergleich mit Breiten aus CCD Bildern. (Magnetfeldgradient = 14 Gauß/cm, Detuning = 15 MHz). 1.2 Theorie 1.15 1.1 15 MHz Detuning 1.05 1 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 CCD- Bild Fallenbreite [mm] 1.1 Abbildung 4.3: Die Diskrepanz der Fallen-Breiten, die aus MOT Bildern und aus Draht-Sonden-Experimenten gewonnen werden, wächst mit steigender Fallengröße. (Magnetfeldgradient = 14 Gauß/cm, Detuning = 15 MHz). Die durchgezogene Linie ist eine Rechnung, die auf dem einfachen eindimensionalen Modell von Gl. (3.19) basiert. Sie beschreibt in erster Näherung den Verlauf der Daten. Damit bestätigt sich die Vermutung, daß die CCD Bilder aufgrund des magnetischen Quadrupolfeldes eine zu große Fallenbreite widerspiegeln. 71 Zerfall wird anschließend beobachtet. Es ergibt sich eine gaußförmige Verteilungsfunktion, die man für eine Dichteverteilung ρ(r, v) nach Gl. (2.4) in Kapitel 2.8 auch erwarten würde. Da in Gl. (2.4) angenommen wird, daß die Geschwindigkeitsverteilung ρv nicht vom Ort abhängt, können unsere Dichteflußmessungen in diesem Fall benutzt werden, um die lokale Dichte ρr (x, y) der Atome zu messen. Deswegen wird in Abb. 4.2 im Vergleich zu den Draht-Absorptionsmessungen die aus CCD Bildern bestimmte Fallenbreite dargestellt (auch eine Gaußkurve). Diese Bilder wurden während der exponentiellen Zerfälle der Atomwolke aufgenommen. Es ist klar zu erkennen, daß die durch die CCD Fluoreszenz-Aufnahmen gewonnene Atomverteilung breiter ist, als die Absorptionsmessungen erwarten lassen. Was ist nun die wahre Breite der Atomwolke? Als Erklärung für die Diskrepanz der beiden Messungen sind zunächst verschiedene Ansätze denkbar: • Man nimmt an, daß die Geschwindigkeitsverteilung ρv (x, y, vx , vy ) in der MOT entgegen obiger Vorraussetzung in Wirklichkeit ortsabhängig ist. Falls dies der Fall ist, sollten die Atome im Zentrum der Falle kälter sein als am Rand, da die Atome im Zentrum am besten gekühlt werden. Eine solche Geschwindigkeitsverteilung führt allerdings zu einer Korrektur in der falschen Richtung: Die Drahtabsorptionskurve sollte sich dadurch verbreitern und nicht verschmälern. Damit läßt sich also die beobachtete Diskrepanz der beiden Kurven in Abb. 4.2 nicht erklären. • Man nimmt an, daß Fluoreszenz-Photonen innerhalb der Atomwolke reabsorbiert werden. Photonen aus dem Zentrum der Wolke werden dann häufiger absorbiert als Photonen vom Rand der Wolke. Dieser Effekt “verdunkelt” das Zentrum und vergrößert die sichtbare Breite der Atomwolke. Dem kann entgegengesetzt werden, daß bei ausgedehnten Fallen (kleinen Atomdichten) der Verbreiterungseffekt kleiner werden sollte, da die Mehrfachstreuung der Photonen mit der Dichte zunimmt. Auch dies ist nicht der Fall, wie man mit einem Blick auf Abb. 4.3 feststellen kann. Es ist das Verhältnis der aus den CCD Bildern bestimmten Breiten σCCD und der Breiten aus den Drahtmessungen σx aufgetragen. Die CCD Bilder liefern immer größere Breiten als die Drahtmessungen. Mit wachsender Fallengröße wächst auch das Verhältnis σCCD /σx . • So bleibt uns nur die Erklärung von Seite 66, daß die Fluoreszenz der Atomwolke durch das magnetische Quadrupolfeld ein verzerrtes Bild der wirklichen Atomverteilung vorgibt. Die Atome am Rande der MOT 72 streuen aufgrund der Zeemanaufspaltung mehr Laserlicht als im Zentrum der Falle. Dies bewirkt eine scheinbare Fallenverbreiterung. Die durchgezogene Kurve in Abb. 4.3 ist eine Rechnung zu dem einfachen Modell aus Gl. (3.19) für die entsprechenden experimentellen Parameter (Magnetfeldgradient = 14 Gauß/cm, Detuning = 15 MHz). Sie steht qualitativ im Einklang mit den gemessenen Daten. Damit erhärtet sich auch die Vermutung, daß die 15% Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment in den Experimenten mit geladenem Draht im magnetischen Quadrupolfeld zu suchen ist, (vgl. Abb. 3.19 und 3.20 auf Seite 64). Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß Sondenuntersuchungen mit ungeladenem Draht nicht nur nützlich sind, um den Dichtefluß in der Falle zu messen, sondern auch die Dichteverteilung (ρv (x, y, vx , vy ) muß unabhängig von x, y sein!). Auch in anderen Fallentypen wie magnetischen oder Dipolfallen sind interessante Experimente mit Drahtsonden denkbar. So könnte man mit dem Draht z.B. Durchmischungsvorgänge im Phasenraum von verschiedenen Potentialen studieren. 73 74 Kapitel 5 Van der Waals Kräfte In unserer bisherigen Diskussion wurde der Draht als ein Stück Materie betrachtet, das Atome absorbieren kann. Der Draht ist durch seinen Radius scharf begrenzt. In Kapitel 3.4 wurde erkannt, daß der Schatteneffekt der Laserstrahlen die effektiv gemessene (absorbierende) Drahtdicke erhöht. Diese effektive Drahtdicke wird noch durch einen zweiten Effekt erhöht, die Van der Waals Kräfte [Lon30, Cas48, Len32]. Atome in der Nähe der Oberfläche des Drahtes spüren eine anziehende Kraft auf den Draht. Diese Kraft ist bedingt durch die induzierte Dipol-Dipol Wechselwirkung zwischen Atomen des Drahtes und dem vorbeifliegenden Atom. Das Van der Waals Potential zwischen zwei Atomen folgt einer 1/r 6 Abhängigkeit, das Potential zwischen einem Atom und einem Festkörper mit ebener Oberfläche dagegen einer 1/z 3 Abhängigkeit (folgt durch Integration über alle Atome des Festkörpers). Es wird nun interessant sein, abzuschätzen, ob und welchen Einfluß das Van der Waals Potential auf unsere Messungen hat. Dazu wollen wir es uns in den folgenden Zeilen sehr einfach machen und legen keinen Wert auf hohe Präzision. Casimir-Polder-Retardierungseffekte, die wichtig sind für Atom Oberflächenabstände von mehreren 100 nm, werden vernachlässigt. Da die Van der Waals Kraft nur sehr kurzreichweitig ist, sehen Atome dieses Potential nur, wenn sie direkt sich über der Oberfläche des Drahtes befinden, d.h. (r−Rw ) << Rw , wo (r−Rw ) der Abstand des Atoms zur Drahtoberfläche ist. In dieser (groben) Näherung ist die Drahtoberfläche aus der Sicht des Atoms effektiv eben, und das anziehende Potential hat die Form 1/(r − Rw )3 . Für dieses Potential läßt sich wieder analog zum geladenen Draht ein Wirkungsquerschnitt für die Absorption berechnen. Wir betrachten einen einfallenden Strahl von Atomen mit Geschwindigkeit v, die auf den Draht zulaufen. Die vom Draht angezogenen Atome werden genau dann auf ihn fallen, wenn ihr Stoßparameter b = Lz /(Mv) kleiner ist als ein bestimmter Wert bcrit . Hat man bcrit gefunden, so ist der Wirkungsquerschnitt σabs gege75 eff. Potential Hohes Lz Energie Atom Niedriges Lz radialer Abstand Abbildung 5.1: Das effektive Potential Ueff , das sich zusammensetzt aus anziehendem Van der Waals Potential und abstoßender Drehimpulsbarriere. Für unterschiedliche Drehimpulse Lz muß das Atom mit Gesamtenergie E verschieden hohe Potential-Barrieren überwinden, um auf den Draht zu gelangen. ben durch 2bcrit . Um bcrit zu berechnen, betrachten wir die radiale Bewegung des Atoms. Es sieht das effektive Potential Ueff , Ueff = − A L2z + , (r − Rw )3 2Mr 2 (5.1) das sich aus Van der Waals Term, A/(r−Rw )3 , und dem Drehimpulspotential zusammensetzt. Bild 5.1 zeigt Ueff für verschiedene Drehimpulse Lz . Um auf den Draht zu fallen, muß die Drehimpulsbarriere überwunden werden. Je kleiner der Drehimpuls des Teilchens, desto kleiner auch die Barriere. Für einfallende Atome mit Energie E gibt es folglich einen Grenzdrehimpuls LG , sodaß es das Atom noch gerade über die Barriere “schafft”. Dazu muß die Spitze der Barriere gleich der Energie E des Teilchens sein. Die Spitze der Barriere findet sich durch erste Ableitung von Ueff und anschließendes Nullsetzen, dUeff 3A L2z = − = 0. (5.2) dr (r − Rw )4 Mr 3 Aus Gl. (5.2) und der Bedingung, daß die Energie des Teilchens E = 1/2Mv 2 an der Spitze E = Ueff genügt, kann bcrit berechnet werden, wenn A gegeben ist. Der Wert der Konstante A des Van der Waals Potentials für die Wechselwirkung von Lithiumatomen mit einer perfekt leitenden Metalloberfläche 76 [µ m] 0.5 v = 0.5 m/s 0.4 0.3 b crit - R w v = 0.75 m/s 0.2 v = 1.5 m/s 0.1 0 0 2 4 6 8 Radius des Drahtes [ µ m] 10 Abbildung 5.2: Der Absorptionsquerschnitt des Drahtes wird durch das Van der Waals Potential vergrößert. Diese Zunahme ergibt sich zu 2(bcrit − Rw ). Der Radius der Drähte scheint je nach Drahtgröße und Geschwindigkeit v der einfallenden Atome um 200 bis 400 nm dicker zu sein als der tatsächliche Drahtradius. ist im Limes r −→ Rw gegeben durch [Mar97, Seg97], A = 1.4468 · 27.2eV · (0.529 10−10 m)3 . (5.3) Die Rechnung ergibt, daß der “absorbierende” Radius des Drahtes bcrit größer ist als Rw . Abb. 5.2 zeigt den scheinbaren Radiuszuwachs des Drahtes, ∆Rw = bcrit −Rw , aufgrund der Van der Waals Wechselwirkung. ∆Rw wächst mit steigendem Durchmesser der Drähte und mit fallender Temperatur der Atome. Dieses Anwachsen von Rw läßt sich zurückführen auf die steigende Wechselwirkungszeit für Atom und Draht beim Passieren des Drahtes: Das Atom hat mehr Zeit auf den Draht zu stürzen. Bedeutet für einen dicken Draht von 10 µm die Wirkung des Van der Waals Potentials nur eine “Verbreiterung” um wenige Prozent, so erhöht es den Absorptionsradius eines dünnen Drahtes doch sehr erheblich. Um also Van der Waals-Wechselwirkungen quantitativ zu messen, sollten dünne Drähte besonders geeignet sein. Allerdings ist auf der anderen Seite die Bestimmung des tatsächlichen Radius dünner Drähte oft viel schwieriger als von dicken. Absolute Messungen zum Absorptions-Wirkungsquerschnitt wurden wie in Abb. 3.16 gezeigt, in den elektrischen Drahtexperimenten mit Drähten 77 mit Radius Rw = 4.8, 1.8, 0.7µm durchgeführt. Die Genauigkeit der Radienbestimmung der Drähte war dabei sehr unterschiedlich, Rw = 4.8 ± 0.1, 1.8 ± 0.2, 0.7 ± 0.4µm. Der Radius des 0.7µm Drahtes kann nur sehr ungenau angegeben werden, da der Draht während des Experiments durch einen Unfall zerstört wurde1 . Nominell hätte dieser Draht einen Durchmesser von etwa 0.6 µm. Dieser Durchmesser wurde bei Messungen an vergleichbaren Drähten wegen starker Verunreinigungen allerdings nur an sehr wenigen Stellen erreicht. Zusätzlich bilden sich im Laufe der Zeit in der Vakuumkammer Lithiumkrusten auf der Drahtoberfläche, die den Drahtradius zusätzlich vergrößern. Der Radius von Rw = 0.7µm für den dünnen Draht wurde nach Auswertung der Absorptionsmessungen einfach festgesetzt. Trotz dieser Unsicherheiten zeigen jedoch alle Absorptions-Meßreihen deutlich eine größere absorbierende Dicke der Drähte, als ihrer wirklichen Dicke Rw entspricht. Die gemessene Verbreiterung ∆Rw des Drahtes verträgt sich mit den Abschätzungen aus Abb. 5.2. Im Klartext, die Drähte mit Radius Rw hatten einen gemessenen Absorptionsradius, der größer war als Rw . Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht zu den in unseren Experimenten vermessenen Drähten. Radius AbsorptionsRw radius 4.8µm 5.1µm 1.8µm 2.1µm ‘0.7’µm 0.8µm Aufgrund dieser Ergebnisse ist es relativ sicher, daß wir Van der Waals’sche Potentiale in unseren Messungen beobachten konnten. Mit einem dünnen Draht bekannter Dicke sollten quantitative Messungen nach der hier vorgestellten Methode zur Atom-Oberflächen Wechselwirkung möglich sein. Das Verständnis von Van der Waals Kräften ist sicherlich von großer Wichtigkeit, möchte man mikroskopische Atomoptik betreiben, in der Atome und materielle Oberflächen nur durch kurze Distanzen voneinander getrennt sind. Prinzipielle Fragen zu Kohärenzverlust und Aufheizung von Atomen durch die Kopplung an warme Oberflächen sind noch zu beantworten. 1 Das Windows-Betriebssystem des Steuercomputers stürzte ab. Dadurch gaben die Analogausgabekarten des Computers unkontrollierte Spannungen aus, und auf den Draht wurde über ein Hochspannungsgerät 1000 V gelegt. Dabei zeriss der Draht. 78 Kapitel 6 Atome im 1/r Potential Nun werden unsere Experimente mit stromdurchflossenem Draht beschrieben. Wir leiten im theoretischen Vorspann her, daß ein Atom im reinen magnetischen Feld des Drahtes ein effektives 1/r Potential spürt. Es folgt eine Besprechung unserer Experimente und Resultate. In Kapitel 7 besprechen wir Versuche, in denen das magnetische Feld des Drahtes mit einem homogenen Magnetfeld kombiniert wird. Befindet sich ein Atom in der Nähe eines stromführenden Drahtes, wech selwirkt es über sein magnetisches Moment µ mit dem magnetischen Feld B des Drahtes, Vint = −µ · B. (6.1) Ist der Draht gerade, so ist sein zylindersymmetrisches Magnetfeld gegeben durch = µ0 I êφ , (6.2) B 2π r Draht B I µ Abbildung 6.1: Magnetische Wechselwirkung eines Atomes mit dem Magnetfeld eines stromdurchflossenen Drahtes. 79 wo I der Strom durch den Draht ist und êφ der Einheitsvektor (Zylinderkoordinaten) in φ-Richtung. Die resultierende Hamiltonfunktion des Atoms ist gegeben durch p2 H= − µ · B, (6.3) 2M und die Bewegung entlang des Drahtes (z-Richtung) ist frei, sodaß sich das Problem auf 2 Dimensionen einschränken läßt. Das magnetische Moment des Atoms ist proportional zu seinem Spin und die Wechselwirkung läßt sich wie folgt schreiben: µ0 I , (6.4) 2π r wo mF die magnetische Quantenzahl des Atoms ist mit der Quantisierungsachse entlang zum B-Feld. gF ist der g-Faktor des atomaren Zustands (siehe Appendix A.1). Zeigt das magnetische Moment in die gleiche Richtung wie das Magnetfeld > 0), so ist die Wechselwirkung attraktiv und das Atom ist in einem (µ · B ‘high field seeker’ Zustand. Es kann dann im 1/r Potential gebunden werden. < 0, dann sind die Atome im ‘low field seeker’ Zustand und werden Falls µ · B vom Draht abgestoßen. Das Potential in Gl. (6.4) sieht wie ein konservatives 1/r Potential aus, was aber in Wirklichkeit nicht stimmt, da die Spinquantenzahl mF im allgemeinen zeitabhängig ist. Bewegt sich nämlich das Atom um den Draht, so dreht sich im Ruhesystem des Atoms das Magnetfeld um seine z-Achse. Um ein konservatives Potential zu erhalten, muß der Spin des Atoms adiabatisch dem drehenden Magnetfeld folgen. Dies ist der Fall [Gut31], wenn die Larmor-Präzession des Spins ωLa viel schneller ist als die scheinbare Drehung des Magnetfeldes ωB , (6.5) ωLa >> ωB . Vint = −gF mF µB B = −gF mF µB In unseren Experimenten, in denen Atome typischerweise eine Geschwindigkeit von 1 m/s haben und sich in 1 mm Entfernung um den Draht bewegen, ist ωB größenordnungsmäßig ωB = 2π·150 Hz und bei einem typischen Strom von 1 A durch den Draht ist ωLa = 2π·1.4 MHz. Das heißt, wir arbeiten sicher im adiabatischen Limes und können in der adiabatischen Approximation von einem 2-dimensionalen 1/r Potential in unserem System ausgehen. Die Bewegung des Atoms um den Draht ist dann beschrieben durch Kepler-Bahnen, ganz ähnlich der klassischen Himmelsmechanik. Aus der Rotationssymmetrie um den stromführenden Draht folgt, daß der Drehimpuls Lz des Atoms in z-Richtung (entlang des Drahtes) erhalten bleibt. Weiterführende und tiefergehende Diskussionen, die hier nicht fortgeführt werden brauchen, findet man in [Sch95a, Sch95b, Sch96a, Sch96b]. 80 Abbildung 6.2: Ein Leiter für Atome — die Atome sind in 2 Richtungen gefangen, die Bewegung in der dritten Raumrichtung ist frei. Sind die Atome ungebunden, E > 0, so beschreiben sie offene Hyperbelbahnen und verlassen früher oder später die Drahtregion. Atome im 1/r Potential mit einer negativen Gesamtenergie E < 0 sind gebunden und bewegen sich in Kepler-Ellipsen um den Draht. Weil die Bewegung entlang des Drahtes frei ist, läßt sich damit ein Leiter für Atome bauen (siehe Abb. 6.2). Solch ein Leiter wurde schon 1992 [Sch92] demonstriert für einen thermischen, kollimierten Strahl von Natriumatomen, der entlang einem stromdurchflossenen Draht geschickt wurde. In diesem Experiment war durch die hohe Geschwindigkeit der Atome die Wechselwirkungszeit auf etwa eine Millisekunde begrenzt und die Atome vollzogen in dieser Zeit höchstens 1-2 Orbits um den Draht. In unseren Experimenten mit kalten Atomen kann nun diese Wechselwirkungszeit bedeutend verlängert werden und die Atome führen viele Drahtumrundungen aus. Dieses Regime erlaubt eine eingehende Untersuchung der Atom-Draht Wechselwirkung. 6.1 Experiment Abb. 6.3 zeigt die experimentellen Schritte, um die kalten Atome aus der magneto-optischen Falle in die ‘high field seeker’ Drahtfalle einzuladen. • Laden: In einem ersten Schritt wird die MOT bei einer roten Laserlichtverstimmung von 25 MHz 20 Sekunden lang geladen, bis sich ungefähr 3 · 107 Atome in der Falle befinden. 81 Draht Lichtintenstät MOT 20s Falle laden 30ms 5-20ms schieben, Wechsel kühlen wirkung CCD Bild nehmen aus: Spulen, Licht an: Drahtstrom (1A) Abbildung 6.3: Experimentelle Schritte für das Einladen und Leiten der Lithiumatome entlang des Drahtes. • Schieben: Dann wird die Falle in 5-10 Millisekunden zum Draht geschoben und auf den Draht zentriert. Dies geschieht, indem mit zusätzlichen Stromspulen homogene Offsetmagnetfelder erzeugt werden, die den Feldnullpunkt des magnetischen Quadrupolfeldes verschieben. Die Falle darf nicht zu schnell verschoben werden, da sie sonst nach dem ‘Absetzen’ der Atome wegen ihrer Masse-Trägheit nachpendelt. Die Position der Falle wird mit getriggerten Kameraaufnahmen überprüft. • Kühlen: Zur gleichen Zeit wird der Slower-Laserstrahl der Falle mit dem AOM 3 abgestellt. In einer 4-5 ms langen Rampe wird die Lichtintensität des Fallenlasers mit dem AOM 2 um einen Faktor 100 gesenkt und das Laserdetuning von 25 MHz auf etwa 8 MHz näher an die Resonanz gefahren. Damit erreicht man eine effiziente Kühlung der Atome auf etwa 200 µK. Je kälter die Atome sind, desto leichter und effizienter können sie in den Atomleiter eingeladen werden. Die Atomwolke hat zu diesem Zeitpunkt eine Ausdehnung von etwa σx,y,z = 0.7 mm. • MOT abstellen: Sodann wird das Licht mit dem AOM 2 abgeschaltet. Dies bringt eine Unterdrückung der Lichtintensität von etwa 10−4 . Um das Licht wirklich vollständig auszulöschen, benutzen wir zusätzlich mechanische Shutter, die etwa in einer halben Millisekunde geschal82 CCD MOT Laser Ofen CCD Draht Bremsstrahl 100 MHz Falle Abbildung 6.4: Setup für Atomleiter. Mit zwei Kameras können Atomverteilungen senkrecht zum Draht und entlang des Drahtes aufgenommen werden. tet werden können1 . Zur gleichen Zeit werden die Quadrupolfelder der MOT und die magnetischen Offsetfelder abgestellt. Dazu braucht man wegen der hohen Spuleninduktivitäten und der Eddi-Ströme in den Wänden der Vakuumkammer etwa eine halbe Millisekunde Zeit. Mit dem Abklingen dieser Magnetfelder wird der Strom (etwa 1-1.4 Ampere) durch den Draht in 100 µs eingeschaltet. • Wechselwirkung: Die Atome befinden sich jetzt im Rahmen der adiabatischen Approximation im 1/r Potential des Drahtes, dem sie eine beliebige Zeit zwischen 3 und 40 ms lang ausgesetzt werden. Im Potential ändert sich die räumliche Verteilung der Atome aufgrund der Wechselwirkung. • CCD-Bild: Nach Ablauf der Wechselwirkungszeit wird der Strom durch den Draht abgestellt (Abstelldauer etwa 100 µs). Sobald das geschehen ist, wird das Laserlicht mit voller Leistung wieder eingestrahlt. Es bildet sich eine optische Melasse, die die örtliche Verteilung der Atome für mehrere Millisekunden ‘einfriert’. Die triggerbare CCD Kamera 1 Atome in einer magnetischen Falle sind äußerst sensitiv auf resonantes Streulicht. Ein einziges gestreutes Photon kann den Spin eines Atoms umklappen und damit das Atom in einen ungebunden Zustand überführen, das der magnetischen Falle dann verloren geht. Es zeigte sich jedoch in unseren Experimenten von bis zu 40 ms Wechselwirkungszeit, daß die Verwendung der mechanischen Shutter höchstens geringfügig die Lebensdauer in der Falle erhöhte. 83 macht ein Bild von der Atomwolke mit einer Belichtungszeit zwischen 0.5 und 1 ms. Bilder können aus verschiedenen Raumrichtungen gemacht werden: Senkrecht zum Draht und entlang des Drahtes (siehe Abb. 6.4). • Untergrundbild: Zusätzlich werden Untergrundbilder aufgenommen und von den Bildern der Atomwolken im Leiter abgezogen. Dies unterdückt störende Streulichtsignale und Signale von ungebundenen Atomen. Die Bilder in Abb. 6.5 (oben) zeigen Atomverteilungen nach Wechselwirkungszeiten von 3 bis 20 ms. Entlang des Drahtes ist ein längliche Wolke von Lithiumatomen zu erkennen, die im Atomleiter (‘Keplerleiter’) gebunden sind. Deutlich ist die freie Expansion der Atomwolke bis zur 10. Millisekunde in Drahtrichtung zu erkennen. Sie entspricht der Geschwindigkeitskomponente der Atome in dieser Richtung. Die Höhe des Bildausschnitts beträgt etwa 2 cm, begrenzt durch den Durchmesser der Fallenlaser. Die Bilder sind ein optischer Nachweis für das Leiten von Atomen entlang eines Drahtes über diese Entfernung. Für lange Zeiten wird das Fluoreszenzsignal der Atome schwächer, weil durch die Expansion die Atomdichte sinkt. Für kurze Wechselwirkungszeiten t < 15ms ist neben den im Keplerleiter gebundenen Atomen noch ein großer fluoreszierender Untergrund einer expandierenden Wolke ungebundener Atome vorhanden. Dieser Untergrund kann größtenteils eliminiert werden, indem von den Bildern der oberen Reihe Bilder von Atomwolken nach freier Expansion abgezogen werden. Für die Aufnahmen der Atomwolken nach freier Expansion wird das Experiment einfach nocheinmal durchgeführt, diesmal aber mit stromlosem Draht. Die untere Reihe der Bilder in Abb. 6.5 wurden auf diese Weise gewonnen. Abb. 6.6 zeigt die geführten Atome, wenn sie von oben entlang des Drahtes betrachtet werden. Es ergibt sich eine runde Wolke in deren Zentrum der Draht sitzt. Ein kreuzförmiger Schattenwurf des 50 µm dicken Drahtes in die Laserstrahlen ist zu sehen. Quantitative Analyse Es folgt nun eine quantitative Analyse der Bilder der Kamera. Das CCD Bild liegt im Computer als Matrix vor, deren Einträge proportional zur Fluoreszenzintensität (lokalen Atomdichte) sind. Aus dieser Matrix werden senkrecht zum Draht liegende Pixelreihen ausgewählt und aufgetragen. Um das SignalRauschverhältnis zu verbessern, wird über viele solcher Pixelreihen gemittelt (siehe Abb. 6.7). 84 3ms 5ms 10ms 15ms 20ms Abbildung 6.5: Atomwolken, die in der zwei dimensionalen Drahtfalle zwischen 3 und 20 ms gefangen wurden. Deutlich ist die Expansion der im Leiter gebundenen Atome entlang des Drahtes zu erkennen. Die Bilder zeigen einen etwa 2 cm langen Ausschnitt des Drahtes und bilden einen optischen Nachweis für das Leiten von Atomen über diese Entfernung. Die gezeigten Bilder der unteren Reihe ergeben sich aus der Differenz der Bilder der oberen Reihe und Bildern für Atome nach freier Expansion. Abbildung 6.6: Blick entlang des Drahtes auf die im Atomleiter gebundenen Atome. Die Atomverteilung ähnelt einem Kleeblatt. Dieser Scheineffekt hat seinen Ursprung im Schatten, den der Draht in die Laserstrahlen wirft. 85 Draht Summe über Pixel Abbildung 6.7: Um ein deutliches Signal zu erhalten, wird über Pixelreihen entlang des Drahtes summiert. Abb. 6.8 zeigt solche radiale Atomverteilungen nach 7.5 ms Wechselwirkungszeit. Die Kurve a) entspricht dem Fall, wenn während der Wechselwirkungszeit durch den Draht 1.2 Ampere Strom geschickt wurde. Dazu im Vergleich Referenzkurve b). Sie wurde unter gleichen Bedingungen aufgenommen mit dem einzigen Unterschied, daß diesmal kein Strom durch den Draht floß: Es resultiert dann eine freie Expansion der Atome. Wie nach Kapitel 2.8 zu erwarten, zeigt die zur freien Expansion der Atome gehörende Verteilung eine Gaußglockenform. Die Verteilung der Atome im 1/r Potential ist im Vergleich dazu verändert, in der Mitte der breiten Verteilung sitzt eine Spitze. Sie gehört zu den im 1/r Potential gefangenen Atomen. Dies wird noch deutlicher, wenn wir Kurve c) betrachten. Sie ist die Differenz zwischen Kurve a) und Kurve b). Der Kurvenverlauf in c) wird recht gut beschrieben durch zwei angepaßte Gaußkurven: ein breiter Dip und eine schmaler Peak. Der Peak in der Mitte des Dips entspricht den gefangenen Atomen, die um den Draht kreisen. Welche Bedeutung hat der Dip? Einerseits, wegen der Erhaltung der Teilchenzahlen, stammt er von den Atomen, die vom Draht angezogen wurden und sich jetzt im Peak befinden. Zum anderen Teil wird er erzeugt durch Atome, die sich in anderen Spinzuständen befinden und vom Draht abgestoßen werden. Sie wandern schneller vom Draht weg als ohne repulsives Potential und erzeugen eine weitere positive Ringverteilung weiter außen in der radialen Verteilung. Diese ist allerdings hier praktisch nicht zu sehen, weil sie sich über einen breiten Raumbereich verteilt. Für kürzere Wechselwirkungszeiten (∆t ≤ 5ms) ist sie aber klar erkennbar (siehe zum Beispiel Abb. 6.11, erstes Bild). Ist die Wechselwirkungszeit so kurz, daß sich die Atome alle noch im Be86 Draht-Position 20 Kein Strom b) Atom Dichte [a.u.] 10 a) Strom (1.2 A) 0 Gefangene Atome 2 Repulsiver Dip c) 0 -2 -4 Differenz 0 2 4 6 8 10 12 Position [mm] Abbildung 6.8: Radiale Verteilung der Atome um den Draht. a) Verteilung der Atome im 1/r Potential; b) Verteilung der Atome nach freier Expansion; c) Differenz der Kurven a) und b). Der Peak in der Mitte entspricht gefangenen Atomen, während der Dip auch abgestoßenen Atomen zugeordnet werden kann. 80 80 70 70 5 ms 60 Atomic density [a.u.] Atomic density [a.u.] 60 50 40 10 ms 30 20 50 40 10 ms 30 20 20 ms 10 0 0 5 ms 2 4 6 8 Location [mm] 20 ms 10 10 0 0 12 Abbildung 6.9: Atomwolken nach 5, 10, 20 ms langem Guiding. Auf dem breiten Untergrund der expandierenden Wolke sitzt eine Spitze gefangener Atome. 2 4 6 8 Location [mm] 10 12 Abbildung 6.10: Atomwolken nach 5, 10, 20 ms freier Expansion. Sie sind gaußförmig. 87 reich der Laserstrahlen befinden, wo sie Fluoreszenzlicht streuen können, so entspricht die Fläche unter dem zentralen Peak der Anzahl der 2-dimensional gefangenen Atome. Vergleicht man die Fläche des Peaks mit der Fläche unter der Gaußkurve (freie Expansion der Teilchen), so läßt sich der Anteil der im 1/r Potential gefangenen Atome bestimmen. In unseren Experimenten konnten wir bis zu 10 % der Atome aus der MOT in den Atomleiter einladen. Eine ausführlichere Diskussion dieses Aspektes folgt in Kapitel 6.3. Abb. 6.11 zeigt die Zeitentwicklung der radialen Verteilung der Atome in der Nähe des Drahtes. Folgendes ist festzustellen: Der Dip ist zu Beginn schmal und tief. Er dehnt sich im Folgenden aus, während seine Amplitude abnimmt. Der Dip expandiert wie eine freie Wolke von Atomen, weil er das ‘fehlende’ Signal der freien Expansion der Population von Atomen darstellt, die nun am Draht gefangen sind (oder die durch die Abstoßung das Gebiet um den Draht schneller verlassen haben). Die Breiten der Verteilung Die Breiten des Dips als Funktion der Zeit sind in Abb. 6.12 dargestellt. Die Ausdehnung des Dips ist näherungsweise durch eine Nullpunktsgerade in der Zeit beschrieben. Anders hingegen der Peak der gefangenen Atome am Draht (siehe Abb. 6.13). Seine Breite vergrößert sich viel weniger im Verlauf der Zeit. Dies liegt daran, daß die gebundenen Atome sich im 1/r Potential auf stabilen KeplerEllipsen um den Draht bewegen und damit die Atomverteilung von Anfang an fixiert ist. Worauf gründet sich dann das experimentell nachgewiesene Anwachsen der Breite? Zum einen müssen wir uns vor Augen halten, daß in unserem Experiment die Stromstärke über die Wechselwirkungszeit nicht konstant gehalten wird. Sie fällt aufgrund des steigenden Drahtwiderstandes durch die ohmsche Aufheizung (vgl. Kapitel 2.10.1). Damit wird das Potential schwächer und die Verteilung der gefangenen Atome dehnt sich aus. Zum anderen sind zusätzlich zu unserem Draht-Magnetfeld immer noch schwache Streumagnetfelder vorhanden. Diese zerstören die Symmetrie und die Eigenschaften des reinen 1/r Potentials. Als Folge verändern sich die Kepler-Bahnen um den Draht im Verlauf der Zeit, was sich in einem Anwachsen der Breite der Verteilung bemerkbar macht. Auf den Einfluß der Streumagnetfelder auf die Kepler-Orbits gehen wir im Detail in Kapitel 6.4 ein. 88 20 20 3 ms 10 0 0 −10 −10 −20 −20 −30 0 2 4 6 8 10 12 −30 14 Difference signal [a.u.] 20 10 ms 2 4 6 8 10 12 14 0 −10 −10 −20 −20 0 2 4 6 8 10 12 14 6 8 10 12 14 15 ms 10 0 6 8 10 12 −30 14 20 0 2 4 20 20 ms 10 0 −10 −10 −20 −20 0 2 4 25 ms 10 0 −30 0 20 10 −30 5 ms 10 6 8 10 12 −30 14 Location [mm] 0 2 4 Location [mm] Abbildung 6.11: Zeitentwicklung der radialen Verteilung. Dip und Peak können durch Gaußkurven beschrieben werden. Der sehr enge, große “dispersive” Peak in der Mitte zeigt den Ort des Drahtes. Dieser Peak kommt bei der Subtraktion des Hintergrundbildes zustande, da sich der Draht ein wenig verschiebt, je nachdem ob Strom durch ihn fließt oder nicht. 89 Breite des rep. Dips [mm] 5 4 3 2 1 00 5 10 Expansionszeit [ms] 15 Abbildung 6.12: Breite des repulsiven Dips als Funktion der Zeit. Die Breiten sind aus gaußförmigen Fits an die experimentellen Daten gewonnen worden. Breite der gefangenen Atome 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 5 10 15 20 25 30 Wechselwirkungszeit [ms] 35 40 45 Abbildung 6.13: Verbreiterung des Peaks der gefangenen Atome als Funktion der Zeit. Daß sich der Peak überhaupt verbreitert, läßt sich auf das Sinken des Drahtstroms und magnetische Streufelder zurückführen. Die Breiten wurden durch Anpassung von Lorentzkurven an die Peaks gewonnen. 90 Lorentz- oder Gaußkurve? Es ist nicht ganz einfach, absolute Werte für die Breiten in Abb. 6.12 und 6.13 anzugeben. Dies liegt daran, daß uns bisher unbekannt ist, durch welche theoretische Funktion der Peak und der Dip beim Fitten zu beschreiben sind. Wir haben in unseren Versuchen, die experimentellen Kurven zu beschreiben, zum Vergleich Gauß- und Lorentzkurven zum Fitten benutzt. Überraschenderweise finden wir, daß für lange Wechselwirkungszeiten (t > 20ms) die Verteilungen sehr gut durch Lorentzfunktionen beschrieben werden. Abb. 6.14 und 6.15 zeigt zwei typische, experimentell gemessene, radiale Verteilungen nach 10 und 20 ms Wechselwirkungszeit. In Abb. 6.14 geben beide, Gauß- und Lorentzfit, gute Fitresultate für die radiale Atomverteilung der gebundenen Atome. Der Dip wurde in beiden Fits durch eine Gauß’sche Glockenkurve beschrieben. Während der Dip für den Gaußfit streng den experimentellen Daten folgt, reicht der Dip des Lorentzfits tiefer und hat ausladende Flanken. Beide Fits liefern recht unterschiedliche Ergebnisse, wenn man Breiten und Amplituden der Kurven vergleicht. Dies erklärt die Unsicherheit bei der Bestimmung der Breiten der Verteilung in den ersten 10 ms. Abb. 6.15 zeigt die Verteilung im Atomleiter nach 20 ms Wechselwirkungszeit. Die ungebundenen Atome der MOT haben zum größtenteil ihrer Temperatur entsprechend die Wechselwirkungszone verlassen. Sie bilden nur noch ein dünnes homogenes Hintergrundgas. Auf diesem flachen Untergrund sitzt nun der Anteil der gebundenen Atome und ist leicht davon zu unterscheiden. Es zeigt sich hier, daß der zentrale Peak eher schlecht durch eine Gaußverteilung beschrieben wird. Die atomare Verteilung hat zu langreichweitige Flanken. Eine Lorentzverteilung dagegen liefert ein sehr gutes Ergebnis. In Monte-Carlo Rechnungen, in denen das Experiment mit etwa 107 klassischen Punktteilchen simuliert wurde, erhielten wir ganz ähnliche Verteilungen der Atome wie im Experiment. Diese Bilder und Kurven finden sich in Anhang D.2. Auch hier gilt, daß für Wechselwirkungszeiten > 15ms die Atomverteilungen sehr gut durch Lorentzkurven beschrieben werden. 91 Fluoreszenssignal [a.u.] 10 Lorentzfit 5 Gaußfit nach 10 ms 0 -5 -10 Dip für Gaußfit -15 -5 Dip für Lorentzfit 0 5 Abstand vom Draht [mm] Fluoreszenssignal [a.u.] Abbildung 6.14: Verteilung von Atomen zusammen mit Gauß- und Lorentzfit für den Peak. Der Dip wird in beiden Fällen durch einen Gaußfunktion beschrieben. 8 6 nach 20 ms 4 2 Lorentzfit und Daten Fit an Dip 0 -2 Gaußfit -4 -5 0 5 Abstand vom Draht [mm] Abbildung 6.15: Nach langen Wechselwirkungszeiten wird die Dichteverteilung der Atome recht gut durch eine Lorentzkurve beschrieben. 92 Anteil der geführten Atome [%] 14 12 10 8 6 4 2 0 0 10 20 30 40 Zeit in der Atome geleitet wurden [ms] Abbildung 6.16: Zeitlicher Verlust des Signals der gefangenen Atome im 1/r Potential. Datenpunkte = experimentelle Werte; Ausgezogene Linie = Rechnung (siehe Text). Anteil gefangener Atome Wir betrachten nun, wie sich die Anzahl der gefangenen Atome in unserem Atomleiter als Funktion der Zeit verhält. Die Fläche unter dem zentralen Peak sollte proportional sein zu dieser Anzahl. Abb. 6.16 zeigt dieses Signal in Abhängigkeit der Zeit. Die Fehlerbalken der Atomzahlen für kurze Wechselwirkungszeiten sind relativ groß. Das kommt, wie oben diskutiert, durch die Unsicherheit und Unkenntnis der funktionellen Form der Atomverteilung. Der Atomleiter scheint relativ schnell seine Atome zu verlieren! Schon nach 40 ms sind nur noch etwa 1/4 der Atome, die anfangs eingeladen wurden, zu sehen! Dies hat aber zunächst eine einfache Erklärung: Ein großer Teil der ‘Verluste’ ist in Wirklichkeit nur scheinbar. Die gefangenen Atome können sich nämlich in Richtung des Drahtes frei bewegen. Mit ihrer Geschwindigkeit von etwa σv = 50 cm/s verlassen sie recht schnell entlang des Drahtes die Fallenregion, wo der optische Nachweis der Atome stattfindet. Dieses Abwandern der Atome aus dem Detektionsgebiet wird noch zusätzlich verstärkt durch das Fallen der Atome im Gravitationsfeld. Der Draht ist in unseren Experimenten parallel zum Schwerefeld montiert. 93 Mathematisches Modell Beide ‘Verlust’-Effekte kann man relativ einfach mathematisch modellieren: Dazu nehmen wir an, N Atome sind im Atomleiter gebunden. Zur Zeit t = 0 befindet sich die Atomwolke bei zo (t) = 0 und besitzt in z-Richtung eine Gauß’sche Orts- und Geschwindigkeitsverteilung mit den Breiten σz bzw. σv . Diese Wolke fällt nun im Schwerefeld und expandiert gleichzeitig, sodaß sich folgende Dichteverteilung ρ(z) der Atome ergibt: 1 −(z − zo )2 ρ(z) = √ exp 2σz2 2πσz mit (6.6) σz2 (t = 0) + σv2 t2 1 = − gt2 , 2 σz = zo und wo g = 9.81m/s2 die Gravitationsbeschleunigung ist. Nehmen wir an, daß die Laserstrahlen homogen und auf den Bereich −B < z < +B eingeschränkt sind. Dann ist der Anteil AA (t) an Atomen, die zur Zeit t noch detektiert werden, gegeben durch B AA = −B B + zo 1 ρ(z) dz = Erf √ 2 2σz B − zo − Erf √ 2σz , (6.7) wobei Erf(x) die Errorfunktion ist. Der Anteil AA (t) ist in Abb. 6.16 als durchgezogene Linie eingetragen worden. Er erklärt einen großen Teil des verlorenen Signals. Trotzdem gehen die Atome immer noch um einen Faktor 2 schneller verloren, als erwartet. Hier spielt sicherlich wieder eine Rolle, daß der Strom durch den Draht im Laufe der Zeit sinkt, und zwar auf etwa 75% seines Ausgangswertes nach 40 ms. Zusätzlich spielen Streumagnetfelder eine Rolle, die, wie wir in Kapitel 6.4 sehen werden, die Keplerellipsen um den Draht immer exzentrischer werden lassen, bis schließlich die Atome auf den Draht stürzen und dort der Falle verloren gehen. Magnetische Offsetfelder Wir haben in ersten Versuchen, die Abhängigkeit der Fallenstabilität von magnetischen Offsetfeldern experimentell untersucht. Dies ist in Abb. 6.17 dargestellt. Eine Abhängigkeit der Anzahl gebundener Atome von angelegten Offsetfeldern nach 20 ms Wechselwirkungszeit ist klar zu erkennen. Je größer das magnetische Offsetfeld ist, desto schneller gehen Atome verloren. Die Sensitivität auf Streumagnetfelder scheint laut Abbildung nicht sehr hoch zu 94 4.5 Signal [a.u.] 4 3.5 3 2.5 Linie für das Auge 2 1.5 -0.5 0 0.5 1 Magnetisches Offsetfeld [Gauß] Abbildung 6.17: Experimentelle Stabilität der Falle als Funktion von angelegten Offset-Feldern. Es wurde das atomare Signal der im Leiter gebundenen Atome gemessen nach einer Wechselwirkungszeit von 20 ms. sein, da sich anhand der Kurve der Offset-Nullpunkt nur auf etwa 100 mGauß genau angeben läßt. Dies kann allerdings täuschen, da bei diesen Messungen das magnetische Offsetfeld nie richtig kompensiert wurde. Das bedeutet, daß in Abb. 6.17 wahrscheinlich selbst bei “Offsetfeld = 0” noch ein Magnetfeld vorhanden war. Laden bei verschiedenen Strömen und Temperaturen Abb. 6.18 zeigt den Anteil der Atome der MOT, die in den Atomleiter eingefangen wurden und nach 20 ms Leiten noch detektiert werden konnten. Dieser Anteil wächst mit der Stromstärke im Draht. Die durchgezogene Kurve stammt aus einer Rechnung für typische Fallenparameter, die in y-Richtung auf den höchsten Datenpunkt skaliert wurde. Es ist deutlich erkennbar, daß die theoretische Kurve für schwache Ströme überproportional mehr gebundene Atome vorhersagt, als im Experiment gemessen wird. Für schwache Ströme unterhalb von 0.2 A bricht in unseren Experimenten die Funktionalität des Atomleiters ganz zusammen. Dies mag an magnetischen Streufeldern liegen, die, wenn sie von der gleichen Stärke sind wie das Drahtmagnetfeld, das Laden der Atome unmöglich machen. Außerdem verursachen die magnetischen Streufelder eine Destabilisierung der Keplerbahnen und Atome 95 4 Sichtb. Gefang. Atome [%] Sichtb. Gefang. Atome [%] 5 4 Theorie 3 2 Daten 1 0 0 0.5 1 1.5 3 2 1 0 200 400 600 Temperatur [µK] Drahtstrom [A] Abbildung 6.18: Anteil gefangener (sichtbarer) Atome in Abhängigkeit des Stromes durch den Draht nach 20 ms Wechselwirkungszeit. Die Theorie sagt für kleine Ströme mehr gefangene Atome voraus, als tatsächlich gemessen werden. Abbildung 6.19: Anteil gefangener (sichtbarer) Atome in Abhängigkeit der Temperatur nach 20 ms Wechselwirkungszeit. Experimentelle Daten und theoretische Kurve. werden auf dem Draht absorbiert. In anderen Experimenten wurde untersucht, wie der Anteil gefangener Atome von ihrer Temperatur abhängt. Die Einfangseffizienz sollte umgekehrt zur Temperatur skalieren, da ein Atom gebunden wird, falls für die Gesamtenergie E < 0 gilt. Daten für drei verschiedene Temperaturen sind in Abb. 6.19 zu finden. Es ist deutlich abzulesen, daß Atomwolken am besten eingefangen werden, wenn sie kalte Temperaturen haben, also aus langsamen Atomen bestehen. Die durchgezogene Kurve in Abb. 6.19 stammt aus einer Monte Carlo Rechnung und wurde in y-Richtung auf die Daten skaliert. Die Qualität der gezeigten experimentellen Daten ist noch nicht sehr gut, da sie von ersten “Sondierungsexperimenten” stammen, in denen wir uns einen Überblick über die Natur des Keplerleiters verschaffen wollten. Sie werden in nachfolgenden Arbeiten unter verbesserten Bedingungen noch einmal im Detail studiert. 6.2 Atome in Donuts Um die Bewegung der Atome im Keplerleiter genau zu verstehen, ist es notwendig, die Geschwindigkeitsverteilung und die Temperatur der Atome inner96 800 Atomverteilung [a.u.] 10 9 ms freie Expansion 5 Draht 0 -5 0 Position [mm] 5 Abbildung 6.20: Ein Schnitt durch die Atomdichteverteilung des expandierenden Donuts. Das “Donut-Loch” in der Mitte zeigt, daß keine Atome mit verschwindender Geschwindigkeit im Kepler-Leiter vorhanden sind. Diese Atome stürzen nämlich auf den Draht und sind dadurch verloren. halb des Leiters zu studieren. Eine Antwort auf diese Fragen kann man sich experimentell beschaffen, indem man die Atome in den Leiter lädt und sie etwa 10 ms lang darin propagieren läßt. Nach dieser Zeit hat der größte Teil der ungebundenen Atome das Beobachtungsfeld verlassen und der Strom durch den Draht wird ausgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt expandiert die Atomwolke aus dem Leiter ballistisch, ihrer Geschwindigkeitsverteilung entsprechend. Nach ein paar Millisekunden freier Expansion konvertiert sich so die Geschwindigkeitsverteilung der Atome in eine räumliche Dichteverteilung. Abbildung 6.21 zeigt die Ausdehnung der Atomwolke des Keplerleiters als Funktion der Zeit. Es bildet sich interessanterweise eine ringförmige Struktur aus! Abb. 6.20 zeigt einen Schnitt durch das Zentrum des Ringes nach 9 ms Expansion. Offensichtlich gibt es keine Atome mit verschwindender Geschwindigkeit. Dies hat eine einfache Erklärung: Atome mit Geschwindigkeit Null können im Atomleiter nicht existieren, sie würden sofort ins Zentrum (auf den Draht) fallen. Um stabil gebunden zu werden, müssen die Atome um den Draht zirkeln. Dazu benötigen sie ein Minimum an Drehimpuls und Geschwindigkeit. Aus den Bildern kann außerdem eine Abschätzung für die “Temperatur” der Teilchen gewonnen werden, die im eigentlichen Sinne nicht mehr definiert ist, 97 0 ms 1 ms 3 ms 5 ms 7 ms 9 ms Abbildung 6.21: Temperaturmessung der Atome aus der Keplerfalle. Nach wenigen ms freier Expansion konvertiert sich die Geschwindigkeitsverteilung des Keplerleiters in eine Ortsverteilung. Die Falle expandiert Donut-förmig! 98 da die Geschwindigkeiten der Atome nicht mehr einer Gauß’schen Verteilung gehorchen. Die Atome aus dem Leiter bewegen sich sehr langsam und die Wolke expandiert mit nur etwa 20 cm/s. Dies würde in einer Gauß’schen Verteilung einer Temperatur von etwa 40 µK entsprechen! Stabilität Bevor wir fortfahren mit theoretischen Betrachtungen und ergänzenden Rechnungen sollte an diesem Punkt noch einmal ein experimenteller Aspekt beleuchtet werden: Wo liegen Schwierigkeiten in den Leiter-Experimenten? Für quantitative Messungen muß das Lasersystem über lange Zeiten stabil arbeiten, damit die Anzahl der Atome und ihre Fluoreszenz keinen Schwankungen unterliegt. Dies ist umso wichtiger, weil in unserer Datenanalyse immer verschiedene CCD Bilder voneinander subtrahiert werden. Schwankungen und Drifts werden damit verstärkt und können das Bild der Atomverteilung stark verzerren. Ebenfalls stellt sich die Kontrolle der Streufelder als nicht ganz einfach heraus. Für viele andere Alkalimetalle in magneto-optischen Fallen lassen sich magnetische Offsetfelder über die Temperaturmessungen kompensieren: Beim Polarisationsgradientenkühlen von Atomen ist die End-Temperatur sehr sensitiv auf Streumagnetfelder. Kalte Temperaturen werden nur bei sehr niedrigen Magnetfeldern von einigen mGauß erreicht. Im Fall von Lithium funktioniert aber die Technik des Polarisationsgradientenkühlens nicht (vgl. Kapitel 2.8). Eine weitere Methode das Magnetfeld zu kompensieren, besteht darin, eine atomare Melasse zu betreiben2 . Ist ein Magnetfeld vorhanden, so driftet die optische Melasse als Ganzes. Allerdings bewirkt auch ein Ungleichgewicht in den Lichtintensitäten der kontrapropagierenden Laserstrahlen eine Drift. Da sich in unserem Fallenaufbau die Intensitäten der hin- und rücklaufenden Laserstrahlen aufgrund von Reflexion an Oberflächen und Absorption um bis zu 15% unterscheiden, liefert deshalb eine Magnetfeldkompensation über die Drift der Melasse keine guten Ergebnisse. Wir gehen momentan von magnetischen Streufeldern in der Größenordnung von 50 mGauß aus. Selbst wenn man eine Methode hat, das Magnetfeld am Ort der MOT gut zu kompensieren, so wird es dennoch schwierig sein, auch eventuelle Magnetfeld-Gradienten zu beseitigen. Da sich im Experiment die Atome entlang des Drahtes ausbreiten, sollte auf der gesamten Länge kein Streufeld existieren. Als Lösung bietet sich dann eigentlich nur eine µ-Metall Abschirmung an, die Streumagnetfelder nicht ins Innere der 2 Atome werden in Lichtfeldern ohne magnetisches Quadrupolfeld gehalten. 99 Vakuumapparatur gelangen läßt. Eine gute µ-Metall Abschirmung verträgt sich aber wiederum nicht mit einem guten optischen Zugang der Fallenregion. 6.3 Simulationsrechnungen zum 1/r Potential In diesem Abschnitt werden einige Ergebnisse aus Monte-Carlo Rechnungen vorgestellt mit denen quantitative Vorhersagen gefunden werden können, etwa zur Anzahl der in der Drahtfalle eingefangenen Atome. In den Simulationen werden Ort und Anfangsgeschwindigkeit der Atome gewürfelt. Durch Berechnung des Drehimpulses, Energie und Bahnform für jedes Teilchen lassen sich dann Informationen extrahieren. Wir gehen bei den Rechnungen von realistischen Anfangsparametern aus, die bei unseren Experimenten mit der Falle auftraten. Diese sind: • Die Atome aus der magneto-optischen Falle haben eine Temperatur von etwa 200 µK, was einer Geschwindigkeitsbreite von σvx,y,z = 50 cm/s entspricht. • Die räumliche Verteilung der Fallenwolke gehorcht zum Zeitpunkt des Einladens einer gauß’schen Glockenkurve mit einer Breite von etwa σx,y,z = 0.7 mm. • Die Lithiumatome befinden sich alle gleichverteilt im Grundzustand: (F = 1 mit mF = −1, 0, 1 und F = 2 mit mF = −2, −1, 0, 1, 2 ). Prinzipiell erfahren nur 3 der 8 Grundzustände (die ‘high field seekers’) eine zum Draht hin anziehende Kraft, dies sind 37 % der Teilchen. Um im Leiter gebunden zu werden, muß die Gesamtenergie E < 0 sein, sodaß anfangs 21% aller Atome eingeladen werden. Unter diesen sind allerdings viele mit Orbits, die während eines Umlaufs den Draht treffen und dort absorbiert werden. Am Ende bleiben schließlich noch typischerweise 14 % aller Atome, die auf stabilen Kepler-Bahnen den Draht umkreisen. Das Histogramm in Abb. 6.22 zeigt eine Auflistung der Atome im Leiter mit ihren jeweiligen Orbitzeiten. Die vollen Balken gehören zu Atomen mit stabilen Bahnen. Dahinter (leere Balken) die Werte für alle Atome, die anfangs eingefangen werden. Die Säule ganz rechts faßt als “Endsäule” alle weiteren Säulen, die rechts von ihr zu finden wären, zusammen. Die Rechnung wurde mit 80000 Teilchen durchgeführt. Jedem Grundzustandsniveau entspricht also eine Population von 10000 Atomen. Auf der y-Achse der Abbildung 6.22 sind die Atomzahlen der Rechnung eingetragen. Etwa 30 % der 100 4500 4000 3500 Atomanzahl 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 0 5 10 15 20 Zeit für einen Drahtumlauf [ms] 25 Abbildung 6.22: Umlaufszeiten der geführten Atome. Die leeren Balken des Histogramms geben die Statistik der Atome wieder, die anfangs in den Leiter eingefangen werden. Die vollen Balken zeigen den Anteil dieser Atome, die nicht auf den Draht stürzen werden. stabil eingefangenen Atome brauchen weniger als 5 ms für einen Orbit. 6% schaffen es sogar in 1 ms. Die Differenz zwischen vorderer und hinterer Säule gibt die Anzahl der absorbierten Atome an. Vor allem Bahnen mit kurzen Umlaufszeiten sind von der Kollision mit dem Draht betroffen. Das erkennt man auch in Abb. 6.23. Hier ist der Zeitverlauf der Absorption aufgetragen nach dem Einladen der Atome in den Leiter zum Zeitpunkt t = 0. Schon in den ersten 2 ms treffen faktisch alle Atome, die dem Draht “geweiht” sind auf ihn auf. Danach findet ein praktisch verlustfreies Leiten entlang des Drahtes statt. Abb. 6.24 zeigt die Verteilung des Betrages der Geschwindigkeit |v| = + vy2 . Die leeren Balken zeigen die Geschwindigkeitsverteilung der Atome innerhalb der magneto-optischen Falle, die zum Zeitpunkt t = 0 in den Keplerleiter eingeladen wird. Von diesen Atomen wird nur ein kleiner Teil vom Keplerleiter gebunden (dunkle Balken). Die Verteilung hat sich verschmälert. Atome mit zu großer Geschwindigkeit entkommen dem Potential wegen ihrer zu großen Energie. Atome mit einer sehr niedrigen Geschwindigkeit stürzen auf den Draht, denn für diese ist der Drahtradius größer als die Drehimpulsbarriere. Dieses Phänomen wurde experimentell in Abb. 6.20 auf Seite 97 bestätigt: Die gebundene Atomwolke des Keplerleiters expandierte ringförmig nach dem Ausschalten des Stroms durch den Draht. vx2 101 2000 3500 1800 3000 1400 Atomanzahl Anzahl absorbierter Atome 1600 2500 2000 1500 1200 1000 800 600 1000 400 500 200 0 0 5 10 15 20 0 0 25 0.5 Zeit [ms] Abbildung 6.23: Gezeigt wird, wann und wieviele Atome nach dem Laden des Leiters auf den Draht treffen. Die Absorption der Atome mit auf den Draht treffenden Orbits findet in den ersten zwei Millisekunden statt. 1 Geschwindigkeit [m/s] 1.5 2 Abbildung 6.24: Verteilung des 2 Geschwindigkeitsbetrages vx + vy2 . Die Verteilung der MOT (leere Balken) wird durch das Einladen in den Keplerleiter verschmälert. Atome mit zu hoher und zu niedriger Energie haben keine stabilen Bahnen. 2500 4000 3500 2000 1500 Atomanzahl Atomanzahl 3000 1000 2500 2000 1500 1000 500 500 0 0 1 2 3 4 5 6 Abstand Aphel / Draht [mm] 7 0 0 8 Abbildung 6.25: Die Häufigkeitsverteilung des Aphels, dem größten Abstand der Bahnkurve vom Draht. Man erkennt, daß die meisten im Leiter gefangenen Atome innerhalb eines Bereiches von 2 mm lokalisiert sind. 2 4 6 8 10 Achsenverhältnis der Ellipse (a / b) 12 Abbildung 6.26: Gezeigt wird das Verhältnis großer Halbachse a zu kleiner Halbachse b der Keplerorbits. Ein Großteil der Orbits ist kreisähnlich. 102 Abb. 6.25 und 6.26 geben Informationen zur Ortsverteilung der Atome im magnetischen Keplerleiter. Aufgetragen ist der Drahtabstand zum Aphel, dem Punkt der Bahn mit der größten Entfernung zum Draht. Dort ist die Geschwindigkeit der Atome am langsamsten und ihre Aufenthaltswahrscheinlichkeit am größten. Obwohl sich die meisten Atome innerhalb eines Bereiches von 2 mm aufhalten, zieht es einen beträchtlichen Teil der Teilchen auf lange “Kometenbahnen”. Über die Form der Keplerellipsen gibt Abb. 6.26 Auskunft. Aufgetragen ist das Verhältnis von großer Halbachse a zu kleiner Halbachse b. (Dieses Verhältnis kann nie kleiner als eins sein.) Ist a/b = 1 so ist der Orbit kreisrund. Deutlich ist zu sehen, daß nur wenige Atome auf stark exzentrischen Bahnen um den Draht kreisen. Diese Atome werden nämlich zum großen Teil auf dem Draht absorbiert. 103 6.4 Magnetische Streufelder Sind neben dem von dem Draht erzeugten Magnetfeld noch magnetische Streufelder vorhanden, so hat das Drahtpotential nicht mehr die 1/r Form. Dementsprechend ändern sich auch alle Orbits der Atome um den Draht und es treten neue Effekte auf. Der allgemeine Fall für ein Potential, das sich aus einem zylindersymmetrischen Magnetfeld (Draht) und einem homogenen Offsetfeld ergibt, ist analytisch nicht exakt lösbar. Wir gehen im Folgenden davon aus, daß die magnetischen Streufelder schwach sind im Vergleich zum Magnetfeld des Drahtes, und betreiben Störungsrechnung. In dem resultie aus Offset und Drahtanteil, renden Magnetfeld B − sin(φ) BxO B D = B cos(φ) + 0 , r 0 BzO (6.8) können wir aus Symmetriegründen auf einen Offset-Anteil ByO senkrecht zum Draht verzichten. Die Felder entlang des Drahtes, BzO , und senkrecht dazu, BxO , besprechen wir nacheinander, da sich ein unterschiedliches Verhalten ergibt. In beiden Fällen wird von der adiabatischen Approximation Gebrauch gemacht, sodaß der Spinfreiheitsgrad des Atoms eliminiert wird. Das Wechselwirkungspotential schreibt sich damit, = −µB, Vint = −gF mF µB |B| (6.9) sodaß wir es mit einem skalaren, konservativen Potential Vint zu tun haben. Die Energie E der Atome ist somit eine Erhaltungsgröße. In den folgenden Abschnitten werden Näherungen mit numerisch berechneten Bahnkurven verglichen. Es wurden dazu die Bewegungsgleichungen in Zylinderkoordinaten numerisch gelöst, pr ∂H , = ∂pr M Lz ∂H = , φ̇ = + ∂Lz Mr 2 L2 ∂H ∂B = z3 + µ , ṗr = − ∂r Mr ∂r ∂B ∂H L̇z = − =µ . ∂φ ∂φ ṙ = + (r, pr ) und (φ, Lz ) sind zueinander kanonisch konjugierten Variablen. 104 (6.10) y−Achse [mm] 0.4 0.2 0 −0.2 −0.5 0 x−Achse [mm] 0.5 Abbildung 6.27: Läuft das magnetische Offsetfeld parallel zum Draht tritt eine Präzession der Kepler Ellipsen um den Draht auf. In diesem Beispiel wurde ein Offsetfeld von 2 Gauß mit dem Feld des Drahtes (1 A Strom = ˆ 2 Gauß in 1 mm Abstand vom Draht) kombiniert. Das Atom startet bei x = 0.5 mm mit einer Geschwindigkeit von 28 cm/s. 6.4.1 Magnetfeld entlang des Drahtes Ist das magnetische Offsetfeld entlang des Drahtes gerichtet, so ergibt sich für B B= 2 BD 1 (BzO )2 r BD O )2 ≈ + (B . + z r2 r 2 BD (6.11) Das sich daraus ergebende Wechselwirkungspotential Vint hat Zylindersymmetrie und der Drehimpuls Lz ist damit erhalten. Die klassischen Bahnkurven im gestörten Potential werden immer noch ellipsenähnlich sein, aber es kommt eine Präzession der Ellipse um die Drahtachse hinzu (siehe z.B. das Lehrbuch von Landau-Lifshitz [Lan87]). In Abb. 6.27 ist eine solche Präzession dargestellt. Die Geschwindigkeit der Präzession kann man erhalten durch Betrachtung der Periheldrehung (Perihel = Bahnpunkt, der dem Draht am nächsten liegt) pro Umlauf um den Draht. Man setzt Vint = − µBD + δV. r 105 (6.12) In erster Näherung ergibt sich dann nach einem Umlauf eine Drehung der Ellipsenachse um den Winkel ∆φ ∂ 2M ∆φ = ∂Lz Lz π r 2 δV dφ . (6.13) 0 Wir setzen δV = 0.5µ(BzO )2 r/BD aus Gleichung (6.11) ein und benutzen für r die Ellipsenbahnkurve P r= , (6.14) 1 + e cos φ wo P = L2z /(M µ BD ) (6.15) der Parameter und e= 1 + 2 P E/(µ BD ) (6.16) die Exzentrizität der Bahn ist. Man erhält damit (BzO )2 (BzO )2 P2 √ = πab, (6.17) 2 2 BD BD ( 1 − e2 )3 √ wo a = P/(1−e2 ) und b = P/ 1 − e2 die lange und kurze Halbachse der Keplerellipse bedeuten. Setzt man in diesen Ausdruck typische Bahnparameter für unser Experiment ein und erlaubt ein Offsetfeld von 100 mGauß, so ergeben sich Präzessionen von etwa 0.5 Grad pro Umlauf. Ist also das Magnetfeld gut kompensiert, sollte die Präzession nicht zu beobachten sein. Allerdings geht das Offsetfeld Bz0 quadratisch in ∆φ ein und durch Vergrößerung von Bz0 kann sehr wohl ein Regime erreicht werden, indem die Präzession bereits nach wenigen Umläufen beobachtbar wird. ∆φ = π 6.4.2 Magnetfeld senkrecht zum Draht Ist das Offsetfeld senkrecht zum Draht gerichtet, BxO = 0, so schreibt sich das resultierende gesamte Magnetfeld B B = ≈ 2 B BxO BD O )2 − 2 D sin φ + (B x r2 r BD − BxO sin φ. r (6.18) (6.19) Die explizite Winkelabhängigkeit (φ) des Magnetfeldes zerstört die Zylindersymmetrie des Potentials Vint und der Drehimpuls Lz ist damit nicht mehr 106 erhalten3 . Man zeigt dies durch einen Blick auf die Hamiltonfunktion p2r L2z p2 − µB = + − µB, H= 2M 2M 2Mr 2 (6.20) wo (pr , r) und (Lz , φ) zueinander konjugierte Variablen sind. Es gilt dann ∂H dLz =− ≈ −µBxO cos φ. dt ∂φ (6.21) Diese Differentialgleichung spielt in den folgenden Diskussionen eine zentrale Rolle. Durch Diskussion von Gl. (6.21) werden wir qualitativ die Bewegungen und Veränderungen der Orbits im 1/r Potential mit senkrechtem Offsetfeld klassifizieren und verstehen lernen. Aus Gleichung (6.21) folgt, daß die Änderung des Drehimpulses auf einfache Weise ortsabhängig ist! Falls BxO > 0 so nimmt rechts von der y-Achse der Drehimpuls ab, während er links der y-Achse eine Verstärkung erfährt. Liegt eine Keplerellipse wie in Bild 6.28 (Kurve a) mit ihrer langen Halbachse entlang der x-Achse, so ergibt sich folgendes Bild. Das Atom verbringt wegen der Asymmetrie seiner Bahn die längste Zeit in der rechten Halbebene und nur eine recht kurze Zeit im linken Teil des Koordinatenkreuzes. Dies führt zu einer steten Verkleinerung seines Drehimpulses. Was bedeutet dies? Das Atom wird in erster Näherung immer noch Keplerellipsen um den Draht herum beschreiben, da die Offset-Störung im Vergleich zum 1/r Potential nach Voraussetzung klein ist. Jedoch werden sich die Eigenschaften des Kepler-Orbits stetig verändern. So ist zum Beispiel die kleine Halbachse b explizit vom Drehimpuls abhängig. Sinkt Lz so sinkt auch b, b = √ Lz P . = 1 − e2 2M|E| (6.22) Die lange Halbachse a und die Umlaufszeit T hingegen sind nur von der konstanten Energie E abhängig und bleiben auf diese Weise unverändert. µBD P , = 2 1−e 2|E| m T = πµBD . 2|E|3 a = (6.23) (6.24) Im Verlauf der Zeit wird die Ellipse immer schlanker werden, und ihre Exzentrizität, 2ELz e= 1+ , (6.25) M(µBD )2 3 Die Energie des Atoms ist aber immer noch ein Integral der Bewegung. 107 c y−Achse [mm] 0.4 0.2 b a 0 −0.2 −0.4 −0.2 0 0.2 x−Achse [mm] 0.4 0.6 Abbildung 6.28: Bewegungen der Orbits im Offsetfeld. Das Atom startet für den jeweiligen Orbit bei x = 0.5 mm von einer der Achsen mit einer tangentialen Geschwindigkeit von 28 cm/s. Je nach Lage der Ellipse schnürt sich der Orbit zusammen, bläht sich auf oder präzediert. 108 steigt. Der Ort des Perihels, rmin = a(1 − e), wandert auf den Draht zu und schiebt den Aphel (rmax = a(1 + e)) um den gleichen Betrag nach außen. Dies geht solange gut, bis das Teilchen früher oder später auf den Draht mit seinem endlichen Radius auftrifft und dort der Falle verloren geht. Liegt die lange Halbachse der Ellipse auf der x-Achse, aber auf der rechten Halbebene (Kurve b), so wird zunächst der Drehimpuls des Atoms steigen! b steigt, die Exzentrizität e sinkt und die Ellipse wird schließlich kreisförmig um den Draht zentriert sein. Doch zuviel der Hoffnung — auch dieser Orbit geht seinem Verderben entgegen — er wandert weiter in die rechte Halbebene wo das Atom schließlich auf dem Draht landen muß. Betrachten wir nun eine Ellipse, deren lange Halbachse a auf der y-Achse zu liegen kommt (Kurve c). Wegen der Symmetrie der Kepler-Bahn verbringt das Teilchen die gleiche Zeit rechts wie links der y-Achse. Nach einem vollen Umlauf um den Draht sollte dann auf das Atom kein Netto Drehimpuls übertragen sein, er ist im Durchschnitt erhalten. Das bedeutet auch, daß sich die Form der Keplerellipse nicht verändern sollte. Dies ist nach Abb. 6.28 (c) tatsächlich der Fall. Jedoch tritt eine Präzession der Bahn auf. Abb. 6.29 macht dies verständlich. Läuft das Atom auf der linken Seite der y-Achse, so y-Achse Kleines Lz Großes Lz x-Achse Magnetfeldrichtung Abbildung 6.29: Anschauliche Erklärung der Präzession. wächst in dieser Zeit sein Drehimpuls Lz und damit wächst auch die kleine Halbachse b (die Breite der Ellipse). Deswegen sollte die Ellipse etwas weiter in die rechte Hälfte der Halbebene (x > 0) reichen, als der durchschnittliche Drehimpuls vorgibt. In der rechten Halbebene geht der Drehimpuls wieder verloren und die Breite der Ellipse nimmt ab. Es ergibt sich wie aus Abb. 6.29 ersichtlich eine Nettodrift des Aphels der Keplerellipse nach rechts — die Ellipse präzediert. 109 Quantitative Betrachtung Nun wollen wir eine quantitative Betrachtung anstellen, die uns die Frage beantwortet, wie schnell die Atome Ihren Drehimpuls Lz verlieren und präzedieren. Hätte man φ(t) des Atoms für seine Keplerbahn, so ließe sich Gl. (6.21) einfach integrieren. Geht man z.B. von einer ursprünglich zirkulären Bahn des Atoms um den Draht aus, so ist φ = ωt. Dann ergibt sich für Lz unter der Benutzung von (6.21) in der ersten Näherung − Lz ≈ LKepler z µBxO cos(ωt). ω Solche periodischen Variationen des Drehimpulses Lz während eines Umlaufs zeigen auch numerische Lösungen der Bewegungsgleichungen (6.10) (siehe z.B. Abb. 6.30). Unglücklicherweise kann φ(t) nur in impliziter Form für Keplerbahnen angegeben werden. Dazu ist es sinnvoll, folgende Parameterdarstellung zu benutzen: Wir führen den Winkel ξ ein, der in Abb. 6.32 anschaulich dargestellt wird. Das Drehzentrum von ξ liegt im Mittelpunkt der Ellipse. Ist ξ = 0, so befindet sich das Atom im Perihel (drahtnächster Punkt). Bei ξ = π befindet sich das Atom im Aphel. Die komplette Lösung der Kepler-Bahnkurve ist im folgenden Satz von Gleichungen als Funktionen des Winkels ξ gegeben. Ma3 (ξ − e sin ξ) µBD r = a(1 − e cos ξ) x = −a(cos ξ − e) √ y = −a 1 − e2 sin ξ t = (6.26) (6.27) (6.28) (6.29) Im Folgenden wird nicht mehr die Größe dLz /dt wie in Gl. (6.21) betrachtet, sondern die Ableitung des Drehimpulses nach dem Winkel ξ, also dLz /dξ. Dazu gehen wir von einer Ellipse aus, deren lange Halbachse a in die Richtung des Magnetfeldes zeigt (vgl. Abb. 6.32). Es ist dann dt dLz = (−µBxO ) cos φ, dξ dξ Ma3 dt = (1 − e cos ξ). dξ µBD (6.30) Der cos φ in Gl. (6.30)läßt sich ausdrücken durch cos φ = cos ξ − e x =− . r 1 − e cos ξ 110 (6.31) Lz / M [mm2 / ms] 0.283 0.282 0.281 0 5 10 15 Zeit [ms] 20 25 30 Abbildung 6.30: Der Drehimpuls Lz ändert sich periodisch während das Atom um den Draht läuft. In diesem Beispiel liegt die lange Bahnachse a der Keplerellipse senkrecht zum Offsetmagnetfeld (d.h. entlang der y-Achse; dies entspricht Fall c) in Abb. 6.28). Abgesehen von den periodischen Bewegungen des Drehimpulses ist noch eine langsame Drift zu erkennen. 0.16 Lz / M [mm2 / ms] 0.17 0.15 0 5 10 15 Zeit [ms] 20 25 30 Abbildung 6.31: Liegt die lange Bahnachse a des Keplerorbits auf der x-Achse (Fall a)und b) in Abb. 6.28), so gibt es vor allem eine lineare Änderung des Drehimpulses. 111 y-Achse Perihel b φ ξ Aphel a x-Achse Abbildung 6.32: Definition des Winkels ξ. Setzen wir das in Gl. (6.30) ein, so kann man leicht über den Winkel ξ integrieren und erhält Lz = const − µBxO a b M (eξ − sin ξ). Lz (6.32) Der Drehimpuls zeigt also eine lineare Abnahme, die mit einer periodischen Variation überlagert ist. Auf ähnliche Weise läßt sich der Fall auswerten, wenn die Ellipse mit ihrer langen Halbachse a senkrecht zum Magnetfeld steht. In diesem Fall wählt man cos φ = y/r und erhält nach Einsetzen und Integration Lz = const − µBxO a b M √ 1 − e2 cos ξ. Lz (6.33) Wie in der qualitativen Besprechung vorweggenommen, ändert sich der Drehimpuls im Durchschnitt nicht, er zeigt nur Variationen innerhalb einer Drahtumrundung. Man kann aus Gl. (6.33) eine grobe Abschätzung gewinnen für die Stärke der Präzessionsbewegung des Orbits. Für diese Abschätzung greifen wir auf das anschauliche Bild 6.29 zurück, daß die Apheldrehung plausibel macht. Dazu vergleicht man die Verschiebung des Aphels ≈ 2∆b = 2∆Lz / 2M|E| (siehe Formel (6.22)) während einer Umdrehung mit dem Abstand des Aphels vom Draht rmax = a(1 + e). Der Winkelschub δφ pro Umlauf ergibt sich dann näherungsweise zu δφ = ∆Lz 2b BxO 2∆b = =− . 2a BD a 2M|E| 112 (6.34) Vergleicht man diese Abschätzung mit Werten aus numerischen Rechnungen, so wird die Periheldrehung durch Gl. 6.34 um einen Faktor 3 bis 4 unterschätzt. Mit einem 100 mGauß großen Offsetfeld und einem Drahtstrom von 1 Ampere, weisen Keplerellipsen mit einer kleinen Halbachse b von 0.5 mm eine Präzession von ein paar Grad pro Umrundung auf. Nach den vorangegangenen Rechnungen kann man die Bewegung der Ellipse nun auch berechnen für eine beliebigen Winkel θ zwischen der langen Halbachse a und der Magnetfeldrichtung (siehe Abb. 6.33). Die Aufgabe ist, in Gl. (6.30) einen Ausdruck für cos φ in ξ-Koordinaten anzugeben. Dazu benutzen wir die Darstellung der auf der x-Achse liegenden Ellipse, x(ξ) V (ξ) = (6.35) y(ξ) und drehen diesen Vektor um den Winkel θ, sodaß die Ellipse auf der x-Achse in die gedrehte übergeht, Ṽ (ξ) = D · V (ξ) = cos θ − sin θ sin θ cos θ x(ξ) y(ξ) . (6.36) Aus x y Ṽ (ξ) · êx = cos θ − sin θ (6.37) r r r ergeben sich dann zwanglos die Ausdrücke für dLz /dξ und Lz als Linearkombination der beiden oben besprochenen Fälle. cos φ = y-Achse Abb. 6.34 zeigt eine erste experimentelle Beobachtung einer Bewegung (Verschiebung) des Fallenschwerpunkts relativ zum Draht. Um solche Wanderungen des Falle zu beobachten, wird die Falle seitlich vom Draht eingeladen. Dementsprechend sind die Keplerbahnen der im Potential gebundenen ~ V θ V x-Achse Abbildung 6.33: Die Ellipse steht im Winkel θ zur Magnetfeldrichtung. 113 Atome exzentrisch und der Fallenschwerpunkt befindet sich seitlich des Drahtes. Wie in Abb. 6.34 zu sehen ist, ist der Schwerpunkt der Falle 20 ms nach dem Einladen der Atome auf die andere Seite des Drahtes gewandert. Detaillierte quantitative Untersuchungen zur Periheldrehung in magnetischen Offsetfeldern stehen noch aus. Die Offset-Magnetfelder im Vakuumsystem können bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr gut kontrolliert werden, daher wird wahrscheinlich die Bewegung der Orbits in Abb. 6.34 durch eine Mischung von Offsetfeldern von wenigen 100 mG aus verschiedenen Richtungen zu Stande gekommen sein. 0.6 Fallenabstand [mm] 0.4 Linie für's Auge 0.2 0 Ort des Drahtes -0.2 -0.4 0 10 20 30 Wechselwirkungszeit [ms] 40 Abbildung 6.34: Beobachtung der Bewegung des Fallenschwerpunktes. Lädt man die Falle in unseren Experimenten etwas seitlich versetzt in den Keplerleiter ein, so läßt sich eine langsame Bewegung des Atomwolkenschwerpunkts in Bezug auf den Draht feststellen. Von schwachen zu starken Offsetfeldern In Abb. 6.35 sind verschiedene gerechnete Trajektorien um den Draht (1 A) für Offsetfelder von 10, 100 und 1000 mGauß zu einer Übersicht zusammengestellt. Das Magnetfeld zeigt entlang der x-Achse. In den drei Beispielen startet das Atom bei x = 0.25mm mit einer Geschwindigkeit von ẏ =1 m/s. Bei 10 mGauß hat das Offsetfeld kaum einen Einfluß auf die Bahn, während bei 100 mGauß das Atom nach 35 ms auf den Draht fällt (Lz = 0). Für starke Offsetfelder von 1 Gauß ist die Bewegung des Atoms äußerst kompliziert. 114 Offset-Magnetfeld: 0.01 Gauß A L 0.25 0.2 0.2 x [mm] -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.1 -0.2 Zeit [ms] -0.4 B 10 y [mm] 20 40 0.1 Gauß L 0.25 0.2 0.4 30 0.15 0.2 0.1 -1 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.05 0.2 Zeit [ms] -0.2 10 20 30 40 -0.05 -0.4 C y [mm] L 1 0.1 0.6 5 0.2 -1.5 -1 -0.5 -0.2 1.0 Gauß 0.2 10 15 20 25 30 -0.1 0.5 1 x [mm] 1.5 -0.2 -0.3 Zeit [ms] Abbildung 6.35: Variation der Stärke des Offsetfeldes. Links Trajektorien zu verschiedenen Offsetmagnetfeldern. Rechts dazu das Verhalten des Drehimpulses Lz . Bei einem starken Offsetfeld von 1 Gauß (zu vergleichen mit dem Feld von 2 Gauß, das von dem Strom von 1 A in 1 mm Entfernung vom Draht erzeugt wird) beschreibt die Trajektorie eine komplizierte Bewegung. 115 6.5 Einfluß des elektrischen Feldes Aufgrund des endlichen Drahtwiderstands von 4 bis 10 Ohm (je nach Temperatur) herrscht mit dem momentanen experimentellen Aufbau ein elektrisches Potential von etwa 20 V am Ort der Atom-Strom Wechselwirkung, (vgl. Abb. 2.20). Dies erzeugt, wie in Kapitel 3 beschrieben, für die Atome ein zusätzliches 1/r 2 Potential. Das Gesamtpotential aus 1/r und 1/r 2 ist zylindersymmetrisch und die Hamiltonfunktion lautet H= µBD β p2 − + 2. 2M r r (6.38) β ist nach den Gleichungen (3.2) und (3.1) gegeben durch β=− α q2 α U2 = . 2(2π(0 )2 2 ln2 (Rcyl /Rw ) (6.39) Energie E und Drehimpuls Lz sind Erhaltungsgrößen. Das zusätzliche 1/r 2 Potential bewirkt eine Präzession der Ellipsenbahn und pro Umlauf verschiebt sich das Perihel um den kleinen Winkel δφ [Lan87], δφ = − 2π β 2π βM . =− 2 Lz µBD P (6.40) Bei einem Ampere Strom ist BD = 2 Gauß·mm und mit mF = 2 erhalten wir µ = µB gF mF = µB . Setzt man für den Parameter P typische Werte für unsere Keplerleiter ein, so sieht man, daß Präzessionen in der Größenordnung 1 Grad/ Umlauf erst bei Spannungen von einigen hundert Volt erreicht werden. Weil δφ ∝ U 2 eine quadratische Funktion der Spannung U (bzw. Ladung q) ist, spielt also das elektrische Potential in unseren Experimenten zunächst keine Rolle. 116 Kapitel 7 Magnetische Atomschläuche: Die Seitenfalle Durch das Überlagern des 1/r Drahtmagnetfeldes mit einem homogenen magnetischen Offsetfeld B O , dessen Feldvektoren senkrecht zum Draht laufen, wird nicht nur das Potential für die “high field seekers” deformiert. Wie man in Abb. 7.1 und 7.2 erkennt, kompensiert das Offsetfeld das Drahtfeld gerade an einer zum Draht parallelen Linie im Raum. Um diese Linie herum nimmt das Magnetfeld in alle Richtungen zu, und somit entsteht ein ‘Schlauch’ mit einem magnetischen Feldminimum im Zentrum. In diesen Schlauch können < 0) gebunden werden. Das nun Atome im “low field seeker”-Zustand (µ · B Prinzip ist das gleiche, wie das einer gewöhnlichen magnetischen Falle, diesmal allerdings in 2 Dimensionen. Es herrscht freie Bewegung parallel zum Draht. Gebundene Atome bewegen sich nicht mehr um den Draht herum, sondern halten sich im Bereich des Feldminimums auf. Abb. 7.3 zeigt CCD Kameraaufnahmen der Atome in der Seitenfalle (Bilder in der Mitte und rechts). Rechts davon als Vergleich der Keplerleiter, in dem die Atome um den Draht kreisen. Der Abstand des “Seitenleiters” vom Draht kann variiert werden durch verschiedene Stromstärken im Draht oder verschiedene Offsetfelder unterschiedlicher Stärke (Vergleiche Bild Mitte und rechte Seite.). Das Laden der Seitenfalle geht analog vor sich wie das Laden der Keplerfalle. Lithium-Atome werden in der MOT gefangen und gekühlt. Dann wird die Falle auf die Stelle geschoben, an der die Seitenfalle geladen werden soll. Licht und Magnetfelder der MOT werden ausgeschaltet und der Strom durch den Draht sowie das magnetische Offsetfeld werden schnellstmöglich (0.5 ms) eingeschaltet. Abhängig von der Position der Atomwolke zum Zeitpunkt des Ladens des Leiters können sowohl “high field seekers” als auch “low field seekers” gebunden werden. Die einen kreisen um den Draht, die anderen halten sich in der Nähe des Magnetfeldminimums auf. Wir haben 117 B-Draht B-bias Abbildung 7.1: Spulen- und Drahtgeometrie zur Erzeugung der Seitenfalle. Das Magnetfeld des Drahtes wird entlang einer Linie parallel zum Draht kompensiert. Abbildung 7.2: Potentialverlauf für Draht und Offsetfeld. Neben dem Feldmaximum am Draht entsteht ein Feldminimum, in dem “low field seekers” gebunden werden können. darauf geachtet, in den hier beschriebenen Untersuchungen möglichst beide Fallenformen voneinander zu trennen. Da das Magnetfeld um das Minimum keine Rotationssymmetrie besitzt, läßt sich die Bewegung und Verteilung der Atome nicht einfach beschreiben. Abb. 7.4 zeigt die Dichteverteilung der Atome im Seitenleiter in der Ebene senkrecht zum Draht. Das dazugehörige CCD-Bild wurde nach 20 ms langem Führen der Atome im Potentialschlauch aufgenommen. Dadurch ist praktisch kein Untergrund ungebundener Atome vorhanden. Skalierungsgesetze Die Tiefe der Seitenfalle wird durch die Stärke B O des Offsetfeldes bestimmt. Ihr Abstand Rs vom stromführenden Draht ergibt sich durch Bwire = µ0 I 1 = BO . 2π Rs (7.1) Folglich ist der Abstand Rs bei konstantem Offsetfeld B O eine lineare Funktion des Stroms. Der Magnetfeldgradient dB/dr an der Stelle des Minimums bestimmt die Steilheit und Breite ∆x der Falle, dB 2π (B O )2 = , (am Minimum) dr µo I dB ≈ BO . ∆x dr 118 (7.2) (7.3) Abbildung 7.3: Seitenleiter (rechts und Mitte) und Keplerleiter (links). Die drei quadratischen Bilder oben zeigen die Sicht entlang des Drahtes, der mit einem orangenen Punkt gekennzeichnet wurde. Die Bilder darunter entsprechen einer Blickrichtung senkrecht zum Draht. In den Bildern wird jeweils etwa 2 cm langer Ausschnitt des Drahtes gezeigt. Diese Länge entspricht der Breite der Laserstrahlen. Abbildung 7.4: Die Seitenfalle. Der steile Peak stammt vom Draht, der breite Hügel beschreibt die Atomverteilung in der Seitenfalle. 119 Es entsteht die paradox erscheinende Situation, daß ein sinkender Strom durch den Draht die Seitenfalle komprimiert: Die Falle wird steiler und kleiner! Dieser Effekt hat Vorteile, weil er erlaubt, kleinste und steilste Fallen ohne großen Aufwand zu bauen. Gleichzeitig wird während des Experiments der Draht durch den geringeren Strom weniger durch Ohm’sches Heizen belastet. Die minimale Größe bzw. maximale Steilheit der Falle ist letztendlich durch die Dicke des Drahtes bestimmt, weil die Atome nicht in Kontakt mit der Drahtoberfläche kommen dürfen. So kann man z.B. mit einem Strom von nur 0.5 A und einem magnetischen Offsetfeld von 10 Gauß Gradienten von 1000 Gauß/cm erzielen. Die Falle wäre dann 100 µm vom Drahtmittelpunkt entfernt. Abb. 7.5 zeigt Schnitte durch die Atomverteilung der Seitenfalle für verschiedene Drahtströme bei gleichem Offsetfeld. Deutlich ist zu erkennen, wie Atomverteilung [a.u.] 20 Drahtstrom 1.1 A 0.8 A 15 Drahtposition 10 0.6 A 0.3 A 5 0 -5 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 Abstand vom Draht [mm] Abbildung 7.5: Durch Erniedrigung des Drahtstromes zieht der Draht die Seitenfalle näher zu sich heran. Das Signal sinkt, weil durch die schmalere Falle weniger Atome eingeladen werden können. die Falle mit sinkendem Strom in Richtung Draht wandert. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Atome, da mit der Verkleinerung der Falle, die Atome schwerer eingeladen werden können. Abb. 7.6 und 7.7 zeigen diesen Sachverhalt nocheinmal quantitativ. In Abb. 7.6 wurde der Abstand der Falle/Draht durch Auffindung des Peakmaximums der Atomverteilung bestimmt. Das von Gl. (7.1) vorhergesagte lineare Verhalten des Abstandes Rs vom Strom 120 Detektierte, gebundene Atome [%] Distance from wire [mm] 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 2.5 2 1.5 1 nach 20 ms 0.5 0 0 0.2 Current [A] 0.4 0.6 0.8 1 1.2 Strom durch Draht [A] Abbildung 7.6: Aufgetragen ist der Abstand Rs von Seitenfalle zu Draht als Funktion des Stromes durch den Draht. Es bestätigt sich Gl. (7.1). Abbildung 7.7: Detektierte, gefangene Atome nach 20 ms im Atomleiter als Funktion des Stroms. Die Atomanzahl ist gegeben durch den prozentualen Anteil der aus der MOT stammenden Atome. I bestätigt sich. Abb. 7.7 zeigt den Anteil an nachgewiesenen, gefangenen Atomen im Seitenleiter als Funktion des Stromes nach 20 ms Wechselwirkungszeit. Wie für den Fall der im Keplerleiter gefangenen Atome sind in den 20 ms etwa 1/3 der gebundenen Atome aus der Nachweisregion abgewandert. Ein Vergleich mit den Daten des Keplerleiters zeigt, daß die Seitenfalle für hohe Ströme weniger effizient Atome lädt. Durch Vergrößern des Drahtstroms wird nämlich die Seitenfalle zwar breiter, aber nicht tiefer. Temperatur und Geschwindigkeitsverteilung Wie im Fall des Keplerleiters kann die Geschwindigkeitsverteilung der Atome bestimmt werden durch Messung der ballistischen Expansion der gebundenen Atomwolke. Nach dem Einladen der Atome in den Seitenleiter und 10 ms Wechselwirkungszeit wird der Strom durch den Draht innerhalb von 100 µs ausgeschaltet. Abb. 7.8 zeigt die Atomverteilung nach 7.5 ms Expansionszeit. Sie entspricht offensichtlich einer Gauß’schen Geschwindigkeitsverteilung. In Abb. 7.9 sind die Expansionsbreiten wie in Kapitel 2.8 beschrieben in Abhängigkeit der Zeit aufgetragen, zusammen mit einem Fit der Form aus Gl. (2.8). Daraus läßt sich auf eine Temperatur des atomaren Ensembles zwischen 30 und 40 µK schließen. 121 Atomverteilung [a.u.] Draht -5 0 Position [mm] 5 Abbildung 7.8: Das Bild links zeigt einen Schnitt durch die Atomverteilung (rechts). Im Seitenleiter gebundene Atome werden nach 10 ms freigelassen und expandieren ballistisch während 7.5 ms. Das Bild rechts zeigt die Atomverteilung nach dieser Expansion. Das linke Bild stellt einen Schnitt durch die Atomverteilung dar. Anders als für den Keplerleiter folgt die Geschwindigkeitsverteilung der Atom in der Seitenfalle einer Gauß’schen Glockenkurve. Breite σx 1.5 1 0.5 0 0 2 4 6 8 Expansionszeit [ms] Abbildung 7.9: Temperatur der Atome in der Seitenfalle. Nach dem Ausschalten der Magnetfelder expandiert die Atomwolke ballistisch. 122 7.1 Integrierte Schaltkreise atomoptischer Elemente Seitenleiter bestechen durch ihre einfache Konstruktion und ihr Skalierungsverhalten. Darüberhinaus sind sie relativ unempfindlich auf magnetische Streufelder und können auf einfache Weise miniaturisiert werden durch lithographisches Aufbringen von kleinen Drähten auf glatte Oberflächen. Dadurch, daß die Atome in einem Potentialschlauch oberhalb des Drahtes sitzen, kommen sie nicht in Kontakt mit der absorbierenden Oberfläche. Auf der Oberfläche aufgebrachte Drähte sind unempfindlicher als freistehende und können besser gekühlt werden. Damit können sie auch größere Stromstärken für längere Zeiten verkraften [Joh98]. Durch Verbinden zweier stromdurchflossener Drähte (siehe Abb. 7.10) kann man einen Strahlteiler für Atome bauen. Es ist schließlich denkbar, durch Kombination von Seitenleitern mit anderen atomoptischen Elementen integrierte, komplexe Netzwerke für Atome herzustellen. Strom-Draht Fuehrungs-Potential glatte Oberflaeche Abbildung 7.10: Durch das Kreuzen zweier stromführender Drähte kann ein “Strahlteiler” für kalte Atome gebaut werden. Das Bild dient nur der Anschauung. 123 124 Zusammenfassung und Ausblick Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Wechselwirkung kalter Lithiumatome aus einer magneto-optischen Falle mit geladenen und stromdurchflossenen Drähten experimentell und theoretisch untersucht. Mit Hilfe der Drähte konnten für kalte Atome erstmalig das 1/r 2 Potential und das 1/r Potential in 2 Dimensionen realisiert werden. Wir studierten die Bewegung der Atome in diesen Potentialen. Die singuläre Form des 1/r 2 Potentials verbietet stabile Bahnen der Atome. Den in theoretischen Lehrbüchern vorhergesagten “Sturz” der Teilchen ins Zentrum konnten wir im Experiment beobachten. In den Experimenten mit dem 1/r 2 Potential wurden quantitative Messungen mit Atomwolken definierter Größe und Temperatur durchgeführt, die es erlauben Skalierungsgesetze und theoretische Voraussagen zu testen. Ein 1/r Potential für kalte Atome wurde durch einen stromführenden Draht erzeugt. Es gelang uns, Atome in diesem Potential zu binden und einen “high field seeker” Atomleiter zu konstruieren, in dem die Atome über Zentimeter hinweg geführt werden konnten. Durch Kombination des Drahtmagnetfeldes mit einem homogenen, magnetischen Offsetfeld konnte auch ein Atomleiter für “low field seeking” Atome demonstriert werden. In diesem Leiter werden die Atome in einem Potentialschlauch seitlich des Drahtes geführt (Seitenleiter). Mit dem stromführenden Draht können neben den verschiedenen Varianten für Atomleiter auch dreidimensionale Magnetfallen gebaut werden. Kombiniert man ein magnetisches Quadrupolfeld mit dem Drahtmagnetfeld läßt sich z.B. eine Magnetfalle in Form eines Torus herstellen (siehe Anhang F.2). Die besprochenen Draht-Atomfallen und Leiter weisen vorteilhafte Eigenschaften bezüglich Vielseitigkeit, Einfachheit und ihres Skalierungsverhaltens auf. Sie zeigen einen möglichen Weg zu einer neuen Generation maßgeschneiderter und kontrollierbarer Potentiale, in denen sich kalte Atome bewegen 125 können. Die Hoffnung ist, verschiedene atomoptische Bauelemente zu kombinieren und damit komplette Schaltungen aufzubauen. So wird zur Zeit in unserem Labor ein Strahlteiler für kalte Atome getestet, der aus einer Verknüpfung zweier freistehender, stromführender Drähte besteht. Die Funktionalität des Seitenleiters erlaubt es weiterhin, den Draht auf einer glatten Oberfläche zu montieren. Da eine Oberfläche dem Draht zusätzlich Halt gibt und eine effiziente Kühlung ermöglicht, steht dann einer Miniaturisierung und einer folgenden Kombination atomoptischer Bauelemente zu integrierten Schaltungen nichts mehr im Wege. Für solche Zwecke wird auch die Erforschung der Wechselwirkung zwischen kaltem Atom und Oberflächen wichtig sein. Prinzipielle Fragen zu Kohärenzverlust und Aufheizung von Atomen durch die Kopplung an die warme Oberfläche müssen beantwortet werden. In unseren Drahtexperimenten konnten Effekte der Van der Waals Kräfte beobachtet werden und es zeigte sich, daß unsere Meßmethode für eine Untersuchung der Atom-Oberflächenwechselwirkung geeignet ist. Neben diesen visionären Vorschlägen zu einer integrierten Atomoptik, bietet es sich vor allem an, die Experimente dieser Arbeit im Quantenregime fortzuführen. Dazu sollten Atome mit einer deBroglie Wellenlänge benutzt werden, die größer ist als der Durchmesser des Drahtes. Es sind dann quantenmechanische Effekte zu erwarten. So wird für das 1/r2 Potential in einem theoretischen Teil dieser Arbeit hergeleitet, daß der Wirkungsquerschnitt für den Sturz eines Atoms ins Zentrum aus “Quantenstufen” besteht. Diese Quantenstufen sind eine direkte Konsequenz der Existenz von Partialwellen. Das 2D 1/r Potential hat schon großes theoretisches Interesse gefunden [Theo1r], weil es im Quantenregime die Möglichkeit bietet, experimentell 2 dimensionale ‘synthetische Wasserstoffatome’ zu bauen. Das Atom wäre an den Draht gebunden, wie in einem Atom das Elektron an den Kern gebunden ist. Beide Experimente sollten sich mit den heute zur Verfügung stehenden Bose-Einstein Kondensaten durchführen lassen. 126 Anhang A Das Element Lithium In diesem Kapitel sind die im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Eigenschaften des Elementes Lithium zusammengestellt. Das Alkalielement Lithium mit der Ordnungszahl 3 besitzt zwei in der Natur im Verhältnis 92.5/7.5 vorkommende stabile Isotope, nämlich Lithium 7 und Lithium 6. Unsere Experimente wurden alle mit dem häufiger vorkommenden Lithium 7 durchgeführt. (Die Selektion aus dem natürlichen Gemisch erfolgt dabei aufgrund Tabelle A.1: Daten von 7 Li. Eigenschaft Ordnungszahl Kernspin Masse Polarisierbarkeit α Schmelzpunkt Siedepunkt Dampfdruck 20◦ C Dampfdruck 300◦ C Wellenlänge D2-Linie Grundzustandsaufspaltung HFS Lebensdauer τ des 22 p3/2 Niveaus Linienbreite des ∆νnat = 1/(2πτ ) Sättigungsintensität Is Photonenrückstoßgeschw. Dopplertemperatur TDoppler Dopplershift 127 Wert 3 3/2 1.16510−26 kg 24.3 [4π(0 Å3 ] 180.54 ◦ C 1347 ◦ C ca. 10−20 mbar ca. 10−6 mbar 670.962 nm 803.5 MHz 27.2 ns 5.8 MHz 2.53 mW/cm2 8.4 cm/s 140µK ≈ 5 Recoils 1m/s =1.5 ˆ MHz der Isotopieverschiebung von 10 GHz automatisch beim Einfang der Atome in der magneto-optischen Falle.) Tabelle A.1 zeigt einige physikalische und spektroskopische Daten dieses Isotops. Manchmal ist es besonders nützlich, Partialdrücke für verschiedene Temperaturen abschätzen zu können, PLithium = 108.5481−8310/(T [K]) Torr. (A.1) Ein Ausschnitt des Niveauschemas von Lithium ist in Abb. 2.3 dargestellt. A.1 g-Faktoren für den Grundzustand von 7 Li Für die Bestimmung der magnetischen Wechselwirkung des Atoms mit den magnetischen Feldern brauchen wir die g-Faktoren gJ und gF vom Grundzustand 22 S1/2 , F = 1(2). Mit [Kuc85, Bra83] gilt für den g-Faktor von Landé J(J + 1) + S(S + 1) − L(L + 1) gJ = 1 + . (A.2) 2J(J + 1) Im schwachen Magnetfeld ergibt sich für die HyperfeinstrukturAufspaltung F (F + 1) + J(J + 1) − I(I + 1) 2F (F + 1) µK F (F + 1) + I(I + 1) − J(J + 1) , −gK µB 2F (F + 1) gF = gJ (A.3) wo µB = 0.579 10−4 eV/T = 1.4 MHz/Gauß das Bohr’sche Magneton und µK = 3.152 10−8 eV/T = 7.6 kHz/Gauß das Kernmagneton bedeutet. gK ist der g-Faktor für den Atomkern. Da µK /µB ≈ 1/2000 ist der zweite Term in Gl. (A.4) klein und kann vernachlässigt werden. Die Magnetfeld-Aufspaltung ergibt sich dann zu ∆E = gF mF µB B. (A.4) Für den Grundzustand von 7 Li ergibt sich gJ = 2 und gF = ±0.5. 128 Anhang B Streutheorie in zwei Dimensionen Die grundlegenden Formeln der quantenmechanischen Streutheorie in 3 Dimensionen können fast in jedem Lehrbuch der Quantenmechanik gefunden werden. Für 2 Dimensionen ist das jedoch nicht der Fall. Bis auf ein paar Hinweise und Ansätze im Lehrbuch von Morse und Feshbach [Mor53] mußten unsere Formeln noch einmal hergeleitet werden. Deswegen soll hier in Kürze eine Ableitung gegeben werden. Glücklicherweise sehen die erhaltenen Formeln denen von 3 Dimensionen sehr ähnlich und man braucht praktisch nicht umzulernen. Für die Lösung des Streuproblems macht man folgenden Ansatz, der wie üblich aus einer einfallenden ebenen Welle und einer zylindrischen Streuwelle besteht, eikr Ψ = eikx + f (φ) √ . r (B.1) r ist der Abstand vom Zentrum in zylindrischen Koordinaten und f (φ) ist die Streuamplitude, die eine Funktion des Winkels φ ist. Anders als im 3 dimensionalen √ Fall sinkt die Amplitude der Streuwelle mit wachsendem Abstand wie 1/ r . Wegen der Zylindersymmetrie des Potentials des geladenen Drahtes ist es sinnvoll, die Lösung Ψ und f (φ) nun in Partialwellen (Eigenfunktionen zum Drehimpuls m) zu entwickeln: Ψ = f (φ) = +∞ m=−∞ +∞ m=−∞ 129 Ψm , (B.2) fm (φ). (B.3) Genauer gesagt, entwickeln wir Gleichung (B.1) in Bessel Funktionen Jm und benutzen die folgende Darstellung der ebenen Welle, eikx = eikr cos φ = ∞ 1 eim(φ+ 2 π) Jm (kr), (B.4) m=−∞ wo Jm (kr) die Bessel-Funktion erster Art ist [Mor53, Abr72]. Weit entfernt vom Streuer gilt Jm (rk) −→ 1 1 2 cos(rk − mπ − π), πrk 2 4 (B.5) und Ψm ist in diesem Limes Ψm = im(φ+ 12 π) e im(φ+ 12 π) + e 1 i(kr− 1 mπ− 1 π) eikr 2 4 e + fm (φ) √ 2πrk r 1 −i(kr− 1 mπ− 1 π) 2 4 e . 2πrk (B.6) Weit vom Streuer, wo die Wechselwirkung vernachlässigbar ist, muß Ψm (bis auf eine Phase δm ) der Partialwelle eines freien Teilchens gleichen. Das bedeutet Ψm = A 1 1 2 cos(rk − mπ − π + δm ), πrk 2 4 (B.7) wo A ein passender Koeffizient ist. Kombiniert man Gl. (B.7) und (B.6), so können wir A und fm (φ) bestimmen: 1 A = eiδm eim(φ+ 2 π) , π e−i 4 imφ 2iδm e (e fm (φ) = √ − 1). 2πk (B.8) (B.9) Die Streuamplitude f (φ) hat schließlich folgende Form ∞ e−i 4 f (φ) = √ eimφ (e2iδm − 1), 2πk m=−∞ π (B.10) und die Streulösung Ψ ergibt sich zu Ψ= ∞ 1 1 1 2 eim(φ+ 2 π) eiδm cos(kr − mπ − π + δm ). πrk m=−∞ 2 4 130 (B.11) δm wird Streuphase genannt. Sie enthält Informationen zur Streuung. So kann man aus f (φ) zum Beispiel den elastischen Wirkungsquerschnitt gewinnen, dσ = |f (φ)|2. dφ (B.12) Der totale elastische Streuquerschnitt ergibt sich zu 2π σs = 0 dσ(φ) dφ. dφ (B.13) Durch Verwendung von Gl.(B.10) bekommt σs in der Partialwellen Notation folgende Form, σs = ∞ 1 |1 − e2iδm |2 . k m=−∞ (B.14) Analog zu dem Vorgehen in Mayer-Kuckuk’s Kernphysik [Kuc84] läßt sich auch der Reaktionsquerschnitt σr (inelastischer Kanal) berechnen: σr ∞ 1 = 1 − |e2iδm |2 . k m=−∞ (B.15) Der Reaktionsquerschnitt beschreibt die Absorption der einfallenden Teilchen auf dem Draht. Die Streuphase δm hat dann einen imaginären Anteil. Bei der Herleitung von Gl. (B.15) vergleicht man einfach den netto TeilchenWahrscheinlichkeitsfluß jtot , der in einen gedachten Zylinder um den Draht strömt, mit der Flußdichte jin der einfallenden ebenen Welle. σr = 1 jtot r dφ. jin (B.16) Die Wahrscheinlichkeitsflußdichte für eine beliebige Wellenfunktion Φ ist definiert durch j = h̄ ∗ ∗ . Φ ∇Φ − Φ∇Φ 2Mi (B.17) In unserem Beispiel wird die Stromdichte jin berechnet, indem die ebene Welle eikx in Gl.(B.17) eingesetzt wird. Es ergibt sich jin = v = h̄k/M. Um jtot zu berechnen, muß Ψ anstatt eikx benutzt werden. 131 132 Anhang C Berechnung der Quantenstufen Wie in Kapitel 3 besprochen, sollte der Wirkungsquerschnitt für die Absorption von neutralen Atomen auf einem geladenen Draht eine stufenartige Funktion sein. Dies ist eine direkte Konsequenz der Quantisierung des Drehimpulses. Wir geben dazu in diesem Kapitel die quantenmechanische Herleitung und Berechnung. Im ersten Schritt soll der idealisierte Fall eines unendlich dünnen Drahtes betrachtet werden. Darauf werden wir unseren Formalismus erweitern auf einen Draht endlicher Dicke. Die folgenden Rechnungen und Betrachtungen sind in kompakter Form veröffentlicht worden [Den97]. C.1 Der unendlich dünne Draht In der quantenmechanischen Behandlung des 1/r 2 Potentials benutzen wir denselben Hamiltonian wie in Gleichung 3.3. Der Drehimpuls um den Draht ist eine Erhaltungsgröße und der Ansatz Ψ = Rm (r)e−imφ führt auf die radiale Schrödingergleichung, m2crit − m2 d2 1 d + + Rm (r) = −k 2 Rm (r), dr 2 r dr r2 (C.1) wo k der Wellenvektor des Atoms und m die Quantenzahl der Drehimpulskomponente in z Richtung ist (Richtung des Drahtes). In Analogie zum klas√ sischen Fall wurde hier h̄ mcrit = αM|q|/(2π(0 ) gesetzt. Die Lösungen zu Gl. (C.1) sind die Bessel Funktionen [Abr72] Jν (kr), Yν (kr)(Hankel Funktionen, Hν1,2 (kρ) = Jν (kr) ± iYν (kr)), wo der Index ν = m2 − m2crit im allgemeinen komplexe Werte annimmt. Analog zu Kapitel 3 definieren wir 2 die effektive Quantenzahl meff = m − m2crit , sodaß ν = meff . 133 Bevor die Streulösungen besprochen werden, werfen wir einen Blick auf die Bindungszustände des 1/r 2 Potentials. In Analogie zum sorgfältig studierten drei-dimensionalen Fall [Lan88, Mor53], gibt es eine unendliche Zahl von gebundenen Zuständen für mcrit > |m|. Der Grundzustand befindet sich bei E → −∞ und die Quantisierung der Energie Eigenwerte ist nicht eindeutig (Eine gründlichere Behandlung in drei Dimensionen wird in den Büchern von Landau/Lifshitz und Morse und Feshbach [Lan88, Mor53] gegeben). Es gibt keine gebundenen Zustände für Partialwellen mit mcrit < |m|. Nachdem wir uns mit den Bessel-Funktionen Jmeff die prinzipiellen Lösungen der Schrödingergleichung beschafft haben, können nun die Wirkungsquerschnitte quantenmechanisch berechnet werden. Dies geschieht, indem wir die Partialwellen-Methode aus Anhang B benutzen: Zu jeder Partialwelle, d.h. jeder Drehimpulsquantenzahl m, wird eine Streuphase δm berechnet. Dies geschieht wie folgt: Man vergleicht die Lösungen der Schrödingergleichung für das 1/r 2 Potential, Jmeff , mit den Lösungen der freien Bewegung, Jm . Wir beschränken uns zunächst auf die Diskussion der Partialwellen mit m > 0 und lesen aus Gl. (C.1) ab meff = m + ∆ = m − m + m2 − m2crit . (C.2) ∆ kann als Störterm aufgefaßt werden, der durch das 1/r 2 Potential hervorgerufen wird. Weit vom Streuer entfernt, wenn das Potential schwach ist, muß die Wellenfunktion des Atoms Jmeff aussehen wie die eines freien Teilchens Jm . Tatsächlich kann man Jmeff (kr) für große r annähern durch Jmeff (kr) −→ 1 2 1 cos(kr − meff π − π). πkr 2 4 (C.3) Weit entfernt vom Draht bleibt von der Wechselwirkung hauptsächlich ein Phasenschub δm in der Wellenfunktion übrig. Jmeff (kr) −→ Jm (kr + δm ) (meff − m)π ∆π =− . δm = − 2 2 (C.4) (C.5) Die Schrödingergleichung (C.1) bleibt unverändert für die Transformation m −→ −m und δ−m = δm . So erhält man schließlich für alle m’s δm = − (meff − |m|)π . 2 (C.6) Falls mcrit > m gilt, so wird in Gl. (C.6) meff imaginär (und δm wird komplex). Das Vorzeichen des imaginären meff kann prinzipiell negativ oder positiv sein. Tatsächlich bestimmt das Vorzeichen, ob der Draht im Streuprozeß 134 10 Infinitely thin wire (1/k) 6 σreac 8 4 2 0 0 1 2 3 4 5 Linecharge q in angular units Abbildung C.1: Quantenstufen im Absorptionsquerschnitt des unendlich dünnen Drahtes. Teilchen absorbiert (er ist eine Teilchen-Senke) oder ob dort Teilchen erzeugt werden (dann wäre der Draht eine Teilchen-Quelle). Wenn uns der erste Fall sinnvoller erscheint, muß das Vorzeichen so gewählt werden, daß Im(δm ) ≥ 0. Dies sieht man durch einen Blick auf die Definition des totalen Absorptionsquerschnitts σr , σr = ∞ 1 1 − |e2iδm |2 . k m=−∞ (C.7) Eigentlich ist es überhaupt verwunderlich, daß Absorption in unserer Theorie auftritt, ist doch das Wechselwirkungspotential rein reell! Dies kann rechnerisch nur an der starken Singularität des 1/r 2 Potentials liegen. In Abb. C.1 wird der berechnete Absorptionswirkungsquerschnitt für den unendlich dünnen Draht (kRw =0) aufgetragen gegen den Drehimpuls mcrit , der ein Maß für die Ladung auf dem Draht ist. Bei q = 0, d.h. im Fall des freien Teilchens, gibt es keine Wechselwirkung und deshalb ist auch der Absorptionsquerschnitt null. Sobald jedoch q > 0 wird die Partialwelle mit m = 0 absorbiert werden und der Absorptionsquerschnitt steigt auf 1/k. Im Folgenden steigt der Absorptionsquerschnitt dann in Stufen von 2/k, entsprechend der Absorption der Partialwellen ±m. Wenn man die Lösungen Jmeff der Schrödinger-Gleichung (Gl. (C.1)) betrachtet, so findet man, daß für komplexes meff die Wellenfunktion nichtverschwindende Werte in der Nähe des Ursprungs annimmt. Die Wellenfunktion oszilliert unendlich schnell wenn r → 0. Die endliche Aufenthaltswahrschein135 30 4 (1/k) x103 3 10 102 101 100 σscat dσscat /dφ (1/k) 10 10-1 -3 -2 -1 0 Angle φ 1 2 25 20 15 10 5 0 3 0 5 10 15 20 Line charge q in units of mcrit Abbildung C.2: Streuquerschnitte eines unendlich dünnen geladenen Drahtes. (a) zeigt den differentiellen Streuquerschnitt dσ/dφ als Funktion von φ, dem Streuwinkel. Die drei gezeigten Beispiele entsprechen einer Linienladung q mit mcrit = 1(−), 3.5(· · ·), 6(−−). (b) zeigt den totalen Streuquerschnitt als Funktion der Ladung auf dem Draht. lichkeit in der Nähe des Ursprungs macht es plausibel, daß Teilchen im Zentrum absorbiert werden können. Diese Lösungen korrespondieren zum Sturz des Teilchens in das Zentrum in der klassischen Beschreibung. Falls jedoch meff reell ist, verschwindet die Wellenfunktion im Zentrum, und es werden keine Atome absorbiert. Wie in Kapitel 3 schon ausgeführt, kann man die ‘Quantisierung’ des Absorptionswirkungsquerschnitts, d.h. die Stufen, verstehen, wenn man sich die einfallende ebene Welle in Partialwellen mit Drehimpulsen |m| zerlegt. Durch Erhöhung der Ladung auf dem Draht wird eine Partialwelle nach der anderen absorbiert. Da diese gequantelt sind, schlägt sich das in Stufen im Absorptionsquerschnitt nieder. Nachdem einmal die Streuphasen in Gl. (C.6) gewonnen wurden, können außer den totalen Absorptionswirkungsquerschnitten natürlich auch andere Größen, wie z.B. der differentielle Streuquerschnitt dσ/dφ als Funktion des Streuwinkels φ (Abb. C.2(a)) und der totale elastische Streuquerschnitt (Abb. C.2(b)) berechnet werden. Wie man in a) erkennt, findet die Streuung vornehmlich in Vorwärtsrichtung statt. Was aber ist die Bedeutung der wellenartigen Beugungsstrukturen auf den Seiten? Die Zahl der Beugungshügel wächst proportional mit der Ladungsdichte q und hat den gleichen Wert wie mcrit . Gleichzeitig ist 2mcrit − 1 die Anzahl der absorbierten Partialwellen, da alle Partialwellen mit |m| < mcrit absorbiert werden. Beugung an einem Spalt oder Hindernis zeigt ein ähnliches Verhalten: Ist der Spalt dünner als die Wellenlänge des Lichts, so gibt es nur s-Wellenstreuung. Es treten keine Beugungsmuster auf. Mit steigender Dicke des Spaltes erscheinen jedoch 136 Potential Beugungsminima und -maxima und ihre Anzahl steigt linear mit der Dicke des Spaltes. Die Dicke des Spaltes bestimmt auch die Anzahl der durchgelassenen Partialwellen. Im Gegenzug kann man genauso gut argumentieren, daß der elektrisch geladene Draht durch das Laden effektiv dicker wird, da er höhere Partialwellen absorbiert. Die Beugungshügel können dann einfach interpretiert werden als Beugung an einem Draht mit einer effektiven Dicke, die dem kritischen Stoßparameter entspricht. Die kleinen Rippel des totalen elastischen Streuquerschnitts in Bild b) stammen von den Stufen im Absorptionsquerschnitt. Dies ist ein genereller Effekt, der auf dem Unitaritätsprinzip beruht [Lan87]. komplexer Anteil Draht Reeller Anteil (1/r2) Rw Abstand r vom Draht Abbildung C.3: Das komplexe Potential für den Draht mit endlichem Radius ist in zwei Bereichen definiert. Innerhalb des Drahtes ist es konstant aber komplex. Außerhalb des Drahtes ist es reell und hat die 1/r 2 Form. C.2 Der geladene Draht endlicher Dicke Für einen Draht mit endlichem Radius Rw müssen die obigen Rechnungen verallgemeinert werden. In einer quantenmechanischen Behandlung der Streuung von einem endlichen Draht muß man angeben können, wie die Absorption auf der Drahtoberfläche beschrieben werden soll. Für solcherlei Probleme gibt es bis jetzt keine einfachen Methoden oder Regeln. In dieser Arbeit wurde ein einfaches Modell konstruiert, in dem die Absorption des Teilchens durch ein geschwindigkeitsabhängiges, komplexes Potential innerhalb des Drahtes gewährleistet wurde (siehe Skizze C.3). Das Potential wird in zwei Bereichen definiert, einmal außerhalb des Drahtes (r > Rw ) und einmal 137 innerhalb des Drahtes (r < Rw ). V1 (r) = V2 (Rw ) + iC, r < Rw 2 2 V = 1 αq , r > Rw . V2 (r) = − 2π(0 2r 2 (C.8) Der reelle Anteil des Potentials ist kontinuierlich an der Drahtoberfläche. Für eine feste Ladung q auf dem Draht und bestimmter relativer Dicke des Drahtes, Rw k, wurde der komplexe Anteil C des Potentials so bestimmt, daß der totale Absorptionsquerschnitt maximiert wurde (Ein Maximum existierte immer.). Der komplexe Anteil C ist also eine Funktion von q und Rw k. Bei der Maximierung der Absorption stellt sich heraus, daß C ungefähr linear mit der Ladung auf dem Draht wächst. Innerhalb des Drahtes sind die Lösungen der Schrödinger Gleichung die regulären Bessel Funktionen Jm (rχ), wo χ = k 2 − 2MV1 /h̄2 und m eine ganze Zahl ist. Die Lösungen außerhalb des Drahtes sind die Besselfunktionen Jν (kr) und Yν (kr), die außerhalb des Drahtes beschränkt sind und ν = meff . Im Folgenden ist es jedoch praktisch [Gra85], die Hankel Funktionen Hν1,2 zu benutzen, die lineare Kombinationen der Bessel Funktionen Jν and Yν sind [Abr72], Hν1 (z) = Jν (z) + iYν (z), Hν2 (z) = Jν (z) − iYν (z). (C.9) (C.10) Für eine Partialwelle m können wir die radiale Lösung Rm (r) für die Schrödingergleichung außerhalb des Drahtes wie folgt ansetzen 1 2 Rm (r) = Bm Hν1 + Bm Hν2 , r > Rw , (C.11) 1,2 noch zu bestimmende Koeffizienten sind. Die Lösungen innerhalb und wo Bm außerhalb des Drahtes müssen zueinander angepaßt sein und wir schreiben 1 2 Am Jm (Rw χ) = Bm Hν1 (Rw k) + Bm Hν2 (Rw k), 1 2 Am Jm (Rw χ) = Bm Hν1 (Rw k) + Bm Hν2 (Rw k), (C.12) (C.13) wo die Apostrophe für die Ableitung nach r stehen: Hν1 (rk) = d 1 H (rk). dr ν (C.14) χ ist der Wellenvektor des Atoms innerhalb des Drahtes, χ= k2 − 2MV1 . h̄2 138 (C.15) Man erhält dann Jm Hν2 − Jm Hν2 , Hν1 Hν2 − Hν1 Hν2 J H 1 − Jm Hν2 = Am m2 ν1 . Hν Hν − Hν2 Hν1 1 Bm = Am (C.16) 2 Bm (C.17) Wir benutzen nun den gleichen Trick wie im Fall des unendlich dünnen Drahtes, daß im Limes r → ∞ die Lösung der Schrödingergleichung bis auf eine Phase die gleiche sein muß, wie die eines freien Teilchens: Rm (r) ≈ = 1 1 2 cos(rk − mπ − π + δm ) πrk 2 4 (C.18) ! 1 1 1 1 1 ei(rk− 2 mπ− 4 π+δm ) + e−i(rk− 2 mπ− 4 π+δm ) , (C.19) 2πrk und r→∞ Hν1,2 (rk) −→ 2 ±i(rk− 1 νπ− 1 π) 2 4 e . πrk (C.20) Dies setzen wir in Gl. (C.11) ein. Aufgrund der linearen Unabhängigkeit von exp(ikr) und exp(−ikr) kann man aus Gl. (C.11) folgern, daß 1 i(rk− 1 mπ− 1 π+δm ) 1 2 4 e = Bm Hν1 , 2πrk (C.21) 1 −i(rk− 1 mπ− 1 π+δm ) 2 2 4 e = Bm Hν2 . 2πrk (C.22) Falls wir ν = m + ∆ setzen, und Gl. (C.21) durch Gl. (C.22) dividieren, folgt 1 Bm −2i∆ π2 e 2 Bm Hν2 2iδm Jm Hν2 − Jm ∞ e , = 1 1 Jm H ν − Jm H ν e2iδm = (C.23) (C.24) ∞ wo δm die Streuphase ist für den Fall des unendlich dünnen Drahtes, vgl. Gl. (C.6). Die Streuphasen zum Draht endlicher Dicke ergeben sich interessanterweise also gerade als Summe der Streuphase für den unendlich dünnen ∞ Draht, δm , und einer anderen zusätzlichen Phase, die der endlichen Dicke des Drahtes Rechnung trägt. Die Streuphase δm aus Gl. (C.24) kann genutzt werden, um die elastischen und Absorptions-Wirkungsquerschnitte zu berechnen 139 60 210 10 58 208 8 56 206 6 54 204 4 52 2 50 σabs (1/k) 12 0 0 1 2 3 4 5 48 25 kRw = kRw = kRw = kRw = kRw = 26 27 28 29 0 0.1 1 2 5 202 200 198 30 100 101 102 103 104 105 Line charge q in units of mcrit Abbildung C.4: Theoretische Absorptionsquerschnitte für einen geladenen Draht. Die verschiedenen Kurven stehen für verschiedene relative Dicken (kRw ) des Drahtes. (vgl. Anhang B). Um die Ausdrücke in Gl. (C.24) wirklich auszurechnen, haben wir ein spezielles Computerprogramm (Fortranroutine COULCC) von Thompson und Barnett benutzt [Tho85]. In den Rechnungen treten nämlich Besselfunktionen komplexer Ordnung und komplexer Argumente auf, für die es sonst keine Standardroutinen gibt. Abbildung C.4 zeigt theoretische Absorptionsquerschnitte für verschiedene relative Drahtdicken kRw . (Ähnliche Kurven wurden auch in Abb. 3.5 in Kapitel 3 vorgestellt.) Deutlich sind für dünne Drähte die Absorptions-Stufen zu erkennen. Wie schon in der klassischen Diskussion auf Seite 44 hergeleitet, absorbiert ein endlich dicker Draht auch dann, wenn er ungeladen ist. Die Absorption wächst linear mit der Dicke des Drahtes. Quantenmechanisch wird dies erklärt durch die Tatsache, daß die Partialwellen mit |m| < Rw k einen signifikanten Überlapp mit dem absorbierenden Draht haben. In Kapitel 3 wurde auch schon angedeutet, daß die Auswaschung der Quantenstufen auf zwei Arten verstanden werden kann. Zum einen gibt es eine Reflexion von Teilchen an der Oberfläche des Drahtes: Partialwellen, die eigentlich unseren Überlegungen zufolge absorbiert werden sollten, können teilweise entkommen. Zum anderen gibt es auch einen Tunnelprozeß, indem die Teilchen, die in der semiklassischen Beschreibung eigentlich nicht absorbiert werden sollten, durch die Zentrifugalbarriere auf die absorbierende Oberfläche des Drahtes hindurchtunneln. In diesem Fall ist der Anteil der Atome, die absorbiert werden, gegeben durch die Tun140 [1/k] 20 kRw = kRw = kRw = kRw = 15 0 1 2 5 σabs 10 5 0 0 2 4 6 8 Ladung q in Einheiten von mcrit 10 Abbildung C.5: Simulation der Auswaschung der Quantenstufen durch Tunnelprozesse. Partialwellen, die aufgrund ihres Drehimpulses nicht vom Draht absorbiert werden sollten, tunneln teilweise auf den Draht und werden dort trotzdem absorbiert. nelwahrscheinlichkeit Pt : Pt = exp 2 Rw rmin m2eff − k 2 dr r2 (rmin > Rw ), (C.25) ähnlich dem Gamov-Faktor aus der Kernphysik. rmin ist der klassische Umkehrradius und gibt den kleinsten Abstand zwischen Atom und Draht für die klassische Trajektorie mit Lz = h̄m. Abbildung C.5 zeigt eine theoretische Simulation der Auswaschung, die auf dem Tunnelprozeß basiert. Zur Berechnung der Kurve wird in einem ersten Schritt angenommen, daß der Wirkungsquerschnitt durch eine perfekte, eckige Treppenfunktion beschrieben wird; In einem zweiten Schritt wird eine Korrektur dazu berechnet: Zu jeder Partialwelle mit Drehimpuls Lz , die nicht absorbiert wird, wird der klassische Umkehrradius rmin bestimmt. Mit diesem und Gleichung C.25 wird die Tunnelwahrscheinlichkeit Pt berechnet. Es wird angenommen, daß Atome, die auf die Drahtoberfläche tunneln dort zu 100 % absorbiert werden. Der Wirkungsquerschnitt steigt also durch das Tunneln und zwar um den Betrag 2 Pt (m). (C.26) k m meff >kRw Es ist in Abb. C.5 deutlich zu sehen, daß die Ecken der Quantenstufen durch diesen Prozeß einseitig abgerundet werden. Interessanterweise kann man von 141 den Abbildungen C.5 und C.4 auch entnehmen, daß die Auswaschung der Stufen mit bei höheren Drahtladungen (höheren Drehimpulsen m) abnimmt. Offensichtlich wird der Tunnelprozess für höhere Drehimpulse mehr und mehr unterdrückt. C.3 Experimentelle Parameter für die Quantenstufen Um die oben besprochenen “Quantenstufen” im Experiment beobachten zu können, muß man im Quantenregime arbeiten, kRw ≤ 1. Das bedeutet, man sollte sehr kalte Atome und sehr dünne Drähte verwenden. Wie in Kapitel 2.10 besprochen, sind Wollaston Drähte bis hinunter zu einem Radius von Rw = 0.1 µm kommerziell erhältlich [Good, Leico] oder können als Quarzfäden erzeugt werden. Diese Drähte müssen nun noch mit der deBroglie Wellenlänge λdB der lasergekühlten Atome verglichen werden. Mit Geschwindigkeiten, die ein paar Photonimpulsen entsprechen, haben Atome typischerweise einen k-Vektor von katom ∼ 20µm−1 (katom ∼ 3klight). In einem solchen Fall kann man also mit einem Rw = 0.1µm Draht Rw k ∼ 2 erreichen, gerade an der Grenze der Sichtbarkeit der Quantenstufen. Bislang wurden in unseren Experimenten Drähte mit einem nominellen Radius von 0.3 µm (der Draht war wegen Schmutzpartikeln und Lithiumablagerungen auf jeden Fall dicker) benutzt. Die Lithium Atome konnten routinemäßig auf eine Geschwindigkeit von 50 cm/s gekühlt werden, was etwa 6 Photonenrückstößen entspricht. Dies ergibt dann ein relative Dicke des Drahtes von Rw k ∼ 12 und ein klassisches Regime. Würde man allerdings mit einem Bose-Einstein-Kondensat arbeiten, sollte es keine Probleme geben sogar Rw k ∼ 0.1 zu erreichen. Wieviel Ladung entspricht einer Quantenstufe? Die Linienladung ∆q (Einheit [C/m]), die auf den Draht gebracht werden muß, um von Quantenstufe zu Quantenstufe zu gelangen, ergibt sich zu 2π(0h̄ . ∆q = √ Mα (C.27) Experimentell wird diese Ladung kontrolliert über die elektrische Spannung U = q ln(Rg /Rw )/(2π(0 ) zwischen dem Draht und dem Vakuumgehäuse mit Radius Rg . Eine Spannungsdifferenz von ∆U = h̄ ln(Rg /Rw ) √ Mα 142 entspricht also gerade einer Quantenstufe. Durch den Logarithmus ist dieser Term noch schwach von der experimentellen Geometrie abhängig. Setzt man typische Größen ein (Drahtradius Rw = 0.1µm, Rg = 1cm), so erhält man für Lithium ∆U = 0.21V , eine Größenordnung, die leicht zu kontrollieren ist. 143 144 Anhang D Magnetisches Moment und Magnetfeld D.1 Klassische Bahngleichungen Hier folgt eine kurze Zusammenstellung der klassischen Bewegungsgleichungen für die Wechselwirkung zwischen Spin und magnetischem Feld. Die aus der Hamiltonfunktion, p2 − µ · B, (D.1) H= 2M folgenden Bewegungsgleichungen für die Bewegung des Atoms und seinen Spin (magnetisches Moment) lauten d2 x = −∇(µ · B) dt2 d h̄ µ = γµ × B, dt M (D.2) (D.3) wo γ = gF µB (gF = gyromagnetischer Faktor, µB = Bohrmagneton) das gyromagnetische Verhältnis des Atoms ist. Dieser Satz von Gleichungen hat den Vorteil, daß er anschaulich die Präzessionsbewegung des magnetischen beschreibt. In allen unseren BeMomentes µ um das lokale Magnetfeld B trachtungen konnte aber in der adiabatischen Approximation der Spinfreiheitsgrad aus den Gleichungen eliminiert werden. 145 35 30 30 5ms 15ms 25ms 25 Atomdichte [a.u.] Atomdichte [a.u.] 35 20 15 10 5 0 −10 20 15 10 5 −5 0 5 10 Position [mm] 0 −10 −5 0 5 10 Position [mm] Abbildung D.1: Freie Expansion der Falle. Die Verteilungen werden durch Gaußkurven beschrieben. D.2 5ms 15ms 25ms 25 Abbildung D.2: Atomwolke nach Wechselwirkung mit Drahtpotential. Monte-Carlo Simulationen für das 1/r Potential Hier werden Ergebnisse aus Monte-Carlo Simulationen zusammengestellt, die eine Erweiterung der Rechnungen in Kapitel 6.3 darstellen. Der Quellcode stammt von einem Fortran Programm von Jörg Schmiedmayer. Im Vergleich zum Programm in Kapitel 6.3 werden die Keplergleichungen für jedes einzelne Atom gelöst, sodaß zu jedem Zeitpunkt der Ort und Geschwindigkeit des Teilchens bekannt ist. Um die optische Detektion im Experiment miteinzubeziehen, werden beim Zählen nur Atome berücksichtigt, die sich innerhalb eines Würfels der Kantenlänge 2 cm befinden. Dies berücksichtigt die endliche Ausdehnung der Fallen-Laserstrahlen. Die Rechnung wurde durchgeführt für eine Falle mit einer räumlichen Breite von σx,y = 0.7mm und einer Geschwindigkeitsbreite von σv = 0.5m/s. Durch den Draht floß 1 A Strom. Abb. D.1 bis D.3 stellen Atomverteilungen dar nach 5, 15, und 25 Millisekunden Wechselwirkungszeit. Abb. D.1 zeigt die freie Expansion der Atomwolke, die durch eine Gaußkurve beschrieben wird. Abb. D.2 zeigt die Verteilung bei Stromfluß durch den Draht und Abb. D.3 zeigt das Differenzsignal der beiden Kurven. 146 8 Atomdichte [a.u.] 6 5ms 15ms 25ms 4 2 0 −2 −4 −6 −10 −5 0 5 10 Position [mm] Abbildung D.3: Theoretisches Differenzsignal aus Atomverteilung nach freier Expansion (Abb. D.1) und Wechselwirkung mit dem Drahtpotential (Abb. D.2). Vergleich mit Experiment Vergleiche mit den experimentell gemessenen Kurven aus Kapitel 6 zeigen, daß sich die experimentellen Daten durch die klassischen Monte-Carlo Rechnungen gut beschreiben lassen. Als Beispiel zeigt Abb. D.4 gemessene atomare Verteilungen für Atome nach 7.5 ms freier Expansion bzw. nach 7.5 ms Wechselwirkung mit einem stromführenden Draht von 1.2 A. Die Kurve in b) zeigt das dazugehörige Differenzsignal. Die Bilder c) und d) stammen aus entsprechenden Monte-Carlo Simulationen. Es herrscht gute Übereinstimmung zwischen den experimentellen Daten und den theoretischen Kurven. Gauß- oder Lorentzkurve? Abb. D.5 trägt zur Klärung der Frage bei, durch welche funktionelle Form die Atomverteilung im Keplerleiter zu beschreiben ist. Ein Datensatz aus der Monte-Carlo Rechnung wird mit einer Lorentz- und einer Gaußkurve gefittet. Während die Gaußkurve aufgrund der weit hinausreichenden Flanken der Verteilung schlechte Übereinstimmung zeigt, beschreibt die Lorentzkurve die Daten so genau, daß die Kurven praktisch deckungsgleich sind. Die Daten in Abb. D.5 gehören zu einer Wechselwirkungszeit von 50 ms. Für längere Zeiten verändert sich die Atomverteilung praktisch nicht mehr 147 Experiment Atom-Verteilung [a.u.] 20 a) M.C. Rechnungen Draht Position c) Draht Position Kein Strom Kein Strom 10 Strom (1.2A) Strom (1.2A) 0 b) d) 2 0 -2 Differenz -4 -2 0 2 Position [mm] 4 Differenz -4 -2 0 2 Position [mm] 4 Abbildung D.4: Vergleich von Experiment und Theorie. a) zeigt experimentell gemessene Atomverteilungen für freie Expansion und für Wechselwirkung mit dem stromführenden Draht (1.2 A) jeweils 7.5 ms nach dem Entlassen der Atome aus der magneto-optischen Falle. b) zeigt das Differenzsignal aus diesen beiden Kurven. c) und d) stammen von entsprechenden Monte-Carlo Rechnungen. und wird weiterhin durch die Lorentzfunktion beschrieben. In Abb. D.6 werden verschiedene Fitmethoden verglichen zu unterschiedlichen Wechselwirkungszeiten. Dies ist besonders interessant für kurze Zeiten, da hier in den Verteilungen aus der Simulation noch ein Untergrund aus ungebundenen Atomen vorhanden ist. Die Fits mit Lorentzkurve geben bis hinunter zu 10 ms im wesentlichen identische Ergebnisse. Die Fits mit Gaußfunktion variieren bis zu 20 – 30 % in der Breite. Außerdem geben sie vor, daß die Anzahl der gebundenen Atome (∝ Fläche unter dem Peak) mit der Zeit wächst, was physikalisch unsinnig ist. 148 Fluoreszenssignal [a.u.] 15 10 nach 50 ms Lorentzfit und Daten 5 0 Gaussfit -5 -10 flacher Dip -5 0 5 Abstand vom Draht [mm] 10 Abbildung D.5: Nach 50 ms sind praktisch alle nichtgebundenen Atome davongeflogen. Nur noch die im Keplerleiter gebundenen Atome sind vorhanden. Die Verteilung dieser Atome wird sehr gut durch eine Lorentzverteilung beschrieben. 25 0.8 Breite der Atomverteilung [mm] 20 0.6 15 15 10 Amplitude der Atomverteilung [a.u.] Zahl gefangener Atome [a.u.] 5 10 0 0 10 20 30 40 50 Wechselwirkungszeit [ms] 0 10 20 30 40 Wechselwirkungszeit [ms] Abbildung D.6: Gauß- und Lorentzfits an die Verteilungen der Computersimulation für verschiedene Wechselwirkungszeiten. Das Plot-Symbol ✷: Dip und Peak werden mit Gaußkurven gefittet; ✁: Lorentzfit für Dip und Peak. ◦: Lorentzfit für Peak, Gaußfit für Dip. 149 50 150 Anhang E Eine elektrisch geladene optische Faser als Atomleiter Der elektrisch geladene Draht mit seinem attraktiven Potential hätte angenehme Eigenschaften für einen Atomleiter. So ist sein Potential für alle Atome attraktiv und nicht spinabhängig. Er könnte außerdem stromlos betrieben werden. Wie aber in Kapitel 3 besprochen, fallen alle gebundenen Atome ins Zentrum und werden vom Draht absorbiert. Um dies zu verhindern, braucht man zusätzlich zum attraktiven 1/r 2 Potential des geladenen Drahtes ein kurzreichweitiges, repulsives Potential, das dem Sturz des Atoms auf die Drahtoberfläche entgegenwirkt. Die hier vorgestellte Idee1 besteht darin [Bat94, Ofiber], ein zur Atomlinie blauverstimmtes, evaneszentes Lichtfeld zu benutzen, welches durch die AC-Starkshift ein repulsives Potential für das Atom darstellt. Dazu verwendet man anstatt eines metallischen Drahtes eine elektrisch geladene optische Faser, deren Cladding vorher entfernt wurde (vgl. Abb. E.1). Sobald Laserlicht durch diese Faser propagiert, entsteht aufgrund der Totalreflexion ein evaneszentes Lichtfeld an der Oberfläche der Faser. Da das evaneszente Lichtfeld näherungsweise exponentiell mit dem Abstand zur Oberfläche abklingt, ist damit die kurze Reichweite des repulsiven Potentials sichergestellt. Weil Quarz bei Raumtemperatur ein hervorragender Isolator ist, besteht eine Schwierigkeit darin, die Quarzfaser elektrisch zu laden, um das attraktive 1/r 2 Potential zu realisieren. Dazu kann der Faser eine dünne (<< λLicht ), leitende Metallschicht aufgedampft werden, die ein gleichmäßi1 Es gibt auch andere Vorschläge, die Orbits der Atome um den Draht zu stabilisieren. So kann man z.B. die Drahtladung ständig oszillieren, d.h. den Draht laden und entladen. Dann befinden sich die Atome zeitweilig im 1/r2 Potential und zeitweilig bewegen sie sich frei. Auf diese Weise wird der Fall ins Zentrum verhindert und stabile Bahnen sind möglich [Hau92]. 151 Licht - 1nm SilberSchicht Quarz Atom Glasfaser Abbildung E.1: Setup für Glasfaserleiter. Durch eine metallisch beschichtete und elektrisch geladene Glasfaser propagiert Licht, dessen Frequenz zur Atomlinie blau verstimmt ist. Das nach außen dringende evaneszente Lichtfeld bildet ein kurzreichweitiges, repulsives Potential für Atome, die vom geladenen Draht angezogen werden. ges elektrisches Aufladen ermöglicht. Die aufgedampfte Schicht muß dünn sein, damit die Absorption des Laserlichtes in der Schicht kleingehalten wird und möglichst viel des evaneszenten Lichtes nach außen dringt. Die genaue Form des evaneszenten Lichtfeldes hängt im Detail von der Art der Lichtmode ab, die durch die Faser propagiert. Für den einfachen Fall einer TE01 Mode [Sny83] ist das AC-Starkshiftpotential winkelunabhängig und das gesamte Wechselwirkungspotential ist gegeben durch Vguid (r) = AK02 (Br) − 1 2π(0 2 αq 2 , 2r 2 (E.1) wo A und B Konstanten sind, die von der Bauart der optischen Faser (n, Rw ,...) wie auch der Lichtintensität, der Wellenlänge und den atomaren Eigenschaften abhängen. K0 bezeichnet die modifizierte Besselfunktion zweiter Art. Abb. E.2 zeigt ein typisches Beispiel eines solchen Potentials. Kalte Atome können im Potential in radialer Richtung gebunden werden, aber bewegen sich frei entlang der z-Richtung, der Richtung des Drahtes. Tafel E.1 zeigt experimentelle Parameter für verschiedene Atomleiter für das Element Lithium. Aus der Tabelle geht hervor, daß die Energieabstände der quantenmechanischen Zustände im Potential größer sind als die Recoilenergie der Atome. Falls sie auch größer sind als die Linienbreite, kann man Seitenbandkühlung betreiben. Im Vergleich zum Leiten von Atomen in hohlen optischen Fasern [Ols93, Mar94, Ren95] hat die geladene optische Faser den Vorteil, daß zum Führen der Atome keine hohle Faser evakuiert muß, was sich als technisch schwierig 152 [neV] 0 energy 2 -2 guiding potential Van der Waals evanescent wave electric interaction -4 0.5 1.0 radius 1.5 2.0 [µm] Abbildung E.2: Radiales Potential für ein neutrales Atom in der Nähe einer elektrisch geladenen (5V) optischen Faser, durch die 1 mW Licht mit einem Detuning von ∆/Γ = 3 × 105 propagiert. Das anziehende Potential (1/r 2 ) stammt von der Wechselwirkung des Atoms mit dem elektrischen Feld der geladenen Faser. Die Abstoßung rührt vom evaneszenten Teil des blau verstimmten Laserstrahls der durch die Glasfaser läuft. Direkt an der Oberfläche des Drahtes werden auch Van der Waals Kräfte wichtig. erweist. Ein gutes Vakuum ist wichtig, um Verluste im Leiter durch Stöße mit Atomen des Hintergrundgases klein zu halten. Dies gilt besonders im Hinblick auf einen zukünftigen, kohärenten Atomleiter, denn Stöße des Hintergrundgases mit Atomen führen zu Kohärenzverlust. Erste Versuche, dünne optische Quarzfasern im Labor herzustellen, wurden zusammen mit Donatella Cassettari durchgeführt. Dabei verfolgten wir zwei Ansätze: • Man nimmt eine kommerzielle optische Multimode-Faser, in die an einem Ende bequem Licht eingekoppelt werden kann. Nach einem Stück Länge wird das Cladding entfernt, sodaß das evaneszente Licht freiliegt. Da die im Handel erhältlichen Multimode-Fasern einen relativ großen Durchmesser von 100 µm haben, sollte weiterhin der freigelegte Teil der Faser über einer heißen Gasflamme dünngezogen werden. Man kann im Handel Multimode-Fasern mit einem reinen Quarzkern (‘Core’) und Plastikcladding kaufen. Das Plastikcladding lässt sich leicht entfernen durch Abbrennen der Plastikschicht oder durch Auflösen in Dichlormethan. Der verbleibende Quarzkern hat eine sehr glatte Oberfläche und leitet weiterhin gut das Laserlicht. Nur wenig Licht wird aus der Faser herausgestreut. Die Faser wird dann in ei153 Tabelle E.1: Typische Parameter zum Leiten neutraler Atome entlang einer geladenen optischen Faser. R0 ist der Abstand des Potentialminimums vom Faserzentrum. Die letzte Spalte gibt die Größe der atomaren Grundzustandswellenfunktion an. Faser- Detuning Spannung PotentialR0 Fallen Grundradius tiefe Frequenz zustand [µm] Γ [V] [neV] [µm] [kHz] [µm] 5 0.27 3 × 10 2 -0.55 0.699 105 0.166 0.27 3 × 105 5 -4.54 0.592 321 0.095 3 0.27 1 × 10 200 -10200 0.489 16800 0.013 ner relativ ‘kalten’ Butanflamme an einer Stelle aufgeschmolzen und händisch dünngezogen. Die Oberfläche der Faser bleibt dabei glatt, aber ab einer bestimmten Dicke (<50 µm) neigt die Faser dazu, sich abzuschnüren. An der Abschnürungsstelle tritt das Laserlicht aus der Fiber. Der Abschnürprozess läßt sich besonders gut verfolgen, wenn während des Ziehens Laserlicht durch die Faser geschickt wird. Man sieht dann sofort, sobald Schadstellen auftreten, weil an diesen Laserlicht austritt. Um den Laserstrahl in der Faser zu halten, muß man die Faser “tapern”, sie darf nur allmählich über eine längere Strecke dünner werden. Das Tapern stellte sich als schwierig heraus und ist wahrscheinlich nur industriell zu bewerkstelligen. • Das Tapern der Fasern ließe sich vermeiden, wenn von Anfang an in eine dünne Faser eingekoppelt wird. Dazu kann man Monomode-Fasern verwenden, die ein Core haben von 3 bis 4 µm. Das Laserlicht wird über Standardoptiken in das Faser-Core eingekoppelt. Das Problem ist diesmal allerdings, das Faser-Core freizulegen, um an das evaneszente Licht zu gelangen. Monomode-Fasern mit Plastik-Cladding gibt es noch nicht. Die Monomode-Fasern haben ein Quarz-Cladding, das eine leicht andere Dotierung besitzt als das Core. Um das Cladding zu entfernen, tauchen wir die Faser 18 Stunden lang in 20 %ige Flußsäure (HF), die das Cladding langsam wegätzt. Das Fortschreiten der Ätzung kann mit einem normalen Mikroskop beobachtet werden. Unter günstigem Lichteinfall kann man sogar das Core vom Cladding im Mikroskop unterscheiden. In unseren Versuchen lief die Ätzung zunächst sehr gleichmäßig und erzeugte auch eine glatte Oberfläche. Kam man allerdings schließlich dem Core nahe (<10 µm), so entstanden tiefe Taschen und Krater an der Quarz-Oberfläche, an denen das Licht der Faser aus154 trat. Dies läßt sich darauf zurückführen, daß die verschieden dotierten Quarzschichten unterschiedlich schnell geätzt werden. Das Core löst sich nämlich schneller als das Cladding [Hun98]. Meist sind Core und Cladding auch keine zwei streng getrennte Schichten, sondern sie ragen ein wenig ineinander. Wahrscheinlich führt eine Mischtechnik zum Ziel, in der eine Monomode-Faser bis auf 12 µm vorgeätzt wird und dann noch ein wenig dünner gezogen wird. Zur Konstruktion des elektrisch geladenen Atomleiters braucht man eine Faserdurchführung durch die Wände der Vakuumapparatur. Das Licht läßt sich dann außerhalb des Vakuums bequem in die Faser einkoppeln und in der Vakuumaparatur verwenden. Wir konnten eine geeignete Durchführung bauen unter Verwendung von Schraubflanschen der Firma Swagelock. Ein kleiner Konus mit einem etwa 1 mm starken Loch in der Mitte wird als Dichtung benutzt. In das Loch wird mit einen UHV Kleber die Faser eingeklebt. Diese Durchführung wurde bis zu einem Druck von 10−9 Torr auf Vakuumtauglichkeit getestet. 155 156 Anhang F Miszellaneen F.1 Spontane Kräfte in einem Drahtmagnetfeld mit Laserlicht Abbildung F.1: Atome in der Nähe eines stromführenden Drahtes werden beim Einschalten des Fallenlichtes in Form von zwei Tropfen vom Draht abgestoßen. Die Stromrichtung durch den Draht und die Richtung der einfallenden Laserstrahlen bestimmen die Flugrichtung der Tropfen. Zwischen dem linken und dem rechten Bild wurde z.B. die Stromrichtung umgekehrt. In beiden Bildern laufen die einfallenden Laserstrahlen horizontaler und vertikaler Richtung. 157 Spule Draht Abbildung F.2: Kombination eines Qua- Abbildung F.3: Potentialverlauf für drupolfeldes mit dem Drahtfeld. Draht und Quadrupolfeld. Neben dem Feldmaximum am Draht entstehen zwei Feldminima, in denen “low field seekers” gebunden werden können. Der Draht stopft das Magnetloch der Quadrupolfalle. F.2 Neue Magnetfallen Mit Hilfe des Drahtes lassen sich nicht nur Atomleiter bauen. Durch Kombination des Drahtmagnetfeldes mit dem Quadrupolfeld der MOT lassen sich neue 3D Fallen-Konfigurationen herstellen. Abb. F.2 zeigt, wie sich in unserem experimentellen Aufbau die Magnetfelder des Drahtes und der Anti-Helmholtz-Spulen addieren. Der daraus resultierende Potentialverlauf für Atome im ‘low field seeker’ Zustand ist in Abb. F.3 abgebildet. Es entsteht ein ringförmiger Bereich um den Draht, in dem Atome gefangen werden können. An zwei Stellen hat das Potential zwei Vertiefungen. Sind die Atome kalt genug, so sammeln sie sich in diesen ‘Taschen’. In Abb. F.4 ist dazu eine entsprechende experimentelle Atomverteilung zu sehen. Das Bild zeigt den Blick auf die Magnetfalle entlang des Drahtes. In der Mitte der beiden Atomwolken ist ein Stück des Drahtes zu sehen, weil das Bild unter einem leichten Winkel zum Draht aufgenommen wurde. In Abb. F.5 ist die Atomverteilung zu sehen, wenn zusätzlich zum Draht- und Quadrupolfeld ein homogenes magnetisches Offsetfeld dazugeschaltet wird. Das Offsetfeld ‘kippt’ das Potential ein wenig und es bildet sich eine dritte ‘Tasche’ aus, in der sich Atome sammeln können. Falls der Draht, wie in Abb. F.6 dargestellt, längs der Symmetrieachse der Quadrupolspule liegt, entsteht ein ringförmiges Potentialminimum ohne zusätzliche Vertiefungen (Abb. F.7) und die Atome können wie in einem Motodrom Runden laufen. 158 Abbildung F.4: Atome sind in der ‘gestopften’ Quadrupolfalle aus Abb. F.3 gefangen. In der Mitte ist ein Stück des Drahtes zu sehen, weil das Bild unter einem leichten Winkel aufgenommen wurde. Abbildung F.5: Durch ein zusätzliches magnetisches Offsetfeld kann das Potential aus Abb. F.3 noch zusätzlich ‘gekippt’ werden. Es bildet sich eine dritte ‘Tasche’, in der sich Atome sammeln. Draht Spulen Abbildung F.6: Kombination des Quadrupolfeldes mit dem Drahtfeld, bei der Draht in der Symmetrieachse der Anti-Helmholtz-Spulen liegt. Abbildung F.7: Potentialverlauf für die Fallengeometrie in Abb. F.6. Aufgrund der Rotations-Symmetrie entsteht ringförmiges Potentialminimum ohne zusätzliche Vertiefungen um den Draht. 159 160 Literaturverzeichnis [Abf94] Der EOM, sowie einige AOM Treiber wurden von Roland Abfalterer in seiner Diplomarbeit aufgebaut. R. Abfalterer, Diplomarbeit, Universität Innsbruck, (1994). 17 [Abr72] M. Abramowitz, I. Stegun, Handbook of Mathematical Functions, p.358 (Dover Publications, New York, 1972). 130, 133, 138 [Ada94] C.S. Adams, M. Sigel, und J. Mlynek. Phys. Rep., 240 (3), 145, (1994). 5, 161 [And95] M.H. Anderson, J.R. Ensher, M.R. Matthews, C.E. Wiemann und E.A. Cornell, Science 269, 198 (1995). 161 [Ash83] A. Ashkin und J.P. Gordon, Opt. Lett. 8, 511 (1983). 11 [Ato89] Ein guter Überblick wird gegeben in: Laser Manipulation of Atoms and Ions Editors: E. Arimondo, W. D. Phillips, and F. 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Drechsel. 1994 Diplom in Physik Febr. 1995 Beginn der Dissertation in Innsbruck. Danksagung Ich möchte mich ganz herzlich bei Professor Dr. Anton Zeilinger bedanken für die Aufnahme in seine interessante, internationale Gruppe und seine großzügige Unterstützung in Rat und Tat während meiner Arbeit. Als nächstes möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Betreuer, Dr. Jörg Schmiedmayer, für die Aufnahme in sein Draht-Projekt bedanken. In all den physikalischen Diskussionen und der gemeinsamen Arbeit im Labor habe ich unschätzbar viel von ihm gelernt. Fast alle wichtigen Messungen haben wir zu zweit durchgeführt — oft bis in die frühen Morgenstunden. Im ersten Jahr meiner Dissertation hatte ich das Vergnügen mit Herman Batelaan als Postdoc zusammenzuarbeiten. Zusammen haben wir Höhen und Tiefen gemeistert bei allem, was im Labor noch nicht recht klappen wollte. Ich erinnere mich an Löcher im Vakuumsystem, die nicht gefunden werden wollten, und an endlose Spulen, die entwickelt und gewickelt werden mußten. Ich denke an einen unkooperativen Farbstofflaser, der zu zähmen war, und an die Suche von Signalen, die lange auf sich warten ließen. Besonders dankbar bin ich ihm auch für die vielen Klettersteig-Touren z.B. an der Martinswand oder am Elfer im Stubaital, auf die er mich an vielen Wochenenden mitnahm. Wunderschön waren für mich auch die Gruppenausflüge an den Wochenenden mit all den Mitarbeitern des Institutes wie Jörg Schmiedmayer, Nancy Hecker, Herman und Sandra Batelaan, Trixi Erkert, Hans Christoph Nägerl mit Jule, sowie Claudia Keller und Harald Weinfurter. Der Tag begann mit Skifahren, Wandern, Figln oder Schlittenfahren und endete mit einem gemeinsamen Abendessen, bei dem es viel zu erzählen gab. Ein täglicher Höhepunkt war sicherlich das familiäre und lustige Mittagessen in unserem Instituts-Kochclub mit Christine Messner, Claudia Keller, Nancy Hecker, Jörg Schmiedmayer, Christian Roos, Ferdinand SchmidtKaler und Jürgen Eschner. Alle acht Tage durfte jeder für das Wohlbefinden der anderen sorgen und nicht selten wurden Club-interne Sterne vergeben. Im Laboralltag hatte ich Gelegenheit, viele nette Mitarbeiter zu treffen und mit ihnen zu arbeiten. Deshalb geht mein Dank an - Sonja Franke für die gute und problemlose Zusammenarbeit und das Teilen von Labor und Laser. - Sile Nic Chormaic, mit der es in Gesellschaft immer besonders lustig und interessant zuging. - Markus Arndt, mit dem ich gerne zusammen am Draht-Experiment gearbeitet hätte. 167 - Stefan Bernet, von dem ich alles über den Farbstofflaser lernte und der den Laser mit seinen ‘magischen’ Fingern immer wieder aufzupeppeln wußte. - Stefan Wehinger, der mir vergeblich ‘patience for beginners’ eintrichterte. Ich möchte den beiden Diplomanden Alexander Kasper und Gerhard Umshaus danken. Alexander hatte in seiner Diplomarbeit mit den widerspenstigen Laserdioden für das Lithium zu kämpfen, die wir zu Absorptionsmessungen und zur Atomzahlbestimmung nutzten. Gerhard Umshaus beschäftigte sich mit der Herstellung dünner Quarzfäden und hat zum großen Teil das C-Programm für den Videoframegrabber geschrieben, eine wichtige Vorraussetzung für alle späteren Messungen. An dieser Stelle möchte ich Ulrich Achleiter nicht vergessen, der uns im Programmieren einige Starthilfen gab. Einen großen Dank auch an Gregor Weihs, der immer zu helfen weiß, wenn uns Windows im Stich läßt. Mein Dank auch an Claudia Keller, die bei Gregors Abwesenheit die EDV Geschäfte übernimmt und immer sehr hilfsbereit ist. Ich möchte auch nicht die freundliche Zusammenarbeit mit den anderen Arbeitsgruppen vergessen, wie der Gruppe von Prof. Pulker, deren Aufdampfanlage ich immer wieder benutzen durfte. Der gegenseitige Austausch von Informationen und Materialien mit den Gruppen von Prof. Blatt und Prof. Höpfel war äußerst nützlich. Herr Konrad Eller aus der Biologie half mir immer gerne mit dem Elektronenmikroskop. Dank den sympathischen Sekretärinnen Elisabeth Hilber, Martina Berger und vor allem auch Christine Götsch-Obmascher. Dank den Männern in der Werkstatt, Franz Berger, Toni Schönherr und Stefan Haslwanter. Dank auch unserem Elektroniker Andreas Mitterer und Surasak Chianga, die mir halfen, wenn die Elektronen nicht kooperieren wollten. Ich danke Donatella Cassettari, die immer wieder den Sonnenschein in unser Labor hereinbringt. Ich wünsche Ihr und den neuen Doktoranden Alexander Chenet und Stefan Schneider mit dem Experiment weiterhin viel Spaß und schöne Resultate, die sich seit geraumer Zeit ankündigen. Mein besonderer Dank gilt Nancy Hecker für ihre Freundschaft und dafür daß sie viele meiner Höhen und Tiefen durch die Doktorarbeit mitgetragen hat. Ich möchte von ganzem Herzen meiner Familie, besonders meinen Eltern danken, die mir eine beständige Stütze sind. 168