Inhalt_3. Aufl_2 - Notarzt

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INHALT
2
1.
PATHOPHYSIOLOGIE MYOKARDINFARKT /
AKUTES KORONARSYNDROM
2
2.
KOMPLIKATIONEN DES MYOKARDINFARKTES
3
3.
KLINIK MYOKARDINFARKT
3
3
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5
6
7
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4.
EKG-GRUNDLAGEN
A. INFARKTLOKALISATION IM EKG
B. BLOCKBILDER / SCHRITTMACHER-EKG
C. ST-HEBUNG: DIFFERENZIALDIAGNOSTIK
D. EKG-KRITERIEN FÜR EINEN TRANSMURALEN INFARKT
E. EKG-BEISPIELE
F. ZUSAMMENFASSUNG UND PRAKTISCHES VORGEHEN
10
5.
FIBRINOLYTIKA WIRKUNG / NEBENWIRKUNG
11
6.
EINSCHLUSSKRITERIEN PRÄKLINISCHE LYSE
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7.
KONTRAINDIKATIONEN PRÄKLINISCHE LYSE
14
8.
DURCHFÜHRUNG DER LYSE
14
9.
BEGLEITTHERAPIE BEIM AKUTEN MYOKARDINFARKT
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10. ZUWEISUNGSKONZEPT „KARDIALER THORAXSCHMERZ“
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11. PTCA-INDIKATION
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12. FALLBEISPIELE
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16
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18
19
19
13. ANLAGE:
INDIKATIONS– UND KONTRAINDIKATIONSLISTE
CHECKLISTE „PRÄKLINISCHE LYSE“
EKG-KLEBESCHEMA
AUFLÖSUNG EKG-BEISPIELE
ZUWEISUNGSKONZEPT BEI KARDIALEM THORAXSCHMERZ
1
1. PATHOPHYSIOLOGIE MYOKARDINFARKT /
AKUTES KORONARSYNDROM
Auf einem aufbrechenden Plaque in einem Koronargefäß bildet sich ein
Thrombus, der das Gefäßlumen verschließen kann.
Kommt es zu einem partiellen Verschluss, zeigt sich klinisch eine instabile Angina
pectoris oder ein nicht transmuraler Myokardinfarkt. Im EKG zeigen sich ST-Senkungen
oder T-Wellenveränderungen in Form von gleichschenkeligen (terminalen) T-Negativierungen im Versorgungsbereich des betroffenen Gefäßes.
Kommt es zu einem kompletten Verschluss entsteht ein transmuraler Infarkt, der sich
(meist) durch typische ST-Streckenhebungen im Versorgungsbereich des Gefäßes zeigt.
Die Thoraxschmerzen halten an und lassen sich in der Regel nicht oder nur unzureichend durch Nitrogabe bessern.
Diese Zustände fasst man unter dem Begriff „akutes Koronarsyndrom“ zusammen,
um zu betonen, dass es hier fließende Übergänge gibt. Der transmurale Infarkt wird
neuerdings auch als STEMI (ST elevation myocardial infarction) bezeichnet, um die
Bedeutung des EKG-Befundes für die Diagnose zu unterstreichen.
Die Infarktlokalisationen werden im Kapitel EKG dargestellt.
Beim vollständigen Verschluss eines Kranzgefäßes entsteht zeitabhängig eine Nekrose
im entsprechenden Versorgungsgebiet. Die vorbestehende Kollateralisierung und die
Lokalisation der Stenose im Koronargefäß ist für die Nekrosegröße maßgeblich. Bereits
nach 30 min treten erste Nekrosen im Innenschichtbereich (letzte Wiese) auf. Nach
3 Stunden sind 70 % des Infarktgebietes bereits irreversibel geschädigt.
2. KOMPLIKATIONEN DES MYOKARDINFARKTES
Bei besonders großen Infarkten kann es zum Pumpversagen des linken Ventrikels
(kardiogener Schock) kommen.
Das elektrisch instabile Myokard im Randbereich der Nekrose kann Herzrhythmusstörungen (VES, Couplets, kurze Kammertachykardien, bis hin zum Kammerflimmern)
auslösen.
Bei Beteiligung der AV-Knotenarterie beim Hinterwandinfarkt können AV-Blockierungen
unterschiedlichen Grades auftreten. Prognostisch ungünstigere tiefere AV-Blockierungen können bei Beteiligung des RIVA (Ramus interventricularis anterior), also beim
Vorderwandinfarkt auftreten.
Die Nekrose kann perforieren und zur Herzbeuteltamponade, zum Ventrikelseptumdefekt oder zum Abriss eines Papillarmuskels mit akuter Mitralinsuffizienz führen.
Bis auf Herzrhythmusstörungen sind diese Komplikationen insgesamt selten.
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3. KLINIK MYOKARDINFARKT
Es gibt einerseits Infarkte, die untypische Thoraxschmerzen bereiten (eine junge
Frau beklagte lediglich Schmerzen in der rechten Schulter), auf der anderen Seite
können auch nichtkardiale Erkrankungen „typische“ Infarktschmerzen auslösen. Insbesondere ist hier an das dissezierende Aortenaneurysma oder die Lungenembolie zu
denken.
Die falsch positive Kombination aus einem typischen Infarkt-EKG und einer typischen
Klinik kommt in der Praxis extrem selten vor (s. EKG Differenzialdiagnosen)!
Der typische Infarktschmerz ist anhaltend, nicht abhängig von Bewegungen oder
Atemexkursionen, eher drückend, ziehend, brennend, dumpf. Die Lokalisation ist links
thorakal, retrosternal mit einer möglichen Ausstrahlung in den linken Arm/Schulter,
Hals/Unterkiefer, Oberbauch. Der Schmerz ist nicht durch Druck auslösbar.
Dies soll nur als Anhalt dienen; Abweichungen gibt es in großer Zahl, sie sind auch vom
Empfinden und der Differenzierungs- und Mitteilungfähigkeit des Patienten abhängig.
Untypische Schmerzen sind stechend oder reißend, genau auf einen kleinen Bereich
lokalisiert, auf Druck und Bewegung auslösbar.
Blutdruck, Puls, Herzrhythmus können beim akuten Infarkt völlig unauffällig sein.
Die kardiale Anamnese kann selbstverständlich bei Neumanifestation leer sein und ist
dann wenig hilfreich. Bei Patienten mit Infarkten in der Vorgeschichte kann ein Vergleich
der jetzigen mit den damaligen Schmerzen hilfreich sein. Liegt die Implantation eines
Koronarstents erst kurz zurück, ist an einen thrombotischen Frühverschluss zu denken.
Neben der möglichen Lyse ist eine erneute Koronarintervention erforderlich.
4. EKG-GRUNDLAGEN
Diese Ausführungen ersetzen nicht einen EKG-Kurs, wenn man die kompletten
differenzialdiagnostischen Möglichkeiten des EKG´s nutzen will. Die dargestellten
Grundkenntnisse reichen aus, ein typisches Infarkt-EKG zu erkennen und von vergleichbaren EKG-Veränderungen zu unterscheiden.
A. INFARKTLOKALISATION IM EKG
Ganz kurz sei an den Cabrera-Kreis erinnert. Die Achsenrichtungen der verschiedenen Extremitätenableitungen werden hier zusammengefasst dargestellt. Für die
Bestimmung des Lagetyps ist die Ableitung mit dem größten positiven R-Ausschlag
maßgeblich.
In welchen Ableitungen sich die infarkttypischen EKG-Veränderungen zeigen, lässt sich
anhand des Cabrera-Kreises ableiten.
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Cabrera-Kreis
Die Hinterwand wird in den Ableitungen, deren Vektor nach kaudal zeigt, abgebildet (II,
III, aVF) bei Ausdehnung auf die Lateralwand können auch I und aVL, selten auch V5,
V6 beteiligt sein. Die posteriore Hinterwand (s. Bild) zeigt sich in spiegelbildlichen
Veränderungen in V1, V2.
Die Vorderwand bildet sich in den Brustwandableitungen V(1)2 – V6 ab. Ein eher anteroseptaler Infarkt reicht nach V(1)2, ein eher anterolateraler Infarkt reicht nach V(5)6, I,
aVL.
Die Lateralwand bildet sich in den Ableitungen I, aVL, V5, V6 ab. Die folgenden
Grafiken sollen die Orientierung erleichtern.
Schematische Darstellung zur Differenzierung der
Infarktlokalisation in inferior (oder diaphragmal) oder
posterior (oder strikt posterior). Der posteriore Infarkt
ist in den Brustwandableitungen spiegelbildlich in
Ableitung V2 zu erkennen.
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Schematische Darstellung zur Lokalisation der verschiedenen
Vorderwandinfarkte.
Lassen sich die EKG-Veränderungen keinem Herzareal zuordnen, ist Vorsicht geboten;
möglich wäre eine Verwechslung der Ableitungskabel (ggf. Neuableitung) oder das
Vorliegen einer Myokarditis. Spiegelbildliche Veränderungen (ST-Senkungen) in den
gegenüberliegenden Ableitungen sind möglich.
B. BLOCKBILDER / SCHRITTMACHER-EKG
Ist die Erregungsleitung eines Tawaraschenkels unterbrochen oder verlangsamt,
wird das entsprechende Myokard verzögert über das Myokard der anderen Seite
innerviert. Im EKG zeigt sich diese Verzögerung durch eine Verbreiterung des QRSKomplexes. Oft finden sich zwei R-Zacken (R und R´), sodass der QRS-Komplex die
Form eines M haben kann. Befindet sich der R-R´-Komplex rechts (Abl. V1, V2), liegt ein
RSB vor, befindet er sich links (V5, V6), liegt ein Linksschenkelblock vor. Das Blockbild
heißt inkomplett, wenn die QRS Breite < 0,12 sec beträgt und komplett, wenn sich eine
Verbreiterung auf > 0,12 sec zeigt. Da beim kompletten Schenkelblock (insbesondere
Linksschenkelblock) durch die dazugehörenden Erregungsrückbildungsstörungen die
Infarktdiagnose erschwert, bzw. nicht möglich ist, gilt für die präklinische Lyse jeder
Schenkelblock als infarktuntypisches EKG und verbietet die Durchführung der Lyse.
Gleichwohl ist der neu aufgetretene Linksschenkelblock ein Kriterium für einen akuten
transmuralen Infarkt. Wir können präklinisch jedoch in der Regel nicht entscheiden, ob
das Blockbild bereits bestand. Bei typischer Klinik für einen Infarkt unterbleibt zwar aus
Sicherheitsgründen die (präklinische) Lyse, der Patient sollte jedoch unter der Annahme
eines möglichen Infarktes in ein Interventionszentrum gefahren werden.
Die Breite des Komplexes läßt sich auf dem Millimeterpapier des EKG-Schreibers ablesen. Bei einer eingestellten Schreibgeschwindigkeit von 25 mm/s entspricht 0,12 sec
einer Strecke von 3 mm.
Schrittmacher-EKG´s sind nicht immer einfach zu erkennen. Manchmal sieht man vor
dem QRS-Komplex (oder vor der P-Welle) einen schmalen, kleinen Strich, der einem
Schrittmacherspike entspricht. Bei bestimmten Einstellungen des Schrittmachers ist der
Spike jedoch schlecht oder gar nicht wahrnehmbar. Da die Schrittmacherstimulation
über eine Sonde im rechten Ventrikel erfolgt, sehen Schrittmacheraktionen im EKG wie
ein Linksschenkelblock aus und würden somit den oben genannten Kriterien entsprechen, also keine Lyse. Hat ein Schrittmacherpatient einen schmalen QRS-Komplex,
hat er (z. Zt.) einen Eigenrhythmus und das EKG ist auch für die Infarktdiagnostik zu
verwerten.
Fazit: QRS über 3 mm: keine (präklinische) Lyse!
C. ST-HEBUNG: DIFFERENZIALDIAGNOSTIK
Die mit Abstand häufigste Ursache der ST-Hebung ist der ischämische, transmurale Herzinfarkt. In diesem Kapitel sollen die Differenzialdiagnosen und die
Abgrenzungsmöglichkeiten zum Infarkt dargestellt werden.
Die Perimyokarditis zeigt aufgrund der Außenschichtschädigung eine ST-Hebung, die
jedoch meist aus der S-Zacke hervorgeht und nicht, wie beim Infarkt, aus dem absteigenden Schenkel der R-Zacke. Die Schmerzcharakteristik kann dem Infarktschmerz
ähneln. Die EKG-Veränderungen finden sich üblicherweise in vielen, nicht selten allen
EKG-Ableitungen und lassen sich somit nicht einem Infarktareal zuordnen.
5
Ein Herzwandaneurysma, vor allem ein Vorderwandaneurysma, kann ebenfalls
ST-Hebungen verursachen, die sich dann auch über dem damaligen Infarktareal zeigen
(z. B. typische Hebungen über der Vorderwand). Bei neuerlichen typischen Beschwerden ist dies sicher schwierig oder gar nicht von einem möglichen Reinfarkt in diesem
Bereich zu unterscheiden. Fehlen typische Beschwerden, so fehlt auch ein wichtiges
Kriterium für die Lyse.
Die Prinzmetal-Angina ist ein vasospastischer Verschluss eines Herzkranzgefäßes,
welcher sich in der Folge spontan löst und im EKG typische ST-Hebungen auslösen
kann. Meist liegt jedoch auch eine höhergradige Koronarstenose vor. Der Vasospasmus
ist in der Regel nicht von langer Dauer.
Das disseziierende Aneurysma der thorakalen Aorta kann Infarktschmerzen imitieren, oft
ist die Schmerzcharakteristik jedoch eher reißend und zwischen die Schulterblätter ausstrahlend. Das typische Infarkt-EKG fehlt in den allermeisten Fällen. Wenn die Dissektion in der Aorta ascendens beginnt und die Koronararterien mit beteiligt sind, zeigt sich
aufgrund der Ischämie auch ein typisches Infarkt-EKG. Diese Konstellation ist jedoch
glücklicherweise extrem selten.
Elektrolytstörungen, Digitalis(über)medikation, Contusio cordis, Pankreatitis und
Lungenembolien können mit EKG-Veränderungen einhergehen. Infarkttypische EKGVeränderungen finden sich jedoch in der Regel nicht, und im Zusammenhang mit der
Klinik ergeben sich hier kaum Abgrenzungsprobleme zum Infarkt.
D. EKG-KRITERIEN FÜR EINEN TRANSMURALEN INFARKT
Durch den Verletzungsstrom der geschädigten Myozyten bilden sich im EKG
reversible Erregungsrückbildungsstörungen. In den Ableitungen, deren Vektor ins
Infarktgebiet zeigt (s. oben) zeigen sich Hebungen der ST-Strecke, die typischerweise
aus dem absteigenden Schenkel der R-Zacke entspringen. Eine Hebung von 0,1 mV
(1 mm) in den Extremitätenableitungen (I, II, III, aVL, aVF) und 0,2 mV (2 mm) in den
Brustwandableitungen (V1 – V6) gilt als signifikant, wenn sie in zwei benachbarten
Ableitungen auftritt. Der Begriff benachbart bezieht sich auf das ischämische Areal.
Anhand der Zahl der betroffenen Ableitungen kann man in etwa die zu erwartende
Infarktgröße abschätzen, das Ausmaß der ST-Hebung lässt keinen sicheren Rückschluss auf die Größe zu.
Die EKG-Ableitungen, die dem ischämischen Areal gegenüber liegen, können spiegelbildliche Veränderungen (also ST-Senkungen) zeigen.
Der Linksschenkelblock gilt ebenfalls als infarkttypisch, wenn er neu aufgetreten ist. In
der Regel liegt präklinisch jedoch kein Vergleichs-EKG vor, sodass wir dieses EKGKriterium für die präklinische Lyse nicht verwerten können. Bei typischer Klinik mit
Linksschenkelblock ist jedoch der transmurale Infarkt möglich, sodass dieser Patient
auch in ein Interventionszentrum gebracht werden sollte.
Eine erfolgreiche Reperfusion führt nach 60 – 90 min zur Rückbildung der reversiblen
EKG-Veränderungen (s. unten).
6
E. EKG-BEISPIELE
In diesem Kapitel werden exemplarisch typische EKG-Veränderungen und mögliche Differenzialdiagnosen dargestellt.
Beispiel 1
Beispiel 2
7
Beispiel 3
Beispiel 4
Beispiel 5
Beispiel 6
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F. ZUSAMMENFASSUNG UND PRAKTISCHES VORGEHEN
Wie analysiert man als Notärztin / Notarzt ein präklinisches EKG mit dem Ziel der
sicheren Infarktdiagnose?
Hierzu ist es zunächst wichtig das Schenkelblock-EKG zu erkennen. Der QRS-Komplex
ist auf über 120 ms (0,12 sec) verbreitert. Auf Millimeterpapier mit einer Schreibgeschwindigkeit von 25 mm/s (Standardeinstellung präklinisches EKG) entspricht dies
einer Breite von 3 mm.
Ist der QRS-Komplex breiter als 3 mm, liegt ein Schenkelblock vor und das EKG ist für
die (präklinische) Infarktdiagnose nicht geeignet, untypisch, also keine (präklinische)
Lyse.
Haben wir schmale (< 3mm) QRS-Komplexe, ist die ST-Strecke zu analysieren. Findet
sich eine katzenbuckelartige Hebung, die aus dem absteigenden Schenkel der
R-Zacke entspringt, ist diese um mehr als 0,1 mV (Extremitätenableitung), bzw. 0,2 mV
(Brustwandableitungen) gehoben, ist dies zumindest sehr verdächtig auf das Vorliegen
eines infarkttypischen EKG´s (1 mV entspricht 10 mm). Lassen sich die Ableitungen mit
den entsprechenden Hebungen einem Infarktareal zuordnen (z. B.: II, III, aVF oder
V2 – V6) und sind mindestens zwei Ableitungen betroffen, ist das EKG als typisch
zu werten. Bei gleichzeitiger typischer Klinik steht die präklinische Diagnose eines
Infarktes.
Bei Unsicherheiten in der Beurteilung sollte selbstverständlich die präklinische Lyse
eher unterbleiben! Vielleicht gibt eine Nachbesprechung des EKG-Befundes für die
Zukunft mehr Sicherheit.
12-Kanal-EKG
QRS Breite
< 0,12 sec (3 mm)
> 0,12 sec (3 mm)
ST-Analyse
untypisches EKG
ST-Hebung
> 0,1mV / > 0,2 mV
keine ST-Hebung
Lokalisation
untypisches EKG
Gefäßversorgungstyp
untypisches
EKG
typisches EKG
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5. FIBRINOLYTIKA WIRKUNG / NEBENWIRKUNG
Streptokinase ist das am häufigsten eingesetzte Fibrinolytikum. Es bildet mit
Plasminogen einen Komplex, der weitere Moleküle Plasminogen zu Plasmin umwandeln kann. Diese Aktivierung verläuft schnell und führt zu einer hohen Plasminämie.
Plasmin spaltet Fibrin und Fibrinogen, sodass sich bestehende Thromben auflösen und
aufgrund des Fibrinogenabfalls die plasmatische Gerinnung inaktiviert wird. Da Streptokinase keine spezifische Fibrinaffinität besitzt, kommt es zu einer ausgeprägten
Gerinnungsstörung mit der Folge einer relativ hohen Rate an Blutungskomplikationen,
insbesondere bei folgenden Gefäßpunktionen. Ein weitere Nachteil ist die allergene
Wirkung der Streptokinase.
Die moderneren Thrombolytika leiten sich von der Alteplase (Actilyse®) ab. Hierbei
handelt es sich um einen gentechnisch hergestellten direkten Plasminogenaktivator mit
Affinität zum Fibrin, sodass die Beeinflussung der systemischen Gerinnung geringer ist
als bei der Streptokinase. Eine allergene Wirkung tritt nicht auf.
Die kurze Halbwertszeit von 4 – 6 min erfordert die kontinuierliche Gabe, was den
präklinischen Einsatz behindert.
Veränderungen an der Aminosäurenstruktur des Moleküls haben zu einer Verlängerung
der Halbwertszeit, bei Tenecteplase zur Erhöhung der Fibrinspezifität geführt.
Die Reteplase (Rapilysin®) muss nur noch als Doppelbolus in 30-minütigem Abstand
gespritzt werden.
Die Tenecteplase (Metalyse®) hat eine Halbwertszeit von etwa 18 Minuten und kann als
Einfachbolus gespritzt werden. Damit steht uns eine Substanz zur Verfügung, die
einfach zu applizieren ist, aufgrund der verbesserten Fibrinspezifität weniger Blutungskomplikationen aufweist und durch die geringe Beeinflussung der plasmatischen
Gerinnung (erkennbar am geringen Abfall des Fibrinogens) das Risiko einer folgenden
Gefäßpunktion nicht erhöht. Eine Rescue-PTCA bei erfolgloser Lyse ist ohne erhöhtes
Risiko für den Patienten durchführbar.
Komplikationen der Thrombolysetherapie sind im Wesentlichen Blutungen. Schwere
zerebrale Blutungen können bei der Metalyse® in < 0,9 % der Fälle auftreten, wobei
ältere Patienten über 75 Jahre ein deutlich höheres Risiko aufweisen. Die weiteren
Blutungsmöglichkeiten zeigen sich anhand der Kontraindikationsliste der präklinischen
Lyse. Punktierte Gefäße können bluten (cave i.m. Spritze vor < 24 h). Tumore, Ulzera im
Magen-Darm-Trakt, Gefäßmalformationen, Aneurysmata, Verletzungen, Operationswunden und Hirninfarkte bieten weitere Möglichkeiten der Hämorrhagie und sind
deshalb bei der Überprüfung der Kontraindikationen zu berücksichtigen.
Die allergische Reaktion als Komplikationsmöglichkeit ist bei den direkten Plasminogenaktivatoren nicht zu berücksichtigen.
Es kann durch die Reperfusion von elektrisch instabilem Myokard zu sogenannten
Reperfusionsarrhythmien kommen. Eine lückenlose Monitorüberwachung ist deshalb
unumgänglich! Oft zeigen sich einzelne VES, vielleicht auch Couplets. Selten kann es
zu kurzen ventrikulären Tachykardien bis hin zum Kammerflimmern kommen. Es
kommen auch bradykarde Herzrhythmusstörungen (Sinusarrest, AV-Blockierung) vor.
Eine antiarrhythmische Behandlung der Extrasystolien ist selten erforderlich, ansonsten
kann die Gabe von Ajmalin (Gilurytmal®) oder Amiodaron (Cordarex®) erwogen werden. Bradykarde Rhythmusstörungen sprechen oft gut auf Atropin an. Die Anlage eines
passageren Schrittmachers ist selten erforderlich.
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6. EINSCHLUSSKRITERIEN PRÄKLINISCHE LYSE
Die Kenntnisse in der EKG-Diagnostik und der thrombolytischen Therapie sind bei
Notärztinnen und Notärzten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen naturgemäß verschieden ausgeprägt. Die präklinischen Verhältnisse sind manchmal unübersichtlicher
als die klinische Situation, deshalb ist es wichtig besonderen Wert auf die Diagnoseund Therapiesicherheit zu legen. Das Auftreten einer möglichen Komplikation (z. B.
Hirnblutung) wird unter präklinischen Bedingungen sicher anders gewertet als unter
klinischen, wobei Studien belegen, dass die Komplikationsrate gleich niedrig ist.
Wir haben uns deshalb entschlossen, die Einschlusskriterien für die präklinische Lyse
sowie die Kontraindikationen enger zu fassen, als dies für die Thrombolyse unter
klinischen Bedingungen mit erfahrenem Personal gilt.
Die Einhaltung dieser Vorgaben wird im Zuge der Qualitätssicherung überwacht, um
eine gleichbleibende Qualität sicherstellen zu können.
Die Indikationsliste ist im Anhang abgedruckt. Im Folgenden werden die Kriterien
erläutert und besprochen.
Eindeutiges 12-Kanal-EKG
Das infarkttypische EKG ist Voraussetzung für die Diagnose des transmuralen
Infarktes. Es gibt zwar selten Infarkte, die ohne ein eindeutiges EKG auftreten, deren
Diagnose ist jedoch unter den präklinischen Voraussetzungen nicht sicher zu stellen, so
dass die spezifische Diagnostik / Therapie der (kardiologischen) Klinik vorbehalten
bleibt. Typisch ist ein EKG mit schmalem QRS-Komplex, deutlichen ST-Hebungen um
mindestens 0,1 mV (Extremitäten), bzw. 0,2 mV (Brustwandableitungen) in mindestens
zwei Ableitungen, die einem möglichen Infarktareal zugeordnet werden können.
Typische Infarktsymptomatik
Mit drückenden oder ziehenden, anhaltenden linksthorakalen oder retrosternalen
Schmerzen mit möglicher Ausstrahlung in den linken Arm (Schulter), Oberbauch (nicht
auf Druck auslösbar), Unterkiefer, nicht atemabhängig, nicht auf Thoraxdruck auslösbar.
Sichere Zeitangabe des Infarktschmerzes < 3 Stunden
Die Wirksamkeit der Thrombolyse ist in der frühen Phase des Infarktes
besonders groß. Da innerhalb von 3 Stunden 70 % des Myokards nekrotisch sind, kann
vor allem innerhalb dieser Frist revaskularisiertes Myokard gerettet werden. Eine Metaanalyse vieler Studien zeigt, dass bei Revaskularisation innerhalb von 3 Stunden 80
Leben pro 1000 Behandelte gerettet werden können.
Der Zeitvorteil der präklinischen Thrombolyse zeigt sich durch ein verbessertes Outcome in den ersten 3 Stunden besonders deutlich und überwiegt die höhere Wiedereröffnungrate bei der PTCA. Bei älteren Infarkten ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht
so deutlich. Eine klinische Thrombolyse kann bis zu 12 Stunden nach Infarktbeginn
durchgeführt werden. Weiteres wird im Kapitel Indikationen für die Akut-PTCA
behandelt.
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Gerettete/1000 behandelte Patienten
80
60
40
20
0
0
3
6
9
12
15
18
21
24
Zeitverzögerung in Stunden
nach Boersma Lancet 348 (1996) 771 – 775
Rüstiges Alter des Patienten
Gerade der ältere Patient mit möglicherweise vorgeschädigtem Herzen profitiert
besonders von verhinderter Narbe und damit erhaltener Pumpfunktion. Das Risiko
einer Blutung unter Lyse, insbesondere einer Hirnblutung, steigt jedoch jenseits des
75. Lebensjahres deutlich an.
Fehlen von relativen und absoluten Kontraindikationen (nach Checkliste)
Für die präklinische Thrombolyse werden im Sinne der Therapiesicherheit auch
die relativen Kontraindikationen immer berücksichtigt und verbieten eine (präklinische)
Lyse. Die Kontraindikationen im einzelnen sind anhand der Checkliste abzufragen und
abzuhaken. Dies geschieht in erster Linie zur forensischen Absicherung des einzelnen
Notarztes und ist deshalb sorgfältig durchzuführen. Weiteres siehe unten.
Situationsangepasste kurze Aufklärung und (mündliches) Einverständnis des Patienten
In der Notfallmedizin richtet sich der Umfang der Aufklärungspflicht nach der
Dringlichkeit der Maßnahme und dem Zustand des Patienten. Der lebensbedrohliche
Zustand alleine rechtfertigt jedoch nicht den völligen Verzicht auf die Aufklärung. Es ist
aber sicher nicht angebracht, den akuten Infarktpatienten bis ins Kleinste über mögliche Blutungen und Arrhythmien aufzuklären.
Nach kurzer Information und schonender Aufklärung über die Risiken unter Betonung
des Nutzens der frühzeitigen Therapie, reicht das mündlich erklärte Einverständnis aus.
Eine Unterschrift des Patienten ist in dieser Ausnahmesituation nicht rechtswirksam und
somit entbehrlich.
Zur forensischen Absicherung des Notarztes wird auf der Checkliste die Unterschrift
des Rettungsassistenten (als Zeuge) erwartet.
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7. KONTRAINDIKATIONEN PRÄKLINISCHE LYSE
Im Wesentlichen sind hier Erkrankungen und Zustände zu berücksichtigen, die zu
einer erhöhten Blutungsneigung führen könnten oder bei denen ein erhöhtes Risiko
einer Blutung / Einblutung besteht. Die relativen Kontraindikationen gelten präklinisch als
absolute, um die Therapiesicherheit zu erhöhen (s. oben). Die Kontraindikationen im
einzelnen sind anhand der Checkliste abzufragen und abzuhaken, dies geschieht in
erster Linie zur forensischen Absicherung des einzelnen Notarztes und ist deshalb sorgfältig durchzuführen.
Die normale Regelblutung der Frau und ein Diabetes mellitus ohne Retinopathie stellen
keine Kontraindikation dar. Im Zweifel (z. B. Zustand nach Sturz mit Kopfplatzwunde)
sollte die Thrombolyse eher unterbleiben. Eine bestehende Antikoagulanzientherapie
(Marcumar®) ist unter dem Punkt „hämorrhagische Diathese“ als Kontraindikation zu
werten.
Die Kontraindikationen im einzelnen:
Absolut:
1. Ischämischer Hirninfarkt innerhalb der letzten 2 Monate
2. Hirnblutung, intrakranieller Tumor, zerebrale arteriovenöse Malformation,
zerebrale Aneurysmen in der Anamnese
3. ZNS OP oder SHT innerhalb der letzten 2 Monate
4. Persistierende unkontrollierbare Hypertonie > 180 / 110 mmHg
5. Aktive innere, gastrointestinale oder urogenitale Blutung
6. Blutung aus nicht kompressiblen Gefäßen
7. Hämorrhagische Diathese
8. Aortendissektion
9. Akute Endokarditis / Sepsis
Relativ:
1. Ischämischer Hirninfarkt oder TIA vor mehr als 2 Monaten
2. Kardiopulmonale Reanimation mit Rippen- / Sternumfraktur
3. Proliferative diabetische Retinopathie
4. Schwangerschaft und erste Woche postpartal
5. i.m. Injektion vor < 24 Stunden
6. Antikoagulanzientherapie (Marcumar®)
(Hinweis: Die Fachinformationen der jeweils angewandten Thrombolytika sind zusätzlich zu konsultieren)
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8. DURCHFÜHRUNG DER LYSE
Nach oder begleitend zur Akutversorgung des Patienten mit Thoraxschmerzen ist
das 12-Kanal-EKG abzuleiten und zu beurteilen. Das EKG wird doppelt ausgedruckt,
eine Ausfertigung verbleibt beim Patienten, eine wird mit dem Durchschlag der Checkliste und des DIVI-Protokolls zur Feuerwehr gegeben. Treffen die übrigen Einschlusskriterien zu, ist die Checkliste entsprechend auszufüllen, wobei die Fragen zu den
Kontraindikationen auch aus eigener Erkenntnis beantwortet werden können.
Zur Verhinderung einer Rethrombosierung muss neben der üblichen Infarkttherapie
(einschließlich Aspisol®) ein i.v. Heparinbolus von 5000 IE (bei unter 67 kg Körpergewicht: 4000 IE) vor Metalysegabe gegeben werden!
Die Metalyse® wird aufgelöst und nach geschätztem Körpergewicht aufgezogen (Skala
auf der Spritze). Die Bolusgabe erfolgt als rasche Injektion, der Zeitpunkt der Gabe ist
auf dem Protokoll zu notieren!
Am Rückgang der ST-Elevation (beurteilt 90 Minuten nach Lysegabe) kann der Erfolg
der Lyse abgelesen werden. Bildet sich die ST-Hebung um mehr als 70 % zurück, ist
von einer vollständigen Wiedereröffnung auszugehen (in Studien hat diese Gruppe die
niedrigste Letalität). Beträgt der Rückgang weniger als 30 %, ist von einem Lyseversagen auszugehen, dies kommt bei weniger als 20 % der Patienten vor, eine RescuePTCA ist sofort anzustreben.
9. BEGLEITTHERAPIE BEIM AKUTEN MYOKARDINFARKT
Auf die Notfalltherapie des akuten Infarktes sei hier nur am Rande eingegangen.
Wichtig ist die nasale Sauerstoffgabe, die Analgesie mit Morphin bis zur Schmerzfreiheit, ggf. auch eine begleitende Sedierung, um den myokardialen Sauerstoffverbrauch
zu senken. Weiterhin die Gabe eines Thrombozytenaggregationshemmers und die Antikoagulation mit einem Bolus von 5000 IE Heparin und nachfolgender Infusion (nach
ESC-Leitlinien: 60 IE Heparin/kg KG (max. 4000 IE) Bolus, 12 IE Heparin/kg KG (max.
1000 IE) Infusion). Für den präklinischen Einsatz eines β-Blockers spricht dessen
Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs und Unterdrückung von ventrikulären
Rhythmusstörungen. Ein positiver Einfluss auf das Outcome bei Patienten in klinischen
Studien hat sich gezeigt, sodass auch präklinisch die β-Blockergabe erfolgen sollte,
sofern keine Kontraindikationen vorliegen.
10. ZUWEISUNGSKONZEPT „KARDIALER THORAXSCHMERZ“
Die Zuweisung und Therapie der Patienten richtet sich in erster Linie nach dem
EKG-Befund. Zeigt sich ein typisches Infarkt-EKG und die typische Schmerzcharakteristik, ist das Zeitfenster für den weiteren Ablauf entscheidend. Bei einer Symptomdauer
< 3 h ist eine präklinische Lyse indiziert, sofern die übrigen Kriterien erfüllt sind. Um
bei Lyseversagern unverzüglich eine Rescue-PTCA durchführen zu können, werden
diese Patienten in eines der kardiologischen Zentren (K1 oder K4) gebracht.
Liegen Kontraindikationen für die präklinische Lyse vor, muss in der Regel die
Revaskularisation mittels PTCA versucht werden, diese Patienten müssen also mit
entsprechender Voranmeldung ins K1 / K4 eingewiesen werden.
Da sich bei Patienten bis zu 12 (-24) Stunden Symptomdauer noch ein Benefit für die
Akut-PTCA zeigt, sind die Patienten mit einer Symptomdauer von 3 – 24 Stunden ebenfalls ins kardiologische Zentrum einzuweisen.
14
Patienten mit unspezifischen EKG-Veränderungen, aber kardialem Thoraxschmerz,
können zur weiteren Diagnostik / Überwachung in die nächste Medizinische Klinik, ggf.
mit Intensivbett, gefahren werden. Eine weitere Risikoabschätzung kann anhand des
Troponin-I-Verlaufs getroffen werden. Patienten mit akutem Koronarsyndrom und erhöhtem Troponin I sollten dann sekundär einer Koronarintervention zugeführt werden.
Eine Sonderstellung nehmen Patienten im kardiogenen Schock ein. Nach Checkliste
kann hier zwar eine präklinische Lyse durchgeführt werden, diese ändert jedoch alleine
nicht viel an der schlechten Prognose dieser Patienten mit einer Letalität von etwa
60 %. Nur mittels PTCA kann die Letalität gesenkt werden. Sie beträgt bei erfolgreicher
PTCA etwa 30 %.
Der instabile Patient mit kardiogenem Schock sollte also eben nicht auf die nächste
Intensivstation gebracht, sondern der möglicherweise weitere Weg ins kardiologische Zentrum zur Intervention gewählt werden. Ein Schaubild im Anhang verdeutlicht die Abläufe.
11. PTCA-INDIKATION
Die Indikationen der Akut-PTCA wurden bereits oben angesprochen. Zusammengefasst sind dies vor allem Patienten mit Kontraindikationen für die Lyse, Patienten mit
Überschreitung des Zeitfensters bis zu 12 (24) Stunden nach Symptombeginn und
Patienten mit Troponin-I-positivem akutem Koronarsyndrom (dies allerdings nicht so
zeitkritisch wie der akute transmurale Infarkt). Von der PTCA profitieren weiterhin
vor allem ältere Patienten (höheres Lyserisiko) und, wie oben betont, Patienten im
kardiogenen Schock.
Die PTCA führt zu einer höheren Offenheitsrate und hat eine niedrigere Komplikationsrate, sodass bei sehr kurzem präklinischen Zeitverlust der Vorteil der raschen Thrombolyse geringer wird. Unter bestimmten Voraussetzungen (Kliniknähe, Patient schon im
RTW, Tagstunden mit arbeitsbereitem Interventionsteam, persönliche Voranmeldung)
kann deshalb auch das Interventionszentrum direkt angefahren werden.
Bei lysierten Patienten muss in < 20 % der Fälle eine Rescue-PTCA bei Lyseversagern
durchgeführt werden. Nach erfolgreicher Lyse besteht der maligne Plaque weiterhin,
sodass zur Verhinderung eines Reinfarktes im Intervall eine elektive Koronarangiografie
mit PTCA-Option durchgeführt werden sollte.
12. FALLBEISPIELE
Vorstellung von Fällen aus Präklinik und Klinik mit Diskussion. Dies ist Inhalt der
Notarztschulung. EKG-Beispiele werden analysiert und im Hinblick auf die mögliche
Therapie gewertet.
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13. ANLAGEN:
INDIKATIONEN FÜR DIE PRÄKLINISCHE FIBRINOLYSE BEIM MYOKARDINFARKT
1. Eindeutiges 12-Kanal-EKG
ST-Hebung um > 0,1 mV (Extremitäten), bzw. 0,2 mV (Brustwand) in mindestens
zwei benachbarten Ableitungen
2. Typische Infarktsymptomatik mit linksthorakalen Schmerzen, druckartig, als
wenn ein Stein drauf liegt, als wenn der Brustkorb zusammengeschnürt wird.
Ausstrahlung möglich in den linken Arm, Unterkiefer, Oberbauch
3. Sichere Zeitangabe des Infarktschmerzes < 3 Stunden
4. Rüstiges Alter des Patienten
5. Fehlen von relativen und absoluten Kontraindikationen (nach Checkliste)
6. Situationsangepasste, kurze Aufklärung und (mündliches) Einverständnis des
Patienten
DURCHFÜHRUNG DER PRÄKLINISCHEN LYSE
1. Übliche Infarkttherapie mit Sauerstoff, Aspisol (500 mg), i.v. Heparinbolus
(5000 IE, unter 67 kg KG: 4000 IE), Analgesie mit Morphin bis zur Schmerzfreiheit
nach vorheriger Antiemetikagabe, ggf. β-Blockergabe
2. Dokumentation des Ausgangs-EKG´s
3. Auflösen der Metalyse®, Bolusinjektion gewichtsadaptiert (vorher Heparinbolus)
4. Monitoring der ST-Elevation und Dokumentation bei Rückbildung der Hebung
KONTRAINDIKATIONEN ZUR LYSETHERAPIE:
Absolut:
1. Ischämischer Hirninfarkt innerhalb der letzten 2 Monate
2. Hirnblutung, intrakranieller Tumor, zerebrale arteriovenöse Malformation,
zerebrale Aneurysmen in der Anamnese
3. ZNS OP oder SHT innerhalb der letzten 2 Monate
4. Persistierende unkontrollierbare Hypertonie > 180 / 110 mmHg
5. Aktive innere, gastrointestinale oder urogenitale Blutung
6. Blutung aus nicht kompressiblen Gefäßen
7. Hämorrhagische Diathese
8. Aortendissektion
9. Akute Endokarditis / Sepsis
Relativ:
1. Ischämischer Hirninfarkt oder TIA vor mehr als 2 Monaten
2. Kardiopulmonale Reanimation mit Rippen- / Sternumfraktur
3. Proliferative diabetische Retinopathie
4. Schwangerschaft und erste Woche postpartal
5. i.m. Injektion vor < 24 Stunden
6. Antikoagulanzientherapie (Marcumar®)
Keine Kontraindikation:
Normale Regelblutung der Frau, Diabetes mellitus ohne Retinopathie
(Hinweis: Die Fachinformationen der jeweils angewandten Thrombolytika sind zusätzlich zu konsultieren)
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CHECKLISTE „PRÄKLINISCHE LYSE“
Datum:
Uhrzeit:
Name:
Vorname:
Einsatznummer:
Geb. Datum:
Krankenversicherung:
Einschlusskriterien:
1
Typischer Infarktschmerz mit eindeutigem Beginn vor weniger als 3 Stunden
2. Infarkttypisches EKG, dokumentiert
3. Rüstiges Alter des Patienten
Kontraindikationen:
1. Hatten Sie einen Schlaganfall innerhalb der letzten zwei Monate?
Wenn ja, wann?
2. Hatten Sie eine Operation innerhalb der letzten zwei Monate?
3. Hatten oder haben Sie eine Hirnblutung, eine Gefäßmissbildung
im Gehirn, ein Aneurysma?
4. Haben Sie eine bösartige Erkrankung, Krebs?
5. Hatten Sie in den letzten Tagen eine Blutung aus dem After,
der Harnröhre, der Scheide, haben Sie blutig erbrochen,
schwarzen Stuhlgang gehabt?
6. Haben Sie eine Blutgerinnungsstörung?
7. Ist bei Ihnen eine Aufweitung der Hauptschlagader (Aneurysma)
bekannt?
8. Besteht bei Ihnen eine Herzklappenentzündung?
9. Besteht bei Ihnen eine Zuckerkrankheit, wenn ja, besteht eine
Augenschädigung durch die Zuckerkrankheit (Retinopathie)?
10. Sind Sie schwanger?
11. Haben Sie in den letzten 24 Stunden eine Spritze
bekommen (i.m.)?
Nein Ja
Aufklärung:
Aufklärung über Risiko einer Blutung, im schlimmsten Fall Hirnblutung (< 0,9 %)
(Hinweis auf Nutzen einer möglichst frühen Lyse)
Die Einschlusskriterien (Punkt 1 bis 3) liegen vor, die Fragen zu Kontraindikationen
Punkt 1 bis 11 sind jeweils mit nein zu beantworten und der Patient ist nach situationsangepasster Aufklärung über Nutzen und Risiko der Lysetherapie einverstanden mit der
unmittelbaren Durchführung.
Notarzt (Name)
Rettungsassistent
Qualitätskontrolle sichert den Behandlungserfolg! Um eine gute Qualitätssicherung durchführen zu können
möchten wir Sie bitten den Entlassungsbrief / Corobefund zuzusenden. Feuerwehr; Dr. Lemke, Ärztl. Leiter
Rettungsdienst; Abt. 37 / 2 – 3; 44122 Dortmund. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.
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1
2
3
4
5
6
1.
4-poliges Kabel (wie gewohnt)
a. rot (I):
rechte Schulter
b. gelb (II):
linke Schulter
c. grün (III):
linker Unterbauch
d. schwarz:
rechter Unterbauch
2.
6-poliges Kabel (zusätzlich)
a. rot(V1):
4. Zwischenrippenraum, rechts,
an der Grenze zum Brustbein
b. gelb (V2):
gegenüber, links an der Grenze zum Brustbein
c. grün (V3):
zwischen 2 und 4
d. braun (V4):
5. Zwischenrippenraum in der mittleren Schlüsselbeinlinie
e. schwarz (V5): vordere Axillarlinie auf gleicher Höhe
f. violett(V6):
mittlere Axillarlinie auf gleicher Höhe
3.
EKG-Kabel anschließen, Ausdruck starten
Mit dem Finger vom rechten Schlüsselbein abwärts tasten, man rutscht über die
verdeckte erste Rippe und landet automatisch im 1. Zwischenrippenraum (ICR). Am
Brustbeinrand entlang tasten, man erreicht den 2., 3. und schließlich den 4. ICR. An der
Grenze zum Brustbein liegt der erste Punkt (V1). Gegenüber (4. ICR links) liegt V2.
Einfacher ist es nun, zunächst V4 aufzusuchen. Man tastet einen ICR tiefer, im 5. ICR in
der mittleren Schlüsselbeinlinie liegt der Punkt V4. V3 liegt in der Mitte zwischen V2
und V4.
Auf der Höhe von V4 liegen die Punkte V5 und V6, V5 in der vorderen Axillarlinie, V6 in
der mittleren Axillarlinie, also im 5. ICR am seitlichen Brustkorb.
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AUFLÖSUNG EKG-BEISPIELE:
Beispiel 1:
ausgedehnter, großer anterolateraler Infarkt mit Hebungen
in V2 – V5, I, aVL
Beispiel 2:
Hinterwandinfarkt mit Beteiligung der posterioren und inferioren Wand.
Hebungen in II, III, aVF, spiegelbildliche ST-Senkungen in V1 – V3
Beispiel 3:
Perimyokarditis mit ST-Hebungen aus der S-Zacke in den
meisten Ableitungen
Beispiel 4:
Kompletter Linksschenkelblock
Beispiel 5:
VVI Schrittmacher-EKG mit Spike und schenkelblockartig deformiertem
QRS-Komplex.
Beispiel 6:
akuter anterolateraler Infarkt mit Hebungen in V4 – V6, I, aVL
Kardialer Thoraxschmerz
12-Kanal-EKG
ST-Hebungen um 0,1/0,2 mV
in zwei benachbarten
Ableitungen
Symptomdauer
<3h
Symptomdauer
3 – 24 h
Andere EKG-Veränderungen
(ST-Senkungen, T-Negativierungen, Schenkelblockbild)
Kardiogener Schock
Kontraindikationen
gegen Thrombolyse
(nach Checkliste)
NEIN
Keine (sicheren)
EKG-Veränderungen
Ggf. vorher
präklinische Lyse
(nach Checkliste)
JA
Präklinische
Thrombolyse
Kardiologisches Zentrum
K 1/K 4
Sekundäre
Verlegung nach
Rücksprache
Nächste internistische Klinik
(ggf. mit Intensivbett)
Troponin-I-Test
positiv
negativ
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NOTIZEN
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