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BZB November 15
Wissenschaft und Fortbildung
Implantatprothetische Versorgung
älterer Patienten
Mini-Implantate zur Wiederherstellung der Funktion von herausnehmbarem
Zahnersatz
E i n B e i t r a g v o n P r i v. - D o z . D r. J ö r g N e u g e b a u e r 1 , 2 , D r. F r a n k K i s t l e r 1 , S t e p h a n A d l e r 1 u n d
D r. S t e f f e n K i s t l e r 1 , 1 L a n d s b e r g a m L e c h u n d 2 K ö l n
Bei der Betreuung von älteren Patienten, die schon
teilweise über Jahrzehnte mit herausnehmbarem
Zahnersatz versorgt sind, kann der Verlust einzelner oder mehrerer Pfeiler eine planerische und therapeutische Herausforderung darstellen, um die
Funktion der Prothese patientengerecht wiederherzustellen. Um mit dem geringsten therapeutischen Aufwand eine maximale Funktionsverbesserung zu erreichen, hat der Behandler zusammen
mit dem Patienten schwierige Entscheidungen zu
treffen [10]. Wenn teleskopierende Retentionselemente vorhanden sind, kann der Zahnersatz je
nach der ursprünglichen Gestaltung oftmals leicht
zu erweitern sein. Gerade die älteren Patienten
akzeptieren häufig mit dem jeweils einzeln eintretenden Zahnverlust die sukzessive Reduktion der
Verankerung ihres Zahnersatzes. Tritt jedoch ein
vollständiger Verlust der Halteelemente ein, ist
meist die Akzeptanz der dann vorliegenden totalprothetischen Versorgung nicht mehr gegeben. Die
mangelnde Akzeptanz wird oft zusätzlich durch
das soziale Umfeld der Patienten verstärkt, da mit
dem Funktionsverlust deutliche Probleme bei der
Nahrungsaufnahme, der Kommunikation und dem
sozialen Miteinander verbunden sind [10].
Da es die Patienten in der Vergangenheit gewohnt
waren, dass nach dem einzelnen Zahnverlust die
Prothese leicht zu erweitern war, ist oftmals die Einsicht in eine Neuanfertigung des Zahnersatzes nicht
gegeben. Dies hängt auch mit den im Alter reduzierten finanziellen Ressourcen oder mit der Angst
vor einem eventuell notwendig werdenden chirurgischen Eingriff zusammen (Abb. 1a bis g).
Auch für den Behandler ergibt sich durch den sukzessiven und langjährigen Zahnverlust ein Problem,
da aufgrund der nunmehr tegumental abgestützten prothetischen Versorgung auch eine relativ weit
fortgeschrittene Atrophie des Kieferkamms vorliegt
[7]. Lediglich im Bereich nicht mehr erhaltungswürdiger Zähne kann der Alveolarfortsatz noch
relativ gut erhalten sein. Es kann jedoch auch gerade dort durch eine chronische Parodontitis, verbunden mit dem aussichtslosen Versuch des Erhalts eines Pfeilerzahnes oder eines Implantats mit
Periimplantitis, zu einem größeren Knochendefekt
gekommen sein (Abb. 2a bis c).
Internistische Risikofaktoren
Beim älteren Patienten liegt für eine implantatprothetische Versorgung oft nicht nur eine unzureichende knöcherne Basis vor, sondern es müssen
auch die multiplen Allgemeinerkrankungen berücksichtigt werden [5]. An erster Stelle sind Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Hypercholesterinämie und Osteoporose zu nennen. Zu beachten
ist auch die zunehmende Anzahl von Patienten
unter Immunsuppression aufgrund der Therapie
eines rheumatischen Formenkreises. Hier kann es
zu Wundheilungsstörungen und einem Ausbleiben
der Osseointegration von Implantaten kommen.
Ferner benötigen Patienten mit kardiovaskulären
Erkrankungen eine aufmerksame Erhebung ihrer
Anamnese, da diese Patienten subjektiv durch die
komplexe Medikation eine nahezu vollständige
Kompensation ihrer Erkrankung erfahren. Unter
der Stressbelastung kann es trotzdem – auch bei
einem minimalinvasiven chirurgischen Vorgehen –
zu einer Entgleisung der Situation und zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen.
Bei der Einschätzung des postoperativen Risikos ist
auch eine Antikoagulantientherapie zu beachten,
da diese die operativen Möglichkeiten einschränkt.
Besonders im Hinblick auf die elektive Indikation
eines implantatchirurgischen Eingriffs will die
Umstellung einer lebensnotwendigen Antikoagulantientherapie, wie etwa nach einer Stentimplantation, gut bedacht sein. Besonders die duale oder
auch teilweise dreifache Medikation der Antikoagulation wird teilweise nicht erkannt, da diese mit
ASS kombiniert wird und ein weiteres Präparat
vom Zahnarzt nicht vermutet wird. Somit sind
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Abb. 1a: Röntgenologische Ausgangssituation bei einer 78-jährigen
Patientin. Die endodontisch behandelten Zähne 44 und 43 sind
nicht erhaltungswürdig.
Abb. 1b: Klinische Situation nach Verlust von Zahn 42. Verblockte
Wurzelkappen an den nicht erhaltungswürdigen Zähnen 44 und 43
(bei Zahn 43 mit Kugelkopfattachment).
Abb. 1c: Zustand nach Entfernung der Zähne 44 und 43 und Sofortimplantation eines einteiligen 12 mm-Mini-Implantats (mini1SKY,
bredent medical, Senden) in regio 44
Abb. 1d: Aufbringen eines Klebers (Qu-Resin, bredent) zur intraoralen und spannungsfreien Fixierung der zum Kugelkopf des
Implantats gehörenden Titanmatrize in die vorhandene Prothese
Abb. 1e: Umgearbeitete Prothese mit einpolymerisierter Titanmatrize
Abb. 1f: Eingegliederte Prothese. Sie wird durch das in regio 44 neu
inserierte Mini-Implantat und die an Zahn 33 schon vorhandene
Teleskopkrone stabilisiert.
Abb. 1g: Röntgenkontrollaufnahme post operationem
umfangreiche chirurgische Maßnahmen im Sinne
von Augmentationen bei diesen Patienten kontraindiziert und bei einer anstehenden Implantattherapie sollte der Umfang des chirurgischen Eingriffs so gering wie möglich und nötig sein. Neben
dem Verzicht auf augmentative Maßnahmen sollte
auch nur eine geringe Mobilisation des Mukoperiostlappens erfolgen, damit die postoperative Belastung
und das Risiko von Nachblutungen minimiert werden (Abb. 3a bis j). Bei Nutzung der dreidimensionalen Röntgendiagnostik kann, besonders in Kombination mit durchmesserreduzierten oder ultra-
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Abb. 2a: Ausgeprägte Osteolyse an drei von vier Implantaten nach
21-jähriger Funktion bei einer 93-jährigen Patientin
Abb. 2c: Die mit Lokatorelementen versorgten Implantate neun
Monate nach Umarbeitung des vorhandenen Zahnersatzes
kurzen Implantaten, von einer aufwendigen Chirurgie abgesehen werden [13].
Zahntechnische Aspekte
Für die Wiederherstellung der Funktion von herausnehmbarem Zahnersatz steht in der Regel bei vorhandenen Modellgussprothesen nur wenig Raum
für das Einfügen von Sekundärteilen zur Verfügung.
Hier bieten die relativ grazil gestalteten Aufbauteile der durchmesserreduzierten Implantate Vorteile. Sie können in der Regel ohne große Probleme
in eine vorhandene Prothese eingearbeitet werden.
Damit besteht die Möglichkeit, vorhandenen Zahnersatz nach Implantation und Eingliederung eines
zusätzlichen Retentionselements weiter zu nutzen.
Dies erhöht auch die Akzeptanz der Behandlung, da
sich der Patient nicht an einen neuen Zahnersatz
gewöhnen muss. Dennoch sollte er auf eine eventuell notwendige Neuanfertigung des Zahnersatzes
hingewiesen werden. Sofern die Historie des Zahnersatzes nicht bekannt ist, können bei einer Erweiterung oder Überarbeitung Schäden an unzureichend
fixierten Gerüstanteilen eintreten, die eine weitere
Nutzung der Prothese unmöglich machen.
Gerade bei einem hinausgezögerten Zahnverlust
kann der Zahnersatz schon relativ lange mobil
Abb. 2b: Kontrolle der Explantationsdefekte und des durchmesserreduzierten Implantats neun Monate nach Explantation von drei
nicht mehr erhaltungswürdigen Implantaten
abgestützt gewesen sein. Das bedeutet, dass nach
Wiederherstellung der Funktion durch ein Implantat die bisher abgesunkene Bisslage nicht mehr
akzeptiert wird und es zu kaufunktionellen Problemen kommen kann. Sofern hier bei der Behandlungsplanung nur die Wiederherstellung des vorhandenen Zahnersatzes empfohlen wurde, kann
dies zu Problemen führen. Die Patienten gehen
davon aus, dass der erweiterte Zahnersatz – auch
wenn er schon deutliche Abnutzungserscheinungen zeigt – nun wieder voll funktionsfähig ist, obwohl auch eine Erneuerung der Prothesenzähne
notwendig ist.
Bei einer Erweiterung oder Neuanfertigung des
Zahnersatzes, gerade mit einer minimalen Anzahl
von implantatgetragenen Retentionselementen,
ist aber darauf hinzuweisen, dass die Funktionalität der Verankerung nicht mehr in dem Maße erreicht werden kann, wie dies zuvor mit mehreren
Pfeilern möglich war. Hier ergibt sich die Problematik, dass rein dental abgestützter Zahnersatz
im Gegensatz zu einem kombiniert tegumentalimplantatgetragenen Zahnersatz keine Mikrobewegungen aufweist. Dementsprechend muss der
Patient verstehen, dass die zu erwartende Funktionssteigerung durch den Einsatz von Implantaten in Abhängigkeit von deren Anzahl erfolgt [8].
Dies ist vorab mit dem Patienten und gegebenenfalls auch mit seinen Angehörigen oder den Bezugspersonen zu klären.
Die minimalinvasive Behandlung von älteren Patienten zeichnet sich nicht nur durch den reduzierten chirurgischen Aufwand aus, sondern auch
durch die geringere Anzahl der Behandlungssitzungen. Besonders die hochbetagten Patienten
sind beim Zahnarztbesuch auf die Begleitung von
Angehörigen angewiesen. Auch diese sind aufgrund der demografischen Entwicklung häufig
schon im Rentenalter und zunehmend in ihrer
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Abb. 3a: Atropher Kieferkamm mit dem nur noch bedingt erhaltungsfähigen Zahn 45 bei einem 82-jährigen Patienten
Abb. 3b: DVT zur Implantatplanung im anterioren Unterkiefer. Es
dient auch zur Abschätzung, ob im Rahmen der Implantation die
Präparation eines Lappens notwendig sein wird.
Abb. 3c: Insertion von zwei zweiteiligen Mini-Implantaten (mini²SKY,
bredent medical) nach Einkürzen des spitzen Anteils des atrophen
Kieferkamms
Abb. 3d: Dichter Wundverschluss mit fortlaufender Naht nach
relativ minimalinvasiver Lappenpräparation
Abb. 3e: Postoperatives Orthopantomogramm zur Kontrolle der
Implantatpositionen
Abb. 3f: Zustand nach Einsetzen der mit jeweils einer Halteschraube
fixierten Lokatorelemente
Mobilität eingeschränkt. Daher sollte die Anpassung des Zahnersatzes in möglichst wenigen Behandlungsschritten erfolgen. Dies erfordert die
direkte Unterstützung und Mitarbeit seitens des
Zahntechnikers. So lassen sich gerade bei tegumental abgestützten Subtotal- oder Teilprothesen
Verankerungselemente am besten im direkten Verfahren am zahnärztlichen Behandlungsplatz einarbeiten, da die individuelle Resilienz der Schleim-
haut auf diese Weise am besten berücksichtigt werden kann [3]. Durch die direkte Intervention eines
Zahntechnikers in der Praxis lässt sich dies leicht
und ohne kurzfristige Termine umsetzen.
Einfluss auf die Mundgesundheit
Verschiedene Studien belegen eine hohe Erfolgsrate von Mini-Implantaten. Sie können im Hinblick auf die verbleibende Lebenserwartung der
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Abb. 3g: Kontrolle des Knochenniveaus am Beginn der definitiven
prothetischen Belastung, vor der Entfernung des Zahnes 45
Abb. 3h: Zustand 20 Monate nach Implantatinsertion und Entfernung des Zahnes 45
Abb. 3i: Umgearbeitete Prothese mit den im Bereich der Modellgussbasis eingearbeiteten Sekundärteilen
Abb. 3j: Radiologische Kontrolle 20 Monate nach Implantatinsertion.
Das Knochenniveau ist stabil.
Patienten durchaus zu einer Steigerung der Lebensqualität führen [2,9,11]. Da hierzu bereits wenige
Verankerungselemente geeignet sind, sind keine
umfangreichen Augmentationen mit den damit
verbundenen operativen Risiken notwendig [6].
Neben der direkten subjektiven Verbesserung der
Nahrungsaufnahme und der Sprachfunktion zeigen Studien, dass es durch eine aktive Kaumuskelaktivität zu einer verbesserten zerebralen Durchblutung kommt, was die kognitive Degeneration
einschränken kann [4,12].
Gerade bei älteren Patienten stellt die Sicherstellung einer regelmäßigen Mundhygiene oftmals
eine Herausforderung dar. Durch die reduzierte
manuelle Geschicklichkeit, eine zerebrale Degeneration, einen reduzierten Visus oder durch motorische Einschränkungen aufgrund von rheumatoiden Erkrankungen ist die Reinigung einer komplexen Suprastruktur, wie etwa mit einem Steg,
oder gar einer festsitzenden Suprastruktur schwierig. Niedrige, auf Schleimhautniveau platzierte Retentionselemente sind bei diesen Patienten vorteilhaft, da diese mit wenig Aufwand gereinigt werden
können. So kann das Risiko einer Periimplantitis
reduziert werden, sodass sich in der Mundhöhle
keine Infektionsherde ausbilden, die sich negativ
auf die Allgemeingesundheit auswirken können [1].
Fazit
Durch die Anwendung von im Durchmesser reduzierten oder kurzen Implantaten lässt sich ein vorhandener herausnehmbarer Zahnersatz leicht ergänzen und funktionell deutlich verbessern, ohne
dass die Patienten einem umfangreichen chirurgischen oder auch prothetischen Behandlungsablauf
unterworfen sind. Die Stabilisierung des herausnehmbaren Zahnersatzes mit der Elimination von
bakteriellen Herden fördert nicht nur die orale Gesundheit, sondern kann sich auch positiv auf die
Prognose von chronischen Erkrankungen auswirken.
Korrespondenzadresse:
Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer
Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis
Dres. Bayer, Kistler, Elbertzhagen und Kollegen
Von-Kühlmann-Straße 1, 86899 Landsberg am Lech
[email protected]
www.implantate-landsberg.de
Literatur bei der Redaktion
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