Dienstreise nach Dushanbe / Tadschikistan vom - Kontakte

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Dienstreise nach Dushanbe / Tadschikistan vom 17.-21.05.2009
Arend von Stackelberg
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Einleitung
Anlass der Dienstreise war eine Einladung durch das Tadschikische Gesundheitsministerium,
einen 2-tägigen Kurs über Themen der pädiatrischen Hämatologie und Onkologie für Ärzte aus
Dushanbe und anderen Regionen Tadschikistans zu halten. Die Einladung kam auf das
beharrliche Betreiben des Vorsitzenden der Deutsch-Tadschikischen Gesellschaft Herrn
Alexandr Heiser zustande, der seit einigen Jahren regelmäßig im Dezember Tadschikischen
pädiatrischen Onkologen/Hämatologen einen 2-wöchigen Fortbildungsaufenthalt an der
Abteilung für Onkologie/Hämatologe der Charité Berlin ermöglicht. Allerdings konnte die
Deutsch-Tadschikische Gesellschaft keine Mittel für einen solchen Aufenthalt zur Verfügung
stellen, so dass die Finanzierung über eigene Forschungsmittel erfolgte. Voraussetzung für den
Kurs war die Kenntnis der Russischen Sprache, da Englischkenntnisse bei den wenigsten
Tadschikischen Ärzten vorausgesetzt werden kann und eine simultane Übersetzung eines
englischen Vortrages kaum organisierbar war. Nach Rücksprache mit dem Tadschikischen
Gesundheitsministerium und den lokalen Ärzten bestand der Wunsch nach Fortbildung über die
Themen „Anämien“, „Leukämien“, „solide Tumore“, und „Onkologisch/hämatologsiche
Therapie in Entwicklungsländern“ in einem Zeitrahmen von insgesamt 2 x 3 Stunden.
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Reise und Unterkunft
Die Anreise erfolgte mit den Turkish Airlines mit einem jeweiligen Zwischenaufenthalt in
Istanbul von 5-6 Stunden. Nach der Landung durfte das Flugzeug solange nicht verlassen werden
bis alle Passagiere eine Erklärung unterschrieben hatten, dass sie keine grippalen Symptome
haben und dass kein Verdacht auf Schweinegrippe bestand. Man wurde von einer Schar von
Flughafenmitarbeitern und Sanitätern mit Mundschutz und Wärmekamera empfangen. Die
Ankunft auf dem Flughafen Dushanbe war um 3:30 morgens. Es erfolgte eine aufwendige und
langwierige Passkontrolle, immer wieder unterbrochen durch das bevorzugte Durchleiten von
Prominenten und VIP´s. Ich wurde von dem Mitarbeiter des Gesundheitsministerium, Herrn
Abdul Safarov, empfangen, der für die Organisation des Aufenthaltes verantwortlich war und der
mich zu dem kürzlich neu eröffneten Hyatt Hotel direkt neben dem Universitätsklinikum fuhr.
Hinsichtlich der Unterkunft hatte er mehrere Vorschläge gemacht wobei alle Hotels auf Anfrage
voll belegt waren, so dass ich schließlich dieses besonders teure Hotel buchen musste.
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Tadschikistan, Dushanbe
Tadschikistan liegt am südlichen Rand von Zentralasien. Im Süden grenzt das Land an
Afghanistan mit dem Hindukush-Gebirge, östlich grenzt das Land an China, nördlich an
Kirgistan und westlich an Uzbekistan (Abb. 1; Abb. 2). Die Hauptstadt Tadschikistans Dushanbe
liegt in einem breiten offensichtlich fruchtbaren und aktuell grünen Tal, begrenzt von grünen
eher flachen und abgerundeten Hügeln sowie in der Ferne von spitzen und schneebedeckten
Bergen (Abb. 5; Abb. 6). Das Hissargebirge kann allerdings nur als kleiner Ausläufer des
Pamirgebirges bezeichnet werden mit Gipfeln nicht über 2500m über dem Meeresspiegel,
während letzteres Gipfel weit über 7000 m ü.M. aufweist, die mit dem Pik Kommunism (jetzt
Ismail Somoni) und dem Pik Lenin die höchsten Berge der Sowjetunion waren. Während die
unzugängliche und bergige Pamirregion mehr als die Hälfte des Landes einnimmt, befindet sich
Dushanbe am Rande der Gebirgsausläufer und dem sich anschließenden flachen und im Bereich
der Flüsse fruchtbaren Landes, dass in das Gebiet Uzbekistans übergeht und bis zum Aral-See
reicht (Abb. 5; Abb. 6.).
Abb. 1 Zentralasien
Abb. 2 Tadschikistan
Abb. 3 Gissar Tal bei Dushanbe
Abb. 4 Tal bei Hissar
Abb. 5 Der Dushanbinka-Fluß in Dushanbe
Abb. 6 Kafirnigantal
Dushanbe ist eine eher junge Stadt, die ganz geprägt ist von sowjetisch-stalinistischer
Architektur, bereichert durch orientalische Elemente. Die Gebäude sind recht farbenfroh
gestaltet mit Hellblau, Rosa, Grün und dem weißen „stalinbarocken“ Stuck (Abb. 7; Abb. 8;
Abb. 9; Abb. 12). Die Strassen sind breit angelegt und durch Bäume gesäumt, es gibt viel Grün,
viele Blumen, große Parkanlagen und einige neuere prunkvolle Regierungsgebäude, die der
autokratische Präsident überwiegend sich selbst zu Ehren errichten ließ (Abb. 10; Abb. 11).
Im Umland von Dushanbe findet sich die im 18. Jahrhundert errichtete Hissar-Festung, einst
Sommersitz der Khane von Buchara. Ein Ausflug in die Berge des Ramit Naturreservates
entlang eines Flusslaufes führte ein enges grünes Tal mit zahlreichen betrieblichen
Erholungsstätten
Abb. 7 Tadschikisches Nationaltheater
Abb. 8 Orientalisch gestalteter Eingang
Abb. 9 Innenministerium
Abb. 10 Präsidentenpalast/Palast des Volkes
Abb. 11 Zentraler Park
Abb. 12 Tadschikisches Teehaus Chochat, Hof
Abb. 13 Tadschikisches Teehaus Chochat
Abb. 14 Nächtliche Impression der zentralen
Hauptstraße Rudaki Prospekt
Abb. 15 Eingangstor zur Festung von Hissar
Abb. 16 Innenhof einer Medrese von Hissar
Abb. 17 Ramit Naturreservat bei Dushanbe
Abb. 18 Gebirgsfluss mit reichlich Regenwasser
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Volksgruppen und politisches System
Tadschikistan wird überwiegend von der tadschikischen Volksgruppe bewohnt, die eine dem
persischen verwandte Sprache, Tadschikisch, spricht. Die dem Arabisch verwandte
Tadschikische Schrift wird gelernt und gefördert, im öffentlichen Leben werden jedoch
kyrillische Schriftzeichen verwandt. Die meisten Tadschiken sprechen sehr gut Russisch, erst die
heutige Generation von Kindern aus einfachen Familien spricht kein Russisch mehr. Neben
Tadschiken leben Kirgisen, Usbeken, Russen, Russlanddeutsche, Ukrainer und Juden in dem
Land. Darüber hinaus leben in der Pamir Region die Pamiri, eine indogermanische Volksgruppe
mit eigener Sprache, die der islamischen Religionsrichtung der Ismaeliten angehört und die einen
Teil der intellektuellen Elite des Landes ausmacht. Nach Ende der Sowjetunion brach in
Tadschikistan ein Bürgerkrieg aus (1992 – 97), der überwiegend durch die Auseinandersetzung
von islamischen durch den Iran unterstütze Fundamentalisten sowie einige oppositionelle
Minderheiten und von Russland gestützte eher nationalistische und weltliche Parteien. Im
Rahmen des Krieges verließen die meisten nicht-islamischen Minderheiten (Russen,
Russlanddeutsche und Juden) das Land. Es kam z.T. zu Massakern an den Pamiri, die sich mit
der Opposition solidarisiert hatten in der Hoffnung auf eine Unabhängigkeit der Pamirregion.
Durch Integration der islamischen Fundamentalisten in die Regierungsverantwortung unter der
autokratischen Führung des Präsidenten Emomali Rhamon besteht seit 1999 Frieden und eine
weitgehend problemlose Integration der Minderheiten sowie Rückkehr der Pamiri in die
tadschikischen Gebiete (z.B. Dushanbe). Emomali Rhamon ist seit 1992 an der Macht, hat sich
durch Verfassungsänderungen die Optionen für unbegrenzte Wiederwahlen gesichert und wird in
offensichtlich manipulierten Wahlen mit einer hohen Zustimmung bestätigt. Der autokratische
Führungsstil wird offensichtlich von den Ministerien weitergegeben. Die Organisation der
Fortbildung war geprägt von Verordnungen des Gesundheitsministerium („Prikaz“). Per
Verordnung wurden die Teilnehmer zu der Fortbildung geschickt, eine entsprechende
Anordnung wurde bei Beginn der Veranstaltung verlesen. Per Anordnung wurden Chefärzte von
Krankenhäusern außerhalb von Dushanbe verpflichtet, mir in Begleitung von 1-2 Ärzten die
Region zu zeigen
Nachdem Russische Truppen das Land verlassen haben sind zum Teil westliche alliierte Truppen
im Land stationiert um die militärische Präsenz in Afghanistan absichern zu können.
Die Bevölkerung in Dushanbe macht einen recht entspannten zufriedenen Eindruck. Frauen
kleiden sich häufig traditionell in langen bunten Kleidern mit buntem Kopftuch, sind jedoch
nicht verschleiert und bewegen sich frei und ungezwungen in der Stadt (Abb. 19). Europäische
Kleindung und das Tragen offener Haare erregt keinen Anstoß. Es gibt zahlreiche lebhafte und
sehr orientalische Märkte (Abb. 20), frequentierte Kaffees und Bars und viel leben auf der
Straße. Das Straßenbild macht einen überwiegend post-sowjetischen Eindruck mit wenigen und
überwiegend älteren Autos z.T. chinesischen Fabrikats, einer bunten Beleuchtung und wenig
westlicher Reklame (Abb. 14). Mac Donalds, Starbucks Coffee und Coca Cola haben ihren Weg
nach Dushanbe offensichtlich noch nicht gefunden.
Tadschikistan ist ein armes Entwicklungsland. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner liegt
mit ca. 500 $ weit unter der Grenze von 850 $, die als Obergrenze für die Definition eines
Entwicklungslandes mit niedriger Wirtschaftskraft angesehen wird. Ein Großteil der
funktionierenden Infrastruktur stammt aus den Zeiten der Sowjetunion. Tadschikistan verfügt
kaum über eigene Ressourcen oder relevante Industriezweige. Die Energie wird überwiegend
über Wasserkraftwerke erzeugt, die im Winter bei Eisbildung eine reduzierte Effizienz haben, so
dass Stromausfälle und Begrenzungen zum Alltag gehören.
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Essen und Trinken
Essen und Trinken ist der Anlass zu geselligem Beisammensein. Dabei werden die traditionellen
Geschlechterrollen offensichtlich: Die Frauen bereiten das Essen zu, die Männer sitzen
beisammen und werden bedient. In etlichen Restaurants gibt es statt Tischen mit Teppich
ausgelegte erhöhte Plätze, auf denen man im Liegen das Essen einnimmt. Das Ideal der
Tadschiken ist wohl, ein solches Lager am - wenn nicht über - einem Gewässer zu haben (Abb.
21). Das Essen beginnt mit frischen Salaten mit von Kerbel und Zwiebeln dominiertem
Geschmack. Auf dem Tisch liegt immer frisch geschnittener Schnittlauch, Petersilie und Dill. Es
werden fette Suppen mit Hammelfleisch, Kartoffel und Bohnen gereicht, dazu tadschikisches
rundes Weißbrot mit einer zentralen Vertiefung (Abb. 22). Eine Spezialität sind mit Fleisch und
Zwiebeln gefüllte Teigtaschen (Abb. 23), idealerweise zubereitet in einem selbstgemachten
Lehmofen (Abb. 24). Als „Zweites“ Hauptgericht wird bevorzugt Schaschlik, diverse am Spieß
gebratene Fleischsorten gereicht, die ebenfalls stark gewürzt sind und nach Koriander
schmecken (Abb. 25). Ein Nationalgericht ist „Plov“, ein mit Möhren, Gewürzen und Fleisch
zubereitetes Reisgericht, das traditionell über Holzfeuer in einem Kessel zubereitet wird (Abb.
26). Getrunken wird bevorzugt grüner Tee, daneben auch lokales Bier, Fruchtsäfte und unter den
Männern gerne Wodka. Offensichtlichen Alkoholismus habe ich nicht erlebt. Als Nachtisch gibt
es frische und getrocknete Früchte (Aprikosen, Trauben), Nüsse und süßes Gebäck (Abb. 27;
Abb. 28).
Abb. 19 Tadschikische Frauen in traditioneller
Kleidung
Abb. 20 Markt in Dushanbe
Abb. 21 Restaurant in Hissar mit Liegeplätzen
über dem Wasser
Abb. 22 Vorspeise mit Salat, Suppe und
typischem Brot
Abb. 23 Gefüllte Teigtaschen
Abb.
25 Schaschlik
Gebirgsfluss
und
Abb. 24 Typischer Lehmofen
Wodka
am
Abb. 27 Nachtisch mit getrockneten Früchten,
Nüssen, Gebäck, Süßigkeiten und grünem Tee
Abb. 26 Plov
Metallkessel
über
offenem
Feuer
Abb. 28 Brombeerartige süße Früchte
im
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Das Gesundheitswesen
Es gibt weder ein Krankenversicherungssystem, noch eine suffiziente staatlich gewährleistete
Gesundheitsversorgung. Patienten müssen die Behandlungskosten selbst tragen. Da die
Bevölkerung überwiegend arm ist, können sich die meisten Menschen eine teure Behandlung
nicht leisten. So werden lebenswichtige Behandlungen z.B. von krebskranken Kindern gar nicht
erst begonnen, oder sie werden nach Erreichen einer Remission abgebrochen. Dieses Phänomen,
im Englischen Sprachraum als „abandonement“ bezeichnet ist die Ursache für die meisten
krankheitsbedingten Todesfälle. Darüber hinaus werden zahlreiche Erkrankungen gar nicht erst
diagnostiziert, sondern Kinder versterben in der Provinz an einer Infektion, ohne dass die
Diagnose ALL jemals gestellt wurde. Bei einer geschätzten Bevölkerungszahl von 6 Millionen
und ca. 50% Kindern müssten ca. 120 Kinder pro Jahr an akuter lymphoblastischer Leukämie in
Tadschikistan erkranken. Eine verlässliche Statistik über Neuerkrankungen existiert ebenso
wenig wie eine Dokumentation des Verlaufes. Ein Assistenzarzt oder ein Oberarzt in
Tadschikistan verdient ca. 40,- EUR im Monat. Es gibt kaum die Möglichkeit für einen
Zuverdienst durch Privatpatienten, so wie es z.B. in Russland üblich ist. Viele Ärzte nehmen
noch zweite Jobs an, um ihre Familie finanzieren zu können.
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Die Hämatologische Kinder-Station der Universitätsklinik von Dushanbe
In der pädiatrisch hämatologischen Abteilung werden Kinder mit allgemein hämatologsichen
Erkrankungen, hämorrhagischen Diathesen und mit Leukämien behandelt. Es überwiegen Kinder
mit Anämien, meist auf Grund von einem schweren Eisenmangel. Viele Kinder aus ärmeren
Familien werden fehlernährt. Entsprechend sind die Kinder oft erheblich hypotroph (Abb. 29).
Daneben werden Kinder mit Hämoglobinopathien behandelt, z.B. homozygote ß-Thalassämien
(Abb. 9). Nur wenige von ihnen erhalten ein chronisches Transfusionsprogramm, als
Chelatbinder steht nur Desferoxamin zur Verfügung, das 1 x / Woche i.v. appliziert wird und
damit völlig ineffektiv ist. Auf der Station waren mehrere Kinder mit unklaren hämorrhagischen
Diathesen, da nur eine unzureichende Gerinnungsdiagnostik zur Verfügung steht. Kinder mit
Hämophilie A erhalten grundsätzlich keine Prophylaxe mit Faktor VIII Konzentraten. Im Fall
von Gelenkblutung bekommen sie Plasmapräparate, die die Faktor VIII Konzentration im Serum
nur unzureichend anheben. Dementsprechend sieht man Kinder mit erheblichen Gelenkschäden,
bei denen eine Schwerbehinderung im Erwachsenenalter voraussehbar ist (Abb. 32).
Kinder mit akuten Leukämien liegen in Mehrbettzimmern zwischen anderen Patienten (Abb. 33;
Abb. 34). Sie erhalten, wenn die Eltern dies bezahlen können, eine Behandlung mit Prednison,
Vincristin und ggf. Asparaginase und/oder Daunorubicin. Zur Konsolidierung ist
Cyclophosphamid verfügbar. Cytarabin ist meist nicht erhältlich. Hochdosis-Methotrexat wird
nicht eingesetzt. Nach einer Konsolidierung werden die Kinder in das häusliche Umfeld
entlassen, die Weiterbehandlung ist kaum gesichert. Der Eindruck der Ärzte ist, dass Kinder mit
ALL nicht geheilt werden, diejenigen, die eine Therapie erhalten und diese überleben, erleiden
einen Rückfall und werden dann nicht weiter behandelt.
Alle Krankenzimmer sind überfüllt. In kleinen Räumen liegen bis zu 5 Patienten, bei denen sich
mindestens noch ein Angehöriger aufhält (Abb. 35; Abb. 36).
Onkologische Erkrankungen werden in der Abteilung für Onkologie behandelt, die chirurgisch
dominiert ist. Dort werden auch prä- und postoperative Chemotherapien durchgeführt und lokale
Bestrahlungstherapie organisiert. Die Chemotherapien sind angelehnt an westliche Protokolle,
allerdings erheblich modifiziert und an lokale Verhältnisse adaptiert. Die Einschätzung der Ärzte
der onkologischen Abteilung hinsichtlich der Heilungsrate zumindest von Kindern mit
Wilmstumoren und Knochen- oder Weichteiltumoren klang optimistischer.
Die Blutbank des Krankenhauses kann Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate herstellen.
Die Kontamination mit Hepatitisviren ist eher als hoch einzuschätzen. Die Verfügbarkeit der
Blutprodukte ist begrenzt.
Abb. 29 Hypotrophes Kind mit unklarer Anämie
Abb. 30 Patient mit typischer facies einer
unbehandelten Thalassämia major
Abb. 31Kind mit unklarer Blutungsneigung und
Nasentamponade
Abb. 32 Junge mit schwerer Hämophilie (A?)
und einer rezidivierenden Kniegelenksblutung
seit 6 Monaten
Abb.
33
5-jähriger
Junge
mit
neu
diagnostizierter
akuter
lymphoblastischer
Leukämie
Abb.
34
Mädchen
Induktionstherapie
Abb. 35 Krankenzimmer der hämatologischen
Station mit 5 Betten
Abb. 36 Patienten mit ihren Müttern eines
Krankenzimmer
zusammen
mit
der
Stationsärztin
8
mit
ALL
in
der
Ablauf der pädiatrisch onkologisch/hämatologischen Fortbildungsveranstaltung
Das Programm sah einen 2 x 3-stündigen Kurs an 2 aufeinander folgenden Tagen vor. Der Kurs
fand in einem Hörsaal der Universitätsklinik statt. Es wurden vom Gesundheitsministerium 40
Ärzte per Anordnung zur Teilnahme an dem Kurs verpflichtet. Offensichtlich waren nicht alle
pädiatrische Onkologen/Hämatologen. Im Verlauf kristallisierte sich eine Gruppe von etwa 15
interessierten Ärzten heraus, mit denen sich eine angeregte Diskussion entspann.
Am ersten Kurstag stand kein Beamer/Projektor zur Verfügung, so dass ich den Kurs ohne
Präsentation halten musste. Dies war erschwert durch meine nur suboptimalen
Russischkenntnisse. Entscheidende Grafiken konnte ich an meinem Laptop zeigen. Am zweiten
Kurstag wurde zwar vom Gesundheitsministerium ein Beamer organisiert. Über Nacht war
jedoch der Strom ausgefallen, so dass er nicht in Betrieb genommen werden konnte. Ich
platzierte den Laptop auf den Projektorständer und die Ärzte gruppierten sich eng darum, so dass
ein Einbezug der Powerpoint Präsentation gut möglich war.
Am ersten Kurstag hielt ich einen Übersichtsvortrag über Anämien mit Schwerpunkten
Einsenmangelanämie, Hämoglobinopathien und hämolytische Anämien. In der anschließenden
Diskussion stellte sich heraus, dass ein gutes Grundverständnis für diese Erkrankungen
vorhanden ist. Die häufigste Diagnose ist schwere Eisenmangelanämie bei Fehlernährung der
Kinder. Die Diagnostischen Möglichkeiten sind beschränkt. Im Zentrallabor gibt es keine
Ferritinbestimmung als Parameter für den Körpereisenhaushalt. Es steht keine HbElektrophorese zur Verfügung, zur Differenzierung der Hämoglobinopathien. Patienten mit
Schmerzkrisen bei Sichelzellanämie erhalten nicht-steroidale Antiphlogistika. Opioide sind nur
auf Intensivstationen zugelassen. Splenektomien werden häufig durchgeführt. Prophylaktische
Impfungen gegen Pneumokokken werden nicht durchgeführt. Im Anschluss an das Anämiethema
hielt ich einen Vortrag über besondere Aspekte der Onkologie/Hämatologie in
Entwicklungsländern, überwiegend angelehnt an Daten des St. Judes Hospital über die
Kooperation mit Mittelamerika, die mir Scott Howard für diesen Zweck zur Verfügung gestellt
hatte. Dabei zeigte sich, dass die Situation zwischen Honduras und Tadschikistan in vielerlei
Hinsicht vergleichbar ist (Bevölkerungszahl, hohe Rate an Kindern, Zentralisierung, hohe
Abbruchraten bei Chemotherapie. Anhand des Beispiels Honduras konnte ich demonstrieren,
wie entscheidend die Einrichtung eines Daten-Managements ist um überhaupt einen Überblick
über die Patientenzahlen und deren Schicksal zu erhalten. Darüber hinaus zeigt sich, dass die
Rate der Therapieabbrüche entscheidend gesenkt werden kann, wenn periphere und wohnortnahe
Zentren etabliert werden. Schließlich kann die Einführung von hygienischen Maßnahmen
(Reduktion der Patientenzahl pro Zimmer, stationäre Behandlung nur wirklich kranker Patienten,
Händedesinfektion) die Therapietoxizität und Mortalität entscheidend senken. Als weiteres
erfolgreiches Beispiel für eine Verbesserung der Behandlung von Kindern mit ALL konnte ich
unsere langjährige Kooperation mit Russland anführen mit den herausragenden Ergebnissen des
MB (Moskau-Berlin) Protokolls.
Am zweiten Kurstag hielt ich einen Übersichtsvortrag über akute Leukämien mit Schwerpunkt
der Ergebnisse der ALL-BFM Gruppe. Im Anschluss hielt ich einen Übersichtsvortrag über die
Diagnostik und Behandlung von soliden Tumoren sowie speziell über die Ergebnisse der
Behandlung von Wilmstumoren und Ewingsarkomen mit Protokollen der GPOH. Insbesondere
die Kollegen der Abteilung Kinderonkologie/Chirurgie waren interessiert an Details der
Chemotherapieelemente sowie an der Frage nach Extremitäten erhaltender versus ablativer
Operation und der Option der alleinigen oder zusätzlichen Strahlentherapie.
Abb. 37 Zweiter Kurstag mit interessierten
pädiatrischen Onkologen/Hämatologen
Abb. 38 Präsentation
Stromausfall
mit
Laptop
bei
Abb. 39 Ärztliche Kolleginnen und Kollegen
aus
Pamir
und
Dushanbe
sowie
2
Laborantinnen
Abb. 40 Pause vor dem Kursraum
Abb. 41 Abteilung für Infektionskrankheiten
des Universitätsklinikums
Abb. 42 Krankenhausgelände
9
Zusammenfassende Einschätzung
Tadschikistan ist ein Entwicklungsland mit einem ökonomischen Status am unteren Ende der
Mittelasiatischen Länder. Die ökonomischen Verhältnisse und das Entwicklungspotential sind
weit unterhalb der Situation von Russland Anfang der 90er Jahre einzuschätzen. Einen
Anschluss der Tadschikischen Gruppe an die MB-Gruppe zur Behandlung von Kindern mit ALL
erscheint mir unrealistisch, da das MB Protokoll unter den aktuellen Umständen nicht umsetzbar
ist. Andererseits könnte man sicherlich durch eine konsequente Organisation einer lokalen
Studiengruppe mit einem wesentlich weniger intensiven Protokoll die Überlebensrate von
Kindern mit ALL erheblich erhöhen. Aufgrund der bei den Ärzten durchweg vorhandenen
Russischkenntnissen und der fast vollständig fehlenden Englischkenntnissen wäre aus meiner
Sicht eine Anbindung an die Russische Gruppe sinnvoll hinsichtlich der Organisation von
Praktika und ärztlichen Fortbildungen. Da die Situation in anderen Mittelasiatischen Ländern in
vieler Hinsicht vergleichbar mit der in Tadschikistan ist, wäre es aus meiner Sicht am
sinnvollsten, eine dosisreduzierte und adaptierte Version des MB-Protokolls zu entwickeln, dass
in einer kooperativen Gruppe in den Mittelasiatischen Ländern zur Anwendung kommen könnte.
Obwohl die ALL epidemiologisch in diesen Ländern sicherlich eine untergeordnete Rolle spielt,
könnte ihre Behandlung hier wie auch in anderen Ländern beispielhaft entwickelt werden und
die Behandlung anderer Erkrankungen indirekt positiv beeinflussen. Da es sich bei den
mittelasiatischen Staaten um (wenn auch undemokratische, so doch) überwiegend weltlich
orientierte Systeme mit einer gemäßigten und freiheitlicheren Interpretation des Islams handelt,
sollte es auch im westlichen politischen Interesse sein, diese Region zu stabilisieren. Die
gemeinsame länderübergreifende Organisation der Behandlung von Kindern mit ALL könnte ein
kleiner Beitrag dazu sein. Vielleicht könnte mit diesem Argument eine Finanzierung eines
solchen Projektes erleichtert werden. In Tadschikistan gibt es zahlreiche extern finanzierte
Projekte zu Verbesserung der Gesundheitsversorgung mit Schwerpunkt Infektionserkrankungen,
perinatale Sterblichkeit und kardiovaskuläre Erkrankungen. Ein Projekt im Bereich der
Kinderonkologie habe ich in den im Internet verfügbaren Quellen der WHO nicht finden können.
Berlin, 22.05.2009
Dr.med. Arend von Stackelberg
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