Beiträge tm 5/2013 Entwicklung eines Sensors zur spezifischen Proteindetektion am Beispiel von Norovirus-Kapsidprotein Development of a Sensor for Specific Protein Detection by the Example of Norovirus Capsid Protein Sandra Päßler∗, Winfried Vonau, Michael Mertig, Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik e. V. Meinsberg, Waldheim, Anja Henseleit, Philipp Quenzel, Elke Boschke, Institut für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik, Technische Universität Dresden, Ada Lange, Katrin Jäger, Jacques Rohayem, Institut für Virologie, Technische Universität Dresden, Andrea Pohl, Jörg Opitz, Fraunhofer Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren Dresden, Nora Haufe, Physikalische Chemie, Technische Universität Dresden ∗ Korrespondenzautor: [email protected] Zusammenfassung Es werden die Ergebnisse zur Entwicklung von molekular basierten Prinzipien zur Detektion von Proteinen z. B. Virusproteinen dargestellt. Diese bestehen im Wesentlichen im Nachweis der spezifischen Interaktion der Aptamere mit Proteinen durch impedimetrische Messverfahren und der Oberflächenplasmonenresonanz-Spektroskopie. Zudem werden die rekombinante Expression des Kapsidproteins des Norovirus und dessen Verwendung zur Selektion Norovirus-spezifi- scher Aptamere beschrieben. Summary The results of the development of molecular based principles for the detection of proteins are presented. These are essentially based on the evidence of the specific interaction of aptamers with proteins by means of impedimetric measurement methods and surface plasmon resonance spectroscopy. Additionally, the recombinant expression of the capsid proteins of noroviruses and their use for the selection of norovirus specific aptamers are shown. Schlagwörter Aptamer, Thrombin, Oberflächenplasmonenresonanz, elektrochemische Impedanzspektroskopie, SELEX, Norovirus Keywords Aptamer, thrombin, surface plasmon resonance, electrochemical impedance spectroscopy, SELEX, norovirus 1 Einführung Noroviren, zur Familie der Caliciviren zählend, sind weltweit für die meisten Fälle viraler Gastroenteritiden (Magen-Darm-Entzündungen) verantwortlich [1]. Sie zeichnen sich durch ihre hohe Virulenz, die hohe Widerstandsfähigkeit des Viruspartikels und die Übertragbarkeit des Virus durch Schmierinfektionen auf fäkal-oralem Weg aus. Dies führte in der Vergangenheit oft zu endemischen Ausbrüchen in Zusammenhang mit Groß- küchen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Kinderbetreuungseinrichtungen, so dass zuverlässige Nachweisverfahren dringend notwendig sind. Zudem sind Noroviruserkrankungen in Deutschland gemäß §7 und §42 IfsG meldepflichtig. Bisher wird der Nachweis i. d. R. mit immunologischen Tests auf der Basis von Antikörpern, mit Real-Time-PCR oder mit Hilfe der Elektronenmikro- tm – Technisches Messen 80 (2013) 5 / DOI 10.1524/teme.2013.0025 Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:16 PM © Oldenbourg Wissenschaftsverlag 155 Beiträge skopie durchgeführt. Diese Verfahren sind entweder aufwendig und lassen sich nur von darauf spezialisierten Labors durchführen oder sind hinsichtlich ihrer Sensitivität und Selektivität unzureichend [2]. Ziel des hier vorgestellten Projektes ist die Erarbeitung zusätzlicher, markierungsfrei arbeitender Methoden für den Virennachweis, so dass ein Vor-Ort-Einsatz der Messtechnik realisiert werden kann. Ausgangspunkt ist zunächst die Entwicklung eines Biosensors auf Grundlage der Oberflächenplasmonenresonanz- (engl.: surface plasmon resonance, SPR) und der elektrochemischen Impedanzspektroskopie (EIS). Diese beiden Methoden können die Wechselwirkungen zwischen zwei Reaktionspartnern labelfrei und in Echtzeit messen. Die Selektivität des Sensors soll durch das Aufbringen spezifisch bindender Aptamere auf der Sensoroberfläche gewährleistet werden. Die Verwendung von Aptameren ermöglicht die mehrmalige Regenerierung des Sensors. Die Selektion Norovirus spezifischer Aptamere erfolgt parallel zur Sensorentwicklung. Bei der SPR erfolgt die Detektion der Brechungsindexänderung und damit der Anbindung des Zielmoleküls innerhalb eines evaneszenten Feldes, welches sich an der Grenzfläche zwischen einem Metall (Gold) und einem Dielektrikum (zu untersuchendes Medium) ausbildet. Die EIS hingegen wird verwendet, um dielektrische Volumen- und Grenzflächeneigenschaften zu analysieren und dementsprechend hoch sensitiv Veränderungen an einer Elektrodenoberfläche zu detektieren. Für die Messung wird einer der beiden Reaktionspartner, der Ligand, auf der Sensoroberfläche immobilisiert und mit dem zweiten, gelösten Reaktionspartner, dem Analyten, in Kontakt gebracht. Dementsprechend ist für die Entwicklung eines Norovirus-sensitiven Biosensors das Vorliegen spezifisch bindender Liganden unabdingbar. Der Nachweis toxischer, letaler oder schwach immunogener Substanzen gestaltet sich oft schwierig, da passende Antikörper häufig nicht verfügbar sind. Alternativ lassen sich sogenannte Nukleotid-Aptamere, das sind kurze einzelsträngige DNA- oder RNA-Moleküle, einsetzen. Abhängig von deren jeweiliger Sequenz können sie komplexe dreidimensionale Strukturen ausbilden, die an bestimmte Oberflächenstrukturen binden und dementsprechend für ein bestimmtes Zielmolekül spezifisch sind [3]. In den vergangen Jahren konnten eine Vielzahl von Aptamersequenzen identifiziert werden, die ihr Zielmolekül mit einer vergleichbaren oder sogar besseren Selektivität, Spezifität und Affinität binden als Antikörper [4; 5]. Synthetisch hergestellt können sie einfach und zielgerichtet chemisch modifiziert werden. Durch direkte Immobilisierung von Aptameren über einen endständig gekoppelten Linker lässt sich auf einfache Art und Weise eine spezifisch reaktive und gerichtete Sensorfunktionalisierung realisieren. Aptamer-basierte Sensorchips sind strukturell meist wesentlich stabiler als Antikörperbasierte und lassen sich demnach leichter handhaben. 156 Da die Aptamere für einen Norovirus-sensitiven Biosensor nicht kommerziell verfügbar sind, müssen sie innerhalb eines komplexen Prozesses, der SELEX (engl.: systematic evolution of ligands by exponential enrichment), hergestellt werden. Dabei werden Aptamere und Target gemeinsam in einem repetitiven Prozess inkubiert, nicht gebundene Aptamere abgetrennt und die gebundenen Liganden in einer PCR (engl.: polymerase chain reaction) vervielfacht [6]. Für die Selektion von Aptameren, die spezifisch Noroviren binden, wurden rekombinant hergestellte Norovirus-Kapsidproteine bzw. die sich daraus bildenden Virus-like-Particles (VLPs) als Target eingesetzt. 2 Nachweis der Aptamer-Target-Bindung anhand des Modellsystems Thrombin Zunächst wurden Protokolle für Aptamer-TargetInteraktionen anhand eines Modellsystems etabliert. Dazu wurden Aptamere ausgewählt, die spezifisch Thrombin binden. 2.1 Oberflächenplasmonenresonanz Die Oberflächenplasmonenresonanz-Spektroskopie gehört zu den bevorzugt eingesetzten, optischen Methoden, da sie Wechselwirkungen zwischen zwei Reaktionspartnern auf der Grundlage von Brechungsindexänderungen in Echtzeit labelfrei messen kann. Die Detektion des Brechungsindex erfolgt dabei innerhalb eines evaneszenten Feldes, welches sich an der Oberfläche eines Metalls (z. B. Gold) ausbildet und somit ca. 200 nm in das darüber liegende Dielektrikum (Puffer) hineinreicht. Alle beschriebenen SPR-Experimente wurden am lateral imaging surface plasmon resonance system (li SPRSystem, capitalis technology GmbH), dargestellt in Bild 1, durchgeführt [7–9]. Es stellt ein miniaturisiertes System dar, welches das simultane Charakterisieren einer Probe mit zahlreichen Bindungspartnern ermöglicht [10–12], und besteht aus einem Spektrometer mit dazugehöriger Software, einem Probenhandlingsystem sowie Bild 1 Links: SPR-Spektrometer mit Sensorchip und On-ChipMikrofluidik. In Schwarz die Halterung zur Arretierung des Lab-ona-chip-Systems im Spektrometer. Rechts: Das Lab-on-a-chip-System als Explosionsdarstellung: (1) Temperierung, (2) Vakuumanschlüsse, (3) Fluidikanschlüsse, (4) Flusszelle, (5) Fluidikkanal, (6) Vakuumkammern, (7) Goldfläche und (8) SPR-Chip [7]. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:16 PM Entwicklung eines Sensors zur spezifischen Proteindetektion ... einem Lab-on-a-chip-System, zusammengesetzt aus einer temperierbaren On-Chip-Mikrofluidik und den entsprechenden Sensorchips. Das li SPR-System misst Winkeländerungen bei einer konstanten Wellenlänge von 810 nm. Dabei wird das Licht der LED kollimiert auf die Sensorchips geleitet und durch integrierte optische Elemente auf die Unterseite der Goldfläche fokussiert, wodurch je nach Brechungsindex des anliegenden Mediums bei einem bestimmten Einfallswinkel Oberflächenplasmonen angeregt werden. Das reflektierte Licht wird über die integrierten Linsensysteme wieder kollimiert und von einer Digitalkamera aufgenommen. Mittels Bildverarbeitung und Fitting-Algorithmen wird die minimalste Reflektion für jede Messfläche bestimmt. Das li SPR-Gerät verfügt über drei separat ansteuerbare LEDs. Damit können bis zu drei unterschiedliche Goldbereiche (9 × 0,8 mm2 ) gleichzeitig vermessen werden [10; 11]. Mittels der in die On-Chip-Mikrofluidik eingebrachten Vakuumkammern wird der SPR-Chip vor der Messung durch Unterdruck an der Messflusszelle aus Polydimethylsiloxan (PDMS) fixiert. Die Sensorchips werden mittels Spritzguss aus TOPAS® als objektträgergroße Einwegartikel (76 × 26 × 4 mm3 ) gefertigt. In der Mitte des Chips befindet sich eine 50 nm dicke, 12 × 3 mm2 große, rechteckige Goldschicht, welche den sensitiven Bereich bildet. Die optischen Elemente sind unterhalb der Goldfläche direkt in den Chip integriert. Diese kompakte Bauweise ermöglicht eine Justage-unkritische Kopplung zum Auslesegerät. Der zu untersuchende Reaktionspartner kann über inverses Mikrokontaktdrucken mit Hilfe einer 17-KanalFlusszelle aus PDMS auf die Goldschicht aufgebracht werden. Für die Immobilisierung werden die Kanäle mit je 5 μL Probe befüllt und unter den gewünschten Bedingungen inkubiert. Eine weitere Möglichkeit zum Aufbringen von Biomolekülen auf den Sensorchip bietet der Nano-PlotterTM (GeSiM mbH) [11; 12]. Dieser in Bild 2 dargestellte piezoelektrische Dispenser spottet präzise abgemessene, wenige Nanoliter große Tröpfchen der Analysesubstanzen in einem definierten Array auf Bild 2 Links: Piezoelektrische Mikropipette des Nano-PlotterTM beim Spotten von Biomolekülen auf die Goldfläche der Sensorchips [12]. Rechts: Nano-PlotterTM (GeSiM mbH) mit eingelegten Sensorchips. die Goldfläche, auf der so bis zu 180 Messflächen mit kleinsten Probenvolumen realisiert werden können. Damit besteht die Möglichkeit, eine Vielzahl verschiedener Liganden zeitgleich zu testen, was die Analysen erheblich beschleunigt und die Kosten senkt. Als Modellsystem wurde die Aptamer-ThrombinInteraktion gewählt. Das thiolisierte Anti-ThrombinAptamer (αTA: 5 -GGTTGGTGTGG TTGGT-C3 -biotinSH-3 ) wurde mit einer Kette von drei Kohlenstoffatomen als Spacer und Biotin modifiziert. Zur Referenzierung der Bindungssignale wurde eine zufällige Sequenz (RdO: 5 AGACGTCGAGT CCTAT-C3 -biotin-SH-3 ) mit gleicher Länge und Modifizierung wie das αTA verwendet. Zu Beginn eines SPR-Experiments wird die Goldfläche des Sensorchips wie folgt vorbereitet: (i) Reinigen der Goldfläche mit rauchender Salpetersäure (65%). (ii) Inkubation des Sensorchips in Neutralisationslösung (ein Teil 25% Ammoniak, ein Teil 30% Wasserstoffperoxid, fünf Teile ddH2 O) für 2 min bei Raumtemperatur (RT). (iii) Spülen mit ddH2 O und Trocknen mittels Stickstoffgas. Für alle durchgeführten SPR-basierten Experimente wurde die 17-Kanal-Funktionalisierungsflusszelle zur Immobilisierung genutzt. Für das untersuchte Modellsystem wurde folgendes Immobilisierungsprotokoll erarbeitet: (i) Inkubieren von 19 nM Streptavidin für 1 h bei 4 ◦ C. (ii) Spülen der Fläche mit Bindungspuffer. (iii) Inkubieren von 10 μM Aptamer (αTA bzw. RdO) für 1 h bei RT. (iv) Spülen der Fläche mit Bindungspuffer. (v) Blockung mit 7,2 μM Bovines Serumalbumin (BSA) für 30 min bei RT. (vi) Spülen der Fläche mit Bindungspuffer. Die SPR-Messungen wurden bei einer Fließrate von 5,06 μL/s als Doppelbestimmung wie folgend beschrieben durchgeführt: (i) Spülen der Fläche mit Bindungspuffer. (ii) Injektion von 60 μL Thrombin. (iii) Spülen der Fläche mit Bindungspuffer. (iv) Regeneration mit 60 μL 1 M NaCl. (v) Spülen der Fläche mit Bindungspuffer. Zur Abschätzung der Spezifität der detektierten Signale ist ein Referenzkanal unabdingbar. Ein Referenzaptamer, das keine Affinität zu dem entsprechenden Antigen oder den Serumbestandteilen besitzt, wurde auf die gleiche Weise wie das Anti-Thrombin-Aptamer immobilisiert. Zur Ermittlung einer Nachweisgrenze und zur Erstellung von Kalibrierungskurven wurden ThrombinKonzentrationen von 0 nM bis 420 nM auf zuvor nach dem erarbeiteten Immobilisierungsprotokoll funktionalisierten Chips injiziert. Da während des Regenerationsscoutings ermittelt wurde, dass die sensitive Bindungsfläche maximal sechsmal mit 1 M NaCl regeneriert werden kann, ohne größere Abweichungen zu riskieren, wurde die Konzentrationsreihe geteilt und auf mehreren Sensorchips vermessen. Die Sensorgramme sind in Bild 3 dargestellt. Das Detektionslimit des li SPR-Systems liegt bei etwa drei Pixeln. Folglich ist die Thrombin-Konzentration von 26 nM die Nachweisgrenze. Mit Hilfe des Modellsystems Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:16 PM 157 Beiträge Bild 3 Sensorgramm der Thrombin-Konzentrationsreihe (von unten nachoben: 0 nM, 26 nM, 39 nM, 53 nM, 79 nM, 105 nM, 158 nM, 210 nM, 315 nM und 420 nM) auf mit Anti-Thrombin-Aptamer funktionalisierten Flächen. Die Signale des Referenzaptamers wurden von den Bindungssignalen abgezogen [7]. konnte ein Protokoll für Aptamer-Target-Interaktionen erfolgreich etabliert werden, welches als Startpunkt für folgende Aptamer-basierte Studien dient [9]. Bild 4 Verlauf des Betrages der Impedanz bei 10 mHz in Abhängigkeit von der Beschichtung der Sensoroberfläche. 2.2 Elektrochemische Impedanzspektroskopie Die elektrochemische Impedanzspektroskopie ist eine indirekte analytische Methode, die in den hier vorgestellten Untersuchungen eingesetzt wurde, um den Zustand der Elektrode, d. h. die Beschichtung der Elektrodenoberfläche zu charakterisieren [13; 14]. Die impedanzspektroskopischen Messungen wurden mit einer Drei-Elektroden-Anordnung in einem Messgefäß mit einem Puffervolumen von 5 mL durchgeführt. Durch einen entsprechenden Gefäßdeckel kann gewährleistet werden, dass die Abstände der Elektroden zueinander genau definiert sind. Es wurden eine auf Dickschichtgold-basierende Arbeitselektrode, eine Ag/AgCl-Referenzelektrode und ein Platinblech als Gegenelektrode eingesetzt. Die Impedanzspektren wurden mit einem VMP2 Multichannel Potentiostat (Princeton Applied Research) über einen Frequenzbereich von 10 mHz bis 100 kHz aufgenommen. Vor der Immobilisierung der Dickschichtgoldelektroden wurden diese chemisch gereinigt (10-minütige Behandlung in Piranha-Lösung) und einer cyclovoltammetrischen Untersuchung in 0,5 M Schwefelsäure unterzogen. Anschließend wurde die auf Gold basierende Messfläche (i) für 30 min mit dem Anti-ThrombinAptamer (5 -HS-C6 -GGTTGGTGTGGTTGGT-3 ), welches über eine Thiolgruppe an die Goldoberfläche bindet, immobilisiert, (ii) mit 1 mM Tween 20 für 1 h geblockt und (iii) mit 1 M NaCl-Lösung behandelt. Es folgte (iv) die Bindung von Thrombin und (v) die Regeneration mit 1 M NaCl. Nach jedem Schritt wurde eine Doppelbestimmung in Kaliumphosphatpuffer bei Raumtemperatur durchgeführt, wobei im niedrigen Frequenzbereich z. B. bei 10 mHz die deutlichsten Unterschiede zwischen den verschiedenen Bindungsschritten bzw. Elektrodenzuständen festgestellt wurden. Aufgrund der mehrmaligen Wiederholung der Analytbindung konnten in verschiedenen Versuchsreihen ab 158 Bild 5 Verlauf der Phase bei 10 mHz in Abhängigkeit von der Beschichtung der Sensoroberfläche. der zweiten Thrombinbeschichtung (Bindungsschritt 5) nahezu übereinstimmende Ergebnisse sowohl im Betrag der Impedanz (Bild 4) als auch in der Phase (Bild 5) ermittelt werden. Der erste Regenerationsschritt nach erfolgter Aptamerimmobilisierung und Blockung ruft bei beiden Parametern eine deutliche Veränderung hervor. Hier ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Konditionierungseffekt auszugehen. Die mehrmalige wiederholte Thrombinbindung ist anhand der Impedanzmesswerte gut zu identifizieren, da die Bindungsschritte 5, 7 und 9 nahezu identisch sind. Der Wechsel zwischen Analytbindung und Regeneration (Analytabwesenheit) ist besonders deutlich im Phasenverlauf zu erkennen. Des Weiteren wurde die Spezifität des verwendeten Aptamers untersucht. Dazu wurde ein Referenzaptamer (5 -AGACGTCGAGT CCTAT-C3 -biotin-SH-3 ), welches eine ähnliche Struktur und Größe wie das AntiThrombin-Aptamer aufweist, eingesetzt und auf gleicher Weise auf der Elektrodenoberfläche immobilisiert. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:16 PM Entwicklung eines Sensors zur spezifischen Proteindetektion ... Bild 8 TEM-Aufnahmen der VLPs (Norovirus Genotyp II.4 Cluster Grimsby), generiert durch Expression in E. coli. Die VLPs wurden zur Abbildung negativ mit Uranylacetat gestaint. Bild 6 Einfluss des untersuchten Aptamers auf den Verlauf des Betrages der Impedanz bei 10 mHz. Bild 7 Einfluss des untersuchten Aptamers auf den Verlauf der Phase bei 10 mHz. Sowohl anhand des Betrages der Impedanz in Bild 6, als auch anhand der Phase in Bild 7 sind deutliche Unterschiede zwischen den verwendeten Aptameren zu erkennen. Der Kurvenverlauf der Elektrode mit dem nicht-spezifischen Aptamer zeigt im Vergleich zu dem Graphen der Elektrode mit dem spezifischen AntiThrombin-Aptamer wie erwartet kaum Veränderungen aufgrund der Thrombinbindung bzw. der Regeneration. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass das eingesetzte AntiThrombin-Aptamer den Analyten spezifisch bindet. 3 Generierung rekombinanter Norovirus-Kapsidproteine bzw. VLPs Das Noroviruskapsid besteht aus 90 Dimeren des Kaspidproteins VP1. Wird dieses Protein im BaculovirusExpressionssystem rekombinant exprimiert, kommt es zu einer spontanen Assemblierung von VLPs. Da Noroviren bisher weder in der Zellkultur anzüchtbar sind, noch aus infizierten Zellen gewonnen werden können, bilden diese VLPs die Grundlage für die Selektion der Norovirus-spezifischen Aptamere. Da die Verwendung des Baculovirus-Expressionssystem teuer und zeitaufwändig ist, wurde nach einer Alternative z. B. einer Expression in Escherichia coli (E. coli) gesucht. Nach einer phylogenetischen Analyse von 507 VolleLänge-Sequenzen des Noroviruskapsidproteins aus der GenBank (NCBI) wurden die sieben häufigsten Genogruppen und Cluster für die Synthese der Kapsidsequenz ausgewählt. Das jeweilige Kapsidprotein VP1 wurde durch Fermentation in E. coli exprimiert und anschließend durch His-Tag-Affinitäts- und Gelfiltrationschromatographie gereinigt. Es folgte die Charakterisierung mittels Gelelektrophorese. Dabei wurden CoomassieFärbung, Western-Blot und mikroskopische Verfahren genutzt. Die Ausbeute des gereinigten Kapsidproteins betrug zwischen 0,1 und 2,3 mg/L E. coli Kultur. Mittels Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) konnte die Assemblierung des VP1 zu VLPs bei allen sieben ausgewählten Genotypen bzw. Clustern nachgewiesen werden. In Bild 8 sind beispielhaft TEM-Aufnahmen von VLPs, erkennbar an ihrer ringförmigen Struktur, gezeigt. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die Produktion von VLPs in E. coli erstmals erfolgreich durchgeführt werden konnte und somit eine einfache, effektive Alternative zum Baculovirus-Expressionssystem darstellt. 4 Selektion und Herstellung Norovirus-spezifischer Aptamere SELEX-Experimente wurden gegen VP1-Kapsidproteine verschiedener Norovirus-Cluster durchgeführt. Die SELEX erfolgte bei pH 6, der nahe dem isoelektrischen Punkt des VP1-Proteins liegt. Damit kann eine elektrostatische Abstoßung von Aptamer und Targetprotein minimiert werden. Aptamere (erste Runde 2 nmol, folgende Runden 0,1 nmol, Aptamerdesign 5 GCCTG TTGTG AGCCT CCTAA C-N49 -CATGC TTATT CTTGT CTCCC 3 ) wurden mit 10 μg Norovirusprotein im Bindepuffer (100 mM NaCl, 17 mM Na2 HPO4 , 3 mM KH2 PO4 , 5 mM KCl, 2 mM MgCl2 , 1 mM CaCl, 0,02%Vol Tween 20, pH 6) für 1 h bei Raumtemperatur inkubiert. Die Kapsidproteine wurden anschließend über ihren His-Tag auf Nickel-Sepharosebeads (His SpinTrap, GE Healthcare) immobilisiert und dort achtmal gewaschen (Binde- Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:16 PM 159 Beiträge Bild 9 Sensorgramm der Bindung freier Aptamere an immobilisiertes Norovirus-Kapsidprotein VP1. Die Kontrolle ist eine zufällig gewählte Sequenz mit dem selben Anteil A, C, G und T wie im selektierten Aptamer. Die Signale sind referenziert gegen das Bindesignal der Aptamere an die Polymerase des murinen Norovirus. puffer mit 0,2% w/v BSA). Die Elution der Proteine erfolgte bei pH 4, die auf den eluierten Proteinen verbliebenen Aptamere wurden in einer PCR amplifiziert (25 Runden, Annealingtemperatur 58 ◦ C). Der bei der PCR verwendete Reverseprimer trug am 5 -Ende ein Hexaethylenglykol-T20 , so dass die bei der PCR gebildeten Gegenstränge länger als die Aptamerstränge sind. Die Einzelstranggenerierung erfolgte durch Gelelektrophorese in einem denaturierenden Polyacrylamidgel (10%ig, 7 M Harnstoff) und Ausschneiden der entsprechenden Banden. Eine zusätzliche Negativ-Selektion erfolgte ab der dritten SELEX-Runde durch eine der Selektion nachgeschaltete Inkubation der eluierten, neutralisierten Aptamere gegen Nickel-Sepharosebeads mit 10 μg immobilisierter Polymerase des murinen Norovirus. Nach zwölf SELEX Runden wurden die verbliebenen Aptamere durch Klonierung vereinzelt (TOPO TA Cloning Kit, Invitrogen) und sequenziert (GATC Biotech AG). In den SELEX-Experimenten gegen mehrere Norovirus VP1-Kapsidproteine wurde die Anreicherung verschiedener Aptamersequenzen beobachtet. Alle diese angereicherten Sequenzen enthielten das Sequenzmotiv GGAGG(A/-)TGGTCCGGG(G/T)CCC, unabhängig von dem in der SELEX verwendeten Norovirus-Cluster. Eine Anbindung selektierter Aptamere an immobilisiertes VP1-Protein konnte mit Hilfe von Fluoreszenzassays und ersten SPR-Messungen nachgewiesen werden (Bild 9). 5 Zusammenfassung und Ausblick Ein SPR-Protokoll zur stabilen und funktionellen Immobilisierung von Aptameren über Streptavidin/Biotin auf Goldoberflächen wurde entwickelt, optimiert und erfolgreich etabliert. Da das entwickelte Funktionalisierungsprotokoll die Regenerierung der Sensoroberfläche erlaubt, konnte eine weitere Effizienzsteigerung erzielt werden. Des Weiteren konnte anhand des Modellproteins Thrombin auch ein geeignetes Protokoll für den Nachweis der Aptamer-Target-Bindung mittels Impedanzspektroskopie erarbeitet werden. Zudem ist die 160 Spezifität des verwendeten Aptamers und die mehrmalige Regenerierbarkeit der Sensoroberfläche durch Verwendung von Natriumchlorid gezeigt worden. Die Norovirus-Kapsidproteine bzw. VLPs wurden erfolgreich durch Expression in E. coli generiert. Die VLPs dienten in SELEX-Experimenten als Selektionstarget, wobei erste Aptamersequenzen, die die Kapsidproteine binden, gewonnen werden konnten. Mit Hilfe von SPR-Messungen konnte die Interaktion zwischen den Norovirus-Proteinen und den hergestellten Aptameren nachgewiesen werden. Weitere Aptamersequenzen sind zu testen, um die am besten geeignete Sequenz zu finden. Die anhand des Modellsystems Thrombin erarbeiteten Funktionalisierungs- und Messprotokolle sollen in weiterführenden Arbeiten auf das Norovirussystem übertragen und optimiert werden. Zudem soll die Eignung des Protokolls in Realmedien untersucht werden. Des Weiteren sollen die labelfreien Prinzipien SPR und EIS kombiniert werden, so dass ein simultaner Analytnachweis ermöglicht wird. Aufgrund der Verwendung zweier voneinander unabhängiger Messverfahren wird eine deutliche Erhöhung der Nachweissicherheit erwartet. Danksagung Das Projekt wurde finanziert aus Mitteln der Europäischen Union und des Freistaates Sachsen (SAB) unter den Projektnummern 14218/2465, 14250/2465 und 14251/2465. Die Autoren danken für die finanzielle Unterstützung. Literatur [1] T. Schneider, J. Mankertz, A. Jansen, E. Schreier, M. Zeitz: Norovirusinfektion – häufigste Ursache akuter Gastroenteritiden. – In: Deutsches Ärzteblatt 102 (2005) Nr. 38, S. A 2551–2556. [2] H. F. Rabenau, M. Stürmer, S. Buxbaum, A. Walczok, W. Preiser: Laboratory Diagnosis of Norovirus: Which Method is the Best? – In: Intervirology 46 (2003) Nr. 4, S. 232–238. [3] A. D. Ellington, J. W. Szostak: In vitro selection of RNA molecules that bind specific ligands. – In: Nature 346 (1990) Nr. 6287, S. 818–822. [4] J. F. Lee, G. M. Stovall, A. D. Ellington: Aptamer therapeutics advance. – In: Current Opinion in Chemical Biology 10 (2006) Nr. 3, S. 282–289. [5] T. Mairal, V. C. Ozalp, P. Lozano Sánchez, M. Mir, I. Katakis, C. K. 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B. SPR, QCM) liegt ihr Augenmerk auf der Detektion und Beschreibung von Biofilmen. Adresse: Technische Universität Dresden, Institut für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik, Lehrstuhl Bioverfahrenstechnik, 01062 Dresden, E-Mail: [email protected] Dipl.-Biol. Ada Lange ist Doktorandin am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der TU Dresden. Schwerpunkte Ihrer Arbeiten sind die Herstellung und Charakterisierung von VLP’s. Adresse: E-Mail: [email protected] Katrin Jäger arbeitet in der Forschungsabteilung der Riboxx GmbH. Hauptarbeitsgebiete sind die Proteinchemie und Molekularbiologie. Manuskripteingang: 16. Januar 2013, zur Veröffentlichung angenommen: 28. Februar 2013 Dipl.-Nat. Sandra Päßler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am KurtSchwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik e. V. Meinsberg. Hauptarbeitsgebiete sind die Entwicklung bzw. der Einsatz chemischer Sensorik in biologischen Medien sowie miniaturisierte Sensorik und die Biosensorik. Adresse: Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik e. V. Meinsberg, Kurt-Schwabe-Straße 4, 04736 Waldheim, E-Mail: [email protected] Prof. Dr. rer. nat. Winfried Vonau ist stellvertretender Direktor des Kurt-Schwabe-Instituts für Mess- und Sensortechnik e. V. Meinsberg. Hauptarbeitsgebiete sind die Entwicklung chemischer Sensoren, die Sensormaterialentwicklung und die analytische Chemie. Adresse: Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik e. V. Meinsberg, Kurt-Schwabe-Straße 4, 04736 Waldheim, E-Mail: [email protected] Prof. Dr. rer. nat. et Ing. habil. Michael Mertig hat den Lehrstuhl für Physikalische Chemie, Mess- und Sensortechnik an der Technischen Universität Dresden inne und ist wissenschaftlicher Direktor des KurtSchwabe-Instituts für Mess- und Sensortechnik e. V. Meinsberg. Adresse: Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik e. V. Meinsberg, Kurt-Schwabe-Straße 4, 04736 Waldheim, E-Mail: [email protected] Dipl.-Ing. Anja Henseleit ist Doktorandin am Institut für Lebensmittelund Bioverfahrenstechnik der TU Dresden. Schwerpunkt Ihrer Arbeiten ist die Surface Plasmon Resonance. Adresse: Riboxx GmbH, Pharmapark Radebeul, Meissner Strasse 191, 01445 Radebeul, E-Mail: [email protected] Privatdozent Dr. med. habil. Jacques Rohayem ist Geschäftsführer der Riboxx GmbH. Ein Schwerpunkt der Arbeiten bei Riboxx stellt die Entwicklung und Herstellung neuartiger RNA-Moleküle dar. Adresse: Riboxx GmbH, Pharmapark Radebeul, Meissner Strasse 191, 01445 Radebeul, E-Mail: [email protected] Dipl.-Biol. Andrea Pohl arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren in Dresden. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen auf der chemischen Modifikation von Nanodiamanten und deren Kopplung mit Biomolekülen, Infrarotspektroskopie und Oberflächenplasmonenresonanz. Adresse: Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP, Institutsteil Dresden, Maria-Reiche-Straße 2, 01109 Dresden, E-Mail: [email protected] Dr. rer. nat. Jörg Opitz promovierte 2002 an der TU Dresden auf dem Gebiet der Theoretischen Physik. Seit 2007 arbeitet er am Fraunhofer Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren in Dresden, wo er seit 2012 die Hauptabteilung Zustandsdiagnose leitet. Adresse: Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP, Institutsteil Dresden, Maria-Reiche-Straße 2, 01109 Dresden, E-Mail: [email protected] Dr. rer. nat. Nora Haufe arbeitet seit 2012 in einer Nachwuchsforschergruppe an der TU Dresden. Sie beschäftigt sich mit Transmissionselektronenmikroskopie, biogener Wasserstofferzeugung und der Gasanalytik. Adresse: Physikalische Chemie, Mess- und Sensortechnik, Technische Universität Dresden, 01062 Dresden, E-Mail: [email protected] Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:16 PM 161 Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:16 PM