Geschnitten oder am Stück?

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Organization
Daniel Beckert, Dr. Philip Hucke, Marc Wagner
Geschnitten
oder
am Stück?
Systematische Umsetzung
sichert Erfolg des
Shared Services Centers
in der Praxis
Die Popularität des Shared
Services Center-Konzeptes
ist ungebremst. Trotzdem
scheitert häufig die erfolgreiche
Umsetzung. Ein mehrschichtiges
Geschäfts- und Steuerungsmodell
sichert die bedarfsgerechte und gleichzeitig effiziente „Bedienung“ aller
Kundengruppen im K
­ onzern.
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Detecon Management Report • 2 / 2012
Geschnitten oder am Stück?
hared Services Center (SSC) sind Dienstleister, die indusS
trielle Services für den Konzern als Ganzes oder für einzel-
ne Konzerneinheiten erbringen.* Ein Produkt kann dabei als
­Leistungseinheit verstanden werden, die von einem Kunden,
in diesem Fall Mitarbeiter, Führungskraft oder Organisationseinheit) beauftragt und an einen Leistungsempfänger zugestellt
wird. Klassische Querschnittsaufgaben werden auf diese Weise
„am Stück“ und eben nicht mehr über den Konzern verteilt gefertigt, vermarktet und vertrieben.
Ob HR, IT, Finance, Legal oder Procurement – SSCs versprechen in der Theorie hohe Effizienzgewinne bei gleichzeitigen
Qualitätszuwächsen in den erbrachten Services und Produkten.
Außerdem sind SSCs ein wichtiges Instrument zur Verschlankung von Konzernzentralen. Die Generalhypothese lautet:
Standardisiere so viel wie möglich, individualisiere so wenig wie
nötig! SSCs markieren den Übergang vom Abteilungsdenken
und -handeln zur integrierten „Höchstleistungsmaschine“, bei
der die Grenzen zwischen intern erbrachter und von extern
­erworbener Dienstleistung verwischen.
So eingängig und plausibel dieser Grundgedanke ist, die Umsetzung in der Praxis scheitert häufig an so unterschiedlichen
Faktoren wie Intransparenz über Angebot und Nachfrage an
internen Dienstleistungen, fehlender Blick fürs Ganze oder ausgeprägte terminologische Unschärfen.
Denn sie wissen nicht, was sie tun!
Zunächst gilt es daher, Transparenz über die aktuell angebotenen beziehungsweise nachgefragten Produkte herzustellen.
­Diese Transparenz ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit,
denn je nach Größe des Konzerns und Variantenvielfalt kann
die Anzahl der Produkte schnell in die Hunderte gehen. Damit
besteht die Gefahr, dass weder die Verantwortlichen noch die
„Kunden“ ein vollständiges Bild des Produktspektrums haben.
Zur besseren Orientierung empfiehlt es sich, sämtliche Produkte
einer Ist-Aufnahme zu unterziehen. Das bedeutet zum Beispiel
im Falle eines HR-SSCs, die HR-Kernprozesse, HR-Management-Prozesse und die Infrastruktur und Serviceprozesse unter
die Lupe zu nehmen. Dabei dürfte schnell deutlich werden, dass
die identifizierten Produkte äußerst heterogen sein können, da
sich zum Beispiel Produkte und Vorprodukte vermischen oder
spezifische und eher generische Produkte existieren. Zum Beispiel ist ein Produkt „Training“ wesentlich generischer als ein
Produkt „Gehaltsabrechnung“. Eine detaillierte Ausschlüsselung aller angebotenen Trainingstypen würde allerdings schnell
zu einer Überfrachtung des Portfolios führen. Es gilt daher, gewissermaßen die „goldene Mitte“ zu finden, um einerseits die
Anzahl der Produkte zu limitieren und gleichzeitig ein gewisses
Maß an Vergleichbarkeit zu garantieren.
Beim Umgang mit komplexen Produktportfolios ­
empfiehlt
sich die Bildung von übergeordneten Produktkategorien oder
Clustern, denen dann die einzelnen Produkte zugeordnet
­
­werden. Zusätzlich können Einschätzungen aus Kundensicht
dabei helfen, Produktbezeichnungen zu schärfen und nur solche Produkte in das Portfolio aufzunehmen, die tatsächlich in
direktem Zusammenhang mit den Kunden ­stehen.
Im Anschluss an die Definition der Produkte gilt es nun, die
Produkte quantitativ zu evaluieren. Grundsätzliche Informa­
tionen, die unbedingt einfließen sollten, sind die Anzahl der in
einem Zeitraum gefertigten Produkte, der hierfür erforderliche
Personalbedarf und die resultierenden Produktionskosten. An
dieser Stelle können bereits Quick Win-Potenziale identifiziert
und gehoben werden. Gibt es zum Beispiel Produkte, die quasi
nicht nachgefragt werden, sollte ein Herstellungsstopp für ­diese
Produkte in Betracht gezogen werden („Stop doing“). Diese
Frage stellt sich auch, wenn es nicht möglich ist, ein bestehendes
Produkt mit den genannten Kriterien zu spezifizieren. Ferner
kann es auch Sinn machen verschiedene Produkte zusammenzulegen, wenn diese regelmäßig als Einheit nachgefragt werden,
oder weil eine scharfe Abgrenzung nicht möglich erscheint.
Letztendlich gilt es im Rahmen eines „guten“ Produktport­folios
auch solche Produkte zu erfassen, die kundenseitig zwar auf
Nachfrage stoßen, bisher aber noch nicht angeboten werden.
Eine Neustrukturierung des Produktportfolios bietet hier eine
gute Möglichkeit, neben Portfoliobereinigungen auch Angebotslücken zu schließen. Die Sichtung des Produktportfolios
mit der Kundenbrille ist außerdem ein wichtiger Schritt, um
der regelmäßig gestellten Legitimationsfrage „Wofür brauchen
wir Euch eigentlich?“ vorzubeugen. Denn neben dem Thema
Kosteneffizienz gilt es, die internen Kundenwünsche besser zu
befriedigen als potenzielle Wettbewerber am externen Markt.
Folgende Eigenschaften sollten das Ziel-Produktportfolio kennzeichnen:
• präzise Produktdefinitionen,
• scharfe Produktabgrenzungen,
• Vollständigkeit des Portfolios,
• Aktualität und Zeitstabilität des Portfolios sowie
• exakte Quantifizierbarkeit in Bezug auf Zeit und Kosten.
* Die Begriffe Service und Produkt finden im Folgenden synonyme Verwendung
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Modern Times Reloaded – Das Produktionsmodell
Mit der Gestaltung eines Produktportfolios, welches die Anforderungen an quantitative und qualitative Transparenz erfüllt,
ist bereits viel gewonnen. Auf Basis dieses Portfolios erfolgt
nun ein Clustering zur Identifizierung von Produktmustern.
Bei der Entwicklung des Kriterienkataloges für das Clustering
ist auf e­ inen Mix aus quantitativen und qualitativen Kriterien
zu achten. Typische Kriterien sind der Standardisierungsgrad,
das Transaktionsvolumen, die strategische Relevanz, die Änderungshäufigkeit und die Know-how-Intensität.
Bevor es nun um die Festlegung eines Produktionsmodells geht,
sollten zunächst Möglichkeiten der Verlagerung in Betracht
­gezogen werden. Mit ihnen bietet sich eine weitere Option an,
Kosteneinsparungen zu realisieren, indem entweder die Fertigung in Länder mit niedrigeren Faktorkosten verlagert wird,
aber weiter im Unternehmen verbleibt (Near-/Offshoring),
oder aber die Fertigung der Produkte oder Teile davon an einen
­Externen abgeben wird (Outsourcing/-tasking). Ausschlaggebend bei einer Verlagerungsentscheidung sind neben ökonomischen Gesichtspunkten auch die strategische Produktrelevanz, die Anzahl der Schnittstellen, der Automatisierungsgrad
und die Wiederholungshäufigkeit. Diese Kriterien sollten bereits im Rahmen der Clusterung abgefragt werden.
Nach Prüfung von „Stop-Doings“ und möglicher Verlagerungsoptionen wird nun die Fertigung der verbleibenden Produkte
im SSC untersucht. Analog zur klassischen Produktionslehre
können dabei die Fertigungsarten Serie, Variante und Einzel
unterschieden werden:
• Bei der Serienfertigung werden fabrikartig hohe Produkt­
volumina produziert, die hochgradig standardisiert sind. Durch
die große Menge an produzierten Produkten lassen sich positive
Skaleneffekte realisieren.
• Bei der Variantenfertigung hingegen werden standardisierte
Module zu Produkten mit verschiedenen Ausprägungen verarbeitet („Mass Customization“). Durch diesen modularen Fertigungsansatz – ähnlich dem Automobilbau – können einerseits
Kundenspezifika berücksichtigt und andererseits Effizienzpotenziale gehoben werden.
• Bei der Einzelfertigung kann kaum auf Standardisierungspotenziale zurückgegriffen werden. In Manufakturarbeit werden
hier hoch individualisierte Produkte und Services im Kundenauftrag gefertigt. Durch den hohen Grad an Individualisierung
bestehen kaum Skaleneffekte.
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Zur Schaffung des größtmöglichen ökonomischen und qualitativen Mehrwertes stehen die drei genannten Fertigungsarten
in einer „Trichterlogik“ (siehe Abbildung). Es gilt zunächst zu
prüfen, ob ein Produkt als (Groß-)Serie gefertigt werden kann.
Ist dies nicht möglich, erfolgt die Variantenfertigung. Erst dann
setzt die Einzelfertigung an. Auf diese Weise lassen sich unnötige Individualaufwände vermeiden. Hier gilt die Maxime:
„Standardisiere so viel wie möglich, individualisiere so wenig
wie nötig.“
Als Basishypothese sollte davon ausgegangen werden, dass
70-80Prozent der Produkte in Serie gefertigt werden können.
Wird dieser Wert signifikant unterschritten, sind die genauen
Ursachen für das hohe Maß an individualisierten Produkten zu
überprüfen. Gegebenenfalls ist dann eine Neuzuordnung der
Produkte zu den Fertigungsarten vorzunehmen.
Völlig von der Rolle – Das Interaktionsmodell
Damit ein SSC im Unternehmensalltag die versprochenen
­Potenziale tatsächlich realisieren kann, ist es notwendig, das Zusammenspiel der verschiedenen, am Leistungserstellungsprozess
beteiligten Rollen und Verantwortlichkeiten passgenau auf die
Unternehmenssituation zuzuschneiden. Lückenhafte Rollenbeschreibungen und unklare Verantwortlichkeiten werden spätestens mit der Inbetriebnahme des SSCs zu einem ernsthaften
Problem.
In der Praxis haben sich verschiedene Rollenmodelle ausgeprägt. Je nach Gusto, Reifegrad und Komplexität des Unternehmens können zwei oder drei, manchmal auch vier Rollen im
Interaktionsmodell differenziert werden. Die Anzahl der Rollen
hängt zunächst davon ab, ob die Bedarfsträger der Geschäftsbereiche selbst fachlich tätig werden oder durch Geschäftspartner am Eingangstor zur internen Dienstleistungsorganisation
­repräsentiert wird. Ferner gilt es zu klären, ob Governance- und
Expertenaufgaben direkt aus den Zentralbereichen oder durch
spezielle Competence Center ausgefüllt werden sollen.
Für die nähere Betrachtung werden vier Rollen unterschieden:
• Competence Center (CC) haben die Hoheit über ­zentrale Policies wie interne Grundsätze der Rechnungsprüfung, ­Regelwerke
sowie typischerweise auch Budgets, und leiten ­daraus die Produktspezifikationen ab. Competence Center sind immer dann
gefragt, wenn der Konzern ein zentrales Regelungsinteresse besitzt.
Geschnitten oder am Stück?
• Business Partner (BP) verantworten in der Regel strategische
Themenstellungen und Fragenkomplexe, beispielsweise Fragen
der Ausgestaltung und Begleitung von Veränderungsprozessen,
und sind ein fester Bestandteil der Kundenorganisation. BPs
vereinen Expertise in ihrem Fachgebiet – IT, HR, Finance und
andere – und ein vertieftes Verständnis der jeweiligen BusinessAnforderungen des Kunden. Neben der Unterstützung bei strategischen Aufgaben antizipieren und prognostizieren BPs die
Bedarfe ihrer Kunden.
• SSC-Kategorieverantwortliche sind der direkte Ansprechpartner der Competence Center für ihre Produktkategorie. Sie können die End-to-End Verantwortung bei der Leistungserstellung
in ihrer Kategorie wahrnehmen.
• SSC-Fertigungsverantwortliche sind die direkten Vertreter der
Fertigungsarten („Großserie“, „Varianten/Einzelfertigung“). Sie
haben keine direkte Schnittstelle außerhalb des SSC. Ihr ­Fokus
liegt auf einheitlichen, synergie-fördernden Fertigungsstandards
innerhalb der von ihnen verantworteten Fertigungsart.
In diesem Kontext sollten auch die Employee Self Services
­Erwähnung finden: Diese regelbasierten Standardprozesse ohne
Interaktionsbedarf stellen keine eigenständige Rolle im Modell
dar, sind aber für die effiziente Abwicklung hochvolumiger
Standardfälle von großer Bedeutung. Idealtypisch werden die
dafür notwendigen Abläufe und Regeln vollständig von den
Competence Centern definiert. Die operative, in diesem Fall
vor allem technische Abwicklung erfolgt nach gemeinsamer Implementierung durch das Service Center.
Zwischen diesen Rollen ergeben sich typischerweise folgende
Interaktionen:
• CC und SSC legen gemeinsam (!) das Portfolio an Produkten
und Services je Periode fest und schließen produktspezifische
Rahmenvereinbarungen mit definierten Kosten, Zeit- und
Qualitäts- sowie Volumenvorgaben.
• BP und CC handeln gemeinsam (!) Produktanforderungen
und -budgets aus.
• BP und SSC agieren an der Kundenfront und beliefern Kunden mit strategischen (BP) und operativen (SSC) Produkten.
Dabei kann es durchaus sein, dass das SSC die BPs aktiv unterstützt.
Abbildung: Vom Produktportfolio zum Produktionsmodell
Produktportfolio
Produktionsmodell
Serie
Produktsicht
Produkt Produkt Produkt Produkt Produkt
A
B
C
...
n
Einzel
Fertigungssicht
Variante
Serie
Variante
Einzel
Fertigungsarten
Quelle: Detecon
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• Innerhalb des SSC treffen zwei Perspektiven aufeinander,
die über separate Rollen abgebildet werden können. Die Fertigungssicht wird über die Rolle der Fertigungsmanager, zum
Beispiel den Leiter Serienfertigung, bedient. Der Produkt- und
Themensicht wird über die Rolle des Kategoriemanagers Rechnung getragen. Hier deutet sich bereits ein systemimmanenter
Konflikt an, der allen Matrix-Strukturen anhaftet: Letztentscheid und Schlussverantwortung.
Eine genaue Festlegung von Rollen und deren Ausgestaltung
mit Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sollte individuell
und erst nach eingehender Analyse des SSC Themenspektrums,
der Komplexität und Heterogenität der zukünftigen Leistungsbeziehungen sowie der beteiligten Unternehmensbereiche erfolgen.
Matrix Evolutions –
Das Steuerungs- und Organisationsmodell
Die Ableitung von Ziel- und Steuerungsgrößen für SSCs gleicht
oftmals einer Gradwanderung, bei der Effizienz- (Kosten­
optimierung) und Effektivitätshebel (Kundenorientierung)
ausbalanciert werden müssen. Schließlich ist es für den langfristigen Erfolg eines SSC entscheidend, dass es weder nach innen noch nach außen als reine „Kostensparmaschine“ missverstanden wird. Vielmehr geht es darum, sich als Anbieter echter
Mehrwerte für den Konzern zu positionieren. Mindestens ebenso wichtig sind daher auch qualitative Aspekte wie Steigerung
der Kundenzufriedenheit, Flexibilität (“Atmung“) und Fallzahlenoptimierung.
Vereinfacht lässt sich sagen, dass typischerweise Effizienzeffekte über die Fertigungsverantwortung des SSC gesteuert werden können‘: Standardisierung, Wiederholbarkeit, Synergien,
­Kapazität, Fertigungstiefe. Effektivitätseffekte wie Fallzahlen­
optimierung oder frühzeitige und aufwandsarme Klärung einfacher F
­ älle hingegen lassen sich stärker über die Themenverantwortung im SSC beeinflussen.
Nach welcher wirtschaftlichen Steuerungslogik sollte nun ein
SSC arbeiten? Typisch sind Cost- oder Profit Center, denkbar
sind aber auch Revenue- oder Investment Center. Durch diese Wahl werden sehr unterschiedliche Effekte erzielt; Vor- und
Nachteile müssen eingehend anhand der konkreten Situation
diskutiert und abgewogen werden. So führen Profit Center
regelmäßig zu kreativen, aber überzogenen internen „Sales“-
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Aktivitäten, Ausweitung des Produktportfolios und überhöhten
Preisen durch interne Mehrfachmargen, anstatt echten Profit zu
generieren. Eine Revenue-Orientierung birgt ebenfalls die Gefahr, falsche Anreize zu setzen und zum Beispiel „Stop-doing“
Entscheidungen zu verschleppen.
Ähnlich differenziert müssen mögliche Vertragsmodelle diskutiert werden: Als Basis der Vertragsbeziehungen zwischen SSC
und Leistungsempfänger kann aus einem Spektrum von „Memorandum of Understandings (MoU)“ bis zu konkreten Service
Level Agreements (SLA) gewählt werden, ebenso steht bei der
Entscheidung zu den konkreten Verrechnungsgrundlagen ein
weiter Fächer von Möglichkeiten zur Verfügung – Allocation,
Direct Costing, Measured Resource Usage, Flat Rates, ServiceBased Pricing –, aus dem wohlbedacht und zielgerichtet ausgewählt werden muss.
Diese Diskussion um Zahlenströme und Steuerungswerte leitet
über zum Organisationsmodell. „Matrix“ lautet das Zauberwort. In der Matrix prallen die beiden Dimensionen Fertigung
(Effizienz) sowie Produkte und Themen (Effektivität) aufeinander. Welche Ziele und Kriterien empfehlen sich sinnvollerweise
zur Ableitung der zukünftigen Aufbauorganisation? Sollte diese
sich stärker an inhaltlichen Themen oder an Produktionsarten,
also Serien-, Varianten-, Einzelproduktion orientieren? Die allgemeine Antwort ist einfach, muss aber individuell ausgestaltet werden: Damit ein SSC den optimalen Wertbeitrag leisten
kann, muss die Organisationsstruktur des SSC an den übergeordneten Konzernzielen und -strategien ausgerichtet werden.
Die Themen- und Kategorienverantwortung muss in jedem Fall
eine zentrale Rolle in der Aufbauorganisation spielen. Jedoch
gilt: Je größer, komplexer und heterogener das Themen- und
Fertigungsspektrum, desto stärker sollte die Organisationsform
Gestaltungselemente einer zweidimensionalen Matrix aus Fertigungs- und Themenverantwortung aufgreifen. Sonst können
spezifische Effizienzhebel der Fertigungsarten nicht zielgerichtet
gehoben werden. Ob ein solcher zweidimensionaler Kompetenzund Verantwortungssplit in einer echten Matrix-Organisation
mündet oder durch informelle Kommunikationsbeziehungen
(„dotted lines“) umgesetzt wird, muss fallspezifisch gelöst werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Designprinzipien
der nachgelagerten Organisationsebenen sind die zukünftigen
strategischen Optionen dieser Einheiten. Soll zum Beispiel die
Möglichkeit offengehalten werden, zukünftig größere Blöcke
des SSC-Portfolios zu verlagern oder extern zu vergeben, so gilt
Geschnitten oder am Stück?
es, eine Dominanz funktionaler Blöcke im Sinner einer tayloristischen Arbeitsteilung zu vermeiden. Stattdessen empfiehlt sich
ein Gliederungsschwerpunkt auf serviceorientierten End-toEnd Verantwortungen, zum Beispiel IT-Applikationen.
Die Einbindung in den Konzernverbund hängt ebenfalls von
der gewünschten Bedeutung der SSC-Funktion für den Konzern ab. Grundsätzlich diskutiert werden sollten, geordnet nach
steigender Integration, die Anbindung an eine bestehende Konzerneinheit, die Abbildung als eigenständige Konzerneinheit
neben anderen oder die Integration in die Konzern-Holding.
Die Gestaltung der legalrechtlichen Form ist eng mit dieser Fragestellung verknüpft.
Neben adäquaten Steuerungsgrößen und Strukturen ist für die
Realisierung der SSC Vorteile auch die Optimierung der Prozesslandschaft von zentraler Bedeutung. Oftmals bleibt aus
äußeren Terminzwängen bei der initialen Gestaltung des SSC
zu wenig Zeit, um ein detailliertes neues Prozessmodell abzuleiten. Stattdessen werden zunächst die bestehenden Prozesse
so adaptiert, dass sie auch in der neuen Organisation organisatorisch und technisch funktionieren. Umso wichtiger ist es,
dass es nicht bei dieser überwiegend kosmetischen Anpassung
bleibt. Die Aufbauorganisation sollte sich vom Start weg am
zukünftigen Geschäftsmodell des SSC orientieren und auch
nur Ressourcen für jene Funktionen aufnehmen, die in diesem
Modell definiert sind. Zudem muss die Leitung des neuen SSC
über die neugeschaffenen Einheiten und Steuerungsparameter
direkt darauf hinwirken, dass die Prozesspotenziale von Anfang
an proaktiv gehoben werden.
Post Merger Integration – Das Transformationsmodell
Der Aufbau eines SSCs besitzt viele Parallelen zum Zusammenschluss von Unternehmen. Wurde die Entscheidung getroffen, „am Stück“ zu fertigen, dann müssen notwendigerweise
getrennte Organisationseinheiten zu einem gemeinsamen Bereich zusammengeführt werden. Aus genau diesem Grund ist
das Thema Transformation für den gesamten Prozess von der
­Planung bis zur Umsetzung eines SSCs von ähnlicher Bedeutung wie bei Fusionen oder Akquisitionen.
Umsetzungsrelevante Fragestellungen müssen wie bei jeder
Transformation bereits im frühen Konzeptstadium offen angesprochen und diskutiert werden. Dies gilt insbesondere für das
Design von Interaktions-, Steuerungs- und Organisationsmo-
dellen. Nicht selten kommt es vor, dass zwischen den betroffenen Konzerneinheiten keine ausreichende Kommunikation
besteht. Als Folge entstehen Insellösungen, die sich nicht zu
einem gemeinsamen, übergreifenden Lösungskonzept zusammenführen lassen.
Zielsetzung und Wichtigkeit der Transformation muss allen
­Beteiligten bewusst sein. Der Aufbau eines SSCs ist in den
­meisten Fällen keine Kür, sondern Pflicht. Gerade bei Unternehmen mit fortgeschrittenem Lebenszyklus handelt es sich
beim Aufbau von SSCs oftmals um eine zwingende Sanierungsmaßnahme oder um einen langfristigen strategischen Schritt,
um latente Effizienzpotenziale zu heben. Allerdings fällt das
Umdenken von der „Administration“, etwa in Personalverwaltung oder Finanzbuchhaltung, hin zum kundenorientierten
und hoch effizienten „Unternehmen im Unternehmen“ vielen
Beteiligten äußerst schwer. Der Übergang von der „Plan- zur
Marktwirtschaft“ ist vielerorts ein gravierender Bruch mit dem
Bisherigen. Hier sind die Führungskräfte gefragt, den Dienstleistungsgedanken vorzuleben – „leadership by example“ – und
diesen in ihren Bereichen zu verankern.
Und auch der Fabrik-Gedanke erweckt bei vielen Beteiligten
den Eindruck, als ginge es in Zukunft vornehmlich um die Bewahrung von F. W. Taylors Erbe. Dieser Eindruck ist allerdings
grundlegend falsch! Denn schließlich sind moderne Fabriken
in der Lage, hohe Qualität und Ökonomität zu vereinbaren.
Hierfür sind hoch qualifizierte Mitarbeiter – Generalisten wie
Spezialisten – erforderlich, die einen hohen Mehrwert für Belegschaft und Konzern erwirtschaften.
Dr. Philip Karl Hucke ist Experte für Organisation. Er berät Unternehmen insbesondere zu Themen der Restrukturierung und strategischer
­Organisationsentwicklung. Zuvor war er als wissenschaftlicher Assistent am
Lehrstuhl für Organisation und Management der Universität Bayreuth tätig.
[email protected]
Daniel Beckert ist Managing Consultant für Unternehmenstransformation.
Er berät seit über elf Jahren internationale Großunternehmen zu Reorganisationsthemen im Kontext von Konzernumbau, Outsourcing und Post Merger
Integration.
[email protected]
Marc Wagner leitet ein Team zu Transformations- und Restrukturierungsmanagement und ist Initiator des Circle of Excellence Efficiency, einem branchenübergreifenden Best-Practice Netzwerk zu Restrukturierungsthemen.
[email protected]
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