27.11.2014 Der subjektive Tatbestand • Vorsatzelemente Examensrepetitorium Strafrecht AT • kognitives (a) und voluntatives (b) Element (a) Kenntnis der Tatumstände und ihres Bedeutungsinhaltes = man hat eine Vorstellung davon, welchen SV der Gesetzgeber unter Strafe gestellt hat (Bsp. Luft aus Reifen rauslassen, Strich vom Bierdeckel entfernen) Merke: Parallelwertung in der Laiensphäre Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand • Stichwort: Sachgedankliches Mitbewusstsein - insbesondere in Fällen von Bedeutung, in denen bspw. eine Sache spontan entwendet wird und dabei eine Waffe/gefährliches Werkzeug getragen wurde - § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB vom Vorsatz umfasst? Der subjektive Tatbestand (b) Voluntatives Element (Wollen) • Stichwort: „Hemmschwellentheorie“ • Vorsatzarten (siehe hierzu das entsprechende Arbeitsblatt) • Absicht • Direkter Vorsatz • Eventualvorsatz 1 27.11.2014 Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand • Fall 1 (siehe hierzu auch Jäger, ExR-StR AT, Rn. 71) Strafbarkeit des A I. §§ 212 Abs. 1, 211 2. Gr. 1. Var. StGB zu Lasten der F 1. TB a) obj. Erfolg (+) MM Heimtücke? (-) kein verdecktes Vorgehen, zumindest aber kein Ausnutzungsbewusstsein Kausa (+), Obj. ZR? Evtl. eigenverantwortliche Selbstgefährdung, weil F selbst nicht zum Arzt gegangen ist? (-) Verkennung der Schwere der Verletzung Obj. ZR (+) b) subj. (Vorsatz) (P) Zielobjekt des Angriffs war N, tatsächlich getroffen wurde aber F Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand Aberratio ictus? (-) A war sich darüber bewusst, dass Schlag fehlgehen und F lebensgefährlich getroffen werden kann; dies nahm er billigend in Kauf Vorsatz bzgl. Tötung der F (+) 2. RW, Schuld (+) 3. Konkurrenzen (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB) Erg. § 212 StGB (+) II. §§ 212, 22, 23 StGB zu Lasten von N 1. TB a) subj. (Tatentschluss) Vorsatz bzgl. Tötung des N? Hier: dolus alternativus, rechtliche Behandlung strittig 2 27.11.2014 Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand e.A. = bestraft wird nur wegen eines Deliktes und dabei auf die schwerste Tat abgestellt a.A. = alle Delikte müssten erfasst werden (Vollendung und Versuch in Tateinheit) w.A. = bei vergleichbarem Unrechtsgehalt Strafbarkeit nur aus vollendetem Delikt, anderenfalls wegen Vollendung und Versuch Eigene Ansicht: Alternativ = entweder oder Vorsatz erschöpft sich im verwirklichten Delikt, daneben kein Raum für Versuchsstrafbarkeit Bei Ausbleiben des Erfolges wird wegen Versuchs bzgl. des schwereren Delikts bestraft Konsequenz: Keine Strafbarkeit aus §§ 212, 22, 23 StGB Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand Beachte zudem: Oftmals dürfte eine Versuchsstrafbarkeit wegen Rücktritts nach § 24 Abs. 1 1 Var. StGB ausscheiden, wenn der Täter wie hier A die Möglichkeit hat, ohne wesentliche zeitliche Zäsur erneut zur Tat zu schreiten, davon jedoch absieht. Fall 2 (Ausgangsfall) (Siehe hierzu auch den „Gifttrunk-Fall“ bei Jäger, ExR StR AT, Rn. 73 ff.) Strafbarkeit der C I. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5 StGB wegen Schlag mit Wanderstock (+) II. §§ 212 Abs. 1, 211 1. Gr. 4 .Var. StGB wegen Erstickens im Kofferraum zu Lasten der W (-) mangels Vorsatzes bzgl. Tötung der W 3 27.11.2014 Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand III. § 227 StGB (-) mangels Unmittelbarkeitszusammenhangs zwischen Körperverletzungs(handlung) und Tod als schwere Folge IV. § 239 Abs. 1, 4 StGB 1. Obj. TB (P1) Einsperren auch in beweglichen Räumen wie Kofferraum eines Pkw? H.M (+) Rspr. sieht darin eine Freiheitsberaubung „auf andere Weise“ (vgl. BGH NStZ 1992, 33; 2005, 507) (P2) Fortbewegungswillen bei bewusstlosen Personen? h.L. – potentieller Wille entscheidend Wenn mit Aufwachen des Tatopfers wie hier bei W zu rechnen ist, könnte es einen aktuellen Fortbildungswillen bilden, demnach W taugliches Tatopfer a.A. – tatsächlicher Wille maßgebend Danach wäre W kein taugliches Tatopfer, weil SV die Bildung eines tatsächlichen Fortbewegungswillens nicht hergibt Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand Streit kann aber offen bleiben, denn C schlägt die W auf dem Weg nach Hause (Fortbewegungswille besteht hier) bewusstlos, um sie an einen anderen Ort zu verschaffen und nimmt ihr damit auf andere Weise die Freiheit Obj. TB (+) 2. Subj. TB (+) 3. Eintritt schwerer Folge (§ 239 Abs. 4 StGB) Tod der W ist Folge der Freiheitsberaubung und somit durch die Tat herbeigeführt (+) (Auf das in den Mund gesteckte Taschentuch abstellend ist wohl keine eigenständige Handlung während der Freiheitsberaubung, durch die allein die schwere Folge herbeiführt wird) Fahrlässigkeit bzgl. schwerer Folge (§ 18 StGB) (+) C hätte erkennen können und müssen, dass W während des Transportes ersticken kann § 239 Abs. 1, 4 StGB (+) V. Der mit der Freiheitsberaubung zugleich verwirklichte § 240 StGB wird von § 239 StGB als lex specialis verdrängt. 4 27.11.2014 Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand V. § 222 StGB tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 239 Abs. 4 StGB zurück. VI. §§ 240 Abs. 2, 22, 23 StGB wegen beabsichtigten Erzwingens einer Entschuldigung (-) mangels unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung Erg. §§ 239 Abs. 1, 4, 224 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5, 51 StGB (§ 224 verdrängt § 223 im Wege der Gesetzeskonkurrenz) Fallabwandlung 1: Wie verhält es sich mit der Strafbarkeit der C nach §§ 212, 211 StGB, wenn sie sich nach der Feststellung, dass W zwischenzeitlich im Kofferraum erstickt ist, sagt: „Auch nicht schlecht, dann bin ich sie gleich endgültig los.“? Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand Fallabwandlung 2: Wie verhält es sich mit der Strafbarkeit der C nach §§ 212, 211 StGB, wenn sie vorhatte, W nach Erreichen des Waldstückes und erzwungener Entschuldigung ins Jenseits zu befördern? Strafbarkeit der C §§ 212 Abs. 1, 211 1. Gr. 4. Var. StGB zu Lasten der W 1. TB a) obj. Erfolg, Kausa, obj. ZR (+) bzgl. Letzterem liegt es nicht außerhalb allgemeiner Lebenserfahrung, dass W bereits während der Fahrt im Kofferraum erstickt ist Sog. Dolus subsequens unbeachtlich, nachträgliche Billigung der Tat ersetzt nicht Vorsatz zum Tatzeitpunkt 5 27.11.2014 Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand b) subj. TB Vorsatz bzgl. Tötung der W (P) C wollte W erst nach Erreichen des Waldstückes und erzwungener Entschuldigung ins Jenseits befördern Wann muss Vorsatz vorliegen? § 16 Abs. 1 S. 1 StGB: „Bei Begehung der Tat …“ Siehe ergänzend: § 8 StGB! Danach entscheidend, ob Vorsatz zum Zeitpunkt der STRAFBAREN Handlung, also zumindest bei Versuchsbeginn vorlag. Nicht ausreichend ist somit ein Vorsatz im straflosen Vorbereitungsstadium! Maßgebliche Frage: Hat C bereits unmittelbar zur Tötung der W angesetzt? Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand Unmittelbares Ansetzen bei unbeendetem Versuch, der hier unstreitig vorliegt, strittig: Gefährdungstheorie Sphärentheorie Zwischenaktstheorie „Jetzt geht’s los“-Theorie nach allen Theorien KEIN unmittelbares Ansetzen, da C die W erst nach erzwungener Entschuldigung töten wollte, mithin noch Handlungsschritte vorgesehen waren, die in keinem inneren Zusammenhang mit der Tötung standen und durch den vorzeitigen Tod der W vereitelt wurden 6 27.11.2014 Der subjektive Tatbestand Der subjektive Tatbestand Vorsatzzurechnung mittels unwesentlicher Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlaufs? (-) greift erst dann, wenn der eingetretene Erfolg zumindest mit einer als Versuch strafbaren Handlung in Beziehung gesetzt werden kann hier sog. dolus antecedens (der Tat vorgelagerter Vorsatz), der unbeachtlich ist Subj. TB (-) Erg. §§ 212 Abs. 1, 211 1. Gr. 4. Var. StGB (-) Beachte: Ebenso scheidet eine Versuchsstrafbarkeit mangels unmittelbaren Ansetzen zur TB-Verwirklichung aus! 7