c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 1 Statistische Messverfahren Statistische Messverfahren beziehen sich auf die Werte von Verteilungsparametern (siehe auch deterministische Variable) und sind unter dem Namen Schätzverfahren bekannt. Sie lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: 1. Punktschätzverfahren 2. Bereichsschätzverfahren Eine weitere Einteilung der statistischen Messverfahren erhält man mittels der verschiedenen Intepretationen des verwendeten Wahrscheinlichkeitsbegriffs. Legt man den sogenannten frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff zugrunde, ergeben sich andere Schätzverfahren, als wenn man den subjektiven Wahrscheinlichkeitsbegriff der Bayes-Statistik verwendet. Da die Ausschaltung der menschlichen Subjektivität eines der Ziele der stochastischen Wissenschaft ist, soll hier nicht auf die Schätzverfahren der Bayes-Statistik eingegangen werden, bei denen die Subjektivität wichtiger Bestandteil des Ansatzes ist. Punktschätzverfahren Punktschätzverfahren gehören zu den am häufigst verwendeten statistischen Verfahren. Sie sind dadurch charakterisiert, dass das Ergebnis des Messverfahrens durch genau ein Wert (Punkt) ist. Aus stochastischer Sicht sind alle Punktschätzverfahren “unwissenschaftlich,” denn sie erfüllen keine noch so geringe Zuverlässigkeitsanforderung. Die einzige begründete Aussage über das durch ein Punktschätzverfahren zu erzielte Ergebnis ist, dass der erhaltene Wert falsch ist. Obwohl damit eigentlich genug über Punktschätzverfahren gesagt ist, sollen noch einige Bemerkungen zu den “statistischen Anforderungen” an Punktschätzverfahren gemacht werden. • Erwartungstreue: Die Erwartungstreue gehört zu den zentralen Begriffen der statistischen Schätztheorie und ein Großteil der Anstrengungen in der Statistik konzentriert sich auf die Suche nach erwartungstreuen Punktschätzverfahren. Ein Punktschätzverfahren wird “erwartungstreu” genannt, wenn das 1. Moment des Verfahrens gleich dem aktuellen Wert des Verteilungsparameters ist. c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 2 Zur Erwartungstreue ist zu sagen, dass sie eine Eigenschaft ist, die nichts über das Ergebnis einer Anwendung des Verfahrens aussagt, sondern allenfalls darüber, was geschieht, wenn man das arithmetische Mittel von unendlich vielen Messungen betrachtet. Schwerwiegender ist allerdings die Tatsache, dass man zur Herleitung einer erwartungstreue Schätzfunktion auf alle Kenntnisse über den aktuellen Wert des Verteilungsparameters explizit verzichten und davon ausgehen muss, dass er jeden theoretisch möglichen Wert annehmen kann, d.h. auch solche Werte, die in der gegebenen Situation ausgeschlossen sind. Dieses Außerachtlassen vorhandener Kenntnisse führt dazu, dass das Punktschätzverfahren unter Umständen zu unsinnigen Ergebnissen führt. Die Erwartungstreue macht also Aussagen über den Fall von unendlich vielen Wiederholungen, der nie eintreten wird, während über die Eigenschaften des üblichen Falls einer Messung keine Aussage gemacht wird. • Konsistenz: Sei n der Umfang der für den Punktschätzer zugrunde gelegten Stichn o probe und TD (X1 |d, . . . , Xn |d) eine Folge von Punktschätzern n∈IN für den Wert d der deterministischen Variablen D. Ein Punktschätzer heißt konsistent, falls für die Folge der Punktschätzer gilt ³ ´ lim PTD (X1 |d,...,Xn |d) {t | d − ² ≤ t ≤ d + ²) = 1 (1) n→∞ für beliebiges ² > 0. Ersichtlich ist die Konsistenz eine asymptotische Eigenschaft. Anschaulich besagt sie, dass die Wahrscheinlichkeit einer großen Abweichung vom tatsächlichen Wert mit wachsendem Aufwand (= Stichprobenumfang) kleiner wird. Diese Eigenschaft ist natürlich beruhigend, sagt aber genau wie die Erwartungstreue über die Qualität des Punktschätzers bei einmaliger Anwendung mit vorgegebenem, endlichen Stichprobenumfang n wenig aus. • Gleichmäßig bester erwartungstreuer Punktschätzer Ein Punktschätzer TD∗ (X) für den Wert d der deterministischen Variablen D heißt gleichmäßig bester erwartungstreuer Punktschätzer falls gilt h i h i ∗ V TD (X|d) ≤ V TD (X|d) (2) c by Stochastikon GmbH (http: // encyclopedia. stochastikon. com ) Copyright ° 3 für jeden anderen erwartungstreuen Punktschätzer TD (X|d) für den Wert d der deterministischen Variablen D. Die gleichmäßig besten erwartungstreuen Punktschätzer werden auch wirksamste oder optimale Punktschätzer genannt. Die Varianz eines Punktschätzers kann sinnvoller Weise als Qualitätskriterium nur für erwartungstreue Punktschätzer verwendet werden. Es folgt, dass ein im obigen Sinn “optimaler” Punktschätzer keineswegs der beste (bezüglich der Genauigkeit) Punktschätzer sein muss, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass ein genauerer Punktschätzer unter den nicht-erwartungstreuen Punktschätzern existiert. Bereichsschätzverfahren Speziell für den Fall von ein-dimensionalen Verteilungsparametern werden in der Statistik sogenannte “Intervallschätzverfahren” entwickelt und angewandt. Diese Verfahren haben große Ähnlichkeit mit den stochastischen Messverfahren. Genau wir in der Stochastik wird ein Zuverlässigkeitsniveau gefordert, das in der Statistik “Konfidenzniveau” heißt. Allerdings gibt es einige wichtige Unterschiede zwischen den statistischen Bereichsschätzverfahren und den stochastischen Messverfahren: 1. Bereichsschätzverfahren beruhen in der Regel auf Punktschätzverfahren und setzen wie diese voraus, dass keinerlei Kenntnisse über den aktuellen Wert des Verteilungsparameters vorliegt. 2. Ein Großteil aller Bereichsschätzverfahren beruht auf asymptotischen Betrachtungen, ohne zu überprüfen, ob die Grenzwerte tatsächlich Ergebnisse liefern, die die gestellten Anforderungen erfüllen. 3. Die Messergebnisse von Intervallschätzverfahren werden in aller Regel symmetrisch zu einem Punktschätzverfahren bestimmt, was im Allgemeinen zu einer schlechteren Genauigkeit führt. Version: 1.00