Lohngestaltung - Umfang betrieblicher Mitbestimmung Inhaltsübersicht 1. 2. 3. Mitbestimmung zur betrieblichen Lohngestaltung Mitbestimmung bei Entlohnungsgrundsätzen Mitbestimmung bei Entlohnungsmethoden Information Ungeachtet der eher "akademischen" Definitionen ist es für die betriebliche Praxis wichtig, die Begriffe mit Leben zu erfüllen. 1. Mitbestimmung zur betrieblichen Lohngestaltung Die Rechtsprechung hat verbindlich festgestellt, dass zu den Fragen der betrieblichen Lohngestaltung alle Formen von Vergütung als Anlass eines Arbeitsverhältnisses gehören. Da auch diese Eingrenzung im konkreten Einzelfall noch nicht weiterhilft, hat die Rechtsprechung über die Jahre hinweg einen Katalog von Tatbeständen entwickelt, der eine betriebliche Lohngestaltung darstellt mit der Konsequenz der betrieblichen Mitbestimmung. Mithin umfasst der Bereich der (mitbestimmungspflichtigen) betrieblichen Lohngestaltung u.a. nachfolgende Sachverhalte und Zahlung: • allgemeine Abänderung einer auf einer vertraglichen Einheitsregelung beruhenden Auslösung ( BAG, 17.06.1998 - 2 AZR 336/97 ), • Beträge, die als "Spesen" oder Ähnliches bezeichnet werden, aber nicht den Zweck haben, entstandene Unkosten in pauschalierter Form abzugelten ( BAG, 27.10.1998 - 1 ABR 3/98 ), • Ergebnisbeteiligungen (LAG Bremen, 27.10.1978 DB, 1978, 1668), • ermäßigte Flugscheine ( BAG, 22.10.1985 - 1 ABR 38/83 ), • Mietzuschüsse und Kosten für Familienheimfahrten ( BAG, 10.06.1986 - 1 ABR 65/84 ), • Vergütung von Bereitschaftsdienst nach Pauschalbetrag oder tatsächlich geleisteten Stunden ( LAG Hessen, 26.02.1985 - 4 Ta BV 97/84 ), • zinsgünstige Arbeitgeberdarlehn ( BAG, 13.02.1979 - 1 ABR 80/77 ). Einen breiten Raum im Spektrum der Tatbestände betrieblicher Lohngestaltung nehmen Prämien, Provision und Zulagen ein. Im Bereich der Prämien sind durch die Rechtsprechung bereits behandelt worden: • Geldprämien oder geldwerte Vorteile (z.B. Fernreisen: BAG, 30.03.1982 - 1 ABR 55/80 ), • Prämien bei Überschreitung eines bestimmten Umsatzsolls, • Prämien im Rahmen eines innerbetrieblichen Wettbewerbs aus besonderem Anlass, z.B. Einführung eines neuen Preissystems ( BAG, 10.07.1979 - 1 ABR 88/77 ), • Prämien an Mitarbeiter, die während eines Streiks gearbeitet haben, wobei die Prämie auch in einem "Gratis-Essen" bestehen kann und es unerheblich ist, ob sie bereits während des Streiks zugesagt wurde, • Prämien (einmalige Sonderzahlungen) an mehrere Arbeitnehmer für ihr besonderes Engagement in einer Ausnahmesituation, wenn die Leistungen nach Leistungsgesichtspunkten erfolgen ( BAG, 29.02.2000 - 1 ABR 4/99 ). Provisionen haben unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Mitbestimmung ebenfalls ihren Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden. 1 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 31.10.2017 Dabei ging es u.a. um die Frage, ob ein Gehaltsfixum oder Provision gezahlt werden soll, ferner die Arten der Provisionen (z.B. Abschluss-, Anteils- und Leitungsprovision), das Verhältnis der Provisionen zum Gehaltsfixum (Frage der Anrechenbarkeit) sowie das Verhältnis der Provisionen zueinander und auch die abstrakte Staffelung der Provisionssätze ( BAG, 29.03.1977 - 1 ABR 123/74 ); wenn z.B. eine Abschlussprovision nach Pfennigsätzen pro Artikel gezahlt werden soll und zu diesem Zweck sechs Provisionsgruppen mit unterschiedlichen Pfennigsätzen gebildet werden, ist auch die Zuordnung der einzelnen Artikel zu den Provisionsgruppen mitbestimmungspflichtig ( BAG, 26.07.1988 - 1 AZR 54/87 ). Im Bereich der Zulagen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung folgende Mitbestimmungstatbestände herausgestellt: • Erschwerniszulagen ( BAG, 22.12.1981 - 1 ABR 38/79 ), • Leistungszulagen aufgrund einer Leistungsbeurteilung ( LAG Hamm, 21.10.1977 - 3 TaBV 57/77 ), • Lohnzulagen (ArbG München, 22.03.1979), auch für vorübergehend entsandte Mitarbeiter ( BAG, 30.01.1990 - 1 ABR 2/89 ), • Die Entscheidung, ob ein Ausgleich für Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG durch bezahlte freie Tage oder durch Entgeltzuschlag zu gewähren ist ( BAG, 26.08.1997 - 1 ABR 16/97 ), • Regelung der Frage, welche Zeit als Nachtarbeitszeit zuschlagspflichtig sein soll ( BAG, 21.09.1993 1 ABR 16/93 ). Der Betriebsrat hat ferner mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber eine freiwillige Lohnzulage gewähren will, gleichgültig ob es sich um eine besondere Zulage für einen bestimmten Zweck handelt oder nur allgemein um eine übertariflich geregelten Entgelt ohne besondere Zweckbestimmung, sofern nur ein kollektiver Tatbestand vorliegt. Weder der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG noch § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG stehen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entgegen ( BAG, 03.12.1991 - GS 2/90 ). 2. Mitbestimmung bei Entlohnungsgrundsätzen Im Bereich der Entlohnungsgrundsätze unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats insbesondere die Frage, ob für alle oder Gruppen von Arbeitnehmern Zeitlohn (Monats-, Wochen-, Tages-, Stundenlohn), Leistungslohn (z.B. Akkord- oder Prämienlohn) oder eine erfolgsabhängige (z.B. am Umsatz orientierte) Vergütung, ferner ob neben dem Barlohn auch Sachleistungen (wie z.B. Deputate) gewährt werden sollen. Auch die Einführung von Lohnzulagen (übertarifliche Zulagen, Erschwerniszulagen usw.) und Sonderformen oder Vergütung (z.B. Tantiemen, Prämien, Gratifikationen, Ruhegeld) sind mitbestimmungspflichtig. Hierbei steht dem Betriebsrat schon bei Vorbereitungsarbeiten, z.B. bei einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Einführung von Akkordarbeit bei der Vornahme von Zeitstudien, die der Festlegung des Zeitfaktors vorausgehen, ein Mitbestimmungsrecht zu, es sei denn, der Arbeitgeber ist zur Einführung der neuen Entlohnungsform, z.B. Akkordarbeit, noch nicht entschlossen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erstreckt sich dabei auch auf die allgemeinen Grundsätze und alle diejenigen Elemente, die den jeweiligen Entlohnungsgrundsatz im Einzelnen ausgestalten und zu einem in sich geschlossenen, von anderen Regelungsmöglichkeiten sich abgrenzenden Vergütungssystem machen. Als Beispiele für die Ausfüllung dieses "Anforderungsprofils" hat die Rechtsprechung bisher anerkannt: • die Bildung von Vergütungsgruppen nach Tätigkeitsmerkmalen ( BAG, 21.08.1990 - 1 ABR 72/89 ), • die Verteilungsgrundsätze bei übertariflichen Zulagen ( BAG, 03.12.1991 - GS 2/90 ), • die Bildung übertariflicher Lohngruppen, z.B. in Höhe der halben Differenz zwischen der maßgebenden und der nächsthöheren Tarifgruppe ( BAG, 18.10.1994 - 1 ABR 17/94 ), • beim Festgehalt die abstrakte Bildung von Gehaltsbandbreiten, die Festlegung ihres Verhältnisses zueinander (Festsetzung der Wertunterschiede) und die Festlegung der Grundsätze für die Einordnung der Arbeitnehmer innerhalb dieser Bandbreiten, • die Festlegung des Verhältnisses von Festgehalt zu den variablen Einkommensbestandsteilen sowie die Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander ( BAG, 06.12.1988 - 1 ABR 44/87 ), • die von einem Krankenhausträger aufgestellten Regeln, nach denen aus einem Liquidationsfonds, in den Chefärzte aufgrund einer Vereinbarung mit dem Krankenhausträger Teile ihres privaten 2 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 31.10.2017 Liquidationserlöses abführen müssen, die Fondsmittel auf nachgeordnete Ärzte verteilt werden, um diesen eine zusätzliche Vergütung zu verschaffen ( BAG, 16.06.1998 - 1 ABR 67/97 ). Bei einem Prämienlohn hat der Betriebsrat über den Verlauf der Prämienkurve mitzubestimmen; dazu gehört auch die Zuordnung von Geldbeträgen zu bestimmten Leistungsgraden ( BAG, 16.12.1986 - 1 ABR 26/85 ). Ferner besteht ein Mitbestimmungsrecht bei einem Provisionssystem, nach dem mit jedem Abschluss eines bestimmten Geschäfts auch eine bestimmte Zahl von Provisionspunkten verdient und jeder Provisionspunkt einheitlich mit einem EUR-Betrag vergütet wird, die Feststellung der Punktezahl für jedes Geschäft mitbestimmungspflichtig, weil dies zur Ausgestaltung der Provisionsregelung gehört, während die Bestimmung des EUR-Betrages je Provisionspunkt mitbestimmungsfrei ist, weil es sich insoweit um kein leistungsbezogenes Entgelt i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG handelt ( BAG, 13.03.1984 - 1 ABR 57/82 ). Im Bereich der leistungsorientierten Entlohnung sind als Änderung von Entlohnungsgrundsätzen ferner anzusehen der Übergang vom Zeitlohn zum Leistungslohn (Akkordlohn) oder umgekehrt ( LAG Düsseldorf, 23.12.1988 - 2 Sa 725/88 ) oder von einer leistungsbezogenen Prämienordnung zu einem leistungsunabhängigen Pauschalsystem oder die Änderung der Bezugsgröße zur Ermittlung der Provisionshöhe, wobei der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht dadurch umgehen kann, dass er gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern Änderungskündigungen ausspricht. Solche Änderungskündigungen sind unwirksam ( BAG, 31.01.1984 - 1 AZR 174/81 ). Einen mitbestimmungspflichtigen Entlohnungsgrundsatz stellt es auch dar, wenn sich die Vergütung der Angestellten eines Betriebes (z.B. eines Zuwendungsempfängers) stets nach der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst, insbesondere des Bundes richten soll, gleichgültig auf welcher Rechtsgrundlage diese Vergütung beruht ( BAG, 07.09.1988 - 4 ABR 32/88 ). Die angeführten Grundsätze gelten auch für AT-Angestellte. Bei ihnen ist auch die Entscheidung mitbestimmungspflichtig, ob die AT-Gehälter linear oder unterschiedlich nach abstrakten Kriterien erhöht werden sollen, solange kein mitbestimmtes Gehaltsgruppensystem besteht ( BAG, 27.10.1992 - 1 ABR 17/92 ). Auch die Änderung von Entlohnungsgrundsätzen, z.B. die Änderung des Vergütungsgruppensystems, wozu der Aufbau der Vergütungsgruppen und die Festlegung der Vergütungsmerkmale gehören, ist mitbestimmungspflichtig ( BAG, 27.01.1987 - 1 ABR 66/85 ; BAG, 31.01.1984 - 1 AZR 174/81 ). Eine Änderung ohne Beteiligung des Betriebsrats ist unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber aufgrund von Auflagen des Bundes als Zuwendungsgeber verpflichtet ist, seine Arbeitnehmer nach einer geänderten Vergütungsgruppenordnung - z.B. Absenkung der Eingangsvergütung (niedrigere Vergütungsgruppe) nach Maßgabe des sog. Absenkungserlasses vom 27.12.1983 - zu vergüten ( BAG, 27.01.1987 - 1 ABR 66/85 ). 3. Mitbestimmung bei Entlohnungsmethoden Der im Rahmen der Definition einer Entlohnungsmethode bedeutende Begriff des Arbeitswertes kann z.B. nach einem Punktsystem (für den jeweiligen Schwierigkeitsgrad einer Arbeit werden Punkte festgesetzt) oder einem Leistungsgruppensystem bestimmt werden. Der Leistungsgrad wird nur bei leistungsbezogenen Entgelten berücksichtigt. Hierbei geht es z.B. beim Akkordlohn um die Frage, ob die Akkordvorgabe geschätzt oder nach arbeitswissenschaftlichen Grundsätzen, gegebenenfalls nach welchen (z.B. Refa-Grundsätzen, Bedaux-System) ermittelt werden soll. Wenn sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch auf die "Anwendung" von Entlohnungsmethoden erstreckt, ist unter Anwendung die ständige Fortentwicklung der Entlohnungsmethoden unter Verwendung zusätzlicher Erkenntnisse zu verstehen. Auch die Änderung von Entlohnungsmethoden ist mitbestimmungspflichtig. Siehe auch Lohngestaltung - Allgemeines Lohngestaltung - Grenzen betrieblicher Mitbestimmung 3 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 31.10.2017 Lohngestaltung - Sonderfall betriebliche Altersversorgung 4 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 31.10.2017