Wissenschaft und Fortbildung BZB September 12 Moderne Therapiekonzepte in der Implantatprothetik Voraussetzungen für ästhetisch und funktionell einwandfreie Versorgungen E i n K u r s b e r i c h t v o n D r. C h r i s t i n a E r n , M ü n c h e n Der Ersatz verloren gegangener Zähne durch Implantate gehört heute zu den Standardtherapien in der zahnärztlichen Praxis. Damit die Versorgung ästhetisch und funktionell die Erwartungen des Patienten erfüllt, ist vor der Insertion der Implantate eine sorgfältige Planung des Zahnersatzes unerlässlich. Im Rahmen eines Tageskurses an der eazf GmbH Europäische Akademie für zahnärztliche Fort- und Weiterbildung der BLZK in München referierte Dr. Michael Hopp fundiert über die modernen Konzepte der Implantatversorgung. Durch Implantate haben sich die Therapiemöglichkeiten nach Zahnverlust grundlegend erweitert. Das Spektrum reicht von der substanzschonenden Lösung durch implantatgetragene Kronen und Brücken bis zu festsitzenden Konstruktionen bei zahnlosen Patienten. Um jedoch den Zahnersatz ästhetisch und funktionell ansprechend zu gestalten und eine lange Tragedauer zu gewährleisten, müssen einige Aspekte bereits vor der Implantatinsertion beachtet werden, wie etwa die Einbindung eines Zahntechnikers schon in der frühen Planungsphase. Aufgrund seiner Kenntnisse kann er beurteilen, ob die vom Zahnarzt favorisierte prothetische Planung auch zahntechnisch umsetzbar ist. Bei der Planung einer Implantatversorgung sind zudem patientenspezifische Faktoren zu berücksichtigen. Für ältere Patienten sind beispielsweise aufwendige Geschiebe- und Riegelkonstruktionen ungeeignet, weil sie eine perfekte Mund- und Prothesenhygiene verlangen und teilweise auch schwer zu bedienen sind. Für Senioren ist es zum Teil schwierig, dies zu gewährleisten, weil mit den Jahren die motorischen Fähigkeiten abnehmen. In solchen Fällen ist ein magnetgetragener Zahnersatz besser, weil er selbstpositionierend und pflegeleicht ist. Ein Großteil der Patienten hat Probleme sich vorzustellen, wie die fertige Versorgung aussehen wird. Für eine erste Veranschaulichung bieten sich hier entsprechende Modelle beziehungsweise Visualisierungen in Büchern an. Patientenspezifische Visualisierungen hingegen können mittels moderner Computerprogramme erzeugt werden. Bei Einzelzahnimplantaten oder mehreren Lücken im Frontzahnbereich ist die Anfertigung eines Waxups empfehlenswert. Zum einen kann der Patient damit die zukünftige Versorgung besser beurteilen, zum anderen erleichtert dies die Ermittlung der achsengerechten Implantatposition und kann Anhaltspunkte für einen eventuell erforderlichen Knochenaufbau liefern. Achsengerecht gesetzte Implantate mit einer entsprechenden prothetischen Versorgung scheinen gegenüber nicht achsengerechten eine längere Lebensdauer zu haben. Festsitzender Zahnersatz Wie bei natürlichen Zähnen kann man den implantatgetragenen Zahnersatz in festsitzenden und herausnehmbaren unterteilen. Bei der Planung einer Einzelzahnversorgung müssen die Lückenund Implantatbreite, die transgingivalen Implantatkomponenten und -materialien und besonders im Frontzahnbereich die sogenannte rote Ästhetik, also der Verlauf des Zahnfleischrandes, berücksichtigt werden. Das harmonische Erscheinungsbild wird deutlich von der roten Ästhetik bestimmt. Dabei sind neben den Nachbarzähnen von Implantaten auch die Zähne auf der gegenüberliegenden Kieferseite zu berücksichtigen. Nach dem Verlust von mehreren Zähnen kommen je nach Lokalisation und Gegenbiss verschiedene Optionen infrage. In vielen Fällen ist eine stabile Brückenversorgung möglich, die nur auf Implantaten oder gemeinsam auf natürlichen Zähnen abgestützt werden kann. Die Implantatzahl richtet sich dabei nach der Größe der Lücke und der Implantatoberfläche (Verhältnis des Durchmessers zur Länge des Implantats). Bei kleineren Implantaten empfiehlt sich deren Verblockung. Implantatgetragene Freiendbrücken sind möglich, solange die Breite des Anhängers sieben bis acht Millimeter nicht überschreitet. Außerdem empfiehlt es sich, die Okklusionskontakte am Anhänger zu reduzieren. Eine andere Situation besteht im oberen Frontzahnbereich. Da der Oberkiefer bogenförmig verläuft, entspre- 63 BZB September 12 Wissenschaft und Fortbildung chend verlaufende Brücken aber statisch ungünstig sind und Richtungsänderungen im Zahnbogen durch einen Pfeiler kompensiert werden sollten, ist zu erwägen, mehrere in der Oberkieferfront fehlende Zähne durch Einzelimplantate zu ersetzen. Abnehmbarer Zahnersatz Die Entscheidung, ob ein zahnloser Kiefer festsitzend oder herausnehmbar versorgt werden soll, hängt von vielen Faktoren ab. Wenn es zu einer starken Atrophie des Kieferkamms gekommen ist und viel Weichgewebe ersetzt werden muss, ist ein herausnehmbarer Zahnersatz von Vorteil. Das fehlende Weichgewebe kann durch einen Prothesensattel aus Kunststoff ersetzt werden, wobei ein abnehmbarer Zahnersatz einfacher gereinigt werden kann als ein festsitzender. Da der Zahnersatz auch das periorale Weichgewebe stützen soll, ist es empfehlenswert, eine Wachsaufstellung der Zähne anzuprobieren, um das Aussehen des Patienten zu visualisieren und die Implantatposition abschätzen zu können. Die Implantatzahl kann bei der implantatprothetischen Versorgung zahnloser Kiefer zwischen einem bis sechs Implantaten variieren. Die Lagesicherung einer totalen Prothese über nur ein Implantat wird zwar für den Unterkiefer beschrieben, sie stellt aber eine Ausnahme dar. Es muss genügend Knochen in vertikaler und horizontaler Richtung vorhanden sein und das Implantat sollte in der Unterkiefermitte positioniert werden. Da die Suprakonstruktion bei einem Einzelimplantat sechs Freiheitsgrade (Kugelkopf) aufweist und dadurch das Fraktur- und Lockerungsrisiko des Implantats erhöht ist, riet der Referent von einer derartigen Konstruktion ab. Bei der Verwendung von mehreren Implantaten kommen verschiedene Suprakonstruktionen infrage, wie etwa abnehmbarer Zahnersatz, der über Magnet- und Kugelanker, Stege oder Doppelkro- nen stabilisiert ist, aber auch festsitzende Brücken. Um eine ausreichende Stabilität des Zahnersatzes zu erreichen, sollten die Implantate möglichst gleichmäßig im Kiefer verteilt werden, was für die Langlebigkeit der Versorgung entscheidend ist. Es ist auch von Vorteil, wenn nur Halteelemente mit gleichartiger Ankopplung (starr/nicht starr) miteinander kombiniert werden. Nicht zuletzt hängt die Implantatzahl auch von der wirtschaftlichen Situation des Patienten ab. Systemauswahl Entscheidend für die Bereitstellung einer hochwertigen Implantatversorgung ist es, aus der schier unübersichtlichen Zahl der verschiedenen Implantatsysteme das für die eigene Praxis bestgeeignete auszuwählen. Für die Systemauswahl sollten folgende Kriterien berücksichtigt werden: · Wie ist die Reputation des Herstellers? · Wie hoch sind die Kosten der Komponenten, Kits und für Weiterbildungen? · Wie schnell und zuverlässig können die Systemkomponenten bereitgestellt werden? · Ist die Anwendung der Komponenten einfach, wie ist ihre Bewertung aus prothetischer und zahntechnischer Sicht? · Für welche Indikationsbereiche sind die Implantate empfohlen? · Ist das System übersichtlich? · Wie einfach sind der Hersteller oder der Vertreter zu erreichen? Um die Entscheidung zu erleichtern, gab Dr. Hopp einen umfassenden Überblick über die gängigen Implantatsysteme auf dem deutschen Markt. Provisorische Versorgung Für die provisorische Versorgung nach der Implantation können verschiedene Varianten gewählt wer- Fotos: Dr. Michael Hopp 64 CAD/CAM-gefertigte, implantatgetragene Einzelkrone mit Farbund Funktionsdefiziten, verbliebene Klebereste sind erkennbar Röntgenbild der Situation: massive Klebereste erkennbar, beginnende Periimplantitis, Keramikdefekte mesial an Krone, Implantat zu kurz Wissenschaft und Fortbildung BZB September 12 65 Zähne abgeformt. Nach der Anprobe der Primärkronen wird deren Position zusammen mit derjenigen der Implantate mittels einer erneuten Abformung auf das Modell übertragen. Andere Situation vorbereitet zur Implantatabformung: Abformpfosten in beschriebener Weise verblockt, die Kronenkappen werden im Sinne einer Sammelabformung abgeformt den. Bei der Einzelzahnversorgung können temporäre Klebebrücken zum Einsatz kommen. Es besteht auch die Möglichkeit, Interimsprothesen zu verwenden, wie sie auch bei mehreren fehlenden Zähnen angezeigt sind. Dabei sollte die Prothese drei Tage nach der Implantation nicht getragen und dann mit weichbleibendem Kunststoff unterfüttert werden. Es ist auch möglich, temporäre Implantate einzubringen, auf denen das Provisorium befestigt wird. Bei unzureichendem Knochenangebot ist dies jedoch oft schwierig. Abformung Nach der erfolgreichen Einheilung der Implantate kann die definitive Versorgung angefertigt werden. Wie auch bei natürlichen Zähnen wird die klinische Situation mithilfe einer Abformung in das zahntechnische Labor übertragen. Bei Implantaten ist zu bedenken, dass ihre Beweglichkeit nur maximal 2 µm beträgt, gegenüber 20 µm bei natürlichen Zähnen. Das bedeutet, dass minimale Abweichungen bei der Implantatabformung die Eingliederung des fertigen Zahnersatzes erschweren. Um die Position der Implantate exakt zu übertragen, empfiehlt Dr. Hopp die Verbindung der Abformpfosten durch Zahnseide, die im Mund mit lichthärtendem Kunststoff stabilisiert wird. Der Kunststoff wird portionsweise auf die Zahnseide aufgetragen und gehärtet, um seine Polymerisationsschrumpfung zu minimieren. Sollte die Abformung eines Kiefers mit Zähnen und Implantaten für die Anfertigung einer Teleskopprothese vorgenommen werden, empfiehlt es sich, dies zweizeitig durchzuführen. Zuerst werden die präparierten Die eazf bietet regelmäßig Kurse zur Implantologie an. Weitere Informationen unter www.eazf.de Nachsorge Nach der erfolgreichen Eingliederung des Zahnersatzes ist eine Nachsorge in regelmäßigen Abständen empfehlenswert. Abhängig von der Mundhygiene des Patienten sollte zwei bis vier Mal jährlich eine professionelle Zahnreinigung durchgeführt werden. Eine davon sollte mit dem Implantatrecall verbunden werden. Dabei wird die Suprakonstruktion auf Festigkeit und Funktion überprüft, die Verankerungselemente werden beurteilt und gegebenenfalls aufgetretene Schraubenlockerungen oder Entzementierungen behoben. Die basale Adaptation der Prothese wird überprüft, zusätzlich wird auf das Vorhandensein von Parafunktionen und Abnutzungserscheinungen geachtet. Die Implantate werden bezüglich periimplantärer Entzündungszeichen kontrolliert und die Taschentiefen gemessen, gegebenenfalls werden Röntgenbilder angefertigt. Außerdem wird der Patient zur adäquaten Mundhygiene motiviert. Fazit Dr. Hopp ist es gelungen, einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Implantatprothetik zu vermitteln. Im Rahmen des kurzweiligen Seminars mit vielen pragmatischen und praktischen Tipps zur Planung und Gestaltung implantatgetragenen Zahnersatzes ging er auf alle Aspekte der Implantatversorgung ein, einschließlich der rechtlichen Lage und der Patientenaufklärung. Das Seminar richtet sich sowohl an Berufsanfänger als auch an Zahnärzte, die auf dem Gebiet der Implantologie erfahren sind. 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