Biologische Belastungen am Arbeitsplatz

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Aus der Forschung
Biologische Belastungen am Arbeitsplatz
Pyrogene Aktivität messen
Baumwollfabrik
Verena Liebers, Monika Raulf-Heimsoth
An zahlreichen Arbeitsplätzen können Bioaerosole in gesundheitlich relevanten Konzentrationen auftreten. Sie sind
meist komplex zusammengesetzt. Zu den Komponenten gehören Bakterienbestandteile wie Endotoxine und andere
fieberauslösende (pyrogene) Substanzen, die über die Atemwege aufgenommen werden können.
Mikrobielle Bestandteile in der Atemluft sind nicht grundsätzlich
gefährlich, sondern ein normaler Bestandteil der Umwelt. Sogar
positive Effekte wie ein verringertes Auftreten von Allergien und
Krebserkrankungen wurden im Zusammenhang mit Endotoxin-Expositionen in epidemiologischen Studien beschrieben (von Mutius
et al. 2000, Mastrangelo et al. 2008). Wie sich die Inhalation von
organischem Feinstaub auf die Gesundheit auswirkt, hängt dabei
sowohl von der Dosis als auch vom Alter zum Zeitpunkt der Exposition ab. Im Laufe der Entwicklung des immunologischen Abwehrsystems gibt es unterschiedliche immunologische Zeitfenster, die
dabei eine Rolle spielen.
Unbestritten ist jedoch auch, dass es im Rahmen von hohen Endotoxinexpositionen zu gesundheitlichen Beschwerden kommen
kann. Als Akuteffekt ist die toxische Alveolitis (= Organic Dust Toxic
Syndrome (ODTS)) bekannt, eine systemische Entzündungsreaktion mit grippeähnlichen Symptomen. Chronische Effekte können
sich in Form von Atembeschwerden, Fieber, Brustenge und Ähnlichem äußern.
Vor allem Bereiche mit hoher Staubentwicklung, wie sie z.B. in der
Landwirtschaft, der Abfallwirtschaft oder der Baumwoll-verarbeitenden Textilindustrie zu finden sind, müssen entsprechend überwacht werden (Liebers et al. 2006). Daher ist es wichtig, dass für die
Prävention adäquate Methoden zur Analyse von Bioaerosolen zur
Verfügung stehen. Eine Möglichkeit ist es, die Gesamtkeimzahlen
in Form sogenannter Kolonie-bildender Einheiten (KBE) quantitativ zu erfassen. Da Endotoxin allerdings auch aus abgestorbenen
Bakterien stammen kann, wird vor allem der sogenannte LAL-Test
(Limulus-Amoebocyten Lysat Test) zur Endotoxinbestimmung
eingesetzt. Für den LAL-Test verwendet man die Hämolymphe des
Pfeilschwanzkrebses, die bei Endotoxinkontakt gerinnt. Der Test
ist international etabliert und liefert – standardisiertes Vorgehen
vorausgesetzt – verlässliche und reproduzierbare vertrauenswür-
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Abbildung 1: Der Vollbluttest dient dem Nachweis von pyrogener Aktivität. Humanes Vollblut wird mit dem Staubfilterextrakt inkubiert. Anschließend erfolgt die Messung verschiedener Botenstoffe (Zytokine) im zellfreien Überstand.
dige Ergebnisse zur Abschätzung der Endotoxinaktivität (Liebers
et al. 2007, Spaan et al. 2007).
Vollbluttest zur Messung der pyrogenen Aktivität
Um jedoch der komplexen Zusammensetzung von Bioaerosolen
gerecht zu werden, sind weitere Methoden erforderlich. Eine Möglichkeit ist der Vollbluttest (▸ Abbildung 1): Humanes Vollblut wird
dabei mit dem Staubextrakt für 18 Stunden inkubiert. Im zellfreien
Überstand können dann Botenstoffe, die die Entzündung auslösen
und aufrecht erhalten (sogenannte proinflammatorische Zytokine)
wie zum Beispiel Interleukin (IL)-1β nachgewiesen werden. Wird
der Test mit Blut von exponierten Personen durchgeführt, könnte
er als Beanspruchungsparameter Auskunft über die individuelle
Reaktion auf den Staubextrakt geben (Wouters et al. 2002). Eine
quantitative Bewertung hinsichtlich gesundheitlicher Risiken ist
jedoch bisher nicht möglich.
Will man Stäube unterschiedlicher Arbeitsplätze hinsichtlich ihrer pyrogenen Aktivität vergleichen, wirft der Einsatz von frischem
Spenderblut jedoch vielfältige Probleme auf. Abgesehen von der
notwendigen Blutmenge, ist auch zu berücksichtigen, dass jeder
Spender ein unterschiedliches Botenstoffprofil aufweist, das durch
eine Vielzahl von genetischen und umweltbedingten Faktoren (wie
z.B. Allergien und akute Infekte) beeinflusst wird.
Im Kompetenz-Zentrum Allergologie/Immunologie des IPA wurde deshalb ein Testverfahren mit kryokonserviertem Blut etabliert
(Schindler et al. 2006, Liebers et al. 2009). Das Blut ist eine Mischung von fünf Spendern und kommerziell erhältlich (Qualis Laboratorium, Konstanz). Unter Verwendung von E. coli Endotoxin
und Arbeitsplatz-relevanten Staubextrakten wurde ein entsprechendes Standardprotokoll entwickelt. Der Vollbluttest ist ein
Zwei-Stufentest. Zunächst inkubiert man das Vollblut für einen
bestimmten Zeitraum von z.B. 18 Stunden mit dem Stimulus bei
37oC, anschließend erfolgt die Untersuchung der freigesetzten Zytokine im Überstand. Mit Hilfe von spezifischen immunologischen
Nachweisverfahren (ELISA) wurden die Interleukine (IL) IL-1b, IL-6
und IL-8, sowie der Tumornekrosefakto (TNF-α) bestimmt (Liebers
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dings spricht der Test um den Faktor 1000 bis 100000 sensitiver
auf bakterielles Endotoxin an.
Eine standardisierte Probensammlung und –aufbereitung vorausgesetzt, liefert der Vollbluttest in jedem Fall valide Ergebnisse. Besonders durch die Verwendung von kryokonserviertem Blut stellt
er eine sinnvolle Ergänzung zum LAL-Test dar, um Arbeitsplatzbelastungen zu charakterisieren und somit Präventionsmaßnahmen
zu überwachen.
Die Autoren
Verena Liebers, Monika Raulf-Heimsoth
IPA
Abbildung 2: Reproduzierbarkeit der Tests, um Endotoxin- (mit dem
LAL-Test) bzw. pyrogene Aktivität (mit dem Vollbluttest = VBT) zu bestimmen. Der Variationskoeffizient für wiederholte Messungen lag für
beide Tests unter 25%. Die Abbildung zeigt den Boxplot mit 10-90%
Perzentile.
et al. 2009). Sowohl nach Stimulation von kryokonserviertem, als
auch frischem humanen Blut lassen sich signifikante Mengen an
Zytokinen quantitativ nachweisen. Führt man den Test mit frischem
Blut von zehn unterschiedlichen Blutspendern durch, so zeigen sich
entsprechend hohe Abweichungen der Einzelergebnisse. Anders
ist es, wenn die Testwiederholungen mit kryokonserviertem Blut
einer Charge durchgeführt werden: Der mittlere Variationskoeffizient beträgt nur 21%.
Vollbluttest mit kryokonserviertem Blut am IPA etabliert
Um die Ergebnisse des Vollbluttests gegenüber dem LAL-Test zu
validieren, erfolgte eine Analyse von Staubfilterextrakten sowohl
mit dem Vollbluttest, als auch mit dem LAL-Test. Es zeigte sich, dass
die Reproduzierbarkeit der Testergebnisse in beiden Verfahren sehr
gut ist (Abb. 2): Die wiederholte Messung von 40 Staubfilterextrakten ergab für den LAL-Test einen Variationskoeffizienten (CV) von
23%. Im Vollbluttest lag der CV unter 21 % für die 22 wiederholt
getesteten Proben (Liebers et al. 2009).
Im Vollbluttest erwies sich die Bestimmung von IL-1β als erfolgversprechend. Dieses Zytokin zeigte die geringsten Hintergrundwerte
und eine lineare Dosis-Wirkungsantwort auf Endotoxin aus E. coli.
Gerade die vielfältige Zusammensetzung von Arbeitsplatzstäuben erfordert aber ein detailliertes Vorgehen bei der Analyse und
möglicherweise den Nachweis weiterer Zytokine. Erste Ergebnisse
weisen darauf hin, dass die Bildung von IL-1b, IL-6 und IL-8 parallel verläuft (Korrelationsfaktor r2 > 0,9). Dagegen folgt das Monozyten-Chemoattraktant-Protein MCP-1, ein Chemokin, das monozytäre Zellen zum Entzündungsort lockt, einer anderen Kinetik
und kann somit eventuell weitere Informationen zur pyrogenen
Aktivität liefern.
Auch die pyrogene Aktivität pilzhaltiger Extrakte kann mit dem
Vollbluttest abgebildet werden, wie aktuelle Untersuchungen mit
einem Extrakt des Pilzes Aspergillus versicolor bestätigen. Aller-
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