The term “Myasthenia gravis” (MG) comes from the greek

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MYASTHENIA GRAVIS FÜR NICHT-EXPERTEN
DIE GESCHICHTE VON MYASTHENIA GRAVIS
Der Begriff “Myasthenia gravis” (MG) stammt aus dem Griechischen (myasthenia =
Muskelschwäche) und dem Lateinischen (gravis = schwer)und wurde 1894 von F.Jolly
(Berlin) eingeführt. Die erste Beschreibung von Myasthenia gravis geht zurück auf das
17. Jahrhundert, als Dr. Thomas Willis über eine Frau berichtete, „die eine Weile lang
frei und mühelos sprechen konnte, aber nach längerer Redezeit für ein oder zwei
Stunden kein Wort mehr sagen konnte“.
In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde deutlich, dass MG auf eine gestörte
Signalübertragung vom Nerv zum Muskel zurückzuführen ist. In den 60er Jahren
vermutete man, dass es sich dabei um eine Autoimmunkrankheit handelt, bei der das
Immunsystem der Patienten die eigenen Muskeln angreift (Dr.J.Simpson(Glasgow)).
Diese Hypothese wurde Mitte der 70er Jahre durch Dr. J. Patrick und Dr. J. Lindstrom
bestätigt, die bei einem Großteil der Patienten spezifische Auto-Antikörper entdeckten,
die wichtige Bestandteile der neuromuskulären Endplatte schädigen, so dass elektrische
Impulse nicht mehr vom Nerv auf den Muskel übertragen werden können.
Antikörper sind normalerweise dazu da, infektiöse Bakterien oder Viren zu zerstören.
MG zählt deshalb zu den Autoimmunkrankheiten, zu denen auch die
Autoimmunthyreoiditis (M.Basedow), jugendlicher Diabetes mellitus Typ I, Multiple
Sklerose, rheumatoide Arthritis und Lupus erythematodes gehören.
WER IST ANFÄLLIG FÜR MG?
Aristoteles Onassis: einer der berühmten MG-Erkrankten.
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MG kann jeden betreffen, sowohl Kinder als auch Erwachsene, Männer oder Frauen.
Was das Alter anbelangt, in dem die Krankheit erstmals auftritt, scheint es
hauptsächlich zwei Häufigkeitsgipfel zu geben: bei Frauen zwischen 20-45 Jahren –
sogenannte ‘early onset MG’ (EOMG; früh einsetzende MG) und bei Männern im
Alter von etwa 45 Jahren - sogenannte ‘late onset MG’ (LOMG; spät einsetzende MG).
Unter 10.000 Einwohnern tritt die MG bei 0.7 – 1.0 Personen auf. Die Krankheit ist
nicht vererbbar, allerdings kann sie äußerst selten familiär gehäuft vorkommen. Bei 2%
aller MG-Patienten liegt eine vererbbare Fehlfunktionen bei der Signalübertragung vom
Nerv auf den Muskel vor., so dass In solchen Fällen die Krankheit „kongenitale
Myasthenia“ genannt wird. In diesen kongenitalen MG-Fällen ist das Immunsystem
nicht betroffen und immunsupprimierende Medikamente (z.B. Steroide) im Gegensatz
zur autoimmunen MG ungeeignet.
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Neugeborene von Müttern mit MG können kurzzeitig von der Krankheit betroffen sein
(Neugeborenen-MG). Ursächlich sind dabei die mütterlichen Auto-Antikörper, die von
der Mutter über die Plazenta und/oder durch die Muttermilch auf das Baby übertragen
werden
Jedoch ist dieser Fall eher ungewöhnlich: nur etwa 10-15% der Neugeborenen von
Müttern mit MG weisen Symptome auf. Diese gehen nach ca. 1-3 Wochen spontan
zurück und verschwinden bald vollständig, eine spätere Erkrankung der Kinder an MG
ist nicht zu erwarten.
WAS SIND DIE SYMPTOME BEI MG?
Das Hauptsymptom ist eine belastungsabhängige, schmerzlose Schwäche der
willkürlichen, aktiven Muskeln (Skelettmuskeln). Je stärker die Muskeln benutzt
werden (im Verlauf des Tages), desto mehr nimmt diese Schwäche zu, d.h. der Muskel
ermüdet, kann sich aber nach einer kurzen Ruhepause wieder erholen. Das Ausmaß der
Muskelschwäche kann von Tag zu Tag oder Monat zu Monat schwanken. Es ist auch
möglich, dass die Schwäche sich in kurzer Zeit recht schnell verschlechtert z.B.
während einer Infektion.
Die Muskeln, die bei Patienten normalerweise als erstes betroffen sind, sind die
Augenmuskeln, so dass dadurch ein Herabhängen der Oberlider (Ptosis) oder
Doppelbilder (Diplopie) auftreten. Andere Patienten wiederrum leiden an Schwäche der
Gesichtsmuskeln, der Kaumuskeln, haben Schluck- und Artikulationsschwierigkeiten
und/oder eine Muskelschwäche im Nacken, im Rumpf oder in den Gliedmaßen. In
besonders schweren Fällen kann die Atmung sehr geschwächt sein, so dass der Patient
nicht richtig Husten kann, sogar auch eine maschinelle Beatmung benötigt.
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Die aufeinanderfolgenden Bilder zeigen eine Augenliedmuskeschwächel und ein leichtes Schielen,
während die Patientin nach oben blickt. Nach einigen Minuten der Ruhe sind die Augenlider fast wieder
in ihre normale Position zurückgekehrt (vierte Abbildung).
WIE VERLÄUFT MG?
MG beginnt oftmals mit einer Augenmuskelschwäche. Bei 10-20% der Patienten ist die
Schwäche jahrelang auf die Augenmuskeln beschränkt (okuläre Myasthenia gravis).
Bei den übrigen Patienten geht die Schwäche innerhalb von drei Jahren auf andere
Muskelgruppen über und wird deshalb generalisierte Myasthenia gravis genannt.
Wie auch in anderen Autoimmunkrankheiten können sich die Symptome von Zeit zu
Zeit ändern oder sogar von alleine zurückgehen – dies ist pro Jahr in 5% der Patienten
der Fall. Der Grund, weshalb die Krankheit „gravis“ genannt wurde, liegt darin, dass
früher viele Patienten daran starben, bis zwischen den 30er und 50er Jahren des letzten
Jahrhunderts bessere Behandlungsmöglichkeiten gefunden wurden.
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WAS LÄUFT SCHIEF?
Normale Muskelfunktion: Um ein Bewegung auszuführen, muss das Gehirn entlang
der motorischen Bahnen in Gehirn und Rückemark und schließlich über den
motorischen Nerven elektrische Signale zum Muskel senden. Dabei wird von den
Nervenenden ein chemischer Botenstoff (Transmitter) namens Acetylcholin (ACh)
freigesetzt, der über die neuro-muskuläre Endplatte zum Muskel gelangt, wo er an den
Ach-Rezeptor (AChR) der Muskelmembran bindet. Das hat zur Folge, dass eine
Muskelkontraktion ausgelöst wird. Das überschüssige ACh wird durch das Enzym
ACh- Esterase gespalten und damit unwirksam gemacht. Dadurch kann sich der
Muskel sich wieder entspannen. Pyridostigmin (Mestinon®, Kalymin®, Mytelase®)
hemmt diesen chemischen Vorgang, so dass das ACh länger verfügbar ist und sich
dadurch die Chance, eine Muskelkontraktion auszulösen, erhöht.
Im Muskel von MG-Patienten führt die Anwesenheit von Auto-Antikörpern , die an
den AChR binden (AChR-AK), zu einem Funktionsverlust von AChR. Weil wir nur
sehr wenige AChRs in Reserve haben, kann die Signalübertragung von Nerv zu Muskel
nicht mehr normal ablaufen. Manche Patienten haben Auto-Antikörper gegen andere
Bestandteile der neuro-muskulären Endplatte, die indirekt auf den AChR einwirken
können (z.B. MuSK-AK; siehe unten).
Normale Situation
Nerve ending
Bei Myasthenia Gravis
Nerve ending
Struktur der neuro-muskulären Endplatte: im Normalfall und bei MG-Patienten.
Probleme mit dem Immunsystem: Es ist noch nicht klar, warum der Körper diese
Auto-Antikörper produziert. Vielleicht ist dies auf externe Faktoren zurückzuführen,
wie zum Beispiel Infektionen oder Medikamente, aber wir wissen noch wenig darüber,
wie und warum die Krankheit ausbricht. Etwa 10% der MG-Patienten, oftmals im Alter
zwischen 45 und 60 Jahren, entwickeln in der Thymusdrüse Tumoren, sogenannte
Thymome. Thymome bleiben meist innerhalb des Thymus beschränkt (nicht-invasiv)
und neigen dazu, nur sehr langsam zu wachsen. In seltenen Fällen können sie jedoch
bösartig werden und viele Jahre nach operativer Entfernung lokal wieder auftreten.
Deshalb ist es wichtig, dass Patienten mit Thymomen regelmäßig zur Nachkontrolle
gehen und sich auch dann sofort untersuchen lassen, sobald sich die MG-Symptome
verschlechtern.
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Desweiteren haben 2/3 aller Patienten leichte Anomalitäten im Thymus, zum Beispiel
eine Thymusvergrößerung (Hyperplasie) in früh einsetzender MG (EOMG). Die
Untersuchung des Thymusgewebes zeigt regelhaft die Zeichen einer
Thymusentzündung (Thymitis). Demgegenüber findet sich ein Thymusschwund
(Atrophie) eher bei spät einsetzender MG (LOMG). Der Zusammenhang zwischen den
Veränderungen im Thymus und MG ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Viele
Forscher sind bestrebt diese Vorgänge genauer zu verstehen, um so noch gezieltere
Therapieansätze zu entwickeln oder vielleicht sogar verhindern können, dass die
Krankheit bei Menschen mit einer Veranlagung für MG ausbricht.
WIE WIRD DIE DIAGNOSE MG FESTGESTELLT?
Klinischer Test
MG kann anhand der klinischen Vorgeschichte und der Muskelschwäche des Patienten,
die bei einer richtigen Untersuchung normalerweise deutlich wird, diagnostiziert
werden.
In Fällen mit einer Minimalsymptomatik kann MG jedoch nur festgestellt werden,
indem man die Ausdauer der Muskel testet, zum Beispiel indem man wiederholt dem
Arm hebt oder längere Zeit nach oben blickt (für etwa eine Minute), was bei MGPatienten zum Herabhängen der Oberlider führt.
Auf Grund der Tatsache, dass MG selten ist und in ihrer Ausprägung sowie
Verteilungsmuster variiert, kann es – besonders bei älteren Menschen - schnell
passieren, dass eine falsche Diagnose gestellt wird, viele MG-Patienten müssen eine
diagnostische „Odyssee“ durchmachen, bis endlich die richtige Diagnose gefunden
wird.
Die Anwesenheit von Auto-Antikörpern
Die Diagnose MG wird anschließend bei den meisten Patienten durch einen Test auf
Antikörper gegen AChR (AChR-AK) im Blut bestätigt.
In etwa der Hälfte der Patienten mit reiner okulären MG und ca. 15% der Patienten mit
generalisierter MG findet man diese Antikörper allerdings nicht (seronegative MG;
SNMG). Nichtsdestotrotz kann eine Blutwäsche (z.B. Plasmapherese) zu einer
Verbesserung ihrer Symptome führen. Diese Behandlung dient dabei dazu Antikörper
aus dem Blut zu spülen, die mit Standardtests nicht entdeckt werden können (z.B. lowaffinity-AK).
Wir wissen mittlerweile, dass es bei ungefähr einem Drittel der Patienten, die keine
Auto-Antikörper gegen AchR haben, andere Auto-Antikörper gibt, die gegen ein
Protein gerichtet sind, dass sich in der Nähe des AChR in der neuro-muskulären
Endplatte befindet. Dieses Protein heißt Muskel-spezifische Kinase (MuSK) und
spielt eine Rolle bei der Anordnung von AChR in der neuro-muskulären Endplatte.
Bei diesen MuSK-positiven MG-Patienten sind die Gesichts- und Schluckmuskeln
deutlicher betroffen als bei den Patienten mit klassischer MG (AChR-AK-positiven
MG-Patienten). MG kann insgesamt bei Patienten mit Antikörpern gegen MuSK
schwerwiegender verlaufen und schwieriger zu behandeln sein als in AChR-AKpositiven MG-Patienten. Ihre Thymusdrüse ist dafür meistens normal, so dass eine
Thymektomie also meist nicht sinnvoll ist.
Elektromyographie und andere Tests
1)Elektromyographie (EMG) wird angewandt um die Muskelantwort auf einen
wiederholten elektrischen Reiz der Nerven zu untersuchen (Serienreizung). Für MG5
Patienten ist kennzeichnend , dass die ausgelöste elektrische Entladung am Muskel
nach und nach abnimmt (~10%;Dekrement).
2)Außerdem kann man die Zunahme an Muskelstärke vor und nach der Verabreichung
von Medikamenten messen, die das Enzym ACh-Esterase hemmen
(Azetycholinesterase-Hemmer;siehe Fig. 3): zum Beispiel nach intravenöser Injektion
des kurzfristig wirkenden Medikaments Edrophonium (Tensilon® oder Camsilon®)
oder auch nach oraler Verabreichung des länger wirkenden Pyridostigmin (Mestinon®,
Kalymin®,) oder Prostigmin.
Sobald MG diagnostiziert wurde, sollte man ein Computertomogramm des
Mediastinums durchführen, um eventuelle Thymome aufzuspüren bzw. die
Thymuskonfiguration zu beurteilen. Ein spezieller Lungenfunktionstest zur Messung
der Atmungsleistung kann helfen, die Atemfunktion zu beurteilen und das Risiko einer
myasthene Krise abzuschätzen.
WIE WIRD MG BEHANDELT?
Es gibt zwei Arten der Behandlung:
1. Anregung der Signalübertagung vom Nerv zum Muskel (Symptomatische
Therapie) :
1934 wurde von der Assistenzärztin M.Broadfoot Walker entdeckt, dass
Azetylcholinesterase-Hemmer die Muskelkraft bei MG verbessern. Die Medikamente
Pyridostigmin oder Neostigmin blockieren die ACh-Esterase, so dass der
Überträgerstoff ACh länger wirksam bleibt und damit eine bessere Möglichkeit hat eine
Signalübertragung zu anzuregen. Diese Medikamente stimulieren jedoch nur
vorübergehend die Signalübertragung auf den Muskel und müssen daher in geeigneten
Intervallen und regelmäßig eingenommen werden.
Viele Patienten benötigen zusätzliche Medikamente um die zu Grunde liegende
Immunreaktion zu unterbinden (siehe unten: Punkt 2)
2. Wiederherstellung der Funktion des AChR durch folgende
immunmodulierende Behandlungsmethoden:
I. Entfernung der schädlichen Antikörper
(a) Plasmapherese:
Die einfachste Behandlung ist eine Blutwäsche (Plasmapherese), durch die man nach
Separation vom Serum und Blutkörperchen mit dem Verwerfen des Serums auch die
Antikörper des Patienten aus der Blutbahn entfernt, während die Blutkörperchen mit
einer eiweißreichen Lösung zurückgegeben werden. Für diese Therapie ist in der Regel
eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich. Erste Anzeichen einer
Verbesserung machen sich nach der 2. oder 3.Plasmapherese bemerkbar. Der Effekt
hält ca. vier bis sechs Wochen an, danach nehmen die Antikörper im Patienten wieder
zu, meist auch die Muskelschwäche auch. Eine Plasmapherese ist besonders dann
indiziert, wenn eine Verbesserung der MG dringend notwendig ist, z.B. vor oder nach
einer Thymektomie oder wenn eine Steroidbehandlung begonnen wird (oder manchmal
auch dann, wenn in schwierigen Fällen die Steroidbehandlung fortgesetzt werden
muss). Plasmapherese in Kombination mit Steroiden meist unter intensivmedizinischer
Überwachung, wird für besonders schwere bzw. lebensbedrohliche Fälle von MG
empfohlen.
Ähnlich verlässlich wirksam ist auch eine Autoimmunadsorption (IAD), bei der das
Patientenblut über ein Pumpsystem über ein selektives Filter geleitet wird, das die
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Autoantikörper adsorbiert und so selektiv aus dem Körper des MG-Patienten entfernt,
so dass kein Fremdeiweiß als Ersatz notwendig wird.
Apheresis
of plasma
Plasmapherese wird angewandt um Antikörper zu entfernen, die den Defekt in der
neuromuskulären Signalübertagung bei MG Patienten verursachen
(b) Intravenöse Immunglobuline (IVIG). In den letzten Jahren ist der Einsatz einer
Plasmapherese bei progredienter Verschlechterung der MG größtenteils durch die Gabe
von IVIG verdrängt worden. Die Effektivität beider Verfahren ist fast äquivalent. Eine
IVIG-Behandlung bedeutet eine Infusion mit einem Mix aus Antikörpern, die aus dem
Blut von zahlreichen gesunden Spendern gewonnen wurde. Bei MG Patienten scheint
dies zu funktionieren, weil die Antikörper, die die Krankheit verursachen, neutralisiert
werden und das Immunsystem auf vielfältige Weise beeinflusst wird. Die Behandlung
kann in Kombination mit immunhemmenden Medikamenten angewandt werden oder
auch dann, wenn der Zugang zu den Blutgefäßen für eine Blutwäsche problematisch ist.
Bis ein Effekt einsetzt, dauert es etwas länger als bei einer Blutwäsche, aber dafür kann
er bis zu mehreren Wochen anhalten. IVIG ist allerdings kostenaufwendig und nicht in
allen EU-Mitgliedsländern für diese Anwendung zugelassen (BRD: z.Zt. off-label-use).
II. Reduktion der Antikörperproduktion.
(c) Thymektomie. Der Thymus spielt eine wichtige Rolle bei der der Reifung und
Entwicklung des Immunsystems. Seit 1940 wird eine operative Entfernung des Thymus
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bei MG-Patienten als eine Behandlung mit Langzeiteffekt durchgeführt (A.Blalock,
1939). Dies bringt das Immunsystem wieder in Gleichgewicht und kann den
Antikörpertiter nach und nach senken. Manche Neurologen halten diese Operation bei
denjenigen Patienten für hilfreich, bei denen die MG erstmals vor dem Alter von 45
Jahren aufgetreten ist, vor allem, wenn sie frühzeitig im Krankheitsverlauf (möglichst
innerhalb der ersten 2-Jahre)durchgeführt wird, wobei dies noch nicht in randomisierten
Behandlungsstudien erwiesen ist. Sobald jedoch ein Thymom vorhanden ist, raten
Ärzte zu einer Entfernung des Thymoms und des umgebenden Thymusgewebes um die
Gefahr zu vermindern, dass der Tumor sich weiter ausbreitet. In diesem Fall führt eine
Thymomektomie nicht unbedingt zu einer Verbesserung der MG.
Die Entfernung des Thymus spielt eine Rolle in der Behandlung von MG.
(d) Immunsuppressive Medikamente nach Leitlinien:
In-label-Therapie:
Diese Medikamente sind der momentane Standard bei der Behandlung sowohl bei
milder als auch bei schwerwiegender MG. Die gebräuchlichste unter ihnen sind die
Steroide (z.B. Prednisolon, Methylprednisolon) vor allem im Fall von rein okulärer
MG. Steroide senken die Zahl der AChR-Antikörper, können aber gleichzeitig
Nebenwirkungen verursachen, wie z.B. Gewichtszunahme, hohen Blutdruck, Diabetes
mellitus, psychische Störungen (Angstzustände/ Depressionen/ Schlafstörungen),
Osteoporose, grauen Star und Magengeschwüre, sogar eine Magenperforation. In der
Langzeit-Therapie können die Patienten oftmals mit einer niedrigen Dosis ausreichend
eingestellt werden, indem sie z.B. mit anderen immunsuppressiven Medikamenten wie
Azathioprin (z.B. Imurek ®) kombiniert behandelt werden.
Off-label-use:
Bei Unverträglichkeit oder therapierefraktären Verläufen einer MG empfehlen die
Leitlinien alternative Medikamente, die sich bei anderen Autoimmunkrankheiten
beispielsweise bei rheumatoider Arthritis oder Lupus erythematodes oder aber auch bei
Transplantatsabstoßungen als erfolgreich erwiesen haben. Einige Substanzen sind auch
bei MG untersucht, allerdings nicht für dieses Anwendungsgebiet zugelassen. Sie
werden momentan auf ihre Wirkung bei MG weiterhin untersucht. Dazu gehören
Mycophenolat-Mofetil (CellCept ®), Tacrolimus (Prograf ®), Methothrexat,
Cyclosporin A (Sandimmun ®), Cyclophosphamid (Endoxan ®) und neuerdings der
monoklonale Antikörper Rituximab®.
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WIE GEHT MAN MIT MG UM?
Es gibt keinerlei Grund sich vor dem nächsten Absatz zu fürchten. Fangen wir mit
dem Guten an:
● MG kann fast immer unter Kontrolle gebracht werden, so dass die meisten Patienten
ein recht erfülltes Leben führen können; äußerst wenige Menschen sterben an ihrer
Myasthenie.
● Die Behandlung von MG funktioniert besser als die von vielen anderen Autoimmunkrankheiten; sie ist schmerzloser und man hat weniger ernste Schwierigkeiten.
● Die Behandlungsmöglichkeiten werden kontinuierlich verbessert; mit Ihrer Hilfe
sorgen wir dafür, dass das auch so weitergeht
● Jeder MG Patient sollte sein eigener „spezieller Krankenpfleger“ werden und seinen
eigenen Weg finden, die MG in Schach zu halten. Sorgen Sie dafür, dass die MG
nicht Ihr Leben bestimmt.
Andererseits, sollten Sie sich über folgendes im Klaren sein:
● Ihre MG kann jahrelang andauern. Es kann zwar vorkommen, dass sie ohne
Behandlung verschwindet, jedoch passiert dies lediglich in einem vom 20-30
Patienten pro Jahr. Warten Sie also nicht zu lang, besser gar nicht – lassen Sie sich
behandeln.
● Sie müssen vielleicht einen Tagesplan machen um die Zeit, zu der Sie sich am
fittesten fühlen, optimal zu nutzen.
● Andere Leute bemerken Ihre Schwäche vielleicht nicht - besonders nicht beim ersten
Aufeinandertreffen. Eventuell merken sie z.B. nicht, dass Sie versuchen zu lächeln.
● Mit ziemlicher Sicherheit müssen Sie Medikamente einnehmen - und sie alle haben
Nebenwirkungen. MG-Patienten kommen normalerweise mit einer geringeren und
weniger oft einzunehmenden Dosis an Steroiden zurecht als Patienten vieler anderer
Krankheiten
Es ist ebenso empfehlenswert Folgendes zu vermeiden:
• Übermütige und unnötige Anstrengung
• Emotionalen Stress
• Möglichst jedes Risiko, sich eine Infektion einzufangen (vermeiden sie z.B. im
Winter Menschenansammlungen) und
• bestimmte Medikamente, die direkten Einfluss auf die neuromuskuläre
Signalübertragung haben können, beispielsweise Aminoglykoside (Gentamicin) und
insbesondere Ketolide, eine neue Art von Antibiotika (für das Telithromycin
Ketek®), s. Liste der DMG
• Achtung:
eine zu hohe Dosis an Medikamenten gegen das Enzym
Cholinesterase, z.B. Pyridostigmin oder Neostigmin kann die Schwäche verstärken
oder sogar eine cholinergische Krise verursachen (übermäßige Speichelbildung,
Tränen, Schweißproduktion, Muskelkrämpfe und/oder Erbrechen).
Außerdem: sich ausgewogen ernähren, regelmäßige Erholungspausen einlegen, sich
hin und wieder körperlich betätigen (beispielsweise spaziergehen oder tanzen) und
allen voran sich von Stress und Krankheitserregern fernhalten – all das kann dazu
beitragen, dass Patienten ein recht erfülltes Leben führen können.
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WAS BRINGT DIE ZUKUNFT?
Die Aussichten für MG-Patienten haben sich in den letzten 30-40 Jahren dramatisch
verbessert. Die Sterberate liegt gegenwärtig fast bei Null. Die Folge ist, dass
Myasthenie nicht mehr als „gravis“, also als schwerwiegend, angesehen wird. Die
meisten aktuellen Behandlungsmöglichkeiten sind eher durch Ausprobieren entdeckt
worden und manche von ihnen können allerdings auch schwere Nebenwirkungen
haben. Da wir immer mehr über Autoimmunkrankheiten lernen, sollte es bald möglich
sein, zielgenauer zu behandeln, so dass spezifisch nur die schädliche Immunantwort in
MG unterdrücket wird und nicht breit auch das übrige Immunsystem. Mit dem
angehäuften Wissen über die Immunpathologie von MG, die Rolle des Thymus und
Defekte in der Immunregulation wurden neue antigenspezifische Therapien und
neuartige Technologien entwickelt und sind momentan auf dem Prüfstand.
Es gibt allerding noch so einiges zu tun. Weil nur wenige erbliche oder
umweltbedingte Risikofaktoren für MG bekannt sind, weiß man nur sehr wenig
darüber, wie die Krankheit verhindert werden kann. Es wäre interessant zu wissen,
warum manche Menschen besonders anfällig sind für MG und andere nicht. Weitere
Forschung und eine Optimierung der laufenden experimentellen Methoden sind deshalb
notwendig für die zukünftige Behandlung von MG, so dass in einigen EUMitgliedsländern spezielle MG-Ambulanzen entwickelt wurden.
Da MG eine seltene Krankheit (rare disease nach EU-Richtlinien) ist, ist die
Finanzierung von diesbezüglicher Forschung begrenzt. Das hat zu Folge, dass die Zahl
der Forschungsgruppen, die daran arbeiten die Mechanismen von MG zu verstehen und
wirksamere Therapien zu entwickeln, eher begrenzt ist (oft nur ein Labor proEUMitgliedsland). Dieses Problem erfordert es, dass die erbrachten Leistungen jedes
einzelnen Labors europaweit koordiniert werden. Das bestehende europäische
Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, die Bestrebungen der verschiedenen europäischen
Forschungsinstitute zu vereinen um größere Fortschritte im Verständnis und in der
Behandlung der Krankheit zu machen.
Häufig gestellte Fragen
MG: wichtige Fakten
1. Ist MG vererbbar?
Nein, aber es existieren bestimmte erblich bedingte Risikofaktoren für
Autoimmunkrankheiten. Die schlimmsten unter von ihnen erhöhen das Risiko MG zu
bekommen von etwa 1 : 10.000 auf ca. 1 : 2000 Einwohner.
Das heißt, es ist äußerst selten zwei MG Patienten in einer Familie zu finden.
Allerdings ist die Chance erhöht, ein Familienmitglied zu haben, das an einer anderen
Autoimmunkrankheit leidet, z.B. jugendlicher Diabetes mellitus Typ I,
Autoimmunthyreoiditis.
Es gibt auch eine seltene Form von vererbbarer („kongenitaler“) Myasthenie, die aber
NICHT durch einen Angriff des Immunsystems verursacht wird und deshalb NICHT
mit immunsuppressiven Medikamenten behandelt werden soll.
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2. Ist MG ansteckend?
Wir kennen die Ursache für MG nicht (siehe Punkt 3), aber es gibt absolut keine
Hinweise darauf, dass MG durch einen MG Patienten übertragen werden kann.
3. Wie habe ich MG bekommen?
Für die meisten Patienten ist die Ursache für MG unbekannt. Etwa 10% der Patienten
haben ein Thymoma, das der Ursprungsort für die Produktion von Antikörpern gegen
die Muskelbestandteile zu sein scheint. D-Penicillamin, das gegen die rheumatoide
Arthritis eingesetzt wird, kann zu einer kurzdauernden MG führen. Sie verschwindet
üblicherweise nach ein paar Wochen oder Monaten nachdem das Medikament
abgesetzt wurde. In seltenen Fällen kann MG während einer Behandlung mit Interferon
alpha aufkommen oder sogar nach einer Knochenmarkstransplantation sowie auch
durch Telithromycin induziert werden.
4. Geht MG wieder vorbei?
In manchen Patienten (etwa 5% pro Jahr) kann MG für einige Zeit oder sogar dauerhaft
zurückgehen, so dass keine Behandlung mehr benötigt wird (drug free remission). Am
Anfang ist es jedoch ratsam, eine Verschlechterung der Krankheit zu verhindern. Denn
leider tritt eine Progression bzw. krisenhafte Verschlechterung viel öfter auf als eine
spontane Verbesserung.
MG und Lebensqualität
5. Wie ist die Lebensqualität für jemanden mit MG?
Dank der (neurologischen) Intensivtherapie und neusten Therapiemethoden sterben
sehr, sehr wenige Patienten heutzutage an MG. Die
bestehenden
Behandlungsmöglichkeiten lassen sich fast immer so gut kombinieren, dass es dem
Patienten möglich ist ein recht aktives Leben zu führen. Die richtige Behandlung zu
finden kann etwas Zeit dauern und bedarf der Beratung in einer Myasthenie-Ambulanz
,kann allerdings mit vorübergehenden oder auch anhaltenden Nebenwirkungen
verbunden sein.
6. Werde ich weiter arbeiten können?
Das hängt von der Art Ihres Berufes und Ihrer MG ab, aber mit den aktuellen
Behandlungsmethoden können die meisten Patienten weiter erfolgreich arbeiten.
7. Kann ich sicher Auto fahren? Sollte ich meine Versicherung informieren?
Das Doppelsehen und die Schwäche der Muskeln können Ihre Reaktionen im Verkehr
beeinträchtigen. Sie sollten also Ihren Zustand erst mit Ihrem Arzt besprechen und
beurteilen lassen.
Fragen zu Mutterschaft und Kindern
8. Können Frauen mit MG Kinder bekommen
Ja, viele Frauen mit MG haben erfolgreiche Schwangerschaften, vor allem wenn ihre
MG zuvor unter Kontrolle gebracht worden ist. Meist ist die MG während der
Schwangerschaft stabil oder sogar gebessert, manche finden, dass ihre MG während der
Schwangerschaft oder danach schlimmer ist. Dann muss die Behandlung modifiziert
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werden. Weil manche Schwangere nicht gut pressen können, kann es sein, dass sie
während der Entbindung Hilfe benötigen. Die meisten Spezialisten ziehen eine
Periduralanästhesie einer Allgemeinnarkose vor (siehe Frage 25).
9. Kann die MG der Mutter ihr Baby beeinflussen?
Es passiert äußerst selten, dass die MG der Mutter einen Einfluss auf das Wachstum
und die Entwicklung des Fötus hat (ein Syndrom, das unter dem Namen Arthrogryposis
multiplex congenita bekannt ist). ALLERDINGS werden die schädlichen AChRAntikörper von der Mutter auf das Baby übertragen (genauso wie die natürlichen
Antikörper, die das Baby vor Infektionen schützen). Daher kann beim Neugeborenen
eine kurzdauernde Schwäche auftreten.
Dies kommt bei ca. einer unter 8 oder 10 Müttern vor. Wenn das der Fall ist, dann – (a)
verschwindet die Schwäche wieder innerhalb von 3-4 Wochen, - (b) sind die
nachfolgenden Schwangerschaft normalerweise gleichermaßen beeinträchtigt, d.h. das
jede einzelne Mutter dazu neigt „sich selbst treu zu bleiben“, – (c) ist Stillen trotz seiner
sonstigen Vorteile nicht ratsam.
10. Kann man während der Schwangerschaft unbedenklich Medikamente gegen
MG einnehmen?
Pyridostigmin (Mestinon®, Kalymin®) und Steroide werden während der
Schwangerschaft und des Stillens als ungefährlich eingestuft. Auch wenn Azathioprin
während der Schwangerschaft als unproblematisch angesehen wird, sollte es wenn
möglich vor der Konzeption bzw. mit Eintritt der Schwangerschaft abgesetzt werden.
.Andere Medikamente sind entweder dafür bekannt für das Baby schädlich zu sein oder
sind noch nicht als ungefährlich erklärt worden; aus diesem Grund sollten sie mehrere
Wochen vor der Schwangerschaft eingestellt werden. Darüber hinaus können sich
Methotrexat und Cyclophosphamid schädlich auf die Produktion von Spermien und
Eizellen auswirken. Es wird daher empfohlen, dass Männer ihr Sperma eventuell
einfrieren lassen, bevor sie mit der Behandlung mit diesen Medikamenten beginnen
oder dass sie mindestens ein Jahr zuvor die Behandlung einstellen, bevor sie ihr Sperma
geben.
In jedem Fall sollte eine umfangreiche Beratung mit dem Neurologen, Frauenarzt und
Hausarzt erfolgen.
11. Welchen Einfluss hat der Menstruationszyklus auf MG?
Manche Frauen können vielleicht eine Veränderung ihrer Muskelstärke (meist in Form
einer Muskelschwäche) während ihrer Periode bemerken. Diese Veränderung kann aber
durch eine Hormontherapie aufgehoben werden. Andere Frauen wiederrum stellen
keinerlei Unterschied während ihrer Periode fest. Die Menopause scheint keinen
Einfluss auf MG zu haben.
12. Woran sollten Eltern von Kindern mit MG denken?
In Europa ist autoimmune MG unter Kindern selten. Die Behandlung ist mehr oder
weniger wie bei Erwachsenen, wobei eine hohe Dosis an Steroiden vermieden werden
sollte, da sie das Wachstum beeinflussen.
Obwohl die Intelligenz der Kinder nicht betroffen ist, kann sich MG auf die
Schulleistung auswirken, weil hängende Augenlider und Doppelsehen die Sicht auf die
Tafel erschweren. MG kann gleichermaßen auch andere Aktivitäten einschränken.
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Es ist deswegen umso wichtiger, dass das Kind, die Eltern und die Schule vollständig
über die Situation informiert sind. Das Schulpersonal sollte über eventuelle
Schwierigkeiten beim Essen, Treppen steigen oder bestimmten Spielen auf dem
Laufenden gehalten werden um - falls nötig - Hilfestellung zu leisten. MG kann
beispielsweise das Schreiben und Lesen erschweren, so dass man dem Kind eine einzu-eins Betreuung, regelmäßiges Pausieren oder mehr Zeit (vor allem während der
Klausuren) anbieten sollte.
Die Behandlung von MG
13. Haben Medikamente gegen MG Nebenwirkungen?
Wie mit allen Medikamenten müssen die nachgewiesenen Vorteile gegen mögliche
Nebenwirkungen abgewogen werden. Durch sorgfältige Anleitung und regelmäßige
Untersuchungen (z.B. Bluttests) finden die meisten Patienten eine Behandlung, die ihre
MG ohne allzu viele Nebenwirkungen verbessert. Sogar bei einer standardmäßigen
Dosis können Pyridostigmin (Mestinon®, Kalymin®) und ähnliche Medikamente
(Neostigmin und Distigmin) eine Überreaktion der Speicheldrüsen wie auch der glatten
(unwillkürlichen) Muskeln verursachen, die Blase und Darm regulieren. Dies kann
beispielweise zu einer Speichelüberproduktion oder Durchfall führen (siehe Frage 14).
Bei einer sehr hohen Dosis können diese Medikamente die MG Schwäche
verschlechtern oder sogar eine „cholinergische“ Krise herbeiführen.
Steroide und immunsuppressive Medikamente sind nicht `schlau` genug ausschließlich
die schädlichen Antikörper auszuschalten; leider unterdrücken sie auch die schützende
Antikörper und Abwehrzellen, wodurch das Risiko sich einer Infektion erhöht ist.
Außerdem haben Steroide viele Nebenwirkungen, darunter Gewichtszunahme,
Stimmungswechsel, Aussehensveränderungen, psychische Störungen(Angstzustände/
Depressionen/ Schlafstörungen), Probleme beim Umgang mit Stress, fettige Haut,
hohen Blutdruck, Diabetes, Osteoporose, Muskelschäden (Steroidmyopathie), grauen
Star, Magengeschwüre. Bei längerfristiger Einnahme wird dem Patienten
standardmäßig ein Biosphonat plus Kalzium und Vitamin D verabreicht um den sonst
anfallenden Knochenschwund zu vermeiden.
Azathioprin (z.B. Imurek®) kann sowohl Probleme in der Leber und im Blut
verursachen als auch allergische Reaktionen auslösen; regelmäßige Blutuntersuchungen
sind deswegen notwendig um diese Probleme rechtzeitig aufzuspürenund zwar im
Beginn und auch langfristig. Auf Grund einer vererbbaren Fehlfunktion beim Abbau
von Azathioprin ist einer unter 200 Menschen überempfindlich auf Azathioprin. Dies
kann jedoch im Voraus durch einen Bluttest geprüft werden.
14. Ist es nicht gefährlich Pyridostigmin (Mestinon®, Kalymin®) längerfristig
einzunehmen? Wie können seine Nebenwirkungen in Schach gehalten werden?
Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Pyridostigmin auf lange Sicht schädlich ist (bei
standardmäßiger Dosierung). Überhöhter Speichelproduktion und Durchfall, die mit
Pyridostigmin in Verbindung stehen, können durch krampflösende Medikamente
vermieden werden (Es sollte angemerkt werden, dass Propanthelin zu diesem Zwecke
nicht in Deutschland zugelassen ist.
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15. Werde ich mich schwach fühlen, wenn ich mit der Medikamenteneinnahme
beginne?
Steroide können die Muskelschwäche in den ersten 3-5 Tagen verschlechtern,
besonders wenn man mit einer hohen Dosis anfängt. Es kann auch vorkommen, dass
sich Patienten trotz Medikamente zunächst weiterhin schwach fühlen (siehe Punkt 14).
Da Pyridostigmin (Mestinon®, Kalymin®) die Muskelstärke oft nicht auf ein normales
Niveau zurückbringt, können immunsuppressive Medikament von Nöten sein.
Es kann 9 bis 15 Monate dauern bis Medikamente wie Azathioprin (z.B. Imurek®),
aber auch die off-label-Medikamente z.B. Mycophenolat-Mofetil (Cellcept®),
Methotrexat oder Ciclosporin A (Sandimmun ®) anschlagen, außerdem müssen sie
sorgfältig eindosiert und laborchemisch werden.
Ihr Neurologe wird entscheiden und genau besprechen, ob ihre Behandlung mehr Zeit
benötigt um anzuschlagen oder ob oder wann andere Medikamente hinzugefügt werden
müssen.
16. Warum sprechen manche Patienten nicht auf die Behandlungen an?
Es gibt dafür verschiedene Gründe:
• Der Zustand von manchen Patienten kann sich durch die Einnahme anderer
Medikamente, die gegen andere Krankheiten eingenommen werden (z.B. Chinin
gegen Malaria, Tetrazykline), verschlechtern.
• Sie nehmen ein unter – oder überdosiertes Medikament ein. Die Dosis von
Azathioprin (Imurek®) ist beispielsweise von Ihrem Körpergewicht abhängig, d.h.
je schwerer man ist desto höher muss die Dosis sein.
• Andere medizinische Probleme müssen ebenso beachtet und mitbehandelt werden.
Ein Patient kann aus Gründen, die nicht zwangsläufig mit MG zusammenhängen,
Depressionen bekommen oder Schilddrüsen- oder Herzprobleme entwickeln, die
zu einer Schwäche führen, die nichts mit MG zu tun hat.
• Bleiben Sie in Ihren Erwartungen realistisch. Sind Sie vielleicht zu aktiv? Erwarten
Sie vielleicht, dass Ihr Körper sich verhält wie in jüngeren Jahren?
• Es kommt zwar selten, aber dennoch vor, dass ein Patient eine falsche Diagnose
erhält und gar kein MG hat. Fragen Sie Ihren Arzt wie sicher die Diagnose MG in
Ihrem Falle ist.
17. Welche Behandlung wird bei schwer verlaufender MG angewandt?
Die beste unter den kurzfristigen Behandlungsmöglichkeiten bei einer schweren und
lebensbedrohlichen Verlaufsphase einer MG sind Blutaustausch (Plasmaoherese oder
Immunadsorption) und eine Behandlung mit IVIG (intravenöse Immunoglobuline).
Auch eine Hochdosis-Therapie mit Steroiden binnen 2-3 Monaten ist geeignet, die
Muskelkraft zu verbessern. Sie werden oftmals mit anderen immunsuppressiven
Medikamenten wie Azathioprin (Imurek®), Mycophenolat-Mofetil (Cellcept®),
Methotrexat oder Ciclosporin A kombiniert. Nach einigen Wochen oder Monaten
können die Patienten schließlich auf eine niedrige Steroiddosis mit weniger
Nebenwirkungen umgestellt werden.
Impfungen bei MG
18. Müssen MG-Patienten bestimmte Impfungen haben?
Medizinische Entscheidungen sollten immer mit Ihrem Hausarzt und Neurologen
abgesprochen werden. Patienten, die immunsuppressive Medikamente einnehmen,
haben ein leicht erhöhtes Infektionsrisiko. Deshalb wird empfohlen, dass MG14
Patienten zusätzliche Impfungen erhalten um z.B. gegen Lungenentzündung und
Grippe geschützt zu sein.
Eine jährliche Grippeimpfung im Herbst kann einen bis zu 70%igen Schutz für den
Winter liefern. Eine Auffrischungsimpfung gegen Lungenentzündung alle zehn Jahre
wird ebenso empfohlen.
19. Gibt es Impfungen, die MG-Patienten vermeiden sollten?
Die Patienten dürfen vor der Impfung nicht vergessen zu erwähnen, dass sie MG haben.
Im Allgemeinen sollten Patienten, die in immun-supprimierender Behandlung sind,
Lebendimpfungen vermeiden. Diese Art von Impfung stellt jedoch keine Gefahr für
Patienten dar, die anderweitig behandelt werden.
Azathioprin (Imurek®) oder andere immunsuppressive Medikamente können das
Immunsystem des Patienten derart unterdrücken, dass es weder auf das Vakzin noch
auf das abgeschwächte Virus, das in dem Vakzin enthalten ist, reagieren kann. Es wird
deshalb auch davon abgeraten, in gesundheitlich risikoreiche Gebiete zu reisen, in
denen eine solche Impfung nötig wäre.
20. Kann eine Impfung MG auslösen oder verschlechtern?
Es gibt keine überzeugende Beweise, die Impfungen und MG in Zusammenhang
bringen. Da Infektionen MG verschlechtern oder sogar eine myasthene Krise
verursachen können, ist es ratsam, sich um die richtigen Impfungen zu kümmern.
21. Was ist eine myasthene Krise?
Eine myasthene Krise erkennen Sie an einer unbekannten, rasch fortschreitenden
Muskelschwäche, die meist an den zuerst betroffenen Muskeln erkennbar wird, dann
rasch die Schluck – und Sprechmuskulatur erreicht und schließlich den Hustenstoß und
die Atemmuskeln schwächt. Dies kann sich in Stunden oder wenigen Tagen ereignen.
Schon der Beginn einer solchen Symptomatik bedeutet eine Notfallsituation, die eine
sofortige Aufnahme in eine neurologische Klinik mit entsprechender Erfahrung
verlangt. Neben einer Krisenintervention (Plasmapherese/Immunadsorption/IVIG) ist
meist eine vorübergehende Beatmung erforderlich.
Auslöser einer myasthenen Krise können z.B. Infekte, Unterdosierung der laufenden
Medikamente oder selbst „verordnete“ Therapiepausen sein.
Faktoren, die MG beeinflussen können
22. Welche Faktoren können MG verschlechtern?
Infektionen, Fieber, körperliche Anstrengung oder emotionalen Stress können eine MG
, auch eine kongenitale Myasthenie verschlechtern. Das gleiche gilt für eine Reihe von
Medikamenten (siehe Punkt 23-25). Das Risiko ist bei Patienten, deren MG nicht unter
Kontrolle gebracht worden ist, sehr viel höher. Deswegen ist es umso wichtiger, dass
sie ihren Zustand regelmäßig mit Ihrem Neurologen, gflls Ihrer Myasthenie-Ambulanz
besprechen.
23. Gibt es Medikamente die MG verschlechtern?
Es liegt auf der Hand, dass Medikamente, die die Signalübertragung von den Nerven zu
den Muskeln stören, MG verschlechtern können und deswegen vermieden werden
sollten. Zu diesen Medikamenten gehört z.B. Botox.
Denken Sie immer daran: (a) für bestimmte Medikamente sind die Auswirkungen auf
die neuromuskuläre Signalübertragung nachgewiesen – bei bestimmten anderen
15
wiederrum sind keine solche Auswirkungen nachgewiesen, können aber auch nicht
ausgeschlossen werden; (b) die Reaktion auf ein Medikament kann von Patient zu
Patient verschieden sein; (c) beraten Sie sich immer mit Ihrem Neurologen und
Hausarzt bevor Sie mit einem neuem Medikament einnehmen oder ein anderes
absetzen; (d) obwohl die Ärzte immer versuchen sichere, alternative Medikamente
vorzuschlagen, kann ein Medikament, das unter Umständen Einflussnahme auf die
neuromuskuläre Signalübertragung nimmt (z.B. ein bestimmtes Antibiotikum), in
Ordnung sein, falls sein Gebrauch wirklich notwendig ist und die MG unter Kontrolle
ist.
Arzt und Patient sollten sich aller möglichen Probleme vollständig bewusst sein und
müssen bereit sein mit ihnen umzugehen.
Zu den Medikamente, die MG verschlechtern können, gehören Mittel gegen Malaria,
Beta-Blocker, die zur Behandlung von Herzproblemen verwendet werden,
Entspannungsmittel für die Muskeln (siehe Punkt 25) sowie das Antibiotikum
Gentamycin oder auch Tetrazykline. Insbesondere sollte Telithromycin (Ketek®) bei
allen MG-Patienten vermieden werden, da es innerhalb weniger Stunden nach
Einnahme eine schwere myasthene Krise bewirken kann.
24. Welche Art von Schmerzmittel kann ein Mensch mit MG verwenden?
Jede Art von Schmerzmittel kann verwendet werden, aber man sollte etwas vorsichtig
mit Morphinenderivaten (Opiate) umgehen, zu denen Codein angehört. Bei MGPatienten kann deren Einnahme zu Atemprobleme und Husten führen und sehr selten
das Risiko eines Atemstillstands erhöhen; mit dieser Art von Medikamenten sollte
deshalb vorsichtig umgegangen werden und vom verordnenden Arzt aufgeklärt werden.
25. Welche Anästhetika („Betäubungsmittel“) können bei MG-Patienten
angewandt werden?
Ganz allgemein ist es sehr wichtig, dass die Anästhesisten im Voraus über die MG oder
die kongenitale Myasthenia des Patienten Bescheid wissen und so besser planen
können. Unter diesen Umständen kommt es nur selten zu Komplikationen. Eine nicht
gut eingestellte MG sollte erst einmal so gut wie möglich unter Kontrolle gebracht
werden. Dies kann bedeuten, dass ein oder zwei Wochen vor der Narkose ein
Blutaustausch oder eine IVIG-Behandlung durchgeführt werden muss.
Wenn möglich sollten Lokal- oder Regionalanästhesie angewandt werden, insbesondere
für Operationen unterhalb der Taille. Kurzwirkende, lokale Betäubungsmittel - wie
Lidocain - in Kombination mit leichten Beruhigungsmitteln, verhindern eine
verlangsamte Atmung, die durch eine Allgemeinnarkose oder Kurznarkose (oder
Opiate) verursacht werden können. Wenn die Verwendung einer Allgemeinnarkose
nicht umgangen werden kann, muss besonders beim Umgang mit Muskelrelaxantien
Acht gegeben werden, die bei Operationen mit ausgedehnten Eingriffen angewandt
werden.
Sie unterdrücken die Atmungsmuskeln, da die MG-Patienten fünf bis zehn Mal
empfindlicher auf Muskelrelaxantien reagieren als gesunde Menschen.
26. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Asthma und MG? Ist es für
Asthmatiker ungefährlich Steroide einzunehmen?
Es gibt keinerlei Hinweise für einen Zusammenhang zwischen Asthma und MG. Die
Muskeln, die die Atmung kontrollieren, sind sowohl bei Asthma als auch bei MG
betroffen, so dass Patienten Schwierigkeiten beim Atmen haben könnten und vielleicht
mechanische Hilfe in Anspruch nehmen müssen
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Asthmatiker, die unter Steroidbehandlung stehen, sollten sich der Möglichkeit einer
kurzzeitigen Verschlechterung ihrer MG Symptome bewusst sein (siehe Punkt 15). Sie
sollten die Steroide besser durch Inhalation aufnehmen, da die Steroide in dieser Form
auf Grund der geringeren Dosis weniger gefährlich sind als bei Tabletteneinnahme oder
durch Injektionen.
27. Können MG-Patienten ungefährdet Röntgenkontrastmittel injiziert werden?
Es gibt einzelne Berichte darüber, dass Injektionen mit Röntgenkontrastmittel MG
verschlechtern kann, aber der zu Grunde liegende Mechanismus dafür ist nicht bekannt.
Wenn sich sie einer solchen Untersuchung unterziehen lassen müssen, sollten Sie alle
medizinischen Entscheidungen mit Ihrem Arzt besprechen.
28. Kann MG durch Zahnpflege beeinträchtigt werden?
Immun-supprimierte Patienten haben ein höheres Risiko Infektionen in den Zähnen zu
bekommen. Es ist äußerst wichtig solche Infektionen zu vermeiden, da sie zu Stress
führen und MG verschlechtern können.
Außerdem können Cyclosporine zu einem vermehrten Wachstum des Gaumens
(gingivale Hyperplasie) führen. Die meisten Zahnbehandlungen sind jedoch
unbedenklich für MG-Patienten. Wenn beim Schließen des Mundes, beim Schlucken
oder beim Kopfhalten Schwierigkeiten auftreten, sollte der Zahnarzt damit umzugehen
wissen. Es hilft außerdem Termine kurz zu halten und sie auf die Morgenzeit zu legen,
wenn Sie sich am fittesten fühlen. Quecksilber in Amalganfüllungen verursacht oder
verschlechtert die Krankheit nicht. Oral verabreichte Anti-Cholinesterase Mittel sollten
1,5 Stunden vor dem Termin eingenommen werden um einen maximalen Effekt
während der Zahnbehandlung zu erreichen. Auf eine vermehrte Speichelproduktion
müssen sich Zahnarzt und Patient einstellen. Besser geeigneter als
Allgemeinanästhetika sind Lokalanästhetika, wie Lidocain und Mepivacain, die bei
Zahnoperationen einfach verabreicht werden können. Mepivacain ist dabei eher zu
empfehlen, weil es weniger Nebenwirkungen mit sich bringt und die Betäubung nicht
so lange anhält. Distickstoffmonoxid (Lachgas) kann als Beruhigungsmittel bei
Zahnbehandlungen angewandt werden, um den damit verbundenen Stress und die
Anspannung zu vermindern. Wenn man mit starken Schmerzen rechnet, können - nach
Beratung mit Ihrem Arzt - kurzzeitig Opioide verordnet werden.
29. Was sollte ich über Ernährung und MG wissen?
Es gibt keine spezielle Ernährungsweise, die bei MG hilft. Es ist wichtig, Übergewicht
zu vermeiden, da dies die Muskeln belasten und sogar Diabetes mellitus begünstigen
kann. dadurch könnten Therapiemöglichkeiten beschränkt werden. Durch Fruchtshakes
und Breis können Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken vermieden werden. Ein
Logopäde kann eventuell wertvolle Ratschläge zur Schlucktechnik geben. Patienten,
die unter Steroidbehandlung stehen, müssen sich vergewissern, dass sie genügend
Kalium (z.B. Bananen) sowie Vitamin D und Kalzium zur Stärkung der Knochen zu
sich nehmen. Die zusätzliche Einnahme von Vitamin B12, Magnesium und Folsäure
die über den täglichen Bedarf hinausgeht, ist nicht notwendig. MG-Patienten sollten
sich darüber bewusst sein, dass manche tonic drinks Chinin beinhalten (dies ist auf dem
Etikett vermerkt), das die Muskeln noch mehr schwächen kann.
Koffein hat auf MG-Patienten den selben Effekt wie auf gesunde Menschen. Es kann
zu einer erhöhten Wachsamkeit, Zittern oder Ruhelosigkeit und Herzklopfen führen. Es
wird ebenso empfohlen den Alkoholkonsum zu beschränken, da dies die Muskeln
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schwächen kann, und weniger Salz zu sich zu nehmen, um Wasseransammlungen, die
durch Steroide verursacht werden, gering zu halten.
Bei Durchfall müssen Kohlecompretten vermieden werden, da sie Pyridostigmin
absorbieren und so eine Unterdosierung bewirken können.
30. Hat das Wetter Einfluss auf MG?
Manche MG-Patienten oder Patienten mit vererbbarer Myasthenia fühlen sich bei
heissem Wetter schwächer. Wie auch bei Fieber kann Hitze die neuromuskuläre
Signalübertragung negativ beeinflussen.
31. Wie kann ich eine MG-Selbsthilfegruppe in meiner Nähe kontaktieren?
Deutsche Myasthenie Gesellschaft (DMG)
Geschäftsstelle Bremen
Westerstr. 93
D-28199 Bremen
Tel: (0049)421-592060
Fax: (0049)421-508226
Email: [email protected]
Internet: www.dmg-online.de
Deutsche Gesellschaft für Neurologie
Reinhardtstr. 14
D-10117 Berlin
Tel: (0049)30-531437930
Fax: (0049)30-531437939
[email protected]
Internet: www.dgn.org
Link zu den Leitlinien der Behandlung der Myasthenia gravis:
www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/LL2008/ll08kap_070.pdf
Diese Broschüre wird durch die EU unterstützt
(EuroMyasthenia Projekt, http://euromyasthenia.org).
Der Text basiert auf einem Prospekt des Verbands der MG-Patienten in GrossBritannien (MGA – UK).
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