279 Osteonekrosen Chemotherapie-assoziierte Osteonekrosen im Kindesund Jugendalter H. Delbrück1; M. Vogt1; M. Tingart1; R. Mertens2 1Klinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Aachen; 2Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Aachen Schlüsselwörter Osteonekrose, Chemotherapie, Glukokortikoide Zusammenfassung Symptomatische Chemotherapie-assoziierte Osteonekrosen bei Kindern und Jugendlichen mit malignen Erkrankungen treten je nach Studiendesign mit einer Inzidenz von bis zu ca. zehn Prozent auf – schließt man die asymptomatischen Fälle ein, in bis zu 73 Prozent. Im Rahmen der multifaktoriellen Pathogenese gilt die Glukokortikoidgabe, insbesondere von Dexamethason, als ein gesicherter ursächlicher Faktor. Weitere Risikofaktoren sind ein höheres Patientenalter bei Diagnosestellung, weibliches Geschlecht, Adipositas und eine Knochenmarktransplantation im Rahmen der Therapie. Diskutiert werden zusätzlich genetische Faktoren. Ein Großteil der Patienten, bei denen in der Magnetresonanztomografie Osteonekrosen nachweisbar sind, bleibt asymptomatisch. Die Schmerzsymptomatik korreliert nicht regelhaft mit dem Ausmaß der Nekrose. Am häufigsten sind Hüftund Kniegelenke, meist auch beidseits, betroffen. Korrespondenzadresse Dr. med. Heide Delbrück Universitätsklinikum Aachen, AÖR Medizinische Fakultät der RWTH Aachen Orthopädie Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen E-Mail: [email protected] Aktuell ist die Magnetresonanztomografie insbesondere das in Frühstadien überlegene diagnostische Verfahren. Kausale Therapiekonzepte sind bislang nicht entwickelt. Konservative Therapieversuche bestehen je nach Symptomausprägung in Entlastung, Physiotherapie und Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika. Andere konservative Therapieansätze wie hyperbare Sauerstofftherapie (HBO), Iloprost- und Bisphosphonatgabe sowie der Einsatz von Statinen sind bisher nur in wenigen klinischen Studien untersucht worden. Die operativen Methoden im Falle der Chemotherapie-assoziierten Osteonekrosen differieren nicht von denen anderer Ätiologie und werden beschwerde- und stadienabhängig eingesetzt. Keywords Osteonecrosis, chemotherapy, glucocorticoid Summary Depending on the design of the study, symptomatic chemotherapy-associated osteonecrosis in children and adolescents with malignant illChemotherapy-associated osteonecrosis in childhood and adolescence Osteologie 2012; 21: 279–284 eingereicht: 1. August 2012 angenommen: 8. August 2012 Epidemiologie Die Inzidenz von Osteonekrosen variiert in der Kinderonkologie von 0,43 bis 72 %, je nach Studiendesign, primärer Diagnose, Einschluss auch asymptomatischer Fälle und Definition der Osteonekrose (1–5). Im Rahmen der US Childhood Cancer Survivor Study Database wurde zwischen 1970 und 1986 bei 9261 Patienten, die ihr Krebsleiden überlebten, eine Inzidenz der Osteonekrose von 0,43 % herausgearbeitet (4). nesses occur with an incidence of up to approximately 10 %, including the asymptomatic cases in up to 73 %. Within the scope of the multifactorial pathogenesis, medication with glucocorticoids, especially dexamethasone, is considered to be a verified cause. Further risk factors are a higher patient age on diagnosis, female gender, obesity and a bone marrow transplant as part of the therapy. Genetic factors are also being discussed. Most of the patients in whom osteonecrosis are detectable via magnetic resonance tomography remain asymptomatic. The pain symptoms do not correlate regularly with the extent of the necrosis. Hip and knee joints are most frequently affected, generally on both sides. At present magnetic resonance tomography is the superior diagnostic method, particularly in the early stages. No causal therapy concepts have been developed to date. Depending on the nature of the symptoms, conservative therapy options comprise relieving the extremities, physiotherapy and the use of non-steroidal anti-inflammatory drugs. Other conservative therapy approaches such as hyperbaric oxygen therapy (HOT), iloprost and bisphosphonate administration, as well as the use of statins, have been examined in so far just a few clinical studies. The operative methods for cases of chemotherapy-associated osteonecrosis do not differ from those of other aetiology and are deployed in line with the complaints and the severity of the disease. Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist die häufigste maligne Erkrankung des Kindesalters mit Überlebensraten von 90 %. Die berichtete Inzidenz von symptomatischen Osteonekrosen beträgt hier bis zu 9,3 % (1, 2). Unabhängig von der klini- © Schattauer 2012 Osteologie 4/2012 Downloaded from www.osteologie-journal.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 280 H. Delbrück et al.: Chemotherapie-assoziierte Osteonekrosen im Kindes- und Jugendalter schen Symptomatik finden sich jedoch unter MRT-Monitoring wesentlich höhere Inzidenzen von bis zu 72 % (5). Das Risiko des Auftretens einer Osteonekrose im Rahmen der Erkrankung und Behandlung von soliden malignen Tumoren ist eher gering, es sei denn hohe Dexamethasondosen müssen im Rahmen der Behandlung gegeben werden (6). Te Winkel et al. berechneten anhand der Daten von 694 Patienten, behandelt im Rahmen des Dexamethason basierten Dutch Child Oncology GroupALL9- Protokolls, über eine geschätzte kumulative Inzidenz von symptomatischen Osteonekrosen nach drei Jahren von 6,1 %. Das mittlere Intervall zwischen der Diagnose der ALL und der Osteonekrose betrug 1,2 Jahre (7). Ätiologie und Risikofaktoren Die Ursachen der Entstehung von Osteonekrosen bei Kindern und Jugendlichen im Rahmen einer onkologischen Therapie sind multifaktoriell und sowohl erkrankungs- als auch therapiebedingt. Ein höheres Patientenalter bei Beginn der onkologischen Therapie wurde als ein Risikofaktor herausgearbeitet. Auch sind Mädchen zweimal häufiger betroffen. In der prospektiven Studie von Te Winkel et al. (694 Patienten) wurde das mediane Alter bei Diagnosestellung der ALL bei Patienten, die eine Osteonekrose entwickelten mit 13,5 Jahren beziffert. Das mediane Alter der Kinder, die keine Osteonekrose entwickelten, betrug laut Te Winkel und Mitarbeitern 4,7 Jahre (7, 8). Während der Pubertät tragen vermutlich die höheren Spiegel von Geschlechtshormonen und die beschleunigte skelettale Reifung zur höheren Osteonekroseinzidenz in dieser Altersgruppe bei (1). Der Zusammenhang zwischen Glukokortikoideinnahme, insbesondere Dexamethason, und der Entwicklung von Osteonekrosen ist lange Zeit bekannt (1, 2, 4, 7, 9). Grund hierfür sind komplexe Interaktionen in verschiedenen Pathways (10). Ein therapieinduziertes Stadium der Hyperkoagulabilität als Ergebnis eines erniedrigten Levels von Antithrombin und Protein S, trägt möglicherweise zur Entste- hung der Osteonekrosen bei (11). Die Dexamethasonplasmaspiegel sind höher bei Patienten mit Grad-3- und -4-Osteonekrosen (5). Patienten, die Dexamethason erhalten, haben eine 30 % höhere Wahrscheinlichkeit, Osteonekrosen zu entwickeln, als Patienten, die Prednison bekommen (4). Geringere Albumin- und erhöhte Cholesterolspiegel sind ebenfalls mit symptomatischen Osteonekrosen assoziiert (12). Weiterhin spielt eine ischämische Komponente in der Pathogenese eine Rolle. Unklar ist, ob diese das initiale Ereignis oder die Folge sekundärer Schäden ist. Erhöhte Spiegel angiogenetischer Proteine wie z. B. VEGF (vascular endothelial growth factor) in Biopsieproben scheinen Folge der lokalen Hypoxie zu sein und die Einleitung von Reparaturprozessen widerzuspiegeln (12, 13). Als weitere Risikofaktoren werden diskutiert: Adipositas (1) sowie eine gonadale Radiatio (4). Möglicherweise ist der Blutfluss im Knochenmark durch hypertrophe Fettzellen bei Adipositas reduziert (7). Variierend werden bisher genetische Risikofaktoren bewertet, die die Entwicklung von Osteonekrosen begünstigen. Polymorphismen im Plasminogen-Aktivator-Inihibitor (PAI)-1-Gen waren mit einem 2,8fach erhöhten Osteonekroserisiko verbunden (Children´s Cancer Group CCG1882 Study) (14, 15). Es wurde angenommen, dass die erhöhten PAI-1-Level, die mit diesem Polymorphismus verbunden sind, zu einer reduzierten Fibrinolyse führen und diese wiederum zu einem erhöhten intraossären venösen Druck, der den Blutfluss kompromittiert und somit die Knochennekrose begünstigt. In späteren Arbeiten stellten sich diese genetischen Veränderungen jedoch nicht als signifikant dar. Entsprechend einer Arbeit von Sharma beträgt die Inzidenz von Osteonekrosen nach allogener Knochenmarktransplantation 3,9 bis 44,2 %, während die Prävalenz vorher 23,7 % betrug (16). Klinik Ein Großteil der Patienten, bei denen durch MRT Osteonekrosen nachweisbar sind, bleibt asymptomatisch. Die Schmerzsymptomatik korreliert nicht regelhaft mit dem Ausmaß der Nekrose. In einer Arbeit von Kaste et al. zeigten sich bei 21 % der Patienten mit einer Osteonekrose am Hüftgelenkskopf Stadium III nach ARCO (Association Research Circulation Osseous) keine Symptome, während 28 % der untersuchten Personen mit Stadium I symptomatisch auffällig waren. Am häufigsten waren zumeist bilateral Knie- und Hüftgelenke betroffen (1, 4). Symptome treten im Allgemeinen zwischen sechs Monaten und vier Jahren nach Einleitung der Chemotherapie auf, wobei die Knochenschädigung vermutlich früher eintritt. Vora beschreibt bei 60 % der Osteonekrosefälle eine Hüft- und bei 50 % eine Kniebeteiligung, zu 35 % sind multiple Gelenke betroffen (▶ Abb. 1) (12, 16, 17). Diagnostik Die konventionelle Röntgendiagnostik ist wenig sensitiv in den Frühstadien der Osteonekrose, in denen allerdings die Effektivität möglicher Interventionen am höchsten ist. Die MRT-Diagnostik ist die sensitivste und spezifischste Methode für Diagnostik und Verlaufskontrolle. In T1-gewichteten und STIR-Sequenzen (▶ Abb. 2) lässt sich die Osteonekrose gut abgrenzen, ergänzende knorpelspezifische Sequenzen können sekundäre Veränderungen darstellen. Die intravenöse Kontrastmittelgabe bringt keine Zusatzinformationen für die Erkennung und Charakterisierung der Osteonekrose (1, 18). Durch diffusions- und perfusionsgewichtete Sequenzen lässt sich möglicherweise die Entwicklung einer Osteonekrose zu einem früheren Zeitpunkt feststellen (1, 19, 20). Die Computertomografie spielt bei der frühen Diagnose von Osteonekrosen im Kindesalter nicht zuletzt aufgrund der Strahlenbelastung eine untergeordnete Rolle, da erst im fortgeschrittenen Stadium mit dieser Technik ein eventuell eintretender subchondraler Kollaps dargestellt werden kann. Die MRT-Diagnostik ist auch der Skelettszintigrafie, die lange Zeit als sensitive Methode eingesetzt wurde, überlegen. In der Positronenemissionstomografie zeigt sich bei Osteonekrosen eine metastasenähnliche metabolische Aktivität, umfassende Untersuchungen im pädiatrischen Krankengut Osteologie 4/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.osteologie-journal.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. H. Delbrück et al.: Chemotherapie-assoziierte Osteonekrosen im Kindes- und Jugendalter fehlen aber noch (1, 21, 22). Auch ist mit der MRT eine gute Abgrenzung der Osteonekrose zu anderen im Knochenmark auftretenden Läsionen, insbesondere zu denen, die im Rahmen der Grunderkrankung auftreten, möglich. Weiterhin werden unspezifische Knochenmarksveränderungen bei Kindern mit Leukämie in Kniegelenksnähe beschrieben, die nicht unbedingt mit einer Osteonekrose assoziiert sein müssen, aber dennoch schmerzhaft sein können: unspezifische 1–3 mm große punktuelle Läsionen, unspezifische fleckförmige Ödeme und diffuse Markheterogenitäten (1). Therapie Je nach Symptomausprägung und Ausmaß des radiologischen Befundes werden zunächst konservative, im fortgeschrittenen Stadium auch operative Maßnahmen not- a c e b d f Abb. 1 17-jähriger Patient mit Prä-B-ALL, Zustand nach Chemotherapie und allogener Stammzelltransplantation. Zwei Jahre nach Erstdiagnose Röntgendiagnostik beider Kniegelenke mit ausgedehnten Osteonekrosen im rechten (a) und linken (b) Kniegelenk femoral. In der zusätzlichen MRT-Untersuchung (T1, frontal) erkennbare Osteonekroseareale femoral rechts (c) und links (d) ersichtlich. Röntgenkontrolle beider Kniegelenke nach retrograder Anbohrung der Hauptosteochondrosezonen des rechten Kniegelenkes im Bereich der medialen Femurkondyle (e) sowie Umkehrspongiosaplastik im Bereich der linken medialen Femurkondyle (f). wendig. Entlastung der Extremität, physiotherapeutische Maßnahmen und nichtsteroidale Antirheumatika werden zur symptomatischen Therapie eingesetzt. Gesicherte Ergebnisse über einen positiven Therapieeffekt im Hinblick auf den Progress der Osteonekrose liegen allerdings nicht vor. Andere konservative Therapieansätze wie hyperbare Sauerstofftherapie (HBO), Iloprost- und Bisphosphonatgabe Fig. 1 17-year-old male patient with pre-B ALL, condition after chemotherapy and allogeneic stem cell transplantation. Two years after the initial diagnosis, X-ray diagnosis of both knee joints with extended osteonecroses in the right (a) and left (b) femoral knee joint. In the additional MRI examination (T1, frontal) recognisable areas of femoral osteonecrosis right (c) and left (d). X-ray control of the two knee joints after retrograde tapping of the main osteochondrosis zones of the right knee joint in the area of the medial femoral condyle (e) and reverse spongioplastic surgery in the area of the left medial femoral condyle (f). © Schattauer 2012 Osteologie 4/2012 Downloaded from www.osteologie-journal.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 281 282 H. Delbrück et al.: Chemotherapie-assoziierte Osteonekrosen im Kindes- und Jugendalter sind bisher nur sporadisch beschrieben und an niedrigen Fallzahlen untersucht (9). In einer Studie von Bernbeck et al. erhielten 19 von 27 Patienten mit einem Knochenmarködem oder einer aseptischen Osteonekrose im kinderonkologischen Krankengut eine HBO-Therapie mit durchschnittlich 45 Behandlungseinheiten. Bei elf dieser Patienten wurde die Schmerzintensität regelmäßig dokumentiert. Während der ersten 15 Behandlungseinheiten zeigte sich eine deutliche Reduktion der a Schmerzintensität, gemessen mittels VAS. Statistisch signifikante radiologische Veränderungen konnten nicht nachgewiesen werden (23). Die pharmakokinetischen Effekte von Iloprost, einem vasoaktivem Prostacyclinanalogon, sind vielfältig: Es führt zur Vasodilatation, verbessert die Mikrozirkulation durch Beeinflussung der rheologischen Eigenschaften der Endstrombahn, reduziert die Kapillarpermeabilität, hemmt die Thrombozytenaggregation und vermindert b Abb. 2 21-jährige Patientin mit Hüftkopfnekrose beidseits bei Zustand nach Chemotherapie bei AML. Primäre Röntgendiagnostik des Beckens a. p. vor der Hüftkopfanbohrung beidseits (a) und MRT-STIRSequenz frontal ein Monat nach Hüftkopfanbohrung beidseits (b). Fig. 2 21-year-old female patient with necrosis of the femoral head on both sides, condition after chemotherapy for AML. Primary X-ray diagnosis of the pelvis a. p. prior to tapping the femoral head on both sides (a) and MRI-STIR sequence frontal one month after tapping the femoral head on both sides (b). a b die Konzentration von freien Sauerstoffradikalen und Leukotrienen. Jäger et al. behandelten acht Patienten über fünf Tage ohne schwere Nebenwirkungen mit diesem Medikament und erzielten dabei eine Schmerzreduktion und Verbesserung der Gelenkfunktion (24). Statine zeigen in präklinischen Untersuchungen eine Aktivität gegen ALL-Zellen. Da anscheinend auch erhöhte Cholesterolspiegel die Osteonekroseentstehung begünstigen, ist diese Medikamentengruppe hinsichtlich nebenwirkungsarmer Therapie der ALL vielversprechend (25). Auch die publizierten Arbeiten hinsichtlich der optimalen gelenkerhaltenden operativen Therapie sind in ihren Fallzahlen begrenzt. Ziel der operativen gelenkerhaltenden Therapie ist es, den endoprothetischen Gelenkersatz zu vermeiden, zumindest jedoch hinauszuzögern. Die Indikation hierfür beschränkt sich auf die Frühstadien der Osteonekrose, d. h. ARCO I, II und teilweise III. Die verwendeten Methoden im Falle der chemotherapie- bzw. tumorassoziierten Osteonekrosen differieren dabei nicht von denen anderer Ätiologie: Retrograde Anbohrung („core-decompression“, ▶ Abb. 3), Spongiosaplastiken, Transplantation von autologen Progenitorzellen aus dem humanen Knochenmark (bone marrow aspiration concentrate – BMAC), Transplantation von osteochondralen Autografts, autologe c Abb. 3 15-jähriger Patient mit Hüftkopfnekrose links bei Zustand nach Chemotherapie bei ALL. MRT-STIR-Sequenz Becken frontal vor (a) und nach der Hüftkopfanbohrung links (b). Zusätzlich erkennbar in der frontalen T1-gewichteten Sequenz des linken Kniegelenkes (c): kleine Mikroinfarkte mit residuellen Blutabbauprodukten im Rahmen der Hochdosisimmunsuppression. Fig. 3 15-year-old male patient with necrosis of the femoral head left, condition after chemotherapy for ALL. MRI-STIR sequence pelvis frontal before (a) and after (b) tapping the femoral head left. Additionally visible in the frontal T1-weighted sequence of the left knee joint (c): small microinfarcts with residual blood decomposition products within the context of high-dose immunosuppression. Osteologie 4/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.osteologie-journal.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. H. Delbrück et al.: Chemotherapie-assoziierte Osteonekrosen im Kindes- und Jugendalter Transplantation von Periostlappen, biomechanische Entlastung des betroffenen Gelenkabschnittes durch Umstellungsosteotomien und Schaffung einer neuen gleitfähigen Gelenkoberfläche durch Implantate (Teilgelenkersatz). Die Arthroskopie spielt eine Rolle bei der Entfernung freier Gelenkkörper und in der Behandlung der Begleitsynovialitis (26, 27). Bei der retrograden Anbohrung werden bei der Modifikation der ursprünglichen Methode Outcome-Verbesserungen berichtet, so z. B. durch die lokale Applikation von Ibandronat und BMP-2 (Bone morphogenetic protein-2) (28). In der Arbeit von Te Winkel et al. wurden von den 38 symptomatischen Osteonekrosen, die unter den 694 behandelten Patienten auftraten, sieben Patienten (18 %) operiert, fünf erhielten eine gelenkerhaltende Therapie im Sinne von Kniearthroskopie mit Anbohrung (n = 2), CoreDekompression an der Hüfte (n = 2) und Osteotomie an der Hüfte (n = 1), zwei Patienten erhielten einen Hüftgelenksersatz. Alle operierten Patienten blieben während des zwei Jahre andauernden Nachbeobachtungszeitraumes symptomatisch (7). Einige Arbeiten beschreiben, dass die diskontinuierliche Gabe anstatt einer kontinuierliche Gabe von Kortikosteroiden das Risiko von Osteonekrosen trotz einer höheren Kumulativdosis reduziert (7, 29). In der EORTC-Studie 58951 wurde bei 411 Patienten allerdings nachgewiesen, dass die Rate an Osteonekrosen zweiten und dritten Grades in der Gruppe mit Vincristin- und Kortikoidpulsen leicht anstieg, (4,4 % versus 2 % bei ungepulster Gabe), bei letztlich jedoch verbesserter Überlebensrate (30). Bei schmerzhaften Deformierungen und Kollaps des Hüftgelenkkopfes werden rekonstruktive Gelenkoperationen notwendig. Ein Ansatz, um die Implantation einer Hüfttotalendoprothese hinauszuzögern, sind knochensparende oberflächenersetzende Hemiarthroplastien. Hierbei wird weder am Azetabulum noch im Femurschaft wesentlich Knochen abgetragen und somit die spätere Implantation einer Totalendoprothese nicht verbaut. Karimova et al. untersuchten 20 derartige Implantate bei 14 Patienten. Die Wahr- scheinlichkeit, dass nach drei Jahren kein Wechsel auf eine Totalendoprothese erfolgen musste, betrug laut dieser Forschungsarbeit 66 % (31). Natürlicher Verlauf und Prognose Die Häufigkeit des Gelenkkollapses wird in der Arbeit von Karimova et al., in der 109 Patienten mit knienahen Ostenonekrosen nachuntersucht wurden, mit 22 % angegeben. Als Risikofaktoren für das Auftreten desselben wurden ein Alter > 11,5 Jahre, Schmerzen bei Diagnosestellung und eine Nekroseausdehnung bis zur Gelenkoberfläche herausgearbeitet (32). Läsionen, die < 30 % der Gelenkfläche des Hüftkopfes einnehmen, heilen in der Regel ohne Kollaps der Gelenkfläche. Bei darüberhinausgehender Ausdehnung kommt es bei 80 % der Fälle zum Gelenkkollaps innerhalb der nächsten zwei Jahre, was in 50 % der Fälle mit der Notwendigkeit einer endoprothetischen Versorgung verbunden ist (1, 33). Das Ausmaß der epiphysären Beteiligung hat Vorhersagewert für die spätere Gelenkdestruktion. Epiphysäre Läsionen um 900 mm2, Läsionen, die mehr als ein Drittel einer Femurkondyle einnehmen sowie Läsionen mit einem Nekrosewinkel von mehr als 250 ° sind potenziell dauerhaft gelenkdestruktiv und führen meist zum Gelenkersatz (34–36). Eine routinemäßige MRT-Kontrolle bei asymptomatischen Patienten unter elf Jahren wird aufgrund der geringen Häufigkeit des Auftretens und der geringen Komplikationsrate in dieser Altersgruppe nicht als indiziert angesehen. Bei älteren Patienten unter Glukokortikoidtherapie oder Knochenmarktransplantation sollte dies jedoch auch bei Symptomfreiheit erfolgen (1). Vierundzwanzig der 38 betroffenen symptomatischen Patienten bei Te Winkels Studie konnten radiologisch über 3,4 Jahre nachuntersucht werden: 25 % der Patienten (6) hatten partiell oder komplett rückläufige Läsionen, 54 % (13) zeigten unveränderte Läsionen und 21 % (5) Patienten hatten progressive Veränderungen, wobei in letzterer Gruppe bei allen Patienten die Symptome persistierten und in den ande- ren beiden Gruppen die Symptome nur teilweise zurückgingen (7). Interessenkonflikt Die korrespondierende Autorin gibt an, dass kein Interessenkonkflikt besteht. Literatur 1. Kaste SC, Karimova EJ, Neel MD. Osteonecrosis in children after therapy for malignancy. AJR Am J Roentgenol 2011; 196: 1011–1018. 2. Mattano LA Jr, Sather HN, Trigg ME, Nachman JB. Osteonecrosis as a complication of treating acute lymphoblastic leukemia in children: a report from the Children’s Cancer Group. J Clin. Oncol 2000; 18: 3262–3272. 3. Bürger B, Beier R, Zimmermann M et al. 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