Unternehmenssteuerreform II

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Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Die Volkswirtschaft
10-2004 77. Jahrgang CHF 14.90
Seite 3
Monatsthema:
Seite 43
Hintergründe
der Jugendarbeitslosigkeit
Seite 51
Beschaffungsstatistik des Bundes
Seite 56
Japan – bedeutender Handelspartner
der Schweiz
Unternehmenssteuerreform
Inhalt
Monatsthema
3
Editorial
Eric Scheidegger
5
Kann man auf die Unternehmensbesteuerung verzichten?
Milad Zarin-Nejadan
10
Unternehmenssteuerreform II: Das Reformprojekt
Angelo Digeronimo
15
Unternehmenssteuerreform, Wachstum und Verteilung
Christian Keuschnigg
21
5 Eine Unternehmenssteuerreform wirkt sich
über das Investitions- und Finanzierungsverhalten der Betriebe aus. Die Unternehmenssteuerreform II sieht vor, die wirtschaftliche Doppelbelastung von Dividenden beim Anteilseigner
zu reduzieren und so die Neutralität zwischen
Selbst- und Anteilsfinanzierung zu verbessern.
Wie gross der Reformbedarf in der Schweiz ist
und welche der drei Modellvarianten, die der
Bundesrat in die Vernehmlassung gegeben hat,
realisiert werden soll, bleibt umstritten.
Unternehmenssteuerreform zwischen ökonomischen Anforderungen
und politischen Interessen
Martin Daepp und Bruno Jeitziner
26
KMU-Test: Besteuerung der Kapitalgesellschaften
Nicolas Wallart
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
30
Wachstum und Beschäftigung dank der Unternehmenssteuerreform II
Pascal Gentinetta
32
Verzichten, weil de facto zu kostspielig
Serge Gaillard
34
Personengesellschaften verdienen eine bessere Behandlung
Michel Y. Dérobert
36
Beurteilung aus standort- und wachstumspolitischer Sicht
Markus Neuhaus
43 Die Arbeitslosenquote von Jugendlichen reagiert besonders stark auf konjunkturelle Schwankungen und liegt in der Regel über derjenigen der
erwachsenen Bevölkerung, so auch heute. Allerdings fallen die Zahlen je nach Erhebungsmethode recht unterschiedlich aus. Hauptursache
der Jungendarbeitslosigkeit ist der Übergang der
Jugendlichen vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt. Daneben gibt es eine Reihe weiterer
Ursachen, welche in diesem Artikel zur Sprache
kommen.
Schweizer Volkswirtschaft
38
43
Wirtschaftspolitische Agenda
Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz
Bernhard Weber
47
Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge
Verena Conti
51
Beschaffungsstatistik des Bundes 2003
Elsbeth Etter
51 Die Beschaffungen des Bundes (inkl. SBB
AG und Die Post) erreichten im vergangenen
Jahr das Volumen von 3,8 Mrd. Franken. Dies
entspricht praktisch dem Vorjahreswert. Der
Auslandanteil ist von 4,2% auf 3,7% zurückgegangen. Gut die Hälfte des gesamten Beschaffungsvolumens fiel auf Fahrzeuge sowie Elektronik und Elektrotechnik. Der Pro-Kopf-Anteil
der Empfängerkantone war im Kanton Zürich
am höchsten, gefolgt von den Kantonen Luzern
und Bern.
Internationales
56
Japan – der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien
Steffen Erik Milner
Aktuelle Wirtschaftsdaten
63
Auswahl statistischer Tabellen
Monatsthema der nächsten Ausgabe:
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
56 Vor 140 Jahren schloss die Schweiz als erstes
Binnenland mit Japan einen Freundschafts- und
Handelsvertrag ab. Dieser Vertrag, der auf eine
Pionierleistung des Neuenburgers Aimé Humbert zurückging, markiert den Beginn der offiziellen bilateralen Beziehungen zwischen den
beiden Ländern, die sich seither stets weiter vertieft haben. Heute ist Japan nach der EU und den
USA der drittwichtigste Handelspartner der
Schweiz.
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Erscheint monatlich in deutscher
und französischer Sprache (französisch:
La Vie économique), 77. Jahrgang.
ISSN 1011-386X
Monatsthema
Editorial
Unternehmensbesteuerung und Wachstum gehen Hand in Hand
Vorerst das Positive: Die Steuerbelastung für Unternehmen in der Schweiz ist im
internationalen Vergleich nach wie vor verhältnismässig moderat. Auch wenn der
steuerliche Druck stärker zugenommen hat als in unseren Nachbarländern, liegen
die Steuersätze hierzulande deutlich unterhalb des OECD-Durchschnitts. Dieser
Standortvorteil muss unbedingt gewahrt werden, um die Standortattraktivität der
Schweiz für die hiesigen Unternehmen sowie für ausländische Direktinvestitionen
zu erhalten.
Unser Steuersystem weist jedoch auch Schwächen auf: Es ist besonders kompliziert
und intransparent. Dies liegt vor allem an den dezentralisierten Strukturen und
der unterschiedlichen Form der Steuererhebung auf den drei Ebenen Bund, Kantone
und Gemeinden. Hier stellt sich die Frage, welchen Preis wir für unseren Föderalismus zu bezahlen bereit sind.
Eine weitere Schwäche ist die wirtschaftliche Doppelbelastung, die darin besteht,
dass die Unternehmensgewinne einmal beim Unternehmen selbst und zusätzlich als
Dividende beim Aktionär besteuert werden. Diese nicht zeitgemässe Doppelbesteuerung beeinflusst nicht nur die Wahl der «richtigen» (oder eben falschen) Unternehmensform, sondern benachteiligt vor allem auch die Unternehmensfinanzierung
über Aktienkapital und Eigenmittel.
Das Hauptverdienst der Unternehmenssteuerreform II, so, wie sie in Vernehmlassung geschickt wurde, liegt in der – teilweisen – Aufhebung dieser Doppelbesteuerung,
welche letztlich auch den übermässigen Rückbehalt von Gewinnen in den Unternehmen korrigieren würde. Dies ist ein entscheidender Punkt, denn die Ausgestaltung des Steuersystems sollte Investitionsentscheide möglichst nicht beeinflussen.
Der Reformbedarf im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II kann aus ökonomischer Sicht im Grundsatz nicht bestritten
werden. Jetzt gilt es, den notwendigen
Schulterschluss zu finden, damit die
Reform rasch vorankommt und ein Verschleppen der Diskussion verhindert wird.
Eine Pattsituation diente niemandem und
verzögerte letztlich auch die seit Jahren geforderte Überwindung der Engpässe bei der
Eigenkapitalförderung der KMU.
Dr. Eric Scheidegger
Mitglied des Geschäftsleitungsausschusses
des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco),
Leiter der Direktion für Standortförderung,
Bern
Monatsthema
Kann man auf die Unternehmensbesteuerung verzichten?
Die Unternehmenssteuerreform
II will die Attraktivität des
Wirtschaftsstandortes Schweiz
verbessern, ohne dabei jedoch
die gegenwärtige Struktur des
Steuersystems grundlegend neu
zu gestalten. Immer mehr Stimmen setzen sich allerdings für
radikalere Massnahmen ein, die
teilweise bis hin zur vollständigen Abschaffung der Unternehmensbesteuerung reichen. Zwar
ist heute die Stellung der Unternehmensbesteuerung im Steuersystem unbestritten. Dennoch
ist die Frage der Rechtfertigung
dieser Art von Abgabe alles andere als trivial; die Auseinandersetzung mit der Frage vermag
zudem zu einem besseren Verständnis der mit der geplanten
Da alle Erträge auf der Ebene der jeweiligen Begünstigten besteuert werden, gibt es auf den ersten Blick keinen Grund,
das Unternehmen zusätzlich zu besteuern. Das Unternehmen erscheint somit als einfacher Trennungsfaktor zwischen
Bild: Keystone
der Wirtschaftstätigkeit, welche den Mehrwert generiert, und den Empfängern der Erträge.
Reform verbundenen Herausforderungen beizutragen.
Zweitrangige Steuereinnahmequelle
Die Notwendigkeit, neben den natürlichen
Personen auch die Unternehmen zu besteuern,
ist nicht so offensichtlich,wie man auf den ersten Blick glauben könnte. Dies könnte auch
erklären, weshalb die Steuereinnahmen von juristischen Personen im Allgemeinen nur einen
geringen Teil der gesamten Steuereinnahmen
ausmachen. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich wird,
machen die auf dem Unternehmensgewinn
erhobenen Steuern in der Schweiz – wie in den
meisten Industrieländern – weniger als 4% des
Bruttoinlandprodukts (BIP) und einen relativ
geringen Anteil des gesamten Steueraufkom-
mens aus. Auch wenn man andere von den juristischen Personen geleistete Steuern mit einbezieht, behält diese Feststellung ihre Gültigkeit.1
Die Unternehmensbesteuerung ist also im
Vergleich zur Einkommenssteuer der natürlichen Personen eher nebensächlich, da die
Einkommenssteuer der Unternehmen nur die
Kapitalerträge betrifft, während diejenige der
natürlichen Personen alle Formen des Einkommens mit einbezieht. Zudem wird die
Einkommenssteuer bei Unternehmen nicht
auf den ganzen Kapitalertrag erhoben, sondern nur auf den Nettobetriebsüberschuss
oder – mit anderen Worten – auf den Gewinn.
Weshalb sollen die Unternehmen
besteuert werden?
Milad Zarin-Nejadan
Professor für Volkswirtschaft an der Universität
Neuenburg
1 Siehe Zarin-Nejadan (2004, Kapitel 4).
5 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Weshalb die Unternehmen zusätzlich zur
Einkommens- und zur Vermögenssteuer der
natürlichen Personen besteuert werden sollen, ist keineswegs selbstverständlich. Alle
durch die Wirtschaftstätigkeit generierten Erträge fallen schlussendlich als Entschädigung
für die Produktionsfaktoren, die sie dem
Monatsthema
Produktionssystem zur Verfügung stellen, den
natürlichen Personen zu. Der Mehrwert, den
die Unternehmen erzeugen, wird u.a. als Lohn
auf die Arbeitskräfte,als Dividende auf die Aktionäre und als Zins auf die Gläubiger verteilt.
Wenn diese Erträge auf der Ebene der jeweiligen Begünstigten vollumfänglich besteuert
werden, gibt es auf den ersten Blick keinen
Grund, das Unternehmen zusätzlich zu besteuern. Das Unternehmen erscheint somit
als einfacher Trennungsfaktor zwischen der
Wirtschaftstätigkeit, welche den Mehrwert
generiert, und den Empfängern der verteilten
Erträge.
Die hauptsächlichen Argumente zur Rechtfertigung der Unternehmensbesteuerung können – nach zunehmender Glaubwürdigkeit
geordnet – unter fünf Titeln klassiert werden:
– Steuergerechtigkeit gewährleisten;
– dem öffentlichen Bereich sichere finanzielle Ressourcen verschaffen;
– dem Staat erlauben, das Verhalten der
Unternehmen zu beeinflussen;
– die Dividenden von nicht in der Schweiz
ansässigen Personen besteuern;
– verhindern, dass die nicht ausgeschütteten
Gewinne sich der Besteuerung entziehen.2
Steuergerechtigkeit
Laut diesem Argument sollten juristische
Personen ebenfalls auf ihrem Einkommen
und Vermögen besteuert werden, da sie eine
andere Rechtspersönlichkeit als die natürlichen Personen aufweisen. Das entscheidende Kriterium wäre also die Rechtspersönlichkeit. Dazu kommt der Gedanke, dass die
juristischen Personen von den Leistungen des
Staates – wie den Infrastrukturen oder der
Sicherheit – profitieren und ihm daher auch
etwas schuldig seien. Dabei spielt es keine
Rolle, dass dieselbe Person für dasselbe Einkommens- oder Vermögenselement zunächst
indirekt durch die Unternehmensbesteuerung und dann noch einmal direkt im Rahmen der Besteuerung der Haushalte steuerpflichtig werden könnte.
Tabelle 1
Besteuerung der Unternehmensgewinne in den OECD-Ländern, 2001a
in % des BIP
in % der gesamten Steuereinnahmen
Deutschland
0.6
1.7
Kanada
3.5
10.0
USA
1.9
6.5
Frankreich
3.4
7.6
Italien
3.6
8.6
Japan
3.5
12.7
Grossbritannien
3.5
9.5
Schweiz
3.1
10.2
Durchschnitt der OECD
3.5
9.4
a Ein Indikator für die Beurteilung der volkswirtschaftlichen Effekte ist der Steuerkeil
(siehe Art. «Unternehmenssteuerreform zwischen ökonomischen Anforderungen
und politischen Interessen» auf S. 21 dieser Ausgabe).
Quelle: OECD / Die Volkswirtschaft
6 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Unter einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt ist dieses Argument keineswegs stichhaltig. Es gründet auf einer falschen Konzeption
der juristischen Personen und berücksichtigt
nicht, dass das Unternehmenseinkommen
immer in die Hände von natürlichen Personen gelangt.
Eine sichere Einnahmequelle
Da die Unternehmen im Handelsregister
eingetragen sind, ein bekanntes Domizil haben
und gewissen Regeln – insbesondere in Bezug
auf ihre Buchführung – unterworfen sind,
können sie sich der Besteuerung nur schwer
entziehen. Daher bilden sie eine relativ sichere
Steuereinnahmequelle für den Staat, deren
Besteuerung – gemäss diesem Argument –
notwendig ist, um die Finanzmittel für die
öffentlichen Ausgaben zu beschaffen.
Dieses Argument kann nicht für die Industrieländer gelten, die über relativ effiziente
Mechanismen für die Besteuerung der Privatpersonen verfügen. Hingegen hat es eine gewisse Berechtigung für Entwicklungsländer,
wo die Steuerbehörde nicht immer in der Lage
ist, die Steuerpflichtigen zu lokalisieren und
ihre Finanzsituation festzustellen, um sie wirksam zu besteuern. Ohne die Besteuerung der
Unternehmen bestünde dort die Gefahr, dass
die Steuereinnahmen vorwiegend durch die
Arbeitseinkommen – vor allem der Arbeitnehmenden – generiert würden.
Ein Instrument, um das Verhalten
der Unternehmen zu beeinflussen
Die Unternehmensbesteuerung bietet dem
Staat einen vorzüglichen Hebel, um auf das
Verhalten der privaten Unternehmen einzuwirken. Der Staat kann durch sie die Grösse
der Unternehmen kontrollieren oder beherrschende Stellungen auf den Märkten bekämpfen.In einer makroökonomischen Perspektive
kann die öffentliche Hand jedoch vor allem
durch Veränderungen der Steuersätze, der zulässigen Abzüge oder anderer Steuerbestimmungen das Verhalten der Unternehmen –
vor allem bezüglich der Investitionen – beeinflussen und dadurch auf die Konjunktur und
das Wachstumspotenzial der Wirtschaft einwirken.
Auch wenn es sich nicht abstreiten lässt,
dass die Steuern zur Beeinflussung von Entscheidungen der Unternehmen benützt werden können, stellt dies jedoch kein gültiges
Argument für ihre Besteuerung dar. Denn
einerseits ist die Theorie über die Auswirkungen einer solchen staatlichen Intervention
keineswegs eindeutig; andererseits ist die Besteuerung nicht das einzige Instrument, das
der öffentlichen Hand dafür zur Verfügung
steht. Dies kann zum Beispiel auch durch die
Veränderung der Zinssätze geschehen.
Monatsthema
Durch die Erleichterung der Steuerlast auf
Kapitalerträge und die Beseitigung der
Verzerrungen werden Investition und Wirtschaftswachstum gefördert. Das allein sollte
Grund genug sein, um solche Massnahmen
zu rechtfertigen. Im Bild: Erstellung günstigen Wohnraums in Rüschlikon.
Bild: Keystone
Besteuerung von Dividenden an nicht
in der Schweiz ansässige Personen
Die Besteuerung des Unternehmensgewinns
kann eine praktische Methode für Empfängerländer von ausländischem Kapital sein, um die
Erträge von nicht im jeweiligen Land ansässigen
Personen aus ihren Investitionen in lokale Unternehmen zu besteuern. Wenn ein Land die
Unternehmensgewinne nicht besteuert, können die an im Ausland domizilierte Aktionäre
ausgeschütteten Dividenden von diesen repatriiert werden, ohne im Empfängerland der Einkommenssteuer für natürliche Personen unterworfen zu sein. Eine solche Steuerbefreiung
wäre nicht nur ungerecht, sondern sie widerspräche auch dem «Äquivalenzprinzip», nach
dem ein Staat als Entschädigung für seine Leistungen Steuern auf dem Kapitalertrag erhebt.
Dieses Argument erscheint zwar überzeugender als die vorangegangenen, doch es
ist ebenfalls nicht ausschlaggebend. Anstelle
der Besteuerung des Unternehmensgewinns
könnte der Staat – durch die Vermittlung
des Unternehmens – die Dividenden, welche
an Aktionäre mit Domizil im Ausland ausgeschüttet werden, an der Quelle besteuern.
Die grenzüberschreitende Doppelbesteuerung
könnte dabei durch Doppelbesteuerungsabkommen vermieden werden.
Besteuerung von nicht
ausgeschütteten Gewinnen
2 Siehe auch Flückiger et al. (2003) und Dafflon und
Weber (1984, Kapitel 3).
Ein wesentlich stichhaltigeres – wenn auch
nicht unfehlbares – Argument für die Besteuerung der Unternehmen gründet darin, dass
7 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
nicht der gesamte Gewinn eines Unternehmens in Form von Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet und somit auf der Ebene
der natürlichen Personen besteuert wird.
Ohne Unternehmensbesteuerung könnten
die nicht ausgeschütteten Gewinne in gewissen Fällen jeglicher Besteuerung entgehen,
was zu zwei Arten von Verzerrungen führen
würde: Erstens würde diese Steuerbefreiung
eine Diskriminierung der Unternehmen ohne
eigene Rechtspersönlichkeit darstellen, deren
Gewinne vollständig der Einkommenssteuer
der natürlichen Personen unterworfen sind;
zweitens würde dadurch der Gewinnrückbehalt ermutigt. Die Unternehmen würden
versuchen, die Ausschüttung von Dividenden
zu reduzieren,um die Steuerbelastung der Aktionäre zu vermindern.
Diese Argumentation verliert ihre Gültigkeit, wenn im Besteuerungssystem des Einkommens natürlicher Personen auch die Kapitalgewinne als steuerbares Einkommen definiert werden. Nicht ausgeschüttete Gewinne
müssten nämlich normalerweise zu einem
Wertanstieg der Aktien – d.h. zu Kapitalgewinnen für die Aktionäre – führen.Wenn man
also diese Kapitalgewinne gleichermassen wie
das Arbeitseinkommen oder wie Dividenden
und Zinsen besteuern würde, wäre es nicht
mehr nötig, die nicht ausgeschütteten Gewinne im Rahmen der Besteuerung der juristischen Personen zu besteuern.
Allerdings sind nicht realisierte Kapitalgewinne nicht leicht zu besteuern. Ohne hier
die Problematik der Besteuerung nicht reali-
Monatsthema
Kasten 1
Literatur
– Dafflon, B. und Weber, L., Le financement
du secteur public, Paris, PUF, 1984.
– Flückiger, Y., Schönenberger, A. und
Rohner, D., Reform der Unternehmensbesteuerung, Gutachten für Avenir Suisse,
Universität Genf, 2003.
– Keuschnigg, C. und Dietz, M., Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform II, Bern, Eidgenössische Steuerverwaltung, 2002.
– Zarin-Nejadan, M., L’entreprise et l’impôt,
Collection Le savoir suisse, Lausanne,
PPUR, 2004.
3 Siehe zum Beispiel Keuschnigg und Dietz (2002).
4 Unter den anderen Anomalien des Schweizer Steuersystems sind die in gewissen Kantonen angewandte
progressive Besteuerung des Gewinns in Abhängigkeit
von der Ertragsintensität sowie die Besteuerung des
Kapitals in allen Kantonen zu erwähnen. Siehe ZarinNejadan (2004, Kapitel 6).
5 Für eine Evaluation des in Vernehmlassung gegebenen
Reformprojekts, siehe Zarin-Nejadan (2004, Kapitel 7).
6 Siehe Art. Digeronimo, Kasten 2 auf S. 12
dieser Ausgabe.
sierter Mehrwerte im Detail untersuchen zu
wollen, lassen sich zwei Probleme erwähnen.
Nicht alle Aktien sind an der Börse kotiert; den
Wert solcher Aktien zu einem gewissen Zeitpunkt zu bestimmen, um ihren Mehrwert zu
berechnen und zu besteuern, ist nicht einfach.
Auch kann es sein, dass der Steuerpflichtige
aufgrund mangelnder Liquidität Aktien verkauften müsste, um die auf den nicht realisierten Kapitalgewinnen anfallenden Steuern zu
bezahlen, was eine Zwangssituation darstellen
würde.
Um solche Schwierigkeiten zu vermeiden,
bevorzugt es die Steuerbehörde im Allgemeinen, die Kapitalgewinne zum Zeitpunkt ihrer
Realisierung zu besteuern. Dadurch stellen
sich jedoch andere Probleme. Mit den progressiven Steuersätzen bei der Einkommenssteuer natürlicher Personen führen die Mehrwerte zum Zeitpunkt ihrer Realisierung zu
einer höheren Einstufung des Steuerpflichtigen in der Tarifskala, was einen starken Anstieg des Steuersatzes mit sich bringt, während
der betroffene Mehrwert möglicherweise die
Frucht eines mehrjährigen Aktienbesitzes ist.
Die Besteuerung der realisierten Kapitalgewinne veranlasst die Aktieninhaber somit,den
Zeitpunkt der Realisierung so weit wie möglich hinauszuschieben, um die Bezahlung der
Steuern zu verzögern (Lock-in-Effekt) und
gleichzeitig von der Zunahme ihrer Wirtschaftskraft zu profitieren. Diese Verzerrung
schadet jedoch der Mobilität des Kapitals.
Es ist daher kein Zufall, dass die Steuersysteme der verschiedenen Länder den realisierten Kapitalgewinnen diverse bevorzugte
Behandlungsmodalitäten einräumen. Manche gehen – wie etwa die Schweiz – sogar so
weit, die Gewinne auf Wertschriften von der
Besteuerung auszunehmen. In Ermangelung
einer umfassenden Besteuerung der Kapitalgewinne findet diejenige der Unternehmensgewinne eine gültige Rechtfertigung. Allerdings bleibt dabei die Tatsache bestehen, dass
die Dividenden ein erstes Mal auf der Ebene
des Unternehmens und ein zweites Mal beim
Aktionär besteuert werden («wirtschaftliche
Doppelbelastung»), während dies bei nicht
ausgeschütteten Gewinnen nur einmal der
Fall ist. In gewissen Fällen kann sogar eine
Dreifachbelastung erfolgen (z.B. bei den Beteiligungsgesellschaften).
Die wirtschaftliche Doppelbelastung schafft
Verzerrungen bei der Wahl der Finanzierungsquellen, bringt horizontale Ungerechtigkeiten
zwischen den Unternehmen mit sich und
erweist sich als Investitionshindernis.3 Die
Schweiz ist eines der wenigen OECD-Länder,
welche das so genannte «klassische» System
kennen, das keine Entlastung für die wirtschaftliche Doppelbelastung vorsieht. Neben
der Schweiz verwenden nur noch die USA,
8 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Irland und die Niederlande ein solches System. Diese Entlastungen können entweder auf
Unternehmensebene erfolgen, zum Beispiel
durch die reduzierte Besteuerung oder gar die
Steuerbefreiung des an die Aktionäre ausgeschütteten Gewinns, oder aber auf der Ebene
des Aktionärs, indem ihm die vom Unternehmen geleisteten Steuern ganz oder teilweise
abgezogen werden (Anrechnungsverfahren).
Schlussfolgerung
Die Besteuerungen von Unternehmensund von Kapitalgewinnen sind zwei verbundene Problemkreise. Angesichts der deutlichen Ablehnung der Volksinitiative für eine
Kapitalgewinnsteuer 2001 scheint es angebracht, das System der Unternehmensbesteuerung beizubehalten. Jedoch müssen die bedeutenden Mängel – unter anderem die
wirtschaftliche Doppelbelastung – dringend
korrigiert werden.4
Mit der Milderung der Doppelbelastung
geht die Unternehmenssteuerreform in die
richtige Richtung.5 Sie würde die daraus hervorgegangenen Verzerrungen ein Stück weit
reduzieren, besonders was die Finanzierungsquellen und die Wahl der Rechtsform betrifft.
Jedoch ist einzuräumen, dass die Modelle 1
und 2 6 des in die Vernehmlassung gegebenen
Projekts kompliziert sind,die Besteuerung der
Kapitalgewinne vorsehen und den Investoren keine ausreichend klaren Signale geben.
Schliesslich ist auch zu bedauern, dass das
Projekt in der Korrektur der wirtschaftlichen
Doppelbelastung nicht weit genug geht, während diese doch den Kernpunkt bilden sollte.
Durch die Erleichterung der Steuerlast auf
Kapitalerträge und die Beseitigung der Verzerrungen werden Investitionen und Wirtschaftswachstum gefördert. Das allein sollte Grund
genug sein, um solche Massnahmen zu rechtfertigen, selbst wenn sie das Risiko beinhalten,
kurzfristig das Haushaltsgleichgewicht zu gefährden. Gegebenenfalls wäre diese Operation
ertragsneutral zu gestalten, nämlich durch die
Erhöhung der Steuersätze oder die Ausweitung
einer bestehenden Steuer, die weniger Verzerrungen hervorruft (z.B. die MWST). Dies
wäre gegenüber der Einführung einer neuen
Steuer zu bevorzugen, zumal die Schweiz die
Anzahl der verschiedenen Steuern auf das Kapital eher reduzieren und sich dem Durchschnitt der OECD-Länder angleichen sollte,
indem der Anteil der direkten Steuern zu Gunsten von indirekten Steuern verringert wird. Monatsthema
Unternehmenssteuerreform II: Das Reformprojekt
Die Ablehnung der Volksinitiative
«für eine Kapitalgewinnsteuer»
2001 und der seit 1998 anhaltende parlamentarische Druck
zur Nachbesserung der Unternehmenssteuerreform von 1997
haben den Bundesrat veranlasst,
Mittel und Wege zu suchen, um die
steuerlichen Rahmenbedingungen für in der Schweiz ansässige
Unternehmen und Unternehmer
zu verbessern. Zielsetzung war,
das Wirtschaftswachstum anzukurbeln unter Wahrung des
Grundsatzes der Steuergerechtigkeit und der Steuerneutralität.
Am 5. Dezember 2003 schickte
der Bundesrat die Vorlage zur
Unternehmenssteuerreform II in
die Vernehmlassung. Die Vorlage
berücksichtigt die weit gehend
übereinstimmenden Empfehlungen einer Expertenkommission,
einer gemischten Arbeitsgruppe
wie auch die parlamentarischen
Vorstösse. Im vorliegenden Artikel unterzieht der Autor die in der
Vorlage zur Diskussion gestellten
Massnahmen einer kritischen
Würdigung.1
1 Dieser Beitrag bringt die persönliche Beurteilung des
Verfassers zum Ausdruck und stellt weder eine offizielle
Stellungnahme der ESTV noch ein Zwischenergebnis
der von ihm geleiteten Projektgruppe dar.
2 Vgl. Botschaft des Bundesrates über die Steuerharmonisierung vom 25. Mai 1983; BBl 1983/III - Ziff. 147.4 /
S. 54–59.
3 Vgl. Vernehmlassungsvorlage zur USTR II
vom 5.12.2003, S. 13.
Weshalb eine Beseitigung
der Doppelbelastung?
Dass die Expertenkommission «rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung» (ERU)
und die Arbeitsgruppe «Standortstudie» praktisch wie aus einem Guss die Teilbesteuerung
sämtlicher Einkünfte (Dividenden und Veräusserungsgewinne) aus qualifizierten Beteiligungsrechten empfohlen haben, vermag niemanden
zu überraschen (siehe Kasten 1). Denn beide
Gremien haben von Anfang an die Notwendigkeit der Milderung bzw. Beseitigung der
wirtschaftlichen Doppelbelastung als unerlässliche Massnahme zur steuerlichen Förderung des von ansässigen Investoren erwarteten
Risikokapitals erkannt. Für den Laien bleibt
indes diese Notwendigkeit etwas Rätselhaftes,
da auch die jüngsten von der ERU unternommenen Belastungsvergleiche die bisherigen Erkenntnisse bestätigen: «Eine Kapitalgesellschaft und ihr Aktionär werden trotz
wirtschaftlicher Doppelbelastung i.d.R. keineswegs stärker belastet als ein vergleichbares Personenunternehmen.» 2
Überdies wurde festgestellt, dass die wirtschaftliche Doppelbelastung bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften und deren Aktionären in der Regel erst dann eine höhere
Belastung im Vergleich zu einem Personenunternehmen bewirkt, wenn regelmässig mehr
als 70% des Jahresgewinnes ausgeschüttet
wird. Werden dagegen Gewinne zurückbehalten und nach mehreren Jahren als Substanzdividende ausgeschüttet, so kann sich die
Reizschwelle der wirtschaftlichen Doppelbelastung infolge verzögerter Entrichtung der
Einkommenssteuer (= Zinsvorteil) in Extremfällen von 70% auf ca. 90% des ausgeschütteten Substrates erhöhen.
Angelo Digeronimo
Experte für internationale
Unternehmensbesteuerung, Projektleiter zur
Unternehmenssteuerreform II, Eidg. Steuerverwaltung (ESTV), Bern
10 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Weshalb unter solchen Umständen bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften noch
von einer nachteiligen wirtschaftlichen Doppelbelastung die Rede sein kann, ist erst bei
vertiefter Betrachtung der steuerwirtschaftlichen Realität erkennbar. Aufgrund langjähriger Erfahrung lässt sich nicht bestreiten, dass
die Unternehmer-Aktionäre wegen der wirtschaftlichen Doppelbelastung allzu oft steuerlich motivierte Entscheide treffen und daher
u.a. ihre ausschüttungsfähigen Gewinne im
Unternehmen horten, womit sie (bewusst
oder unbewusst) indirekte Teilliquidationen
und Transponierungen mit den notorischen
Ernüchterungen (den sog. Ärgernissen) vorprogrammieren.
Unternehmer-Aktionäre: Mehr Gewinnausschüttung und Kapitaleinsatz
Vor diesem Hintergrund dürfte es einleuchten, weshalb ein Handlungsbedarf vorliegt –
jedenfalls bei den Unternehmer-Aktionären
(den Haltern von qualifizierten Beteiligungen
im Sinne der Vernehmlassungsvorlage). Dass
Publikumsaktiengesellschaften und deren Aktionäre selten von dieser Problematik tangiert
werden, dürfte hingegen klar sein. Sicher ist,
dass mehr Gewinne ausgeschüttet und für Investitions- und Konsumzwecke frei verfügbar
würden, wenn zur Problematik der wirtschaftlichen Doppelbelastung eine praktikable und
finanziell tragbare Lösung gefunden werden
könnte.
Aus der Sicht des Unternehmer-Aktionärs
besteht allerdings schon deshalb eine demotivierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung,
weil dieser dazu neigt, nur den ihm zufliessenden Gewinn als anteiligen Unternehmensgewinn anzusehen. Reduziert sich sein anteiliger Gewinn von beispielsweise 100 um 22,5%
Körperschaftssteuer und die empfangene Dividende von 77,5 um weitere 39,9% Einkommenssteuer 3, so verbleibt ihm ein anteiliger
Gewinn von 46,6. Bei Bezug eines Aktivzinses
von 100 oder bei Erwirtschaftung eines gleich
hohen Gewinnes aus selbständiger Erwerbstätigkeit wäre der frei verfügbare Gewinn des
Investors erheblich oder zumindest sichtbar
höher. Eine solche Wahrnehmung fördert
sicher nicht den Einsatz von Risikokapital.
Dem kann zwar zu Recht entgegnet werden,
dass der Aktionär – im Gegensatz zum ver-
Monatsthema
Wenn zur Problematik der wirtschaftlichen
Doppelbelastung eine praktikable und
finanziell tragbare Lösung gefunden werden
könnte, würden mehr Gewinne ausgeschüttet
und für Investitions- und Konsumzwecke
frei verfügbar.
Bild: Keystone
gleichbaren Kollektivgesellschafter oder Einzelkaufmann – noch die Möglichkeit hat,
einen steuerfreien Kapitalgewinn bei Veräusserung seiner Beteiligungsrechte zu erzielen.
Auf den im Unternehmen produktiv reinvestierten Gewinnen wird er somit aller Regel
nach nie Einkommenssteuern entrichten. Zudem werden ihm im Vergleich zum selbstständig Erwerbenden verschiedene andere Nachteile erspart bleiben (z.B. AHV-Beiträge auf
den reinvestierten Unternehmensgewinnen
und Haftungsfragen). Das sind zweifellos
komparative Vorteile der Kapitalgesellschaft,
die ihren Preis haben dürfen.
Ob sich eine Milderung bzw. Beseitigung
der wirtschaftlichen Doppelbelastung aufdrängt, kann nur aufgrund eines objektiv
vergleichbaren Massstabes geprüft werden.
Welcher Investor soll aber als Massstab dienen?
Soll man auf den «vergleichbaren» Gläubiger
oder auf den «vergleichbaren» selbstständig
Erwerbenden abstellen? Da orthodoxe Anrechnungsverfahren international offenbar in Ungnade gefallen sind und in unserem föderalistischen Staat ohnehin zu schwerfällig wären,
kommt nolens volens nur eine pauschale Teilbesteuerung bei den Anteilsinhabern in Frage.
Massvolle Teilbesteuerung
Kasten 1
Übereinstimmende Empfehlungen von Expertenkommission und Arbeitsgruppe
Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD)
hat am 31. Januar 2000 eine Expertenkommission «rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung» (ERU) eingesetzt, die sich zwar
schwergewichtig mit dem Gerechtigkeitsziel
zu befassen hatte, zusätzlich aber auch Massnahmen zur steuerlichen Förderung des von
ansässigen Unternehmern gehaltenen Risikokapitals empfehlen sollte. Ferner hat das EFD
im August 2000 die ESTV beauftragt, zusammen
mit Vertretern der kantonalen Steuerverwaltungen eine gemischte Arbeitsgruppe «Standortstudie» einzusetzen, die im Lichte zentraler
wirtschaftspolitischer Ziele – wie Wachstum
und Beschäftigung – hauptsächlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Steuersystems untersuchte und eine
Prioritätenliste von steuerlichen Massnahmen
empfehlen sollte.
Obschon die Schwergewichte der erteilten Aufträge nicht identisch waren, konnte aufgrund
der übereinstimmenden Empfehlungen beider
Gremien und unter Berücksichtigung der seit
1998 eingereichten parlamentarischen Vorstösse
eine bedeutende Unternehmenssteuerreform II
erarbeitet werden. In der Vernehmlassungsvorlage vom 5. Dezember 2003 wird eigentlich
nur die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (oder körperschaftliche Besteuerung von Personenunternehmen) vermisst, die
sich aus verschiedenen rechtlichen und praktischen Gründen als noch nicht realisierbar erwies
und somit bloss indirekt – d.h. durch kompensatorische Massnahmen zu Gunsten der Personenunternehmen – angestrebt werden kann. Die
Vernehmlassung dauerte bis Ende Mai 2004; der
Vernehmlassungsbericht dürfte im Herbst 2004
vorliegen.
11 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Das Mass der Teilbesteuerung müsste so
festgelegt werden, dass keine Überbesteuerungen im Vergleich zu den selbstständig Erwerbenden (unter angemessener Berücksichtigung
der nicht rentenbildenden AHV-Beiträge) und
keine Unterbesteuerungen im Vergleich zu
den Gläubigern resultieren. Überdies ist unbedingt darauf zu achten, dass das Mass der
Teilbesteuerung den Unternehmer-Aktionär
nicht dazu verleitet, keinen marktkonformen
(logischerweise AHV-pflichtigen) Lohn mehr,
sondern nur noch Gewinne zu beziehen. Für
die Finanzierung der AHV könnte nämlich
eine solche Entwicklung verhängnisvoll sein.
Nach unserem Dafürhalten dürfte eine Teilbesteuerung von 70% (unter Ausschluss der
Kapitalgewinne) und 60% (einschliesslich der
Kapitalgewinne) auf die Dauer angemessen
sein.Aus Rücksicht auf die allgemeine Finanzlage der öffentlichen Hand müssten diese
Monatsthema
Sätze jedoch anfänglich um je zehn Prozentpunkte höher liegen und nach Möglichkeit
etappenweise reduziert werden.
Teilbesteuerung privater
Kapitalgewinne – die Kernfrage
Ob die Teilbesteuerung sich auch auf Veräusserungsgewinne erstrecken soll, ist in unserem Lande leider eine Glaubensfrage geworden. Die Mehrheit der Schweizer bekennt
sich offenbar nach wie vor zum «Dogma» der
Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne. Im
Zusammenhang mit den angestrebten Zielen
ist dieses Dogma insoweit zu relativieren, als
die Teilbesteuerung privater Kapitalgewinne
der Annäherung an die rechtsformneutrale
Unternehmensbesteuerung (Gerechtigkeitsziel) dient. So gesehen, sollte auch der vehementeste Verfechter des genannten Dogmas
verstehen, dass die jährlich ausgewiesenen
Gewinne eigentlich laufend (wohlverstanden
teilweise) der Einkommenssteuer unterworfen werden und danach kraft Kapitaleinlageprinzips nicht mehr potenzielles Steuersubstrat bilden sollten. Die Steuerfreiheit der
privaten Kapitalgewinne wäre auf diese Weise
systemkonform.
Im Sinne eines praktikablen Kompromisses wird in der Vernehmlassungsvorlage eine
Teilbesteuerung bei Veräusserung der Beteiligungsrechte vorgeschlagen (Modelle 1 und 2;
siehe Kasten 2). Das ist kein Versuch, eine
Kompensationssteuer einzuführen, sondern
bloss die einzige zumutbare Massnahme zur
Annäherung an die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (Gerechtigkeitsziel);
denn selbstständig Erwerbende müssen ihre
Gewinne in jedem Fall jährlich versteuern.
Leider weisen die Modelle 1 und 2 «Schönheitsfehler» auf. Modell 1 erfasst aus Praktikabilitätsgründen auch die stillen Reserven und
sucht Verständnis für diesen «Sündenfall»
durch die Gewährung eines Optionsrechtes,
den unbeschränkten Abzug der anteiligen
Schuldzinsen und die Abzugsfähigkeit der
Veräusserungsverluste. Modell 2 ignoriert dagegen die Entwicklung der unversteuerten
stillen Reserven und wäre an sich systemkonform. Leider wirft dieses Modell kaum zu bewältigende praktische Probleme auf, weil die
Veranlagung des Unternehmer-Aktionärs eng
von der Veranlagung und den Vermögensverhältnissen des Unternehmens, an dem er
beteiligt ist, abhängt (man denke beispielsweise an ausländische Beteiligungen).
Kasten 2
Modelle der Unternehmenssteuerreform II im Überblick
Anfang Dezember 2003 hat der Bundesrat drei
Modelle in die Vernehmlassung gegeben: ein Teilbesteuerungsverfahren mit Option, ein beschränktes Teilbesteuerungsverfahren sowie eine Teilentlastung auf Gewinnausschüttungen. Überdies hat
er auch Massnahmen zu Gunsten der Personenunternehmen vorgesehen.
Modell 1: Teilbesteuerungsverfahren mit Option
Das vom Bundesrat favorisierte «Modell 1» sieht
eine Teilbesteuerung sowohl auf qualifizierten Beteiligungen des Geschäftsvermögens wie auch des
Privatvermögens vor. Letzteres jedoch nur, sofern
sich der Steuerzahler ausdrücklich für die steuerliche Behandlung von qualifizierten Beteiligungen
als Geschäftsvermögen ausgesprochen hat. Als
qualifiziert gelten Beteiligungen, die eine Quote
von 10% des Grund- oder Stammkapitals einer
Gesellschaft oder Genossenschaft aufweisen.
Die Veräusserungsgewinne werden ebenso wie
die Kapitalerträge aus Dividendenausschüttungen
im Umfang von 60% dem übrigen steuerbaren Einkommen zugerechnet.
Bezüglich Beteiligungsrechten und den dazugehörigen Bezugrechten soll das Geschäftsvermögen neu
umschrieben werden. Diese sollen nur dann als Geschäftsaktiven qualifiziert werden, wenn die betreffenden Wertschriften funktional mit der Geschäftstätigkeit verknüpft sind. Mit diesem Kriterium soll
der Quasi-Wertschriftenhandel beseitigt werden. Als
Quasi-Wertschriftenhandel werden der Kauf und
Verkauf von zum Privatvermögen gehörenden Wertpapieren bezeichnet, wenn sie die vom Bundesgericht festgelegten Merkmale der Gewerbsmässigkeit
aufweisen. Die daraus resultierenden Einkünfte
müssen als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit versteuert werden.
Modell 1 hat zur Folge, dass Eigentümer qualifizierter Beteiligungen ihre Veräusserungsgewinne
im Umfang von 60% zu versteuern haben, während
Veräusserungsgewinne von kleineren Aktionären
(Kapitalquoten unter 10%) steuerfrei wären,
weil sie nicht mehr wegen «Quasi-Wertschriftenhandels» erfasst würden. Auch die übrigen «Ärgernisse» des schweizerischen Steuersystems würden
im Modell 1 beseitigt. Die Finanzierungs- und
Rechtsformneutralität könnten dadurch stark
verbessert werden.
Modell 2:
Beschränktes Teilbesteuerungsverfahren
Bei Modell 2 werden qualifizierte Beteiligungen unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob
sie dem Geschäfts- oder dem Privatvermögen
angehören. Beim Geschäftsvermögen liegt die
Mindestquote für eine qualifizierte Beteiligungen bei 10%. Es wird das im Modell 1 dargelegte
Teilbesteuerungssystem angewendet. Beim
Privatvermögen hingegen liegen die qualifizierten Beteiligungen bei einer Mindestquote
von 20%. Der Eigentümer solcher Beteiligungen
hat keine Entscheidung darüber zu fällen, ob die
Beteiligung als Privat- oder Geschäftsvermögen
zu besteuern sei. Neben den ausgeschütteten
Gewinnen soll bei Veräusserung die während der
Besitzesdauer eingetretene Zu- oder Abnahme
von Reserven sowie Gewinnvorträgen dem übrigen steuerbaren Einkommen im Umfang von 60%
zufallen.
Ähnlich wie im Modell 1 würde die Neutralität des
Steuersystems verbessert. Das Teilbesteuerungskonzept wäre jedoch sowohl für die Steuerzahler
als auch für die Steuerbehörden vergleichsweise
umständlich.
12 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Modell 3:
Teilentlastung auf Gewinnausschüttungen
Das Modell 3 zielt einzig auf die Beseitigung der
wirtschaftlichen Doppelbelastung auf ausgeschütteten Gewinnen ab. Die steuerliche Entlastung soll
mit Bezug auf die Gewinnausschüttungen aller geschäftlichen und privaten Beteiligungen erfolgen.
Dem Begriff der qualifizierten Beteiligung kommt
in diesem Fall keinerlei Bedeutung zu; die steuerliche Entlastung ist ungeachtet der Grösse und der
Art der Beteiligung (geschäftlich oder privat) die
gleiche. Die Belastung soll dadurch gemildert werden, dass sowohl im Geschäfts- als auch im Privatvermögen die Gewinnausschüttungen aller Art
zumindest auf der Stufe Bund im Umfang von 70%
dem übrigen steuerbaren Einkommen zugerechnet
werden.
Beim Modell 3 würden die «Ärgernisse» weiterhin
bestehen. Auch hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Veräusserungsgewinne bleibt alles
wie bisher: Im Privatvermögen sind sie steuerfrei,
im Geschäftsvermögen voll steuerbar.
Mindererträge durch
die Unternehmenssteuerreform II
Die Reform bewirkt in der Einführungsphase
je nach Modell Mindererträge zwischen 700 und
730 Mio. Franken bei den Kantonen und 30 und
60 Mio. Franken beim Bund. Langfristig dürfte
ein Teil des Ausfalls kompensiert werden, da die
Steuerentlastungen ein grösseres Wirtschaftswachstum und damit mehr Fiskaleinnahmen nach
sich ziehen.
EFD-Schwerpunkte, Juni 2003
Monatsthema
Jede Massnahme zu Gunsten von Kapitalgesellschaften und Aktionären wird den Handlungsbedarf im Bereich der Personenunternehmen vergrössern, auch wenn der betreffende Spielraum notgedrungen beschränkt ist.
Bild: Keystone
Eine erste Durchsicht der im Rahmen
des Vernehmlassungsverfahrens eingereichten
Stellungnahmen zu dieser Kernfrage der Reform weist auf eine Patt-Situation hin. Weder
die Kantone noch die Parteien zeigen eine
klare Präferenz für eines der drei zur Diskussion gestellten Modelle. Nur die Stellungnahmen der Verbände und übrigen interessierten
Kreise zeigen eine Präferenz für das Modell 3
auf, d.i. die Teilbesteuerung der blossen Dividenden (unter Ausschluss der Veräusserungsgewinne). In Bezug auf die Umsetzung dieses
Modells bestehen jedoch wiederum stark
voneinander abweichende Vorstellungen, sodass man kaum von einem mehrheitsfähigen
Konzept sprechen kann.
Personenunternehmen: Mildere
Besteuerung von Liquidationsgewinnen
Was die Personenunternehmen betrifft, ist
die Beseitigung gewisser fiskalischer Ungereimtheiten überfällig. Dahingehende parlamentarische Vorstösse liegen vor. Der Umstand, dass die körperschaftliche Besteuerung
von Personenunternehmen noch nicht verwirklicht ist und damit bloss eine Annäherung
an die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung angestrebt werden kann, verleiht
solchen Massnahmen eine besondere Dringlichkeit.
Die in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehenen Massnahmen sind daher objektiv notwendig. Den selbstständig Erwerbenden, die
es ausdrücklich verlangen, sollten keine steuersystematischen Kapitalgewinnbesteuerungen
wegen Überführung von Geschäftsaktiven ins
Privatvermögen (insbesondere von Geschäftsliegenschaften) auferlegt werden, bevor sie
den Kapitalgewinn tatsächlich realisiert haben.
Auch bei definitiver Verpachtung von Betrie-
13 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
ben (z.B. solcher der Landwirtschaft oder des
Gastgewerbes) sollte auf Antrag des selbstständig Erwerbenden die Versteuerung des Kapitalgewinnes auf den Zeitpunkt der tatsächlichen
Realisierung verschoben werden. Gleiches gilt
in Bezug auf Erbteilungen und güterrechtlichen Auseinandersetzungen bei Fortführung
eines Geschäftsbetriebes. Die Flexibilisierung
der Ersatzbeschaffungstatbestände soll überdies im Bereiche des betriebsnotwendigen Anlagevermögens strukturelle Anpassungen fördern (auch den Berufswechsel im Rahmen der
selbstständigen Erwerbstätigkeit). Die zentrale
Massnahme gemäss Vernehmlassungsvorlage,
die dem Grundsatz nach grossmehrheitlich befürwortet wird, betrifft die mildere Besteuerung
von Liquidationsgewinnen bei definitiver Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Die
Durchsicht der diesbezüglichen Stellungnahmen zeigt indes in Bezug auf die Feinregelung
ein buntes Mosaik von Vorstellungen. Wie eine
konsensfähige harmonisierte Lösung aussehen
könnte, lässt sich zurzeit noch nicht sagen.
Umwandlung in Kapitalgesellschaft
am effizientesten?
Sicher ist, dass jede Massnahme zu Gunsten
von Kapitalgesellschaften und Aktionären den
Handlungsbedarf im Bereich der Personenunternehmen vergrössern wird, obschon der betreffende Spielraum notgedrungen beschränkt
ist. Man kann sich daher fragen, ob die effizienteste Massnahme für jene selbstständig
Erwerbenden, die ihre Gewinne regelmässig
für die Eigenfinanzierung von Investitionen
im Unternehmen belassen müssen, nicht
schlicht und einfach die Umwandlung ihres
Geschäftsbetriebes in eine Kapitalgesellschaft
wäre. Das am 1. Juli 2004 in Kraft gesetzte Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003 und die damit zusammenhängenden Änderungen bei
den direkten Steuern und der Emissionsabgabe fördern nunmehr solche Umwandlungen.
Rechtssicherheit bei
Quasi-Wertschriftenhandel
Die Rechtssicherheit bei Quasi-Wertschriftenhandel im Bereich des Privatvermögens
harrt seit langem einer Lösung. Laut Vernehmlassungsvorlage drängt sich bei Umsetzung des
Modells 1 oder 2 infolge Teilbesteuerung der
Kapitalgewinne eine Neudefinition der geschäftlichen Beteiligungen auf. Obschon die
Formulierung des neuen Artikels 18 Absatz 3
(zweiter Satz) DBG nicht so wahrgenommen
wurde, war die Absicht durchaus im Sinne der
gewünschten Rechtssicherheit. Beteiligungsrechte und – aus praktischen Gründen – auch
traditionelle Finanzierungsinstrumente (Obligationen) stellen nur dann Geschäftsvermögen
und die daraus erzielten Einkünfte Erwerbs-
Monatsthema
einkommen dar, wenn diese Wertpapiere funktional mit der Tätigkeit eines (eintragungspflichtigen) Unternehmens verknüpft sind,
d.h. zum Umlaufs- oder Anlagevermögen eines
Handels-, Fabrikations- oder anderen nach
kaufmännischer Art geführten Betriebes gehören. Bewusst von dieser Neudefinition ausgeschlossen wurde der Quasi-Wertschriftenhandel mit modernen Finanzierungsinstrumenten
und Beteiligungen an Immobiliengesellschaften. Es liegt auf der Hand, dass bei Umsetzung
einer Massnahme, welche Beteiligungsgewinne überhaupt nicht erfasst, das Bedürfnis zur
Neudefinition von Geschäftsvermögen im Bereiche der Beteiligungsrechte hinfällig wird.
Die politische Realität wird aber auf jeden Fall
eine umfassende gesetzliche Lösung fordern.
Es wäre daher ratsam, die anlässlich des Stabilisierungsprogramms von 1998 gescheiterten
Vorschläge zu dieser Thematik neu zu konsultieren und die ausschlaggebenden Merkmale
des Wertschriftenhandels zu normieren.
Konsens beim Kapitaleinlageprinzip
Was die Einführung des Kapitaleinlageprinzips und die Massnahmen zu Gunsten der
Körperschaften (Lockerung der Vorschriften
zur Erlangung des Beteiligungsabzug und
Entlastungen bei der Emissionsabgabe) anbelangt, kann mit einem breiten Konsens
gerechnet werden.
Schlussfolgerung
Im Lichte des heutigen Standes der politischen und fachlichen Meinungsbildung und
aus Rücksicht auf die Finanzlage von Bund
und Kantonen wäre es ratsam, die Thematik
der wirtschaftlichen Doppelbelastung zurückzustellen und möglicherweise völlig neue
Konzepte zu prüfen. Ist man jedoch der Auffassung – wie dies einige Kantone schon klar
gezeigt haben –, dass die Milderung bzw. Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung keine harmonisierungspflichtige Aufgabe, sondern bloss eine tariftechnische Frage
ist, so könnte diese Thematik definitiv den
Kantonen überlassen werden. Der Bundesgesetzgeber müsste bloss entscheiden, ob er eine
tariftechnische Massnahme auch bei der direkten Bundessteuer erlassen will. Alle anderen
Punkte der Reform könnten hingegen voran
getrieben werden.
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Monatsthema
Unternehmenssteuerreform, Wachstum und Verteilung
Eine Unternehmenssteuerreform
wirkt sich über das Investitionsund Finanzierungsverhalten der
Unternehmen aus. Die Unternehmenssteuerreform II reduziert
die wirtschaftliche Doppelbelastung von Dividenden beim Anteilseigner und verbessert so die
Neutralität zwischen Selbst- und
Anteilsfinanzierung. Sie dürfte
aber je nach Variante nur einen
moderaten und zeitlich verzögerten Wachstumseffekt erzielen.1
1 Vgl. Keuschnigg (2004), Eine Unternehmenssteuerreform für mehr Wachstum in der Schweiz. Studie im
Auftrag von Avenir Suisse.
2 Lammersen und Schwager, 2003.
3 Der Faktor 0,598 wandelt nach der üblichen Methode
der OECD den gesetzlichen Steuersatz in einen niedrigeren äquivalenten Satz um und berücksichtigt damit
den Zinsvorteil aus dem Steueraufschub nach dem
Realisationsprinzip.
Günstiges Steuermodell stärkt
Standortqualität
Die Unternehmensbesteuerung beeinflusst
die Rendite von privaten Investitionen als
Triebkräfte für Kapitalbildung und Innovation. Dabei sind die Steuern sowohl auf Unternehmens- als auch auf Investorebene zu
berücksichtigen, also die Gewinnsteuer, die
Steuern auf Dividenden und Kapitalgewinne
sowie die Vermögenssteuer.
Die Massnahmen der Unternehmenssteuerreform II (USTR II) setzen auf der Investorebene an. Die Gewinnsteuer bleibt im Wesentlichen unberührt, während im Ausland ein
Trend zu niedrigeren Körperschaftssteuersätzen und günstigen Steuerregimes für multinationale Unternehmen festzustellen ist, um
insbesondere die Standortattraktivität für ausländische Direktinvestitionen zu verbessern.
Eine Entlastung auf Unternehmensebene stärkt
die Standortattraktivität und erzielt grössere
Wachstumseffekte als eine Entlastung auf der
Stufe der Anteilseigner.Zwar hat die Standortstudie 2 für die Schweiz – insbesondere für
die steuergünstigen Kantone – ein insgesamt
günstiges Bild mit verhältnismässig niedrigen
effektiven Grenzsteuerbelastungen von Investitionen ergeben. Die Position der Schweiz im
internationalen Steuerwettbewerb verschlechtert sich jedoch durch aggressive Steuerreformen im Ausland.
Unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsund Steuergerechtigkeit sind einerseits die
Doppelbelastung der Dividenden und andererseits die grundsätzliche Steuerfreiheit
privater Kapitalgewinne – insbesondere auf
Unternehmensbeteiligungen – angesprochen.
Der Abbau der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Dividenden ist eine alte Forderung
der Wirtschaft. Tatsächlich steht die Schweiz
Prof. Dr.
Christian Keuschnigg
Direktor des Instituts für
Finanzwissenschaft und
Finanzrecht (IFF-HSG),
Universität St. Gallen
15 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
im internationalen Vergleich ziemlich einsam da; die allermeisten Länder sehen in der
einen oder anderen Form Entlastungsmassnahmen vor. Auch die USA sind mit der
Steuerreform 2003 auf eine niedrige Abgeltungssteuer von 15% auf Dividenden übergegangen. Demgegenüber sind private Kapitalgewinne in der Schweiz grundsätzlich
steuerfrei, mit einer Reihe von Ausnahmen,
die teilweise zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Der verfassungsmässig verankerte Grundsatz der Gleichmässigkeit der
Besteuerung erfordert hingegen, dass unterschiedliche Formen von (Kapital-)Einkommen,wenn sie in gleicher Höhe anfallen,auch
gleich besteuert werden.
Gegenwärtige Verzerrungen
im schweizerischen System
Um zu einer groben Abschätzung der
quantitativen Auswirkungen der Reform zu
gelangen, muss gezeigt werden, wie hoch die
Verzerrungen gemessen an den effektiven
Grenzsteuerbelastungen sind und wie sie sich
als Folge der Reform ändern.
Struktur der Steuersätze
Zunächst ist die Struktur der Steuersätze
zu betrachten: Die Gewinne der Kapitalgesellschaften (KG) unterliegen – wie im
klassischen System der Körperschaftsbesteuerung – zunächst der Gewinnsteuer. Bund,
Kanton und Gemeinde zusammengenommen, beträgt die Spitzenbelastung im schweizerischen Durchschnitt 23,2%.Auf der Investorebene unterliegen Dividenden, Zinsen
und die Gewinne der Personenunternehmen (PU) der Einkommenssteuer mit einem
Spitzensatz von 37,3% im schweizerischen
Durchschnitt.
Kapitalgewinne auf bewegliches Privatvermögen – also auch auf privat gehaltene Beteiligungen – sind grundsätzlich steuerfrei.
Dieses Prinzip wird in gewissen Fällen durchbrochen,wie z.B.bei gewerbsmässiger Anlagetätigkeit. Man schätzt, dass auf etwa 20% der
Beteiligungen diese Tatbestände zutreffen und
entsprechende Kapitalgewinne im Rahmen
der Einkommenssteuer zu versteuern sind.
Unter dieser Annahme erhält man einen effektiven Steuersatz auf Kapitalgewinne von
0,200,370,598 = 4,5%.3
Monatsthema
Grenzsteuerbelastung von Investitionen
Grafik 1 zeigt die effektiven Grenzsteuerbelastungen von Investitionen der KG.4 Bei
Selbstfinanzierung mittels Gewinneinbehaltung
erzielt der Investor den Investitionsertrag der
KG in Form von Wertsteigerungen auf seine
Anteile, die auf Personenebene neben der Vermögenssteuer einer sehr tiefen Kapitalgewinnbesteuerung unterliegen. Unter Berücksichtigung der Gewinnsteuer, der steuerlichen
Abschreibungen und anderer Parameter berechnet sich eine sehr mässige Grenzbelastung
von 35,4%.
Bei einer anteilsfinanzierten Investition nach
dem «Schütt-aus-hohl-zurück»-Prinzip gibt
der Investor Risikokapital, erwirbt damit neue
Anteile und erhält den Ertrag in Form von
Dividenden anstatt Wertsteigerungen. Wegen
der Doppelbelastung mit Gewinn- und Dividendenbesteuerung steigt die Grenzbelastung
auf 60,5%. Neue Anteile tragen eine um etwa
25 Prozentpunkte höhere Belastung. Die Besteuerung schafft dadurch einen mächtigen
Anreiz, Gewinne einzubehalten und Investitionen selbst zu finanzieren, anstatt Gewinne
auszuschütten und das notwendige Eigenkapital für neue Investitionen auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Aus steuerlichen Gründen zahlt sich die Selbstfinanzierung von
Investitionen auch dann noch aus, wenn die
Rendite geringer ist als bei jungen,rasch wachsenden Unternehmen, die auf Risikokapital
von aussen angewiesen sind. Die Besteuerung
behindert damit die wachstumsfördernde
Funktion des Kapitalmarktes, knappe Investitionsmittel zu den gewinnträchtigsten Unternehmen mit dem grössten Wachstumspotenzial hinzulenken.
Auswirkungen
der Unternehmenssteuerreform II
Grafik 1
Effektive Grenzsteuersätze von Kapitalgesellschaften nach den Modellen der USTR II
Status Quo
Modell 1
Modell 1
Modell 3
in %
65
60
55
50
45
40
42.30
43.65
45.80
42.13
42.13
42.13
35.37
37.77
35.37
52.27
52.14
60.46
35
30
Bei einer fremdfinanzierten Investition fällt
der Ertrag als Zinsertrag an. Dieser ist neben
der Vermögenssteuer – die alle Finanzierungsformen betrifft – mit der hohen Einkommenssteuer belegt, während die Vorbelastung mit
der Gewinnsteuer wegen der Abzugsfähigkeit
der Fremdkapitalzinsen entfällt. Die Grenzsteuerbelastung beträgt 42,1%.Auf der Unternehmensebene wird das Fremdkapital wegen
der Nichtabzugsfähigkeit von Eigenkapitalzinsen stark begünstigt. Auf Personenebene besitzt hingegen das Eigenkapital Vorteile, weil
Zinserträge jeweils voll, der Eigenkapitalertrag
aber nur sehr mässig besteuert wird, soweit er
in Form von Kapitalgewinnen realisiert wird.
Netto ergibt sich eine mässige Begünstigung
der Fremdfinanzierung. Die steuerliche Verzerrung der Kapitalstruktur zugunsten des
Fremdkapitals beeinträchtigt die wirtschaftliche Effizienz, indem sie zu übermässiger
Verschuldung, höherem Konkursrisiko, stärkerer Konjunkturanfälligkeit und einer überhöhten Zahl von Insolvenzen beiträgt. Legt
man schliesslich eine durchschnittliche Finanzierungsstruktur zugrunde, dann beträgt die
effektive Grenzsteuerbelastung der KG für
eine durchschnittlich finanzierte Investition
45,8%.
Das gegenwärtige System der Unternehmensbesteuerung unterscheidet nicht besonders stark zwischen Kapitalgesellschaften und
Personenunternehmen und verzerrt die Rechtsformwahl nur mässig. Diese Aussage trifft allerdings nur im Durchschnitt zu: Je nach Ausschüttungsquote kann die Doppelbelastung
von Kapitalgesellschaften mehr oder weniger
ins Gewicht fallen.
25
Neues Eigenkapital
Einbehaltene Gewinne
Fremdkapital
Durchschnitt
Quelle: Keuschnigg / Die Volkswirtschaft
16 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Das Modell 1 liegt am nächsten beim «Urmodell»,wie es in Keuschnigg und Dietz (2003)
untersucht worden ist. Es mildert einerseits
die wirtschaftliche Doppelbelastung von Dividenden, andererseits besteuert es die privaten Kapitalgewinne, die bis jetzt grundsätzlich
steuerfrei sind. Die stärkere Besteuerung der
Beteiligungsgewinne wird durch Erleichterungen bei der Vermögenssteuer teilweise kompensiert. Konkret sind gemäss Modell 1 anstatt
bisher 100% nur mehr 60% der Dividenden
steuerbares Einkommen. Die Steuerpflichtigen haben die Wahl, entweder nach den neuen
Regeln oder wie bisher Dividenden voll, dafür
Beteiligungsgewinne nicht zu versteuern.Dieses Wahlrecht gilt jedoch nur für qualifizierte
Beteiligungen ab 10%. Aus einer statistischen
Erhebung der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV)
kann man schliessen, dass etwa 65% der Dividendenzahlungen das Merkmal erfüllen, auch
Monatsthema
Der Abbau der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Dividenden ist eine alte Forderung
der Wirtschaft. Tatsächlich steht die Schweiz
im internationalen Vergleich ziemlich einsam
da; die allermeisten Länder sehen in der einen
oder anderen Form Entlastungsmassnahmen
vor.
4 Vgl. Keuschnigg und Dietz, 2003.
5 Modell 2 lässt sich nur schwer mit dem Urkonzept
vergleichen und wird hier nicht weiter betrachtet.
Bild: Keystone
wenn diese Schätzung mit einiger Unsicherheit behaftet ist. Die nicht qualifizierten Beteiligungen werden wie bisher besteuert.
Unter der weiteren Annahme, dass für alle
qualifizierten Beteiligungen die Option tatsächlich ausgeübt wird, berechnet sich ein
durchschnittlicher Dividendensteuersatz von
(0,650,6 + 0,351)0,372 = 27,5%. Dies
wäre eine Absenkung um etwa 10 Prozentpunkte gegenüber der bisherigen Spitzenbelastung von 37,2%.
Gleichzeitig müssen nach Modell 1 auch
60% der realisierten Beteiligungsgewinne versteuert werden, was einer Steuererhöhung
gleichkommt. Jene Erträge, die nicht auf qualifizierende Beteiligungen entfallen, werden
wie bisher besteuert. Der effektive Steuersatz
auf Beteiligungsgewinne steigt damit von bisher 4,5% auf (0,650,6 + 0,350,1)
0,372 0,598 = 9,5%. Dafür kann bei der Vermögenssteuer der niedrigere Buchwert statt
dem Verkehrswert angesetzt werden. Dies ist
nach Ansicht der ESTV eine äquivalente Entlastung im Vergleich zum «Urmodell», wonach
nur 60% des Nettovermögenssteuerwertes
einer qualifizierenden Beteiligung mit der Vermögenssteuer belastet werden sollten. Nach
der erwähnten Erhebung der ESTV würden
nur 54% der Vermögenssteuerwerte auf qualifizierende Beteiligungen entfallen. Dies würde eine Absenkung der Vermögenssteuer für
KG von 0,7% auf durchschnittlich (0,54
0,6 + 0,460,1)0,007 = 0,55% bedeuten.Es
versteht sich von selbst, dass dies nur eine
grobe Abschätzung des Szenarios sein kann.
Grafik 1 zeigt die Neuberechnung der effektiven Grenzsteuersätze gemäss Modell 1.5
17 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Modell 3
Das Modell 3 der Vorlage zielt ausschliesslich auf die Milderung der wirtschaftlichen
Doppelbelastung von Dividenden ab, die aber
auf alle Beteiligungen ohne Erfordernis einer
Mindestbeteiligung ausgeweitet wird. Danach
müssen die Steuerpflichtigen – unabhängig
von der Höhe der Beteiligung – nur 70% der
empfangenen Dividenden versteuern. In Modell 3 bleiben die Beteiligungsgewinne wie bisher im Prinzip steuerbefreit, es wird aber auch
keine Entlastung bei der Vermögenssteuer gewährt. Dem Grundsatz der Gleichmässigkeit
der Besteuerung wird dabei weniger Gewicht
beigemessen. Modell 3 beschränkt sich also
ausschliesslich auf eine Milderung der Doppelbelastung von Dividenden: Der effektive
Satz fällt von 37,2% auf 0,70,372 = 26%.Die
effektive Grenzsteuerbelastung sinkt in diesem Szenario am stärksten, da die zusätzliche
Belastung der Beteiligungsgewinnsteuer entfällt. Der Investitionsimpuls ist daher etwas
stärker.
Geringe Investitions- und
Wachstumsimpulse
Im Modell 1 der USTR II kompensieren
sich die steuersenkenden und -erhöhenden
Elemente weit gehend, sodass die makroökonomischen Effekte bescheiden ausfallen. Auf
der Basis der Berechnungen in Keuschnigg
und Dietz (2003, Seite 78) kann langfristig
eine Zunahme von maximal 0,5% des Bruttoinlandprodukts (BIP) erwartet werden. Diese
Schätzung geht davon aus, dass die Einnahmenausfälle pauschal gegenfinanziert werden.
Monatsthema
6 Vgl. Keuschnigg und Dietz, 2003, Seite 92, und
Schweizerischer Bundesrat, 2004, Abschnitt 5.3.
7 Vgl. Keuschnigg, 2004.
Falls andere verzerrende Steuern (z.B. Mehrwertsteuer) erhöht werden müssen, dürfte die
Zunahme des BIP noch einmal geringer ausfallen und langfristig nicht mehr als 0,3% ausmachen. Auch wenn die Genauigkeit dieser
Berechnungen nicht überschätzt werden darf,
ergibt sich auch bei Neuberechnungen mit anderen Parameterwerten im Wesentlichen dasselbe Bild.
Die zu erwartenden Wirkungen sind also
eher bescheiden.Weil sich die Reform auf eine
Entlastung auf der Investorebene beschränkt,
wird sie hauptsächlich inländische KG begünstigen, die Investitionen multinationaler Unternehmen jedoch kaum beeinflussen können.
Immerhin werden die existierende steuerliche
Bevorzugung der Selbstfinanzierung und die
Diskriminierung der Anteilsfinanzierung zu
einem erheblichen Teil beseitigt. Damit belebt
die Reform die Ausschüttungen der Kapitalgesellschaften und fördert eine effizientere
Kapitalallokation.
Modell 3 verstärkt die Investitionsanreize,
vor allem, weil das bremsende Element einer
höheren Kapitalgewinnbesteuerung wegfällt.
Es dürfte eine merkliche Expansion insbesondere im Sektor der inländischen KG auslösen
und eine langfristige Steigerung des BIP von
maximal 0,7% ermöglichen.6 Wiederum ist
dies eine eher optimistische Schätzung, weil
dabei die Gegenfinanzierung nur in Form
einer Pauschalbelastung berücksichtigt ist (z.B.
geringere Transfers). Die Wachstumsgewinne
werden sich erst nach einer längeren Anpassungsphase voll bemerkbar machen. Aus die-
Grafik 2
Effektive Grenzsteuersätze einer Schweizerischen Dualen Einkommenssteuer (SDES)
Status Quo
SDES
in %
70
60
50
40
30
20
10
0
Thesaurierung
Neue Anteile
Eigenkapital
Kapitalgesellschaften
Fremdkapital
Gesamt
Eigenkapital
Fremdkapital
Gesamt
Personengesellschaften
Quelle: Keuschnigg (2004) / Die Volkswirtschaft
18 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
sem Grund ergeben sich kurzfristige Steuerausfälle, während längerfristig ein teilweiser
Selbstfinanzierungseffekt eintritt. Auch die
ohnehin geringen Lohnsteigerungen werden
erst später eintreten, während die steuerliche
Dividendenentlastung zu unmittelbaren Vermögensgewinnen bei den Anteilseignern führen sollte.
Für eine fundamentale Steuerreform
Im Auftrag von Avenir Suisse hat der Autor
ein Konzept für ein weit gehend neutrales System der Unternehmensbesteuerung präsentiert, das die Standortattraktivität der Schweiz
entscheidend stärken und einen wesentlichen Wachstumsbeitrag liefern könnte.7 Politische, institutionelle sowie finanzpolitische
Beschränkungen werden zunächst bewusst
hintangestellt.Es geht darum,eine Vorstellung
zu entwickeln, wie ein stark investitionsförderndes und neutrales System im Prinzip
aussehen könnte. Die vier Eckpfeiler des Konzepts einer Schweizerischen Dualen Einkommenssteuer (SDES) sind:
– Progressive Lohnbesteuerung: Sie bleibt unverändert. Der Spitzensteuersatz von 37%
entspricht dem Mittel der Kantonshauptorte.
– Proportionale Gewinnsteuer: Sie wird unabhängig von der Rechtsform erhoben,
d.h. der Geltungsbereich der Gewinnsteuer wird auf selbstständig Erwerbende und
PU ausgedehnt. Der Steuersatz bleibt bei
durchschnittlich 23,2%.
– Abzug einer Normalverzinsung: Neben den
Fremdkapitalzinsen wird auch eine Verzinsung des Eigenkapitals in der Höhe des
langfristigen durchschnittlichen Nettozinses auf risikolose Staatspapiere zum Abzug
von der Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer zugelassen.
– Niedrige proportionale Teilhabersteuer: Sie
wird mit einem proportionalen Satz von
18,3% erhoben. Ihr unterliegen alle vom
Investor realisierten Erträge: Zinsen, Ausschüttungen, Gewinnentnahmen und realisierte Kapitalgewinne. Bei der Realisierung von Kapitalgewinnen wird ein Zins
für die aufgeschobene Steuerschuld berechnet. Neben dem vollen Ausgleich von
Verlusten und Gewinnen sind ein unbegrenzter Verlustvortrag und ein begrenzter
Verlustrücktrag möglich.
Das SDES-Konzept ist per Konstruktion
rechtsformneutral, weil es alle Unternehmen
systematisch gleich behandelt. Es sichert Investitions- und Finanzierungsneutralität auf
der Unternehmensebene, weil die Finanzierungskosten sowohl des Fremd- als auch des
Eigenkapitals abzugsfähig sind. Der Investi-
Monatsthema
tionssteuerkeil auf Unternehmensebene wird
dadurch für alle Unternehmen – inländische
KG und PU sowie in- und ausländische Multis mit ihren Betriebsstätten im Inland – vollständig abgebaut. Dadurch kann ein breit abgestützter Wachstumsimpuls erzielt werden.
Die Teilhabersteuer besteuert auf Investorebene alle Formen von Kapitaleinkommen
gleich und ist somit auch hier vollständig
finanzierungsneutral. Dies erfordert allerdings, dass der Zinsvorteil aus der aufgeschobenen Besteuerung von Kapitalgewinnen
nach dem Realisationsprinzip durch Verrechnung eines Verzugszinses kompensiert
wird. Anders kann eine effektiv gleiche Belastung von Kapitalgewinnen und Dividenden nicht erreicht werden. Die Kombination
von Teilhaber- und Gewinnsteuer vermeidet
ausserdem ein typisches Problem der dualen
Einkommenssteuer, nämlich die Steuerumgehung durch Verlagerung von Lohn- zu
Kapitaleinkommen.
Die Neutralitätseigenschaften des SDESKonzepts zeigen sich eindrücklich in Grafik 2.
Das SDES-Konzept gleicht die effektiven
Grenzsteuersätze an und stellt damit die weit
gehende Neutralität der Unternehmensbesteuerung her.
Kasten 1
Literatur
– Keuschnigg, Christian und Martin D. Dietz
(2003), Unternehmenssteuerreform II.
Quantitative Auswirkungen auf Wachstum
und Verteilung, Bern: Verlag Haupt.
– Keuschnigg, Christian (2004), Eine Unternehmenssteuerreform für mehr Wachstum
in der Schweiz, Avenir Suisse.
– Lammersen, Lothar und Robert Schwager
(2003), The Effective Tax Burden of
Companies in the Extended Alpine Space,
Basel: IBC BAK International Benchmark
Club.
– Schweizerischer Bundesrat (2004),
Vernehmlassungsvorlage zur Unternehmenssteuerreform II, Bern.
Geschätzte Wirkungen
Anhand von Modellsimulationen wurden
die Wachstumswirkungen des SDES-Konzepts
abgeschätzt, und zwar in zwei Varianten der
Gegenfinanzierung: einer pauschalen Ausgabenreduktion und einer Mehrwertsteuererhöhung. Die Reform stösst Vermögensbildung
und Investitionen auf breiter Front an; der
aggregierte Kapitalstock steigt langfristig um
8%, das BIP – je nach Szenario der Gegenfinanzierung – um 2,3% (Mehrwertsteuererhöhung) bis 3,4% (Senkung der Transferausgaben). Dies ist ein Vielfaches der für die USTR
II erwarteten Effekte. Das MWST-Szenario
belastet die Kaufkraft der Löhne und hemmt
vor allem kurzfristig die Beschäftigung. Das
Szenario mit der Ausgabensenkung vermeidet
diesen negativen Beschäftigungseffekt.
Die zeitlichen Anpassungsmuster sind ähnlich wie bei der USTR II, denn die Wachstumsgewinne entfalten sich erst allmählich im
Zuge der Kapitalbildung. Dementsprechend
sind die Steuerausfälle kurzfristig deutlich höher als längerfristig. Zusammenfassend muss
man feststellen, dass die Vorteile einer wachstumsorientierten Steuerreform für breitere
Bevölkerungskreise erst verzögert zu Buche
schlagen.
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Monatsthema
Unternehmenssteuerreform zwischen ökonomischen
Anforderungen und politischen Interessen
Bei der Reform der Unternehmensbesteuerung können grundsätzlich zwei Stossrichtungen
unterschieden werden: Einerseits
Abbau des Steuerkeils
der Abbau des Steuerkeils auf
Die Nettorendite, die ein Investor erzielen
kann, wird durch den Kapitalmarktzins nach
Steuern, s, bestimmt (siehe Grafik 1). Damit
der Investor diese Rendite nach Steuern auch
bei einer Investition in ein Unternehmen erreicht, muss dieses eine entsprechend höhere
Rendite vor Steuern erwirtschaften. Für eine
Investition, die sich gerade noch lohnt, entspricht diese Vorsteuerrendite, p0 , den Kapitalkosten des Unternehmens. Die Differenz
zwischen der notwendigen Vorsteuerrendite
des Unternehmens und der vom Investor geforderten Nachsteuerrendite, p0-s, bezeichnet
man als Steuerkeil. Er drückt die Steuerbelastung der betrachteten Investition aus.Dividiert man den Steuerkeil durch die Vorsteuerrendite, p0 , erhält man den effektiven
Grenzsteuersatz, (p0 -s/p0). Dieser gibt an, um
wie viel Prozent die Rendite der letzten noch
rentabel erscheinenden Investition infolge der
Besteuerung höher sein muss, damit sich die
Investition für den Investor bei gegebenem
Marktzinssatz noch lohnt. Die Höhe des
Steuerkeils bzw. des effektiven Grenzsteuersatzes beeinflusst somit direkt das Investitionsvolumen. Je höher die Steuerbelastung,
desto höher fallen die minimale Vorsteuerrendite und damit die Kapitalkosten aus, desto
kleiner ist die Zahl der Investitionsprojekte,
welche die erforderliche Rendite erzielen, und
desto niedriger wird das Investitionsvolumen.
Umgekehrt reduzieren sich die Kapitalkosten,
wenn der Steuerkeil von z.B. p0-s auf p1-s
abgebaut wird. Die Investitionen, die diesem
tieferen Renditeerfordernis genügen, steigen
von I 0 auf I1. Der verminderte Steuerkeil
bewirkt somit einen Wachstumsimpuls, der
die Investitionen anschiebt und sich über eine
volkswirtschaftliche Wirkungskette fortpflanzt.
Dies ist die erste Stossrichtung.
Investitionen und anderseits die
Verbesserung der Neutralitätseigenschaften des Steuersystems.
Daraus ergeben sich direkt die
Kriterien, an denen konkrete
steuerliche Massnahmen zu messen sind. Eine Unternehmenssteuerreform spielt sich jedoch
nicht im politischen Vakuum ab.
Im Spannungsfeld der Interessen
lassen sich deshalb Reformen,
die aus ökonomischer Sicht
angezeigt wären, nicht ohne
Abstriche umsetzen.
Martin Daepp
Mitglied des Ökonomenteams der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV), Bern
Prof. Dr. Bruno Jeitziner
Chefökonom Eidg. Steuerverwaltung (ESTV),
Professor für Wirtschaftsund Sozialpolitik,
Universität Freiburg
21 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Verbesserung
der Neutralitätseigenschaften
Die zweite Stossrichtung stellt die Verbesserung der Neutralitätseigenschaften des Steuersystems dar. Eine rechtsform-, investitionsund finanzierungsneutrale Unternehmensbesteuerung ist erwünscht, weil sie die effiziente Verwendung der Ressourcen gewährleistet. Da die stärksten negativen Impulse
in der Schweiz von der fehlenden Finanzierungsneutralität ausgehen, ist diese Verzerrung prioritär abzubauen.
Ein Unternehmen kann seinen Finanzbedarf auf drei Wegen decken:
– Im Rahmen der Fremdfinanzierung beschafft es zusätzliches Fremdkapital;
– mit einer Anteilsfinanzierung bringt das
Unternehmen neues Eigenkapital ein. Es
handelt sich wie bei der Fremdfinanzierung um eine Form der Aussenfinanzierung;
– der Weg der Innenfinanzierung wird hingegen beschritten, wenn aus einbehaltenen
Gewinnen eine Selbstfinanzierung erfolgt.
Diese stellt wie die Anteilsfinanzierung eine
Form der Eigenfinanzierung dar.
Die Wahl der Finanzierungswege sollte von
steuerlichen Überlegungen unbeeinflusst bleiben und stattdessen auf einer betriebswirtschaftlichen Abwägung der jeweiligen Vor- und
Nachteile fussen. Die Voraussetzungen dafür
sind erfüllt, wenn ein Steuersystem finanzierungsneutral ausgestaltet ist. Die Finanzierungsneutralität gliedert sich in die Kapitalstrukturneutralität, welche die Wahl zwischen
Eigen- und Fremdkapital unverzerrt lässt,
und in die Gewinnverwendungsneutralität, bei
welcher der Entscheid zwischen Thesaurierung und Ausschüttung der Gewinne steuerlich unbeeinflusst bleibt. Konkret würde
dies bedeuten, dass die Steuerlast für alle drei
Finanzierungswege gleich hoch wäre. Das
schweizerische Steuersystem verletzt diese Bedingung jedoch: Im schweizerischen Durchschnitt liegt die Grenzsteuerbelastung bei
der Beteiligungsfinanzierung mit über 60%
deutlich höher als bei der Selbstfinanzierung
(35%), während sich die Belastung der Fremdfinanzierung (42%) dazwischen einreiht.
Häufig wird argumentiert, dass sich die
Praxis auf diese Situation eingerichtet habe
und die steuerliche Diskriminierung der Anteilsfinanzierung deshalb kein Problem sei.
Monatsthema
Grafik 1
lenken, teilweise ausser Kraft. Mit der Prädominanz der Selbstfinanzierung tritt stattdessen gleichzeitig ein Unter- und ein Überinvestitionsproblem auf.
Steuerkeil und Investition
Rendite
Wachstumsimpuls
Grenzertrag der Investitionen
Vorsteuerrendite p0 eines Unternehmens (Kapitalkosten)
p0
p1
Die Folge:
Ein Unter- und ein Überinvestitionsproblem
Steuerkeil 0
Steuerkeil 1
Nachsteuerrendite s eines Investors
(Kapitalmarktzins nach Steuern)
s
Investitionen
I0
I1
Anschub der Investitionen
Quelle: ESTV / Die Volkswirtschaft
Die Investoren würden die hohe Steuerlast der
Anteilsfinanzierung umgehen, indem sie Gewinne nicht über Dividenden, sondern über
Kapitalgewinne, d.h. über die Veräusserung
von Anteilen, beziehen. Dabei wird aber übersehen, dass es genau solche steuerlich motivierten Anpassungsreaktionen sind, die zu den
unerwünschten Verzerrungen und den damit
verbundenen volkswirtschaftlichen Verlusten
führen.
Verletzung der Finanzierungsneutralität
Das schweizerische Steuersystem verletzt
die Kapitalstrukturneutralität, weil zwar die
Fremdkapitalzinsen, nicht aber die kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen steuerlich abzugsfähig sind. Dies schafft einen steuerlichen Anreiz zu übermässiger Fremdfinanzierung, was
tendenziell zu einer höheren Insolvenzrate
beiträgt.
Die Kombination von wirtschaftlicher
Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne
und begünstigter Besteuerung von Kapitalgewinnen verstösst gegen die Gewinnverwendungsneutralität und schafft einen starken
Anreiz, Gewinne einzubehalten statt auszuschütten und Investitionen selbst statt mit
neuem Eigenkapital von aussen zu finanzieren. Diese einseitige Begünstigung der
Selbstfinanzierung wirkt unter Effizienzgesichtspunkten negativ. Sie setzt die wachstumsfördernde Aufgabe des Kapitalmarktes,
die verfügbaren Investitionsmittel auf die gewinnträchtigsten Unternehmen und damit
auf die rentabelsten Investitionsprojekte zu
22 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Das Unterinvestitionsproblem betrifft junge,
rasch wachsende Unternehmen. In dieser Lebensphase erwirtschaften sie im Vergleich zu
ihren Investitionsmöglichkeiten nur wenig
Gewinn und zeichnen sich durch ein hohes
Risiko aus. Mangels ausreichender Gewinne
können sie die Investitionen nicht selbst finanzieren. Da bei zunehmender Verschuldung die Fremdfinanzierungskosten steigen
bzw. Kredite ganz verweigert werden, ist auch
die Fremdfinanzierung begrenzt. Externes
Eigenkapital ist aufgrund der hohen Risikoprämien an sich schon teuer. Weil neues Eigenkapital in Erwartung zukünftiger Dividenden
gegeben wird,beeinträchtigt die Doppelbelastung der Dividenden die Anteilsfinanzierung
noch zusätzlich und wirkt in diesem Fall besonders investitionshemmend.
Das Überinvestitionsproblem betrifft hingegen reife Firmen mit einem Cash-Cow-Produktportfolio, deren freier Cash-flow ihre profitablen Investitionsmöglichkeiten übersteigt.
Zu diesen Unternehmen gehören sowohl grosse
Publikumsgesellschaften als auch kleine und
mittlere Unternehmen (KMU), die von einem
Eigentümerunternehmer oder einem engen
Aktionärskreis kontrolliert werden.
Bei solchen KMU wäre an sich eine forcierte Gewinnausschüttung angezeigt. Die
ausgeschütteten Mittel könnten dann über
den Kapitalmarkt profitabler in andere Firmen investiert werden, soweit sie nicht dem
privaten Konsum zufliessen. Da diese Option
jedoch steuerlich nicht attraktiv ist, werden
die Mittel einerseits in Projekte investiert, die
aus volkswirtschaftlicher Sicht zu wenig rentabel sind. Der Grund dafür ist, dass es in der
eigenen Branche nicht genügend rentable
Investitionsmöglichkeiten gibt und dass der
Unternehmensleitung für Investitionen in anderen, wachstumsträchtigeren Branchen die
notwendigen Marktkenntnisse fehlen. Andererseits wird auch versucht, den privaten
Konsum der Anteilseigner über die Firma
laufen zu lassen, was ebenfalls mit volkswirtschaftlichen Kosten verbunden ist.
Im Unterschied zu den KMU sind bei den
Publikumsgesellschaften Eigentum und Unternehmensleitung getrennt. Unter einer solchen
Konstellation kann die Unternehmensleitung
ihren Informationsvorsprung nutzen und eigene Interessen zulasten der Aktionärsinteressen
verfolgen. Namentlich hat das Management
einen Anreiz, die Firmengrösse und dadurch
den eigenen Einflussbereich durch Überinves-
Monatsthema
titionen auszudehnen und gleichzeitig die Gewinne einzubehalten, da so die Mittel in der
Firma und unter seiner Kontrolle verbleiben.
Durch eine weit gehende Selbstfinanzierung
der Investitionen kann es sich überdies der Kontrolle durch externe Kapitalgeber teilweise entziehen. Die Gewinneinbehaltung wird so von
den Unternehmensleitungen selbst dann häufig
bevorzugt, wenn die Investitionen anderer Unternehmen rentabler wären als diejenigen im
eigenen Unternehmen.
Kontrollmechanismen
Dieser Anreizstruktur wirken verschiedene
Kontrollmechanismen entgegen. Der Markt
für Unternehmenskontrolle als Teilsegment
des Kapitalmarktes funktioniert über die latente Drohung einer Firmenübernahme. Voraussetzung ist allerdings eine entsprechende
Ausgestaltung des Aktienrechts, welche potenziellen Firmenkäufern keine Hindernisse
in den Weg stellt. Ein anderer Disziplinierungsmechanismus basiert auf der Signalisierungswirkung der Dividende. Schüttet ein
Unternehmen Gewinne aus, signalisiert es
eine hohe Ertragskraft und einen geringen
Konflikt zwischen Aktionären und Management. Die Investoren geben sich mit einer geringeren Eigenkapitalprämie zufrieden, und
das Unternehmen minimiert die Kosten des
Eigenkapitals.
In einer reifen Volkswirtschaft wie der
Schweiz, in der die Selbstfinanzierung bedeutend und überdies steuerlich begünstigt ist,
dürfte gesamtwirtschaftlich der Über- den
Unterinvestitionseffekt dominieren. Die Auf-
gabe des Finanzsystems besteht dann weniger
darin, Finanzmittel vom Haushaltssektor zu
den Firmen zu leiten, sondern vielmehr von
Firmen mit einem – relativ zu ihren profitablen Investitionsmöglichkeiten – Cash-flowÜberschuss zu Firmen, deren Cash-flow mit
ihren profitablen Investitionsmöglichkeiten
noch nicht Schritt halten kann. Unter den
gegenwärtigen steuerlichen Rahmenbedingungen wird diese Aufgabe relativ schlecht
wahrgenommen.
Niedrige Effizienz
der Realkapitalverwendung
Evidenz dafür, dass die steuerlich begünstigte Thesaurierung möglicherweise eine wichtige Ursache für die Wachstumsschwäche der
Schweiz darstellt, liefert ein internationaler
Vergleich der Incremental Capital Output Ratio (Icor). Diese Kennzahl ist der Quotient
aus der Investitionsquote, bezogen auf die
privaten Ausrüstungsinvestitionen oder die
gesamtwirtschaftlichen Bruttoanlageinvestitionen, und der Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP). Nenner und Zähler
werden dabei als Durchschnitt über einen längeren Zeitraum (z.B.10 Jahre) definiert,wobei
wegen des Vorlaufs der Investitionen das BIPWachstum zeitlich verzögert eingesetzt werden kann.Die Icor ist ein Mass für die Effizienz
der Realkapitalverwendung; ein tieferer Wert
signalisiert eine höhere Effizienz. Eine bestimmte Wachstumsrate des BIP wird mit
einem verhältnismässig niedrigen Investitionsvolumen generiert.
Grafik 2
Marginaler Steuerkeil in der verarbeitenden Industrie verschiedener OECD-Länder, 1998 (Gewichtetes Mittel in Prozentpunkten)
Prozentpunkte
4.0
3.5
3.0
2.5
2.0
1.5
1.0
0.5
Anmerkung: Der ausgewiesene Wert der Grenzsteuerbelastung auf Investitionen stellt die Differenz zwischen
der geforderten Vorsteuerrendite auf einer Investition und der Nachsteuerrendite des Investors dar.
23 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
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Ös
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h
0.0
Quelle: OECD / Die Volkswirtschaft
Monatsthema
Kasten 1
Ökonomische Anforderungen
an eine Unternehmenssteuerreform
1.
Minimierung des Steuerkeils auf Investitionen: Minimierung der sich aus
Steuersatz und Bemessungsgrundlage
ergebenden tatsächlichen Steuerbelastung auf Investitionen, wie sie mit
dem Konzept der effektiven Grenzsteuersätze gemessen wird, mit dem
Ziel, die verzerrenden Wirkungen
auf Investitionsentscheidungen zu
vermeiden und gleichzeitig die internationale Standortattraktivität zu
verbessern;
2.
Neutralität des Steuersystems:
2.1
Rechtsformneutralität: Wahl der
Rechtsform (Personen- oder Kapitalgesellschaft) soll nicht durch steuerliche Überlegungen beeinflusst,
sondern ausschliesslich auf Grund
betriebswirtschaftlicher Kriterien
wie z.B. Gründungskosten, Haftungsbegrenzung oder Kapitalbeschaffung
gefällt werden;
2.2
Investitionsneutralität (betrifft Aktivseite der Bilanz): Wahl zwischen verschiedenen Investitionsprojekten soll
nicht durch Steuern verzerrt werden;
2.3
Finanzierungsneutralität (betrifft
Passivseite der Bilanz):
2.3.1 Kapitalstrukturneutralität: Eigenkapital und Fremdkapital sollen
steuerlich gleich behandelt werden;
2.3.2 Gewinnverwendungsneutralität: Wahl
zwischen Thesaurierung und Ausschüttung des Gewinns soll nicht
durch steuerliche Überlegungen
beeinflusst werden.
Wie Grafik 3 illustriert, schneidet die
Schweiz mit ihren hohen Icor-Werten ausgesprochen schlecht ab, während beispielsweise
in Irland oder in den USA sehr effizient investiert wird. Dieses Ergebnis ist robust und
hängt nicht davon ab, ob die gesamtwirtschaftlichen Bruttoanlageinvestitionen oder nur die
Ausrüstungsinvestitionen des Unternehmenssektors betrachtet werden. Die Icor der
Schweiz ist zwar in den Neunzigerjahren besonders ungünstig, doch war hierzulande
bereits in den Siebziger- und Achtzigerjahren
eine deutlich höhere Icor als in anderen Industrieländern zu beobachten.
Ansatzpunkte für Reformen
Aus der Diskussion über die zwei Stossrichtungen der Unternehmenssteuerreform
ergeben sich direkt die ökonomischen Anforderungen, die an konkrete Reformschritte der
Unternehmensbesteuerung gestellt werden
müssen (vgl. Kasten 1).
Der Steuerkeil kann verringert werden, indem Steuern gesenkt werden, die auf Stufe
Unternehmen (Gewinnsteuer, kantonale Kapital- und Liegenschaftssteuern, Emissionsabgabe) und/oder auf Stufe Anteilseigner (Einkommenssteuer auf Dividenden und Zinsen,
Steuer auf Kapitalgewinne, persönliche Vermögenssteuern) greifen. Dabei sind Steuersenkungen auf Unternehmensebene im Hinblick
auf Wirtschaftswachstum pro aufgegebenen
Steuerfranken grundsätzlich wirksamer als
Entlastungen auf Stufe Anteilseigner, weil sie
erstens direkt die Investitionsentscheidungen
der Inländer betreffen sowie zweitens ausländische Investitionen anziehen und damit den
Investitionsstandort Schweiz stärken. Steuersenkungen auf Stufe Anteilseigner entlasten
demgegenüber die Ersparnisse, welche die Investitionen nur indirekt beeinflussen und teilweise im Ausland verpuffen.
Eine Verbesserung der Neutralitätseigenschaften erfolgt durch Massnahmen, die eine Annäherung der effektiven Grenzsteuersätze für
Personen- und Kapitalgesellschaften (Rechtsformneutralität) oder für die drei Finanzierungswege (Finanzierungsneutralität) herbeiführen. Ein zentrales Anliegen ist dabei, dass
die Belastungsdifferenz zwischen Selbst- und
Anteilsfinanzierung verringert wird. Eine naheliegende Lösung stellt die Entlastung der
Anteilsfinanzierung dar. Wirksamer ist allerdings eine Annäherung von zwei Seiten, indem die Selbstfinanzierung etwas verteuert
und die Anteilsfinanzierung verbilligt wird.
Die Verteuerung der Selbstfinanzierung ist
also steuersystematisch begründet.
Idealerweise leisten konkrete Reformschritte einen Beitrag zu beiden Stossrichtungen, bauen also den Steuerkeil ab und verbessern gleichzeitig die Neutralitätseigenschaften
des Steuersystems.
Politische Ökonomie
der Unternehmenssteuerreform
Sieht man von Überwälzungsprozessen ab,
betrifft die Unternehmensbesteuerung zunächst den Faktor Kapital. Die Kapitaleigentümer – bzw. die sie repräsentierenden Interessengruppen – streben grundsätzlich eine
Minimierung ihrer Steuerlast an. Als von der
Reform direkt betroffene Steuerpflichtige bilden sie jedoch eine heterogene Gruppe, deren
Grafik 3
Incremental Capital Output Ratio (Icor) auf Basis der Ausrüstungsinvestitionen des Unternehmenssektors
1970–1980
1980–1990
1990–2000
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Australien Belgien Dänemark Deutsch- Finnland
land
FrankGrossIrland
reich britannien
Italien
Japan
Kanada
Neuseeland
Nieder- Norwegen
lande
Österreich
Schweden SCHWEIZ Spanien
USA
Quelle: Daepp, Jeitziner, OECD / Die Volkswirtschaft
24 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Monatsthema
Das Unterinvestitionsproblem betrifft junge,
rasch wachsende Unternehmen. In dieser
Lebensphase erwirtschaften sie im Vergleich
zu ihren Investitionsmöglichkeiten nur wenig
Gewinn und zeichnen sich durch ein hohes
Risiko aus.
Bild: Keystone
Mitglieder von den möglichen Massnahmen
unterschiedlich profitieren und deshalb zum
Teil abweichende Reformschritte bevorzugen.
Reformen lediglich für qualifizierende Beteiligungen spalten diese Gruppe zusätzlich. Zu
berücksichtigen ist auch, dass sich potenzielle
ausländische Investoren im politischen Entscheidungsprozess nicht direkt einbringen –
sie stimmen aber mit den Füssen ab.
Steuersenkungen müssen durch Ausgabenkürzungen oder einer Erhöhung anderer
Steuern kompensiert werden, da eine zusätzliche Verschuldung lediglich eine Verschiebung
der Steuerlast in die Zukunft darstellt.Deshalb
werden sich alle übrigen, von einer Unternehmenssteuerreform nicht direkt angesprochenen Steuerpflichtigen bzw.Interessengruppen
gegen eine Senkung der Steuerlast für Kapitaleigentümer aussprechen, es sei denn, sie profitieren – z.B. dank höheren Löhnen – indirekt
ebenfalls von der Reform.
Die Budgetverantwortlichen ihrerseits sind
bemüht, die Steuerausfälle tief zu halten. Erschwerend wirkt dabei, dass Bund und Kantone
von den Reformmassnahmen unterschiedlich
betroffen sein können und bei manchen Entlastungsmassnahmen vor allem die Kantone
mit Mindereinnahmen rechnen müssten. Allerdings bilden auch die Kantone keinen homogenen Block und befürworten auf Grund
ihrer unterschiedlichen Budgetsituation, ihres
25 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
jeweiligen Steuersubstrats und der politischen
Zusammensetzung der Behörden und ihrer
Wählerschaft verschiedene Massnahmen. In
diesem Zusammenhang stellt sich die Frage,
ob die Reformen auf die Bundesebene begrenzt werden sollten, um Widerstand seitens
der Kantone zu vermeiden.
Im Spannungsfeld der Interessen bleibt für
Effizienz- und Wachstumsüberlegungen wenig Raum. Das Effizienzargument wird zwar
allgemein anerkannt, findet jedoch kaum Anwälte, da Effizienz den Charakter eines öffentlichen Gutes hat. Weiterführen dürfte allenfalls die Klärung der Frage, inwieweit in einer
kleinen offenen Volkswirtschaft der immobile
Faktor Arbeit letztlich ohnehin die Steuerlast
trägt.
Monatsthema
Besteuerung der Kapitalgesellschaften
Im Rahmen der Arbeiten zur Reform der Unternehmensbesteuerung II hat das Staatssekretariat
für Wirtschaft (seco) die Auswirkungen des Steuersystems mit
zehn Schweizer Klein- und Mittelunternehmen (KMU) erörtert.
Der KMU-Test zeigt, wie das
bestehende Steuersystem das
Leben der KMU erschwert – vor
allem, was die Nachfolgeregelung
Die Erörterung von Fragen des bestehenden Steuersystems erfolgte anlässlich der
Lancierung der Reform der Unternehmensbesteuerung II. Besucht wurden zehn KMU
in neun Wirtschaftssektoren und sieben
Kantonen im Sommer 2002. Die Mehrheit
der besuchten Unternehmen waren Kapitalgesellschaften von mittlerer Grösse. Dieser KMU-Test ermöglicht es somit, die Auswirkungen des bestehenden Steuersystems
auf diese Art von Unternehmen zu beleuchten.2
betrifft – und schlägt einige
Verbesserungen vor. Damit wird
die Wichtigkeit einer Reform
unterstrichen.1
Dr. Nicolas Wallart
Leiter Stabsstelle
Regulierungsanalyse,
Direktion für Wirtschaftspolitik, Staatssekretariat
für Wirtschaft (seco),
Bern
KMU und das Steuerwesen
Im Allgemeinen kennen sich die besuchten KMU in Steuerfragen gut aus und verstehen die diesbezüglichen Herausforderungen für ihr Unternehmen. Von den zehn
besuchten Unternehmen haben nur drei angegeben, dass die steuerlichen Aspekte die
Arbeit und die Struktur des Unternehmens
nicht beeinflussten; die sieben anderen erwähnten, dass sie diverse Massnahmen ergreifen, um ihre Steuerbelastung zu senken.
Bei unseren Besuchen haben wir zahlreiche
in rechtlicher und steuerlicher Hinsicht komplizierte Situationen angetroffen, was zeigt,
dass die Komplexität des Steuerrechts auch
auf der Ebene der traditionellen KMU von
Bedeutung ist.
Manchmal wird die Steuererklärung im
Unternehmen selbst ausgefüllt, doch häufig wird auch eine Treuhandgesellschaft damit beauftragt. Im Gegensatz zu anderen
administrativen Arbeiten, die intern erledigt
werden, bewirkt die Komplexität dieses Bereichs, dass die KMU nicht ohne externe Beratung zurechtkommen. So verfügte eines
der besuchten KMU über Verkaufsdepots in
mehreren Kantonen; die Treuhandgesellschaft war damit beauftragt, die Aufteilung
zwischen den Kantonen für die Gewinn- und
Kapitalsteuer zu optimieren. In einem der
besuchten KMU wurde die Arbeit der Treuhandgesellschaft sogar durch einen externen
Steuerexperten ergänzt. Die Zusammenarbeit zwischen den KMU und ihren Treuhandgesellschaften gestaltet sich übrigens
nicht immer einfach: Drei der besuchten
Unternehmen hatten auch schon Schwierigkeiten in dieser Hinsicht.
26 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Wie leben mit der Doppelbesteuerung?
Die Gewinne werden auf der Ebene des
Unternehmens besteuert und die Dividenden
dann ein zweites Mal auf der Ebene des Aktionärs. Diese Doppelbelastung führt zu hohen
Steuersätzen von 50% und mehr. Wir haben
die KMU gefragt, wie sie mit dieser Situation
umgehen.
Von den sieben Unternehmen, welche diese
Frage beantworteten, schüttete nur eines seine
Gewinne direkt an die Aktionäre aus. In zwei
Fällen bestand eine gemischte Lösung, bei der
ein Teil des Geldes in Form von Lohn, ein Teil
in Form von Zinsen für ein Darlehen des Aktionärs und ein Teil in Form von Gewinnen
ausbezahlt wurde.Die vier anderen Unternehmen reinvestierten ihre Gewinne.
Im Allgemeinen schütten die besuchten
KMU wenig Gewinne aus. Die Doppelbesteuerung spielt dabei eine Rolle, auch wenn sie
nicht der einzige Grund war. Die KMU beklagen sich nicht besonders über die Doppelbesteuerung, denn sie haben gelernt, mit ihr
zu leben. Ein Unternehmer fasst die Situation
wie folgt zusammen: «Die Doppelbesteuerung ist nicht allzu störend, denn im Allgemeinen arrangiert man sich, um von ihr nicht
betroffen zu werden.»
Die Methoden, um der Doppelbesteuerung zu entgehen, sind bekannt: Man schüttet
wenige oder gar keine Dividenden aus, investiert Kapital in Unternehmen in Form eines
Darlehens – statt in Form von Aktienkapital –
oder gründet eine Holding. In einer Informatikdienstleistungsfirma erhalten die guten
Angestellten, die zugleich Aktionäre sind,
Boni statt Dividenden. Diese verschiedenen
Methoden ermöglichen es, die Doppelbesteuerung zumindest teilweise zu vermeiden.
Doch diese Ausweichmöglichkeiten sind nur
vorübergehend: Die Probleme tauchen nämlich später bei der Nachfolge wieder auf.
Nachfolge und Gründung von Holdings
Bei der Übertragung von Familienunternehmen ist die Besteuerung eines der Hauptprobleme. Die einfachste Lösung ist der Verkauf des Unternehmens: Die Kapitalgewinne
sind steuerfrei, und der Ertrag kann einfach
unter den Erben aufgeteilt werden. Falls jedoch einer der Erben das Unternehmen wei-
Monatsthema
terführen will, können die Steuerfolgen massiv
sein. Eine von den Experten häufig empfohlene Lösung ist in diesem Fall die Gründung
einer Holding. Zwei Beispiele unter den besuchten KMU illustrieren diese Lösung.
Fall 1
Der Besitzer des Unternehmens M. hat drei
Kinder. Ein Sohn will das Unternehmen weiterführen; die beiden anderen Geschwister sind
daran nicht interessiert. Sie wollen allerdings
auch keine Beteiligung an der AG erben, denn
um die Doppelbesteuerung zu vermeiden,wird
die ausgeschüttete Dividende null sein. Nach
der Beratung durch eine Treuhandgesellschaft
und einen Anwalt gründen M. und sein Sohn
eine Holding, der die AG untergeordnet wird.
Der Sohn kauft der Holding allmählich die Aktien der AG ab. Ohne hier ins Detail gehen
zu können, ermöglicht diese Konstruktion
einen allmählichen Übergang des KMU an den
Nachfolger ohne allzu hohe Steuerkosten.
Fall 2
Das Familienunternehmen R. wird von
zwei Brüdern geleitet. Einer von ihnen wollte
sich aus dem Geschäft zurückziehen und einen
Teil seiner Aktien dem anderen übertragen.
Gemäss dem Rat von Experten wurden zwei
Holdinggesellschaften gegründet, denen die
AG untergeordnet wurde. Das Bankdarlehen
wird durch die eine Holding aufgenommen;
die Dividenden der AG werden in die Holding
weitergeleitet, welche die Zinsen der Bank
bezahlt. Eine einfachere Lösung mit einem
privaten Darlehen wäre aufgrund der Doppelbesteuerung nicht von Vorteil gewesen.
Bei den Unternehmensbesuchen hat sich
gezeigt, dass das Phänomen der Holdinggesellschaften keine Randerscheinung ist, sondern
viele KMU betrifft. Häufig treten Holdinggesellschaften bei Nachfolgeregelungen in Erscheinung wie bei den beiden hier angeführten
Beispielen. Selbst unter den KMU, die keine
Holding als Kapitalgeber hatten, liessen einige
eine Studie durch ihre Treuhandgesellschaft
ausführen, um zu sehen, ob es von Interesse
wäre, eine zu gründen. Unter steuerlichen Gesichtspunkten sind die Holdinggesellschaften
sehr vorteilhaft.
Nachteile einer Holdinggesellschaft
1 Den Herren Angelo Digeronimo und Dr. Jean-Blaise
Paschoud (beide von der Eidg. Steuerverwaltung) sowie
Dr. Peter Balastèr (seco) sei hier für ihre Anregungen
und Kommentare gedankt.
2 Zahlreiche Kommentare wurden von den KMU zu Fragen
der Mehrwertsteuer abgegeben. Sie überschneiden sich
weit gehend mit den Feststellungen eines kürzlich
durchgeführten KMU-Tests zu den staatlichen Kontrollen (vgl. «Staatliche Kontrollen und Auflagen für KMU»,
in: Die Volkswirtschaft, 03/2004, S. 54–58) und werden
hier nicht behandelt.
Die Tatsache,dass die Steuern die KMU dazu drängen, sich in Form von Holdinggesellschaften zu organisieren, bringt auch zahlreiche Nachteile mit sich. Wie ein Unternehmer
erwähnte, erlaubt das Bestehen einer Holding
nicht die Vermeidung der Steuern, sondern
nur die zeitliche Verschiebung der Steuerlast.
Zum Zeitpunkt der Liquidation der Holding
kommt die Doppelbesteuerung nämlich wieder voll zum Tragen. Um diese grosse Steuer-
27 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
belastung zu vermeiden, ist der Besitzer versucht, seine Firma so lange wie möglich zu behalten; so wird sie zu einem so genannten
«vollen Portemonnaie», das wegen der schwebenden Steuerlast nur mit Einschlag an neue
Besitzer verkauft werden kann.
Ausserdem stellt sich auch die Frage der
Kosten. Ein besuchtes KMU hat erwähnt, dass
die Gründung der Holding fast 100 000 Franken gekostet habe. Die Tatsache, dass das KMU
in Form von mehreren verschiedenen Gesellschaften organisiert ist, bringt auch höhere
Kosten für die Buchprüfung, die Schaffung
oder die Liquidation von Gesellschaften (Anwaltskosten, Stempelabgabe, Handelsregister),
für die Steuererklärung usw. mit sich.
Das Fehlen eines Holdingrechts im Gesellschaftsrecht könnte mit der zunehmenden
Bedeutung dieser Gesellschaften unter den
KMU ebenfalls problematisch werden. Die
Holdings sind im Steuerrecht definiert, doch
es besteht im Gesellschaftsrecht kein spezifisches Recht für diese Rechtsform. Es gibt
auch keine Holdingstatistiken auf Bundesebene.
Schliesslich ist die Holdingkonstruktion
auch dem Geschäftsgang nicht unbedingt förderlich. Die Holdingstrukturen sind weniger
transparent als die einfacheren Unternehmensstrukturen. Die Möglichkeiten der Finanzierung einer Gesellschaft durch eine andere derselben Gruppe, des Transfers von
Kosten und Gewinnen von einer Gesellschaft
zur andern oder der Umwandlung von
Fremdkapital (bei den Holdings) in Eigenkapital (bei den Beteiligungsgesellschaften) tragen dazu bei, dass die reelle Unternehmenssituation verschleiert wird.So wurden in einem
besuchten KMU die Direktoren von einer AG
bezahlt, obwohl sie auch für eine andere zur
selben Holding gehörende AG tätig waren.
Komplizierte Restrukturierungen
Der KMU-Test erfolgte vor dem In-KraftTreten des Fusionsgesetzes, von dem man nun
noch praktische Erfahrungen abwarten muss.
Auch wenn sich die Lage mit dem In-KraftTreten dieses Gesetzes verbessert hat, sind gewisse Probleme, wie die indirekte Teilliquidation, noch nicht gelöst und komplizieren nach
wie vor die Restrukturierungen.
Die Falle der indirekten Teilliquidation
Im Rahmen des Steuersystems, welches die
Doppelbesteuerung der Dividenden mit der
fehlenden Besteuerung der Kapitalgewinne
verbindet, mussten besondere Regulierungen
entwickelt werden, um zu verhindern, dass die
Investoren von dieser Lücke profitieren und
sich der Besteuerung entziehen. Eines dieser
Konzepte ist die indirekte Teilliquidation.
Monatsthema
Bei den Unternehmensbesuchen von Vertretern des seco wurden zahlreiche in rechtlicher
und steuerlicher Hinsicht komplexe Situationen ermittelt. Dies betrifft gerade auch
die KMU, welche für ihre Steuererklärungen
häufig auf eine externe Beratung zurückgreifen müssen.
Bild: Keystone
Das Unternehmen N. hat kürzlich eine
kleine AG aufgekauft, welche Liquidität angehäuft hatte.Um die Falle der indirekten Teilliquidation zu vermeiden, musste aus Steuergründen diese Liquidität während fünf Jahren
blockiert bleiben. Zugleich brauchte das Unternehmen N. jedoch Geld; es sah sich in der
Folge gezwungen, ein Bankdarlehen zu einem
höheren Zins aufzunehmen. Als sich später
eine weitere Kaufgelegenheit bot, verzichtete
dieses KMU darauf, denn das zum Verkauf
stehende Unternehmen hatte ebenfalls für
sein Geschäftsfeld zuviel Liquidität – und
damit zu hohe schwebende Steuerlasten –
akkumuliert.
Einiges deutet darauf hin, dass viele Eigentümer ihr Unternehmen aus steuerlichen
Gründen nicht verkaufen können. Die 5-jährige Wartefrist könnte indes abgeschafft
werden, wenn eine Besteuerung der Kapitalgewinne eingeführt würde. Die heutige Regelung hat sehr widersprüchliche Auswirkungen. Die Doppelbesteuerung bildet einen
Anreiz, Kapital in den Unternehmen zu belassen. Dasselbe Steuersystem macht es jedoch
wegen der Falle der indirekten Teilliquidation
schwierig, bei angehäufter Liquidität Unternehmen dem bestgeeigneten Nachfolger zu
verkaufen.
Schwierige Management-Buy-outs
3 Für eine detailliertere Beschreibung des Reformprojekts
siehe Artikel Digeronimo, S. 10f., dieser Ausgabe.
Eine andere Auswirkung des heutigen
Steuersystems ist folglich die Erschwerung
der Management-Buy-outs (MBO). Ein MBO
kann nämlich vielfältige Steuerfolgen nach
sich ziehen: Besteuerung der infolge der Re-
28 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
strukturierung erzielten Immobiliengewinne,
eventuelle Steuerfolgen einer Aufspaltung bei
rascher Liquidation eines der neu geschaffenen
Unternehmen sowie Konsequenzen für die
Manager. Wenn diese ein Darlehen aufnehmen, um das Unternehmen zu kaufen, haben
sie Mühe, die Zinsen des Darlehens mit den
Dividenden zu bezahlen, da diese durch die
Doppelbesteuerung belastet werden. Das folgende Beispiel illustriert diese Situation:
Die von einem Familienunternehmen angestellten Direktoren machen sich Sorgen um
ihre Zukunft. Der Eigentümer des Unternehmens ist über 65 Jahre alt, und sein Sohn hat
kein Interesse am Familienunternehmen. Sie
befürchten, dass beim Rückzug des gegenwärtigen Hauptaktionärs das Unternehmen an
einen Konkurrenten verkauft wird, der nicht
zwei «Direktionsmannschaften» braucht. So
schlagen die Direktoren dem Eigentümer vor,
das Unternehmen in eine Betriebsgesellschaft
und eine Immobiliengesellschaft aufzuteilen
und die Betriebsgesellschaft zu kaufen. Um
auch die Immobilien zu kaufen, fehlen ihnen
die Mittel. Der Eigentümer hat den Vorschlag
abgelehnt. Bei der Integration einer anderen
in seinem Besitz befindlichen Gesellschaft in
sein Hauptunternehmen war er nämlich von
einer Treuhandgesellschaft schlecht beraten
worden, was zu einem Verlust von einer halben Million Franken führte.Heute zieht er nur
noch Lösungen mit klaren Steuerfolgen in
Erwägung, d.h. den einfachen Verkauf seines
ganzen Unternehmens (Betrieb und Immobilie) in einer einzigen Transaktion.
Restrukturierungen und Immobilien
Die Immobilien verursachen bei Restrukturierungen besondere Schwierigkeiten. Zunächst bestehen gleichzeitig zwei Systeme für
die Besteuerung der Immobilien, das monistische und das dualistische System.Das dualistische System tritt zudem in Wechselwirkung
mit der Doppelbesteuerung, wenn Immobiliengewinne als Unternehmensgewinn besteuert werden. Ausserdem bringen die von den
Kantonen erhobenen Handänderungssteuern
Kosten mit sich, welche die Unternehmen oft
nicht zu zahlen gewillt sind. Schliesslich befinden sich in der Praxis die Immobilien oft im
Besitz von Immobiliengesellschaften, welche
sich nicht ohne Steuerfolgen auflösen lassen.
Mehrere der besuchten KMU haben bei
einer Restrukturierung solche Schwierigkeiten erlebt. So hat etwa ein in Form einer Holding organisiertes KMU aus der Westschweiz
von seinen Restrukturierungsplänen berichtet, welche den Transfer von Immobilien von
einer Immobiliengesellschaft an eine andere
Gesellschaft beinhaltet hätten. Aufgrund der
Handänderungssteuer und einer möglichen
Besteuerung der Immobiliengewinne hat das
Monatsthema
Unternehmen auf die Restrukturierung verzichtet und eine ungeeignete Unternehmensstruktur beibehalten. Laut dem Finanzchef
eines der besuchten KMU ist es höchste Zeit,
die Besteuerung der Immobilien gesamtschweizerisch zu regeln.
Schwierigkeiten
aufgrund des Föderalismus
Progressive Gewinnsteuer besteht weiterhin in
mehreren Kantonen
In den Kantonen, die noch den progressiven Tarif für die Gewinnsteuer anwenden,
liegt es im Interesse der KMU, bedeutende Gewinne über mehrere Jahre zu verteilen, um die
Progression zu brechen. Ein Basler KMU beschwert sich über diese Tatsache. Ein Waadtländer KMU begrüsst seinerseits die Tatsache,
dass sein Kanton zum proportionalen Satz
übergegangen ist, was die Geschäftsführung
wesentlich vereinfacht.Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erscheint es denn auch logisch,
dass die betroffenen Kantone rasch zur proportionalen Gewinnsteuer übergehen sollten.
Kapitalsteuer als Kostenfaktor
Aufgrund von Art. 2 des Bundesgesetzes
über die Harmonisierung der direkten Steuern
der Kantone und Gemeinden (StHG) sind die
Kantone verpflichtet, eine Kapitalsteuer zu erheben. Zwei der besuchten KMU erwähnen,
dass diese Steuer ein Kostenfaktor ist und zudem eine administrative Belastung mit sich
bringt. Es bestehen aber noch andere Schwierigkeiten.
Zunächst ist diese Steuer problematisch,
wenn sich das Unternehmen in einem schlechten Jahr befindet. Es erzielt nicht nur keinen
Gewinn, sondern muss auch noch einen hohen
Steuerbetrag bezahlen. Ferner hebt ein Unternehmen hervor, dass die Verluste aus früheren
Geschäftsjahren nicht vom Eigenkapital abgezogen werden können. Zudem kommt es häufig vor, dass das Kapital mehrmals besteuert
wird. So haben wir etwa einen Verantwortlichen einer Gesellschaft getroffen, die eine
andere übernommen hatte. Das Kapital der
übernommenen Gesellschaft wurde somit
drei Mal besteuert: Zum einen auf der Ebene
jeder einzelnen Gesellschaft und zum andern
auf der Ebene des Vermögens des Aktionärs.
Die Kapitalsteuer wurde auf Bundesebene
abgeschafft. Es wäre zweckmässig, auch die
Verpflichtung der Kantone, die im StHG verankert ist, aufzuheben.
Steuerharmonisierung fortsetzen
Von den besuchten Unternehmen sind
manche nur in einem Kanton tätig. Andere
wiederum sind in mehreren Kantonen aktiv,
was einige Komplikationen mit sich bringt. So
29 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
haben wir zwei KMU besucht, für welche die
Tätigkeit auf dem Gebiet mehrerer Kantone
eine Aufteilung der Gewinne zwischen den
Kantonen notwendig machte, um die Steuerbelastung zu minimieren. In einem der Fälle
war eine Treuhandgesellschaft mit dieser Aufteilung beauftragt.
Die besuchten KMU beklagen sich nicht
besonders über diese Situation: Einerseits
bringt sie einen zusätzlichen administrativen
Aufwand mit sich, andererseits profitieren sie
aber auch davon, da sie weniger Steuern bezahlen. Aus wirtschaftlicher Sicht jedoch stellen die durch die unterschiedlichen Systeme
in den verschiedenen Kantonen verursachten
Komplikationen einen wesentlichen Kostenfaktor für die gesamte Volkswirtschaft dar,
so etwa verlorene Zeit der Buchhalter sowie
Kosten für Steuerexperten und Treuhandgesellschaften. Die Steuerharmonisierung ist
im Gang. Es ist wichtig für die Unternehmen,
diese Arbeiten zügig voranzutreiben.
Auswirkungen des KMU-Tests
Das Forum KMU hat die Arbeiten zur Reform der Unternehmensbesteuerung genau
verfolgt. Zunächst hat es im Jahr 2001 zum Bericht der Expertenkommission Stellung genommen; dann hat es sich auch mit den Resultaten des KMU-Tests des seco befasst. Als
das Vernehmlassungsverfahren eröffnet wurde, hat sich das Forum im Februar 2004 erneut
in das Thema vertieft und auf der Grundlage
seiner früheren Arbeiten Stellung bezogen.
In seiner Stellungnahme, die auf der Webseite unter www.forum-kmu.ch abrufbar ist,
spricht sich das Forum für Modell 1 der drei in
Vernehmlassung gegebenen Modelle aus. Dieses
Modell sieht vor, dass bei qualifizierten Beteiligungen, wenn die Option ausgeübt wird, die
Dividenden und Veräusserungsgewinne im
Umfang von 60% zu den geltenden Tarifen besteuert werden.3 Dieses Modell bedeutet für
die Investoren, die sich für die Ausübung der
Option entscheiden, einen Paradigmawechsel
im Vergleich zum bestehenden System.
Indem der KMU-Test zahlreiche Probleme
des heute gültigen Steuersystems aufgezeigt
hat, die den Nicht-Eingeweihten nicht immer
bekannt sind, hat er es ermöglicht, die Notwendigkeit der Reform besser zu verstehen.
Aufgezeigt wurden insbesondere die Nachteile
der legalen Umgehung der heutigen Doppelbesteuerung von ausgeschütteten Dividenden
durch aufwendige Holdingstrukturen oder
durch Verharren in betriebswirtschaftlich sub
optimalen Verhältnissen.
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Wachstum und Beschäftigung
dank der Unternehmenssteuerreform II
Nach der Ablehnung des Steuerpakets durch das Volk am 16. Mai
2004 braucht die Schweiz mehr
denn je eine gezielte Steuerreform zugunsten von Wachstum
und Beschäftigung. Unter diesem
Gesichtspunkt ist die anstehende
Unternehmenssteuerreform II zu
beurteilen. Angesichts der grossen Bedeutung für die Wirtschaft
ist zu hoffen, dass der Bundesrat
– auf der Grundlage der Vernehmlassungsresultate – das Geschäft
so ausgestaltet, dass ein rasches
Vorankommen ermöglicht wird.
Nur wenn diese Reform angemessen gestaltet wird, kann sie
der Schweiz zu wirtschaftlichen
Fortschritten verhelfen.
Die Schweiz kennt als eines der letzten Länder der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) eine
wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne: zuerst auf Stufe der Unternehmen und
anschliessend als Einkommen des Aktionärs
bei der Dividendenausschüttung. Die Gewinnsteuer (ebenso wie die Kapitalsteuer) stellt gewissermassen die erste Stufe der endgültigen
Besteuerung der Gewinne und Investitionen
von natürlichen Personen dar. Deshalb ist eine
integrierte Sicht der Gesamtsteuerlast erforderlich. Je höher die Steuersätze für natürliche
und juristische Personen sind, desto gravierender ist das Problem der Doppelbesteuerung.
Das heutige Steuersystem der Schweiz besitzt
zwar positive Aspekte in Fällen, wo keine
Gewinnausschüttung erfolgt. Bei einer Ausschüttung hingegen verursacht die doppelte
Besteuerung der Gewinne verschiedene Wettbewerbsverzerrungen: Sie benachteiligt Kapitalgesellschaften, fördert die Finanzierung
mit Fremd- statt Eigenkapital, behindert die
Finanzierung durch Kapitalerhöhungen gegenüber der Selbstfinanzierung und bremst
schliesslich durch erhöhte Kapitalkosten die
Investitionstätigkeit der Firmen. Letzteres betrifft vor allem KMU und junge Unternehmen.
Langer politischer Prozess
Im Jahr 2000 legte Economiesuisse ein
Steuerkonzept vor. Es enthielt die Forderungen der Wirtschaft im Hinblick auf die anstehende Erneuerung der Finanzordnung. Bei
den vorgeschlagenen Massnahmen wurde speziell auf das Problem der Doppelbesteuerung
von Unternehmensgewinnen hingewiesen.
Bereits damals wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es als Kompensation einer allfälligen Milderung der Doppelbesteuerung nicht
zur gleichzeitigen Einführung einer kontra-
Dr. Pascal Gentinetta
Mitglied der Geschäftsleitung, Economiesuisse,
Zürich
30 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
produktiven Beteiligungsgewinnsteuer kommen darf. Auch das Parlament befasste sich
mit dieser Problematik. So wurden in den
letzten Jahren mehrere parlamentarische Vorstösse – insbesondere die Motionen Schweiger
und WAK-NR – verabschiedet,die im Wesentlichen die Abschaffung oder Milderung der
wirtschaftlichen Doppelbelastung forderten.
Schliesslich lancierte die CVP-Fraktion eine
parlamentarische Initiative mit ähnlicher
Stossrichtung.
Der Bundesrat griff die wiederholten Forderungen von Wirtschaft und Parlament auf
und veranlasste zwei Expertenberichte: Der
erste beleuchtete die Frage der rechtsformneutralen Besteuerung; der zweite fragte nach
den wirtschaftlichen Effekten einer Steuerreform.Die im Auftrag der Verwaltung von Prof.
Keuschnigg verfasste Studie zeigte auf, dass
beträchtliches Kapital in Unternehmen – vor
allem in KMU – gewissermassen steuerbedingt schlummert, um der massiven Doppelbesteuerung der Gewinne zu entgehen,
statt dass es ausgeschüttet und in anderen Bereichen der Wirtschaft wachstumsträchtiger
reinvestiert wird. Durch eine Milderung oder
vollständige Abschaffung dieser Doppelbesteuerung könnte eine effizientere Allokation
des Kapitals im Wirtschaftskreislauf gefördert
werden. Dadurch würde das Wirtschaftswachstum begünstigt und die Attraktivität
des Wirtschaftsstandorts Schweiz für Schweizer Anleger gesteigert. Bei einer tiefen Teilbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne und
bei einem gleichzeitigen Verzicht auf die investitionshemmende Besteuerung der Beteiligungsgewinne wäre der Wachstumsimpuls
umso grösser.
Die Wirtschaft ist für ein «Modell 3+»
Unter diesen Gesichtspunkten haben die
drei offiziellen, vom Bundesrat vorgestellten
Varianten zur Unternehmenssteuerreform
nur sehr bescheidene Auswirkungen auf die
Faktoren Wachstum und Beschäftigung. Economiesuisse setzt sich deshalb entschlossen
für ein optimiertes «Modell 3+» mit einer Teilbesteuerung von maximal 50% ein. Dieses
Modell ist mit dem in Deutschland und in
einigen Kantonen geltenden Modell vergleichbar. Gegenüber dem vom Bundesrat ursprünglich favorisierten Modell 1 erlaubt das «Mo-
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Grafik 1
Effektive Besteuerung von Dividendeneinkommen
Zustand 2003 und Veränderung 2000–2003
70
Hoher Satz
Japan
Dänemark
Frankreich
Ungarn
Kanada
Niederlande
Schweiz (ZH)
USA
Spanien
Irland
Türkei
Portugal
Luxemburg
60
Grossbritannien
Deutschland
Österreich
Schweden
Australien
50
Korea
Italien
Belgien
Tschechische Republik
Abnahme
Zunahme
Effektiver Satz 2003 (in Prozent)
Neuseeland
Mexiko
40
Slowakei
Griechenland
30
Finnland
Norwegen
Island
Tiefer Satz
–25
–20
–15
–10
–5
0
20
5
Berücksichtigung der tariflichen Steuerautonomie der Kantone umgesetzt werden. Das
Modell ist auch am einfachsten umzusetzen:
Im Gegensatz zu den Modellen 1 und 2 verkompliziert es das bestehende System nicht,
indem es verschiedene Beteiligungsarten ungleich behandelt und dadurch Diskriminierungen schafft und Verzerrungen hervorruft.
Mit Blick auf die Beseitigung der sog. «Ärgernisse» (indirekte Teilliquidationen usw.) sollten den Steuerverwaltungen im Interesse der
Rechtssicherheit klare gesetzliche Anweisungen für eine liberale Handhabung in der Praxis gegeben werden. Die kürzliche Praxisverschärfung durch das Bundesgericht bei der
Erbenholding stellt eine gravierende Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz
im «Private Equity»-Bereich dar. Die Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer würde es
nachgerade verunmöglichen, die von Verwaltung und Bundesgericht verursachten «Ärgernisse» zu beseitigen; durch eine ungerechte
Bestrafung anderer Steuerzahler würden sie
im Gegenteil im System zementiert.
Satzveränderung 2000–2003 (in Prozentpunkten)
Anmerkung: Berücksichtigt wurde der effektive Steuersatz auf ausgeschütteten
inländischen Gewinnen an einen inländischen Aktionär.
Quelle: OECD / Die Volkswirtschaft
Kasten 1
Intern. Steuersysteme in Bewegung
Internationalen Vergleiche der OECD bestätigen, dass die effektive Steuerlast des
Investors in der Schweiz nicht mehr wettbewerbsfähig ist, wenn man die Dividendenbesteuerung beim Einkommen berücksichtigt (vgl. Ordinatenachse der Grafik 1). Die
Schweiz kann in diesem Bereich mit einem
der hintersten Plätze nicht zufrieden sein.
Die USA, die eine ähnliche Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne wie die
Schweiz kannten, haben ihr System kürzlich
geändert und die wirtschaftliche Doppelbelastung erheblich reduziert. Viele OECDLänder haben seit längerem bereits vergleichbare Massnahmen ergriffen. Das Resultat ist eine internationale Dynamik, die auf
eine teilweise erhebliche Verringerung der
effektiven Dividendenbesteuerung hinausläuft (vgl. Abszissenachse der Grafik).
Gleichzeitig ist auch ein internationaler
Trend zur Verringerung der Steuerbelastung
auf Stufe der Gesellschaften (juristische Personen) zu verzeichnen. Auf diesem Gebiet verfügt die Schweiz zwar nach wie vor über eine
günstige Ausgangslage – bei grossen Unterschieden je nach Kanton –, die Herausforderung besteht indes darin, die führende Stellung zu verteidigen. Der Beitritt der steuerlich
sehr wettbewerbsfähigen osteuropäischen
Staaten zur Europäischen Union lässt einen intensiveren Steuerwettbewerb im europäischen
Wirtschaftsraum erwarten. Die Schweiz muss
diese neue Dimension bei der Beurteilung ihrer Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigen. Sie
täte gut daran, den ihr zur Verfügung stehenden Spielraum zur Wahrung günstiger steuerlicher Rahmenbedingungen auszunutzen.
dell 3+» etwa eine Vervierfachung der Wachstums- und Beschäftigungswirkung. Dies ergibt sich aus dem kumulierten Effekt folgender drei Anpassungen:
– Tiefere Teilbesteuerung der Dividenden von
max. 50%. Das bedeutet eine stärkere Milderung der Doppelbelastung und eine weitere Verringerung der Kapitalkosten;
– Ausdehnung der Steuerentlastung auf alle
Kategorien von Dividenden, unabhängig
von deren Betrag oder irgendwelcher willkürlicher Beteiligungsquoten und damit
keine ungerechtfertigte Diskriminierung
zwischen den verschiedenen Arten von Beteiligungen;
– Verzicht auf die Einführung einer investitionshemmenden Beteiligungsgewinnsteuer, die sich negativ auf Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und öffentliche
Finanzen auswirken würde.
Das «Modell 3+» ist auch aus Sicht der öffentlichen Finanzen tragbar,da sich die Reform
zum grossen Teil selbst finanzieren dürfte.
Denn in einer ersten Phase ergeben sich Mehreinnahmen aus einer höheren Dividendenausschüttungsquote und in einer zweiten Phase
von der Reform ausgelöste merkbare Wachstumsimpulse, was zu höheren Steuereinnahmen führen wird. Um allfälligen finanziellen
Restriktionen Rechnung zu tragen, kann die
Reform zeitlich gestaffelt und zudem unter
31 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Langfristperspektiven
Die Unternehmenssteuerreform nach dem
«Modell 3+» wäre rasch und einfach umsetzbar. Längerfristig gilt es, die vollständige Aufhebung der Doppelbesteuerung anzustreben
und gleichzeitig darüber nachzudenken, wie
allfällig verbleibende Finanzierungsverzerrungen im heutigen System beseitigt werden können. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen
und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu
verbessern, müsste über einen radikalen Umbau des aktuellen Systems der Unternehmensbesteuerung nachgedacht werden. Zur Sicherstellung der Kohärenz einer solchen Reform
wären insbesondere folgende Punkte zu prüfen: die ökonomische Berechtigung des Prinzips der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit;
die Voraussetzungen für eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung; die Rolle der
Vermögenssteuer im Steuersystem; sowie die
Art der Gegenfinanzierung einer solch tief
greifenden Systemreform.
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Verzichten, weil de facto zu kostspielig
Die Befürworter einer neuen Reform der Unternehmensbesteuerung verfolgen unterschiedliche
Ziele. Der Schweiz. Gewerbeverband (SGV) und Economiesuisse
wollen die Besteuerung der Unternehmen bzw. die von deren
Besitzern verringern. Economiesuisse ist vor allem die so genannte «Doppelbesteuerung»
der Gewinne von Kapitalgesellschaften ein Dorn im Auge. Umgekehrt will der SGV in erster
Linie die Besteuerung von Personengesellschaften reduzieren.
Dem Bundesrat hingegen geht
es vor allem darum, negative Anreize (Verzerrungen) im Steuersystem zu beseitigen. Wo derart
viele Ziele gleichzeitig verfolgt
werden, droht eine Vorlage teuer
zu werden.
Marsch in den Lohnsteuerstaat
Der finanzpolitische Hintergrund darf bei
solchen Reformen nicht ausser Acht gelassen
werden. Der Bund schiebt ein strukturelles Defizit von 1 bis 2 Mrd. Franken vor sich her. Dieses sollte in den nächsten Jahren abgebaut werden. Zudem wurden in den letzten 15 Jahren
die indirekten Steuern aller Art ständig erhöht,
was in erster Linie die Lohneinkommen belastet hat. Jede Entlastung der Unternehmen oder
der Kapitaleinkommen bei der Besteuerung
führt somit zumindest indirekt zu einer Mehrbelastung der Lohneinkommen, und zwar entweder durch Lohnprozente, direkte Steuern
oder durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Das wird am neuen Entlastungsprogramm
2004 sichtbar: Der Bund will zur Defizitbekämpfung seine Beiträge an die Arbeitslosenund die (hoch verschuldete) Invalidenversicherung reduzieren. Beides führt zu mehr
Lohnprozenten oder allenfalls zu zusätzlichen
Mehrwertsteuerprozenten, weil der Defizitabbau bei den Sozialversicherungen erschwert
wird. Mit anderen Worten: Die Reform der
Unternehmungsbesteuerung muss bezüglich
der Einnahmen neutral ausfallen.Sonst wird –
was inakzeptabel ist – die Belastung der Lohnempfänger verstärkt. Mindestens müssen allfällige Steuerausfälle sehr gut begründet sein.
Das sind sie im Falle der vorgeschlagenen Reform nicht.
International vergleichsweise
geringe Belastung der Unternehmen
Die erste Spalte in Tabelle 1 bestätigt, dass
die Unternehmen in der Schweiz vergleichsweise wenig belastet werden. Das Bild bleibt
vorteilhaft, wenn die Arbeitgeberbeiträge an
Sozialversicherungen und Kapitalsteuer be-
Dr. Serge Gaillard
Geschäftsleitender
Sekretär, Schweizerischer
Gewerkschaftsbund
(SGB), Bern
32 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
rücksichtigt werden (zweite Spalte). Die Zahlen der OECD würden noch vorteilhafter aussehen, wenn die aktualisierten Daten der Nationalen Buchhaltung verwendet würden,
die besser mit dem Ausland vergleichbar sind.
Allerdings ist einzuräumen, dass zwischen
den Kantonen erhebliche Unterschiede in der
Steuerbelastung bestehen und es durchaus
Kantone mit Handlungsbedarf geben kann.
Um trotzdem Gründe zu finden, die Steuerbelastung für Unternehmen zu senken, wird
mit der angeblichen «Doppelbelastung» der
Gewinne bei Aktiengesellschaften argumentiert. Es sei nicht gerecht, dass die Gewinne
einmal innerhalb des Unternehmens und dann
wieder bei der Ausschüttung versteuert würden. Dabei wird übersehen, dass die Unternehmen die öffentliche Infrastruktur ebenfalls beanspruchen und von den öffentlichen
Gütern wie der Sicherheit, dem Verkehrs- und
Ausbildungssystem profitieren. Das spricht
dafür, dass sie sich an der Finanzierung der
öffentlichen Dienstleistungen beteiligen. Bei
dieser Finanzierung steht weniger das Prinzip
der Leistungsfähigkeit als eben jenes der Beteiligung an der Abgeltung öffentlicher Dienstleistungen im Vordergrund. Deshalb macht es
keinen Sinn, die Gewinnsteuersätze nach der
Rentabilität abzustufen, wie dies in einigen
Kantonen noch geschieht. Eine proportionale
Besteuerung der Gewinne, wie sie der Bund
kennt, ist jedoch gerechtfertigt.
Entlastung der Aktionäre?
Ohnehin will der Bundesrat nicht die Gewinnsteuersätze für die Unternehmen, sondern die Steuersätze auf den Dividenden reduzieren. Damit werden nicht die Gewinne
begünstigt, die wieder investiert werden, sondern diejenigen, die an die Aktionäre ausbezahlt werden. Es profitieren also nicht die Unternehmen, sondern die Investoren. Womit
könnte eine solche Massnahme begründet
werden? Sie wäre zu erwägen, falls die Kapitalerträge steuerlich stärker belastet würden als
die Lohneinkommen. Das Umgekehrte ist jedoch der Fall, und die Tendenz ist eindeutig:
Ein immer grösserer Teil der Steuereinnahmen
belastet die Lohneinkommen. Der grössere
Teil der Gewinne wird in den Unternehmen
zurückbehalten, was den Wert der Unternehmung und damit der Beteiligungen erhöht.
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Tabelle 1
Direkte Unternehmenssteuern und -abgaben, 2001
(in % des BIP)
Land
Gewinnsteuer
Total
3.1
3.7
Irland
3.6
6.4
Schweiz
3.1
7.0
USA
1.9
7.1
Deutschland
0.6
8.1
Japan
3.5
8.7
Grossbritannien
3.5
8.9
Niederlande
4.1
9.4
Belgien
3.6
12.3
Österreich
3.1
13.1
Frankreich
3.4
17.8
3.5
10.3
Dänemark
OECD
a
EU a
a Ungewichtetes Mittel.
3.6
11.3
Quelle: OECD (2003) / Die Volkswirtschaft
Diese Wertsteigerungen bleiben steuerfrei,
weil die Schweiz keine Kapitalgewinnsteuer
kennt.
Eine andere Motivation könnte sein, dass in
der Schweiz zu wenig Risikokapital vorhanden
wäre. Durch eine geringere Besteuerung der
Dividendeneinkünfte könnte die Attraktivität
von Anlagen in Aktien erhöht werden. Dem
Autor sind keine Studien bekannt, welche für
die Schweiz einen solchen Mangel an Eigenkapital für die Unternehmen nachweisen würden.
Es ist nicht einsichtig, weshalb die Dividendenerträge nur noch teilweise versteuert werden
sollten. Eine solche Massnahme dürfte auch
unter dem Gesichtspunkt des Standortwettbewerbs nicht sehr hilfreich sein. Ausländische
Investoren, die ihre Kapitalerträge aus der
Schweiz nach ausländischem Recht versteuern,
würden nämlich nicht entlastet.
Verzerrungen im Steuersystem?
Dem Bundesrat geht es nicht in erster Linie
um eine Senkung der Unternehmenssteuern.
Er will Verzerrungen beseitigen. Das wirtschaftliche Verhalten soll nicht von der Ausgestaltung der Steuern beeinflusst werden. Solche Verzerrungen gibt es tatsächlich.Niemand
kann etwas dagegen haben, diese zu beseitigen. Gewisse Tatbestände sollten stärker, andere weniger belastet werden. Steuerausfälle
müssten damit nicht verbunden sein. Leider
sind aber Steuerreformen ohne -ausfälle im
heutigen politischen Klima unrealistisch. Vielmehr werden sich die Steuersenkungswünsche
kumulieren. Deshalb ist die Frage erlaubt, ob
die Verzerrungen so gravierend sind, dass sie
eine Steuerreform rechtfertigen. Diese Frage
kann verneint werden. Das zeigt ein Blick auf
die zwei wichtigsten Verzerrungen im Bereich
der Unternehmenssteuern.
33 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Verzerrung Nr. 1: Die Gewinne werden bei
den Kapitalgesellschaften «doppelt», bei den
Personengesellschaften «einfach» versteuert.
Folglich seien die Kapitalgesellschaften gegenüber den Personengesellschaften benachteiligt. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass die
Verhältnisse nicht so einfach sind. Einerseits
werden bei den Kapitalgesellschaften nur die
ausgeschütteten Gewinne «doppelt» versteuert;
andererseits muss die Personengesellschaft auf
ihren Erträgen/Einkommen Beiträge an die
AHV entrichten. Diese zwei Faktoren führen
dazu, dass die Kapitalgesellschaften steuerlich
sogar besser fahren als die Personengesellschaft, wenn Erstere nicht einen zu grossen
Teil (bis rund zwei Drittel) der Erträge ausschütten. Zudem hat die Kapitalgesellschaft
einen grossen Gestaltungsspielraum für die
Bestimmung der Gewinne (Abschreibungen).
Besitzer können auch Kredite an die eigene
Firma gewähren, was die Gewinne verringert
(Zinszahlungen etc.). Ohnehin ändert die vom
Bundesrat vorgeschlagene Variante an dieser
Ungleichbehandlung nicht allzu viel.
Verzerrung Nr. 2: Die stärkere Besteuerung
der ausbezahlten Gewinne gegenüber den zurückbehaltenen stellt für die Unternehmen
einen grossen Anreiz dar, Gewinne im Unternehmen zu halten und nicht auszuschütten.
Zurzeit wird dieser «Lock-in»-Effekt von den
Ökonomen eher negativ beurteilt. Umgekehrt
wurde früher immer darauf hingewiesen, dass
dieser Anreiz für eine hohe Selbstfinanzierung
die Investitionstätigkeit nachhaltig stimuliere.
Zudem seien Unternehmen mit grossen Reserven in Krisenzeiten resistenter. Gleichwohl machte der Bundesrat mit der Variante 1
einen Vorschlag, wie diese Ungleichbehandlung der ausgeschütteten und zurückbehaltenen Gewinne beseitigt werden könnte: Mit der
Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer
würden auch die zurückbehaltenen Gewinne
(später) versteuert. Der Ertrag dieser (neuen)
Steuer könnte zur Reduktion der Dividendenbesteuerung verwendet werden. Der Bundesrat hat mit diesem Vorschlag die Logik auf
seiner Seite. Aber kaum die bürgerliche Mehrheit im Parlament.
Fazit
Die Unternehmenssteuerreform II dürfte
kostspielig werden, da die Beteiligungsgewinnsteuer keine Chancen hat, im Parlament durchzukommen. Deshalb sollte auf diese Reform
verzichtet werden.
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Personengesellschaften verdienen eine bessere Behandlung
Die Personengesellschaften
bilden eine heterogene, aber sehr
bedeutende Gruppe von einigen
hunderttausend meist kleinen
und mittleren Unternehmen. In
dieser grossen Masse haben die
rund 15 Privatbankiers (Banken
mit der Rechtsform von Personengesellschaften) statistisch
gesehen kein sehr grosses Gewicht. Und doch tragen diese
Gesellschaften, von denen einige
auf eine jahrhundertelange
Tradition zurückblicken und angesehene Firmennamen besitzen,
wesentlich zum guten Ruf des
Finanzplatzes Schweiz bei. Der
Finanzsektor steuert bekanntlich jeden achten Franken des
BIP der Schweiz bei.
Schlecht honorierte Verdienste
Aus dem Blickwinkel der Wirtschaftspolitik weisen Personengesellschaften – und nicht
nur jene des Bankensektors – unbestreitbare
Vorteile gegenüber Kapitalgesellschaften auf.
Diese Rechtsform gestattet unter anderem:
– eine langfristig ausgerichtete Betriebsführung, da die mit der Geschäftsleitung betrauten Teilhaber nicht dem gleichen Druck
ausgesetzt sind, den die Kapitalmärkte tagtäglich auf Manager von Kapitalgesellschaften ausüben;
– einen besseren Gläubigerschutz,haftet doch
der Geschäftsinhaber mit seinem gesamten
Vermögen für die Schulden der Personengesellschaft: Bei der Personengesellschaft
«sitzt der Pilot im Flugzeug» und verfügt
über keinerlei (gar vergoldeten) Fallschirm;
– die Kontinuität der Eigentümerschaft und
die Verwurzelung des Unternehmens in der
Schweiz zu gewährleisten: Die Entscheidungszentren von Personengesellschaften
werden nicht ins Ausland verlagert; dasselbe gilt für die erzielten Gewinne.
Dennoch werden die Personengesellschaften durch die geltende Rechtsordnung – sei es
im Steuer- oder im Vorsorgebereich – kaum
gefördert. Zwar unterliegen Eigentümer der
Personengesellschaften nicht der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, weil Personengesellschaften keine Steuersubjekte darstellen.
Umgekehrt werden jedoch die investierten
Gewinne in vollem Umfang besteuert und
sind überdies der AHV unterstellt.
Anerkannte Steuerungerechtigkeit
Gewinne von Personengesellschaften unterliegen unmittelbar der Einkommenssteuer
(deren Steuersatz 45% überschreiten kann),
Michel Y. Dérobert
Generalsekretär der
Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers,
Genf
34 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
selbst wenn diese Gewinne wieder investiert
werden müssen,um beispielsweise das Wachstum des Unternehmens zu finanzieren.
Bei juristischen Personen wird der Unternehmensgewinn nach Entlöhnung des Unternehmensleiters mit einer Steuer belegt, deren
Steuersatz unter Berücksichtigung ihrer Abzugsmöglichkeit 25% nicht überschreitet.Nur
der an den Aktionär ausgeschüttete Teil des
Gewinns muss von diesem als Einkommen
versteuert werden.
Aus diesem Grunde sind die Personenunternehmen bei der Finanzierung ihres Wachstums benachteiligt. Das Problem belastet jene
Unternehmen besonders stark, die – wie die
Banken – von Gesetzes wegen einen hohen
Eigenkapitalbedarf haben.
Dieser Nachteil wurde 2001 von der Expertenkommission rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (ERU) anerkannt. Sie
zeigte auf, dass die Personenunternehmen
im Durchschnitt eine höhere Steuerbelastung
als die Kapitalgesellschaften und ihre Eigentümer zu tragen haben. Deshalb schlug sie
Lösungen vor, um die Gleichbehandlung zu
erreichen.
Sozialabgaben statt Doppelbesteuerung
Wirtschaftlich betrachtet ist das Problem
im Vorsorgebereich vergleichbar mit den oben
angestellten Überlegungen.Der Gewinn juristischer Personen unterliegt keinen Sozialabgaben. Nur der in Lohnform an die Geschäftsleitung ausbezahlte Betrag ist AHV-pflichtig.
Auf allfällige Dividenden, die als Kapitalertrag
betrachtet werden, sind keine Sozialabgaben
zu entrichten.
Wenn sich der geschäftsführende Aktionär
einer Kapitalgesellschaft einen unverhältnismässig hohen Lohn ausbezahlt, dann können
die Steuerbehörden einen Teil davon als Dividende betrachten, damit der Lohnanteil marktkonform bleibt. Der Rest wird in diesem Fall
als Gewinn aus dem investierten Kapital angesehen und ist zwar zu versteuern (er unterliegt dann der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung), aber nicht AHV-pflichtig.
Umgekehrt sind auf den gesamten Gewinn
der Personengesellschaften Sozialabgaben zu
bezahlen. Dies gilt auch für denjenigen Teil,
der zur Finanzierung des Unternehmenswachstums reinvestiert wird.
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Pragmatische Vorschläge ohne Nachhall
Im vergangenen Jahr reichte Nationalrat
J.-S. Eggly eine parlamentarische Motion ein,
um eine Lösung für das beschriebene Steuerproblem zu finden. Sein Anliegen war es, den
Personengesellschaften die Einrichtung eines
steuerbefreiten Rücklagenkontos zu gestatten,
das als Eigenmittel angesehen wird.
Dieses Modell sieht einen Besteuerungsaufschub vor. Die Steuer fällt erst an, wenn der
Teilhaber seinen Anteil am Unternehmen realisiert und aus diesem ausscheidet. Der Vorteil
dieser Lösung liegt darin, dass das Unternehmen in seiner Weiterentwicklung nicht mehr
behindert wird, wie dies heute der Fall ist.
Die Teilhaber wären damit in der Lage,
das Wachstum ihres Unternehmens besser
zu finanzieren, und würden letztlich mehr
Steuern bezahlen, dies jedoch zu einem für sie
günstigeren Zeitpunkt. Dadurch würde auch
eine gewisse «Demokratisierung» der Personengesellschaften begünstigt und das Fortbestehen derartiger Gesellschaften mit ihren
bereits erwähnten Vorteilen gewährleistet.
In seiner Stellungnahme erinnerte der Bundesrat daran, dass es schwierig sei, das Steuersystem so weit zu ändern, um aus der Personengesellschaft ein getrenntes Steuersubjekt
zu machen. Die erwähnte Expertenkommission ERU habe zwar eine solche Lösung geprüft, sei jedoch zum Schluss gekommen, sie
sei im heutigen nationalen (AHV-Gesetzgebung) und internationalen Umfeld nicht
realisierbar. Immerhin räumte er ein, der vom
Motionär eingereichte Vorschlag gehe weniger
weit.
Dennoch vertrat der Bundesrat die Ansicht, die heutigen steuerrechtlichen Bestimmungen böten genügend Möglichkeiten, um
steuerfreie Rückstellungen oder Reserven zu
bilden. Schliesslich verwies er auf die Vorschläge der Unternehmenssteuerreform II,
nach denen unter anderem der Begriff der
Ersatzbeschaffung erweitert werden soll.
Vorsorge auf Basis eines «Normallohns»
Im Vorsorgebereich sind der Bundesverwaltung Vorschläge unterbreitet worden, die
eine Unterscheidung zwischen der Entlöhnung einer Erwerbstätigkeit und dem Ertrag
des investierten Kapitals sowie eine angemessene Gegenleistung für die vom Unternehmer
eingegangenen Risiken verlangen. Die Entlöhnung würde mit den Sozialabgaben belastet und der Kapitalertrag wäre davon befreit.
So würden die Einkünfte aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit dem Lohn eines Angestellten in leitender Stellung entsprechen, der
in einer Aktiengesellschaft dieselbe Tätigkeit
ausübt.
35 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Eine solche Lösung wäre umso logischer,
als derartige Überlegungen bereits im Zusammenhang mit der allgemeinen Vorsorgegesetzgebung angestellt wurden. Die erste BVG-Revision sieht nämlich vor, den versicherbaren
Lohn der Arbeitnehmenden und der selbstständig Erwerbenden auf das Zehnfache des
maximalen koordinierten Lohnes zu beschränken, d.h. auf einen Betrag von rund 760 000
Franken. Wenn es um die Verhinderung von
als überhöht betrachteten Steuerabzügen geht,
schreckt der Staat also nicht davor zurück, mit
einer Art «Normallohn» zu operieren.
Wenn dieser Begriff des «Normallohns»
also sowohl von den Steuerbehörden, die sich
mit – ihrer Meinung nach – unverhältnismässig hohen Löhnen befassen müssen, als auch
vom Gesetzgeber, der die Steuerabzüge im
Zusammenhang mit der zweiten Säule beschränken möchte, zugunsten des Staates angewandt wird, fragt man sich, warum solche
Überlegungen nicht auch möglich wären, um
den Personengesellschaften eine gerechtere
Behandlung zuzusichern.
Zwischenbilanz
Zieht man eine (Zwischen-)Bilanz, ist festzustellen, dass im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II wohl gewisse positive Ideen
vorgebracht wurden.Von den drei wichtigsten
Varianten, die Ende 2003 in die Vernehmlassung geschickt wurden, scheint indes für
die breitere Wirtschaft ausgerechnet jene am
interessantesten zu sein, welche hinsichtlich
Gleichbehandlung von Personengesellschaften
mit den Kapitalgesellschaften die unbefriedigendste Lösung bietet: nämlich die Variante
3, die eine bessere Regelung des alten und
schmerzlichen Problems der wirtschaftlichen
Doppelbelastung der Dividenden vorsieht.
Die Stellungnahmen der Bundesbehörden
zu Vorstössen, die auf eine Abfederung der Ungleichbehandlung durch die geltende Gesetzgebung abzielen, haben bisher den Eindruck
erweckt, die mit ihrem Status unzufriedenen
Personengesellschaften sollen doch einfach
eine Änderung ihrer Rechtsform in Betracht
ziehen.Diese Antwort kann selbstverständlich
nicht einfach hingenommen werden.
Es sind deshalb neue Lösungen zu prüfen,
um eine gerechte Lösung für die beiden genannten Probleme zu finden und die Attraktivität einer Gesellschaftsform zu erhöhen,
welche eine bessere Anerkennung verdient.
Zumindest muss der Gesetzgeber jede weitere
Schlechterstellung der Situation der Personengesellschaften gegenüber den Kapitalgesell
schaften verhindern.
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Unternehmenssteuerreform II:
Beurteilung aus standort- und wachstumspolitischer Sicht
Eine Steuerreform mit Steuersenkungen kann eine Investition
in die Zukunft sein, wenn die
getroffenen Massnahmen standort- und wachstumsfördernde
Impulse bewirken. Dies ist wissenschaftlich nachgewiesen
im Modell 3 der Unternehmenssteuerreform der Fall. Zudem
stärken die Beseitigung von
Systemfehlern wie der Agiobesteuerung oder der Abbau von
«Ärgernissen» das Vertrauen in
das Steuersystem und damit den
Wirtschaftsstandort Schweiz.
Die Schweiz hat dies bitter nötig:
Unsere volkswirtschaftlichen
Trends sind alles andere als
positiv, und wir verlieren systematisch Ränge im internationalen Vergleich. Jede Investition
braucht etwas Mut. Die Erfahrung
aus vielen praktischen Fällen zu
den hier angesprochenen Themen
stimmt aber zuversichtlich, dass
sich dieser Mut für die Schweiz
lohnen wird.
Gute Gründe für
eine Unternehmenssteuerreform
Das zentrale Thema der Unternehmenssteuerreform II besteht in der steuerlichen
Entlastung von Eigenkapital. Bekanntlich werden heute einerseits Gewinne von Kapitalgesellschaften, andererseits die Dividenden
bei den Empfängern – insbesondere bei
natürlichen Personen als Aktionären – besteuert (wirtschaftliche Doppelbelastung).
Das kann zu Gesamtsteuerbelastungen von
über 60% führen. Solch hohe Steuerbelastungen sind schon aus grundsätzlicher Sicht
abzulehnen, da sie demotivierend sind und
eine Verzerrung aufgrund unterschiedlicher
Rechtsformen besteht. Je nachdem, ob ein
Unternehmen in der Form einer Personenunternehmung oder einer Kapitalgeselschaft
geführt wird, ergeben sich fundamental unterschiedliche steuer- und sozialversicherungsrechtliche Folgen.
Weiter ist zu erwähnen, dass private Kapitalgewinne, also z.B. Gewinne aus der Veräusserung von Aktien, in der Schweiz steuerfrei
sind, während Dividenden voll besteuert werden. Demnach zielt der Steuerpflichtige darauf ab, Kapitalgewinne zu erzielen und nicht
Dividenden zu vereinnahmen.Dies führt oft zu
betriebswirtschaftlich falscher Allokation von
Mitteln, indem aus rein steuerlichen Gründen
Gewinne thesauriert statt ausgeschüttet und
anderweitig reinvestiert werden. Folgeprobleme ergeben sich daraus insbesondere bei
Nachfolgeplanungen oder Verkäufen von Unternehmen.
Der Fiskus hat zudem die Abgrenzung zwischen steuerfreiem Kapitalgewinn und steuerbarem Vermögensertrag immer mehr hin zum
steuerbaren Vermögensertrag verschoben, dies
unter den Titeln der indirekten oder direkten
Teilliquidation und der Transponierung. Über-
Dr. Markus Neuhaus
Dipl. Steuerexperte,
CEO PricewaterhouseCoopers, Zürich
36 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
dies wird allzu aktives Handeln mit Wertschriften als gewerbsmässig klassiert, womit auch
derart realisierte Kapitalgewinne steuerbar
werden.
Hinzu kommt, dass die Schweiz das so genannte Nennwertprinzip kennt.Danach gelten
sämtliche Zahlungen einer Kapitalgesellschaft
an die Aktionäre als steuerbarer Vermögensertrag, soweit sie nicht eine formelle Rückzahlung von nominellem Aktienkapital darstellen. Selbst vom Aktionär einbezahltes Agio
wird bei dessen Rückzahlung an den Aktionär
zu steuerbarem Vermögensertrag. Dass dies
gar nichts mit einer Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – also der
Besteuerung von Mehrwert – zu tun hat, ist
offensichtlich.
Anforderungen an ein Steuersystem
Grund genug also, unser Steuersystem einer
Neubeurteilung zu unterziehen. Dabei stellt
sich die Frage, an welchen Prinzipien sich ein
neues System orientieren soll. Es ist klar, dass
sich der Staat über Steuern finanzieren muss
und dass die Staatsausgaben in den letzten
Jahren massiv gestiegen sind. Die Maximierung des Steuerertrages lässt sich im heutigen
Umfeld aber nicht einfach durch Steuererhöhungen oder Ausdehnung der Steuerbasis erwirken. Das Steuersubstrat ist nämlich mobil.
Es besteht ein internationaler Wettbewerb um
Steuersubstrat. Zusätzlich muss ein Steuersystem darauf ausgerichtet sein, das Wachstum
der Wirtschaft nicht zu hindern, sondern es zu
fördern. Ausserdem sollte ein Steuersystem
keine groben Systemfehler beinhalten.
Drei Modelle unter der Lupe
Beurteilt man die drei im Rahmen der
Unternehmenssteuerreform II vorgeschlagenen Modelle zur Reduktion der wirtschaftlichen Doppelbelastung,so wird rasch ersichtlich, dass bloss Modell 3 als Lösung für die
Zukunft in Frage kommen kann.
Das Modell 1 will die Dividenden in Zukunft bloss noch zu 60% besteuern,im Gegenzug aber eine Beteiligungsgewinnsteuer einführen. Danach würden Kapitalgewinne, die
auf Beteiligungen von mehr als 10% realisiert
werden, in Zukunft nicht mehr steuerfrei sein.
Es ist offensichtlich, dass damit insbesondere
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Blick über die Grenze
Interessant ist auch ein Vergleich über die
Grenze. Es besteht ein genereller Trend zur Reduktion der Steuersätze und ein spezifischer
Trend zur reduzierten Besteuerung von Kapitalerträgen inkl. Dividenden. Deutschland
und Österreich haben bereits ein so genanntes
Halbeinkünfteverfahren implementiert: Dividenden werden also bloss zu 50% besteuert.
In Österreich kann der Steuerpflichtige zusätzlich wählen, ob er nicht pauschal 25% Steuern
auf seine Vermögenserträge entrichten will.
Demnach ist es an der Zeit, dass auch in der
Schweiz die übermässige wirtschaftliche Doppelbelastung beseitigt wird, indem Dividenden in Zukunft bloss noch zu 50% besteuert
werden.
Das Modell 3 will einzig die Dividendenbesteuerung reduzieren, ohne gleichzeitig eine neue
Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen.
Damit erfüllt dieses Modell die notwendigen
Anforderungen an ein Steuersystem am besten. Ausserdem würde es auch die grössten
Wachstumsimpulse erzeugen.
Bild: Keystone
KMU und Familiengesellschaften zwar Dividenden steuergünstiger ausschütten könnten,
Kapitalgewinne im Verkaufsfall aber massiv
stärker besteuert würden als bisher. Das Volk
hat eine Kapitalgewinnsteuer kürzlich an der
Urne deutlich verworfen, weshalb eine teilweise Beteiligungsgewinnsteuer auch nicht in
Frage kommen kann.
Das Modell 2 mit dem beschränkten Teilbesteuerungsverfahren enthält zwar einige interessante Überlegungen,hat bisher aber nicht
viele Anhänger gefunden.
Das Modell 3 will einzig die Dividendenbesteuerung reduzieren, ohne gleichzeitig eine
neue Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen.
Damit erfüllt dieses Modell die oben genannten Anforderungen an ein Steuersystem am
besten. Dies würde insbesondere Familienunternehmen erlauben, eine vernünftige Dividendenpolitik zu betreiben und nicht primär
Gewinne zu thesaurieren. Nachfolgeplanungen
würden damit deutlich vereinfacht und Kapital könnte dort reinvestiert werden, wo es betriebswirtschaftlich am effizientesten ist. Es ist
überdies wissenschaftlich nachgewiesen, dass
dieses Modell auch die grössten Wachstumsimpulse bewirken würde, weil eben Risikokapital vermehrt nach betriebswirtschaftlichen
Kriterien und nicht primär nach steuerrechtlichen Überlegungen investiert würde. Dass
grösseres Wachstum auch wieder mehr Steuersubstrat generieren wird, ergibt sich von selbst,
womit sich eine derart konzipierte Steuersenkung letztlich selbst finanziert und im Total zu
mehr Steuererträgen für den Staat führt.
Diese Botschaft haben verschiedene Kantone bereits verstanden und entsprechende
Steuerkonzepte implementiert. Es ist entscheidend, dass man diesen Kantonen ihre Systeme
belässt und sie nicht mittels Bundesgesetzgebung zwingt, ihre fortschrittlichen Systeme
wieder abschaffen zu müssen.
37 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Agio-Besteuerung und
«Ärgernisse» eliminieren
Im Weiteren ist die unhaltbare Agio-Besteuerung abzuschaffen, und zwar unabhängig
vom Modellentscheid und möglichst rasch.
Vom Aktionär einbezahltes Kapital – ob als
nominelles Aktienkapital oder als Reserven/
Agio eingebracht – muss steuerfrei wieder
rückzahlbar sein. Die Agiobesteuerung stellt
auch aus steuer-/standortpolitischer Sicht ein
massives Hindernis dar. Ein solches System
besteht nirgends im Ausland und wird von
niemandem im Ausland verstanden. Es hält
deshalb zuzugswillige vermögende Ausländer
von der Schweiz ab. Zudem beeinträchtigt es
ausländische Investitionen in Schweizer Beteiligungsgesellschaften.
Letztlich sollte auch endlich der Mut aufgebracht werden, die angesprochenen «Ärgernisse» der direkten und indirekten Teilliquidation, der Transponierung, der Erbenholdings
und des gewerbsmässigen Wertpapierhandels
zu eliminieren oder auf ein vernünftiges Mass
zu reduzieren. Die heutige Situation ist in
hohem Ausmass standortschädlich und verhindert vernünftige und international absolut
übliche Vorgehensweisen etwa beim Kauf und
Verkauf einer Unternehmung. Die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen
eine Kehrtwende zu – wenn man will. Allenfalls kann man diesen Willen mit einer Gesetzesänderung noch verstärken. Auch hier gilt,
dass dies unabhängig vom Modellentscheid
erfolgen sollte.
Schweizer Volkswirtschaft
Wirtschaftspolitische Agenda
Wirtschaftspolitische Agenda
Wirtschaftspolitische Agenda
Stand 16. September 2004
Dossiers
Start
Vernehmlassung
Botschaft
Erstrat
Zweitrat
Kommission
Plenum
Kommission
Plenum
Spezialkommission NR:
Beratung abgeschlossen
NR: Beratung abgeschlossen
(19.06.2003)
Differenzbereinigung
Schlussabstimmung
in eidg. Räten
Referendum
Informationen
im Internet
Beiträge in:
«Die Volkswirtschaft»
Differenzbereinigung
abgeschlossen
(SR: 01.10.2003)
03.10.2003
Volksabstimmung
28.11.2004
www.efd.admin.ch,
Finanz- & Wirtschaftspolitik
www.parlament.ch, Dossiers
DV 12/01, S. 4 ff.
DV 11/02, S. 10 f.
www.seco.admin.ch,
Arbeit, Arbeitsrecht
DV 02/2002, S. 4 ff.
www.efv.admin.ch,
Finanz- & Wirtschaftspolitik
DV 11/02, S. 20 f.
www.bakom.ch,
aktuell
DV 11/02, S. 26 f.
DV 01/03, S. 4 ff.
Neugestaltung
des Finanzausgleichs
(NFA)1
14.04.1999
14.11.2001
Spezialkommission SR:
Beratung abgeschlossen
SR: Beratung abgeschlossen
(02.10.2002)
Schwarzarbeit 2
30.08.2000
16.01.2002
Subkommission WAK-N:
Beratung abgeschlossen
NR: Beratung abgeschlossen
(17.06.2004)
Neue Finanzordnung
(NFO)3
21.09.2001
09.12.2002
WAK-S:
Beratung abgeschlossen
SR: Beratung abgeschlossen
(19.06.2003)
Revision des Fernmeldegesetzes (FMG)4
05.07.2002
12.11.2003
KVF-N:
Erste Beratung
abgeschlossen
Zweite Detailberatung
abgeschlossen
(29.06.2004)
NR: Eintreten beschlossen
Zurück zur Detailberatung
an KVF-N
(18.03.2004)
NR: Herbstsession 2004
Unternehmenssteuerreform II
05.12.2003
www.estv.admin.ch,
Dokumentation
DV 10/04, S. 3 ff.
Bahnreform 2
19.12.2003
www.uvek.admin.ch, Verkehr, Dossiers
DV 12/03, S. 4 ff.
Revision des Binnenmarktgesetzes (BGBM)5
12.03.2004
www.evd.admin.ch,
Dossiers
DV 04/01, S. 4 ff.
DV 12/04, S. 3 ff. (geplant)
www.edi.admin.ch, Themen
www.parlament.ch, Dossiers
DV 07/04, S. 3 ff.
Krankenversicherung
1. Paket (Botschaften 1A–1D)6 23.03.2004
2. Paket (Botschaften 2A–2B)7 12.05.2004
3. Paket (Pflegeversicherung)8 23.06.2004
26.05.2004
15.09.2004
Dezember 2004
(geplant)
SR: Herbstsession 2004
Botschaften 1A, 1C, 1D
WAK-N:
Beratung abgeschlossen
NR: Beratung abgeschlossen
(11.12.2003)
Differenzbereinigung
abgeschlossen
NR: Herbstsession 2004
Botschaften 1A, 1C
19.03.2004
Volksabstimmung
28.11.2004
Neue Regionalpolitik 9
28.04.2004
www.seco.admin.ch,
Standortförderung
DV 02/03, S. 4 ff.
Zusatzprotokoll zum
PFA mit der EU 10
(inkl. flankierende
Massnahmen)11
30.06.2004
www.seco.admin.ch,
Arbeit, Arbeitsrecht,
Personenverkehr CH–EU
DV 03/04, S. 3 ff.
Bilaterale Abkommen II
30.06.2004
www.europa.admin.ch
www.parlament.ch, Dossiers
DV 09/04, S. 3 ff.
Oktober 2004
(geplant)
SR: Wintersession 2004
(geplant)
NR: Wintersession 2004
(geplant)
Quelle: Die Volkswirtschaft
Weitere Quellen: www.parlament.ch; www.bk.admin.ch
38 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
39 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
40 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen
Wirtschaftspolitische Agenda
Wirtschaftspolitische Agenda
Blick über die Grenze
Entscheidungen der Kommissionen
(14.08. bis 15.09.2004)
23
Entscheidungen des Bundesrates
(14.08. bis 15.09.2004)
Änderungen in der Agenda auf einen Blick
• KVG-Revision:
Botschaften 2A und 2B vom Bundesrat verabschiedet
Vollständige Titel der Dossiers
1 Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs
und der Aufgaben (NFA)
2 Gesetzesentwurf über Massnahmen zur Bekämpfung
der Schwarzarbeit
3 Entwurf einer Neuen Finanzordnung (NFO)
4 Entwurf für eine Teilrevision des Fernmeldegesetzes
(FMG)
5 Änderung des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt
(BGBM)
6 Krankenversicherung. Erstes Revisionspaket
7 Krankenversicherung. Zweites Revisionspaket
8 Krankenversicherung. Drittes Revisionspaket
(Neuordnung der Pflegeversicherung)
9 Neues Bundesgesetz über die Regionalpolitik (NRPG)
10 Zusatzprotokoll zum Personenfreizügigkeitsabkommen (PFA)
mit der EU. Ausdehnung auf die neuen EU-Mitgliedstaaten.
11 Flankierende Massnahmen zur Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Mitgliedstaaten.
02.09. Binnenmarktgesetz: Der Bundesrat hat an seiner
Sitzung vom 25.08. vom Ergebnis der Vernehmlassung zum Bundesgesetz über den Binnenmarkt (BGBM) Kenntnis genommen. Gleichzeitig hat er das EVD beauftragt, bis Ende dieses
Jahres eine Botschaft vorzulegen. Aufgrund
der überwiegend positiven Aufnahme des Revisionsentwurfs wird dieser bei der Ausarbeitung
der Botschaft weitgehend unverändert übernommen. Vereinzelt Kritik geäussert wurde
am Beschwerderecht der Weko und an der Amtshilfe.
15.09. KVG-Revision; 2. Paket: Der Bundesrat hat bei
der KVG-Revision die Botschaften zum zweiten
Paket verabschiedet. Bei der Spitalfinanzierung
(Botschaft 2A) hält er am Wechsel von der
Objekt- zur Leistungsfinanzierung fest. Ebenfalls sollen die Kosten der Spitalleistungen je
hälftig von Krankenversicherern und Kantonen
(dual fixe Finanzierung) getragen werden.
Integrierte Versorgungsnetze sollen ferner als
zusätzliche Versicherungsform im Gesetz verankert und damit Managed Care (Botschaft 2B)
gefördert werden. Die Vorschläge zur Spitalfinanzierung und zum Thema Managed Care
waren anlässlich der 2. KVG-Revision mehrheitlich bereits im Parlament beraten worden und
werden nun zum Teil durch neue Elemente
ergänzt. Sie sollen auf den 1.1.2006 in Kraft
treten.
24.08. KVG-Revision; 1. Paket: Die SGK-S hat an ihrer
Sitzung die KVG-Revision behandelt und folgende
Beschlüsse gefasst: Die Kommission will den
Bundesrat ermächtigen, den im Juli 2005 auslaufenden Ärzte-Zulassungsstopp um weitere drei
Jahre zu verlängern. Mit diesem Entscheid zieht
die Kommission die Konsequenzen aus einem
früheren Entscheid, der Botschaft 1B (Vertragsfreiheit) die Dringlichkeit abzusprechen und sie
erst später zu behandeln. Bei der Prämienverbilligung (Botschaft 1C) wird der vehementen
Kritik der Kantone an das gesamtschweizerische
Sozialziel des Bundesrates Rechnung getragen.
Der finanzielle Aufwand für die Prämienverbilligung soll gemäss SGK-S gleich hoch sein
wie beim bundesrätlichen Vorschlag (ab 2005:
1,2 Mrd. Franken). Einverstanden ist hingegen
die SGK-S mit dem bundesrätlichen Vorschlag
zur Kostenbeteiligung (Botschaft 1 D), den über
die Franchise hinausgehenden Selbstbehalt der
erwachsenen Patienten von 10 auf 20 Prozent
zu erhöhen. Zusätzlich will die SGK-S die heutige Obergrenze des Selbstbehalts von 700 Franken pro Jahr im Gesetz festschreiben. Von der
SGK-S unterstützt wird die Einführung einer
Versichertenkarte. Im Einverständnis mit dem
Versicherten sollen in diese Karte auch Angaben
für Notfälle oder zur Organspende aufgenommen werden können. Unbestritten blieb die
Verlängerung des Risikoausgleichs unter den
Kassen um fünf Jahre. Die Teilvorlagen 1A, 1C
und 1D des 1. Massnahmenpakets sollen im
dringlichen Verfahren in der Herbstsession 2004
von den Räten verabschiedet werden.
Ab 2006 soll die Pflegefinanzierung (Botschaft 3)
neu geregelt werden. Im Einklang mit dem Bundesrat schlägt die SGK-S vor, bis dahin die heutigen Tarife für Spitex und Heime grundsätzlich
weiterzuführen. Um das Inkrafttreten auf Anfang
2005 sicherzustellen, plädiert sie aber für ein
dringliches Bundesgesetz anstelle von Übergangsbestimmungen
13.09. KVG-Revision; 1. Paket: Die SGK-N hat die KVG-Revision beraten und Eintreten auf die Botschaft 1A
beschlossen. Das von der SGK-S vorgeschlagene
Konzept für eine Versichertenkarte wurde von der
SGK-N noch erweitert. Beim Risikoausgleich unterstützte die Kommission eine Verlängerung der
rechtlichen Grundlage, machte aber gleichzeitig
die Auflage, dass der Bundesrat bis Ende 2006
einen Vorschlag für einen wirkungsvolleren
Risikoausgleich vorlegen muss. Die von der SGKS in die Vorlage eingefügte Verlängerung des so
genannten Ärztestopps wird mit 15 zu 3 Stimmen
bei 1 Enthaltung unterstützt. Mit 12 zu 11 Stimmen obsiegte zudem ein Antrag, der diese Massnahme bis zur Einführung der Vertragsfreiheit
(Botschaft 1B) verlängern will.
Bei der Pflegefinanzierung (Botschaft 3) folgte
die Kommission der SGK-S.
Die SGK-N unterstützte ebenfalls die Fortführung
des befristeten Bundesgesetzes zur Spitalfinanzierung (Botschaft 1A). Mit 12 zu 8 Stimmen bei
3 Enthaltungen hat sie dagegen einen Antrag
abgelehnt, neben den öffentlichen und öffentlich subventionierten Spitälern auch die Privatspitäler ins Gesetz aufzunehmen. Neue Lösungen
müssten im Rahmen der neuen Vorlage zur Spitalfinanzierung (Botschaft 2A) gesucht werden.
Bei der Prämienverbilligung (Botschaft 1C) beschränkte sich die Kommission im Wesentlichen
auf die Anhörung von SR Urs Schwaller (FR) und
RR Markus Dürr (LU), welche Auskunft über die
neusten in die Diskussion gebrachten Prämienverbilligungsmodelle gaben. SR Schwaller möchte
zusätzlich zur heutigen Regelung der Prämienverbilligung eine einkommensabhängige Prämienbefreiung für Kinder und Jugendliche in
Ausbildung. RR Dürr vertrat als Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) deren Vorschlag, ebenfalls zusätzlich zur geltenden Regelung alle Kinder von der Prämienzahlungspflicht
zu befreien und diese über die Erwachsenenprämien zu finanzieren. Der Nationalrat wird die
Teilvorlagen 1A und 1C des 1. Massnahmenpakets
im dringlichen Verfahren in der Herbstsession
2004 verabschieden.
Diverse Abkürzungen
BR:
DV:
NR:
SGK:
SR:
KVF:
WAK:
WBK:
Bundesrat
Die Volkswirtschaft
Nationalrat, N: Nationalrat
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit
Ständerat, S: Ständerat
Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen
Kommission für Wirtschaft und Abgaben
Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur
41 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
42 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Interessant ist auch ein Vergleich über die
Grenze. Es besteht ein genereller Trend zur Reduktion der Steuersätze und ein spezifischer
Trend zur reduzierten Besteuerung von Kapitalerträgen inkl. Dividenden. Deutschland
und Österreich haben bereits ein so genanntes
Halbeinkünfteverfahren implementiert: Dividenden werden also bloss zu 50% besteuert.
In Österreich kann der Steuerpflichtige zusätzlich wählen, ob er nicht pauschal 25% Steuern
auf seine Vermögenserträge entrichten will.
Demnach ist es an der Zeit, dass auch in der
Schweiz die übermässige wirtschaftliche Doppelbelastung beseitigt wird, indem Dividenden in Zukunft bloss noch zu 50% besteuert
werden.
Das Modell 3 will einzig die Dividendenbesteuerung reduzieren, ohne gleichzeitig eine neue
Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen.
Damit erfüllt dieses Modell die notwendigen
Anforderungen an ein Steuersystem am besten. Ausserdem würde es auch die grössten
Wachstumsimpulse erzeugen.
Bild: Keystone
KMU und Familiengesellschaften zwar Dividenden steuergünstiger ausschütten könnten,
Kapitalgewinne im Verkaufsfall aber massiv
stärker besteuert würden als bisher. Das Volk
hat eine Kapitalgewinnsteuer kürzlich an der
Urne deutlich verworfen, weshalb eine teilweise Beteiligungsgewinnsteuer auch nicht in
Frage kommen kann.
Das Modell 2 mit dem beschränkten Teilbesteuerungsverfahren enthält zwar einige interessante Überlegungen,hat bisher aber nicht
viele Anhänger gefunden.
Das Modell 3 will einzig die Dividendenbesteuerung reduzieren, ohne gleichzeitig eine
neue Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen.
Damit erfüllt dieses Modell die oben genannten Anforderungen an ein Steuersystem am
besten. Dies würde insbesondere Familienunternehmen erlauben, eine vernünftige Dividendenpolitik zu betreiben und nicht primär
Gewinne zu thesaurieren. Nachfolgeplanungen
würden damit deutlich vereinfacht und Kapital könnte dort reinvestiert werden, wo es betriebswirtschaftlich am effizientesten ist. Es ist
überdies wissenschaftlich nachgewiesen, dass
dieses Modell auch die grössten Wachstumsimpulse bewirken würde, weil eben Risikokapital vermehrt nach betriebswirtschaftlichen
Kriterien und nicht primär nach steuerrechtlichen Überlegungen investiert würde. Dass
grösseres Wachstum auch wieder mehr Steuersubstrat generieren wird, ergibt sich von selbst,
womit sich eine derart konzipierte Steuersenkung letztlich selbst finanziert und im Total zu
mehr Steuererträgen für den Staat führt.
Diese Botschaft haben verschiedene Kantone bereits verstanden und entsprechende
Steuerkonzepte implementiert. Es ist entscheidend, dass man diesen Kantonen ihre Systeme
belässt und sie nicht mittels Bundesgesetzgebung zwingt, ihre fortschrittlichen Systeme
wieder abschaffen zu müssen.
37 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Agio-Besteuerung und
«Ärgernisse» eliminieren
Im Weiteren ist die unhaltbare Agio-Besteuerung abzuschaffen, und zwar unabhängig
vom Modellentscheid und möglichst rasch.
Vom Aktionär einbezahltes Kapital – ob als
nominelles Aktienkapital oder als Reserven/
Agio eingebracht – muss steuerfrei wieder
rückzahlbar sein. Die Agiobesteuerung stellt
auch aus steuer-/standortpolitischer Sicht ein
massives Hindernis dar. Ein solches System
besteht nirgends im Ausland und wird von
niemandem im Ausland verstanden. Es hält
deshalb zuzugswillige vermögende Ausländer
von der Schweiz ab. Zudem beeinträchtigt es
ausländische Investitionen in Schweizer Beteiligungsgesellschaften.
Letztlich sollte auch endlich der Mut aufgebracht werden, die angesprochenen «Ärgernisse» der direkten und indirekten Teilliquidation, der Transponierung, der Erbenholdings
und des gewerbsmässigen Wertpapierhandels
zu eliminieren oder auf ein vernünftiges Mass
zu reduzieren. Die heutige Situation ist in
hohem Ausmass standortschädlich und verhindert vernünftige und international absolut
übliche Vorgehensweisen etwa beim Kauf und
Verkauf einer Unternehmung. Die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen
eine Kehrtwende zu – wenn man will. Allenfalls kann man diesen Willen mit einer Gesetzesänderung noch verstärken. Auch hier gilt,
dass dies unabhängig vom Modellentscheid
erfolgen sollte.
Schweizer Volkswirtschaft
Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz
Die Arbeitslosenquote von Jugendlichen reagiert besonders
stark auf konjunkturelle Schwankungen und liegt in der Regel
deutlich über derjenigen der
erwachsenen Bevölkerung. Wie
sind diese Phänomene zu erklären
und wie ist die aktuelle Situation
in der Schweiz zu beurteilen?
Diese Fragen sind zentral, wenn
es darum geht, effektive Massnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu treffen.
Je nach Statistik grosse Unterschiede
Im zweiten Quartal 2003 waren gemäss
Schweizerischer Arbeitskräfteerhebung (Sake) des Bundesamtes für Statistik (BFS) und
nach internationalen Normen 1 51 000 Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren erwerbslos.
Die Jugenderwerbslosenquote lag damit bei
8,6% und war mehr als doppelt so hoch wie die
entsprechende Gesamterwerbslosenquote von
4,1%.
Auch die Anzahl der bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) registrierten arbeitslosen Jugendlichen ist im
zurückliegenden konjunkturellen Abschwung
wieder deutlich stärker als die Gesamtarbeitslosigkeit angestiegen. Ende August 2004 waren gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft
(seco) 29 286 Jugendliche von 15 bis 24 Jahren
als arbeitslos gemeldet. Saisonbereinigt lag die
Jugendarbeitslosenquote mit 5,2% um 1,3
Prozentpunkte bzw. um rund einen Drittel
über der Gesamtarbeitslosenquote von 3,9%.
Geringe Meldeneigung bei Jugendlichen
Bernhard Weber
Ressort Arbeitsmarktanalyse und Sozialpolitik,
Staatssekretariat für
Wirtschaft (seco), Bern
Zunächst fällt auf, dass die Jugenderwerbslosenquote gemäss BFS, die nach internationalen Standards geführt wird, beinahe doppelt
so hoch ausfällt wie die Jugendarbeitslosenquote des seco. Der Hauptgrund für diesen
Unterschied ist, dass die BFS-Statistik auch
erwerbslose Personen erfasst, die nicht bei
einem RAV eingeschrieben sind. Im Jahr 2003
waren 64% der jugendlichen Erwerbslosen
nicht bei einem RAV registriert. Bei den Erwachsenen betrug dieser Prozentsatz lediglich
35%.
Die geringere Meldeneigung von Jugendlichen ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen.Wie eine spezielle Auswertung zeigt,
befanden sich zum Befragungszeitpunkt rund
14 500 der erwerbslosen Jugendlichen noch
in Ausbildung. Sie waren vermutlich auf
der Suche nach einer Nebenerwerbstätigkeit und daher grossmehrheitlich nicht bei
einem RAV gemeldet. Von den übrigen Jugendlichen, die vor Beginn der Arbeitssuche
eine Ausbildung abgeschlossen hatten oder
nicht erwerbstätig waren, meldete sich
lediglich ein Drittel bei einem RAV. Möglicherweise sind die RAV und ihre Dienstleistungen nicht bekannt, oder die Jugend-
43 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
lichen erhoffen sich keine Hilfe bei der Stellensuche. Denkbar ist auch, dass die Jugendlichen keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben oder dass sie sich den
Bedingungen der Arbeitslosenversicherung
(ALV) – etwa was die Annahme einer zumutbaren Arbeit angeht – nicht unterziehen
möchten.
Anders sieht es bei den jugendlichen Erwerbslosen aus, die vor der Stellensuche berufstätig waren. Gut 60% von ihnen sind bei
einem RAV gemeldet, womit die Meldeneigung derjenigen der erwachsenen Erwerbslosen nahe kommt.
Unterschiedliche Aussagen
von BFS-Statistik und seco-Zahlen
Insgesamt lässt sich aus dieser kurzen Analyse folgern, dass die Statistik des BFS ein umfassenderes Bild der Jugenderwerbslosigkeit
gibt. Gleichzeitig ist das Bild komplexer, was
eine Differenzierung der Analyse erfordert.
Dieser Differenzierung sind jedoch insofern
Grenzen gesetzt, als die Statistik der jugendlichen Erwerbslosen im Jahr 2003 auf einer
Hochrechnung von lediglich 410 Beobachtungen aus der Sake beruht.
Die Zahlen des seco repräsentieren im Vergleich zur BFS-Statistik so etwas wie den «harten Kern» der Jugenderwerbslosigkeit. Detaillierte Analysen – z.B. nach Regionen und/oder
noch kleineren Altersklassen – sind zudem
problemlos möglich. Eine Schwäche dieser
Zahlen liegt darin, dass sie durch institutionelle Veränderungen in der Arbeitslosenversicherung beeinflusst werden können. Für konjunkturelle Analysen sind die Zahlen des seco
jedoch die einzige Option, da nur sie in unterjähriger Frequenz und genügend aktuell zur
Verfügung stehen.
Jugendarbeitslosigkeit
im Konjunkturverlauf
Wie die Zahlen des seco zeigen, entwickelte
sich die Jugendarbeitslosigkeit wie auch die
Gesamtarbeitslosigkeit mit dem Konjunkturzyklus. Die Konjunktur ist demnach auch der
1 Nach internationalen Standards gelten Personen als erwerbslos,
wenn sie in der Woche vor dem Stichtag nicht erwerbstätig waren,
sofort zum Antritt einer neuen Stelle bereit sind und konkrete Anstrengungen unternommen haben, eine Stelle zu finden.
Schweizer Volkswirtschaft
Grafik 1
Arbeitslosenquote nach Altersklasse, Januar 1990–Juli 2004, saisonbereinigt
15–24 Jahre
25–49 Jahre
50–64 Jahre
in %
7
6
5
4
der Zahlen zu berücksichtigen ist ferner, dass
der Anspruch von jugendlichen Bildungsabgängern auf Arbeitslosenentschädigung 1996
und 1997 gekürzt wurde, was sich negativ auf
deren Meldeneigung ausgewirkt haben dürfte.
In diese Richtung weist auch die Entwicklung
der Jugenderwerbslosenquote des BFS. Hier hat
in den letzten Jahren das Verhältnis der Jugend- zur Gesamterwerbslosenquote insbesondere aufgrund einer Zunahme von nicht
registrierten erwerbslosen Jugendlichen zugenommen.
Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit
3
2
1
0
Jan. 90 Jan. 91 Jan. 92 Jan. 93 Jan. 94 Jan. 95 Jan. 96 Jan. 97 Jan. 98 Jan. 99 Jan. 00 Jan. 01 Jan. 02 Jan. 03 Jan. 04
Quelle: seco, BFS, Weber / Die Volkswirtschaft
wichtigste Einflussfaktor der Jugendarbeitslosigkeit. Eine Besonderheit der Jugendarbeitslosigkeit ist jedoch,dass sie sowohl im Auf- wie
auch im Abschwung systematisch stärker auf
die konjunkturelle Entwicklung reagiert (siehe
Grafik 1).
Ausgehend von einem ähnlichen Niveau
Anfang der Neunzigerjahre stieg die Jugendarbeitslosenquote Ende 1993 auf über 6% an,
um sich im Aufschwung von 1997 rasch wieder auf das Niveau der 25- bis 49-Jährigen
zurückzubilden. Mitte 2002 war wieder ein
überproportionaler Anstieg der Jugendarbeitslosenquote zu verzeichnen, der um die Jahreswende 2003/2004 in einer Jugendarbeitslosenquote von 5% gipfelte; das entspricht einem
Prozentpunkt oder 25% mehr als die Quote
der 25- bis 49-Jährigen. Für die gesamte Periode seit Anfang der Neunzigerjahre gilt, dass
eine Veränderung der Gesamtarbeitslosigkeit
um 10% im Durchschnitt jeweils zu einer Veränderung der Jugendarbeitslosenquote von
12,4% geführt hat.
Beurteilung der aktuellen Situation
Wie in den Neunzigerjahren ist auch jüngst
die Jugendarbeitslosenquote wieder überproportional angestiegen. Obwohl diese Entwicklung zu erwarten war, ist die Jugend- im Verhältnis zur Gesamtarbeitslosenquote heute als
relativ hoch einzustufen: In den letzten Monaten überstieg die Jugendarbeitslosenquote
jene der 25- bis 49-Jährigen noch um bis zu
25%. Dies war zuletzt in den Jahren 1993/94
zu beobachten, als die Arbeitslosenquote der
25- bis 49-Jährigen um rund einen Viertel über
dem heutigen Wert lag. Bei der Interpretation
44 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Die Hauptursache für das strukturell höhere Niveau der Jugendarbeitslosigkeit liegt
darin, dass die meisten Jugendlichen im Alter
von 15 bis 24 Jahren mindestens einen Übergang vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt
vollziehen. In der Schweiz erfolgt der erste
Übergang wegen des dualen Bildungssystems
für die meisten Jugendlichen bereits nach
der obligatorischen Schule, d.h. mit rund
16 Jahren.
Diese Übergänge sind naturgemäss mit
einem erhöhten Arbeitslosenrisiko verbunden,
da Schülerinnen und Schüler im Ausgangszustand keine Stelle besitzen und damit potenziell arbeitslos sind. Auch nach Abschluss einer
Ausbildung auf der Sekundarstufe II sind
Übergänge zwischen Bildungssystem und Arbeitsmarkt für Jugendliche in der Schweiz nicht
unüblich; und nicht jeder Lehrabgänger findet anschliessend an seine Lehre automatisch
eine reguläre Stelle. Tatsächlich sind Abgängerinnen und Abgänger des Bildungssystems
auch statistisch gesehen für die erhöhte Erwerbslosen- bzw. Arbeitslosenquote von Jugendlichen «verantwortlich». Blendet man sie
aus, liegt die Jugenderwerbslosenquote gemäss
BFS nur geringfügig über derjenigen der 25bis 49-Jährigen, während die Jugendarbeitslosenquote gemäss seco sogar darunter zu liegen kommt (vgl. Grafiken 2 und 3).
Instabilität der ersten
Beschäftigungsverhältnisse
Mit dem Antritt einer ersten Stelle ist
der Transitionsprozess vom Bildungs- in das
Erwerbssystem nicht vollständig abgeschlossen. Beschäftigungsverhältnisse von Jugendlichen weisen denn auch eine unterdurchschnittliche Stabilität auf. Für die daraus
entstehende Arbeitslosigkeit gibt es zwei sehr
unterschiedliche Interpretationen: Zum einen
kann sie als Sucharbeitslosigkeit interpretiert
werden, welche den «Job-Match» verbessert
und damit die Effizienz des Systems erhöht.
Zum anderen kann man die Jugendlichen als
Opfer sehen, die noch nicht von den Vorteilen der besser integrierten Arbeitnehmenden
Schweizer Volkswirtschaft
profitieren können (vgl. Insider-OutsiderTheorie). Für die Schweiz lässt sich anhand
der Sake-Daten zeigen, dass die relativ instabileren Beschäftigungsverhältnisse von Jugendlichen zu einer erhöhten Jugenderwerbslosenquote beitragen, wenn auch in relativ
geringem Ausmass. Am stärksten fällt ins
Gewicht, dass Jugendliche relativ häufig befristete Arbeitsverträge haben, die bei sinkendem Arbeitskräftebedarf nicht mehr verlängert werden.
Berufswahl im dualen Bildungssystem
In unserem dualen Bildungssystem bedeutet die erste Stellensuche für rund zwei Drittel
der Jugendlichen zugleich die Wahl eines Berufsfeldes. Die Koppelung von Stellensuche
und Berufswahl erschwert den Suchprozess
und erfordert von den Jugendlichen – je nach
Lehrstellensituation – eine hohe Flexibilität.
Gleichzeitig verleiht sie der Jugendarbeitslosigkeit eine besondere Bedeutung, weil letztlich
auch die Bildungsentscheide der Jugendlichen
von der Arbeitsmarktsituation abhängig werden können.
Grafik 2
Erwerbslosenquoten nach Altersklasse und Erwerbssituation vor der Erwerbslosigkeit,
2. Quartal 2003
Fachfunktion
Hilfsfunktion
Andere
Lehrling
Schüler/Student
% der Erwerbsbevölkerung
5.0
4.5
4.0
3.5
3.0
2.5
2.0
1.5
1.0
0.5
0.0
15–24 Jahre
25–49 Jahre
50–64 Jahre
Quelle: BFS (Sake) / Die Volkswirtschaft
Grafik 3
Arbeitslosenquoten nach Altersklasse und Funktion vor der Arbeitslosigkeit,
Januar– Juli 2004
Vorher erwerbstätig
Vorher nicht erwerbstätig/andere
Vorher in Ausbildung/Militärdienst
Gegenwärtig in Ausbildung
Der Übergang vom Bildungssystem in den
Lehrstellen- bzw. Arbeitsmarkt erfordert nicht
nur von den Jugendlichen, sondern auch von
der Wirtschaft eine Anpassungsleistung. Eine
demografiebedingte Zunahme der jugendlichen Bevölkerung kann auf dem Lehrstellenund Arbeitsmarkt zu einem Angebotsüberhang führen, der von der Wirtschaft unter Umständen nicht sofort aufgenommen wird.
In den Achtzigerjahren war ein relativ starker Rückgang der 15- bis 19-jährigen Bevölkerung in der Grössenordnung von jährlich
2%–3% festzustellen. Mitte der Neunzigerjahre kehrte sich dieser Trend um, wobei seither ein Bevölkerungswachstum von jährlich
rund 1% zu konstatieren ist. Gemäss dem
Demografieszenario des BFS soll sich diese
Zunahme bis ins Jahr 2007 fortsetzen, um danach wieder in einen Rückgang zu münden.
Bezogen auf den Lehrstellenmarkt impliziert
diese Entwicklung, dass die Lehrstellensituation in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren durch den Rückgang der jugendlichen
Bevölkerung tendenziell entlastet wurde. Seit
Mitte der Neunzigerjahre steigt dagegen der
Lehrstellenbedarf, was zum relativen Anstieg
der Jugendarbeitslosigkeit in den letzten Jahren mit beigetragen haben könnte.
Humankapital: Bildung und Berufserfahrung
% der Erwerbspersonen
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
15–24 Jahre
Demografische Entwicklung
25–49 Jahre
50–64 Jahre
Quelle: seco, BFS, Weber / Die Volkswirtschaft
45 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Neben der grundsätzlichen Problematik der
Transition vom Bildungs- ins Erwerbssystem
können auch individuelle Risikofaktoren die
Jugendarbeitslosigkeit beeinflussen. Ein solcher Faktor ist das Humankapital. In der Regel
stellt man fest, dass Personen mit hohem Bildungsniveau und langjähriger Berufserfahrung
ein geringeres Arbeitslosenrisiko aufweisen.
Die geringe Berufserfahrung von Jugendlichen
dürfte somit einen Risikofaktor darstellen.
Weniger eindeutig ist der Effekt der Bildung. Zwar ist das Schulwissen der heutigen
Jugendlichen aktuell und sie erreichen eher
höhere formale Bildungsniveaus als frühere
Generationen. Allerdings wird dieser Effekt in
der Altersklasse der 15- bis 24-Jährigen in der
Regel noch nicht sichtbar, da Personen mit
Schweizer Volkswirtschaft
tertiärer Ausbildung zumeist erst später auf
den Arbeitsmarkt treten. Die jugendlichen Erwerbspersonen stellen damit eine «Auswahl»
von Personen dar, welche das Schulsystem relativ frühzeitig verlassen haben, womit bei ihnen
ein erhöhtes Arbeitslosenrisiko vermutet werden könnte. Allerdings ist hier anzufügen, dass
der Zusammenhang zwischen Humankapital
und Beschäftigungschancen durch eine hohe
Flexibilität kompensiert werden kann.
Ausländische Nationalität
Eine ausländische Nationalität ist statistisch
gesehen ein bekanntes Arbeitslosenrisiko.Zum
grossen Teil steht es in einem Zusammenhang
mit dem Risikofaktor Humankapital, da ausländische Jugendliche im Durchschnitt ein
tieferes formales Bildungsniveau und eine geringere schulische Leistung aufweisen. Andererseits zeigen neuere Studien, dass ausländische Jugendliche bei der Stellensuche auch
echter Diskriminierung ausgesetzt sind.
standen dabei Massnahmen zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen durch sog. Lehrstellenförderer und die Unterstützung von Lehrstellenverbünden. Diese Massnahmen wurden
2004 noch intensiviert. Daneben wurden die
Brückenangebote (10. Schuljahr, Vorlehren,
Berufspraktika,Beschäftigungsprogramme wie
das Motivationssemester des seco) für Schulabgängerinnen und -abgänger ohne Anschlusslösung ausgebaut.
Der Fokus auf den Übergang von der obligatorischen Schule in eine Ausbildung auf Sekundarstufe II ist volkswirtschaftlich sinnvoll.
Hier ist die Gefahr von negativen Langfristfolgen der Jugendarbeitslosigkeit am grössten.
Auch der Versuch,ein antizyklisches Verhalten
der Unternehmen bei der Schaffung von Lehrstellen zu fördern, ist zu begrüssen und dürfte
gemäss den neuesten Ergebnissen des Lehrstellenbarometers nicht ohne Erfolg geblieben
sein. Dennoch zeigt sich, dass auf Brückenangebote wohl auch in Zukunft nicht verzichtet
werden kann.
Insider-Outsider-Theorie
Kasten 1
Determinanten und regionale
Aspekte der Jugendarbeitslosigkeit
Dieser Beitrag basiert auf einem Bericht,
welcher im Rahmen eines Projektes der Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau
und Zug (Amosa) entstanden ist. Der Bericht
ist neben weiteren Projektbeiträgen zum
Thema Jugendarbeitslosigkeit im Internet
abrufbar unter: www.amosa.net.
2 Vgl. Weber, Markus: Motivationssemester – ein Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit, in: Die Volkswirtschaft 8-2003, S. 57–59.
Einen interessanten Erklärungsansatz für
das erhöhte Arbeitslosenrisiko von Jugendlichen liefert die Insider-Outsider-Theorie.
Ihr Kern basiert auf der Feststellung, dass den
Unternehmen bei der Einstellung und Entlassung von Arbeitskräften Kosten entstehen.
Sind diese Kosten hinreichend hoch, können
sich Arbeitsmärkte in Insider und Outsider
aufspalten. Insider sind dabei die etablierten
Erwerbstätigen, deren Beschäftigung durch
die Kosten der Entlassung geschützt ist. Typische Outsider sind demgegenüber Arbeitslose
oder Abgängerinnen und Abgänger des Bildungssystems.
Besonders augenfällig wird die Bedeutung
der Insider-Outsider-Theorie für die Jugendarbeitslosigkeit bei schlechtem Konjunkturverlauf. Das Modell impliziert nämlich, dass
die Unternehmen ihre Personalbestände bei
Bedarf in erster Linie abbauen, indem sie
«natürliche» Abgänge nicht mehr ersetzen.
Leidtragende dieser Politik sind die Outsider,
welche vergeblich auf einen Einstieg ins Erwerbsleben hoffen. Dass dieses Modell gesellschaftlich eine gewisse Akzeptanz erfährt, lässt
sich daraus ersehen, dass derartige Stellenabbaumassnahmen oft als «sozialverträglich»
bezeichnet werden – ein Begriff, der sich
durch die Brille der Insider-Outsider-Theorie
durchaus etwas relativiert.
Massnahmen zur Bekämpfung
von Jugendarbeitslosigkeit
Der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit und
eine drohende Lehrstellenknappheit haben
Bund und Kantone bereits 2003 bewogen, Gegenmassnahmen einzuleiten. Im Vordergrund
46 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Wirksamkeit der Brückenangebote überprüfen
Wünschbar wäre, dass die Wirksamkeit
solcher Angebote noch besser überprüft würde, wie dies für die Motivationssemester des
seco geschehen ist.2 Eine der zu beantwortenden Fragen wäre etwa, welchen Einfluss die
Orientierung eines Programms am Lehrstellen- und Arbeitsmarkt auf dessen Wirksamkeit hat. Makroökonomisch ist zudem von
Interesse, inwieweit die Massnahmen konjunkturell bzw. strukturell wirken. Von einer
konjunkturellen Wirkung darf man ausgehen,
wenn die Programme in Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit kurzfristig und nur vorübergehend ausgebaut werden. Eine strukturelle
Funktion nehmen die Programme demgegenüber wahr, wenn sie strukturelle Qualifikationsdefizite der Schulabgängerinnen und
-abgänger zu kompensieren versuchen.
Ob ein Programm strukturell oder konjunkturell wirkt, ist a priori nicht auszumachen. Allerdings besteht die Tendenz, wonach
sich konjunkturell angelegte Programme verstetigen und damit vor allem noch strukturell
wirken. Dass nach wie vor ein Bedarf für konjunkturelle Programme vorhanden ist, hat
diese Analyse gezeigt. Gleichzeitig ist die Hoffnung durchaus berechtigt, dass sich die Jugendarbeitslosigkeit im nächsten Konjunkturaufschwung wieder deutlich zurückbilden
wird.
Schweizer Volkswirtschaft
Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge
Stand 1. Juli 2004
Verena Conti
Ressort Arbeitsbeziehungen, Leistungsbereich
Arbeitsbedingungen,
Staatssekretariat für
Wirtschaft (seco), Bern
Der Bundesrat hat zwischen dem 1.Juli 2003
und dem 1. Juli 2004 auf Antrag der vertragschliessenden Parteien hin 20 Gesamtarbeitsverträge (GAV) auf Bundesebene allgemeinverbindlich erklärt. In derselben Zeitspanne
hat das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement
(EVD) 17 kantonale Allgemeinverbindlicherklärungen genehmigt.Bei 12 Verfahren (5 Bund,
7 Kanton) wurden neu ausgehandelte Gesamtarbeitsverträge allgemeinverbindlich erklärt. Bei 25 Verfahren (15 Bund, 10 Kanton)
handelte es sich um Verlängerungs-, Wiederinkraftsetzungs- und Änderungsbeschlüsse.
Am Stichtag waren auf Bundesebene 22 und
auf kantonaler Ebene 19 allgemeinverbindlich
erklärte Gesamtarbeitsverträge in Kraft. Diesen Gesamtarbeitsverträgen sind insgesamt
56 017 Arbeitgeber und 444 606 Arbeitnehmer/innen (Bund) bzw. 4959 Arbeitgeber
und 45 192 Arbeitnehmer/innen (Kanton)
unterstellt. Die bedeutendsten allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge sind
der Landes-Gesamtarbeitsvertrag (L-GAV)
für das Gastgewerbe sowie der Landesmantelvertrag (LMV) und der Gesamtarbeitsvertrag
für den flexiblen Altersrücktritt (GAV FAR)
im Bauhauptgewerbe. Sie allein betreffen
33 320 Arbeitgeber und 290 570 Arbeitnehmer/innen.
In der Beobachtungsperiode hat der Bundesrat eine Allgemeinverbindlicherklärung
aufgehoben, da ein vertragsloser Zustand eingetreten war (GAV für das Maler- und Gipsergewerbe).
Bundesratsbeschlüsse
Gegenstand des Beschlusses
Territorialer Geltungsbereich
Grundbeschluss
GAV des Ausbaugewerbes
der Westschweiz
(Schreinerei, Gipserei und Malerei)
FR, JU, Berner Jura, NE, VD, VS (Für die
deutschsprachigen Regionen der Kantone
Freiburg [Sense und See] und Wallis
[Oberwallis] gilt dieser Beschluss bis
zum 31.12.2004.)
12.11.2002
Änderungen
In-Kraft-Treten
Gültig bis
31.12.2005
20.11.2003 B
01.12.2002
01.01.2004
GAV für die vorzeitige
Pensionierung im westschweizerischen Ausbaugewerbe (KVP)
FR, JU, Berner Jura, NE, VS, VD, GE
09.06.2004
01.07.2004
30.06.2013
LMV für das Bauhauptgewerbe
Ganze Schweiz
(mit Ausnahme gewisser Bereiche
in den Kantonen GE, VD, ZH, AG)
10.11.1998
01.01.1999
01.06.1999
01.07.2000
01.12.2000
01.03.2001
01.06.2001
01.07.2001
01.12.2002
01.02.2003
01.10.2003
01.02.2004
01.06.2004
30.09.2005
GAV für den flexiblen Altersrücktritt
im Bauhauptgewerbe (GAV FAR)
Ganze Schweiz
Ausnahme: VS
05.06.2003
01.07.2003
30.06.2008
GAV für die schweizerische
Betonwaren-Industrie
Ganze Schweiz
10.07.2003
01.08.2003
31.12.2005
GAV für das schweizerische
Carrosseriegewerbe
Ganze Schweiz
Ausnahme: GE, VD, VS, NE , JU und FR
21.01.2003
01.02.2003
01.02.2004
30.06.2006
16.01.2004
GAV für das schweizerische
Coiffeurgewerbe
Ganze Schweiz
11.12.1996
01.01.1997
01.01.2000
01.01.2001
01.01.2002
01.01.2004
31.12.2005
09.11.1999
29.08.2000 B
27.08.2001
25.09.2003 B
GAV des schweizerischen
Elektro-Installationsgewerbes
Ganze Schweiz
Ausnahme: VS, GE
16.08.2000
01.01.2001
01.02.2002
01.03.2003
30.06.2005
11.01.2002
04.02.2003
GAV für das Gastgewerbe
Ganze Schweiz
19.11.1998
01.01.1999
01.01.2000
01.01.2001
01.01.2002
01.01.2003
01.03.2003
01.01.2004
31.12.2007
09.12.1999
06.10.2000
17.12.2001
12.12.2002 B
30.01.2003
08.12.2003 B
04.05.1999
06.06.2000 B
13.11.2000
23.01.2001
04.05.2001
08.06.2001
08.11.2002 A
21.01.2003
22.08.2003 A
13.01.2004
04.05.2004
47 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Schweizer Volkswirtschaft
GAV für das Gewerbe der
Industrie- und Unterlagsböden
für den Kanton Zürich
Gebiete des Kantons Zürich und
des Bezirks Baden (Kt. Aargau)
und den Bezirk Baden
24.09.1996
GAV für das schweizerische
Isoliergewerbe
Ganze Schweiz
Ausnahme: GE, VD, VS
24.10.2002
Berufliche Weiterbildung
im Maler- und Gipsergewerbe
ZH (ausgen. Gipser Stadt Zürich), BE,
LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, SH, SO,
AR, AI, SG, GR, AG, TG, JU
23.10.2001
GAV für das Marmorund Granitgewerbe
ZH, BE (ausgen. Amtsbezirke Courtelary,
Moutier, La Neuveville), LU, UR, SZ, OW, NW,
GL, ZG, SO, BL, SH, AR, AI, SG, GR (ohne die
italienischsprachigen Gebiete), AG, TG und
die Bezirke Goms, Visp, Brig, Raron und Leuk
des Kantons Wallis sowie die Bezirke Sense und
See des Kantons Freiburg
07.08.2002
L-GAV für das Metallgewerbe
Ganze Schweiz
Mit Ausnahme des Kantons Basel-Landschaft
und der Branchenbereiche der Schlosser
und Metallbauer in den Kantonen Wallis,
Waadt und Genf
28.12.2000
GAV für das schweizerische
Metzgereigewerbe
Ganze Schweiz
Ausnahme: Verkaufspersonal GE
18.02.2002
GAV für die schweizerische
Möbelindustrie
Ganze Schweiz
Ausnahme: FR
12.03.1999
GAV für die private
Sicherheitsdienstleistungsbranche
Ganze Schweiz
GAV für die Reinigungsbranche
in der Deutschschweiz
GAV für das Schreinergewerbe
31.12.2004
24.02.1997
14.04.2000 A
07.03.2002 A
22.08.2002
25.09.2003 B
17.03.1997
01.05.2000
01.04.2002
01.10.2002
01.10.2003
01.01.2003
01.03.2003
01.03.2004
30.06.2008
14.02.2003
12.02.2004
01.01.2002
31.12.2004
01.09.2002
01.07.2003
01.04.2004
30.06.2005
23.05.2003
02.03.2004 B
01.02.2001
01.03.2002
01.04.2003
01.04.2004
31.12.2005
18.02.2002
05.03.2003
16.02.2004
01.03.2002
01.04.2004
31.12.2004
19.02.2004
01.04.1999
01.02.2000
01.02.2001
01.03.2002
01.03.2003
01.04.2004
31.12.2005
18.01.2000
18.01.2001
18.02.2002 B
28.01.2003 B
24.02.2004 B
19.01.2004
01.03.2004
31.12.2008
ZH, BE (ausgen. die Bezirke Courtelary,
Moutier, La Neuveville), LU, UR, SZ, OW, NW,
GL, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI, SG, GR (ohne
die italienischsprachigen Gebiete), AG, TG
18.06.2004
01.07.2004
31.12.2006
ZH, BE (ausgen. die Bezirke Courtelary,
Moutier, La Neuveville), LU, UR, SZ,
OW, NW, GL, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI,
SG, GR, AG, TG, TI
26.03.2001
01.05.2001
01.06.2002
01.01.2003
01.04.2004
31.12.2005
07.05.2002
05.12.2002 B
23.03.2004
GAV für das Schreinergewerbe
(Weiterbildung und
Gesundheitsschutz)
ZH, BE (ausgen. die Bezirke Courtelary,
Moutier, La Neuveville), LU, UR, SZ,
OW, NW, GL, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI,
SG, GR, AG, TG, TI
09.12.1999
01.01.2000
01.12.2002
31.12.2010
08.11.2002 B
GAV für die zahntechnischen
Laboratorien der Schweiz
Ganze Schweiz
27.04.2004
01.06.2004
31.12.2006
GAV für die schweizerische
Ziegelindustrie
Ganze Schweiz mit Ausnahme des Kantons
Tessin und der italienischsprachigen
Gebiete des Kantons Graubünden
02.05.2002
01.06.2002
01.05.2003
01.07.2004
31.12.2005
In-Kraft-Treten
Gültig bis
01.04.2004
31.12.2008
11.04.2003
18.06.2004
Kantonale Beschlüsse, vom EVD genehmigt
Gegenstand des Beschlusses
Grundbeschluss
Kant. Amtsblatt
Baselland
GAV für das Gipsergewerbe Baselland
03.02.2004
04.03.2004
Genf
CCT dans le commerce de détail
23.10.2002
20.11.2002
CCT du second œuvre
CCT de la métallurgie du bâtiment
installations électriques, chauffage et
ventilation, ferblanterie et installations
sanitaires, serrurerie, constructions
métalliques
03.12.2003
10.03.1999
Änderungen
Kant. Amtsblatt
30.05.2003
30.04.2004
01.12.2002
01.06.2003
01.05.2004
31.12.2004
30.04.2003
24.03.2004
31.03.2004
01.02.2004
01.04.2004
31.12.2006
08.03.2004
15.09.1999
07.04.2000
04.05.2001
09.07.2001
27.03.2002
30.08.2002
30.05.2003
01.05.1999
16.09.1999
08.04.2000
05.05.2001
10.07.2001
01.04.2002
01.09.2002
01.06.2003
30.12.2004
28.07.1999 A
01.03.2000
28.03.2001
13.06.2001
20.02.2002 A
24.07.2002
30.04.2003
26.01.2004
30.04.1999
48 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Schweizer Volkswirtschaft
Neuenburg
CC pour la construction d’un fonds
de secours hivernal des métiers
de la construction et du bâtiment
Waadt
CCT chauffage, climatisation, ventilation
10.12.2003
23.01.2004
02.07.2001
21.08.2001
CCT de la ferblanterie, de la couverture
et de l’installation sanitaire
02.07.2001
CCT des garages de distributions de
postes et de distribution de carburants
30.10.2000
CCT des bureaux d’ingénieurs géomètres
10.07.2000
22.08.2001
01.10.2002
01.07.2003
01.07.2004
31.12.2005
27.09.2002
20.06.2003
15.06.2004
27.09.2002
20.06.2003
15.06.2004
22.08.2001
01.10.2002
01.07.2003
01.07.2004
31.12.2005
02.09.2002
16.04.2003
21.04.2004
28.06.2002
16.03.2004
23.12.2000
01.07.2002
01.04.2004
31.12.2005
27.05.2002
28.01.2004 A
30.09.2003
20.09.2000
01.10.2003
31.12.2004
13.08.2003 A
07.07.2001
31.12.2004
01.12.2002
01.10.2003
30.06.2005
01.03.2004
30.06.2007
22.12.2000
19.09.2000
21.05.2001
06.07.2001
CCT pour le secteur du nettoyage
21.10.2002
29.11.2002
03.09.2003
CCT des paysagistes et entrepreneurs
de jardins
Tessin
CCL delle autorimesse
CCLD per i disegnatori
Wallis
GAV für das Automobilgewerbe
18.12.2003
20.02.2004
26.02.1997
29.04.1997
01.07.1998
06.06.2001
31.03.2005
02.09.2002
16.04.2003
21.04.2004
21.08.2001
CCT dans les entreprises des métiers
de la pierre du canton de Vaud
01.02.2004
30.09.2003
02.01.1998
11.05.1999
21.12.1999
31.03.2000
29.12.2000
20.04.2001
19.04.2002
31.01.2003
30.04.1997
01.01.1998
12.05.1999
01.01.2000
01.04.2000
30.12.2000
21.04.2001
20.04.2002
01.02.2003
31.12.2004
12.11.1997 B
31.03.1999
27.10.1999 B
06.03.2000
07.11.2000 B
06.03.2001
12.03.2002
10.12.2002 A
29.12.1998
28.12.1999
31.03.2000
22.12.2000
20.04.2001
21.12.2001
19.04.2002
18.03.2003
27.01.2004
05.09.1998
30.12.1998
29.12.1999
01.04.2000
23.12.2000
21.04.2001
22.12.2001
20.04.2002
19.03.2003
28.01.2004
31.12.2004
01.12.1998 B
27.10.1999 B
06.03.2000
07.11.2000 B
06.03.2001
20.11.2001 B
12.03.2002
04.02.2003 A
16.12.2003 A
24.05.2002
04.07.2003
28.07.2001
25.05.2002
05.07.2003
30.04.2005
10.04.2002
07.05.2003
04.09.1998
27.07.2001
GAV des Bauhauptgewerbes im Bereich
der beruflichen Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge
02.07.2003
05.09.2003
01.10.2003
31.12.2010
GAV für die Holz-, Gipser-, Maler- und
Metallberufe bezüglich Berufsvorsorge
16.05.2001
27.07.2001
28.07.2001
31.12.2005
GAV der Plattenleger
29.10.2003
05.12.2003
01.01.2004
30.06.2005
Zürich
GAV für das Gipsergewerbe
25.10.2000
22.12.2000
01.01.2001
01.11.2001
01.12.2002
01.04.2004
31.03.2005
22.08.2001
11.09.2002
17.12.2003
A Wiederinkraftsetzung.
B Verlängerung der Geltungsdauer.
49 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
19.10.2001
15.11.2002
19.03.2004
Quelle: seco / Die Volkswirtschaft
Schweizer Volkswirtschaft
Beschaffungsstatistik des Bundes 2003
Die Beschaffungsstatistik des
Bundes gibt Auskunft über das
Volumen der in einem Jahr im
In- und Ausland getätigten
Beschaffungen von beweglichen
Gütern. 2003 betrugen diese
inklusive SBB AG und Die Post
3,8 Mrd. Franken. Mehr als zwei
Drittel davon wurden für Fahrzeuge, Elektronik und Elektrotechnik sowie für Maschinen
und Apparate ausgegeben. Der
Auslandanteil betrug 3,7% der
gesamten Bundesbeschaffungen.
Im Jahre 2003 erreichte das Beschaffungsvolumen – inklusive SBB AG und Die Post – 3,8 Mrd. Franken. Mehr als ein
Bild: Keystone
Viertel des gesamten Beschaffungsvolumens fiel auf die Wirtschaftsgruppen «Fahrzeuge» (27,5%).
Die vorliegende Statistik enthält die Beschaffungsdaten der Bundesverwaltung, inklusive
des ETH-Bereichs, der SBB AG und der Post.
Reine Zahlungsstatistik
Die Beschaffungsstatistik des Bundes ist
eine reine Zahlungsstatistik. Sie erfasst die getätigten Zahlungsströme zwischen den Bundesstellen als Auftraggeber und den Anbietern.
Sie informiert über:
Elsbeth Etter
Dienstchefin, Sektion
Finanzausgleich und
Statistik Eidg. Finanzverwaltung (EFV), Bern
Tabelle 1
Beschaffungen des Bundes 2002/2003
(in Mio. Franken)
2002
2003
Bundesverwaltung
(inkl. Rüstungsbereich, exkl. Schweiz. Rüstungsunternehmen – RUAG)
2134
2117
SBB AG
1115
1217
Die Post
Total Bund
552
460
3839
3794
Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft
51 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
– den Gesamtwert aller Güterbeschaffungen
des Bundes im In- und Ausland innerhalb
eines Rechnungsjahres;
– den wertmässigen Anteil der Güterbeschaffungen, gegliedert nach Wirtschaftsgruppen und Wirtschaftszweigen;
– die Zahlungen gegliedert nach Kantonen
bzw. Inland und Ausland.
Was versteht man unter «Zahlungsort»?
Unter «Zahlungsort» wird die vom Anbieter angegebene Adresse verstanden, an welche
der Bund die Zahlung vergütet.Vielfach ist der
Zahlungsort nicht identisch mit dem Ort, an
welchem die Leistung des Anbieters tatsächlich erbracht wurde. Aus diesem Grund ist die
in den einzelnen Kantonen effektiv für den
Bund erbrachte Produktionsleistung aus dieser Statistik nicht absolut ableitbar. Man muss
davon ausgehen, dass insbesondere Kantone
mit vielen so genannten Zulieferstrukturen
auf zu tiefe Werte in dieser Zahlungsstatistik
kommen, wogegen für wirtschaftsstarke Kantone mit vielen Grossunternehmen zu hohe
Anteile ausgewiesen werden.
Beschaffungsvolumen 2003
Im Jahre 2003 erreichte das Beschaffungsvolumen – inklusive SBB AG und Die Post –
3,8 Mrd. Franken. Dies entspricht praktisch
Schweizer Volkswirtschaft
Tabelle 2
Beschaffungen des Bundes nach Wirtschaftsgruppen und Kantonen, 2003
(in 1000 Franken)
Wirtschaftsgruppen
ZH
BE
LU
UR
SZ
OW
NW
GL
ZG
FR
SO
BS
Nahrungsmittel
6 862
13 528
8 296
89
368
232
3
48
704
1 080
306
1 129
Textilien
3 552
2 074
512
290
65
2
117
14
20
103
179
68
Bekleidung
1 103
1 070
1 047
12
3
0
0
77
604
178
99
46
Papier/Kartonage
Druck/Grafik
Leder/Kautschuk
6860
8 153
81
0
9
0
107
23
533
281
1 015
50
39 119
53 319
3 718
28
449
306
180
80
904
1 187
3 183
3 888
2 544
1 870
178
0
41
1
0
23
0
945
417
49
Chemie
36 498
28 152
4 017
7
1 604
33
32
17
1 003
425
12 397
2 987
Metalle
16 440
19 811
1 626
230
565
769
96
50
1 008
1 151
2 979
608
Maschinen/Apparate
95 271
228 898
278 676
6 448
955
199
1 732
968
10 719
6 396
4 540
5 404
Fahrzeuge
598 392
88 577
6155
1 225
584
601
5 017
530
16 720
3 779
8 772
1 098
Elektr./Elektrotechnik
462 553
245 997
24 309
123
6 991
238
1 256
690
12 034
6 601
3 178
6 000
Sportgeräte
2 887
458
24
20
44
0
25
7
60
1
28
1
14 769
15 952
4 647
223
1 061
120
73
572
1 618
326
1 501
1 288
Bürobedarf
18 249
26 699
718
0
2 512
1
283
9
1 471
1 708
4 793
2 510
Brennstoffe
23 448
5 792
1 014
97
184
36
5
119
16 346
191
800
523
Steine/Erde
4 829
14 262
711
99
275
122
1 071
474
439
872
1 456
516
Software EDV
60 743
40 340
1 039
1
1 357
101
6 284
1
1 441
1 584
257
647
892
64
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
1
5
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Verkehr
1 666
2 705
22
22
13
3
4
17
33
185
32
945
Entw.aufträge
2 294
1 183
5
0
0
2
0
0
94
6
1
96
899
1 233
932
6
27
7
0
8
75
508
1 964
171
Holz und Kork
Miete Maschinen
Wäscherei
Land-/Forstwirtschaft
Bergbau
211
55
1
0
0
0
3
0
0
12
54
0
Kantone
2 076
11 401
1 705
15 079
90
62
1 239
364
240
404
772
189
13 672
20 660
2 232
221
187
190
219
198
2 366
589
821
886
1 415 831
832 259
341 664
24 222
17 383
3 022
17 745
4 288
68 431
28 513
49 545
29 099
Keiner WG zuteilbar
Total
Ein gewichtiger Teil der Ausgaben, die nicht von Regiebetrieben getätigt wurden, fielen bei der Landesverteidigung an. So waren 70% der beschafften Apparate und Maschinen für die Landesverteidigung bestimmt.
52 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Bild: Keystone
Schweizer Volkswirtschaft
Tabelle 2 (Fortsetzung)
BL
SH
AR
AI
SG
GR
AG
TG
TI
VD
VS
NE
GE
Nicht
JU aufgeteilt
1 519
537
6
156
924
2 295
12 484
5 960
2 691
4 344
1 083
415
231
35
15
115
1 726
6
1
1 775
129
1 528
132
602
672
948
52
148
18
0
368
678
133
6
2 215
15
720
377
113
298
4
6
105
5 697
0
797
0
12
0
4 348
15
9 066
102
144
1 402
108
81
13
4
120
2 922
581
226
42
5 864
516
10 248
2 204
2 196
3 159
1 363
317
610
174
97
453
2
95
0
797
1
3 920
206
389
167
15
50
7
6
0
2 897
273
248
0
3 653
430
5 879
1 223
527
2 945
33
663
972
58
58
16
1 100
786
192
1
5 707
312
14 829
2 042
3 107
2 008
839
376
1 049
714
8 513
2 738
574
82
8 008
777
31 005
2 746
2 563
14 309
1 062
3 073
12 998
398
6
4 356
790
305
84
6 830
3 532
35 727
136 225
12 205
5 406
1 776
1 046
12 268
359
137
10 060
423
1 116
10
3 227
3 363
52 045
5 858
6 204
11 030
414
2 440
19 650
1 052
1 311
39
0
0
0
113
15
470
15
16
21
224
22
4
0
0
2 807
441
14
19
3 103
2 017
5 580
2 434
1 089
2 129
1 078
116
208
456
1 209
1 339
544
30
0
1 136
52
6161
1 030
99
702
3
51
618
6
0
840
259
5
0
659
110
696
216
1 065
7 153
335
161
27 574
412
57
1 026
721
10
0
1 241
107
5107
415
732
684
1 602
184
140
206
22
240
40
0
0
168
0
2 751
109
168
1 178
27
28
1 179
1
0
0
0
0
0
0
43
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
35
0
0
0
0
0
336
10
33
0
166
163
292
149
82
367
135
44
137
17
0
90
0
0
0
151
0
549
8
46
666
59
10
610
1
0
191
160
7
3
105
472
652
407
87
860
35
60
282
214
0
3
0
0
0
4
222
0
5
10
100
1
0
0
0
0
2 422
79
62
41
688
1 056
931
269
2 423
8 495
8 167
293
209
452
2
1 141
303
28
0
1 470
1 258
4 303
1 979
2 371
1 636
696
1 160
92 063
78
17
43 573
11 094
3 100
444
52 351
16 900
204 942
164 111
38 963
69 733
20 010
10 648
171 073
10 357
3 067
Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft
dem Vorjahreswert, wobei auch der Anteil der
Regiebetriebe an den gesamten Beschaffungsausgaben fast gleich viel ausmachte wie 2002.
Der Auslandanteil ist von 4,2% auf 3,7% zurückgegangen.
Grafik 1
Wichtigste Beschaffungen des Bundes, 2003
Inland
Ausland
Beschaffungen nach Wirtschaftsgruppen
in Mio. Franken
Gut die Hälfte des gesamten Beschaffungsvolumens fiel auf die Wirtschaftsgruppen
«Fahrzeuge» (27,5%) sowie «Elektronik und
Elektrotechnik» (23,7%). 86% der gesamten
Fahrzeugbeschaffungen wurden von den Regiebetrieben getätigt. Bei der Elektronik und
Elektrotechnik waren es 41%. Drei Viertel der
Beschaffungen der Regiebetriebe SBB AG und
Die Post fielen denn auch auf diese beiden
Wirtschaftsgruppen. Die restlichen Ausgaben für Elektronik und Elektrotechnik fielen
schwergewichtig bei der Landesverteidigung,
dem ETH-Bereich und dem Zoll an. 70% der
beschafften Apparate und Maschinen waren
für die Landesverteidigung bestimmt.
1200
1000
800
600
400
200
0
Fahrzeuge
Elektronik/
Elektrotechnik
Maschinen/
Apparate
Druck/Grafik
Software EDV
Chemie
Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft
Beschaffungen im Ausland
Der Anteil der Einkäufe im Ausland am gesamten Beschaffungsvolumen ist gegenüber
dem Vorjahr von 4,2% auf 3,7% gesunken.Die
betragsmässig wichtigsten Einkäufe im Aus-
53 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Schweizer Volkswirtschaft
land betreffen mit 90,1 Mio. Franken die Fahrzeuge bzw. die Maschinen und Apparate
(15,8 Mio. Fr.) und Metalle (14.6 Mio. Fr.).
Die prozentual grössten Anteile gegenüber
dem Inland weisen Beschaffungen in den
Wirtschaftgruppen «Bekleidung» (20,4%),
«Metalle» (15,7%), und «Fahrzeuge» (8,6%)
auf.
Grafik 2
Wichtigste im Ausland beschaffte Güter, 2003
Bundesverwaltung
SBB AG/Die Post
Beschaffungen nach Wirtschaftszweigen
in Mio. Franken
100
Die Anteile der Beschaffungen nach Wirtschaftszweigen entsprechen mit 77% Industrie und 20% Handel praktisch dem Vorjahr.
Schwergewichtig im Handel eingekauft wurden lediglich Brenn- und Treibstoffe (89%),
Holz und Kork (70%) sowie Bürobedarf
(54%).
90
80
70
60
50
40
Anteile der Kantone
30
Grafik 4 bildet die Pro-Kopf-Anteile der
Empfängerkantone ab. Aus dieser Darstellung ist ersichtlich, wie viel vom gesamten
Einkaufsvolumen von der Bundesverwaltung
bzw. von den Regiebetrieben in welche Kantone fliessen. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass sich in der Pro-Kopf-Darstellung eine
Zu- oder Abnahme des Einkaufsvolumens bei
den einwohnermässig kleinen Kantonen viel
massiver auswirkt.
20
10
0
Fahrzeuge
Maschinen/Apparate
Metalle
Elektronik/
Elektrotechnik
Diverse
Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft
Tabelle 3
(in 1000 Franken)
Beschaffungen des Bundes nach Wirtschaftsgruppen im In- und Ausland, 2003
Wirtschaftsgruppen
Inland
Ausland
Total
Nahrungsmittel
65 340
5
65 345
Textilien
14 847
47
14 894
Bekleidung
14 975
3 843
18 819
Papier/Kartonage
33 324
1 040
34 365
136 880
2 045
138 925
12 177
116
12 294
107 030
722
107 751
Druck/Grafik
Leder/Kautschuk
Chemie
Metalle
78 411
14 557
92 968
Maschinen/Apparate
729 058
15 802
744 860
Fahrzeuge
952 497
90 087
1 042 584
Elektronik/Elektrotechnik
888 174
9 950
898 124
4 495
0
4 495
64 852
2 061
66 913
Sportgeräte
Holz und Kork
Bürobedarf
70 724
37
70 761
Brennstoffe
88 097
81
88 178
Steine/Erde
37 324
345
37 669
Software EDV
119 682
185
119 866
999
11
1 010
41
0
41
7 578
5
7 582
Miete Maschinen
Wäscherei
Verkehr
Entw.aufträge
5 871
0
5 871
Land-/Forstwirtschaft
9 362
1
9 363
Bergbau
681
0
681
Kantone
59 207
5
59 211
150 744
358
151 101
3 652 370
141 302
3 793 672
Keiner Wirtschaftsgruppe zuteilbar
Total
Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft
54 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Grafik 3
Beschaffungen nach Wirtschaftszweigen, 2003
Industrie und Handwerk, 77%
Handel, 21%
Nicht zuteilbar, 2%
Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft
Schweizer Volkswirtschaft
Grafik 4
Beschaffungen des Bundes pro Kanton/Kopf, 2003
Bundesverwaltung
SBB AG/Die Post
in Franken pro Kopf
1200
1000
800
600
400
200
0
ZH
BE
LU
UR
SZ
OW
NW
GL
ZG
FR
SO
BS
BL
SH
AR
AI
SG
GR
AG
TG
TI
VD
VS
NE
GE
JU
CH
Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft
Die Beschaffungen wurden mit 77% zum überwiegenden Teil in der Industrie getätigt.
Dies entspricht praktisch dem Anteil, der im Vorjahr zu verzeichnen war.
55 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Bild: Keystone
Internationales
Japan – der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien
Schon seit 140 Jahren unterhalten
die Schweiz und Japan offizielle
bilaterale Beziehungen. Schweizer Unternehmer jener Zeit, die
auf der Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte
waren, haben die Regierung zur
Aufnahme eines ersten Kontaktes
mit diesem damals in Europa
noch wenig bekannten Land gedrängt. Dieses ehrgeizige, von
wahrhaften Pionieren realisierte
Projekt war 1864 durch den Abschluss des Freundschafts- und
Handelsvertrages mit Japan von
Erfolg gekrönt. Der Einsatz hat
sich gelohnt: Japan ist seit mehreren Jahrzehnten der wichtigste
Handelspartner der Schweiz in
Asien.
Steffen Erik Milner
Länderbeauftragter
für Nordostasien und
Ozeanien, Bilaterale
Wirtschaftsbeziehungen,
Asien/Ozeanien, Staatssekretariat für Wirtschaft
(seco), Bern
Die Teilnahme an der Expedition der «Nadiejda» erlaubte dem Zürcher Mathematiker und Astronomen Johann Kaspar
Horner, als erster Schweizer japanischen Boden zu betreten. Im Bild: Aquarell von Horner, das die «Nadiejda» in der
Quelle: © Völkerkundemuseum der Universität Zürich
Bucht von Nagasaki zeigt.
In der ersten Etage des Völkerkundemuseums der Universität Zürich, unmittelbar
neben der Bibliothek im für die Forschung
reservierten Flügel, hängt ein Ölportrait des
Zürcher Mathematikers und Astronomen Johann Kaspar Horner (1774–1834).Wenn man
an diesem goldgerahmten Gemälde vorbeigeht, realisiert man nicht sofort, dass dieser
namhafte Wissenschaftler in seinem tadellosen Anzug sich auf den Marquesas-Inseln
eine beeindruckende polynesische Tätowierung auf der Schulter machen liess, und vor
allem, dass er der erste Schweizer war, der
seinen Fuss auf japanischen Boden setzte!
Im Herbst 1804, vor genau 200 Jahren also,
traf Horner an Bord der «Nadiejda» («Hoffnung» auf Russisch) im Hafen von Nagasaki,
im Südwesten des japanischen Archipels ein.
Er begleitete eine bedeutende Expedition unter der Leitung des Admirals der kaiserlichen
russischen Marine, Iwan Fedorowitsch von
Krusenstern, die für ihren politischen Teil von
Zar Alexander I. beauftragt war. Neben den
wissenschaftlichen Aspekten, mit denen sich
Horner und andere ausländische Forscher
auseinander setzten, war eines der Ziele dieser
Weltumsegelung die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen und Handelsbeziehungen zwischen Russland und Japan. Da der
Empfang in Japan alles andere als herzlich aus-
56 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
fiel und der russische Gesandte an Bord des
Schiffes bleiben musste, erzielte dieser Aspekt
der Mission allerdings nicht den erhofften
Erfolg.
Schweiz-Japan:
140 Jahre bilaterale Beziehungen
Dieses Jahr bietet vor allem die Gelegenheit, den 140. Jahrestag des Abschlusses des
Freundschafts- und Handelsvertrags zwischen
der Schweiz und Japan zu feiern. Dieser Vertrag, der am 6. Februar 1864 in Yedo (Tokio)
von drei Gesandten des Shogun sowie vom
Neuenburger Aimé Humbert-Droz (1819–
1900) – dem Sonderbeauftragten des Bundesrats – unterzeichnet wurde, markiert den Anfang der offiziellen bilateralen Beziehungen
zwischen den beiden Ländern.1 Dank diesem
Vertrag wurde die Schweiz das erste Binnenland, das diplomatische Beziehungen mit Japan unterhielt. Dieses erfreuliche Resultat war
allerdings nicht einfach zu erzielen.
Das starke Verlangen, den Schweizer Exporthandel nach Fernost auszudehnen, lag
den in diesem Bereich unternommenen Anstrengungen zugrunde. Die Unternehmer, die
an diesem neuen Absatzmarkt am meisten
Interesse zeigten, kamen – nicht überraschend
– aus der Textil- und der Uhrenindustrie. Ge-
Internationales
Tabelle 1
Japan: Wirtschaftliche Kennzahlen, 2001–2005
2001
2002
2003
2004
4163
3 973
4 302
4 612
4 760
32 751
31 198
33 720
36105
37 241
0.4
–0.3
2.7
3.4
1.9
–0.8
–0.9
–0.2
–0.4
–0.1
5.0
5.4
5.3
4.9
4.9
Budget-Saldo (in % des BIP)
–6.1
–7.9
–8.2
–7.1
–6.6
Ertragsbilanz (in % des BIP)
2.1
2.8
3.2
3.1
3.2
Bruttoinlandprodukt (BIP) (in Mrd. US-$)
BIP/Einwohner (in US-$)
Wachstumsrate (in % des BIP)
Inflationsrate (in %)
Arbeitslosenrate (in%)
2005
Staatliche Verschuldung (in % des BIP)
149
159
166
171
176
Durchschnittlicher Wechselkurs ¥/US-$
121.6
125.1
115.9
–
–
Hinweis: Bei den Zahlen für 2004 und 2005 handelt
es sich um Schätzungen bzw. Prognosen.
Quelle: IWF, World Economic Outlook (April 2004) / Die Volkswirtschaft
rade mit Japan hatten die Schweizer Handelshäuser bedeutende Schwierigkeiten, da keine
offiziellen bilateralen Beziehungen bestanden.
Japan, das sich am Ende von über 250 Jahren
vorwiegender Autarkie unter dem Shogunat
der Tokugawa befand, widersetzte sich nämlich dem direkten Handel mit der Schweiz und
der Niederlassung von Schweizer Bürgern
ohne offiziellen Vertrag.
In Japan macht sich die Geduld bezahlt
1 Humbert war ausserdem Ständerat zwischen 1854
und 1866 (mit Unterbrüchen) und wurde 1858 zum
Präsidenten der Union Horlogère ernannt.
2 Für einen faszinierenden Bericht des Aufenthalts von
Humbert in Japan vgl.: Aimé Humbert-Droz, Le Japon
Illustré, Librairie de L. Hachette et Cie, 1870. Die
beiden Bände können in elektronischem Format unter
der folgenden Adresse konsultiert werden (nur französisch): http://duels.doshisha.ac.jp:88/denshika/
illustre/illustre.html.
Anstatt nach dem Misserfolg einer ersten,
1859 von privater Seite durchgeführten Expedition enttäuscht aufzugeben, wurde beschlossen, das Abenteuer erneut zu wagen. Nachdem
die Schweizer Regierung 1861 ermutigende
Zeichen aus dem Archipel erhalten hatte, beschloss die Bundesversammlung, eine Delegation nach Japan zu entsenden, mit dem Ziel, die
von den Schweizer Exporteuren angetroffenen
Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Lange
Vorbereitungen und beträchtliche finanzielle
Mittel von Seiten des Bundes, der Kantone und
von Privaten waren notwendig,um die Mission
unter der Leitung von Humbert und begleitet
vom Zürcher Kaspar Brennwald auf die Beine
zu stellen. Vier weitere Schweizer Attachés beschlossen, die offizielle Delegation auf eigene
Kosten und vorwiegend privatgeschäftlich motiviert zu begleiten.2
Die Seereise von Humbert begann am
19. November 1862 im Hafen von Marseille
und endete – nach einer ersten Berührung
japanischen Bodens in Nagasaki – am 27. April
1863 in Yokohama, dies zu einem politisch
äusserst turbulenten Zeitpunkt in Japan. Die
Schweizer Delegation musste somit grosse Geduld beweisen und auf die wertvolle Unterstützung der holländischen Gesandtschaft vor
Ort vertrauen,um ihr Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.Nach einer zehnmonatigen Wartezeit (die mit der Erforschung
eines Teils des Landes verbracht wurde) konnte
der Vertrag endlich ausgehandelt und unterzeichnet werden, nur wenige Stunden vor der
schon lange geplanten Rückreise der Expedition in die Schweiz!
Ein gutgeschnürtes Paket
Dieser Vertrag mit 20 Artikeln und einem
siebenteiligen Handelsreglement enthält die
Bestimmungen, welche der Schweiz dieselben
Vorteile bieten wie den anderen wenigen Na-
Kasten 1
Kerninformation zur Wirtschaft Japans
Wirtschaftsstruktur
Japan – die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der
Welt hinter den USA – verfügt heute über einen
Dienstleistungssektor, der für 70% seines Bruttoinlandprodukts (BIP) verantwortlich ist. Der Rest
der japanischen Wertschöpfung wird vorwiegend
vom Sekundärsektor generiert, besonders von der
verarbeitenden Industrie (Automobil, Elektronik),
welche weiterhin eine führende Rolle auf dem Archipel spielt, dies trotz mehreren Delokalisierungswellen. Obwohl der Primärsektor (Landwirtschaft
und Fischerei) in wirtschaftlichen Zahlen mit einem
Beitrag an das BIP von nur 1% von geringer Bedeutung ist, verfügt er über beträchtlichen politischen
Einfluss. Japan weist eine relativ geringe Öffnung
auf, was den Aussenhandel betrifft (2003: 18% des
BIP). Die mehr oder weniger offiziellen Importbeschränkungen sollen vor allem eine Reihe wenig
leistungsfähiger Branchen schützen; sie erklären
denn auch teilweise die strukturellen Probleme der
letzten Jahre. Fast die Hälfte aller Industrieprodukte wird in Japan von 1% der Firmen hergestellt.
Diese sind zum grössten Teil sehr wettbewerbsfähig
und vorwiegend exportorientiert. Die andere
Hälfte der Produktion wird durch eine Vielzahl von
Klein- und Mittelunternehmen erzeugt, bei denen
es sich häufig um eher binnenmarktorientierte
Familienunternehmen handelt.
Wirtschaftspolitik
Ein nachhaltiger Aufschwung des inländischen
Privatverbrauchs, der rund 60% des BIP ausmacht,
ist eines der Hauptziele der japanischen Wirtschaftspolitik. Die Regierung von Ministerpräsident Koizumi versucht dieses Ziel mit einer Reihe
von Strukturreformen zu erreichen, die schon vor
einigen Jahren lanciert wurden. Mittelfristig geht
es unter anderem darum, das Bankensystem zu
sanieren, das Pensionssystem zu stabilisieren, Privatisierungen vorzubereiten (z.B. Autobahnen und
Postdienste), den Staatshaushalt auszugleichen
und ganz allgemein den Wirtschaftsstandort Japan
durch Deregulierungsanstrengungen zu fördern.
Diese Projekte sind natürlich umstritten, und es
kam inzwischen denn auch zu einer (bedeutenden)
Reduktion der ersten Ambitionen und des vorgeschlagenen Reformkalenders. Die Situation des
Landes in fiskalischer Hinsicht ist heikel. Ein Haushaltsdefizit in der Grössenordnung von 7% des BIP
wird für das laufende Jahr erwartet. Die gesamte
Bruttoverschuldung – in japanischer Hand – wird im
Jahr 2005 rund 175% des BIP betragen. Aufgrund
der ausserordentlich niedrigen Zinssätze bleibt der
Schuldendienst moderat; er beträgt in diesem Jahr
etwa 2% des BIP. In geldpolitischer Hinsicht ist
weiterhin mit einer expansiven Politik zu rechnen,
solange in Japan noch Deflation herrscht.
57 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Konjunkturlage
Die vor zwei Jahren begonnene Erholung der
japanischen Wirtschaft setzt sich gegenwärtig fort.
Das erste Halbjahr 2004 zeichnete sich durch einen
robusten Anstieg des realen BIP aus, der durch die
Beschleunigung der Industrieproduktion sowie
durch eine positive Entwicklung des Privatkonsums
(dies auch als Folge einer sinkenden Arbeitslosigkeit unter die 5%-Grenze) verursacht wurde. Auch
das Exportwachstum verlief expansiv, dies aufgrund einer starken Nachfrage von Seiten Chinas
und der USA. Es ist jedoch ungewiss, ob diese positiven Anzeichen lange anhalten werden; der Rückgang der Aussennachfrage, der für 2005 erwartet
wird, kann wahrscheinlich nicht ausreichend kompensiert werden, um das aktuelle Wachstum beizubehalten. Dazu kommen die anhaltenden strukturellen Schwierigkeiten der japanischen Wirtschaft.
Die Konzentration des Wachstums auf den verarbeitenden Sektor verbirgt die Tatsache, dass es gewissen anderen Sektoren weniger gut geht (Überkapazitäten). Was den Rückgang der Preise betrifft,
scheint das Problem langsam an Intensität zu verlieren, da der Deflationsdruck in diesem Jahr unter
Kontrolle ist.
Internationales
Grafik 1
ein ausgezeichnetes Gespür für die längerfristigen Perspektiven: «Die Erwartungen, zu
welchen dieser Vertragsabschluss durch die
Eröffnung einer neuen Absatzquelle für die
Erzeugnisse schweizerischer Industrie unseren
Handelsstand berechtigt, dürfen zwar einstweilen nicht allzu hoch gestellt werden; denn
es wird immerhin noch einiger Zeit bedürfen,
bis die Japaner sich (...) mit europäischen Artikeln vertraut gemacht haben werden. Dagegen darf mit ziemlicher Sicherheit von der
Zukunft erwartet werden, dass sich mit der in
jenem Lande immer mehr und mehr um sich
greifenden Zivilisation nach und nach ein Verkehr entwickeln wird, welcher für die diesbezüglichen Anstrengungen reichlich Früchte
bringen wird. Zu dieser Erwartung berechtigt
hauptsächlich der fleissige und intelligente
Charakter des japanischen Volkes.»
Entwicklung des bilateralen Handels Schweiz–Japan, 1985–2003
Schweizer Exporte
Schweizer Importe
in Mio. Franken
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Quelle: EZV / Die Volkswirtschaft
Grafik 2
Wichtigste Güter im Aussenhandel Schweiz–Japan, 2003 (in % des Totals)
Hauptexporte der Schweiz nach Japan
Hauptimporte der Schweiz aus Japan
17%
18%
24%
37%
6%
10%
13%
18%
12%
18%
27%
Chemische Produkte
Uhren
Fahrzeuge
Maschinen
Pharmaprodukte
Maschinen
Chemische Produkte
Instrumente
und Apparate
Edelmetalle, Schmuck
Andere
Andere
Bilaterale Beziehungen
Der Vertrag von 1864 bildete den Auftakt
für die Entwicklung von Handelsbeziehungen,
aber auch von politischen, wissenschaftlichen
und kulturellen Beziehungen zwischen den
beiden Ländern. Nach bescheidenen Anfängen haben sich die bilateralen Beziehungen
allmählich intensiviert und vertieft, sodass
sie schliesslich den heutigen ausgezeichneten
Stand erreicht haben. Die Schweizer Kolonie,
die am Ende der Shogun-Dynastie der Tokugawa aus einem Duzend Mitglieder bestand,
erweiterte sich nach und nach auf 88 Personen
im Jahr 1900 und erreichte 1994 ihren Höhepunkt mit nahezu 1400 Schweizer Staatsangehörigen. Letztes Jahr wurden noch 1256 in
Japan niedergelassene Schweizer und Schweizerinnen gezählt.Aus wirtschaftlicher Sicht ist
Japan inzwischen schon seit mehreren Jahrzehnten der wichtigste Partner der Schweiz in
Asien/Ozeanien. Fast ein Drittel des Schweizer
Handels in dieser Region der Welt wird mit
Japan getätigt, was die hohe Bedeutung dieses
Marktes unterstreicht.3
Quelle: EZV / Die Volkswirtschaft
Schweizer Handelspräsenz
3 Japan verfügt über eine 18-mal grössere Bevölkerung
und eine 9-mal grössere Fläche als die Schweiz.
4 Das Unternehmen wurde später Siber-Hegner & Co und
ist heute in Japan unter dem Namen Nihon SiberHegner
K.K. bekannt. Es gehört zur Schweizer DKSH-Gruppe.
tionen, die damals offizielle Beziehungen zu
Japan unterhielten. Unter anderem erhalten
die Schweizer Bürger die Niederlassungs- und
Handelsfreiheit in den offenen Häfen. Der
letzte Teil des Reglements, der die Vorteile dieses Vertrags besonders deutlich macht, sichert
der Schweiz die Meistbegünstigungsklausel
für den Fall, dass die Zolltarife sinken, was in
der Folge die Grundlage des Freihandelssystems geworden ist.
In seiner Botschaft vom 27. Juni 1864 an
die beiden Räte blieb der Bundesrat allerdings
realistisch hinsichtlich der kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen; er zeigte jedoch
58 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Die Handelshäuser waren die ersten Schweizer Unternehmen, die sich in Japan niederliessen. Die Firma Siber & Brennwald wurde bereits 1865 gegründet (von einem Mitglied der
Schweizer Mission von 1864) und kann sich
somit rühmen, den Rekord für die längste
ununterbrochene Schweizer Handelspräsenz
in Japan innezuhaben.4 Andere Handelsfirmen folgten, wie Desco (1901), die heute noch
in Japan präsent ist, sowie die Gesellschaften Volkart (1903) und Liebermann-Wälchli
(1912). Später haben auch andere Unternehmen wie Nestlé (1913), Sulzer (1914), Roche
(1932), Ciba (1952), Sika (1955), Swissair
Internationales
Ein nachhaltiger Aufschwung des inländischen
Privatverbrauchs, der rund 60% des BIP ausmacht, ist eines der Hauptziele der japanischen
Wirtschaftspolitik. Im Bild: Nishiki-dori, eine
Geschäftsstrasse in Kyoto.
Bild: Noriko Motomasa
(1957) und Sandoz (1960) Niederlassungen in
Japan gegründet. Zu dieser Handelspräsenz
kommen seit den Sechzigerjahren mehrere
Joint Ventures und Kooperationen im Maschinenbausektor für die Produktion von Gütern
unter Lizenz. Jedoch wurde erst 1965 die Eröffnung von geschäftlichen Stützpunkten der
Schweizer Banken in Japan registriert. Die besonders strengen Restriktionen jener Zeit im
japanischen Finanzsektor trugen zu diesem
Rückstand bei.
Kasten 2
Fünf wirtschaftliche Herausforderungen Japans
Alterung
Japan ist mit einer schnellen Alterung seiner
Bevölkerung konfrontiert. Innerhalb von 30 Jahren hat sich der Anteil der betagten Bevölkerung
Japans mehr als verdoppelt; er erreichte 19% im
Jahr 2003 (gegenüber 7% im Jahr 1970). 2030
wird es noch zwei berufstätige Personen pro
Rentner geben, gegenüber fast vier im Jahr
2000. Ohne ernsthafte Reformen (auch in der
Einwanderungspolitik) besteht die Gefahr, dass
die Finanzierung der künftig zu zahlenden
Renten und der Gesundheitskosten nicht mehr
gewährleistet ist.
Not leidende Ausleihungen
Dieses lange Zeit akute Problem scheint geringer zu werden, zumindest was die grossen japanischen Banken betrifft. Die regionalen Banken
stehen nicht unter demselben Druck der Regierung, um in ihren Bilanzen «Ordnung zu
machen». So tragen diese immer noch zur Unterstützung von «Zombies» genannten Firmen bei
und blockieren so die Wiederherstellung eines
gesunden Kreditmechanismus.
Deflation
Dieser wirtschaftliche Teufelskreis, der unter
anderem die Konsumenten dazu drängt, ihre Einkäufe aufzuschieben, und so die Unternehmen
zu Entlassungen und Lohnreduktionen zwingt,
welche wiederum einen Rückgang des Konsums
und der Erwerbstätigkeit mit sich bringen, besteht nun in Japan schon seit sechs aufeinanderfolgenden Jahren. Immerhin ist jedoch 2004
eine willkommene Abschwächung des Rückgangs
der Konsumentenpreise zu beobachten.
Öffnung
Das Programm «Invest Japan» bezweckt die
Verdoppelung des ausländischen Direktinvestitionsbestandes in Japan bis zum Jahr 2008.
Dieser ist heute im internationalen Vergleich
besonders schwach ausgeprägt. Eine andere
Kampagne «Yokoso! Japan» strebt danach, die
Anzahl ausländischer Touristen, die Japan besuchen, bis ins Jahr 2010 zu verdoppeln. Diese
Förderungsbemühungen haben sich 2003 konkretisiert.
Nordostasien
Es besteht eine wachsende gegenseitige Abhängigkeit der Volkswirtschaften Japans, Chinas
und Südkoreas. China ist heute der wichtigste
Lieferant und der zweitwichtigste Kunde Japans
hinter den USA. Dies erhöht spürbar die Anfälligkeit Japans gegenüber der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft, die zurzeit nahe an einer
Überhitzung ist. Die zunehmende Bedeutung
Chinas beinhaltet zugleich Chancen und Gefahren für Japan.
59 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Heute zählt man rund 140 in Japan ansässige Schweizer Unternehmen (darunter ca.
60 KMU). Zahlreiche andere Schweizer Firmen verfügen ausserdem über Vertretungen
auf dem Archipel.Diese starke Präsenz erklärt,
dass die Schweiz zurzeit als fünftgrösster ausländischer Investor in Japan rangiert.
Die Schweizer Wirtschaftsgemeinschaft in
Japan verfügt über eine leistungsfähige Handelskammer, die 1981 in Tokio gegründete
Swiss Chamber of Commerce and Industry in
Japan (SCCIJ). Eine Schwesterorganisation –
die Handelskammer Schweiz-Japan bzw. Swiss
Japanese Chamber of Commerce (SJCC) –
entstand vier Jahre später in Zürich. Diese beiden Institutionen unterstützen die Unternehmen, die über Handelsbeziehungen mit Japan
verfügen, und tragen so zur Entwicklung und
zur Qualität der bilateralen Beziehungen bei.
Güterverkehr
Japan ist der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz nach der Europäischen Union
(EU) und den USA. Seit zehn Jahren weist die
Schweiz ununterbrochen einen Überschuss
in der bilateralen Handelsbilanz mit Japan
aus. Dieser belief sich für das Jahr 2003 auf
2,7 Mrd. Franken.
Es ist schon lange her, dass die Schweiz
japanische Seide importierte, um sie in ihren
Fabriken zu verarbeiten und sie dann in Form
kunstvoller Stoffe in die ganze Welt zu exportieren. Heute findet der Handel mit Japan in
den folgenden Hauptkategorien statt: Chemische Produkte (24%), Uhren (18%), Pharmaprodukte (18%), Maschinen (12%) sowie
Schmuck und Edelmetalle (10%); diese bildeten 2003 den Grossteil unserer Exporte nach
Japan. Die Importe aus Japan konzentrierten
Internationales
Grafik 3
Aufteilung des schweiz. Aussenhandels
(Exporte + Importe) mit Asien/Ozeanien
nach Ländern, 2003
JAPAN
Japan, 28%
China, 17%
Hongkong, 16%
Taiwan, 6%
Südkorea, 6%
Singapur, 5%
Thailand, 5%
Indien, 4%
Australien, 4%
Malaysia, 2%
Andere, 7%
Quelle: EZV / Die Volkswirtschaft
Kasten 3
Japan und der Freihandel
Die offizielle Stellung Japans im Bereich
der Liberalisierung des Handels und der Investitionen bestand traditionellerweise in
der ausschliesslichen Verfolgung von multilateralen Verhandlungen im Rahmen der
Welthandelsorganisation (WTO). Japan hat
jedoch vor etwa vier Jahren entschieden,
seine Handelspolitik anzupassen und mehr
Raum für bilaterale Initiativen und für wirtschaftlichen Regionalismus vorzusehen. Die
neue Handelspolitik Japans besteht allerdings keineswegs darin, dem Multilateralismus den Rücken zuzukehren. Es geht für
Japan heute vor allem darum, der internationalen Gemeinschaft das Bild einer Nation zu
vermitteln, die sich ihrer wirtschaftlichen
Macht bewusst ist, die ihre Schlüsselrolle in
Asien übernehmen will, die entschieden ihre
Handelsinteressen vertritt und dabei zugleich weltoffen ist.
Die Anpassung der japanischen Handelspolitik wird durch die immer offensichtlicher
werdenden Grenzen des multilateralen Rahmens begünstigt. Das Scheitern der Verhandlungen von Seattle und das gegenwärtige
Festgefahrensein der Doha-Runde zeigen die
echten Schwierigkeiten, heute zu konstruktiven Resultaten zu kommen, wenn 147 so
verschiedene Länder an einem Verhandlungstisch versammelt sind. Über 130 bilaterale
und regionale Freihandelsabkommen und
Zollunionen sind gegenwärtig weltweit in
Kraft. Die Umsetzung der in einem Freihandelsabkommen ausgehandelten Massnahmen kann Japan auch dazu ermutigen, allmählich die notwendigen bedeutenden
internen Strukturreformen anzupacken.
Dieser kontrollierte Druck, der von einem Teil
des politischen Spektrums Japans explizit
gewünscht wird, ist zweifellos von Vorteil.
sich im selben Jahr vorwiegend auf Fahrzeuge
(37%), diverse Maschinen (27%), chemische
Produkte (13%) sowie Präzisionsinstrumente
und Apparate wie Digitalkameras und Projektoren der neuen Generation (6%).5
Nach zwei eher schwachen Jahren war 2003
durch eine leichte Erholung der Handelsströme mit Japan geprägt. Die Schweizer Exporte nach Japan stiegen um 4,4% und erreichten 5,4 Mrd.Franken (4,0% der gesamten
Exporte der Schweiz). Bei den Importen
wurde mit einem Gesamtbetrag von 2,7 Mrd.
Franken (2,1% der gesamten Importe der
Schweiz) ein Wachstum von 4,2% verzeichnet.
Die Zahlen für das erste Halbjahr 2004 sind
ebenfalls erfreulich: Zu beobachten sind ein
Anstieg der Exporte nach Japan von über 9%
sowie ein Hochschnellen der japanischen Importe in die Schweiz um 22%.
Japan ist ein prioritäres Land im System
der Schweizer Exportförderung. Das Osec
Business Network Switzerland hat 2001 einen
«Business Hub» in der Schweizer Botschaft
in Tokio geschaffen, der in erster Linie mit
der Förderung von Schweizer Klein- und
Mittelunternehmen (KMU) beauftragt ist,
die im japanischen Markt Fuss fassen wollen.
2003 hat das Büro 185 Unterstützungs- und
Informationsanfragen gezählt, von denen
etwa 70% aus der Schweiz und der Rest aus
Japan stammten. Für das erste Halbjahr 2004
verzeichneten die Anfragen einen massiven
Anstieg und beliefen sich auf 123 Einzelkontakte.
Dienstleistungen
Im Dienstleistungsbereich ist die Schweiz
der zwölftgrösste Anbieter Japans.6 Die Kategorien Transport (Personen und Fracht) sowie
Reisen (privat und geschäftlich) sind dabei für
die Schweiz am vorteilhaftesten, mit einem
kombinierten Überschuss von knapp 700 Mio.
US-$ im Jahr 2003.Wie der Güterhandel, so ist
auch die Dienstleistungsbilanz mit Japan traditionell positiv für die Schweiz.
Die beiden Schweizer Grossbanken sowie
einige Privatbanken sind in Japan präsent. Bei
den Versicherungen kann man die «Zürich»
erwähnen, die unter anderem im Bereich der
Automobilversicherung stark in Japan vertreten ist. «Swiss Re», die seit 1972 ebenfalls auf
japanischem Boden tätig ist, hat im vergangenen Mai eine eigenständige Niederlassung eröffnet, eine Premiere unter den wichtigsten
globalen Rückversicherern.
Wie weiter oben erwähnt, spielen auch die
Transportmöglichkeiten eine nicht zu vernachlässigende Rolle in diesem Sektor. Die Swiss
verbindet Zürich und Tokio täglich in beiden
Richtungen (ein Flug wird in Codesharing mit
Japan Airlines durchgeführt). Die Verbindung
60 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
mit Osaka, einer von der ehemaligen Swissair
angeflogenen Destination, ist leider nicht mehr
im Flugplan der neuen nationalen Fluggesellschaft. Die internationalen Transportgesellschaften der Schweiz unterhalten ebenfalls seit
vielen Jahren Geschäftsbeziehungen mit Japan.
Im Dienstleistungssektor spielt der Tourismus eine Schlüsselrolle. Besucher aus Japan
haben im Jahr 2000 fast eine Million Übernachtungen in der Schweiz gebucht, was 18%
der gesamten Übernachtungen von Nichteuropäern ausmacht und einen Anstieg von
140% gegenüber 1980 bedeutet. In den letzten
drei Jahren war die Tendenz rückläufig, vor
allem aufgrund der weltpolitischen Unsicherheiten, der Terrorängste, der schwierigen Wirtschaftslage in Japan und von Sars. 2003 wurde
ein weiterer Rückgang von ca. 20% gegenüber
2002 verzeichnet (560 000 Übernachtungen).
Daher ist es umso erfreulicher, dass im laufenden Jahr ein starkes Wiederaufkommen des
japanischen Interesses zu beobachten ist, mit
einer Schätzung von 750 000 Übernachtungen
für das ganze Jahr.
Investitionen
Die Schweiz liegt hinter den USA, den
Niederlanden, Frankreich und Deutschland
auf dem fünften Rang der ausländischen Investoren in Japan.7 In den letzten Jahren hat
sich diese Position allerdings ständig verschlechtert. Ende 2002 betrug der Schweizer
Direktinvestitionsbestand in Japan 7,9 Mrd.
Franken.8 Im selben Jahr betrug der Personalbestand der Schweizer Firmen in Japan rund
36 000 Beschäftigte. Im Jahr 2002 wurden 640
Mio. Franken aus Japan in die Schweiz repatriiert. Diese negative Zahl ist hauptsächlich
durch die damaligen Verluste der Schweizer
Niederlassungen in Japan begründet.
Auch die japanische Desinvestition in der
Schweiz setzte sich 2002 fort. Nach einer willkommenen Atempause im Jahr 2001 wurde
eine Repatriierung von japanischem Kapital
in der Grössenordnung von 250 Mio. Franken verzeichnet. Ende 2002 betrug der japanische Direktinvestitionsbestand in der Schweiz
1,1 Mrd. Franken. Diese relativ bescheidene
Summe entspricht 0,6% des ausländischen
Direktinvestitionsbestandes in der Schweiz.
Das schwache Volumen erklärt sich unter anderem durch die Konsolidierung des japanischen Bankensektors in Europa – eine Entwicklung, welche die Auflösung eines Teils der
in der Schweiz getätigten Investitionen mit
sich brachte.
Angesichts dieser eher negativen Feststellung und im Rahmen des Programms «Location: Switzerland», das Massnahmen zur
Förderung des Wirtschaftsstandortes Schweiz
vorsieht, hat das Staatssekretariat für Wirt-
Internationales
Der Primärsektor Japans ist zwar wirtschaftlich gesehen nur von geringer Bedeutung, übt
aber dennoch einen beträchtlichen politischen
Einfluss aus. Im Bild: Ogimachi (Bezirk: Gifu)
in Mitteljapan.
5
Die Fahrzeuge japanischer Marken liegen seit vielen
Jahren auf dem zweiten Rang der in der Schweiz verkehrenden Autos mit einem Marktanteil von 20% im
Jahr 2003.
6 Quelle: Japanisches Finanzministerium.
7 Quelle: Japanisches Finanzministerium. Die Summe
der gesamten Schweizer Direktinvestitionen in Japan
betrug am Ende des Fiskaljahres 2003 (April–März)
6 Mrd. US-$.
8 Quelle: Schweizerische Nationalbank, Entwicklung
der Direktinvestitionen im Jahr 2002, Quartalsheft,
Dezember 2003 (keine neueren konsolidierten Daten
verfügbar).
9 Die Umfrage wurde vom 12. bis 28. April 2004 durchgeführt. 316 ausländische Unternehmen, darunter
41 Schweizer Firmen, haben an dem Projekt teilgenommen. Dieses spielt eine willkommene Rolle als Geschäftsbarometer innerhalb der ausländischen Wirtschaftsgemeinschaft in Japan. Für weitere Details:
www.fcc.or.jp/fcij/confidence-survey.html.
10 Das wirtschaftliche Gewicht dieser Region, deren
Niveau des Bruttoinlandprodukts demjenigen von
Kanada entspricht, ist beträchtlich.
Bild: Milner
schaft (seco) – in enger Zusammenarbeit mit
den interessierten Kantonen – ein Programm
auf die Beine gestellt, das die Niederlassung
japanischer Firmen mit hohem Innovationspotenzial in der Schweiz fördern soll.
Diese langfristig ausgerichteten Bemühungen befinden sich gegenwärtig im zweiten
Jahr ihres Bestehens. Nach einem ersten ermutigenden Versuch 2003 wurden im Mai
2004 in Tokio und Osaka weitere Informationsseminare für potenzielle japanische Investoren organisiert. Am Ende jedes Seminars
haben persönliche Gespräche den interessierten Personen erlaubt, die Materie zu vertiefen und Kontakte mit den kantonalen Experten zu knüpfen. Die rund 150 japanischen
Teilnehmer wurden anschliessend vom Büro
des Vertreters von «Location: Switzerland»
(das im Frühling 2004 in der Schweizer Botschaft in Tokio eröffnet wurde) sowie von
den Wirtschaftsförderungsstellen der Kantone umworben. Obwohl das gegenwärtige
Konzept noch gewisse Anpassungen benötigt, waren bereits erste positive Resultate zu
verzeichnen.
Der Japan Investment Council – ein Beratungsorgan unter der Leitung des Ministerpräsidenten – hat die Schweiz vor kurzem in die
Liste der sieben prioritär zu umwerbenden Länder aufgenommen; dies mit dem Ziel, ausländische Direktinvestitionen in Japan anzuziehen.
Geschäftsklima bei ausländischen
Unternehmen in Japan
Im letzten Frühling haben mehrere Handelskammern zum dritten Mal eine Umfrage
bei ihren Mitgliedern durchgeführt, um ihre
Stimmung hinsichtlich des Geschäftsgangs in
Japan in Erfahrung zu bringen. Auch die
SCCIJ hat an dieser zweimal jährlich statt-
61 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
findenden Umfrage teilgenommen.9 Im Vergleich mit der letzten Umfrage,die im Oktober
2003 durchgeführt wurde, hat sich die allgemeine Stimmung erheblich verbessert. 90%
der Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben (80% der Schweizer Firmen),
sind der Ansicht, dass sich die Wirtschaftslage in Japan in den nächsten zwölf Monaten leicht oder stark verbessern wird. Was den
Geschäftsgang der nächsten sechs Monate
betrifft, rechnen 83% mit einer positiven Entwicklung (76% der Schweizer Firmen), während nur 4% einen Rückgang befürchten. Hinsichtlich der Ertragsaussichten für dieselbe
Periode erwarten 74% der antwortenden
Firmen eine positive Entwicklung (88% der
Schweizer Firmen).
Die Unternehmen erklären diese Konjunkturaufhellung unter anderem durch ihre eigenen in den letzten Jahren unternommenen
Restrukturierungsmassnahmen, durch aggressives Marketing und Preisgestaltung, einen
Anstieg der Investitionen sowie eine steigende
Nachfrage.
Immer noch im Rahmen dieser Umfrage
ist zu erwähnen, dass 80% der Firmen eine
Wachstumsstrategie und 20% eine Konsolidierungsstrategie verfolgen (für die an der
Umfrage teilnehmenden Schweizer Unternehmen betrug das Verhältnis 74% zu 26%). Ein
anderes ermutigendes Zeichen: Keine der Firmen, die den Fragebogen beantwortet haben,
beabsichtigt, sich aus Japan zurückzuziehen.
Offizielle bilaterale Kontakte
Für die Schweizer Regierung ist die Pflege
der guten Beziehungen mit der zweitgrössten
Wirtschaftsmacht der Welt von grosser Bedeutung. Es liegt im Interesse der Schweiz als
einem typischen Exportland, Kontakte auf
allen Ebenen mit ihren wichtigsten Handelspartnern zu pflegen und weiterzuentwickeln.
Zu dieser wichtigen Aufgabe tragen die diplomatischen Vertreter der beiden Länder massgeblich bei. Die Schweiz unterhält neben der
Botschaft in Tokio noch ein Generalkonsulat
in Osaka, dem Hauptort der Region Kansai.10
Seit rund zehn Jahren bestehen mit Japan
auch regelmässige Konsultationen auf Regierungsebene, wo die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen,aber auch wissenschaftliche und
technologische Fragen erörtert werden. Periodische Gespräche finden auch im Bereich der
Finanzdienstleistungen statt. Bei diesen Treffen geht es darum, den Stand der bilateralen
Beziehungen zu beurteilen und Lösungen für
die noch offenen Probleme zu finden. In den
letzten Jahren wurden vor allem die technischen Handelshemmnisse (z.B.im Bereich der
Medizinprodukte) und die Schwierigkeiten bei
der Erteilung von Aufträgen im öffentlichen
Internationales
Bundespräsident Joseph Deiss wird zudem
den Startschuss zum Schweizer Begleitprogramm der nächsten Weltausstellung geben,
die vom 25. März bis 25. September 2005 in
Aichi in Japan stattfinden wird. Der Berg wird
das Symbol und der rote Faden der Schweiz an
diesem wichtigen Anlass sein, der unter dem
Zeichen der «Weisheit der Natur» steht und an
dem 15 Mio. Besucher, vorwiegend Japaner,
erwartet werden.
Die Schweiz geniesst in Japan einen ausgezeichneten Ruf, der vor allem in den «traditionellen» Werten des Landes begründet ist: Tourismusparadies, konkurrenzlose Qualität der
Handwerksprodukte, Neutralität sowie ausgezeichnete Schokolade und Käse! Die Tatsache,
dass die Schweiz auch in Wissenschaft und Forschung eine führende Rolle spielt, dass sie hervorragende Universitäten, Architekturbüros
von Weltruf sowie eine ganze Reihe bekannter
Hightech-Unternehmen beheimatet, ist dagegen noch weniger bekannt. Die Weltausstellung von Aichi bietet eine ideale Plattform,
um das schon sehr positive Bild der Schweiz in
Japan noch zu vervollständigen.
Japan wagen!
Der Abschluss des Freundschafts- und Handelsvertrages mit Japan 1864 ermöglichte es der
Schweiz, dauerhafte Beziehungen zu diesem
Land anzuknüpfen. Im Bild: Das Gästehaus der
schweizerischen Delegation in Yedo (Tokio)
im 19. Jahrhundert.
Quelle: Le Japon Illustré
Beschaffungswesen thematisiert. Die Delegationen besprechen auch ihre gemeinsamen
Interessen und nutzen die Gelegenheit, um
Ideen für die künftige Zusammenarbeit zu
vertiefen. Die nächsten bilateralen Wirtschaftskonsultationen sind im ersten Halbjahr 2005
in Bern geplant.
Diese Kontakte werden durch Besuche auf
höchster Ebene ergänzt, an denen manchmal
auch Vertreter des Privatsektors teilnehmen.
So wird Bundespräsident Joseph Deiss, Vorsteher des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements
(EVD), Japan einen offiziellen Arbeitsbesuch
vom 11. bis 14. Oktober 2004 abstatten. Die
Mission des Bundespräsidenten bezweckt die
Förderung der bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die Entwicklung
des Handels sowie die Stärkung des guten
Images der Schweiz im Allgemeinen und als
Wirtschaftsstandort erster Wahl.
62 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004
Es brauchte einen ausserordentlichen Pioniergeist und eine wahrhafte Lust zum Risiko,
um sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts
in Japan niederzulassen. Für eine Hand voll
Schweizer Unternehmer, darunter einige der
Mitglieder der Mission Humbert, überwogen
die sich bietenden Gelegenheiten weit stärker
als die eingegangenen Risiken. Die beiden gewählten Handelsbereiche Seide und Uhren erwiesen sich als höchst erfolgreich. Heute wie
damals bietet Japan hervorragende Möglichkeiten für Schweizer Unternehmen.Dieser anspruchsvolle Markt, der sich nun wieder im
Aufschwung befindet, ist gewiss nicht einfach.
Er belohnt jedoch diejenigen reichlich,die Geduld, Kreativität sowie einen ausgeprägten
Sinn für Qualität beweisen und zugleich auf
richtig gewillt sind, sich anzupassen.
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