Das Magazin für Wirtschaftspolitik Die Volkswirtschaft 10-2004 77. Jahrgang CHF 14.90 Seite 3 Monatsthema: Seite 43 Hintergründe der Jugendarbeitslosigkeit Seite 51 Beschaffungsstatistik des Bundes Seite 56 Japan – bedeutender Handelspartner der Schweiz Unternehmenssteuerreform Inhalt Monatsthema 3 Editorial Eric Scheidegger 5 Kann man auf die Unternehmensbesteuerung verzichten? Milad Zarin-Nejadan 10 Unternehmenssteuerreform II: Das Reformprojekt Angelo Digeronimo 15 Unternehmenssteuerreform, Wachstum und Verteilung Christian Keuschnigg 21 5 Eine Unternehmenssteuerreform wirkt sich über das Investitions- und Finanzierungsverhalten der Betriebe aus. Die Unternehmenssteuerreform II sieht vor, die wirtschaftliche Doppelbelastung von Dividenden beim Anteilseigner zu reduzieren und so die Neutralität zwischen Selbst- und Anteilsfinanzierung zu verbessern. Wie gross der Reformbedarf in der Schweiz ist und welche der drei Modellvarianten, die der Bundesrat in die Vernehmlassung gegeben hat, realisiert werden soll, bleibt umstritten. Unternehmenssteuerreform zwischen ökonomischen Anforderungen und politischen Interessen Martin Daepp und Bruno Jeitziner 26 KMU-Test: Besteuerung der Kapitalgesellschaften Nicolas Wallart Wirtschaftspolitische Stellungnahmen 30 Wachstum und Beschäftigung dank der Unternehmenssteuerreform II Pascal Gentinetta 32 Verzichten, weil de facto zu kostspielig Serge Gaillard 34 Personengesellschaften verdienen eine bessere Behandlung Michel Y. Dérobert 36 Beurteilung aus standort- und wachstumspolitischer Sicht Markus Neuhaus 43 Die Arbeitslosenquote von Jugendlichen reagiert besonders stark auf konjunkturelle Schwankungen und liegt in der Regel über derjenigen der erwachsenen Bevölkerung, so auch heute. Allerdings fallen die Zahlen je nach Erhebungsmethode recht unterschiedlich aus. Hauptursache der Jungendarbeitslosigkeit ist der Übergang der Jugendlichen vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Ursachen, welche in diesem Artikel zur Sprache kommen. Schweizer Volkswirtschaft 38 43 Wirtschaftspolitische Agenda Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz Bernhard Weber 47 Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge Verena Conti 51 Beschaffungsstatistik des Bundes 2003 Elsbeth Etter 51 Die Beschaffungen des Bundes (inkl. SBB AG und Die Post) erreichten im vergangenen Jahr das Volumen von 3,8 Mrd. Franken. Dies entspricht praktisch dem Vorjahreswert. Der Auslandanteil ist von 4,2% auf 3,7% zurückgegangen. Gut die Hälfte des gesamten Beschaffungsvolumens fiel auf Fahrzeuge sowie Elektronik und Elektrotechnik. Der Pro-Kopf-Anteil der Empfängerkantone war im Kanton Zürich am höchsten, gefolgt von den Kantonen Luzern und Bern. Internationales 56 Japan – der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien Steffen Erik Milner Aktuelle Wirtschaftsdaten 63 Auswahl statistischer Tabellen Monatsthema der nächsten Ausgabe: Vereinbarkeit von Beruf und Familie 56 Vor 140 Jahren schloss die Schweiz als erstes Binnenland mit Japan einen Freundschafts- und Handelsvertrag ab. Dieser Vertrag, der auf eine Pionierleistung des Neuenburgers Aimé Humbert zurückging, markiert den Beginn der offiziellen bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die sich seither stets weiter vertieft haben. Heute ist Japan nach der EU und den USA der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz. Tagungszentren und Seminarhotels Für Erfolgreiche und für solche, die es werden wollen. ***HotelRestaurant Seminare 15 Minuten von der Stadt Bern im Eingang zum Emmental Impressum IHR SEMINARHOTEL Focus Top Twenty Seminarhotels Schweiz 6376 EMMETTEN TEL. +41 41 624 41 41 www.hotelseeblick.ch Ihre Lösung für jedes Seminar. 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Dieser Standortvorteil muss unbedingt gewahrt werden, um die Standortattraktivität der Schweiz für die hiesigen Unternehmen sowie für ausländische Direktinvestitionen zu erhalten. Unser Steuersystem weist jedoch auch Schwächen auf: Es ist besonders kompliziert und intransparent. Dies liegt vor allem an den dezentralisierten Strukturen und der unterschiedlichen Form der Steuererhebung auf den drei Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden. Hier stellt sich die Frage, welchen Preis wir für unseren Föderalismus zu bezahlen bereit sind. Eine weitere Schwäche ist die wirtschaftliche Doppelbelastung, die darin besteht, dass die Unternehmensgewinne einmal beim Unternehmen selbst und zusätzlich als Dividende beim Aktionär besteuert werden. Diese nicht zeitgemässe Doppelbesteuerung beeinflusst nicht nur die Wahl der «richtigen» (oder eben falschen) Unternehmensform, sondern benachteiligt vor allem auch die Unternehmensfinanzierung über Aktienkapital und Eigenmittel. Das Hauptverdienst der Unternehmenssteuerreform II, so, wie sie in Vernehmlassung geschickt wurde, liegt in der – teilweisen – Aufhebung dieser Doppelbesteuerung, welche letztlich auch den übermässigen Rückbehalt von Gewinnen in den Unternehmen korrigieren würde. Dies ist ein entscheidender Punkt, denn die Ausgestaltung des Steuersystems sollte Investitionsentscheide möglichst nicht beeinflussen. Der Reformbedarf im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II kann aus ökonomischer Sicht im Grundsatz nicht bestritten werden. Jetzt gilt es, den notwendigen Schulterschluss zu finden, damit die Reform rasch vorankommt und ein Verschleppen der Diskussion verhindert wird. Eine Pattsituation diente niemandem und verzögerte letztlich auch die seit Jahren geforderte Überwindung der Engpässe bei der Eigenkapitalförderung der KMU. Dr. Eric Scheidegger Mitglied des Geschäftsleitungsausschusses des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), Leiter der Direktion für Standortförderung, Bern Monatsthema Kann man auf die Unternehmensbesteuerung verzichten? Die Unternehmenssteuerreform II will die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz verbessern, ohne dabei jedoch die gegenwärtige Struktur des Steuersystems grundlegend neu zu gestalten. Immer mehr Stimmen setzen sich allerdings für radikalere Massnahmen ein, die teilweise bis hin zur vollständigen Abschaffung der Unternehmensbesteuerung reichen. Zwar ist heute die Stellung der Unternehmensbesteuerung im Steuersystem unbestritten. Dennoch ist die Frage der Rechtfertigung dieser Art von Abgabe alles andere als trivial; die Auseinandersetzung mit der Frage vermag zudem zu einem besseren Verständnis der mit der geplanten Da alle Erträge auf der Ebene der jeweiligen Begünstigten besteuert werden, gibt es auf den ersten Blick keinen Grund, das Unternehmen zusätzlich zu besteuern. Das Unternehmen erscheint somit als einfacher Trennungsfaktor zwischen Bild: Keystone der Wirtschaftstätigkeit, welche den Mehrwert generiert, und den Empfängern der Erträge. Reform verbundenen Herausforderungen beizutragen. Zweitrangige Steuereinnahmequelle Die Notwendigkeit, neben den natürlichen Personen auch die Unternehmen zu besteuern, ist nicht so offensichtlich,wie man auf den ersten Blick glauben könnte. Dies könnte auch erklären, weshalb die Steuereinnahmen von juristischen Personen im Allgemeinen nur einen geringen Teil der gesamten Steuereinnahmen ausmachen. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich wird, machen die auf dem Unternehmensgewinn erhobenen Steuern in der Schweiz – wie in den meisten Industrieländern – weniger als 4% des Bruttoinlandprodukts (BIP) und einen relativ geringen Anteil des gesamten Steueraufkom- mens aus. Auch wenn man andere von den juristischen Personen geleistete Steuern mit einbezieht, behält diese Feststellung ihre Gültigkeit.1 Die Unternehmensbesteuerung ist also im Vergleich zur Einkommenssteuer der natürlichen Personen eher nebensächlich, da die Einkommenssteuer der Unternehmen nur die Kapitalerträge betrifft, während diejenige der natürlichen Personen alle Formen des Einkommens mit einbezieht. Zudem wird die Einkommenssteuer bei Unternehmen nicht auf den ganzen Kapitalertrag erhoben, sondern nur auf den Nettobetriebsüberschuss oder – mit anderen Worten – auf den Gewinn. Weshalb sollen die Unternehmen besteuert werden? Milad Zarin-Nejadan Professor für Volkswirtschaft an der Universität Neuenburg 1 Siehe Zarin-Nejadan (2004, Kapitel 4). 5 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Weshalb die Unternehmen zusätzlich zur Einkommens- und zur Vermögenssteuer der natürlichen Personen besteuert werden sollen, ist keineswegs selbstverständlich. Alle durch die Wirtschaftstätigkeit generierten Erträge fallen schlussendlich als Entschädigung für die Produktionsfaktoren, die sie dem Monatsthema Produktionssystem zur Verfügung stellen, den natürlichen Personen zu. Der Mehrwert, den die Unternehmen erzeugen, wird u.a. als Lohn auf die Arbeitskräfte,als Dividende auf die Aktionäre und als Zins auf die Gläubiger verteilt. Wenn diese Erträge auf der Ebene der jeweiligen Begünstigten vollumfänglich besteuert werden, gibt es auf den ersten Blick keinen Grund, das Unternehmen zusätzlich zu besteuern. Das Unternehmen erscheint somit als einfacher Trennungsfaktor zwischen der Wirtschaftstätigkeit, welche den Mehrwert generiert, und den Empfängern der verteilten Erträge. Die hauptsächlichen Argumente zur Rechtfertigung der Unternehmensbesteuerung können – nach zunehmender Glaubwürdigkeit geordnet – unter fünf Titeln klassiert werden: – Steuergerechtigkeit gewährleisten; – dem öffentlichen Bereich sichere finanzielle Ressourcen verschaffen; – dem Staat erlauben, das Verhalten der Unternehmen zu beeinflussen; – die Dividenden von nicht in der Schweiz ansässigen Personen besteuern; – verhindern, dass die nicht ausgeschütteten Gewinne sich der Besteuerung entziehen.2 Steuergerechtigkeit Laut diesem Argument sollten juristische Personen ebenfalls auf ihrem Einkommen und Vermögen besteuert werden, da sie eine andere Rechtspersönlichkeit als die natürlichen Personen aufweisen. Das entscheidende Kriterium wäre also die Rechtspersönlichkeit. Dazu kommt der Gedanke, dass die juristischen Personen von den Leistungen des Staates – wie den Infrastrukturen oder der Sicherheit – profitieren und ihm daher auch etwas schuldig seien. Dabei spielt es keine Rolle, dass dieselbe Person für dasselbe Einkommens- oder Vermögenselement zunächst indirekt durch die Unternehmensbesteuerung und dann noch einmal direkt im Rahmen der Besteuerung der Haushalte steuerpflichtig werden könnte. Tabelle 1 Besteuerung der Unternehmensgewinne in den OECD-Ländern, 2001a in % des BIP in % der gesamten Steuereinnahmen Deutschland 0.6 1.7 Kanada 3.5 10.0 USA 1.9 6.5 Frankreich 3.4 7.6 Italien 3.6 8.6 Japan 3.5 12.7 Grossbritannien 3.5 9.5 Schweiz 3.1 10.2 Durchschnitt der OECD 3.5 9.4 a Ein Indikator für die Beurteilung der volkswirtschaftlichen Effekte ist der Steuerkeil (siehe Art. «Unternehmenssteuerreform zwischen ökonomischen Anforderungen und politischen Interessen» auf S. 21 dieser Ausgabe). Quelle: OECD / Die Volkswirtschaft 6 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Unter einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt ist dieses Argument keineswegs stichhaltig. Es gründet auf einer falschen Konzeption der juristischen Personen und berücksichtigt nicht, dass das Unternehmenseinkommen immer in die Hände von natürlichen Personen gelangt. Eine sichere Einnahmequelle Da die Unternehmen im Handelsregister eingetragen sind, ein bekanntes Domizil haben und gewissen Regeln – insbesondere in Bezug auf ihre Buchführung – unterworfen sind, können sie sich der Besteuerung nur schwer entziehen. Daher bilden sie eine relativ sichere Steuereinnahmequelle für den Staat, deren Besteuerung – gemäss diesem Argument – notwendig ist, um die Finanzmittel für die öffentlichen Ausgaben zu beschaffen. Dieses Argument kann nicht für die Industrieländer gelten, die über relativ effiziente Mechanismen für die Besteuerung der Privatpersonen verfügen. Hingegen hat es eine gewisse Berechtigung für Entwicklungsländer, wo die Steuerbehörde nicht immer in der Lage ist, die Steuerpflichtigen zu lokalisieren und ihre Finanzsituation festzustellen, um sie wirksam zu besteuern. Ohne die Besteuerung der Unternehmen bestünde dort die Gefahr, dass die Steuereinnahmen vorwiegend durch die Arbeitseinkommen – vor allem der Arbeitnehmenden – generiert würden. Ein Instrument, um das Verhalten der Unternehmen zu beeinflussen Die Unternehmensbesteuerung bietet dem Staat einen vorzüglichen Hebel, um auf das Verhalten der privaten Unternehmen einzuwirken. Der Staat kann durch sie die Grösse der Unternehmen kontrollieren oder beherrschende Stellungen auf den Märkten bekämpfen.In einer makroökonomischen Perspektive kann die öffentliche Hand jedoch vor allem durch Veränderungen der Steuersätze, der zulässigen Abzüge oder anderer Steuerbestimmungen das Verhalten der Unternehmen – vor allem bezüglich der Investitionen – beeinflussen und dadurch auf die Konjunktur und das Wachstumspotenzial der Wirtschaft einwirken. Auch wenn es sich nicht abstreiten lässt, dass die Steuern zur Beeinflussung von Entscheidungen der Unternehmen benützt werden können, stellt dies jedoch kein gültiges Argument für ihre Besteuerung dar. Denn einerseits ist die Theorie über die Auswirkungen einer solchen staatlichen Intervention keineswegs eindeutig; andererseits ist die Besteuerung nicht das einzige Instrument, das der öffentlichen Hand dafür zur Verfügung steht. Dies kann zum Beispiel auch durch die Veränderung der Zinssätze geschehen. Monatsthema Durch die Erleichterung der Steuerlast auf Kapitalerträge und die Beseitigung der Verzerrungen werden Investition und Wirtschaftswachstum gefördert. Das allein sollte Grund genug sein, um solche Massnahmen zu rechtfertigen. Im Bild: Erstellung günstigen Wohnraums in Rüschlikon. Bild: Keystone Besteuerung von Dividenden an nicht in der Schweiz ansässige Personen Die Besteuerung des Unternehmensgewinns kann eine praktische Methode für Empfängerländer von ausländischem Kapital sein, um die Erträge von nicht im jeweiligen Land ansässigen Personen aus ihren Investitionen in lokale Unternehmen zu besteuern. Wenn ein Land die Unternehmensgewinne nicht besteuert, können die an im Ausland domizilierte Aktionäre ausgeschütteten Dividenden von diesen repatriiert werden, ohne im Empfängerland der Einkommenssteuer für natürliche Personen unterworfen zu sein. Eine solche Steuerbefreiung wäre nicht nur ungerecht, sondern sie widerspräche auch dem «Äquivalenzprinzip», nach dem ein Staat als Entschädigung für seine Leistungen Steuern auf dem Kapitalertrag erhebt. Dieses Argument erscheint zwar überzeugender als die vorangegangenen, doch es ist ebenfalls nicht ausschlaggebend. Anstelle der Besteuerung des Unternehmensgewinns könnte der Staat – durch die Vermittlung des Unternehmens – die Dividenden, welche an Aktionäre mit Domizil im Ausland ausgeschüttet werden, an der Quelle besteuern. Die grenzüberschreitende Doppelbesteuerung könnte dabei durch Doppelbesteuerungsabkommen vermieden werden. Besteuerung von nicht ausgeschütteten Gewinnen 2 Siehe auch Flückiger et al. (2003) und Dafflon und Weber (1984, Kapitel 3). Ein wesentlich stichhaltigeres – wenn auch nicht unfehlbares – Argument für die Besteuerung der Unternehmen gründet darin, dass 7 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 nicht der gesamte Gewinn eines Unternehmens in Form von Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet und somit auf der Ebene der natürlichen Personen besteuert wird. Ohne Unternehmensbesteuerung könnten die nicht ausgeschütteten Gewinne in gewissen Fällen jeglicher Besteuerung entgehen, was zu zwei Arten von Verzerrungen führen würde: Erstens würde diese Steuerbefreiung eine Diskriminierung der Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit darstellen, deren Gewinne vollständig der Einkommenssteuer der natürlichen Personen unterworfen sind; zweitens würde dadurch der Gewinnrückbehalt ermutigt. Die Unternehmen würden versuchen, die Ausschüttung von Dividenden zu reduzieren,um die Steuerbelastung der Aktionäre zu vermindern. Diese Argumentation verliert ihre Gültigkeit, wenn im Besteuerungssystem des Einkommens natürlicher Personen auch die Kapitalgewinne als steuerbares Einkommen definiert werden. Nicht ausgeschüttete Gewinne müssten nämlich normalerweise zu einem Wertanstieg der Aktien – d.h. zu Kapitalgewinnen für die Aktionäre – führen.Wenn man also diese Kapitalgewinne gleichermassen wie das Arbeitseinkommen oder wie Dividenden und Zinsen besteuern würde, wäre es nicht mehr nötig, die nicht ausgeschütteten Gewinne im Rahmen der Besteuerung der juristischen Personen zu besteuern. Allerdings sind nicht realisierte Kapitalgewinne nicht leicht zu besteuern. Ohne hier die Problematik der Besteuerung nicht reali- Monatsthema Kasten 1 Literatur – Dafflon, B. und Weber, L., Le financement du secteur public, Paris, PUF, 1984. – Flückiger, Y., Schönenberger, A. und Rohner, D., Reform der Unternehmensbesteuerung, Gutachten für Avenir Suisse, Universität Genf, 2003. – Keuschnigg, C. und Dietz, M., Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform II, Bern, Eidgenössische Steuerverwaltung, 2002. – Zarin-Nejadan, M., L’entreprise et l’impôt, Collection Le savoir suisse, Lausanne, PPUR, 2004. 3 Siehe zum Beispiel Keuschnigg und Dietz (2002). 4 Unter den anderen Anomalien des Schweizer Steuersystems sind die in gewissen Kantonen angewandte progressive Besteuerung des Gewinns in Abhängigkeit von der Ertragsintensität sowie die Besteuerung des Kapitals in allen Kantonen zu erwähnen. Siehe ZarinNejadan (2004, Kapitel 6). 5 Für eine Evaluation des in Vernehmlassung gegebenen Reformprojekts, siehe Zarin-Nejadan (2004, Kapitel 7). 6 Siehe Art. Digeronimo, Kasten 2 auf S. 12 dieser Ausgabe. sierter Mehrwerte im Detail untersuchen zu wollen, lassen sich zwei Probleme erwähnen. Nicht alle Aktien sind an der Börse kotiert; den Wert solcher Aktien zu einem gewissen Zeitpunkt zu bestimmen, um ihren Mehrwert zu berechnen und zu besteuern, ist nicht einfach. Auch kann es sein, dass der Steuerpflichtige aufgrund mangelnder Liquidität Aktien verkauften müsste, um die auf den nicht realisierten Kapitalgewinnen anfallenden Steuern zu bezahlen, was eine Zwangssituation darstellen würde. Um solche Schwierigkeiten zu vermeiden, bevorzugt es die Steuerbehörde im Allgemeinen, die Kapitalgewinne zum Zeitpunkt ihrer Realisierung zu besteuern. Dadurch stellen sich jedoch andere Probleme. Mit den progressiven Steuersätzen bei der Einkommenssteuer natürlicher Personen führen die Mehrwerte zum Zeitpunkt ihrer Realisierung zu einer höheren Einstufung des Steuerpflichtigen in der Tarifskala, was einen starken Anstieg des Steuersatzes mit sich bringt, während der betroffene Mehrwert möglicherweise die Frucht eines mehrjährigen Aktienbesitzes ist. Die Besteuerung der realisierten Kapitalgewinne veranlasst die Aktieninhaber somit,den Zeitpunkt der Realisierung so weit wie möglich hinauszuschieben, um die Bezahlung der Steuern zu verzögern (Lock-in-Effekt) und gleichzeitig von der Zunahme ihrer Wirtschaftskraft zu profitieren. Diese Verzerrung schadet jedoch der Mobilität des Kapitals. Es ist daher kein Zufall, dass die Steuersysteme der verschiedenen Länder den realisierten Kapitalgewinnen diverse bevorzugte Behandlungsmodalitäten einräumen. Manche gehen – wie etwa die Schweiz – sogar so weit, die Gewinne auf Wertschriften von der Besteuerung auszunehmen. In Ermangelung einer umfassenden Besteuerung der Kapitalgewinne findet diejenige der Unternehmensgewinne eine gültige Rechtfertigung. Allerdings bleibt dabei die Tatsache bestehen, dass die Dividenden ein erstes Mal auf der Ebene des Unternehmens und ein zweites Mal beim Aktionär besteuert werden («wirtschaftliche Doppelbelastung»), während dies bei nicht ausgeschütteten Gewinnen nur einmal der Fall ist. In gewissen Fällen kann sogar eine Dreifachbelastung erfolgen (z.B. bei den Beteiligungsgesellschaften). Die wirtschaftliche Doppelbelastung schafft Verzerrungen bei der Wahl der Finanzierungsquellen, bringt horizontale Ungerechtigkeiten zwischen den Unternehmen mit sich und erweist sich als Investitionshindernis.3 Die Schweiz ist eines der wenigen OECD-Länder, welche das so genannte «klassische» System kennen, das keine Entlastung für die wirtschaftliche Doppelbelastung vorsieht. Neben der Schweiz verwenden nur noch die USA, 8 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Irland und die Niederlande ein solches System. Diese Entlastungen können entweder auf Unternehmensebene erfolgen, zum Beispiel durch die reduzierte Besteuerung oder gar die Steuerbefreiung des an die Aktionäre ausgeschütteten Gewinns, oder aber auf der Ebene des Aktionärs, indem ihm die vom Unternehmen geleisteten Steuern ganz oder teilweise abgezogen werden (Anrechnungsverfahren). Schlussfolgerung Die Besteuerungen von Unternehmensund von Kapitalgewinnen sind zwei verbundene Problemkreise. Angesichts der deutlichen Ablehnung der Volksinitiative für eine Kapitalgewinnsteuer 2001 scheint es angebracht, das System der Unternehmensbesteuerung beizubehalten. Jedoch müssen die bedeutenden Mängel – unter anderem die wirtschaftliche Doppelbelastung – dringend korrigiert werden.4 Mit der Milderung der Doppelbelastung geht die Unternehmenssteuerreform in die richtige Richtung.5 Sie würde die daraus hervorgegangenen Verzerrungen ein Stück weit reduzieren, besonders was die Finanzierungsquellen und die Wahl der Rechtsform betrifft. Jedoch ist einzuräumen, dass die Modelle 1 und 2 6 des in die Vernehmlassung gegebenen Projekts kompliziert sind,die Besteuerung der Kapitalgewinne vorsehen und den Investoren keine ausreichend klaren Signale geben. Schliesslich ist auch zu bedauern, dass das Projekt in der Korrektur der wirtschaftlichen Doppelbelastung nicht weit genug geht, während diese doch den Kernpunkt bilden sollte. Durch die Erleichterung der Steuerlast auf Kapitalerträge und die Beseitigung der Verzerrungen werden Investitionen und Wirtschaftswachstum gefördert. Das allein sollte Grund genug sein, um solche Massnahmen zu rechtfertigen, selbst wenn sie das Risiko beinhalten, kurzfristig das Haushaltsgleichgewicht zu gefährden. Gegebenenfalls wäre diese Operation ertragsneutral zu gestalten, nämlich durch die Erhöhung der Steuersätze oder die Ausweitung einer bestehenden Steuer, die weniger Verzerrungen hervorruft (z.B. die MWST). Dies wäre gegenüber der Einführung einer neuen Steuer zu bevorzugen, zumal die Schweiz die Anzahl der verschiedenen Steuern auf das Kapital eher reduzieren und sich dem Durchschnitt der OECD-Länder angleichen sollte, indem der Anteil der direkten Steuern zu Gunsten von indirekten Steuern verringert wird. Monatsthema Unternehmenssteuerreform II: Das Reformprojekt Die Ablehnung der Volksinitiative «für eine Kapitalgewinnsteuer» 2001 und der seit 1998 anhaltende parlamentarische Druck zur Nachbesserung der Unternehmenssteuerreform von 1997 haben den Bundesrat veranlasst, Mittel und Wege zu suchen, um die steuerlichen Rahmenbedingungen für in der Schweiz ansässige Unternehmen und Unternehmer zu verbessern. Zielsetzung war, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln unter Wahrung des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit und der Steuerneutralität. Am 5. Dezember 2003 schickte der Bundesrat die Vorlage zur Unternehmenssteuerreform II in die Vernehmlassung. Die Vorlage berücksichtigt die weit gehend übereinstimmenden Empfehlungen einer Expertenkommission, einer gemischten Arbeitsgruppe wie auch die parlamentarischen Vorstösse. Im vorliegenden Artikel unterzieht der Autor die in der Vorlage zur Diskussion gestellten Massnahmen einer kritischen Würdigung.1 1 Dieser Beitrag bringt die persönliche Beurteilung des Verfassers zum Ausdruck und stellt weder eine offizielle Stellungnahme der ESTV noch ein Zwischenergebnis der von ihm geleiteten Projektgruppe dar. 2 Vgl. Botschaft des Bundesrates über die Steuerharmonisierung vom 25. Mai 1983; BBl 1983/III - Ziff. 147.4 / S. 54–59. 3 Vgl. Vernehmlassungsvorlage zur USTR II vom 5.12.2003, S. 13. Weshalb eine Beseitigung der Doppelbelastung? Dass die Expertenkommission «rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung» (ERU) und die Arbeitsgruppe «Standortstudie» praktisch wie aus einem Guss die Teilbesteuerung sämtlicher Einkünfte (Dividenden und Veräusserungsgewinne) aus qualifizierten Beteiligungsrechten empfohlen haben, vermag niemanden zu überraschen (siehe Kasten 1). Denn beide Gremien haben von Anfang an die Notwendigkeit der Milderung bzw. Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung als unerlässliche Massnahme zur steuerlichen Förderung des von ansässigen Investoren erwarteten Risikokapitals erkannt. Für den Laien bleibt indes diese Notwendigkeit etwas Rätselhaftes, da auch die jüngsten von der ERU unternommenen Belastungsvergleiche die bisherigen Erkenntnisse bestätigen: «Eine Kapitalgesellschaft und ihr Aktionär werden trotz wirtschaftlicher Doppelbelastung i.d.R. keineswegs stärker belastet als ein vergleichbares Personenunternehmen.» 2 Überdies wurde festgestellt, dass die wirtschaftliche Doppelbelastung bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften und deren Aktionären in der Regel erst dann eine höhere Belastung im Vergleich zu einem Personenunternehmen bewirkt, wenn regelmässig mehr als 70% des Jahresgewinnes ausgeschüttet wird. Werden dagegen Gewinne zurückbehalten und nach mehreren Jahren als Substanzdividende ausgeschüttet, so kann sich die Reizschwelle der wirtschaftlichen Doppelbelastung infolge verzögerter Entrichtung der Einkommenssteuer (= Zinsvorteil) in Extremfällen von 70% auf ca. 90% des ausgeschütteten Substrates erhöhen. Angelo Digeronimo Experte für internationale Unternehmensbesteuerung, Projektleiter zur Unternehmenssteuerreform II, Eidg. Steuerverwaltung (ESTV), Bern 10 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Weshalb unter solchen Umständen bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften noch von einer nachteiligen wirtschaftlichen Doppelbelastung die Rede sein kann, ist erst bei vertiefter Betrachtung der steuerwirtschaftlichen Realität erkennbar. Aufgrund langjähriger Erfahrung lässt sich nicht bestreiten, dass die Unternehmer-Aktionäre wegen der wirtschaftlichen Doppelbelastung allzu oft steuerlich motivierte Entscheide treffen und daher u.a. ihre ausschüttungsfähigen Gewinne im Unternehmen horten, womit sie (bewusst oder unbewusst) indirekte Teilliquidationen und Transponierungen mit den notorischen Ernüchterungen (den sog. Ärgernissen) vorprogrammieren. Unternehmer-Aktionäre: Mehr Gewinnausschüttung und Kapitaleinsatz Vor diesem Hintergrund dürfte es einleuchten, weshalb ein Handlungsbedarf vorliegt – jedenfalls bei den Unternehmer-Aktionären (den Haltern von qualifizierten Beteiligungen im Sinne der Vernehmlassungsvorlage). Dass Publikumsaktiengesellschaften und deren Aktionäre selten von dieser Problematik tangiert werden, dürfte hingegen klar sein. Sicher ist, dass mehr Gewinne ausgeschüttet und für Investitions- und Konsumzwecke frei verfügbar würden, wenn zur Problematik der wirtschaftlichen Doppelbelastung eine praktikable und finanziell tragbare Lösung gefunden werden könnte. Aus der Sicht des Unternehmer-Aktionärs besteht allerdings schon deshalb eine demotivierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung, weil dieser dazu neigt, nur den ihm zufliessenden Gewinn als anteiligen Unternehmensgewinn anzusehen. Reduziert sich sein anteiliger Gewinn von beispielsweise 100 um 22,5% Körperschaftssteuer und die empfangene Dividende von 77,5 um weitere 39,9% Einkommenssteuer 3, so verbleibt ihm ein anteiliger Gewinn von 46,6. Bei Bezug eines Aktivzinses von 100 oder bei Erwirtschaftung eines gleich hohen Gewinnes aus selbständiger Erwerbstätigkeit wäre der frei verfügbare Gewinn des Investors erheblich oder zumindest sichtbar höher. Eine solche Wahrnehmung fördert sicher nicht den Einsatz von Risikokapital. Dem kann zwar zu Recht entgegnet werden, dass der Aktionär – im Gegensatz zum ver- Monatsthema Wenn zur Problematik der wirtschaftlichen Doppelbelastung eine praktikable und finanziell tragbare Lösung gefunden werden könnte, würden mehr Gewinne ausgeschüttet und für Investitions- und Konsumzwecke frei verfügbar. Bild: Keystone gleichbaren Kollektivgesellschafter oder Einzelkaufmann – noch die Möglichkeit hat, einen steuerfreien Kapitalgewinn bei Veräusserung seiner Beteiligungsrechte zu erzielen. Auf den im Unternehmen produktiv reinvestierten Gewinnen wird er somit aller Regel nach nie Einkommenssteuern entrichten. Zudem werden ihm im Vergleich zum selbstständig Erwerbenden verschiedene andere Nachteile erspart bleiben (z.B. AHV-Beiträge auf den reinvestierten Unternehmensgewinnen und Haftungsfragen). Das sind zweifellos komparative Vorteile der Kapitalgesellschaft, die ihren Preis haben dürfen. Ob sich eine Milderung bzw. Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung aufdrängt, kann nur aufgrund eines objektiv vergleichbaren Massstabes geprüft werden. Welcher Investor soll aber als Massstab dienen? Soll man auf den «vergleichbaren» Gläubiger oder auf den «vergleichbaren» selbstständig Erwerbenden abstellen? Da orthodoxe Anrechnungsverfahren international offenbar in Ungnade gefallen sind und in unserem föderalistischen Staat ohnehin zu schwerfällig wären, kommt nolens volens nur eine pauschale Teilbesteuerung bei den Anteilsinhabern in Frage. Massvolle Teilbesteuerung Kasten 1 Übereinstimmende Empfehlungen von Expertenkommission und Arbeitsgruppe Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) hat am 31. Januar 2000 eine Expertenkommission «rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung» (ERU) eingesetzt, die sich zwar schwergewichtig mit dem Gerechtigkeitsziel zu befassen hatte, zusätzlich aber auch Massnahmen zur steuerlichen Förderung des von ansässigen Unternehmern gehaltenen Risikokapitals empfehlen sollte. Ferner hat das EFD im August 2000 die ESTV beauftragt, zusammen mit Vertretern der kantonalen Steuerverwaltungen eine gemischte Arbeitsgruppe «Standortstudie» einzusetzen, die im Lichte zentraler wirtschaftspolitischer Ziele – wie Wachstum und Beschäftigung – hauptsächlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Steuersystems untersuchte und eine Prioritätenliste von steuerlichen Massnahmen empfehlen sollte. Obschon die Schwergewichte der erteilten Aufträge nicht identisch waren, konnte aufgrund der übereinstimmenden Empfehlungen beider Gremien und unter Berücksichtigung der seit 1998 eingereichten parlamentarischen Vorstösse eine bedeutende Unternehmenssteuerreform II erarbeitet werden. In der Vernehmlassungsvorlage vom 5. Dezember 2003 wird eigentlich nur die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (oder körperschaftliche Besteuerung von Personenunternehmen) vermisst, die sich aus verschiedenen rechtlichen und praktischen Gründen als noch nicht realisierbar erwies und somit bloss indirekt – d.h. durch kompensatorische Massnahmen zu Gunsten der Personenunternehmen – angestrebt werden kann. Die Vernehmlassung dauerte bis Ende Mai 2004; der Vernehmlassungsbericht dürfte im Herbst 2004 vorliegen. 11 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Das Mass der Teilbesteuerung müsste so festgelegt werden, dass keine Überbesteuerungen im Vergleich zu den selbstständig Erwerbenden (unter angemessener Berücksichtigung der nicht rentenbildenden AHV-Beiträge) und keine Unterbesteuerungen im Vergleich zu den Gläubigern resultieren. Überdies ist unbedingt darauf zu achten, dass das Mass der Teilbesteuerung den Unternehmer-Aktionär nicht dazu verleitet, keinen marktkonformen (logischerweise AHV-pflichtigen) Lohn mehr, sondern nur noch Gewinne zu beziehen. Für die Finanzierung der AHV könnte nämlich eine solche Entwicklung verhängnisvoll sein. Nach unserem Dafürhalten dürfte eine Teilbesteuerung von 70% (unter Ausschluss der Kapitalgewinne) und 60% (einschliesslich der Kapitalgewinne) auf die Dauer angemessen sein.Aus Rücksicht auf die allgemeine Finanzlage der öffentlichen Hand müssten diese Monatsthema Sätze jedoch anfänglich um je zehn Prozentpunkte höher liegen und nach Möglichkeit etappenweise reduziert werden. Teilbesteuerung privater Kapitalgewinne – die Kernfrage Ob die Teilbesteuerung sich auch auf Veräusserungsgewinne erstrecken soll, ist in unserem Lande leider eine Glaubensfrage geworden. Die Mehrheit der Schweizer bekennt sich offenbar nach wie vor zum «Dogma» der Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne. Im Zusammenhang mit den angestrebten Zielen ist dieses Dogma insoweit zu relativieren, als die Teilbesteuerung privater Kapitalgewinne der Annäherung an die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (Gerechtigkeitsziel) dient. So gesehen, sollte auch der vehementeste Verfechter des genannten Dogmas verstehen, dass die jährlich ausgewiesenen Gewinne eigentlich laufend (wohlverstanden teilweise) der Einkommenssteuer unterworfen werden und danach kraft Kapitaleinlageprinzips nicht mehr potenzielles Steuersubstrat bilden sollten. Die Steuerfreiheit der privaten Kapitalgewinne wäre auf diese Weise systemkonform. Im Sinne eines praktikablen Kompromisses wird in der Vernehmlassungsvorlage eine Teilbesteuerung bei Veräusserung der Beteiligungsrechte vorgeschlagen (Modelle 1 und 2; siehe Kasten 2). Das ist kein Versuch, eine Kompensationssteuer einzuführen, sondern bloss die einzige zumutbare Massnahme zur Annäherung an die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (Gerechtigkeitsziel); denn selbstständig Erwerbende müssen ihre Gewinne in jedem Fall jährlich versteuern. Leider weisen die Modelle 1 und 2 «Schönheitsfehler» auf. Modell 1 erfasst aus Praktikabilitätsgründen auch die stillen Reserven und sucht Verständnis für diesen «Sündenfall» durch die Gewährung eines Optionsrechtes, den unbeschränkten Abzug der anteiligen Schuldzinsen und die Abzugsfähigkeit der Veräusserungsverluste. Modell 2 ignoriert dagegen die Entwicklung der unversteuerten stillen Reserven und wäre an sich systemkonform. Leider wirft dieses Modell kaum zu bewältigende praktische Probleme auf, weil die Veranlagung des Unternehmer-Aktionärs eng von der Veranlagung und den Vermögensverhältnissen des Unternehmens, an dem er beteiligt ist, abhängt (man denke beispielsweise an ausländische Beteiligungen). Kasten 2 Modelle der Unternehmenssteuerreform II im Überblick Anfang Dezember 2003 hat der Bundesrat drei Modelle in die Vernehmlassung gegeben: ein Teilbesteuerungsverfahren mit Option, ein beschränktes Teilbesteuerungsverfahren sowie eine Teilentlastung auf Gewinnausschüttungen. Überdies hat er auch Massnahmen zu Gunsten der Personenunternehmen vorgesehen. Modell 1: Teilbesteuerungsverfahren mit Option Das vom Bundesrat favorisierte «Modell 1» sieht eine Teilbesteuerung sowohl auf qualifizierten Beteiligungen des Geschäftsvermögens wie auch des Privatvermögens vor. Letzteres jedoch nur, sofern sich der Steuerzahler ausdrücklich für die steuerliche Behandlung von qualifizierten Beteiligungen als Geschäftsvermögen ausgesprochen hat. Als qualifiziert gelten Beteiligungen, die eine Quote von 10% des Grund- oder Stammkapitals einer Gesellschaft oder Genossenschaft aufweisen. Die Veräusserungsgewinne werden ebenso wie die Kapitalerträge aus Dividendenausschüttungen im Umfang von 60% dem übrigen steuerbaren Einkommen zugerechnet. Bezüglich Beteiligungsrechten und den dazugehörigen Bezugrechten soll das Geschäftsvermögen neu umschrieben werden. Diese sollen nur dann als Geschäftsaktiven qualifiziert werden, wenn die betreffenden Wertschriften funktional mit der Geschäftstätigkeit verknüpft sind. Mit diesem Kriterium soll der Quasi-Wertschriftenhandel beseitigt werden. Als Quasi-Wertschriftenhandel werden der Kauf und Verkauf von zum Privatvermögen gehörenden Wertpapieren bezeichnet, wenn sie die vom Bundesgericht festgelegten Merkmale der Gewerbsmässigkeit aufweisen. Die daraus resultierenden Einkünfte müssen als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit versteuert werden. Modell 1 hat zur Folge, dass Eigentümer qualifizierter Beteiligungen ihre Veräusserungsgewinne im Umfang von 60% zu versteuern haben, während Veräusserungsgewinne von kleineren Aktionären (Kapitalquoten unter 10%) steuerfrei wären, weil sie nicht mehr wegen «Quasi-Wertschriftenhandels» erfasst würden. Auch die übrigen «Ärgernisse» des schweizerischen Steuersystems würden im Modell 1 beseitigt. Die Finanzierungs- und Rechtsformneutralität könnten dadurch stark verbessert werden. Modell 2: Beschränktes Teilbesteuerungsverfahren Bei Modell 2 werden qualifizierte Beteiligungen unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie dem Geschäfts- oder dem Privatvermögen angehören. Beim Geschäftsvermögen liegt die Mindestquote für eine qualifizierte Beteiligungen bei 10%. Es wird das im Modell 1 dargelegte Teilbesteuerungssystem angewendet. Beim Privatvermögen hingegen liegen die qualifizierten Beteiligungen bei einer Mindestquote von 20%. Der Eigentümer solcher Beteiligungen hat keine Entscheidung darüber zu fällen, ob die Beteiligung als Privat- oder Geschäftsvermögen zu besteuern sei. Neben den ausgeschütteten Gewinnen soll bei Veräusserung die während der Besitzesdauer eingetretene Zu- oder Abnahme von Reserven sowie Gewinnvorträgen dem übrigen steuerbaren Einkommen im Umfang von 60% zufallen. Ähnlich wie im Modell 1 würde die Neutralität des Steuersystems verbessert. Das Teilbesteuerungskonzept wäre jedoch sowohl für die Steuerzahler als auch für die Steuerbehörden vergleichsweise umständlich. 12 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Modell 3: Teilentlastung auf Gewinnausschüttungen Das Modell 3 zielt einzig auf die Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung auf ausgeschütteten Gewinnen ab. Die steuerliche Entlastung soll mit Bezug auf die Gewinnausschüttungen aller geschäftlichen und privaten Beteiligungen erfolgen. Dem Begriff der qualifizierten Beteiligung kommt in diesem Fall keinerlei Bedeutung zu; die steuerliche Entlastung ist ungeachtet der Grösse und der Art der Beteiligung (geschäftlich oder privat) die gleiche. Die Belastung soll dadurch gemildert werden, dass sowohl im Geschäfts- als auch im Privatvermögen die Gewinnausschüttungen aller Art zumindest auf der Stufe Bund im Umfang von 70% dem übrigen steuerbaren Einkommen zugerechnet werden. Beim Modell 3 würden die «Ärgernisse» weiterhin bestehen. Auch hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Veräusserungsgewinne bleibt alles wie bisher: Im Privatvermögen sind sie steuerfrei, im Geschäftsvermögen voll steuerbar. Mindererträge durch die Unternehmenssteuerreform II Die Reform bewirkt in der Einführungsphase je nach Modell Mindererträge zwischen 700 und 730 Mio. Franken bei den Kantonen und 30 und 60 Mio. Franken beim Bund. Langfristig dürfte ein Teil des Ausfalls kompensiert werden, da die Steuerentlastungen ein grösseres Wirtschaftswachstum und damit mehr Fiskaleinnahmen nach sich ziehen. EFD-Schwerpunkte, Juni 2003 Monatsthema Jede Massnahme zu Gunsten von Kapitalgesellschaften und Aktionären wird den Handlungsbedarf im Bereich der Personenunternehmen vergrössern, auch wenn der betreffende Spielraum notgedrungen beschränkt ist. Bild: Keystone Eine erste Durchsicht der im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens eingereichten Stellungnahmen zu dieser Kernfrage der Reform weist auf eine Patt-Situation hin. Weder die Kantone noch die Parteien zeigen eine klare Präferenz für eines der drei zur Diskussion gestellten Modelle. Nur die Stellungnahmen der Verbände und übrigen interessierten Kreise zeigen eine Präferenz für das Modell 3 auf, d.i. die Teilbesteuerung der blossen Dividenden (unter Ausschluss der Veräusserungsgewinne). In Bezug auf die Umsetzung dieses Modells bestehen jedoch wiederum stark voneinander abweichende Vorstellungen, sodass man kaum von einem mehrheitsfähigen Konzept sprechen kann. Personenunternehmen: Mildere Besteuerung von Liquidationsgewinnen Was die Personenunternehmen betrifft, ist die Beseitigung gewisser fiskalischer Ungereimtheiten überfällig. Dahingehende parlamentarische Vorstösse liegen vor. Der Umstand, dass die körperschaftliche Besteuerung von Personenunternehmen noch nicht verwirklicht ist und damit bloss eine Annäherung an die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung angestrebt werden kann, verleiht solchen Massnahmen eine besondere Dringlichkeit. Die in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehenen Massnahmen sind daher objektiv notwendig. Den selbstständig Erwerbenden, die es ausdrücklich verlangen, sollten keine steuersystematischen Kapitalgewinnbesteuerungen wegen Überführung von Geschäftsaktiven ins Privatvermögen (insbesondere von Geschäftsliegenschaften) auferlegt werden, bevor sie den Kapitalgewinn tatsächlich realisiert haben. Auch bei definitiver Verpachtung von Betrie- 13 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 ben (z.B. solcher der Landwirtschaft oder des Gastgewerbes) sollte auf Antrag des selbstständig Erwerbenden die Versteuerung des Kapitalgewinnes auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung verschoben werden. Gleiches gilt in Bezug auf Erbteilungen und güterrechtlichen Auseinandersetzungen bei Fortführung eines Geschäftsbetriebes. Die Flexibilisierung der Ersatzbeschaffungstatbestände soll überdies im Bereiche des betriebsnotwendigen Anlagevermögens strukturelle Anpassungen fördern (auch den Berufswechsel im Rahmen der selbstständigen Erwerbstätigkeit). Die zentrale Massnahme gemäss Vernehmlassungsvorlage, die dem Grundsatz nach grossmehrheitlich befürwortet wird, betrifft die mildere Besteuerung von Liquidationsgewinnen bei definitiver Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Die Durchsicht der diesbezüglichen Stellungnahmen zeigt indes in Bezug auf die Feinregelung ein buntes Mosaik von Vorstellungen. Wie eine konsensfähige harmonisierte Lösung aussehen könnte, lässt sich zurzeit noch nicht sagen. Umwandlung in Kapitalgesellschaft am effizientesten? Sicher ist, dass jede Massnahme zu Gunsten von Kapitalgesellschaften und Aktionären den Handlungsbedarf im Bereich der Personenunternehmen vergrössern wird, obschon der betreffende Spielraum notgedrungen beschränkt ist. Man kann sich daher fragen, ob die effizienteste Massnahme für jene selbstständig Erwerbenden, die ihre Gewinne regelmässig für die Eigenfinanzierung von Investitionen im Unternehmen belassen müssen, nicht schlicht und einfach die Umwandlung ihres Geschäftsbetriebes in eine Kapitalgesellschaft wäre. Das am 1. Juli 2004 in Kraft gesetzte Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003 und die damit zusammenhängenden Änderungen bei den direkten Steuern und der Emissionsabgabe fördern nunmehr solche Umwandlungen. Rechtssicherheit bei Quasi-Wertschriftenhandel Die Rechtssicherheit bei Quasi-Wertschriftenhandel im Bereich des Privatvermögens harrt seit langem einer Lösung. Laut Vernehmlassungsvorlage drängt sich bei Umsetzung des Modells 1 oder 2 infolge Teilbesteuerung der Kapitalgewinne eine Neudefinition der geschäftlichen Beteiligungen auf. Obschon die Formulierung des neuen Artikels 18 Absatz 3 (zweiter Satz) DBG nicht so wahrgenommen wurde, war die Absicht durchaus im Sinne der gewünschten Rechtssicherheit. Beteiligungsrechte und – aus praktischen Gründen – auch traditionelle Finanzierungsinstrumente (Obligationen) stellen nur dann Geschäftsvermögen und die daraus erzielten Einkünfte Erwerbs- Monatsthema einkommen dar, wenn diese Wertpapiere funktional mit der Tätigkeit eines (eintragungspflichtigen) Unternehmens verknüpft sind, d.h. zum Umlaufs- oder Anlagevermögen eines Handels-, Fabrikations- oder anderen nach kaufmännischer Art geführten Betriebes gehören. Bewusst von dieser Neudefinition ausgeschlossen wurde der Quasi-Wertschriftenhandel mit modernen Finanzierungsinstrumenten und Beteiligungen an Immobiliengesellschaften. Es liegt auf der Hand, dass bei Umsetzung einer Massnahme, welche Beteiligungsgewinne überhaupt nicht erfasst, das Bedürfnis zur Neudefinition von Geschäftsvermögen im Bereiche der Beteiligungsrechte hinfällig wird. Die politische Realität wird aber auf jeden Fall eine umfassende gesetzliche Lösung fordern. Es wäre daher ratsam, die anlässlich des Stabilisierungsprogramms von 1998 gescheiterten Vorschläge zu dieser Thematik neu zu konsultieren und die ausschlaggebenden Merkmale des Wertschriftenhandels zu normieren. Konsens beim Kapitaleinlageprinzip Was die Einführung des Kapitaleinlageprinzips und die Massnahmen zu Gunsten der Körperschaften (Lockerung der Vorschriften zur Erlangung des Beteiligungsabzug und Entlastungen bei der Emissionsabgabe) anbelangt, kann mit einem breiten Konsens gerechnet werden. Schlussfolgerung Im Lichte des heutigen Standes der politischen und fachlichen Meinungsbildung und aus Rücksicht auf die Finanzlage von Bund und Kantonen wäre es ratsam, die Thematik der wirtschaftlichen Doppelbelastung zurückzustellen und möglicherweise völlig neue Konzepte zu prüfen. Ist man jedoch der Auffassung – wie dies einige Kantone schon klar gezeigt haben –, dass die Milderung bzw. Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung keine harmonisierungspflichtige Aufgabe, sondern bloss eine tariftechnische Frage ist, so könnte diese Thematik definitiv den Kantonen überlassen werden. Der Bundesgesetzgeber müsste bloss entscheiden, ob er eine tariftechnische Massnahme auch bei der direkten Bundessteuer erlassen will. Alle anderen Punkte der Reform könnten hingegen voran getrieben werden. 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Studie im Auftrag von Avenir Suisse. 2 Lammersen und Schwager, 2003. 3 Der Faktor 0,598 wandelt nach der üblichen Methode der OECD den gesetzlichen Steuersatz in einen niedrigeren äquivalenten Satz um und berücksichtigt damit den Zinsvorteil aus dem Steueraufschub nach dem Realisationsprinzip. Günstiges Steuermodell stärkt Standortqualität Die Unternehmensbesteuerung beeinflusst die Rendite von privaten Investitionen als Triebkräfte für Kapitalbildung und Innovation. Dabei sind die Steuern sowohl auf Unternehmens- als auch auf Investorebene zu berücksichtigen, also die Gewinnsteuer, die Steuern auf Dividenden und Kapitalgewinne sowie die Vermögenssteuer. Die Massnahmen der Unternehmenssteuerreform II (USTR II) setzen auf der Investorebene an. Die Gewinnsteuer bleibt im Wesentlichen unberührt, während im Ausland ein Trend zu niedrigeren Körperschaftssteuersätzen und günstigen Steuerregimes für multinationale Unternehmen festzustellen ist, um insbesondere die Standortattraktivität für ausländische Direktinvestitionen zu verbessern. Eine Entlastung auf Unternehmensebene stärkt die Standortattraktivität und erzielt grössere Wachstumseffekte als eine Entlastung auf der Stufe der Anteilseigner.Zwar hat die Standortstudie 2 für die Schweiz – insbesondere für die steuergünstigen Kantone – ein insgesamt günstiges Bild mit verhältnismässig niedrigen effektiven Grenzsteuerbelastungen von Investitionen ergeben. Die Position der Schweiz im internationalen Steuerwettbewerb verschlechtert sich jedoch durch aggressive Steuerreformen im Ausland. Unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsund Steuergerechtigkeit sind einerseits die Doppelbelastung der Dividenden und andererseits die grundsätzliche Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne – insbesondere auf Unternehmensbeteiligungen – angesprochen. Der Abbau der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Dividenden ist eine alte Forderung der Wirtschaft. Tatsächlich steht die Schweiz Prof. Dr. Christian Keuschnigg Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft und Finanzrecht (IFF-HSG), Universität St. Gallen 15 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 im internationalen Vergleich ziemlich einsam da; die allermeisten Länder sehen in der einen oder anderen Form Entlastungsmassnahmen vor. Auch die USA sind mit der Steuerreform 2003 auf eine niedrige Abgeltungssteuer von 15% auf Dividenden übergegangen. Demgegenüber sind private Kapitalgewinne in der Schweiz grundsätzlich steuerfrei, mit einer Reihe von Ausnahmen, die teilweise zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Der verfassungsmässig verankerte Grundsatz der Gleichmässigkeit der Besteuerung erfordert hingegen, dass unterschiedliche Formen von (Kapital-)Einkommen,wenn sie in gleicher Höhe anfallen,auch gleich besteuert werden. Gegenwärtige Verzerrungen im schweizerischen System Um zu einer groben Abschätzung der quantitativen Auswirkungen der Reform zu gelangen, muss gezeigt werden, wie hoch die Verzerrungen gemessen an den effektiven Grenzsteuerbelastungen sind und wie sie sich als Folge der Reform ändern. Struktur der Steuersätze Zunächst ist die Struktur der Steuersätze zu betrachten: Die Gewinne der Kapitalgesellschaften (KG) unterliegen – wie im klassischen System der Körperschaftsbesteuerung – zunächst der Gewinnsteuer. Bund, Kanton und Gemeinde zusammengenommen, beträgt die Spitzenbelastung im schweizerischen Durchschnitt 23,2%.Auf der Investorebene unterliegen Dividenden, Zinsen und die Gewinne der Personenunternehmen (PU) der Einkommenssteuer mit einem Spitzensatz von 37,3% im schweizerischen Durchschnitt. Kapitalgewinne auf bewegliches Privatvermögen – also auch auf privat gehaltene Beteiligungen – sind grundsätzlich steuerfrei. Dieses Prinzip wird in gewissen Fällen durchbrochen,wie z.B.bei gewerbsmässiger Anlagetätigkeit. Man schätzt, dass auf etwa 20% der Beteiligungen diese Tatbestände zutreffen und entsprechende Kapitalgewinne im Rahmen der Einkommenssteuer zu versteuern sind. Unter dieser Annahme erhält man einen effektiven Steuersatz auf Kapitalgewinne von 0,200,370,598 = 4,5%.3 Monatsthema Grenzsteuerbelastung von Investitionen Grafik 1 zeigt die effektiven Grenzsteuerbelastungen von Investitionen der KG.4 Bei Selbstfinanzierung mittels Gewinneinbehaltung erzielt der Investor den Investitionsertrag der KG in Form von Wertsteigerungen auf seine Anteile, die auf Personenebene neben der Vermögenssteuer einer sehr tiefen Kapitalgewinnbesteuerung unterliegen. Unter Berücksichtigung der Gewinnsteuer, der steuerlichen Abschreibungen und anderer Parameter berechnet sich eine sehr mässige Grenzbelastung von 35,4%. Bei einer anteilsfinanzierten Investition nach dem «Schütt-aus-hohl-zurück»-Prinzip gibt der Investor Risikokapital, erwirbt damit neue Anteile und erhält den Ertrag in Form von Dividenden anstatt Wertsteigerungen. Wegen der Doppelbelastung mit Gewinn- und Dividendenbesteuerung steigt die Grenzbelastung auf 60,5%. Neue Anteile tragen eine um etwa 25 Prozentpunkte höhere Belastung. Die Besteuerung schafft dadurch einen mächtigen Anreiz, Gewinne einzubehalten und Investitionen selbst zu finanzieren, anstatt Gewinne auszuschütten und das notwendige Eigenkapital für neue Investitionen auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Aus steuerlichen Gründen zahlt sich die Selbstfinanzierung von Investitionen auch dann noch aus, wenn die Rendite geringer ist als bei jungen,rasch wachsenden Unternehmen, die auf Risikokapital von aussen angewiesen sind. Die Besteuerung behindert damit die wachstumsfördernde Funktion des Kapitalmarktes, knappe Investitionsmittel zu den gewinnträchtigsten Unternehmen mit dem grössten Wachstumspotenzial hinzulenken. Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform II Grafik 1 Effektive Grenzsteuersätze von Kapitalgesellschaften nach den Modellen der USTR II Status Quo Modell 1 Modell 1 Modell 3 in % 65 60 55 50 45 40 42.30 43.65 45.80 42.13 42.13 42.13 35.37 37.77 35.37 52.27 52.14 60.46 35 30 Bei einer fremdfinanzierten Investition fällt der Ertrag als Zinsertrag an. Dieser ist neben der Vermögenssteuer – die alle Finanzierungsformen betrifft – mit der hohen Einkommenssteuer belegt, während die Vorbelastung mit der Gewinnsteuer wegen der Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen entfällt. Die Grenzsteuerbelastung beträgt 42,1%.Auf der Unternehmensebene wird das Fremdkapital wegen der Nichtabzugsfähigkeit von Eigenkapitalzinsen stark begünstigt. Auf Personenebene besitzt hingegen das Eigenkapital Vorteile, weil Zinserträge jeweils voll, der Eigenkapitalertrag aber nur sehr mässig besteuert wird, soweit er in Form von Kapitalgewinnen realisiert wird. Netto ergibt sich eine mässige Begünstigung der Fremdfinanzierung. Die steuerliche Verzerrung der Kapitalstruktur zugunsten des Fremdkapitals beeinträchtigt die wirtschaftliche Effizienz, indem sie zu übermässiger Verschuldung, höherem Konkursrisiko, stärkerer Konjunkturanfälligkeit und einer überhöhten Zahl von Insolvenzen beiträgt. Legt man schliesslich eine durchschnittliche Finanzierungsstruktur zugrunde, dann beträgt die effektive Grenzsteuerbelastung der KG für eine durchschnittlich finanzierte Investition 45,8%. Das gegenwärtige System der Unternehmensbesteuerung unterscheidet nicht besonders stark zwischen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen und verzerrt die Rechtsformwahl nur mässig. Diese Aussage trifft allerdings nur im Durchschnitt zu: Je nach Ausschüttungsquote kann die Doppelbelastung von Kapitalgesellschaften mehr oder weniger ins Gewicht fallen. 25 Neues Eigenkapital Einbehaltene Gewinne Fremdkapital Durchschnitt Quelle: Keuschnigg / Die Volkswirtschaft 16 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Das Modell 1 liegt am nächsten beim «Urmodell»,wie es in Keuschnigg und Dietz (2003) untersucht worden ist. Es mildert einerseits die wirtschaftliche Doppelbelastung von Dividenden, andererseits besteuert es die privaten Kapitalgewinne, die bis jetzt grundsätzlich steuerfrei sind. Die stärkere Besteuerung der Beteiligungsgewinne wird durch Erleichterungen bei der Vermögenssteuer teilweise kompensiert. Konkret sind gemäss Modell 1 anstatt bisher 100% nur mehr 60% der Dividenden steuerbares Einkommen. Die Steuerpflichtigen haben die Wahl, entweder nach den neuen Regeln oder wie bisher Dividenden voll, dafür Beteiligungsgewinne nicht zu versteuern.Dieses Wahlrecht gilt jedoch nur für qualifizierte Beteiligungen ab 10%. Aus einer statistischen Erhebung der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) kann man schliessen, dass etwa 65% der Dividendenzahlungen das Merkmal erfüllen, auch Monatsthema Der Abbau der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Dividenden ist eine alte Forderung der Wirtschaft. Tatsächlich steht die Schweiz im internationalen Vergleich ziemlich einsam da; die allermeisten Länder sehen in der einen oder anderen Form Entlastungsmassnahmen vor. 4 Vgl. Keuschnigg und Dietz, 2003. 5 Modell 2 lässt sich nur schwer mit dem Urkonzept vergleichen und wird hier nicht weiter betrachtet. Bild: Keystone wenn diese Schätzung mit einiger Unsicherheit behaftet ist. Die nicht qualifizierten Beteiligungen werden wie bisher besteuert. Unter der weiteren Annahme, dass für alle qualifizierten Beteiligungen die Option tatsächlich ausgeübt wird, berechnet sich ein durchschnittlicher Dividendensteuersatz von (0,650,6 + 0,351)0,372 = 27,5%. Dies wäre eine Absenkung um etwa 10 Prozentpunkte gegenüber der bisherigen Spitzenbelastung von 37,2%. Gleichzeitig müssen nach Modell 1 auch 60% der realisierten Beteiligungsgewinne versteuert werden, was einer Steuererhöhung gleichkommt. Jene Erträge, die nicht auf qualifizierende Beteiligungen entfallen, werden wie bisher besteuert. Der effektive Steuersatz auf Beteiligungsgewinne steigt damit von bisher 4,5% auf (0,650,6 + 0,350,1) 0,372 0,598 = 9,5%. Dafür kann bei der Vermögenssteuer der niedrigere Buchwert statt dem Verkehrswert angesetzt werden. Dies ist nach Ansicht der ESTV eine äquivalente Entlastung im Vergleich zum «Urmodell», wonach nur 60% des Nettovermögenssteuerwertes einer qualifizierenden Beteiligung mit der Vermögenssteuer belastet werden sollten. Nach der erwähnten Erhebung der ESTV würden nur 54% der Vermögenssteuerwerte auf qualifizierende Beteiligungen entfallen. Dies würde eine Absenkung der Vermögenssteuer für KG von 0,7% auf durchschnittlich (0,54 0,6 + 0,460,1)0,007 = 0,55% bedeuten.Es versteht sich von selbst, dass dies nur eine grobe Abschätzung des Szenarios sein kann. Grafik 1 zeigt die Neuberechnung der effektiven Grenzsteuersätze gemäss Modell 1.5 17 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Modell 3 Das Modell 3 der Vorlage zielt ausschliesslich auf die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Dividenden ab, die aber auf alle Beteiligungen ohne Erfordernis einer Mindestbeteiligung ausgeweitet wird. Danach müssen die Steuerpflichtigen – unabhängig von der Höhe der Beteiligung – nur 70% der empfangenen Dividenden versteuern. In Modell 3 bleiben die Beteiligungsgewinne wie bisher im Prinzip steuerbefreit, es wird aber auch keine Entlastung bei der Vermögenssteuer gewährt. Dem Grundsatz der Gleichmässigkeit der Besteuerung wird dabei weniger Gewicht beigemessen. Modell 3 beschränkt sich also ausschliesslich auf eine Milderung der Doppelbelastung von Dividenden: Der effektive Satz fällt von 37,2% auf 0,70,372 = 26%.Die effektive Grenzsteuerbelastung sinkt in diesem Szenario am stärksten, da die zusätzliche Belastung der Beteiligungsgewinnsteuer entfällt. Der Investitionsimpuls ist daher etwas stärker. Geringe Investitions- und Wachstumsimpulse Im Modell 1 der USTR II kompensieren sich die steuersenkenden und -erhöhenden Elemente weit gehend, sodass die makroökonomischen Effekte bescheiden ausfallen. Auf der Basis der Berechnungen in Keuschnigg und Dietz (2003, Seite 78) kann langfristig eine Zunahme von maximal 0,5% des Bruttoinlandprodukts (BIP) erwartet werden. Diese Schätzung geht davon aus, dass die Einnahmenausfälle pauschal gegenfinanziert werden. Monatsthema 6 Vgl. Keuschnigg und Dietz, 2003, Seite 92, und Schweizerischer Bundesrat, 2004, Abschnitt 5.3. 7 Vgl. Keuschnigg, 2004. Falls andere verzerrende Steuern (z.B. Mehrwertsteuer) erhöht werden müssen, dürfte die Zunahme des BIP noch einmal geringer ausfallen und langfristig nicht mehr als 0,3% ausmachen. Auch wenn die Genauigkeit dieser Berechnungen nicht überschätzt werden darf, ergibt sich auch bei Neuberechnungen mit anderen Parameterwerten im Wesentlichen dasselbe Bild. Die zu erwartenden Wirkungen sind also eher bescheiden.Weil sich die Reform auf eine Entlastung auf der Investorebene beschränkt, wird sie hauptsächlich inländische KG begünstigen, die Investitionen multinationaler Unternehmen jedoch kaum beeinflussen können. Immerhin werden die existierende steuerliche Bevorzugung der Selbstfinanzierung und die Diskriminierung der Anteilsfinanzierung zu einem erheblichen Teil beseitigt. Damit belebt die Reform die Ausschüttungen der Kapitalgesellschaften und fördert eine effizientere Kapitalallokation. Modell 3 verstärkt die Investitionsanreize, vor allem, weil das bremsende Element einer höheren Kapitalgewinnbesteuerung wegfällt. Es dürfte eine merkliche Expansion insbesondere im Sektor der inländischen KG auslösen und eine langfristige Steigerung des BIP von maximal 0,7% ermöglichen.6 Wiederum ist dies eine eher optimistische Schätzung, weil dabei die Gegenfinanzierung nur in Form einer Pauschalbelastung berücksichtigt ist (z.B. geringere Transfers). Die Wachstumsgewinne werden sich erst nach einer längeren Anpassungsphase voll bemerkbar machen. Aus die- Grafik 2 Effektive Grenzsteuersätze einer Schweizerischen Dualen Einkommenssteuer (SDES) Status Quo SDES in % 70 60 50 40 30 20 10 0 Thesaurierung Neue Anteile Eigenkapital Kapitalgesellschaften Fremdkapital Gesamt Eigenkapital Fremdkapital Gesamt Personengesellschaften Quelle: Keuschnigg (2004) / Die Volkswirtschaft 18 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 sem Grund ergeben sich kurzfristige Steuerausfälle, während längerfristig ein teilweiser Selbstfinanzierungseffekt eintritt. Auch die ohnehin geringen Lohnsteigerungen werden erst später eintreten, während die steuerliche Dividendenentlastung zu unmittelbaren Vermögensgewinnen bei den Anteilseignern führen sollte. Für eine fundamentale Steuerreform Im Auftrag von Avenir Suisse hat der Autor ein Konzept für ein weit gehend neutrales System der Unternehmensbesteuerung präsentiert, das die Standortattraktivität der Schweiz entscheidend stärken und einen wesentlichen Wachstumsbeitrag liefern könnte.7 Politische, institutionelle sowie finanzpolitische Beschränkungen werden zunächst bewusst hintangestellt.Es geht darum,eine Vorstellung zu entwickeln, wie ein stark investitionsförderndes und neutrales System im Prinzip aussehen könnte. Die vier Eckpfeiler des Konzepts einer Schweizerischen Dualen Einkommenssteuer (SDES) sind: – Progressive Lohnbesteuerung: Sie bleibt unverändert. Der Spitzensteuersatz von 37% entspricht dem Mittel der Kantonshauptorte. – Proportionale Gewinnsteuer: Sie wird unabhängig von der Rechtsform erhoben, d.h. der Geltungsbereich der Gewinnsteuer wird auf selbstständig Erwerbende und PU ausgedehnt. Der Steuersatz bleibt bei durchschnittlich 23,2%. – Abzug einer Normalverzinsung: Neben den Fremdkapitalzinsen wird auch eine Verzinsung des Eigenkapitals in der Höhe des langfristigen durchschnittlichen Nettozinses auf risikolose Staatspapiere zum Abzug von der Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer zugelassen. – Niedrige proportionale Teilhabersteuer: Sie wird mit einem proportionalen Satz von 18,3% erhoben. Ihr unterliegen alle vom Investor realisierten Erträge: Zinsen, Ausschüttungen, Gewinnentnahmen und realisierte Kapitalgewinne. Bei der Realisierung von Kapitalgewinnen wird ein Zins für die aufgeschobene Steuerschuld berechnet. Neben dem vollen Ausgleich von Verlusten und Gewinnen sind ein unbegrenzter Verlustvortrag und ein begrenzter Verlustrücktrag möglich. Das SDES-Konzept ist per Konstruktion rechtsformneutral, weil es alle Unternehmen systematisch gleich behandelt. Es sichert Investitions- und Finanzierungsneutralität auf der Unternehmensebene, weil die Finanzierungskosten sowohl des Fremd- als auch des Eigenkapitals abzugsfähig sind. Der Investi- Monatsthema tionssteuerkeil auf Unternehmensebene wird dadurch für alle Unternehmen – inländische KG und PU sowie in- und ausländische Multis mit ihren Betriebsstätten im Inland – vollständig abgebaut. Dadurch kann ein breit abgestützter Wachstumsimpuls erzielt werden. Die Teilhabersteuer besteuert auf Investorebene alle Formen von Kapitaleinkommen gleich und ist somit auch hier vollständig finanzierungsneutral. Dies erfordert allerdings, dass der Zinsvorteil aus der aufgeschobenen Besteuerung von Kapitalgewinnen nach dem Realisationsprinzip durch Verrechnung eines Verzugszinses kompensiert wird. Anders kann eine effektiv gleiche Belastung von Kapitalgewinnen und Dividenden nicht erreicht werden. Die Kombination von Teilhaber- und Gewinnsteuer vermeidet ausserdem ein typisches Problem der dualen Einkommenssteuer, nämlich die Steuerumgehung durch Verlagerung von Lohn- zu Kapitaleinkommen. Die Neutralitätseigenschaften des SDESKonzepts zeigen sich eindrücklich in Grafik 2. Das SDES-Konzept gleicht die effektiven Grenzsteuersätze an und stellt damit die weit gehende Neutralität der Unternehmensbesteuerung her. Kasten 1 Literatur – Keuschnigg, Christian und Martin D. Dietz (2003), Unternehmenssteuerreform II. Quantitative Auswirkungen auf Wachstum und Verteilung, Bern: Verlag Haupt. – Keuschnigg, Christian (2004), Eine Unternehmenssteuerreform für mehr Wachstum in der Schweiz, Avenir Suisse. – Lammersen, Lothar und Robert Schwager (2003), The Effective Tax Burden of Companies in the Extended Alpine Space, Basel: IBC BAK International Benchmark Club. – Schweizerischer Bundesrat (2004), Vernehmlassungsvorlage zur Unternehmenssteuerreform II, Bern. Geschätzte Wirkungen Anhand von Modellsimulationen wurden die Wachstumswirkungen des SDES-Konzepts abgeschätzt, und zwar in zwei Varianten der Gegenfinanzierung: einer pauschalen Ausgabenreduktion und einer Mehrwertsteuererhöhung. Die Reform stösst Vermögensbildung und Investitionen auf breiter Front an; der aggregierte Kapitalstock steigt langfristig um 8%, das BIP – je nach Szenario der Gegenfinanzierung – um 2,3% (Mehrwertsteuererhöhung) bis 3,4% (Senkung der Transferausgaben). Dies ist ein Vielfaches der für die USTR II erwarteten Effekte. Das MWST-Szenario belastet die Kaufkraft der Löhne und hemmt vor allem kurzfristig die Beschäftigung. Das Szenario mit der Ausgabensenkung vermeidet diesen negativen Beschäftigungseffekt. Die zeitlichen Anpassungsmuster sind ähnlich wie bei der USTR II, denn die Wachstumsgewinne entfalten sich erst allmählich im Zuge der Kapitalbildung. Dementsprechend sind die Steuerausfälle kurzfristig deutlich höher als längerfristig. Zusammenfassend muss man feststellen, dass die Vorteile einer wachstumsorientierten Steuerreform für breitere Bevölkerungskreise erst verzögert zu Buche schlagen. business information Orell Füssli Wirtschaftsinformationen AG Hagenholzstrasse 81 CH-8050 Zürich Telefon +41 (0)1 307 81 81 Telefax +41 (0)1 307 81 82 [email protected] www.teledata.ch Ab 1. Juli 2002 weht ein neuer Wind: Wissen, mit wem Sie es zu tun haben. www.teledata.ch > Wie liest man heute das SHAB? Gar nicht. Man lässt es lesen – von Teledata-Online. Der elektronische Monitoring-Service beliefert Sie mit tagesaktuellen Daten: Morgens um 8 Uhr erhalten Sie eine E-Mail mit den relevanten SHABPublikationen des Tages im Originalwortlaut über die von Ihnen überwachten Firmen. Automatisch und einfach. Klicken Sie sich in unsere Datenbank ein, und nutzen Sie die umfassend vernetzten Informationen quer durch die Schweizer Wirtschaft. Testen Sie unser Angebot! 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Er drückt die Steuerbelastung der betrachteten Investition aus.Dividiert man den Steuerkeil durch die Vorsteuerrendite, p0 , erhält man den effektiven Grenzsteuersatz, (p0 -s/p0). Dieser gibt an, um wie viel Prozent die Rendite der letzten noch rentabel erscheinenden Investition infolge der Besteuerung höher sein muss, damit sich die Investition für den Investor bei gegebenem Marktzinssatz noch lohnt. Die Höhe des Steuerkeils bzw. des effektiven Grenzsteuersatzes beeinflusst somit direkt das Investitionsvolumen. Je höher die Steuerbelastung, desto höher fallen die minimale Vorsteuerrendite und damit die Kapitalkosten aus, desto kleiner ist die Zahl der Investitionsprojekte, welche die erforderliche Rendite erzielen, und desto niedriger wird das Investitionsvolumen. Umgekehrt reduzieren sich die Kapitalkosten, wenn der Steuerkeil von z.B. p0-s auf p1-s abgebaut wird. Die Investitionen, die diesem tieferen Renditeerfordernis genügen, steigen von I 0 auf I1. Der verminderte Steuerkeil bewirkt somit einen Wachstumsimpuls, der die Investitionen anschiebt und sich über eine volkswirtschaftliche Wirkungskette fortpflanzt. Dies ist die erste Stossrichtung. Investitionen und anderseits die Verbesserung der Neutralitätseigenschaften des Steuersystems. Daraus ergeben sich direkt die Kriterien, an denen konkrete steuerliche Massnahmen zu messen sind. Eine Unternehmenssteuerreform spielt sich jedoch nicht im politischen Vakuum ab. Im Spannungsfeld der Interessen lassen sich deshalb Reformen, die aus ökonomischer Sicht angezeigt wären, nicht ohne Abstriche umsetzen. Martin Daepp Mitglied des Ökonomenteams der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV), Bern Prof. Dr. Bruno Jeitziner Chefökonom Eidg. Steuerverwaltung (ESTV), Professor für Wirtschaftsund Sozialpolitik, Universität Freiburg 21 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Verbesserung der Neutralitätseigenschaften Die zweite Stossrichtung stellt die Verbesserung der Neutralitätseigenschaften des Steuersystems dar. Eine rechtsform-, investitionsund finanzierungsneutrale Unternehmensbesteuerung ist erwünscht, weil sie die effiziente Verwendung der Ressourcen gewährleistet. Da die stärksten negativen Impulse in der Schweiz von der fehlenden Finanzierungsneutralität ausgehen, ist diese Verzerrung prioritär abzubauen. Ein Unternehmen kann seinen Finanzbedarf auf drei Wegen decken: – Im Rahmen der Fremdfinanzierung beschafft es zusätzliches Fremdkapital; – mit einer Anteilsfinanzierung bringt das Unternehmen neues Eigenkapital ein. Es handelt sich wie bei der Fremdfinanzierung um eine Form der Aussenfinanzierung; – der Weg der Innenfinanzierung wird hingegen beschritten, wenn aus einbehaltenen Gewinnen eine Selbstfinanzierung erfolgt. Diese stellt wie die Anteilsfinanzierung eine Form der Eigenfinanzierung dar. Die Wahl der Finanzierungswege sollte von steuerlichen Überlegungen unbeeinflusst bleiben und stattdessen auf einer betriebswirtschaftlichen Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile fussen. Die Voraussetzungen dafür sind erfüllt, wenn ein Steuersystem finanzierungsneutral ausgestaltet ist. Die Finanzierungsneutralität gliedert sich in die Kapitalstrukturneutralität, welche die Wahl zwischen Eigen- und Fremdkapital unverzerrt lässt, und in die Gewinnverwendungsneutralität, bei welcher der Entscheid zwischen Thesaurierung und Ausschüttung der Gewinne steuerlich unbeeinflusst bleibt. Konkret würde dies bedeuten, dass die Steuerlast für alle drei Finanzierungswege gleich hoch wäre. Das schweizerische Steuersystem verletzt diese Bedingung jedoch: Im schweizerischen Durchschnitt liegt die Grenzsteuerbelastung bei der Beteiligungsfinanzierung mit über 60% deutlich höher als bei der Selbstfinanzierung (35%), während sich die Belastung der Fremdfinanzierung (42%) dazwischen einreiht. Häufig wird argumentiert, dass sich die Praxis auf diese Situation eingerichtet habe und die steuerliche Diskriminierung der Anteilsfinanzierung deshalb kein Problem sei. Monatsthema Grafik 1 lenken, teilweise ausser Kraft. Mit der Prädominanz der Selbstfinanzierung tritt stattdessen gleichzeitig ein Unter- und ein Überinvestitionsproblem auf. Steuerkeil und Investition Rendite Wachstumsimpuls Grenzertrag der Investitionen Vorsteuerrendite p0 eines Unternehmens (Kapitalkosten) p0 p1 Die Folge: Ein Unter- und ein Überinvestitionsproblem Steuerkeil 0 Steuerkeil 1 Nachsteuerrendite s eines Investors (Kapitalmarktzins nach Steuern) s Investitionen I0 I1 Anschub der Investitionen Quelle: ESTV / Die Volkswirtschaft Die Investoren würden die hohe Steuerlast der Anteilsfinanzierung umgehen, indem sie Gewinne nicht über Dividenden, sondern über Kapitalgewinne, d.h. über die Veräusserung von Anteilen, beziehen. Dabei wird aber übersehen, dass es genau solche steuerlich motivierten Anpassungsreaktionen sind, die zu den unerwünschten Verzerrungen und den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Verlusten führen. Verletzung der Finanzierungsneutralität Das schweizerische Steuersystem verletzt die Kapitalstrukturneutralität, weil zwar die Fremdkapitalzinsen, nicht aber die kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen steuerlich abzugsfähig sind. Dies schafft einen steuerlichen Anreiz zu übermässiger Fremdfinanzierung, was tendenziell zu einer höheren Insolvenzrate beiträgt. Die Kombination von wirtschaftlicher Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne und begünstigter Besteuerung von Kapitalgewinnen verstösst gegen die Gewinnverwendungsneutralität und schafft einen starken Anreiz, Gewinne einzubehalten statt auszuschütten und Investitionen selbst statt mit neuem Eigenkapital von aussen zu finanzieren. Diese einseitige Begünstigung der Selbstfinanzierung wirkt unter Effizienzgesichtspunkten negativ. Sie setzt die wachstumsfördernde Aufgabe des Kapitalmarktes, die verfügbaren Investitionsmittel auf die gewinnträchtigsten Unternehmen und damit auf die rentabelsten Investitionsprojekte zu 22 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Das Unterinvestitionsproblem betrifft junge, rasch wachsende Unternehmen. In dieser Lebensphase erwirtschaften sie im Vergleich zu ihren Investitionsmöglichkeiten nur wenig Gewinn und zeichnen sich durch ein hohes Risiko aus. Mangels ausreichender Gewinne können sie die Investitionen nicht selbst finanzieren. Da bei zunehmender Verschuldung die Fremdfinanzierungskosten steigen bzw. Kredite ganz verweigert werden, ist auch die Fremdfinanzierung begrenzt. Externes Eigenkapital ist aufgrund der hohen Risikoprämien an sich schon teuer. Weil neues Eigenkapital in Erwartung zukünftiger Dividenden gegeben wird,beeinträchtigt die Doppelbelastung der Dividenden die Anteilsfinanzierung noch zusätzlich und wirkt in diesem Fall besonders investitionshemmend. Das Überinvestitionsproblem betrifft hingegen reife Firmen mit einem Cash-Cow-Produktportfolio, deren freier Cash-flow ihre profitablen Investitionsmöglichkeiten übersteigt. Zu diesen Unternehmen gehören sowohl grosse Publikumsgesellschaften als auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die von einem Eigentümerunternehmer oder einem engen Aktionärskreis kontrolliert werden. Bei solchen KMU wäre an sich eine forcierte Gewinnausschüttung angezeigt. Die ausgeschütteten Mittel könnten dann über den Kapitalmarkt profitabler in andere Firmen investiert werden, soweit sie nicht dem privaten Konsum zufliessen. Da diese Option jedoch steuerlich nicht attraktiv ist, werden die Mittel einerseits in Projekte investiert, die aus volkswirtschaftlicher Sicht zu wenig rentabel sind. Der Grund dafür ist, dass es in der eigenen Branche nicht genügend rentable Investitionsmöglichkeiten gibt und dass der Unternehmensleitung für Investitionen in anderen, wachstumsträchtigeren Branchen die notwendigen Marktkenntnisse fehlen. Andererseits wird auch versucht, den privaten Konsum der Anteilseigner über die Firma laufen zu lassen, was ebenfalls mit volkswirtschaftlichen Kosten verbunden ist. Im Unterschied zu den KMU sind bei den Publikumsgesellschaften Eigentum und Unternehmensleitung getrennt. Unter einer solchen Konstellation kann die Unternehmensleitung ihren Informationsvorsprung nutzen und eigene Interessen zulasten der Aktionärsinteressen verfolgen. Namentlich hat das Management einen Anreiz, die Firmengrösse und dadurch den eigenen Einflussbereich durch Überinves- Monatsthema titionen auszudehnen und gleichzeitig die Gewinne einzubehalten, da so die Mittel in der Firma und unter seiner Kontrolle verbleiben. Durch eine weit gehende Selbstfinanzierung der Investitionen kann es sich überdies der Kontrolle durch externe Kapitalgeber teilweise entziehen. Die Gewinneinbehaltung wird so von den Unternehmensleitungen selbst dann häufig bevorzugt, wenn die Investitionen anderer Unternehmen rentabler wären als diejenigen im eigenen Unternehmen. Kontrollmechanismen Dieser Anreizstruktur wirken verschiedene Kontrollmechanismen entgegen. Der Markt für Unternehmenskontrolle als Teilsegment des Kapitalmarktes funktioniert über die latente Drohung einer Firmenübernahme. Voraussetzung ist allerdings eine entsprechende Ausgestaltung des Aktienrechts, welche potenziellen Firmenkäufern keine Hindernisse in den Weg stellt. Ein anderer Disziplinierungsmechanismus basiert auf der Signalisierungswirkung der Dividende. Schüttet ein Unternehmen Gewinne aus, signalisiert es eine hohe Ertragskraft und einen geringen Konflikt zwischen Aktionären und Management. Die Investoren geben sich mit einer geringeren Eigenkapitalprämie zufrieden, und das Unternehmen minimiert die Kosten des Eigenkapitals. In einer reifen Volkswirtschaft wie der Schweiz, in der die Selbstfinanzierung bedeutend und überdies steuerlich begünstigt ist, dürfte gesamtwirtschaftlich der Über- den Unterinvestitionseffekt dominieren. Die Auf- gabe des Finanzsystems besteht dann weniger darin, Finanzmittel vom Haushaltssektor zu den Firmen zu leiten, sondern vielmehr von Firmen mit einem – relativ zu ihren profitablen Investitionsmöglichkeiten – Cash-flowÜberschuss zu Firmen, deren Cash-flow mit ihren profitablen Investitionsmöglichkeiten noch nicht Schritt halten kann. Unter den gegenwärtigen steuerlichen Rahmenbedingungen wird diese Aufgabe relativ schlecht wahrgenommen. Niedrige Effizienz der Realkapitalverwendung Evidenz dafür, dass die steuerlich begünstigte Thesaurierung möglicherweise eine wichtige Ursache für die Wachstumsschwäche der Schweiz darstellt, liefert ein internationaler Vergleich der Incremental Capital Output Ratio (Icor). Diese Kennzahl ist der Quotient aus der Investitionsquote, bezogen auf die privaten Ausrüstungsinvestitionen oder die gesamtwirtschaftlichen Bruttoanlageinvestitionen, und der Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP). Nenner und Zähler werden dabei als Durchschnitt über einen längeren Zeitraum (z.B.10 Jahre) definiert,wobei wegen des Vorlaufs der Investitionen das BIPWachstum zeitlich verzögert eingesetzt werden kann.Die Icor ist ein Mass für die Effizienz der Realkapitalverwendung; ein tieferer Wert signalisiert eine höhere Effizienz. Eine bestimmte Wachstumsrate des BIP wird mit einem verhältnismässig niedrigen Investitionsvolumen generiert. Grafik 2 Marginaler Steuerkeil in der verarbeitenden Industrie verschiedener OECD-Länder, 1998 (Gewichtetes Mittel in Prozentpunkten) Prozentpunkte 4.0 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 Anmerkung: Der ausgewiesene Wert der Grenzsteuerbelastung auf Investitionen stellt die Differenz zwischen der geforderten Vorsteuerrendite auf einer Investition und der Nachsteuerrendite des Investors dar. 23 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Sp an ie n Ka na da Fr an kr ei ch Ja pa n US Gr os A sb rit an ni en Au st ra lie n Dä ne m ar k Lu xe m bu rg Fi nn la nd Ne us ee la nd Sc hw ed en Ni ed er la nd e It al ie n Po rt ug al Is la nd SC HW EI Z De ut sc hl an d Gr ie ch en la nd No rw eg en Me xi ko Be lg ie n Ös te rre ic h 0.0 Quelle: OECD / Die Volkswirtschaft Monatsthema Kasten 1 Ökonomische Anforderungen an eine Unternehmenssteuerreform 1. Minimierung des Steuerkeils auf Investitionen: Minimierung der sich aus Steuersatz und Bemessungsgrundlage ergebenden tatsächlichen Steuerbelastung auf Investitionen, wie sie mit dem Konzept der effektiven Grenzsteuersätze gemessen wird, mit dem Ziel, die verzerrenden Wirkungen auf Investitionsentscheidungen zu vermeiden und gleichzeitig die internationale Standortattraktivität zu verbessern; 2. Neutralität des Steuersystems: 2.1 Rechtsformneutralität: Wahl der Rechtsform (Personen- oder Kapitalgesellschaft) soll nicht durch steuerliche Überlegungen beeinflusst, sondern ausschliesslich auf Grund betriebswirtschaftlicher Kriterien wie z.B. Gründungskosten, Haftungsbegrenzung oder Kapitalbeschaffung gefällt werden; 2.2 Investitionsneutralität (betrifft Aktivseite der Bilanz): Wahl zwischen verschiedenen Investitionsprojekten soll nicht durch Steuern verzerrt werden; 2.3 Finanzierungsneutralität (betrifft Passivseite der Bilanz): 2.3.1 Kapitalstrukturneutralität: Eigenkapital und Fremdkapital sollen steuerlich gleich behandelt werden; 2.3.2 Gewinnverwendungsneutralität: Wahl zwischen Thesaurierung und Ausschüttung des Gewinns soll nicht durch steuerliche Überlegungen beeinflusst werden. Wie Grafik 3 illustriert, schneidet die Schweiz mit ihren hohen Icor-Werten ausgesprochen schlecht ab, während beispielsweise in Irland oder in den USA sehr effizient investiert wird. Dieses Ergebnis ist robust und hängt nicht davon ab, ob die gesamtwirtschaftlichen Bruttoanlageinvestitionen oder nur die Ausrüstungsinvestitionen des Unternehmenssektors betrachtet werden. Die Icor der Schweiz ist zwar in den Neunzigerjahren besonders ungünstig, doch war hierzulande bereits in den Siebziger- und Achtzigerjahren eine deutlich höhere Icor als in anderen Industrieländern zu beobachten. Ansatzpunkte für Reformen Aus der Diskussion über die zwei Stossrichtungen der Unternehmenssteuerreform ergeben sich direkt die ökonomischen Anforderungen, die an konkrete Reformschritte der Unternehmensbesteuerung gestellt werden müssen (vgl. Kasten 1). Der Steuerkeil kann verringert werden, indem Steuern gesenkt werden, die auf Stufe Unternehmen (Gewinnsteuer, kantonale Kapital- und Liegenschaftssteuern, Emissionsabgabe) und/oder auf Stufe Anteilseigner (Einkommenssteuer auf Dividenden und Zinsen, Steuer auf Kapitalgewinne, persönliche Vermögenssteuern) greifen. Dabei sind Steuersenkungen auf Unternehmensebene im Hinblick auf Wirtschaftswachstum pro aufgegebenen Steuerfranken grundsätzlich wirksamer als Entlastungen auf Stufe Anteilseigner, weil sie erstens direkt die Investitionsentscheidungen der Inländer betreffen sowie zweitens ausländische Investitionen anziehen und damit den Investitionsstandort Schweiz stärken. Steuersenkungen auf Stufe Anteilseigner entlasten demgegenüber die Ersparnisse, welche die Investitionen nur indirekt beeinflussen und teilweise im Ausland verpuffen. Eine Verbesserung der Neutralitätseigenschaften erfolgt durch Massnahmen, die eine Annäherung der effektiven Grenzsteuersätze für Personen- und Kapitalgesellschaften (Rechtsformneutralität) oder für die drei Finanzierungswege (Finanzierungsneutralität) herbeiführen. Ein zentrales Anliegen ist dabei, dass die Belastungsdifferenz zwischen Selbst- und Anteilsfinanzierung verringert wird. Eine naheliegende Lösung stellt die Entlastung der Anteilsfinanzierung dar. Wirksamer ist allerdings eine Annäherung von zwei Seiten, indem die Selbstfinanzierung etwas verteuert und die Anteilsfinanzierung verbilligt wird. Die Verteuerung der Selbstfinanzierung ist also steuersystematisch begründet. Idealerweise leisten konkrete Reformschritte einen Beitrag zu beiden Stossrichtungen, bauen also den Steuerkeil ab und verbessern gleichzeitig die Neutralitätseigenschaften des Steuersystems. Politische Ökonomie der Unternehmenssteuerreform Sieht man von Überwälzungsprozessen ab, betrifft die Unternehmensbesteuerung zunächst den Faktor Kapital. Die Kapitaleigentümer – bzw. die sie repräsentierenden Interessengruppen – streben grundsätzlich eine Minimierung ihrer Steuerlast an. Als von der Reform direkt betroffene Steuerpflichtige bilden sie jedoch eine heterogene Gruppe, deren Grafik 3 Incremental Capital Output Ratio (Icor) auf Basis der Ausrüstungsinvestitionen des Unternehmenssektors 1970–1980 1980–1990 1990–2000 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Australien Belgien Dänemark Deutsch- Finnland land FrankGrossIrland reich britannien Italien Japan Kanada Neuseeland Nieder- Norwegen lande Österreich Schweden SCHWEIZ Spanien USA Quelle: Daepp, Jeitziner, OECD / Die Volkswirtschaft 24 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Monatsthema Das Unterinvestitionsproblem betrifft junge, rasch wachsende Unternehmen. In dieser Lebensphase erwirtschaften sie im Vergleich zu ihren Investitionsmöglichkeiten nur wenig Gewinn und zeichnen sich durch ein hohes Risiko aus. Bild: Keystone Mitglieder von den möglichen Massnahmen unterschiedlich profitieren und deshalb zum Teil abweichende Reformschritte bevorzugen. Reformen lediglich für qualifizierende Beteiligungen spalten diese Gruppe zusätzlich. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich potenzielle ausländische Investoren im politischen Entscheidungsprozess nicht direkt einbringen – sie stimmen aber mit den Füssen ab. Steuersenkungen müssen durch Ausgabenkürzungen oder einer Erhöhung anderer Steuern kompensiert werden, da eine zusätzliche Verschuldung lediglich eine Verschiebung der Steuerlast in die Zukunft darstellt.Deshalb werden sich alle übrigen, von einer Unternehmenssteuerreform nicht direkt angesprochenen Steuerpflichtigen bzw.Interessengruppen gegen eine Senkung der Steuerlast für Kapitaleigentümer aussprechen, es sei denn, sie profitieren – z.B. dank höheren Löhnen – indirekt ebenfalls von der Reform. Die Budgetverantwortlichen ihrerseits sind bemüht, die Steuerausfälle tief zu halten. Erschwerend wirkt dabei, dass Bund und Kantone von den Reformmassnahmen unterschiedlich betroffen sein können und bei manchen Entlastungsmassnahmen vor allem die Kantone mit Mindereinnahmen rechnen müssten. Allerdings bilden auch die Kantone keinen homogenen Block und befürworten auf Grund ihrer unterschiedlichen Budgetsituation, ihres 25 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 jeweiligen Steuersubstrats und der politischen Zusammensetzung der Behörden und ihrer Wählerschaft verschiedene Massnahmen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Reformen auf die Bundesebene begrenzt werden sollten, um Widerstand seitens der Kantone zu vermeiden. Im Spannungsfeld der Interessen bleibt für Effizienz- und Wachstumsüberlegungen wenig Raum. Das Effizienzargument wird zwar allgemein anerkannt, findet jedoch kaum Anwälte, da Effizienz den Charakter eines öffentlichen Gutes hat. Weiterführen dürfte allenfalls die Klärung der Frage, inwieweit in einer kleinen offenen Volkswirtschaft der immobile Faktor Arbeit letztlich ohnehin die Steuerlast trägt. Monatsthema Besteuerung der Kapitalgesellschaften Im Rahmen der Arbeiten zur Reform der Unternehmensbesteuerung II hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) die Auswirkungen des Steuersystems mit zehn Schweizer Klein- und Mittelunternehmen (KMU) erörtert. Der KMU-Test zeigt, wie das bestehende Steuersystem das Leben der KMU erschwert – vor allem, was die Nachfolgeregelung Die Erörterung von Fragen des bestehenden Steuersystems erfolgte anlässlich der Lancierung der Reform der Unternehmensbesteuerung II. Besucht wurden zehn KMU in neun Wirtschaftssektoren und sieben Kantonen im Sommer 2002. Die Mehrheit der besuchten Unternehmen waren Kapitalgesellschaften von mittlerer Grösse. Dieser KMU-Test ermöglicht es somit, die Auswirkungen des bestehenden Steuersystems auf diese Art von Unternehmen zu beleuchten.2 betrifft – und schlägt einige Verbesserungen vor. Damit wird die Wichtigkeit einer Reform unterstrichen.1 Dr. Nicolas Wallart Leiter Stabsstelle Regulierungsanalyse, Direktion für Wirtschaftspolitik, Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), Bern KMU und das Steuerwesen Im Allgemeinen kennen sich die besuchten KMU in Steuerfragen gut aus und verstehen die diesbezüglichen Herausforderungen für ihr Unternehmen. Von den zehn besuchten Unternehmen haben nur drei angegeben, dass die steuerlichen Aspekte die Arbeit und die Struktur des Unternehmens nicht beeinflussten; die sieben anderen erwähnten, dass sie diverse Massnahmen ergreifen, um ihre Steuerbelastung zu senken. Bei unseren Besuchen haben wir zahlreiche in rechtlicher und steuerlicher Hinsicht komplizierte Situationen angetroffen, was zeigt, dass die Komplexität des Steuerrechts auch auf der Ebene der traditionellen KMU von Bedeutung ist. Manchmal wird die Steuererklärung im Unternehmen selbst ausgefüllt, doch häufig wird auch eine Treuhandgesellschaft damit beauftragt. Im Gegensatz zu anderen administrativen Arbeiten, die intern erledigt werden, bewirkt die Komplexität dieses Bereichs, dass die KMU nicht ohne externe Beratung zurechtkommen. So verfügte eines der besuchten KMU über Verkaufsdepots in mehreren Kantonen; die Treuhandgesellschaft war damit beauftragt, die Aufteilung zwischen den Kantonen für die Gewinn- und Kapitalsteuer zu optimieren. In einem der besuchten KMU wurde die Arbeit der Treuhandgesellschaft sogar durch einen externen Steuerexperten ergänzt. Die Zusammenarbeit zwischen den KMU und ihren Treuhandgesellschaften gestaltet sich übrigens nicht immer einfach: Drei der besuchten Unternehmen hatten auch schon Schwierigkeiten in dieser Hinsicht. 26 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Wie leben mit der Doppelbesteuerung? Die Gewinne werden auf der Ebene des Unternehmens besteuert und die Dividenden dann ein zweites Mal auf der Ebene des Aktionärs. Diese Doppelbelastung führt zu hohen Steuersätzen von 50% und mehr. Wir haben die KMU gefragt, wie sie mit dieser Situation umgehen. Von den sieben Unternehmen, welche diese Frage beantworteten, schüttete nur eines seine Gewinne direkt an die Aktionäre aus. In zwei Fällen bestand eine gemischte Lösung, bei der ein Teil des Geldes in Form von Lohn, ein Teil in Form von Zinsen für ein Darlehen des Aktionärs und ein Teil in Form von Gewinnen ausbezahlt wurde.Die vier anderen Unternehmen reinvestierten ihre Gewinne. Im Allgemeinen schütten die besuchten KMU wenig Gewinne aus. Die Doppelbesteuerung spielt dabei eine Rolle, auch wenn sie nicht der einzige Grund war. Die KMU beklagen sich nicht besonders über die Doppelbesteuerung, denn sie haben gelernt, mit ihr zu leben. Ein Unternehmer fasst die Situation wie folgt zusammen: «Die Doppelbesteuerung ist nicht allzu störend, denn im Allgemeinen arrangiert man sich, um von ihr nicht betroffen zu werden.» Die Methoden, um der Doppelbesteuerung zu entgehen, sind bekannt: Man schüttet wenige oder gar keine Dividenden aus, investiert Kapital in Unternehmen in Form eines Darlehens – statt in Form von Aktienkapital – oder gründet eine Holding. In einer Informatikdienstleistungsfirma erhalten die guten Angestellten, die zugleich Aktionäre sind, Boni statt Dividenden. Diese verschiedenen Methoden ermöglichen es, die Doppelbesteuerung zumindest teilweise zu vermeiden. Doch diese Ausweichmöglichkeiten sind nur vorübergehend: Die Probleme tauchen nämlich später bei der Nachfolge wieder auf. Nachfolge und Gründung von Holdings Bei der Übertragung von Familienunternehmen ist die Besteuerung eines der Hauptprobleme. Die einfachste Lösung ist der Verkauf des Unternehmens: Die Kapitalgewinne sind steuerfrei, und der Ertrag kann einfach unter den Erben aufgeteilt werden. Falls jedoch einer der Erben das Unternehmen wei- Monatsthema terführen will, können die Steuerfolgen massiv sein. Eine von den Experten häufig empfohlene Lösung ist in diesem Fall die Gründung einer Holding. Zwei Beispiele unter den besuchten KMU illustrieren diese Lösung. Fall 1 Der Besitzer des Unternehmens M. hat drei Kinder. Ein Sohn will das Unternehmen weiterführen; die beiden anderen Geschwister sind daran nicht interessiert. Sie wollen allerdings auch keine Beteiligung an der AG erben, denn um die Doppelbesteuerung zu vermeiden,wird die ausgeschüttete Dividende null sein. Nach der Beratung durch eine Treuhandgesellschaft und einen Anwalt gründen M. und sein Sohn eine Holding, der die AG untergeordnet wird. Der Sohn kauft der Holding allmählich die Aktien der AG ab. Ohne hier ins Detail gehen zu können, ermöglicht diese Konstruktion einen allmählichen Übergang des KMU an den Nachfolger ohne allzu hohe Steuerkosten. Fall 2 Das Familienunternehmen R. wird von zwei Brüdern geleitet. Einer von ihnen wollte sich aus dem Geschäft zurückziehen und einen Teil seiner Aktien dem anderen übertragen. Gemäss dem Rat von Experten wurden zwei Holdinggesellschaften gegründet, denen die AG untergeordnet wurde. Das Bankdarlehen wird durch die eine Holding aufgenommen; die Dividenden der AG werden in die Holding weitergeleitet, welche die Zinsen der Bank bezahlt. Eine einfachere Lösung mit einem privaten Darlehen wäre aufgrund der Doppelbesteuerung nicht von Vorteil gewesen. Bei den Unternehmensbesuchen hat sich gezeigt, dass das Phänomen der Holdinggesellschaften keine Randerscheinung ist, sondern viele KMU betrifft. Häufig treten Holdinggesellschaften bei Nachfolgeregelungen in Erscheinung wie bei den beiden hier angeführten Beispielen. Selbst unter den KMU, die keine Holding als Kapitalgeber hatten, liessen einige eine Studie durch ihre Treuhandgesellschaft ausführen, um zu sehen, ob es von Interesse wäre, eine zu gründen. Unter steuerlichen Gesichtspunkten sind die Holdinggesellschaften sehr vorteilhaft. Nachteile einer Holdinggesellschaft 1 Den Herren Angelo Digeronimo und Dr. Jean-Blaise Paschoud (beide von der Eidg. Steuerverwaltung) sowie Dr. Peter Balastèr (seco) sei hier für ihre Anregungen und Kommentare gedankt. 2 Zahlreiche Kommentare wurden von den KMU zu Fragen der Mehrwertsteuer abgegeben. Sie überschneiden sich weit gehend mit den Feststellungen eines kürzlich durchgeführten KMU-Tests zu den staatlichen Kontrollen (vgl. «Staatliche Kontrollen und Auflagen für KMU», in: Die Volkswirtschaft, 03/2004, S. 54–58) und werden hier nicht behandelt. Die Tatsache,dass die Steuern die KMU dazu drängen, sich in Form von Holdinggesellschaften zu organisieren, bringt auch zahlreiche Nachteile mit sich. Wie ein Unternehmer erwähnte, erlaubt das Bestehen einer Holding nicht die Vermeidung der Steuern, sondern nur die zeitliche Verschiebung der Steuerlast. Zum Zeitpunkt der Liquidation der Holding kommt die Doppelbesteuerung nämlich wieder voll zum Tragen. Um diese grosse Steuer- 27 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 belastung zu vermeiden, ist der Besitzer versucht, seine Firma so lange wie möglich zu behalten; so wird sie zu einem so genannten «vollen Portemonnaie», das wegen der schwebenden Steuerlast nur mit Einschlag an neue Besitzer verkauft werden kann. Ausserdem stellt sich auch die Frage der Kosten. Ein besuchtes KMU hat erwähnt, dass die Gründung der Holding fast 100 000 Franken gekostet habe. Die Tatsache, dass das KMU in Form von mehreren verschiedenen Gesellschaften organisiert ist, bringt auch höhere Kosten für die Buchprüfung, die Schaffung oder die Liquidation von Gesellschaften (Anwaltskosten, Stempelabgabe, Handelsregister), für die Steuererklärung usw. mit sich. Das Fehlen eines Holdingrechts im Gesellschaftsrecht könnte mit der zunehmenden Bedeutung dieser Gesellschaften unter den KMU ebenfalls problematisch werden. Die Holdings sind im Steuerrecht definiert, doch es besteht im Gesellschaftsrecht kein spezifisches Recht für diese Rechtsform. Es gibt auch keine Holdingstatistiken auf Bundesebene. Schliesslich ist die Holdingkonstruktion auch dem Geschäftsgang nicht unbedingt förderlich. Die Holdingstrukturen sind weniger transparent als die einfacheren Unternehmensstrukturen. Die Möglichkeiten der Finanzierung einer Gesellschaft durch eine andere derselben Gruppe, des Transfers von Kosten und Gewinnen von einer Gesellschaft zur andern oder der Umwandlung von Fremdkapital (bei den Holdings) in Eigenkapital (bei den Beteiligungsgesellschaften) tragen dazu bei, dass die reelle Unternehmenssituation verschleiert wird.So wurden in einem besuchten KMU die Direktoren von einer AG bezahlt, obwohl sie auch für eine andere zur selben Holding gehörende AG tätig waren. Komplizierte Restrukturierungen Der KMU-Test erfolgte vor dem In-KraftTreten des Fusionsgesetzes, von dem man nun noch praktische Erfahrungen abwarten muss. Auch wenn sich die Lage mit dem In-KraftTreten dieses Gesetzes verbessert hat, sind gewisse Probleme, wie die indirekte Teilliquidation, noch nicht gelöst und komplizieren nach wie vor die Restrukturierungen. Die Falle der indirekten Teilliquidation Im Rahmen des Steuersystems, welches die Doppelbesteuerung der Dividenden mit der fehlenden Besteuerung der Kapitalgewinne verbindet, mussten besondere Regulierungen entwickelt werden, um zu verhindern, dass die Investoren von dieser Lücke profitieren und sich der Besteuerung entziehen. Eines dieser Konzepte ist die indirekte Teilliquidation. Monatsthema Bei den Unternehmensbesuchen von Vertretern des seco wurden zahlreiche in rechtlicher und steuerlicher Hinsicht komplexe Situationen ermittelt. Dies betrifft gerade auch die KMU, welche für ihre Steuererklärungen häufig auf eine externe Beratung zurückgreifen müssen. Bild: Keystone Das Unternehmen N. hat kürzlich eine kleine AG aufgekauft, welche Liquidität angehäuft hatte.Um die Falle der indirekten Teilliquidation zu vermeiden, musste aus Steuergründen diese Liquidität während fünf Jahren blockiert bleiben. Zugleich brauchte das Unternehmen N. jedoch Geld; es sah sich in der Folge gezwungen, ein Bankdarlehen zu einem höheren Zins aufzunehmen. Als sich später eine weitere Kaufgelegenheit bot, verzichtete dieses KMU darauf, denn das zum Verkauf stehende Unternehmen hatte ebenfalls für sein Geschäftsfeld zuviel Liquidität – und damit zu hohe schwebende Steuerlasten – akkumuliert. Einiges deutet darauf hin, dass viele Eigentümer ihr Unternehmen aus steuerlichen Gründen nicht verkaufen können. Die 5-jährige Wartefrist könnte indes abgeschafft werden, wenn eine Besteuerung der Kapitalgewinne eingeführt würde. Die heutige Regelung hat sehr widersprüchliche Auswirkungen. Die Doppelbesteuerung bildet einen Anreiz, Kapital in den Unternehmen zu belassen. Dasselbe Steuersystem macht es jedoch wegen der Falle der indirekten Teilliquidation schwierig, bei angehäufter Liquidität Unternehmen dem bestgeeigneten Nachfolger zu verkaufen. Schwierige Management-Buy-outs 3 Für eine detailliertere Beschreibung des Reformprojekts siehe Artikel Digeronimo, S. 10f., dieser Ausgabe. Eine andere Auswirkung des heutigen Steuersystems ist folglich die Erschwerung der Management-Buy-outs (MBO). Ein MBO kann nämlich vielfältige Steuerfolgen nach sich ziehen: Besteuerung der infolge der Re- 28 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 strukturierung erzielten Immobiliengewinne, eventuelle Steuerfolgen einer Aufspaltung bei rascher Liquidation eines der neu geschaffenen Unternehmen sowie Konsequenzen für die Manager. Wenn diese ein Darlehen aufnehmen, um das Unternehmen zu kaufen, haben sie Mühe, die Zinsen des Darlehens mit den Dividenden zu bezahlen, da diese durch die Doppelbesteuerung belastet werden. Das folgende Beispiel illustriert diese Situation: Die von einem Familienunternehmen angestellten Direktoren machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Der Eigentümer des Unternehmens ist über 65 Jahre alt, und sein Sohn hat kein Interesse am Familienunternehmen. Sie befürchten, dass beim Rückzug des gegenwärtigen Hauptaktionärs das Unternehmen an einen Konkurrenten verkauft wird, der nicht zwei «Direktionsmannschaften» braucht. So schlagen die Direktoren dem Eigentümer vor, das Unternehmen in eine Betriebsgesellschaft und eine Immobiliengesellschaft aufzuteilen und die Betriebsgesellschaft zu kaufen. Um auch die Immobilien zu kaufen, fehlen ihnen die Mittel. Der Eigentümer hat den Vorschlag abgelehnt. Bei der Integration einer anderen in seinem Besitz befindlichen Gesellschaft in sein Hauptunternehmen war er nämlich von einer Treuhandgesellschaft schlecht beraten worden, was zu einem Verlust von einer halben Million Franken führte.Heute zieht er nur noch Lösungen mit klaren Steuerfolgen in Erwägung, d.h. den einfachen Verkauf seines ganzen Unternehmens (Betrieb und Immobilie) in einer einzigen Transaktion. Restrukturierungen und Immobilien Die Immobilien verursachen bei Restrukturierungen besondere Schwierigkeiten. Zunächst bestehen gleichzeitig zwei Systeme für die Besteuerung der Immobilien, das monistische und das dualistische System.Das dualistische System tritt zudem in Wechselwirkung mit der Doppelbesteuerung, wenn Immobiliengewinne als Unternehmensgewinn besteuert werden. Ausserdem bringen die von den Kantonen erhobenen Handänderungssteuern Kosten mit sich, welche die Unternehmen oft nicht zu zahlen gewillt sind. Schliesslich befinden sich in der Praxis die Immobilien oft im Besitz von Immobiliengesellschaften, welche sich nicht ohne Steuerfolgen auflösen lassen. Mehrere der besuchten KMU haben bei einer Restrukturierung solche Schwierigkeiten erlebt. So hat etwa ein in Form einer Holding organisiertes KMU aus der Westschweiz von seinen Restrukturierungsplänen berichtet, welche den Transfer von Immobilien von einer Immobiliengesellschaft an eine andere Gesellschaft beinhaltet hätten. Aufgrund der Handänderungssteuer und einer möglichen Besteuerung der Immobiliengewinne hat das Monatsthema Unternehmen auf die Restrukturierung verzichtet und eine ungeeignete Unternehmensstruktur beibehalten. Laut dem Finanzchef eines der besuchten KMU ist es höchste Zeit, die Besteuerung der Immobilien gesamtschweizerisch zu regeln. Schwierigkeiten aufgrund des Föderalismus Progressive Gewinnsteuer besteht weiterhin in mehreren Kantonen In den Kantonen, die noch den progressiven Tarif für die Gewinnsteuer anwenden, liegt es im Interesse der KMU, bedeutende Gewinne über mehrere Jahre zu verteilen, um die Progression zu brechen. Ein Basler KMU beschwert sich über diese Tatsache. Ein Waadtländer KMU begrüsst seinerseits die Tatsache, dass sein Kanton zum proportionalen Satz übergegangen ist, was die Geschäftsführung wesentlich vereinfacht.Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erscheint es denn auch logisch, dass die betroffenen Kantone rasch zur proportionalen Gewinnsteuer übergehen sollten. Kapitalsteuer als Kostenfaktor Aufgrund von Art. 2 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) sind die Kantone verpflichtet, eine Kapitalsteuer zu erheben. Zwei der besuchten KMU erwähnen, dass diese Steuer ein Kostenfaktor ist und zudem eine administrative Belastung mit sich bringt. Es bestehen aber noch andere Schwierigkeiten. Zunächst ist diese Steuer problematisch, wenn sich das Unternehmen in einem schlechten Jahr befindet. Es erzielt nicht nur keinen Gewinn, sondern muss auch noch einen hohen Steuerbetrag bezahlen. Ferner hebt ein Unternehmen hervor, dass die Verluste aus früheren Geschäftsjahren nicht vom Eigenkapital abgezogen werden können. Zudem kommt es häufig vor, dass das Kapital mehrmals besteuert wird. So haben wir etwa einen Verantwortlichen einer Gesellschaft getroffen, die eine andere übernommen hatte. Das Kapital der übernommenen Gesellschaft wurde somit drei Mal besteuert: Zum einen auf der Ebene jeder einzelnen Gesellschaft und zum andern auf der Ebene des Vermögens des Aktionärs. Die Kapitalsteuer wurde auf Bundesebene abgeschafft. Es wäre zweckmässig, auch die Verpflichtung der Kantone, die im StHG verankert ist, aufzuheben. Steuerharmonisierung fortsetzen Von den besuchten Unternehmen sind manche nur in einem Kanton tätig. Andere wiederum sind in mehreren Kantonen aktiv, was einige Komplikationen mit sich bringt. So 29 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 haben wir zwei KMU besucht, für welche die Tätigkeit auf dem Gebiet mehrerer Kantone eine Aufteilung der Gewinne zwischen den Kantonen notwendig machte, um die Steuerbelastung zu minimieren. In einem der Fälle war eine Treuhandgesellschaft mit dieser Aufteilung beauftragt. Die besuchten KMU beklagen sich nicht besonders über diese Situation: Einerseits bringt sie einen zusätzlichen administrativen Aufwand mit sich, andererseits profitieren sie aber auch davon, da sie weniger Steuern bezahlen. Aus wirtschaftlicher Sicht jedoch stellen die durch die unterschiedlichen Systeme in den verschiedenen Kantonen verursachten Komplikationen einen wesentlichen Kostenfaktor für die gesamte Volkswirtschaft dar, so etwa verlorene Zeit der Buchhalter sowie Kosten für Steuerexperten und Treuhandgesellschaften. Die Steuerharmonisierung ist im Gang. Es ist wichtig für die Unternehmen, diese Arbeiten zügig voranzutreiben. Auswirkungen des KMU-Tests Das Forum KMU hat die Arbeiten zur Reform der Unternehmensbesteuerung genau verfolgt. Zunächst hat es im Jahr 2001 zum Bericht der Expertenkommission Stellung genommen; dann hat es sich auch mit den Resultaten des KMU-Tests des seco befasst. Als das Vernehmlassungsverfahren eröffnet wurde, hat sich das Forum im Februar 2004 erneut in das Thema vertieft und auf der Grundlage seiner früheren Arbeiten Stellung bezogen. In seiner Stellungnahme, die auf der Webseite unter www.forum-kmu.ch abrufbar ist, spricht sich das Forum für Modell 1 der drei in Vernehmlassung gegebenen Modelle aus. Dieses Modell sieht vor, dass bei qualifizierten Beteiligungen, wenn die Option ausgeübt wird, die Dividenden und Veräusserungsgewinne im Umfang von 60% zu den geltenden Tarifen besteuert werden.3 Dieses Modell bedeutet für die Investoren, die sich für die Ausübung der Option entscheiden, einen Paradigmawechsel im Vergleich zum bestehenden System. Indem der KMU-Test zahlreiche Probleme des heute gültigen Steuersystems aufgezeigt hat, die den Nicht-Eingeweihten nicht immer bekannt sind, hat er es ermöglicht, die Notwendigkeit der Reform besser zu verstehen. Aufgezeigt wurden insbesondere die Nachteile der legalen Umgehung der heutigen Doppelbesteuerung von ausgeschütteten Dividenden durch aufwendige Holdingstrukturen oder durch Verharren in betriebswirtschaftlich sub optimalen Verhältnissen. Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Wachstum und Beschäftigung dank der Unternehmenssteuerreform II Nach der Ablehnung des Steuerpakets durch das Volk am 16. Mai 2004 braucht die Schweiz mehr denn je eine gezielte Steuerreform zugunsten von Wachstum und Beschäftigung. Unter diesem Gesichtspunkt ist die anstehende Unternehmenssteuerreform II zu beurteilen. Angesichts der grossen Bedeutung für die Wirtschaft ist zu hoffen, dass der Bundesrat – auf der Grundlage der Vernehmlassungsresultate – das Geschäft so ausgestaltet, dass ein rasches Vorankommen ermöglicht wird. Nur wenn diese Reform angemessen gestaltet wird, kann sie der Schweiz zu wirtschaftlichen Fortschritten verhelfen. Die Schweiz kennt als eines der letzten Länder der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne: zuerst auf Stufe der Unternehmen und anschliessend als Einkommen des Aktionärs bei der Dividendenausschüttung. Die Gewinnsteuer (ebenso wie die Kapitalsteuer) stellt gewissermassen die erste Stufe der endgültigen Besteuerung der Gewinne und Investitionen von natürlichen Personen dar. Deshalb ist eine integrierte Sicht der Gesamtsteuerlast erforderlich. Je höher die Steuersätze für natürliche und juristische Personen sind, desto gravierender ist das Problem der Doppelbesteuerung. Das heutige Steuersystem der Schweiz besitzt zwar positive Aspekte in Fällen, wo keine Gewinnausschüttung erfolgt. Bei einer Ausschüttung hingegen verursacht die doppelte Besteuerung der Gewinne verschiedene Wettbewerbsverzerrungen: Sie benachteiligt Kapitalgesellschaften, fördert die Finanzierung mit Fremd- statt Eigenkapital, behindert die Finanzierung durch Kapitalerhöhungen gegenüber der Selbstfinanzierung und bremst schliesslich durch erhöhte Kapitalkosten die Investitionstätigkeit der Firmen. Letzteres betrifft vor allem KMU und junge Unternehmen. Langer politischer Prozess Im Jahr 2000 legte Economiesuisse ein Steuerkonzept vor. Es enthielt die Forderungen der Wirtschaft im Hinblick auf die anstehende Erneuerung der Finanzordnung. Bei den vorgeschlagenen Massnahmen wurde speziell auf das Problem der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen hingewiesen. Bereits damals wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es als Kompensation einer allfälligen Milderung der Doppelbesteuerung nicht zur gleichzeitigen Einführung einer kontra- Dr. Pascal Gentinetta Mitglied der Geschäftsleitung, Economiesuisse, Zürich 30 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 produktiven Beteiligungsgewinnsteuer kommen darf. Auch das Parlament befasste sich mit dieser Problematik. So wurden in den letzten Jahren mehrere parlamentarische Vorstösse – insbesondere die Motionen Schweiger und WAK-NR – verabschiedet,die im Wesentlichen die Abschaffung oder Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung forderten. Schliesslich lancierte die CVP-Fraktion eine parlamentarische Initiative mit ähnlicher Stossrichtung. Der Bundesrat griff die wiederholten Forderungen von Wirtschaft und Parlament auf und veranlasste zwei Expertenberichte: Der erste beleuchtete die Frage der rechtsformneutralen Besteuerung; der zweite fragte nach den wirtschaftlichen Effekten einer Steuerreform.Die im Auftrag der Verwaltung von Prof. Keuschnigg verfasste Studie zeigte auf, dass beträchtliches Kapital in Unternehmen – vor allem in KMU – gewissermassen steuerbedingt schlummert, um der massiven Doppelbesteuerung der Gewinne zu entgehen, statt dass es ausgeschüttet und in anderen Bereichen der Wirtschaft wachstumsträchtiger reinvestiert wird. Durch eine Milderung oder vollständige Abschaffung dieser Doppelbesteuerung könnte eine effizientere Allokation des Kapitals im Wirtschaftskreislauf gefördert werden. Dadurch würde das Wirtschaftswachstum begünstigt und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz für Schweizer Anleger gesteigert. Bei einer tiefen Teilbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne und bei einem gleichzeitigen Verzicht auf die investitionshemmende Besteuerung der Beteiligungsgewinne wäre der Wachstumsimpuls umso grösser. Die Wirtschaft ist für ein «Modell 3+» Unter diesen Gesichtspunkten haben die drei offiziellen, vom Bundesrat vorgestellten Varianten zur Unternehmenssteuerreform nur sehr bescheidene Auswirkungen auf die Faktoren Wachstum und Beschäftigung. Economiesuisse setzt sich deshalb entschlossen für ein optimiertes «Modell 3+» mit einer Teilbesteuerung von maximal 50% ein. Dieses Modell ist mit dem in Deutschland und in einigen Kantonen geltenden Modell vergleichbar. Gegenüber dem vom Bundesrat ursprünglich favorisierten Modell 1 erlaubt das «Mo- Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Grafik 1 Effektive Besteuerung von Dividendeneinkommen Zustand 2003 und Veränderung 2000–2003 70 Hoher Satz Japan Dänemark Frankreich Ungarn Kanada Niederlande Schweiz (ZH) USA Spanien Irland Türkei Portugal Luxemburg 60 Grossbritannien Deutschland Österreich Schweden Australien 50 Korea Italien Belgien Tschechische Republik Abnahme Zunahme Effektiver Satz 2003 (in Prozent) Neuseeland Mexiko 40 Slowakei Griechenland 30 Finnland Norwegen Island Tiefer Satz –25 –20 –15 –10 –5 0 20 5 Berücksichtigung der tariflichen Steuerautonomie der Kantone umgesetzt werden. Das Modell ist auch am einfachsten umzusetzen: Im Gegensatz zu den Modellen 1 und 2 verkompliziert es das bestehende System nicht, indem es verschiedene Beteiligungsarten ungleich behandelt und dadurch Diskriminierungen schafft und Verzerrungen hervorruft. Mit Blick auf die Beseitigung der sog. «Ärgernisse» (indirekte Teilliquidationen usw.) sollten den Steuerverwaltungen im Interesse der Rechtssicherheit klare gesetzliche Anweisungen für eine liberale Handhabung in der Praxis gegeben werden. Die kürzliche Praxisverschärfung durch das Bundesgericht bei der Erbenholding stellt eine gravierende Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im «Private Equity»-Bereich dar. Die Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer würde es nachgerade verunmöglichen, die von Verwaltung und Bundesgericht verursachten «Ärgernisse» zu beseitigen; durch eine ungerechte Bestrafung anderer Steuerzahler würden sie im Gegenteil im System zementiert. Satzveränderung 2000–2003 (in Prozentpunkten) Anmerkung: Berücksichtigt wurde der effektive Steuersatz auf ausgeschütteten inländischen Gewinnen an einen inländischen Aktionär. Quelle: OECD / Die Volkswirtschaft Kasten 1 Intern. Steuersysteme in Bewegung Internationalen Vergleiche der OECD bestätigen, dass die effektive Steuerlast des Investors in der Schweiz nicht mehr wettbewerbsfähig ist, wenn man die Dividendenbesteuerung beim Einkommen berücksichtigt (vgl. Ordinatenachse der Grafik 1). Die Schweiz kann in diesem Bereich mit einem der hintersten Plätze nicht zufrieden sein. Die USA, die eine ähnliche Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne wie die Schweiz kannten, haben ihr System kürzlich geändert und die wirtschaftliche Doppelbelastung erheblich reduziert. Viele OECDLänder haben seit längerem bereits vergleichbare Massnahmen ergriffen. Das Resultat ist eine internationale Dynamik, die auf eine teilweise erhebliche Verringerung der effektiven Dividendenbesteuerung hinausläuft (vgl. Abszissenachse der Grafik). Gleichzeitig ist auch ein internationaler Trend zur Verringerung der Steuerbelastung auf Stufe der Gesellschaften (juristische Personen) zu verzeichnen. Auf diesem Gebiet verfügt die Schweiz zwar nach wie vor über eine günstige Ausgangslage – bei grossen Unterschieden je nach Kanton –, die Herausforderung besteht indes darin, die führende Stellung zu verteidigen. Der Beitritt der steuerlich sehr wettbewerbsfähigen osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union lässt einen intensiveren Steuerwettbewerb im europäischen Wirtschaftsraum erwarten. Die Schweiz muss diese neue Dimension bei der Beurteilung ihrer Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigen. Sie täte gut daran, den ihr zur Verfügung stehenden Spielraum zur Wahrung günstiger steuerlicher Rahmenbedingungen auszunutzen. dell 3+» etwa eine Vervierfachung der Wachstums- und Beschäftigungswirkung. Dies ergibt sich aus dem kumulierten Effekt folgender drei Anpassungen: – Tiefere Teilbesteuerung der Dividenden von max. 50%. Das bedeutet eine stärkere Milderung der Doppelbelastung und eine weitere Verringerung der Kapitalkosten; – Ausdehnung der Steuerentlastung auf alle Kategorien von Dividenden, unabhängig von deren Betrag oder irgendwelcher willkürlicher Beteiligungsquoten und damit keine ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen den verschiedenen Arten von Beteiligungen; – Verzicht auf die Einführung einer investitionshemmenden Beteiligungsgewinnsteuer, die sich negativ auf Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und öffentliche Finanzen auswirken würde. Das «Modell 3+» ist auch aus Sicht der öffentlichen Finanzen tragbar,da sich die Reform zum grossen Teil selbst finanzieren dürfte. Denn in einer ersten Phase ergeben sich Mehreinnahmen aus einer höheren Dividendenausschüttungsquote und in einer zweiten Phase von der Reform ausgelöste merkbare Wachstumsimpulse, was zu höheren Steuereinnahmen führen wird. Um allfälligen finanziellen Restriktionen Rechnung zu tragen, kann die Reform zeitlich gestaffelt und zudem unter 31 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Langfristperspektiven Die Unternehmenssteuerreform nach dem «Modell 3+» wäre rasch und einfach umsetzbar. Längerfristig gilt es, die vollständige Aufhebung der Doppelbesteuerung anzustreben und gleichzeitig darüber nachzudenken, wie allfällig verbleibende Finanzierungsverzerrungen im heutigen System beseitigt werden können. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, müsste über einen radikalen Umbau des aktuellen Systems der Unternehmensbesteuerung nachgedacht werden. Zur Sicherstellung der Kohärenz einer solchen Reform wären insbesondere folgende Punkte zu prüfen: die ökonomische Berechtigung des Prinzips der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; die Voraussetzungen für eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung; die Rolle der Vermögenssteuer im Steuersystem; sowie die Art der Gegenfinanzierung einer solch tief greifenden Systemreform. Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Verzichten, weil de facto zu kostspielig Die Befürworter einer neuen Reform der Unternehmensbesteuerung verfolgen unterschiedliche Ziele. Der Schweiz. Gewerbeverband (SGV) und Economiesuisse wollen die Besteuerung der Unternehmen bzw. die von deren Besitzern verringern. Economiesuisse ist vor allem die so genannte «Doppelbesteuerung» der Gewinne von Kapitalgesellschaften ein Dorn im Auge. Umgekehrt will der SGV in erster Linie die Besteuerung von Personengesellschaften reduzieren. Dem Bundesrat hingegen geht es vor allem darum, negative Anreize (Verzerrungen) im Steuersystem zu beseitigen. Wo derart viele Ziele gleichzeitig verfolgt werden, droht eine Vorlage teuer zu werden. Marsch in den Lohnsteuerstaat Der finanzpolitische Hintergrund darf bei solchen Reformen nicht ausser Acht gelassen werden. Der Bund schiebt ein strukturelles Defizit von 1 bis 2 Mrd. Franken vor sich her. Dieses sollte in den nächsten Jahren abgebaut werden. Zudem wurden in den letzten 15 Jahren die indirekten Steuern aller Art ständig erhöht, was in erster Linie die Lohneinkommen belastet hat. Jede Entlastung der Unternehmen oder der Kapitaleinkommen bei der Besteuerung führt somit zumindest indirekt zu einer Mehrbelastung der Lohneinkommen, und zwar entweder durch Lohnprozente, direkte Steuern oder durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das wird am neuen Entlastungsprogramm 2004 sichtbar: Der Bund will zur Defizitbekämpfung seine Beiträge an die Arbeitslosenund die (hoch verschuldete) Invalidenversicherung reduzieren. Beides führt zu mehr Lohnprozenten oder allenfalls zu zusätzlichen Mehrwertsteuerprozenten, weil der Defizitabbau bei den Sozialversicherungen erschwert wird. Mit anderen Worten: Die Reform der Unternehmungsbesteuerung muss bezüglich der Einnahmen neutral ausfallen.Sonst wird – was inakzeptabel ist – die Belastung der Lohnempfänger verstärkt. Mindestens müssen allfällige Steuerausfälle sehr gut begründet sein. Das sind sie im Falle der vorgeschlagenen Reform nicht. International vergleichsweise geringe Belastung der Unternehmen Die erste Spalte in Tabelle 1 bestätigt, dass die Unternehmen in der Schweiz vergleichsweise wenig belastet werden. Das Bild bleibt vorteilhaft, wenn die Arbeitgeberbeiträge an Sozialversicherungen und Kapitalsteuer be- Dr. Serge Gaillard Geschäftsleitender Sekretär, Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB), Bern 32 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 rücksichtigt werden (zweite Spalte). Die Zahlen der OECD würden noch vorteilhafter aussehen, wenn die aktualisierten Daten der Nationalen Buchhaltung verwendet würden, die besser mit dem Ausland vergleichbar sind. Allerdings ist einzuräumen, dass zwischen den Kantonen erhebliche Unterschiede in der Steuerbelastung bestehen und es durchaus Kantone mit Handlungsbedarf geben kann. Um trotzdem Gründe zu finden, die Steuerbelastung für Unternehmen zu senken, wird mit der angeblichen «Doppelbelastung» der Gewinne bei Aktiengesellschaften argumentiert. Es sei nicht gerecht, dass die Gewinne einmal innerhalb des Unternehmens und dann wieder bei der Ausschüttung versteuert würden. Dabei wird übersehen, dass die Unternehmen die öffentliche Infrastruktur ebenfalls beanspruchen und von den öffentlichen Gütern wie der Sicherheit, dem Verkehrs- und Ausbildungssystem profitieren. Das spricht dafür, dass sie sich an der Finanzierung der öffentlichen Dienstleistungen beteiligen. Bei dieser Finanzierung steht weniger das Prinzip der Leistungsfähigkeit als eben jenes der Beteiligung an der Abgeltung öffentlicher Dienstleistungen im Vordergrund. Deshalb macht es keinen Sinn, die Gewinnsteuersätze nach der Rentabilität abzustufen, wie dies in einigen Kantonen noch geschieht. Eine proportionale Besteuerung der Gewinne, wie sie der Bund kennt, ist jedoch gerechtfertigt. Entlastung der Aktionäre? Ohnehin will der Bundesrat nicht die Gewinnsteuersätze für die Unternehmen, sondern die Steuersätze auf den Dividenden reduzieren. Damit werden nicht die Gewinne begünstigt, die wieder investiert werden, sondern diejenigen, die an die Aktionäre ausbezahlt werden. Es profitieren also nicht die Unternehmen, sondern die Investoren. Womit könnte eine solche Massnahme begründet werden? Sie wäre zu erwägen, falls die Kapitalerträge steuerlich stärker belastet würden als die Lohneinkommen. Das Umgekehrte ist jedoch der Fall, und die Tendenz ist eindeutig: Ein immer grösserer Teil der Steuereinnahmen belastet die Lohneinkommen. Der grössere Teil der Gewinne wird in den Unternehmen zurückbehalten, was den Wert der Unternehmung und damit der Beteiligungen erhöht. Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Tabelle 1 Direkte Unternehmenssteuern und -abgaben, 2001 (in % des BIP) Land Gewinnsteuer Total 3.1 3.7 Irland 3.6 6.4 Schweiz 3.1 7.0 USA 1.9 7.1 Deutschland 0.6 8.1 Japan 3.5 8.7 Grossbritannien 3.5 8.9 Niederlande 4.1 9.4 Belgien 3.6 12.3 Österreich 3.1 13.1 Frankreich 3.4 17.8 3.5 10.3 Dänemark OECD a EU a a Ungewichtetes Mittel. 3.6 11.3 Quelle: OECD (2003) / Die Volkswirtschaft Diese Wertsteigerungen bleiben steuerfrei, weil die Schweiz keine Kapitalgewinnsteuer kennt. Eine andere Motivation könnte sein, dass in der Schweiz zu wenig Risikokapital vorhanden wäre. Durch eine geringere Besteuerung der Dividendeneinkünfte könnte die Attraktivität von Anlagen in Aktien erhöht werden. Dem Autor sind keine Studien bekannt, welche für die Schweiz einen solchen Mangel an Eigenkapital für die Unternehmen nachweisen würden. Es ist nicht einsichtig, weshalb die Dividendenerträge nur noch teilweise versteuert werden sollten. Eine solche Massnahme dürfte auch unter dem Gesichtspunkt des Standortwettbewerbs nicht sehr hilfreich sein. Ausländische Investoren, die ihre Kapitalerträge aus der Schweiz nach ausländischem Recht versteuern, würden nämlich nicht entlastet. Verzerrungen im Steuersystem? Dem Bundesrat geht es nicht in erster Linie um eine Senkung der Unternehmenssteuern. Er will Verzerrungen beseitigen. Das wirtschaftliche Verhalten soll nicht von der Ausgestaltung der Steuern beeinflusst werden. Solche Verzerrungen gibt es tatsächlich.Niemand kann etwas dagegen haben, diese zu beseitigen. Gewisse Tatbestände sollten stärker, andere weniger belastet werden. Steuerausfälle müssten damit nicht verbunden sein. Leider sind aber Steuerreformen ohne -ausfälle im heutigen politischen Klima unrealistisch. Vielmehr werden sich die Steuersenkungswünsche kumulieren. Deshalb ist die Frage erlaubt, ob die Verzerrungen so gravierend sind, dass sie eine Steuerreform rechtfertigen. Diese Frage kann verneint werden. Das zeigt ein Blick auf die zwei wichtigsten Verzerrungen im Bereich der Unternehmenssteuern. 33 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Verzerrung Nr. 1: Die Gewinne werden bei den Kapitalgesellschaften «doppelt», bei den Personengesellschaften «einfach» versteuert. Folglich seien die Kapitalgesellschaften gegenüber den Personengesellschaften benachteiligt. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass die Verhältnisse nicht so einfach sind. Einerseits werden bei den Kapitalgesellschaften nur die ausgeschütteten Gewinne «doppelt» versteuert; andererseits muss die Personengesellschaft auf ihren Erträgen/Einkommen Beiträge an die AHV entrichten. Diese zwei Faktoren führen dazu, dass die Kapitalgesellschaften steuerlich sogar besser fahren als die Personengesellschaft, wenn Erstere nicht einen zu grossen Teil (bis rund zwei Drittel) der Erträge ausschütten. Zudem hat die Kapitalgesellschaft einen grossen Gestaltungsspielraum für die Bestimmung der Gewinne (Abschreibungen). Besitzer können auch Kredite an die eigene Firma gewähren, was die Gewinne verringert (Zinszahlungen etc.). Ohnehin ändert die vom Bundesrat vorgeschlagene Variante an dieser Ungleichbehandlung nicht allzu viel. Verzerrung Nr. 2: Die stärkere Besteuerung der ausbezahlten Gewinne gegenüber den zurückbehaltenen stellt für die Unternehmen einen grossen Anreiz dar, Gewinne im Unternehmen zu halten und nicht auszuschütten. Zurzeit wird dieser «Lock-in»-Effekt von den Ökonomen eher negativ beurteilt. Umgekehrt wurde früher immer darauf hingewiesen, dass dieser Anreiz für eine hohe Selbstfinanzierung die Investitionstätigkeit nachhaltig stimuliere. Zudem seien Unternehmen mit grossen Reserven in Krisenzeiten resistenter. Gleichwohl machte der Bundesrat mit der Variante 1 einen Vorschlag, wie diese Ungleichbehandlung der ausgeschütteten und zurückbehaltenen Gewinne beseitigt werden könnte: Mit der Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer würden auch die zurückbehaltenen Gewinne (später) versteuert. Der Ertrag dieser (neuen) Steuer könnte zur Reduktion der Dividendenbesteuerung verwendet werden. Der Bundesrat hat mit diesem Vorschlag die Logik auf seiner Seite. Aber kaum die bürgerliche Mehrheit im Parlament. Fazit Die Unternehmenssteuerreform II dürfte kostspielig werden, da die Beteiligungsgewinnsteuer keine Chancen hat, im Parlament durchzukommen. Deshalb sollte auf diese Reform verzichtet werden. Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Personengesellschaften verdienen eine bessere Behandlung Die Personengesellschaften bilden eine heterogene, aber sehr bedeutende Gruppe von einigen hunderttausend meist kleinen und mittleren Unternehmen. In dieser grossen Masse haben die rund 15 Privatbankiers (Banken mit der Rechtsform von Personengesellschaften) statistisch gesehen kein sehr grosses Gewicht. Und doch tragen diese Gesellschaften, von denen einige auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblicken und angesehene Firmennamen besitzen, wesentlich zum guten Ruf des Finanzplatzes Schweiz bei. Der Finanzsektor steuert bekanntlich jeden achten Franken des BIP der Schweiz bei. Schlecht honorierte Verdienste Aus dem Blickwinkel der Wirtschaftspolitik weisen Personengesellschaften – und nicht nur jene des Bankensektors – unbestreitbare Vorteile gegenüber Kapitalgesellschaften auf. Diese Rechtsform gestattet unter anderem: – eine langfristig ausgerichtete Betriebsführung, da die mit der Geschäftsleitung betrauten Teilhaber nicht dem gleichen Druck ausgesetzt sind, den die Kapitalmärkte tagtäglich auf Manager von Kapitalgesellschaften ausüben; – einen besseren Gläubigerschutz,haftet doch der Geschäftsinhaber mit seinem gesamten Vermögen für die Schulden der Personengesellschaft: Bei der Personengesellschaft «sitzt der Pilot im Flugzeug» und verfügt über keinerlei (gar vergoldeten) Fallschirm; – die Kontinuität der Eigentümerschaft und die Verwurzelung des Unternehmens in der Schweiz zu gewährleisten: Die Entscheidungszentren von Personengesellschaften werden nicht ins Ausland verlagert; dasselbe gilt für die erzielten Gewinne. Dennoch werden die Personengesellschaften durch die geltende Rechtsordnung – sei es im Steuer- oder im Vorsorgebereich – kaum gefördert. Zwar unterliegen Eigentümer der Personengesellschaften nicht der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, weil Personengesellschaften keine Steuersubjekte darstellen. Umgekehrt werden jedoch die investierten Gewinne in vollem Umfang besteuert und sind überdies der AHV unterstellt. Anerkannte Steuerungerechtigkeit Gewinne von Personengesellschaften unterliegen unmittelbar der Einkommenssteuer (deren Steuersatz 45% überschreiten kann), Michel Y. Dérobert Generalsekretär der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers, Genf 34 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 selbst wenn diese Gewinne wieder investiert werden müssen,um beispielsweise das Wachstum des Unternehmens zu finanzieren. Bei juristischen Personen wird der Unternehmensgewinn nach Entlöhnung des Unternehmensleiters mit einer Steuer belegt, deren Steuersatz unter Berücksichtigung ihrer Abzugsmöglichkeit 25% nicht überschreitet.Nur der an den Aktionär ausgeschüttete Teil des Gewinns muss von diesem als Einkommen versteuert werden. Aus diesem Grunde sind die Personenunternehmen bei der Finanzierung ihres Wachstums benachteiligt. Das Problem belastet jene Unternehmen besonders stark, die – wie die Banken – von Gesetzes wegen einen hohen Eigenkapitalbedarf haben. Dieser Nachteil wurde 2001 von der Expertenkommission rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (ERU) anerkannt. Sie zeigte auf, dass die Personenunternehmen im Durchschnitt eine höhere Steuerbelastung als die Kapitalgesellschaften und ihre Eigentümer zu tragen haben. Deshalb schlug sie Lösungen vor, um die Gleichbehandlung zu erreichen. Sozialabgaben statt Doppelbesteuerung Wirtschaftlich betrachtet ist das Problem im Vorsorgebereich vergleichbar mit den oben angestellten Überlegungen.Der Gewinn juristischer Personen unterliegt keinen Sozialabgaben. Nur der in Lohnform an die Geschäftsleitung ausbezahlte Betrag ist AHV-pflichtig. Auf allfällige Dividenden, die als Kapitalertrag betrachtet werden, sind keine Sozialabgaben zu entrichten. Wenn sich der geschäftsführende Aktionär einer Kapitalgesellschaft einen unverhältnismässig hohen Lohn ausbezahlt, dann können die Steuerbehörden einen Teil davon als Dividende betrachten, damit der Lohnanteil marktkonform bleibt. Der Rest wird in diesem Fall als Gewinn aus dem investierten Kapital angesehen und ist zwar zu versteuern (er unterliegt dann der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung), aber nicht AHV-pflichtig. Umgekehrt sind auf den gesamten Gewinn der Personengesellschaften Sozialabgaben zu bezahlen. Dies gilt auch für denjenigen Teil, der zur Finanzierung des Unternehmenswachstums reinvestiert wird. Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Pragmatische Vorschläge ohne Nachhall Im vergangenen Jahr reichte Nationalrat J.-S. Eggly eine parlamentarische Motion ein, um eine Lösung für das beschriebene Steuerproblem zu finden. Sein Anliegen war es, den Personengesellschaften die Einrichtung eines steuerbefreiten Rücklagenkontos zu gestatten, das als Eigenmittel angesehen wird. Dieses Modell sieht einen Besteuerungsaufschub vor. Die Steuer fällt erst an, wenn der Teilhaber seinen Anteil am Unternehmen realisiert und aus diesem ausscheidet. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass das Unternehmen in seiner Weiterentwicklung nicht mehr behindert wird, wie dies heute der Fall ist. Die Teilhaber wären damit in der Lage, das Wachstum ihres Unternehmens besser zu finanzieren, und würden letztlich mehr Steuern bezahlen, dies jedoch zu einem für sie günstigeren Zeitpunkt. Dadurch würde auch eine gewisse «Demokratisierung» der Personengesellschaften begünstigt und das Fortbestehen derartiger Gesellschaften mit ihren bereits erwähnten Vorteilen gewährleistet. In seiner Stellungnahme erinnerte der Bundesrat daran, dass es schwierig sei, das Steuersystem so weit zu ändern, um aus der Personengesellschaft ein getrenntes Steuersubjekt zu machen. Die erwähnte Expertenkommission ERU habe zwar eine solche Lösung geprüft, sei jedoch zum Schluss gekommen, sie sei im heutigen nationalen (AHV-Gesetzgebung) und internationalen Umfeld nicht realisierbar. Immerhin räumte er ein, der vom Motionär eingereichte Vorschlag gehe weniger weit. Dennoch vertrat der Bundesrat die Ansicht, die heutigen steuerrechtlichen Bestimmungen böten genügend Möglichkeiten, um steuerfreie Rückstellungen oder Reserven zu bilden. Schliesslich verwies er auf die Vorschläge der Unternehmenssteuerreform II, nach denen unter anderem der Begriff der Ersatzbeschaffung erweitert werden soll. Vorsorge auf Basis eines «Normallohns» Im Vorsorgebereich sind der Bundesverwaltung Vorschläge unterbreitet worden, die eine Unterscheidung zwischen der Entlöhnung einer Erwerbstätigkeit und dem Ertrag des investierten Kapitals sowie eine angemessene Gegenleistung für die vom Unternehmer eingegangenen Risiken verlangen. Die Entlöhnung würde mit den Sozialabgaben belastet und der Kapitalertrag wäre davon befreit. So würden die Einkünfte aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit dem Lohn eines Angestellten in leitender Stellung entsprechen, der in einer Aktiengesellschaft dieselbe Tätigkeit ausübt. 35 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Eine solche Lösung wäre umso logischer, als derartige Überlegungen bereits im Zusammenhang mit der allgemeinen Vorsorgegesetzgebung angestellt wurden. Die erste BVG-Revision sieht nämlich vor, den versicherbaren Lohn der Arbeitnehmenden und der selbstständig Erwerbenden auf das Zehnfache des maximalen koordinierten Lohnes zu beschränken, d.h. auf einen Betrag von rund 760 000 Franken. Wenn es um die Verhinderung von als überhöht betrachteten Steuerabzügen geht, schreckt der Staat also nicht davor zurück, mit einer Art «Normallohn» zu operieren. Wenn dieser Begriff des «Normallohns» also sowohl von den Steuerbehörden, die sich mit – ihrer Meinung nach – unverhältnismässig hohen Löhnen befassen müssen, als auch vom Gesetzgeber, der die Steuerabzüge im Zusammenhang mit der zweiten Säule beschränken möchte, zugunsten des Staates angewandt wird, fragt man sich, warum solche Überlegungen nicht auch möglich wären, um den Personengesellschaften eine gerechtere Behandlung zuzusichern. Zwischenbilanz Zieht man eine (Zwischen-)Bilanz, ist festzustellen, dass im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II wohl gewisse positive Ideen vorgebracht wurden.Von den drei wichtigsten Varianten, die Ende 2003 in die Vernehmlassung geschickt wurden, scheint indes für die breitere Wirtschaft ausgerechnet jene am interessantesten zu sein, welche hinsichtlich Gleichbehandlung von Personengesellschaften mit den Kapitalgesellschaften die unbefriedigendste Lösung bietet: nämlich die Variante 3, die eine bessere Regelung des alten und schmerzlichen Problems der wirtschaftlichen Doppelbelastung der Dividenden vorsieht. Die Stellungnahmen der Bundesbehörden zu Vorstössen, die auf eine Abfederung der Ungleichbehandlung durch die geltende Gesetzgebung abzielen, haben bisher den Eindruck erweckt, die mit ihrem Status unzufriedenen Personengesellschaften sollen doch einfach eine Änderung ihrer Rechtsform in Betracht ziehen.Diese Antwort kann selbstverständlich nicht einfach hingenommen werden. Es sind deshalb neue Lösungen zu prüfen, um eine gerechte Lösung für die beiden genannten Probleme zu finden und die Attraktivität einer Gesellschaftsform zu erhöhen, welche eine bessere Anerkennung verdient. Zumindest muss der Gesetzgeber jede weitere Schlechterstellung der Situation der Personengesellschaften gegenüber den Kapitalgesell schaften verhindern. Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Unternehmenssteuerreform II: Beurteilung aus standort- und wachstumspolitischer Sicht Eine Steuerreform mit Steuersenkungen kann eine Investition in die Zukunft sein, wenn die getroffenen Massnahmen standort- und wachstumsfördernde Impulse bewirken. Dies ist wissenschaftlich nachgewiesen im Modell 3 der Unternehmenssteuerreform der Fall. Zudem stärken die Beseitigung von Systemfehlern wie der Agiobesteuerung oder der Abbau von «Ärgernissen» das Vertrauen in das Steuersystem und damit den Wirtschaftsstandort Schweiz. Die Schweiz hat dies bitter nötig: Unsere volkswirtschaftlichen Trends sind alles andere als positiv, und wir verlieren systematisch Ränge im internationalen Vergleich. Jede Investition braucht etwas Mut. Die Erfahrung aus vielen praktischen Fällen zu den hier angesprochenen Themen stimmt aber zuversichtlich, dass sich dieser Mut für die Schweiz lohnen wird. Gute Gründe für eine Unternehmenssteuerreform Das zentrale Thema der Unternehmenssteuerreform II besteht in der steuerlichen Entlastung von Eigenkapital. Bekanntlich werden heute einerseits Gewinne von Kapitalgesellschaften, andererseits die Dividenden bei den Empfängern – insbesondere bei natürlichen Personen als Aktionären – besteuert (wirtschaftliche Doppelbelastung). Das kann zu Gesamtsteuerbelastungen von über 60% führen. Solch hohe Steuerbelastungen sind schon aus grundsätzlicher Sicht abzulehnen, da sie demotivierend sind und eine Verzerrung aufgrund unterschiedlicher Rechtsformen besteht. Je nachdem, ob ein Unternehmen in der Form einer Personenunternehmung oder einer Kapitalgeselschaft geführt wird, ergeben sich fundamental unterschiedliche steuer- und sozialversicherungsrechtliche Folgen. Weiter ist zu erwähnen, dass private Kapitalgewinne, also z.B. Gewinne aus der Veräusserung von Aktien, in der Schweiz steuerfrei sind, während Dividenden voll besteuert werden. Demnach zielt der Steuerpflichtige darauf ab, Kapitalgewinne zu erzielen und nicht Dividenden zu vereinnahmen.Dies führt oft zu betriebswirtschaftlich falscher Allokation von Mitteln, indem aus rein steuerlichen Gründen Gewinne thesauriert statt ausgeschüttet und anderweitig reinvestiert werden. Folgeprobleme ergeben sich daraus insbesondere bei Nachfolgeplanungen oder Verkäufen von Unternehmen. Der Fiskus hat zudem die Abgrenzung zwischen steuerfreiem Kapitalgewinn und steuerbarem Vermögensertrag immer mehr hin zum steuerbaren Vermögensertrag verschoben, dies unter den Titeln der indirekten oder direkten Teilliquidation und der Transponierung. Über- Dr. Markus Neuhaus Dipl. Steuerexperte, CEO PricewaterhouseCoopers, Zürich 36 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 dies wird allzu aktives Handeln mit Wertschriften als gewerbsmässig klassiert, womit auch derart realisierte Kapitalgewinne steuerbar werden. Hinzu kommt, dass die Schweiz das so genannte Nennwertprinzip kennt.Danach gelten sämtliche Zahlungen einer Kapitalgesellschaft an die Aktionäre als steuerbarer Vermögensertrag, soweit sie nicht eine formelle Rückzahlung von nominellem Aktienkapital darstellen. Selbst vom Aktionär einbezahltes Agio wird bei dessen Rückzahlung an den Aktionär zu steuerbarem Vermögensertrag. Dass dies gar nichts mit einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – also der Besteuerung von Mehrwert – zu tun hat, ist offensichtlich. Anforderungen an ein Steuersystem Grund genug also, unser Steuersystem einer Neubeurteilung zu unterziehen. Dabei stellt sich die Frage, an welchen Prinzipien sich ein neues System orientieren soll. Es ist klar, dass sich der Staat über Steuern finanzieren muss und dass die Staatsausgaben in den letzten Jahren massiv gestiegen sind. Die Maximierung des Steuerertrages lässt sich im heutigen Umfeld aber nicht einfach durch Steuererhöhungen oder Ausdehnung der Steuerbasis erwirken. Das Steuersubstrat ist nämlich mobil. Es besteht ein internationaler Wettbewerb um Steuersubstrat. Zusätzlich muss ein Steuersystem darauf ausgerichtet sein, das Wachstum der Wirtschaft nicht zu hindern, sondern es zu fördern. Ausserdem sollte ein Steuersystem keine groben Systemfehler beinhalten. Drei Modelle unter der Lupe Beurteilt man die drei im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II vorgeschlagenen Modelle zur Reduktion der wirtschaftlichen Doppelbelastung,so wird rasch ersichtlich, dass bloss Modell 3 als Lösung für die Zukunft in Frage kommen kann. Das Modell 1 will die Dividenden in Zukunft bloss noch zu 60% besteuern,im Gegenzug aber eine Beteiligungsgewinnsteuer einführen. Danach würden Kapitalgewinne, die auf Beteiligungen von mehr als 10% realisiert werden, in Zukunft nicht mehr steuerfrei sein. Es ist offensichtlich, dass damit insbesondere Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Blick über die Grenze Interessant ist auch ein Vergleich über die Grenze. Es besteht ein genereller Trend zur Reduktion der Steuersätze und ein spezifischer Trend zur reduzierten Besteuerung von Kapitalerträgen inkl. Dividenden. Deutschland und Österreich haben bereits ein so genanntes Halbeinkünfteverfahren implementiert: Dividenden werden also bloss zu 50% besteuert. In Österreich kann der Steuerpflichtige zusätzlich wählen, ob er nicht pauschal 25% Steuern auf seine Vermögenserträge entrichten will. Demnach ist es an der Zeit, dass auch in der Schweiz die übermässige wirtschaftliche Doppelbelastung beseitigt wird, indem Dividenden in Zukunft bloss noch zu 50% besteuert werden. Das Modell 3 will einzig die Dividendenbesteuerung reduzieren, ohne gleichzeitig eine neue Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen. Damit erfüllt dieses Modell die notwendigen Anforderungen an ein Steuersystem am besten. Ausserdem würde es auch die grössten Wachstumsimpulse erzeugen. Bild: Keystone KMU und Familiengesellschaften zwar Dividenden steuergünstiger ausschütten könnten, Kapitalgewinne im Verkaufsfall aber massiv stärker besteuert würden als bisher. Das Volk hat eine Kapitalgewinnsteuer kürzlich an der Urne deutlich verworfen, weshalb eine teilweise Beteiligungsgewinnsteuer auch nicht in Frage kommen kann. Das Modell 2 mit dem beschränkten Teilbesteuerungsverfahren enthält zwar einige interessante Überlegungen,hat bisher aber nicht viele Anhänger gefunden. Das Modell 3 will einzig die Dividendenbesteuerung reduzieren, ohne gleichzeitig eine neue Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen. Damit erfüllt dieses Modell die oben genannten Anforderungen an ein Steuersystem am besten. Dies würde insbesondere Familienunternehmen erlauben, eine vernünftige Dividendenpolitik zu betreiben und nicht primär Gewinne zu thesaurieren. Nachfolgeplanungen würden damit deutlich vereinfacht und Kapital könnte dort reinvestiert werden, wo es betriebswirtschaftlich am effizientesten ist. Es ist überdies wissenschaftlich nachgewiesen, dass dieses Modell auch die grössten Wachstumsimpulse bewirken würde, weil eben Risikokapital vermehrt nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und nicht primär nach steuerrechtlichen Überlegungen investiert würde. Dass grösseres Wachstum auch wieder mehr Steuersubstrat generieren wird, ergibt sich von selbst, womit sich eine derart konzipierte Steuersenkung letztlich selbst finanziert und im Total zu mehr Steuererträgen für den Staat führt. Diese Botschaft haben verschiedene Kantone bereits verstanden und entsprechende Steuerkonzepte implementiert. Es ist entscheidend, dass man diesen Kantonen ihre Systeme belässt und sie nicht mittels Bundesgesetzgebung zwingt, ihre fortschrittlichen Systeme wieder abschaffen zu müssen. 37 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Agio-Besteuerung und «Ärgernisse» eliminieren Im Weiteren ist die unhaltbare Agio-Besteuerung abzuschaffen, und zwar unabhängig vom Modellentscheid und möglichst rasch. Vom Aktionär einbezahltes Kapital – ob als nominelles Aktienkapital oder als Reserven/ Agio eingebracht – muss steuerfrei wieder rückzahlbar sein. Die Agiobesteuerung stellt auch aus steuer-/standortpolitischer Sicht ein massives Hindernis dar. Ein solches System besteht nirgends im Ausland und wird von niemandem im Ausland verstanden. Es hält deshalb zuzugswillige vermögende Ausländer von der Schweiz ab. Zudem beeinträchtigt es ausländische Investitionen in Schweizer Beteiligungsgesellschaften. Letztlich sollte auch endlich der Mut aufgebracht werden, die angesprochenen «Ärgernisse» der direkten und indirekten Teilliquidation, der Transponierung, der Erbenholdings und des gewerbsmässigen Wertpapierhandels zu eliminieren oder auf ein vernünftiges Mass zu reduzieren. Die heutige Situation ist in hohem Ausmass standortschädlich und verhindert vernünftige und international absolut übliche Vorgehensweisen etwa beim Kauf und Verkauf einer Unternehmung. Die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen eine Kehrtwende zu – wenn man will. Allenfalls kann man diesen Willen mit einer Gesetzesänderung noch verstärken. Auch hier gilt, dass dies unabhängig vom Modellentscheid erfolgen sollte. Schweizer Volkswirtschaft Wirtschaftspolitische Agenda Wirtschaftspolitische Agenda Wirtschaftspolitische Agenda Stand 16. September 2004 Dossiers Start Vernehmlassung Botschaft Erstrat Zweitrat Kommission Plenum Kommission Plenum Spezialkommission NR: Beratung abgeschlossen NR: Beratung abgeschlossen (19.06.2003) Differenzbereinigung Schlussabstimmung in eidg. Räten Referendum Informationen im Internet Beiträge in: «Die Volkswirtschaft» Differenzbereinigung abgeschlossen (SR: 01.10.2003) 03.10.2003 Volksabstimmung 28.11.2004 www.efd.admin.ch, Finanz- & Wirtschaftspolitik www.parlament.ch, Dossiers DV 12/01, S. 4 ff. DV 11/02, S. 10 f. www.seco.admin.ch, Arbeit, Arbeitsrecht DV 02/2002, S. 4 ff. www.efv.admin.ch, Finanz- & Wirtschaftspolitik DV 11/02, S. 20 f. www.bakom.ch, aktuell DV 11/02, S. 26 f. DV 01/03, S. 4 ff. Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA)1 14.04.1999 14.11.2001 Spezialkommission SR: Beratung abgeschlossen SR: Beratung abgeschlossen (02.10.2002) Schwarzarbeit 2 30.08.2000 16.01.2002 Subkommission WAK-N: Beratung abgeschlossen NR: Beratung abgeschlossen (17.06.2004) Neue Finanzordnung (NFO)3 21.09.2001 09.12.2002 WAK-S: Beratung abgeschlossen SR: Beratung abgeschlossen (19.06.2003) Revision des Fernmeldegesetzes (FMG)4 05.07.2002 12.11.2003 KVF-N: Erste Beratung abgeschlossen Zweite Detailberatung abgeschlossen (29.06.2004) NR: Eintreten beschlossen Zurück zur Detailberatung an KVF-N (18.03.2004) NR: Herbstsession 2004 Unternehmenssteuerreform II 05.12.2003 www.estv.admin.ch, Dokumentation DV 10/04, S. 3 ff. Bahnreform 2 19.12.2003 www.uvek.admin.ch, Verkehr, Dossiers DV 12/03, S. 4 ff. Revision des Binnenmarktgesetzes (BGBM)5 12.03.2004 www.evd.admin.ch, Dossiers DV 04/01, S. 4 ff. DV 12/04, S. 3 ff. (geplant) www.edi.admin.ch, Themen www.parlament.ch, Dossiers DV 07/04, S. 3 ff. Krankenversicherung 1. Paket (Botschaften 1A–1D)6 23.03.2004 2. Paket (Botschaften 2A–2B)7 12.05.2004 3. Paket (Pflegeversicherung)8 23.06.2004 26.05.2004 15.09.2004 Dezember 2004 (geplant) SR: Herbstsession 2004 Botschaften 1A, 1C, 1D WAK-N: Beratung abgeschlossen NR: Beratung abgeschlossen (11.12.2003) Differenzbereinigung abgeschlossen NR: Herbstsession 2004 Botschaften 1A, 1C 19.03.2004 Volksabstimmung 28.11.2004 Neue Regionalpolitik 9 28.04.2004 www.seco.admin.ch, Standortförderung DV 02/03, S. 4 ff. Zusatzprotokoll zum PFA mit der EU 10 (inkl. flankierende Massnahmen)11 30.06.2004 www.seco.admin.ch, Arbeit, Arbeitsrecht, Personenverkehr CH–EU DV 03/04, S. 3 ff. Bilaterale Abkommen II 30.06.2004 www.europa.admin.ch www.parlament.ch, Dossiers DV 09/04, S. 3 ff. Oktober 2004 (geplant) SR: Wintersession 2004 (geplant) NR: Wintersession 2004 (geplant) Quelle: Die Volkswirtschaft Weitere Quellen: www.parlament.ch; www.bk.admin.ch 38 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 39 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 40 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Wirtschaftspolitische Stellungnahmen Wirtschaftspolitische Agenda Wirtschaftspolitische Agenda Blick über die Grenze Entscheidungen der Kommissionen (14.08. bis 15.09.2004) 23 Entscheidungen des Bundesrates (14.08. bis 15.09.2004) Änderungen in der Agenda auf einen Blick • KVG-Revision: Botschaften 2A und 2B vom Bundesrat verabschiedet Vollständige Titel der Dossiers 1 Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA) 2 Gesetzesentwurf über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit 3 Entwurf einer Neuen Finanzordnung (NFO) 4 Entwurf für eine Teilrevision des Fernmeldegesetzes (FMG) 5 Änderung des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt (BGBM) 6 Krankenversicherung. Erstes Revisionspaket 7 Krankenversicherung. Zweites Revisionspaket 8 Krankenversicherung. Drittes Revisionspaket (Neuordnung der Pflegeversicherung) 9 Neues Bundesgesetz über die Regionalpolitik (NRPG) 10 Zusatzprotokoll zum Personenfreizügigkeitsabkommen (PFA) mit der EU. Ausdehnung auf die neuen EU-Mitgliedstaaten. 11 Flankierende Massnahmen zur Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Mitgliedstaaten. 02.09. Binnenmarktgesetz: Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 25.08. vom Ergebnis der Vernehmlassung zum Bundesgesetz über den Binnenmarkt (BGBM) Kenntnis genommen. Gleichzeitig hat er das EVD beauftragt, bis Ende dieses Jahres eine Botschaft vorzulegen. Aufgrund der überwiegend positiven Aufnahme des Revisionsentwurfs wird dieser bei der Ausarbeitung der Botschaft weitgehend unverändert übernommen. Vereinzelt Kritik geäussert wurde am Beschwerderecht der Weko und an der Amtshilfe. 15.09. KVG-Revision; 2. Paket: Der Bundesrat hat bei der KVG-Revision die Botschaften zum zweiten Paket verabschiedet. Bei der Spitalfinanzierung (Botschaft 2A) hält er am Wechsel von der Objekt- zur Leistungsfinanzierung fest. Ebenfalls sollen die Kosten der Spitalleistungen je hälftig von Krankenversicherern und Kantonen (dual fixe Finanzierung) getragen werden. Integrierte Versorgungsnetze sollen ferner als zusätzliche Versicherungsform im Gesetz verankert und damit Managed Care (Botschaft 2B) gefördert werden. Die Vorschläge zur Spitalfinanzierung und zum Thema Managed Care waren anlässlich der 2. KVG-Revision mehrheitlich bereits im Parlament beraten worden und werden nun zum Teil durch neue Elemente ergänzt. Sie sollen auf den 1.1.2006 in Kraft treten. 24.08. KVG-Revision; 1. Paket: Die SGK-S hat an ihrer Sitzung die KVG-Revision behandelt und folgende Beschlüsse gefasst: Die Kommission will den Bundesrat ermächtigen, den im Juli 2005 auslaufenden Ärzte-Zulassungsstopp um weitere drei Jahre zu verlängern. Mit diesem Entscheid zieht die Kommission die Konsequenzen aus einem früheren Entscheid, der Botschaft 1B (Vertragsfreiheit) die Dringlichkeit abzusprechen und sie erst später zu behandeln. Bei der Prämienverbilligung (Botschaft 1C) wird der vehementen Kritik der Kantone an das gesamtschweizerische Sozialziel des Bundesrates Rechnung getragen. Der finanzielle Aufwand für die Prämienverbilligung soll gemäss SGK-S gleich hoch sein wie beim bundesrätlichen Vorschlag (ab 2005: 1,2 Mrd. Franken). Einverstanden ist hingegen die SGK-S mit dem bundesrätlichen Vorschlag zur Kostenbeteiligung (Botschaft 1 D), den über die Franchise hinausgehenden Selbstbehalt der erwachsenen Patienten von 10 auf 20 Prozent zu erhöhen. Zusätzlich will die SGK-S die heutige Obergrenze des Selbstbehalts von 700 Franken pro Jahr im Gesetz festschreiben. Von der SGK-S unterstützt wird die Einführung einer Versichertenkarte. Im Einverständnis mit dem Versicherten sollen in diese Karte auch Angaben für Notfälle oder zur Organspende aufgenommen werden können. Unbestritten blieb die Verlängerung des Risikoausgleichs unter den Kassen um fünf Jahre. Die Teilvorlagen 1A, 1C und 1D des 1. Massnahmenpakets sollen im dringlichen Verfahren in der Herbstsession 2004 von den Räten verabschiedet werden. Ab 2006 soll die Pflegefinanzierung (Botschaft 3) neu geregelt werden. Im Einklang mit dem Bundesrat schlägt die SGK-S vor, bis dahin die heutigen Tarife für Spitex und Heime grundsätzlich weiterzuführen. Um das Inkrafttreten auf Anfang 2005 sicherzustellen, plädiert sie aber für ein dringliches Bundesgesetz anstelle von Übergangsbestimmungen 13.09. KVG-Revision; 1. Paket: Die SGK-N hat die KVG-Revision beraten und Eintreten auf die Botschaft 1A beschlossen. Das von der SGK-S vorgeschlagene Konzept für eine Versichertenkarte wurde von der SGK-N noch erweitert. Beim Risikoausgleich unterstützte die Kommission eine Verlängerung der rechtlichen Grundlage, machte aber gleichzeitig die Auflage, dass der Bundesrat bis Ende 2006 einen Vorschlag für einen wirkungsvolleren Risikoausgleich vorlegen muss. Die von der SGKS in die Vorlage eingefügte Verlängerung des so genannten Ärztestopps wird mit 15 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung unterstützt. Mit 12 zu 11 Stimmen obsiegte zudem ein Antrag, der diese Massnahme bis zur Einführung der Vertragsfreiheit (Botschaft 1B) verlängern will. Bei der Pflegefinanzierung (Botschaft 3) folgte die Kommission der SGK-S. Die SGK-N unterstützte ebenfalls die Fortführung des befristeten Bundesgesetzes zur Spitalfinanzierung (Botschaft 1A). Mit 12 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen hat sie dagegen einen Antrag abgelehnt, neben den öffentlichen und öffentlich subventionierten Spitälern auch die Privatspitäler ins Gesetz aufzunehmen. Neue Lösungen müssten im Rahmen der neuen Vorlage zur Spitalfinanzierung (Botschaft 2A) gesucht werden. Bei der Prämienverbilligung (Botschaft 1C) beschränkte sich die Kommission im Wesentlichen auf die Anhörung von SR Urs Schwaller (FR) und RR Markus Dürr (LU), welche Auskunft über die neusten in die Diskussion gebrachten Prämienverbilligungsmodelle gaben. SR Schwaller möchte zusätzlich zur heutigen Regelung der Prämienverbilligung eine einkommensabhängige Prämienbefreiung für Kinder und Jugendliche in Ausbildung. RR Dürr vertrat als Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) deren Vorschlag, ebenfalls zusätzlich zur geltenden Regelung alle Kinder von der Prämienzahlungspflicht zu befreien und diese über die Erwachsenenprämien zu finanzieren. Der Nationalrat wird die Teilvorlagen 1A und 1C des 1. Massnahmenpakets im dringlichen Verfahren in der Herbstsession 2004 verabschieden. Diverse Abkürzungen BR: DV: NR: SGK: SR: KVF: WAK: WBK: Bundesrat Die Volkswirtschaft Nationalrat, N: Nationalrat Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit Ständerat, S: Ständerat Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen Kommission für Wirtschaft und Abgaben Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur 41 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 42 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Interessant ist auch ein Vergleich über die Grenze. Es besteht ein genereller Trend zur Reduktion der Steuersätze und ein spezifischer Trend zur reduzierten Besteuerung von Kapitalerträgen inkl. Dividenden. Deutschland und Österreich haben bereits ein so genanntes Halbeinkünfteverfahren implementiert: Dividenden werden also bloss zu 50% besteuert. In Österreich kann der Steuerpflichtige zusätzlich wählen, ob er nicht pauschal 25% Steuern auf seine Vermögenserträge entrichten will. Demnach ist es an der Zeit, dass auch in der Schweiz die übermässige wirtschaftliche Doppelbelastung beseitigt wird, indem Dividenden in Zukunft bloss noch zu 50% besteuert werden. Das Modell 3 will einzig die Dividendenbesteuerung reduzieren, ohne gleichzeitig eine neue Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen. Damit erfüllt dieses Modell die notwendigen Anforderungen an ein Steuersystem am besten. Ausserdem würde es auch die grössten Wachstumsimpulse erzeugen. Bild: Keystone KMU und Familiengesellschaften zwar Dividenden steuergünstiger ausschütten könnten, Kapitalgewinne im Verkaufsfall aber massiv stärker besteuert würden als bisher. Das Volk hat eine Kapitalgewinnsteuer kürzlich an der Urne deutlich verworfen, weshalb eine teilweise Beteiligungsgewinnsteuer auch nicht in Frage kommen kann. Das Modell 2 mit dem beschränkten Teilbesteuerungsverfahren enthält zwar einige interessante Überlegungen,hat bisher aber nicht viele Anhänger gefunden. Das Modell 3 will einzig die Dividendenbesteuerung reduzieren, ohne gleichzeitig eine neue Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen. Damit erfüllt dieses Modell die oben genannten Anforderungen an ein Steuersystem am besten. Dies würde insbesondere Familienunternehmen erlauben, eine vernünftige Dividendenpolitik zu betreiben und nicht primär Gewinne zu thesaurieren. Nachfolgeplanungen würden damit deutlich vereinfacht und Kapital könnte dort reinvestiert werden, wo es betriebswirtschaftlich am effizientesten ist. Es ist überdies wissenschaftlich nachgewiesen, dass dieses Modell auch die grössten Wachstumsimpulse bewirken würde, weil eben Risikokapital vermehrt nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und nicht primär nach steuerrechtlichen Überlegungen investiert würde. Dass grösseres Wachstum auch wieder mehr Steuersubstrat generieren wird, ergibt sich von selbst, womit sich eine derart konzipierte Steuersenkung letztlich selbst finanziert und im Total zu mehr Steuererträgen für den Staat führt. Diese Botschaft haben verschiedene Kantone bereits verstanden und entsprechende Steuerkonzepte implementiert. Es ist entscheidend, dass man diesen Kantonen ihre Systeme belässt und sie nicht mittels Bundesgesetzgebung zwingt, ihre fortschrittlichen Systeme wieder abschaffen zu müssen. 37 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Agio-Besteuerung und «Ärgernisse» eliminieren Im Weiteren ist die unhaltbare Agio-Besteuerung abzuschaffen, und zwar unabhängig vom Modellentscheid und möglichst rasch. Vom Aktionär einbezahltes Kapital – ob als nominelles Aktienkapital oder als Reserven/ Agio eingebracht – muss steuerfrei wieder rückzahlbar sein. Die Agiobesteuerung stellt auch aus steuer-/standortpolitischer Sicht ein massives Hindernis dar. Ein solches System besteht nirgends im Ausland und wird von niemandem im Ausland verstanden. Es hält deshalb zuzugswillige vermögende Ausländer von der Schweiz ab. Zudem beeinträchtigt es ausländische Investitionen in Schweizer Beteiligungsgesellschaften. Letztlich sollte auch endlich der Mut aufgebracht werden, die angesprochenen «Ärgernisse» der direkten und indirekten Teilliquidation, der Transponierung, der Erbenholdings und des gewerbsmässigen Wertpapierhandels zu eliminieren oder auf ein vernünftiges Mass zu reduzieren. Die heutige Situation ist in hohem Ausmass standortschädlich und verhindert vernünftige und international absolut übliche Vorgehensweisen etwa beim Kauf und Verkauf einer Unternehmung. Die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen eine Kehrtwende zu – wenn man will. Allenfalls kann man diesen Willen mit einer Gesetzesänderung noch verstärken. Auch hier gilt, dass dies unabhängig vom Modellentscheid erfolgen sollte. Schweizer Volkswirtschaft Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz Die Arbeitslosenquote von Jugendlichen reagiert besonders stark auf konjunkturelle Schwankungen und liegt in der Regel deutlich über derjenigen der erwachsenen Bevölkerung. Wie sind diese Phänomene zu erklären und wie ist die aktuelle Situation in der Schweiz zu beurteilen? Diese Fragen sind zentral, wenn es darum geht, effektive Massnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu treffen. Je nach Statistik grosse Unterschiede Im zweiten Quartal 2003 waren gemäss Schweizerischer Arbeitskräfteerhebung (Sake) des Bundesamtes für Statistik (BFS) und nach internationalen Normen 1 51 000 Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren erwerbslos. Die Jugenderwerbslosenquote lag damit bei 8,6% und war mehr als doppelt so hoch wie die entsprechende Gesamterwerbslosenquote von 4,1%. Auch die Anzahl der bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) registrierten arbeitslosen Jugendlichen ist im zurückliegenden konjunkturellen Abschwung wieder deutlich stärker als die Gesamtarbeitslosigkeit angestiegen. Ende August 2004 waren gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) 29 286 Jugendliche von 15 bis 24 Jahren als arbeitslos gemeldet. Saisonbereinigt lag die Jugendarbeitslosenquote mit 5,2% um 1,3 Prozentpunkte bzw. um rund einen Drittel über der Gesamtarbeitslosenquote von 3,9%. Geringe Meldeneigung bei Jugendlichen Bernhard Weber Ressort Arbeitsmarktanalyse und Sozialpolitik, Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), Bern Zunächst fällt auf, dass die Jugenderwerbslosenquote gemäss BFS, die nach internationalen Standards geführt wird, beinahe doppelt so hoch ausfällt wie die Jugendarbeitslosenquote des seco. Der Hauptgrund für diesen Unterschied ist, dass die BFS-Statistik auch erwerbslose Personen erfasst, die nicht bei einem RAV eingeschrieben sind. Im Jahr 2003 waren 64% der jugendlichen Erwerbslosen nicht bei einem RAV registriert. Bei den Erwachsenen betrug dieser Prozentsatz lediglich 35%. Die geringere Meldeneigung von Jugendlichen ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen.Wie eine spezielle Auswertung zeigt, befanden sich zum Befragungszeitpunkt rund 14 500 der erwerbslosen Jugendlichen noch in Ausbildung. Sie waren vermutlich auf der Suche nach einer Nebenerwerbstätigkeit und daher grossmehrheitlich nicht bei einem RAV gemeldet. Von den übrigen Jugendlichen, die vor Beginn der Arbeitssuche eine Ausbildung abgeschlossen hatten oder nicht erwerbstätig waren, meldete sich lediglich ein Drittel bei einem RAV. Möglicherweise sind die RAV und ihre Dienstleistungen nicht bekannt, oder die Jugend- 43 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 lichen erhoffen sich keine Hilfe bei der Stellensuche. Denkbar ist auch, dass die Jugendlichen keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben oder dass sie sich den Bedingungen der Arbeitslosenversicherung (ALV) – etwa was die Annahme einer zumutbaren Arbeit angeht – nicht unterziehen möchten. Anders sieht es bei den jugendlichen Erwerbslosen aus, die vor der Stellensuche berufstätig waren. Gut 60% von ihnen sind bei einem RAV gemeldet, womit die Meldeneigung derjenigen der erwachsenen Erwerbslosen nahe kommt. Unterschiedliche Aussagen von BFS-Statistik und seco-Zahlen Insgesamt lässt sich aus dieser kurzen Analyse folgern, dass die Statistik des BFS ein umfassenderes Bild der Jugenderwerbslosigkeit gibt. Gleichzeitig ist das Bild komplexer, was eine Differenzierung der Analyse erfordert. Dieser Differenzierung sind jedoch insofern Grenzen gesetzt, als die Statistik der jugendlichen Erwerbslosen im Jahr 2003 auf einer Hochrechnung von lediglich 410 Beobachtungen aus der Sake beruht. Die Zahlen des seco repräsentieren im Vergleich zur BFS-Statistik so etwas wie den «harten Kern» der Jugenderwerbslosigkeit. Detaillierte Analysen – z.B. nach Regionen und/oder noch kleineren Altersklassen – sind zudem problemlos möglich. Eine Schwäche dieser Zahlen liegt darin, dass sie durch institutionelle Veränderungen in der Arbeitslosenversicherung beeinflusst werden können. Für konjunkturelle Analysen sind die Zahlen des seco jedoch die einzige Option, da nur sie in unterjähriger Frequenz und genügend aktuell zur Verfügung stehen. Jugendarbeitslosigkeit im Konjunkturverlauf Wie die Zahlen des seco zeigen, entwickelte sich die Jugendarbeitslosigkeit wie auch die Gesamtarbeitslosigkeit mit dem Konjunkturzyklus. Die Konjunktur ist demnach auch der 1 Nach internationalen Standards gelten Personen als erwerbslos, wenn sie in der Woche vor dem Stichtag nicht erwerbstätig waren, sofort zum Antritt einer neuen Stelle bereit sind und konkrete Anstrengungen unternommen haben, eine Stelle zu finden. Schweizer Volkswirtschaft Grafik 1 Arbeitslosenquote nach Altersklasse, Januar 1990–Juli 2004, saisonbereinigt 15–24 Jahre 25–49 Jahre 50–64 Jahre in % 7 6 5 4 der Zahlen zu berücksichtigen ist ferner, dass der Anspruch von jugendlichen Bildungsabgängern auf Arbeitslosenentschädigung 1996 und 1997 gekürzt wurde, was sich negativ auf deren Meldeneigung ausgewirkt haben dürfte. In diese Richtung weist auch die Entwicklung der Jugenderwerbslosenquote des BFS. Hier hat in den letzten Jahren das Verhältnis der Jugend- zur Gesamterwerbslosenquote insbesondere aufgrund einer Zunahme von nicht registrierten erwerbslosen Jugendlichen zugenommen. Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit 3 2 1 0 Jan. 90 Jan. 91 Jan. 92 Jan. 93 Jan. 94 Jan. 95 Jan. 96 Jan. 97 Jan. 98 Jan. 99 Jan. 00 Jan. 01 Jan. 02 Jan. 03 Jan. 04 Quelle: seco, BFS, Weber / Die Volkswirtschaft wichtigste Einflussfaktor der Jugendarbeitslosigkeit. Eine Besonderheit der Jugendarbeitslosigkeit ist jedoch,dass sie sowohl im Auf- wie auch im Abschwung systematisch stärker auf die konjunkturelle Entwicklung reagiert (siehe Grafik 1). Ausgehend von einem ähnlichen Niveau Anfang der Neunzigerjahre stieg die Jugendarbeitslosenquote Ende 1993 auf über 6% an, um sich im Aufschwung von 1997 rasch wieder auf das Niveau der 25- bis 49-Jährigen zurückzubilden. Mitte 2002 war wieder ein überproportionaler Anstieg der Jugendarbeitslosenquote zu verzeichnen, der um die Jahreswende 2003/2004 in einer Jugendarbeitslosenquote von 5% gipfelte; das entspricht einem Prozentpunkt oder 25% mehr als die Quote der 25- bis 49-Jährigen. Für die gesamte Periode seit Anfang der Neunzigerjahre gilt, dass eine Veränderung der Gesamtarbeitslosigkeit um 10% im Durchschnitt jeweils zu einer Veränderung der Jugendarbeitslosenquote von 12,4% geführt hat. Beurteilung der aktuellen Situation Wie in den Neunzigerjahren ist auch jüngst die Jugendarbeitslosenquote wieder überproportional angestiegen. Obwohl diese Entwicklung zu erwarten war, ist die Jugend- im Verhältnis zur Gesamtarbeitslosenquote heute als relativ hoch einzustufen: In den letzten Monaten überstieg die Jugendarbeitslosenquote jene der 25- bis 49-Jährigen noch um bis zu 25%. Dies war zuletzt in den Jahren 1993/94 zu beobachten, als die Arbeitslosenquote der 25- bis 49-Jährigen um rund einen Viertel über dem heutigen Wert lag. Bei der Interpretation 44 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Die Hauptursache für das strukturell höhere Niveau der Jugendarbeitslosigkeit liegt darin, dass die meisten Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren mindestens einen Übergang vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt vollziehen. In der Schweiz erfolgt der erste Übergang wegen des dualen Bildungssystems für die meisten Jugendlichen bereits nach der obligatorischen Schule, d.h. mit rund 16 Jahren. Diese Übergänge sind naturgemäss mit einem erhöhten Arbeitslosenrisiko verbunden, da Schülerinnen und Schüler im Ausgangszustand keine Stelle besitzen und damit potenziell arbeitslos sind. Auch nach Abschluss einer Ausbildung auf der Sekundarstufe II sind Übergänge zwischen Bildungssystem und Arbeitsmarkt für Jugendliche in der Schweiz nicht unüblich; und nicht jeder Lehrabgänger findet anschliessend an seine Lehre automatisch eine reguläre Stelle. Tatsächlich sind Abgängerinnen und Abgänger des Bildungssystems auch statistisch gesehen für die erhöhte Erwerbslosen- bzw. Arbeitslosenquote von Jugendlichen «verantwortlich». Blendet man sie aus, liegt die Jugenderwerbslosenquote gemäss BFS nur geringfügig über derjenigen der 25bis 49-Jährigen, während die Jugendarbeitslosenquote gemäss seco sogar darunter zu liegen kommt (vgl. Grafiken 2 und 3). Instabilität der ersten Beschäftigungsverhältnisse Mit dem Antritt einer ersten Stelle ist der Transitionsprozess vom Bildungs- in das Erwerbssystem nicht vollständig abgeschlossen. Beschäftigungsverhältnisse von Jugendlichen weisen denn auch eine unterdurchschnittliche Stabilität auf. Für die daraus entstehende Arbeitslosigkeit gibt es zwei sehr unterschiedliche Interpretationen: Zum einen kann sie als Sucharbeitslosigkeit interpretiert werden, welche den «Job-Match» verbessert und damit die Effizienz des Systems erhöht. Zum anderen kann man die Jugendlichen als Opfer sehen, die noch nicht von den Vorteilen der besser integrierten Arbeitnehmenden Schweizer Volkswirtschaft profitieren können (vgl. Insider-OutsiderTheorie). Für die Schweiz lässt sich anhand der Sake-Daten zeigen, dass die relativ instabileren Beschäftigungsverhältnisse von Jugendlichen zu einer erhöhten Jugenderwerbslosenquote beitragen, wenn auch in relativ geringem Ausmass. Am stärksten fällt ins Gewicht, dass Jugendliche relativ häufig befristete Arbeitsverträge haben, die bei sinkendem Arbeitskräftebedarf nicht mehr verlängert werden. Berufswahl im dualen Bildungssystem In unserem dualen Bildungssystem bedeutet die erste Stellensuche für rund zwei Drittel der Jugendlichen zugleich die Wahl eines Berufsfeldes. Die Koppelung von Stellensuche und Berufswahl erschwert den Suchprozess und erfordert von den Jugendlichen – je nach Lehrstellensituation – eine hohe Flexibilität. Gleichzeitig verleiht sie der Jugendarbeitslosigkeit eine besondere Bedeutung, weil letztlich auch die Bildungsentscheide der Jugendlichen von der Arbeitsmarktsituation abhängig werden können. Grafik 2 Erwerbslosenquoten nach Altersklasse und Erwerbssituation vor der Erwerbslosigkeit, 2. Quartal 2003 Fachfunktion Hilfsfunktion Andere Lehrling Schüler/Student % der Erwerbsbevölkerung 5.0 4.5 4.0 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 15–24 Jahre 25–49 Jahre 50–64 Jahre Quelle: BFS (Sake) / Die Volkswirtschaft Grafik 3 Arbeitslosenquoten nach Altersklasse und Funktion vor der Arbeitslosigkeit, Januar– Juli 2004 Vorher erwerbstätig Vorher nicht erwerbstätig/andere Vorher in Ausbildung/Militärdienst Gegenwärtig in Ausbildung Der Übergang vom Bildungssystem in den Lehrstellen- bzw. Arbeitsmarkt erfordert nicht nur von den Jugendlichen, sondern auch von der Wirtschaft eine Anpassungsleistung. Eine demografiebedingte Zunahme der jugendlichen Bevölkerung kann auf dem Lehrstellenund Arbeitsmarkt zu einem Angebotsüberhang führen, der von der Wirtschaft unter Umständen nicht sofort aufgenommen wird. In den Achtzigerjahren war ein relativ starker Rückgang der 15- bis 19-jährigen Bevölkerung in der Grössenordnung von jährlich 2%–3% festzustellen. Mitte der Neunzigerjahre kehrte sich dieser Trend um, wobei seither ein Bevölkerungswachstum von jährlich rund 1% zu konstatieren ist. Gemäss dem Demografieszenario des BFS soll sich diese Zunahme bis ins Jahr 2007 fortsetzen, um danach wieder in einen Rückgang zu münden. Bezogen auf den Lehrstellenmarkt impliziert diese Entwicklung, dass die Lehrstellensituation in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren durch den Rückgang der jugendlichen Bevölkerung tendenziell entlastet wurde. Seit Mitte der Neunzigerjahre steigt dagegen der Lehrstellenbedarf, was zum relativen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in den letzten Jahren mit beigetragen haben könnte. Humankapital: Bildung und Berufserfahrung % der Erwerbspersonen 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 15–24 Jahre Demografische Entwicklung 25–49 Jahre 50–64 Jahre Quelle: seco, BFS, Weber / Die Volkswirtschaft 45 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Neben der grundsätzlichen Problematik der Transition vom Bildungs- ins Erwerbssystem können auch individuelle Risikofaktoren die Jugendarbeitslosigkeit beeinflussen. Ein solcher Faktor ist das Humankapital. In der Regel stellt man fest, dass Personen mit hohem Bildungsniveau und langjähriger Berufserfahrung ein geringeres Arbeitslosenrisiko aufweisen. Die geringe Berufserfahrung von Jugendlichen dürfte somit einen Risikofaktor darstellen. Weniger eindeutig ist der Effekt der Bildung. Zwar ist das Schulwissen der heutigen Jugendlichen aktuell und sie erreichen eher höhere formale Bildungsniveaus als frühere Generationen. Allerdings wird dieser Effekt in der Altersklasse der 15- bis 24-Jährigen in der Regel noch nicht sichtbar, da Personen mit Schweizer Volkswirtschaft tertiärer Ausbildung zumeist erst später auf den Arbeitsmarkt treten. Die jugendlichen Erwerbspersonen stellen damit eine «Auswahl» von Personen dar, welche das Schulsystem relativ frühzeitig verlassen haben, womit bei ihnen ein erhöhtes Arbeitslosenrisiko vermutet werden könnte. Allerdings ist hier anzufügen, dass der Zusammenhang zwischen Humankapital und Beschäftigungschancen durch eine hohe Flexibilität kompensiert werden kann. Ausländische Nationalität Eine ausländische Nationalität ist statistisch gesehen ein bekanntes Arbeitslosenrisiko.Zum grossen Teil steht es in einem Zusammenhang mit dem Risikofaktor Humankapital, da ausländische Jugendliche im Durchschnitt ein tieferes formales Bildungsniveau und eine geringere schulische Leistung aufweisen. Andererseits zeigen neuere Studien, dass ausländische Jugendliche bei der Stellensuche auch echter Diskriminierung ausgesetzt sind. standen dabei Massnahmen zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen durch sog. Lehrstellenförderer und die Unterstützung von Lehrstellenverbünden. Diese Massnahmen wurden 2004 noch intensiviert. Daneben wurden die Brückenangebote (10. Schuljahr, Vorlehren, Berufspraktika,Beschäftigungsprogramme wie das Motivationssemester des seco) für Schulabgängerinnen und -abgänger ohne Anschlusslösung ausgebaut. Der Fokus auf den Übergang von der obligatorischen Schule in eine Ausbildung auf Sekundarstufe II ist volkswirtschaftlich sinnvoll. Hier ist die Gefahr von negativen Langfristfolgen der Jugendarbeitslosigkeit am grössten. Auch der Versuch,ein antizyklisches Verhalten der Unternehmen bei der Schaffung von Lehrstellen zu fördern, ist zu begrüssen und dürfte gemäss den neuesten Ergebnissen des Lehrstellenbarometers nicht ohne Erfolg geblieben sein. Dennoch zeigt sich, dass auf Brückenangebote wohl auch in Zukunft nicht verzichtet werden kann. Insider-Outsider-Theorie Kasten 1 Determinanten und regionale Aspekte der Jugendarbeitslosigkeit Dieser Beitrag basiert auf einem Bericht, welcher im Rahmen eines Projektes der Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau und Zug (Amosa) entstanden ist. Der Bericht ist neben weiteren Projektbeiträgen zum Thema Jugendarbeitslosigkeit im Internet abrufbar unter: www.amosa.net. 2 Vgl. Weber, Markus: Motivationssemester – ein Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit, in: Die Volkswirtschaft 8-2003, S. 57–59. Einen interessanten Erklärungsansatz für das erhöhte Arbeitslosenrisiko von Jugendlichen liefert die Insider-Outsider-Theorie. Ihr Kern basiert auf der Feststellung, dass den Unternehmen bei der Einstellung und Entlassung von Arbeitskräften Kosten entstehen. Sind diese Kosten hinreichend hoch, können sich Arbeitsmärkte in Insider und Outsider aufspalten. Insider sind dabei die etablierten Erwerbstätigen, deren Beschäftigung durch die Kosten der Entlassung geschützt ist. Typische Outsider sind demgegenüber Arbeitslose oder Abgängerinnen und Abgänger des Bildungssystems. Besonders augenfällig wird die Bedeutung der Insider-Outsider-Theorie für die Jugendarbeitslosigkeit bei schlechtem Konjunkturverlauf. Das Modell impliziert nämlich, dass die Unternehmen ihre Personalbestände bei Bedarf in erster Linie abbauen, indem sie «natürliche» Abgänge nicht mehr ersetzen. Leidtragende dieser Politik sind die Outsider, welche vergeblich auf einen Einstieg ins Erwerbsleben hoffen. Dass dieses Modell gesellschaftlich eine gewisse Akzeptanz erfährt, lässt sich daraus ersehen, dass derartige Stellenabbaumassnahmen oft als «sozialverträglich» bezeichnet werden – ein Begriff, der sich durch die Brille der Insider-Outsider-Theorie durchaus etwas relativiert. Massnahmen zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit Der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit und eine drohende Lehrstellenknappheit haben Bund und Kantone bereits 2003 bewogen, Gegenmassnahmen einzuleiten. Im Vordergrund 46 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Wirksamkeit der Brückenangebote überprüfen Wünschbar wäre, dass die Wirksamkeit solcher Angebote noch besser überprüft würde, wie dies für die Motivationssemester des seco geschehen ist.2 Eine der zu beantwortenden Fragen wäre etwa, welchen Einfluss die Orientierung eines Programms am Lehrstellen- und Arbeitsmarkt auf dessen Wirksamkeit hat. Makroökonomisch ist zudem von Interesse, inwieweit die Massnahmen konjunkturell bzw. strukturell wirken. Von einer konjunkturellen Wirkung darf man ausgehen, wenn die Programme in Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit kurzfristig und nur vorübergehend ausgebaut werden. Eine strukturelle Funktion nehmen die Programme demgegenüber wahr, wenn sie strukturelle Qualifikationsdefizite der Schulabgängerinnen und -abgänger zu kompensieren versuchen. Ob ein Programm strukturell oder konjunkturell wirkt, ist a priori nicht auszumachen. Allerdings besteht die Tendenz, wonach sich konjunkturell angelegte Programme verstetigen und damit vor allem noch strukturell wirken. Dass nach wie vor ein Bedarf für konjunkturelle Programme vorhanden ist, hat diese Analyse gezeigt. Gleichzeitig ist die Hoffnung durchaus berechtigt, dass sich die Jugendarbeitslosigkeit im nächsten Konjunkturaufschwung wieder deutlich zurückbilden wird. Schweizer Volkswirtschaft Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge Stand 1. Juli 2004 Verena Conti Ressort Arbeitsbeziehungen, Leistungsbereich Arbeitsbedingungen, Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), Bern Der Bundesrat hat zwischen dem 1.Juli 2003 und dem 1. Juli 2004 auf Antrag der vertragschliessenden Parteien hin 20 Gesamtarbeitsverträge (GAV) auf Bundesebene allgemeinverbindlich erklärt. In derselben Zeitspanne hat das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD) 17 kantonale Allgemeinverbindlicherklärungen genehmigt.Bei 12 Verfahren (5 Bund, 7 Kanton) wurden neu ausgehandelte Gesamtarbeitsverträge allgemeinverbindlich erklärt. Bei 25 Verfahren (15 Bund, 10 Kanton) handelte es sich um Verlängerungs-, Wiederinkraftsetzungs- und Änderungsbeschlüsse. Am Stichtag waren auf Bundesebene 22 und auf kantonaler Ebene 19 allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge in Kraft. Diesen Gesamtarbeitsverträgen sind insgesamt 56 017 Arbeitgeber und 444 606 Arbeitnehmer/innen (Bund) bzw. 4959 Arbeitgeber und 45 192 Arbeitnehmer/innen (Kanton) unterstellt. Die bedeutendsten allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge sind der Landes-Gesamtarbeitsvertrag (L-GAV) für das Gastgewerbe sowie der Landesmantelvertrag (LMV) und der Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt (GAV FAR) im Bauhauptgewerbe. Sie allein betreffen 33 320 Arbeitgeber und 290 570 Arbeitnehmer/innen. In der Beobachtungsperiode hat der Bundesrat eine Allgemeinverbindlicherklärung aufgehoben, da ein vertragsloser Zustand eingetreten war (GAV für das Maler- und Gipsergewerbe). Bundesratsbeschlüsse Gegenstand des Beschlusses Territorialer Geltungsbereich Grundbeschluss GAV des Ausbaugewerbes der Westschweiz (Schreinerei, Gipserei und Malerei) FR, JU, Berner Jura, NE, VD, VS (Für die deutschsprachigen Regionen der Kantone Freiburg [Sense und See] und Wallis [Oberwallis] gilt dieser Beschluss bis zum 31.12.2004.) 12.11.2002 Änderungen In-Kraft-Treten Gültig bis 31.12.2005 20.11.2003 B 01.12.2002 01.01.2004 GAV für die vorzeitige Pensionierung im westschweizerischen Ausbaugewerbe (KVP) FR, JU, Berner Jura, NE, VS, VD, GE 09.06.2004 01.07.2004 30.06.2013 LMV für das Bauhauptgewerbe Ganze Schweiz (mit Ausnahme gewisser Bereiche in den Kantonen GE, VD, ZH, AG) 10.11.1998 01.01.1999 01.06.1999 01.07.2000 01.12.2000 01.03.2001 01.06.2001 01.07.2001 01.12.2002 01.02.2003 01.10.2003 01.02.2004 01.06.2004 30.09.2005 GAV für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR) Ganze Schweiz Ausnahme: VS 05.06.2003 01.07.2003 30.06.2008 GAV für die schweizerische Betonwaren-Industrie Ganze Schweiz 10.07.2003 01.08.2003 31.12.2005 GAV für das schweizerische Carrosseriegewerbe Ganze Schweiz Ausnahme: GE, VD, VS, NE , JU und FR 21.01.2003 01.02.2003 01.02.2004 30.06.2006 16.01.2004 GAV für das schweizerische Coiffeurgewerbe Ganze Schweiz 11.12.1996 01.01.1997 01.01.2000 01.01.2001 01.01.2002 01.01.2004 31.12.2005 09.11.1999 29.08.2000 B 27.08.2001 25.09.2003 B GAV des schweizerischen Elektro-Installationsgewerbes Ganze Schweiz Ausnahme: VS, GE 16.08.2000 01.01.2001 01.02.2002 01.03.2003 30.06.2005 11.01.2002 04.02.2003 GAV für das Gastgewerbe Ganze Schweiz 19.11.1998 01.01.1999 01.01.2000 01.01.2001 01.01.2002 01.01.2003 01.03.2003 01.01.2004 31.12.2007 09.12.1999 06.10.2000 17.12.2001 12.12.2002 B 30.01.2003 08.12.2003 B 04.05.1999 06.06.2000 B 13.11.2000 23.01.2001 04.05.2001 08.06.2001 08.11.2002 A 21.01.2003 22.08.2003 A 13.01.2004 04.05.2004 47 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Schweizer Volkswirtschaft GAV für das Gewerbe der Industrie- und Unterlagsböden für den Kanton Zürich Gebiete des Kantons Zürich und des Bezirks Baden (Kt. Aargau) und den Bezirk Baden 24.09.1996 GAV für das schweizerische Isoliergewerbe Ganze Schweiz Ausnahme: GE, VD, VS 24.10.2002 Berufliche Weiterbildung im Maler- und Gipsergewerbe ZH (ausgen. Gipser Stadt Zürich), BE, LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, SH, SO, AR, AI, SG, GR, AG, TG, JU 23.10.2001 GAV für das Marmorund Granitgewerbe ZH, BE (ausgen. Amtsbezirke Courtelary, Moutier, La Neuveville), LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, SO, BL, SH, AR, AI, SG, GR (ohne die italienischsprachigen Gebiete), AG, TG und die Bezirke Goms, Visp, Brig, Raron und Leuk des Kantons Wallis sowie die Bezirke Sense und See des Kantons Freiburg 07.08.2002 L-GAV für das Metallgewerbe Ganze Schweiz Mit Ausnahme des Kantons Basel-Landschaft und der Branchenbereiche der Schlosser und Metallbauer in den Kantonen Wallis, Waadt und Genf 28.12.2000 GAV für das schweizerische Metzgereigewerbe Ganze Schweiz Ausnahme: Verkaufspersonal GE 18.02.2002 GAV für die schweizerische Möbelindustrie Ganze Schweiz Ausnahme: FR 12.03.1999 GAV für die private Sicherheitsdienstleistungsbranche Ganze Schweiz GAV für die Reinigungsbranche in der Deutschschweiz GAV für das Schreinergewerbe 31.12.2004 24.02.1997 14.04.2000 A 07.03.2002 A 22.08.2002 25.09.2003 B 17.03.1997 01.05.2000 01.04.2002 01.10.2002 01.10.2003 01.01.2003 01.03.2003 01.03.2004 30.06.2008 14.02.2003 12.02.2004 01.01.2002 31.12.2004 01.09.2002 01.07.2003 01.04.2004 30.06.2005 23.05.2003 02.03.2004 B 01.02.2001 01.03.2002 01.04.2003 01.04.2004 31.12.2005 18.02.2002 05.03.2003 16.02.2004 01.03.2002 01.04.2004 31.12.2004 19.02.2004 01.04.1999 01.02.2000 01.02.2001 01.03.2002 01.03.2003 01.04.2004 31.12.2005 18.01.2000 18.01.2001 18.02.2002 B 28.01.2003 B 24.02.2004 B 19.01.2004 01.03.2004 31.12.2008 ZH, BE (ausgen. die Bezirke Courtelary, Moutier, La Neuveville), LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI, SG, GR (ohne die italienischsprachigen Gebiete), AG, TG 18.06.2004 01.07.2004 31.12.2006 ZH, BE (ausgen. die Bezirke Courtelary, Moutier, La Neuveville), LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, TG, TI 26.03.2001 01.05.2001 01.06.2002 01.01.2003 01.04.2004 31.12.2005 07.05.2002 05.12.2002 B 23.03.2004 GAV für das Schreinergewerbe (Weiterbildung und Gesundheitsschutz) ZH, BE (ausgen. die Bezirke Courtelary, Moutier, La Neuveville), LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, TG, TI 09.12.1999 01.01.2000 01.12.2002 31.12.2010 08.11.2002 B GAV für die zahntechnischen Laboratorien der Schweiz Ganze Schweiz 27.04.2004 01.06.2004 31.12.2006 GAV für die schweizerische Ziegelindustrie Ganze Schweiz mit Ausnahme des Kantons Tessin und der italienischsprachigen Gebiete des Kantons Graubünden 02.05.2002 01.06.2002 01.05.2003 01.07.2004 31.12.2005 In-Kraft-Treten Gültig bis 01.04.2004 31.12.2008 11.04.2003 18.06.2004 Kantonale Beschlüsse, vom EVD genehmigt Gegenstand des Beschlusses Grundbeschluss Kant. Amtsblatt Baselland GAV für das Gipsergewerbe Baselland 03.02.2004 04.03.2004 Genf CCT dans le commerce de détail 23.10.2002 20.11.2002 CCT du second œuvre CCT de la métallurgie du bâtiment installations électriques, chauffage et ventilation, ferblanterie et installations sanitaires, serrurerie, constructions métalliques 03.12.2003 10.03.1999 Änderungen Kant. Amtsblatt 30.05.2003 30.04.2004 01.12.2002 01.06.2003 01.05.2004 31.12.2004 30.04.2003 24.03.2004 31.03.2004 01.02.2004 01.04.2004 31.12.2006 08.03.2004 15.09.1999 07.04.2000 04.05.2001 09.07.2001 27.03.2002 30.08.2002 30.05.2003 01.05.1999 16.09.1999 08.04.2000 05.05.2001 10.07.2001 01.04.2002 01.09.2002 01.06.2003 30.12.2004 28.07.1999 A 01.03.2000 28.03.2001 13.06.2001 20.02.2002 A 24.07.2002 30.04.2003 26.01.2004 30.04.1999 48 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Schweizer Volkswirtschaft Neuenburg CC pour la construction d’un fonds de secours hivernal des métiers de la construction et du bâtiment Waadt CCT chauffage, climatisation, ventilation 10.12.2003 23.01.2004 02.07.2001 21.08.2001 CCT de la ferblanterie, de la couverture et de l’installation sanitaire 02.07.2001 CCT des garages de distributions de postes et de distribution de carburants 30.10.2000 CCT des bureaux d’ingénieurs géomètres 10.07.2000 22.08.2001 01.10.2002 01.07.2003 01.07.2004 31.12.2005 27.09.2002 20.06.2003 15.06.2004 27.09.2002 20.06.2003 15.06.2004 22.08.2001 01.10.2002 01.07.2003 01.07.2004 31.12.2005 02.09.2002 16.04.2003 21.04.2004 28.06.2002 16.03.2004 23.12.2000 01.07.2002 01.04.2004 31.12.2005 27.05.2002 28.01.2004 A 30.09.2003 20.09.2000 01.10.2003 31.12.2004 13.08.2003 A 07.07.2001 31.12.2004 01.12.2002 01.10.2003 30.06.2005 01.03.2004 30.06.2007 22.12.2000 19.09.2000 21.05.2001 06.07.2001 CCT pour le secteur du nettoyage 21.10.2002 29.11.2002 03.09.2003 CCT des paysagistes et entrepreneurs de jardins Tessin CCL delle autorimesse CCLD per i disegnatori Wallis GAV für das Automobilgewerbe 18.12.2003 20.02.2004 26.02.1997 29.04.1997 01.07.1998 06.06.2001 31.03.2005 02.09.2002 16.04.2003 21.04.2004 21.08.2001 CCT dans les entreprises des métiers de la pierre du canton de Vaud 01.02.2004 30.09.2003 02.01.1998 11.05.1999 21.12.1999 31.03.2000 29.12.2000 20.04.2001 19.04.2002 31.01.2003 30.04.1997 01.01.1998 12.05.1999 01.01.2000 01.04.2000 30.12.2000 21.04.2001 20.04.2002 01.02.2003 31.12.2004 12.11.1997 B 31.03.1999 27.10.1999 B 06.03.2000 07.11.2000 B 06.03.2001 12.03.2002 10.12.2002 A 29.12.1998 28.12.1999 31.03.2000 22.12.2000 20.04.2001 21.12.2001 19.04.2002 18.03.2003 27.01.2004 05.09.1998 30.12.1998 29.12.1999 01.04.2000 23.12.2000 21.04.2001 22.12.2001 20.04.2002 19.03.2003 28.01.2004 31.12.2004 01.12.1998 B 27.10.1999 B 06.03.2000 07.11.2000 B 06.03.2001 20.11.2001 B 12.03.2002 04.02.2003 A 16.12.2003 A 24.05.2002 04.07.2003 28.07.2001 25.05.2002 05.07.2003 30.04.2005 10.04.2002 07.05.2003 04.09.1998 27.07.2001 GAV des Bauhauptgewerbes im Bereich der beruflichen Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge 02.07.2003 05.09.2003 01.10.2003 31.12.2010 GAV für die Holz-, Gipser-, Maler- und Metallberufe bezüglich Berufsvorsorge 16.05.2001 27.07.2001 28.07.2001 31.12.2005 GAV der Plattenleger 29.10.2003 05.12.2003 01.01.2004 30.06.2005 Zürich GAV für das Gipsergewerbe 25.10.2000 22.12.2000 01.01.2001 01.11.2001 01.12.2002 01.04.2004 31.03.2005 22.08.2001 11.09.2002 17.12.2003 A Wiederinkraftsetzung. B Verlängerung der Geltungsdauer. 49 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 19.10.2001 15.11.2002 19.03.2004 Quelle: seco / Die Volkswirtschaft Schweizer Volkswirtschaft Beschaffungsstatistik des Bundes 2003 Die Beschaffungsstatistik des Bundes gibt Auskunft über das Volumen der in einem Jahr im In- und Ausland getätigten Beschaffungen von beweglichen Gütern. 2003 betrugen diese inklusive SBB AG und Die Post 3,8 Mrd. Franken. Mehr als zwei Drittel davon wurden für Fahrzeuge, Elektronik und Elektrotechnik sowie für Maschinen und Apparate ausgegeben. Der Auslandanteil betrug 3,7% der gesamten Bundesbeschaffungen. Im Jahre 2003 erreichte das Beschaffungsvolumen – inklusive SBB AG und Die Post – 3,8 Mrd. Franken. Mehr als ein Bild: Keystone Viertel des gesamten Beschaffungsvolumens fiel auf die Wirtschaftsgruppen «Fahrzeuge» (27,5%). Die vorliegende Statistik enthält die Beschaffungsdaten der Bundesverwaltung, inklusive des ETH-Bereichs, der SBB AG und der Post. Reine Zahlungsstatistik Die Beschaffungsstatistik des Bundes ist eine reine Zahlungsstatistik. Sie erfasst die getätigten Zahlungsströme zwischen den Bundesstellen als Auftraggeber und den Anbietern. Sie informiert über: Elsbeth Etter Dienstchefin, Sektion Finanzausgleich und Statistik Eidg. Finanzverwaltung (EFV), Bern Tabelle 1 Beschaffungen des Bundes 2002/2003 (in Mio. Franken) 2002 2003 Bundesverwaltung (inkl. Rüstungsbereich, exkl. Schweiz. Rüstungsunternehmen – RUAG) 2134 2117 SBB AG 1115 1217 Die Post Total Bund 552 460 3839 3794 Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft 51 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 – den Gesamtwert aller Güterbeschaffungen des Bundes im In- und Ausland innerhalb eines Rechnungsjahres; – den wertmässigen Anteil der Güterbeschaffungen, gegliedert nach Wirtschaftsgruppen und Wirtschaftszweigen; – die Zahlungen gegliedert nach Kantonen bzw. Inland und Ausland. Was versteht man unter «Zahlungsort»? Unter «Zahlungsort» wird die vom Anbieter angegebene Adresse verstanden, an welche der Bund die Zahlung vergütet.Vielfach ist der Zahlungsort nicht identisch mit dem Ort, an welchem die Leistung des Anbieters tatsächlich erbracht wurde. Aus diesem Grund ist die in den einzelnen Kantonen effektiv für den Bund erbrachte Produktionsleistung aus dieser Statistik nicht absolut ableitbar. Man muss davon ausgehen, dass insbesondere Kantone mit vielen so genannten Zulieferstrukturen auf zu tiefe Werte in dieser Zahlungsstatistik kommen, wogegen für wirtschaftsstarke Kantone mit vielen Grossunternehmen zu hohe Anteile ausgewiesen werden. Beschaffungsvolumen 2003 Im Jahre 2003 erreichte das Beschaffungsvolumen – inklusive SBB AG und Die Post – 3,8 Mrd. Franken. Dies entspricht praktisch Schweizer Volkswirtschaft Tabelle 2 Beschaffungen des Bundes nach Wirtschaftsgruppen und Kantonen, 2003 (in 1000 Franken) Wirtschaftsgruppen ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS Nahrungsmittel 6 862 13 528 8 296 89 368 232 3 48 704 1 080 306 1 129 Textilien 3 552 2 074 512 290 65 2 117 14 20 103 179 68 Bekleidung 1 103 1 070 1 047 12 3 0 0 77 604 178 99 46 Papier/Kartonage Druck/Grafik Leder/Kautschuk 6860 8 153 81 0 9 0 107 23 533 281 1 015 50 39 119 53 319 3 718 28 449 306 180 80 904 1 187 3 183 3 888 2 544 1 870 178 0 41 1 0 23 0 945 417 49 Chemie 36 498 28 152 4 017 7 1 604 33 32 17 1 003 425 12 397 2 987 Metalle 16 440 19 811 1 626 230 565 769 96 50 1 008 1 151 2 979 608 Maschinen/Apparate 95 271 228 898 278 676 6 448 955 199 1 732 968 10 719 6 396 4 540 5 404 Fahrzeuge 598 392 88 577 6155 1 225 584 601 5 017 530 16 720 3 779 8 772 1 098 Elektr./Elektrotechnik 462 553 245 997 24 309 123 6 991 238 1 256 690 12 034 6 601 3 178 6 000 Sportgeräte 2 887 458 24 20 44 0 25 7 60 1 28 1 14 769 15 952 4 647 223 1 061 120 73 572 1 618 326 1 501 1 288 Bürobedarf 18 249 26 699 718 0 2 512 1 283 9 1 471 1 708 4 793 2 510 Brennstoffe 23 448 5 792 1 014 97 184 36 5 119 16 346 191 800 523 Steine/Erde 4 829 14 262 711 99 275 122 1 071 474 439 872 1 456 516 Software EDV 60 743 40 340 1 039 1 1 357 101 6 284 1 1 441 1 584 257 647 892 64 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 1 5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Verkehr 1 666 2 705 22 22 13 3 4 17 33 185 32 945 Entw.aufträge 2 294 1 183 5 0 0 2 0 0 94 6 1 96 899 1 233 932 6 27 7 0 8 75 508 1 964 171 Holz und Kork Miete Maschinen Wäscherei Land-/Forstwirtschaft Bergbau 211 55 1 0 0 0 3 0 0 12 54 0 Kantone 2 076 11 401 1 705 15 079 90 62 1 239 364 240 404 772 189 13 672 20 660 2 232 221 187 190 219 198 2 366 589 821 886 1 415 831 832 259 341 664 24 222 17 383 3 022 17 745 4 288 68 431 28 513 49 545 29 099 Keiner WG zuteilbar Total Ein gewichtiger Teil der Ausgaben, die nicht von Regiebetrieben getätigt wurden, fielen bei der Landesverteidigung an. So waren 70% der beschafften Apparate und Maschinen für die Landesverteidigung bestimmt. 52 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Bild: Keystone Schweizer Volkswirtschaft Tabelle 2 (Fortsetzung) BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE Nicht JU aufgeteilt 1 519 537 6 156 924 2 295 12 484 5 960 2 691 4 344 1 083 415 231 35 15 115 1 726 6 1 1 775 129 1 528 132 602 672 948 52 148 18 0 368 678 133 6 2 215 15 720 377 113 298 4 6 105 5 697 0 797 0 12 0 4 348 15 9 066 102 144 1 402 108 81 13 4 120 2 922 581 226 42 5 864 516 10 248 2 204 2 196 3 159 1 363 317 610 174 97 453 2 95 0 797 1 3 920 206 389 167 15 50 7 6 0 2 897 273 248 0 3 653 430 5 879 1 223 527 2 945 33 663 972 58 58 16 1 100 786 192 1 5 707 312 14 829 2 042 3 107 2 008 839 376 1 049 714 8 513 2 738 574 82 8 008 777 31 005 2 746 2 563 14 309 1 062 3 073 12 998 398 6 4 356 790 305 84 6 830 3 532 35 727 136 225 12 205 5 406 1 776 1 046 12 268 359 137 10 060 423 1 116 10 3 227 3 363 52 045 5 858 6 204 11 030 414 2 440 19 650 1 052 1 311 39 0 0 0 113 15 470 15 16 21 224 22 4 0 0 2 807 441 14 19 3 103 2 017 5 580 2 434 1 089 2 129 1 078 116 208 456 1 209 1 339 544 30 0 1 136 52 6161 1 030 99 702 3 51 618 6 0 840 259 5 0 659 110 696 216 1 065 7 153 335 161 27 574 412 57 1 026 721 10 0 1 241 107 5107 415 732 684 1 602 184 140 206 22 240 40 0 0 168 0 2 751 109 168 1 178 27 28 1 179 1 0 0 0 0 0 0 43 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 35 0 0 0 0 0 336 10 33 0 166 163 292 149 82 367 135 44 137 17 0 90 0 0 0 151 0 549 8 46 666 59 10 610 1 0 191 160 7 3 105 472 652 407 87 860 35 60 282 214 0 3 0 0 0 4 222 0 5 10 100 1 0 0 0 0 2 422 79 62 41 688 1 056 931 269 2 423 8 495 8 167 293 209 452 2 1 141 303 28 0 1 470 1 258 4 303 1 979 2 371 1 636 696 1 160 92 063 78 17 43 573 11 094 3 100 444 52 351 16 900 204 942 164 111 38 963 69 733 20 010 10 648 171 073 10 357 3 067 Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft dem Vorjahreswert, wobei auch der Anteil der Regiebetriebe an den gesamten Beschaffungsausgaben fast gleich viel ausmachte wie 2002. Der Auslandanteil ist von 4,2% auf 3,7% zurückgegangen. Grafik 1 Wichtigste Beschaffungen des Bundes, 2003 Inland Ausland Beschaffungen nach Wirtschaftsgruppen in Mio. Franken Gut die Hälfte des gesamten Beschaffungsvolumens fiel auf die Wirtschaftsgruppen «Fahrzeuge» (27,5%) sowie «Elektronik und Elektrotechnik» (23,7%). 86% der gesamten Fahrzeugbeschaffungen wurden von den Regiebetrieben getätigt. Bei der Elektronik und Elektrotechnik waren es 41%. Drei Viertel der Beschaffungen der Regiebetriebe SBB AG und Die Post fielen denn auch auf diese beiden Wirtschaftsgruppen. Die restlichen Ausgaben für Elektronik und Elektrotechnik fielen schwergewichtig bei der Landesverteidigung, dem ETH-Bereich und dem Zoll an. 70% der beschafften Apparate und Maschinen waren für die Landesverteidigung bestimmt. 1200 1000 800 600 400 200 0 Fahrzeuge Elektronik/ Elektrotechnik Maschinen/ Apparate Druck/Grafik Software EDV Chemie Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft Beschaffungen im Ausland Der Anteil der Einkäufe im Ausland am gesamten Beschaffungsvolumen ist gegenüber dem Vorjahr von 4,2% auf 3,7% gesunken.Die betragsmässig wichtigsten Einkäufe im Aus- 53 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Schweizer Volkswirtschaft land betreffen mit 90,1 Mio. Franken die Fahrzeuge bzw. die Maschinen und Apparate (15,8 Mio. Fr.) und Metalle (14.6 Mio. Fr.). Die prozentual grössten Anteile gegenüber dem Inland weisen Beschaffungen in den Wirtschaftgruppen «Bekleidung» (20,4%), «Metalle» (15,7%), und «Fahrzeuge» (8,6%) auf. Grafik 2 Wichtigste im Ausland beschaffte Güter, 2003 Bundesverwaltung SBB AG/Die Post Beschaffungen nach Wirtschaftszweigen in Mio. Franken 100 Die Anteile der Beschaffungen nach Wirtschaftszweigen entsprechen mit 77% Industrie und 20% Handel praktisch dem Vorjahr. Schwergewichtig im Handel eingekauft wurden lediglich Brenn- und Treibstoffe (89%), Holz und Kork (70%) sowie Bürobedarf (54%). 90 80 70 60 50 40 Anteile der Kantone 30 Grafik 4 bildet die Pro-Kopf-Anteile der Empfängerkantone ab. Aus dieser Darstellung ist ersichtlich, wie viel vom gesamten Einkaufsvolumen von der Bundesverwaltung bzw. von den Regiebetrieben in welche Kantone fliessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich in der Pro-Kopf-Darstellung eine Zu- oder Abnahme des Einkaufsvolumens bei den einwohnermässig kleinen Kantonen viel massiver auswirkt. 20 10 0 Fahrzeuge Maschinen/Apparate Metalle Elektronik/ Elektrotechnik Diverse Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft Tabelle 3 (in 1000 Franken) Beschaffungen des Bundes nach Wirtschaftsgruppen im In- und Ausland, 2003 Wirtschaftsgruppen Inland Ausland Total Nahrungsmittel 65 340 5 65 345 Textilien 14 847 47 14 894 Bekleidung 14 975 3 843 18 819 Papier/Kartonage 33 324 1 040 34 365 136 880 2 045 138 925 12 177 116 12 294 107 030 722 107 751 Druck/Grafik Leder/Kautschuk Chemie Metalle 78 411 14 557 92 968 Maschinen/Apparate 729 058 15 802 744 860 Fahrzeuge 952 497 90 087 1 042 584 Elektronik/Elektrotechnik 888 174 9 950 898 124 4 495 0 4 495 64 852 2 061 66 913 Sportgeräte Holz und Kork Bürobedarf 70 724 37 70 761 Brennstoffe 88 097 81 88 178 Steine/Erde 37 324 345 37 669 Software EDV 119 682 185 119 866 999 11 1 010 41 0 41 7 578 5 7 582 Miete Maschinen Wäscherei Verkehr Entw.aufträge 5 871 0 5 871 Land-/Forstwirtschaft 9 362 1 9 363 Bergbau 681 0 681 Kantone 59 207 5 59 211 150 744 358 151 101 3 652 370 141 302 3 793 672 Keiner Wirtschaftsgruppe zuteilbar Total Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft 54 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Grafik 3 Beschaffungen nach Wirtschaftszweigen, 2003 Industrie und Handwerk, 77% Handel, 21% Nicht zuteilbar, 2% Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft Schweizer Volkswirtschaft Grafik 4 Beschaffungen des Bundes pro Kanton/Kopf, 2003 Bundesverwaltung SBB AG/Die Post in Franken pro Kopf 1200 1000 800 600 400 200 0 ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU CH Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft Die Beschaffungen wurden mit 77% zum überwiegenden Teil in der Industrie getätigt. Dies entspricht praktisch dem Anteil, der im Vorjahr zu verzeichnen war. 55 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Bild: Keystone Internationales Japan – der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien Schon seit 140 Jahren unterhalten die Schweiz und Japan offizielle bilaterale Beziehungen. Schweizer Unternehmer jener Zeit, die auf der Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte waren, haben die Regierung zur Aufnahme eines ersten Kontaktes mit diesem damals in Europa noch wenig bekannten Land gedrängt. Dieses ehrgeizige, von wahrhaften Pionieren realisierte Projekt war 1864 durch den Abschluss des Freundschafts- und Handelsvertrages mit Japan von Erfolg gekrönt. Der Einsatz hat sich gelohnt: Japan ist seit mehreren Jahrzehnten der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien. Steffen Erik Milner Länderbeauftragter für Nordostasien und Ozeanien, Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen, Asien/Ozeanien, Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), Bern Die Teilnahme an der Expedition der «Nadiejda» erlaubte dem Zürcher Mathematiker und Astronomen Johann Kaspar Horner, als erster Schweizer japanischen Boden zu betreten. Im Bild: Aquarell von Horner, das die «Nadiejda» in der Quelle: © Völkerkundemuseum der Universität Zürich Bucht von Nagasaki zeigt. In der ersten Etage des Völkerkundemuseums der Universität Zürich, unmittelbar neben der Bibliothek im für die Forschung reservierten Flügel, hängt ein Ölportrait des Zürcher Mathematikers und Astronomen Johann Kaspar Horner (1774–1834).Wenn man an diesem goldgerahmten Gemälde vorbeigeht, realisiert man nicht sofort, dass dieser namhafte Wissenschaftler in seinem tadellosen Anzug sich auf den Marquesas-Inseln eine beeindruckende polynesische Tätowierung auf der Schulter machen liess, und vor allem, dass er der erste Schweizer war, der seinen Fuss auf japanischen Boden setzte! Im Herbst 1804, vor genau 200 Jahren also, traf Horner an Bord der «Nadiejda» («Hoffnung» auf Russisch) im Hafen von Nagasaki, im Südwesten des japanischen Archipels ein. Er begleitete eine bedeutende Expedition unter der Leitung des Admirals der kaiserlichen russischen Marine, Iwan Fedorowitsch von Krusenstern, die für ihren politischen Teil von Zar Alexander I. beauftragt war. Neben den wissenschaftlichen Aspekten, mit denen sich Horner und andere ausländische Forscher auseinander setzten, war eines der Ziele dieser Weltumsegelung die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen und Handelsbeziehungen zwischen Russland und Japan. Da der Empfang in Japan alles andere als herzlich aus- 56 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 fiel und der russische Gesandte an Bord des Schiffes bleiben musste, erzielte dieser Aspekt der Mission allerdings nicht den erhofften Erfolg. Schweiz-Japan: 140 Jahre bilaterale Beziehungen Dieses Jahr bietet vor allem die Gelegenheit, den 140. Jahrestag des Abschlusses des Freundschafts- und Handelsvertrags zwischen der Schweiz und Japan zu feiern. Dieser Vertrag, der am 6. Februar 1864 in Yedo (Tokio) von drei Gesandten des Shogun sowie vom Neuenburger Aimé Humbert-Droz (1819– 1900) – dem Sonderbeauftragten des Bundesrats – unterzeichnet wurde, markiert den Anfang der offiziellen bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern.1 Dank diesem Vertrag wurde die Schweiz das erste Binnenland, das diplomatische Beziehungen mit Japan unterhielt. Dieses erfreuliche Resultat war allerdings nicht einfach zu erzielen. Das starke Verlangen, den Schweizer Exporthandel nach Fernost auszudehnen, lag den in diesem Bereich unternommenen Anstrengungen zugrunde. Die Unternehmer, die an diesem neuen Absatzmarkt am meisten Interesse zeigten, kamen – nicht überraschend – aus der Textil- und der Uhrenindustrie. Ge- Internationales Tabelle 1 Japan: Wirtschaftliche Kennzahlen, 2001–2005 2001 2002 2003 2004 4163 3 973 4 302 4 612 4 760 32 751 31 198 33 720 36105 37 241 0.4 –0.3 2.7 3.4 1.9 –0.8 –0.9 –0.2 –0.4 –0.1 5.0 5.4 5.3 4.9 4.9 Budget-Saldo (in % des BIP) –6.1 –7.9 –8.2 –7.1 –6.6 Ertragsbilanz (in % des BIP) 2.1 2.8 3.2 3.1 3.2 Bruttoinlandprodukt (BIP) (in Mrd. US-$) BIP/Einwohner (in US-$) Wachstumsrate (in % des BIP) Inflationsrate (in %) Arbeitslosenrate (in%) 2005 Staatliche Verschuldung (in % des BIP) 149 159 166 171 176 Durchschnittlicher Wechselkurs ¥/US-$ 121.6 125.1 115.9 – – Hinweis: Bei den Zahlen für 2004 und 2005 handelt es sich um Schätzungen bzw. Prognosen. Quelle: IWF, World Economic Outlook (April 2004) / Die Volkswirtschaft rade mit Japan hatten die Schweizer Handelshäuser bedeutende Schwierigkeiten, da keine offiziellen bilateralen Beziehungen bestanden. Japan, das sich am Ende von über 250 Jahren vorwiegender Autarkie unter dem Shogunat der Tokugawa befand, widersetzte sich nämlich dem direkten Handel mit der Schweiz und der Niederlassung von Schweizer Bürgern ohne offiziellen Vertrag. In Japan macht sich die Geduld bezahlt 1 Humbert war ausserdem Ständerat zwischen 1854 und 1866 (mit Unterbrüchen) und wurde 1858 zum Präsidenten der Union Horlogère ernannt. 2 Für einen faszinierenden Bericht des Aufenthalts von Humbert in Japan vgl.: Aimé Humbert-Droz, Le Japon Illustré, Librairie de L. Hachette et Cie, 1870. Die beiden Bände können in elektronischem Format unter der folgenden Adresse konsultiert werden (nur französisch): http://duels.doshisha.ac.jp:88/denshika/ illustre/illustre.html. Anstatt nach dem Misserfolg einer ersten, 1859 von privater Seite durchgeführten Expedition enttäuscht aufzugeben, wurde beschlossen, das Abenteuer erneut zu wagen. Nachdem die Schweizer Regierung 1861 ermutigende Zeichen aus dem Archipel erhalten hatte, beschloss die Bundesversammlung, eine Delegation nach Japan zu entsenden, mit dem Ziel, die von den Schweizer Exporteuren angetroffenen Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Lange Vorbereitungen und beträchtliche finanzielle Mittel von Seiten des Bundes, der Kantone und von Privaten waren notwendig,um die Mission unter der Leitung von Humbert und begleitet vom Zürcher Kaspar Brennwald auf die Beine zu stellen. Vier weitere Schweizer Attachés beschlossen, die offizielle Delegation auf eigene Kosten und vorwiegend privatgeschäftlich motiviert zu begleiten.2 Die Seereise von Humbert begann am 19. November 1862 im Hafen von Marseille und endete – nach einer ersten Berührung japanischen Bodens in Nagasaki – am 27. April 1863 in Yokohama, dies zu einem politisch äusserst turbulenten Zeitpunkt in Japan. Die Schweizer Delegation musste somit grosse Geduld beweisen und auf die wertvolle Unterstützung der holländischen Gesandtschaft vor Ort vertrauen,um ihr Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.Nach einer zehnmonatigen Wartezeit (die mit der Erforschung eines Teils des Landes verbracht wurde) konnte der Vertrag endlich ausgehandelt und unterzeichnet werden, nur wenige Stunden vor der schon lange geplanten Rückreise der Expedition in die Schweiz! Ein gutgeschnürtes Paket Dieser Vertrag mit 20 Artikeln und einem siebenteiligen Handelsreglement enthält die Bestimmungen, welche der Schweiz dieselben Vorteile bieten wie den anderen wenigen Na- Kasten 1 Kerninformation zur Wirtschaft Japans Wirtschaftsstruktur Japan – die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt hinter den USA – verfügt heute über einen Dienstleistungssektor, der für 70% seines Bruttoinlandprodukts (BIP) verantwortlich ist. Der Rest der japanischen Wertschöpfung wird vorwiegend vom Sekundärsektor generiert, besonders von der verarbeitenden Industrie (Automobil, Elektronik), welche weiterhin eine führende Rolle auf dem Archipel spielt, dies trotz mehreren Delokalisierungswellen. Obwohl der Primärsektor (Landwirtschaft und Fischerei) in wirtschaftlichen Zahlen mit einem Beitrag an das BIP von nur 1% von geringer Bedeutung ist, verfügt er über beträchtlichen politischen Einfluss. Japan weist eine relativ geringe Öffnung auf, was den Aussenhandel betrifft (2003: 18% des BIP). Die mehr oder weniger offiziellen Importbeschränkungen sollen vor allem eine Reihe wenig leistungsfähiger Branchen schützen; sie erklären denn auch teilweise die strukturellen Probleme der letzten Jahre. Fast die Hälfte aller Industrieprodukte wird in Japan von 1% der Firmen hergestellt. Diese sind zum grössten Teil sehr wettbewerbsfähig und vorwiegend exportorientiert. Die andere Hälfte der Produktion wird durch eine Vielzahl von Klein- und Mittelunternehmen erzeugt, bei denen es sich häufig um eher binnenmarktorientierte Familienunternehmen handelt. Wirtschaftspolitik Ein nachhaltiger Aufschwung des inländischen Privatverbrauchs, der rund 60% des BIP ausmacht, ist eines der Hauptziele der japanischen Wirtschaftspolitik. Die Regierung von Ministerpräsident Koizumi versucht dieses Ziel mit einer Reihe von Strukturreformen zu erreichen, die schon vor einigen Jahren lanciert wurden. Mittelfristig geht es unter anderem darum, das Bankensystem zu sanieren, das Pensionssystem zu stabilisieren, Privatisierungen vorzubereiten (z.B. Autobahnen und Postdienste), den Staatshaushalt auszugleichen und ganz allgemein den Wirtschaftsstandort Japan durch Deregulierungsanstrengungen zu fördern. Diese Projekte sind natürlich umstritten, und es kam inzwischen denn auch zu einer (bedeutenden) Reduktion der ersten Ambitionen und des vorgeschlagenen Reformkalenders. Die Situation des Landes in fiskalischer Hinsicht ist heikel. Ein Haushaltsdefizit in der Grössenordnung von 7% des BIP wird für das laufende Jahr erwartet. Die gesamte Bruttoverschuldung – in japanischer Hand – wird im Jahr 2005 rund 175% des BIP betragen. Aufgrund der ausserordentlich niedrigen Zinssätze bleibt der Schuldendienst moderat; er beträgt in diesem Jahr etwa 2% des BIP. In geldpolitischer Hinsicht ist weiterhin mit einer expansiven Politik zu rechnen, solange in Japan noch Deflation herrscht. 57 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Konjunkturlage Die vor zwei Jahren begonnene Erholung der japanischen Wirtschaft setzt sich gegenwärtig fort. Das erste Halbjahr 2004 zeichnete sich durch einen robusten Anstieg des realen BIP aus, der durch die Beschleunigung der Industrieproduktion sowie durch eine positive Entwicklung des Privatkonsums (dies auch als Folge einer sinkenden Arbeitslosigkeit unter die 5%-Grenze) verursacht wurde. Auch das Exportwachstum verlief expansiv, dies aufgrund einer starken Nachfrage von Seiten Chinas und der USA. Es ist jedoch ungewiss, ob diese positiven Anzeichen lange anhalten werden; der Rückgang der Aussennachfrage, der für 2005 erwartet wird, kann wahrscheinlich nicht ausreichend kompensiert werden, um das aktuelle Wachstum beizubehalten. Dazu kommen die anhaltenden strukturellen Schwierigkeiten der japanischen Wirtschaft. Die Konzentration des Wachstums auf den verarbeitenden Sektor verbirgt die Tatsache, dass es gewissen anderen Sektoren weniger gut geht (Überkapazitäten). Was den Rückgang der Preise betrifft, scheint das Problem langsam an Intensität zu verlieren, da der Deflationsdruck in diesem Jahr unter Kontrolle ist. Internationales Grafik 1 ein ausgezeichnetes Gespür für die längerfristigen Perspektiven: «Die Erwartungen, zu welchen dieser Vertragsabschluss durch die Eröffnung einer neuen Absatzquelle für die Erzeugnisse schweizerischer Industrie unseren Handelsstand berechtigt, dürfen zwar einstweilen nicht allzu hoch gestellt werden; denn es wird immerhin noch einiger Zeit bedürfen, bis die Japaner sich (...) mit europäischen Artikeln vertraut gemacht haben werden. Dagegen darf mit ziemlicher Sicherheit von der Zukunft erwartet werden, dass sich mit der in jenem Lande immer mehr und mehr um sich greifenden Zivilisation nach und nach ein Verkehr entwickeln wird, welcher für die diesbezüglichen Anstrengungen reichlich Früchte bringen wird. Zu dieser Erwartung berechtigt hauptsächlich der fleissige und intelligente Charakter des japanischen Volkes.» Entwicklung des bilateralen Handels Schweiz–Japan, 1985–2003 Schweizer Exporte Schweizer Importe in Mio. Franken 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Quelle: EZV / Die Volkswirtschaft Grafik 2 Wichtigste Güter im Aussenhandel Schweiz–Japan, 2003 (in % des Totals) Hauptexporte der Schweiz nach Japan Hauptimporte der Schweiz aus Japan 17% 18% 24% 37% 6% 10% 13% 18% 12% 18% 27% Chemische Produkte Uhren Fahrzeuge Maschinen Pharmaprodukte Maschinen Chemische Produkte Instrumente und Apparate Edelmetalle, Schmuck Andere Andere Bilaterale Beziehungen Der Vertrag von 1864 bildete den Auftakt für die Entwicklung von Handelsbeziehungen, aber auch von politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Nach bescheidenen Anfängen haben sich die bilateralen Beziehungen allmählich intensiviert und vertieft, sodass sie schliesslich den heutigen ausgezeichneten Stand erreicht haben. Die Schweizer Kolonie, die am Ende der Shogun-Dynastie der Tokugawa aus einem Duzend Mitglieder bestand, erweiterte sich nach und nach auf 88 Personen im Jahr 1900 und erreichte 1994 ihren Höhepunkt mit nahezu 1400 Schweizer Staatsangehörigen. Letztes Jahr wurden noch 1256 in Japan niedergelassene Schweizer und Schweizerinnen gezählt.Aus wirtschaftlicher Sicht ist Japan inzwischen schon seit mehreren Jahrzehnten der wichtigste Partner der Schweiz in Asien/Ozeanien. Fast ein Drittel des Schweizer Handels in dieser Region der Welt wird mit Japan getätigt, was die hohe Bedeutung dieses Marktes unterstreicht.3 Quelle: EZV / Die Volkswirtschaft Schweizer Handelspräsenz 3 Japan verfügt über eine 18-mal grössere Bevölkerung und eine 9-mal grössere Fläche als die Schweiz. 4 Das Unternehmen wurde später Siber-Hegner & Co und ist heute in Japan unter dem Namen Nihon SiberHegner K.K. bekannt. Es gehört zur Schweizer DKSH-Gruppe. tionen, die damals offizielle Beziehungen zu Japan unterhielten. Unter anderem erhalten die Schweizer Bürger die Niederlassungs- und Handelsfreiheit in den offenen Häfen. Der letzte Teil des Reglements, der die Vorteile dieses Vertrags besonders deutlich macht, sichert der Schweiz die Meistbegünstigungsklausel für den Fall, dass die Zolltarife sinken, was in der Folge die Grundlage des Freihandelssystems geworden ist. In seiner Botschaft vom 27. Juni 1864 an die beiden Räte blieb der Bundesrat allerdings realistisch hinsichtlich der kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen; er zeigte jedoch 58 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Die Handelshäuser waren die ersten Schweizer Unternehmen, die sich in Japan niederliessen. Die Firma Siber & Brennwald wurde bereits 1865 gegründet (von einem Mitglied der Schweizer Mission von 1864) und kann sich somit rühmen, den Rekord für die längste ununterbrochene Schweizer Handelspräsenz in Japan innezuhaben.4 Andere Handelsfirmen folgten, wie Desco (1901), die heute noch in Japan präsent ist, sowie die Gesellschaften Volkart (1903) und Liebermann-Wälchli (1912). Später haben auch andere Unternehmen wie Nestlé (1913), Sulzer (1914), Roche (1932), Ciba (1952), Sika (1955), Swissair Internationales Ein nachhaltiger Aufschwung des inländischen Privatverbrauchs, der rund 60% des BIP ausmacht, ist eines der Hauptziele der japanischen Wirtschaftspolitik. Im Bild: Nishiki-dori, eine Geschäftsstrasse in Kyoto. Bild: Noriko Motomasa (1957) und Sandoz (1960) Niederlassungen in Japan gegründet. Zu dieser Handelspräsenz kommen seit den Sechzigerjahren mehrere Joint Ventures und Kooperationen im Maschinenbausektor für die Produktion von Gütern unter Lizenz. Jedoch wurde erst 1965 die Eröffnung von geschäftlichen Stützpunkten der Schweizer Banken in Japan registriert. Die besonders strengen Restriktionen jener Zeit im japanischen Finanzsektor trugen zu diesem Rückstand bei. Kasten 2 Fünf wirtschaftliche Herausforderungen Japans Alterung Japan ist mit einer schnellen Alterung seiner Bevölkerung konfrontiert. Innerhalb von 30 Jahren hat sich der Anteil der betagten Bevölkerung Japans mehr als verdoppelt; er erreichte 19% im Jahr 2003 (gegenüber 7% im Jahr 1970). 2030 wird es noch zwei berufstätige Personen pro Rentner geben, gegenüber fast vier im Jahr 2000. Ohne ernsthafte Reformen (auch in der Einwanderungspolitik) besteht die Gefahr, dass die Finanzierung der künftig zu zahlenden Renten und der Gesundheitskosten nicht mehr gewährleistet ist. Not leidende Ausleihungen Dieses lange Zeit akute Problem scheint geringer zu werden, zumindest was die grossen japanischen Banken betrifft. Die regionalen Banken stehen nicht unter demselben Druck der Regierung, um in ihren Bilanzen «Ordnung zu machen». So tragen diese immer noch zur Unterstützung von «Zombies» genannten Firmen bei und blockieren so die Wiederherstellung eines gesunden Kreditmechanismus. Deflation Dieser wirtschaftliche Teufelskreis, der unter anderem die Konsumenten dazu drängt, ihre Einkäufe aufzuschieben, und so die Unternehmen zu Entlassungen und Lohnreduktionen zwingt, welche wiederum einen Rückgang des Konsums und der Erwerbstätigkeit mit sich bringen, besteht nun in Japan schon seit sechs aufeinanderfolgenden Jahren. Immerhin ist jedoch 2004 eine willkommene Abschwächung des Rückgangs der Konsumentenpreise zu beobachten. Öffnung Das Programm «Invest Japan» bezweckt die Verdoppelung des ausländischen Direktinvestitionsbestandes in Japan bis zum Jahr 2008. Dieser ist heute im internationalen Vergleich besonders schwach ausgeprägt. Eine andere Kampagne «Yokoso! Japan» strebt danach, die Anzahl ausländischer Touristen, die Japan besuchen, bis ins Jahr 2010 zu verdoppeln. Diese Förderungsbemühungen haben sich 2003 konkretisiert. Nordostasien Es besteht eine wachsende gegenseitige Abhängigkeit der Volkswirtschaften Japans, Chinas und Südkoreas. China ist heute der wichtigste Lieferant und der zweitwichtigste Kunde Japans hinter den USA. Dies erhöht spürbar die Anfälligkeit Japans gegenüber der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft, die zurzeit nahe an einer Überhitzung ist. Die zunehmende Bedeutung Chinas beinhaltet zugleich Chancen und Gefahren für Japan. 59 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Heute zählt man rund 140 in Japan ansässige Schweizer Unternehmen (darunter ca. 60 KMU). Zahlreiche andere Schweizer Firmen verfügen ausserdem über Vertretungen auf dem Archipel.Diese starke Präsenz erklärt, dass die Schweiz zurzeit als fünftgrösster ausländischer Investor in Japan rangiert. Die Schweizer Wirtschaftsgemeinschaft in Japan verfügt über eine leistungsfähige Handelskammer, die 1981 in Tokio gegründete Swiss Chamber of Commerce and Industry in Japan (SCCIJ). Eine Schwesterorganisation – die Handelskammer Schweiz-Japan bzw. Swiss Japanese Chamber of Commerce (SJCC) – entstand vier Jahre später in Zürich. Diese beiden Institutionen unterstützen die Unternehmen, die über Handelsbeziehungen mit Japan verfügen, und tragen so zur Entwicklung und zur Qualität der bilateralen Beziehungen bei. Güterverkehr Japan ist der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz nach der Europäischen Union (EU) und den USA. Seit zehn Jahren weist die Schweiz ununterbrochen einen Überschuss in der bilateralen Handelsbilanz mit Japan aus. Dieser belief sich für das Jahr 2003 auf 2,7 Mrd. Franken. Es ist schon lange her, dass die Schweiz japanische Seide importierte, um sie in ihren Fabriken zu verarbeiten und sie dann in Form kunstvoller Stoffe in die ganze Welt zu exportieren. Heute findet der Handel mit Japan in den folgenden Hauptkategorien statt: Chemische Produkte (24%), Uhren (18%), Pharmaprodukte (18%), Maschinen (12%) sowie Schmuck und Edelmetalle (10%); diese bildeten 2003 den Grossteil unserer Exporte nach Japan. Die Importe aus Japan konzentrierten Internationales Grafik 3 Aufteilung des schweiz. Aussenhandels (Exporte + Importe) mit Asien/Ozeanien nach Ländern, 2003 JAPAN Japan, 28% China, 17% Hongkong, 16% Taiwan, 6% Südkorea, 6% Singapur, 5% Thailand, 5% Indien, 4% Australien, 4% Malaysia, 2% Andere, 7% Quelle: EZV / Die Volkswirtschaft Kasten 3 Japan und der Freihandel Die offizielle Stellung Japans im Bereich der Liberalisierung des Handels und der Investitionen bestand traditionellerweise in der ausschliesslichen Verfolgung von multilateralen Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO). Japan hat jedoch vor etwa vier Jahren entschieden, seine Handelspolitik anzupassen und mehr Raum für bilaterale Initiativen und für wirtschaftlichen Regionalismus vorzusehen. Die neue Handelspolitik Japans besteht allerdings keineswegs darin, dem Multilateralismus den Rücken zuzukehren. Es geht für Japan heute vor allem darum, der internationalen Gemeinschaft das Bild einer Nation zu vermitteln, die sich ihrer wirtschaftlichen Macht bewusst ist, die ihre Schlüsselrolle in Asien übernehmen will, die entschieden ihre Handelsinteressen vertritt und dabei zugleich weltoffen ist. Die Anpassung der japanischen Handelspolitik wird durch die immer offensichtlicher werdenden Grenzen des multilateralen Rahmens begünstigt. Das Scheitern der Verhandlungen von Seattle und das gegenwärtige Festgefahrensein der Doha-Runde zeigen die echten Schwierigkeiten, heute zu konstruktiven Resultaten zu kommen, wenn 147 so verschiedene Länder an einem Verhandlungstisch versammelt sind. Über 130 bilaterale und regionale Freihandelsabkommen und Zollunionen sind gegenwärtig weltweit in Kraft. Die Umsetzung der in einem Freihandelsabkommen ausgehandelten Massnahmen kann Japan auch dazu ermutigen, allmählich die notwendigen bedeutenden internen Strukturreformen anzupacken. Dieser kontrollierte Druck, der von einem Teil des politischen Spektrums Japans explizit gewünscht wird, ist zweifellos von Vorteil. sich im selben Jahr vorwiegend auf Fahrzeuge (37%), diverse Maschinen (27%), chemische Produkte (13%) sowie Präzisionsinstrumente und Apparate wie Digitalkameras und Projektoren der neuen Generation (6%).5 Nach zwei eher schwachen Jahren war 2003 durch eine leichte Erholung der Handelsströme mit Japan geprägt. Die Schweizer Exporte nach Japan stiegen um 4,4% und erreichten 5,4 Mrd.Franken (4,0% der gesamten Exporte der Schweiz). Bei den Importen wurde mit einem Gesamtbetrag von 2,7 Mrd. Franken (2,1% der gesamten Importe der Schweiz) ein Wachstum von 4,2% verzeichnet. Die Zahlen für das erste Halbjahr 2004 sind ebenfalls erfreulich: Zu beobachten sind ein Anstieg der Exporte nach Japan von über 9% sowie ein Hochschnellen der japanischen Importe in die Schweiz um 22%. Japan ist ein prioritäres Land im System der Schweizer Exportförderung. Das Osec Business Network Switzerland hat 2001 einen «Business Hub» in der Schweizer Botschaft in Tokio geschaffen, der in erster Linie mit der Förderung von Schweizer Klein- und Mittelunternehmen (KMU) beauftragt ist, die im japanischen Markt Fuss fassen wollen. 2003 hat das Büro 185 Unterstützungs- und Informationsanfragen gezählt, von denen etwa 70% aus der Schweiz und der Rest aus Japan stammten. Für das erste Halbjahr 2004 verzeichneten die Anfragen einen massiven Anstieg und beliefen sich auf 123 Einzelkontakte. Dienstleistungen Im Dienstleistungsbereich ist die Schweiz der zwölftgrösste Anbieter Japans.6 Die Kategorien Transport (Personen und Fracht) sowie Reisen (privat und geschäftlich) sind dabei für die Schweiz am vorteilhaftesten, mit einem kombinierten Überschuss von knapp 700 Mio. US-$ im Jahr 2003.Wie der Güterhandel, so ist auch die Dienstleistungsbilanz mit Japan traditionell positiv für die Schweiz. Die beiden Schweizer Grossbanken sowie einige Privatbanken sind in Japan präsent. Bei den Versicherungen kann man die «Zürich» erwähnen, die unter anderem im Bereich der Automobilversicherung stark in Japan vertreten ist. «Swiss Re», die seit 1972 ebenfalls auf japanischem Boden tätig ist, hat im vergangenen Mai eine eigenständige Niederlassung eröffnet, eine Premiere unter den wichtigsten globalen Rückversicherern. Wie weiter oben erwähnt, spielen auch die Transportmöglichkeiten eine nicht zu vernachlässigende Rolle in diesem Sektor. Die Swiss verbindet Zürich und Tokio täglich in beiden Richtungen (ein Flug wird in Codesharing mit Japan Airlines durchgeführt). Die Verbindung 60 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 mit Osaka, einer von der ehemaligen Swissair angeflogenen Destination, ist leider nicht mehr im Flugplan der neuen nationalen Fluggesellschaft. Die internationalen Transportgesellschaften der Schweiz unterhalten ebenfalls seit vielen Jahren Geschäftsbeziehungen mit Japan. Im Dienstleistungssektor spielt der Tourismus eine Schlüsselrolle. Besucher aus Japan haben im Jahr 2000 fast eine Million Übernachtungen in der Schweiz gebucht, was 18% der gesamten Übernachtungen von Nichteuropäern ausmacht und einen Anstieg von 140% gegenüber 1980 bedeutet. In den letzten drei Jahren war die Tendenz rückläufig, vor allem aufgrund der weltpolitischen Unsicherheiten, der Terrorängste, der schwierigen Wirtschaftslage in Japan und von Sars. 2003 wurde ein weiterer Rückgang von ca. 20% gegenüber 2002 verzeichnet (560 000 Übernachtungen). Daher ist es umso erfreulicher, dass im laufenden Jahr ein starkes Wiederaufkommen des japanischen Interesses zu beobachten ist, mit einer Schätzung von 750 000 Übernachtungen für das ganze Jahr. Investitionen Die Schweiz liegt hinter den USA, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland auf dem fünften Rang der ausländischen Investoren in Japan.7 In den letzten Jahren hat sich diese Position allerdings ständig verschlechtert. Ende 2002 betrug der Schweizer Direktinvestitionsbestand in Japan 7,9 Mrd. Franken.8 Im selben Jahr betrug der Personalbestand der Schweizer Firmen in Japan rund 36 000 Beschäftigte. Im Jahr 2002 wurden 640 Mio. Franken aus Japan in die Schweiz repatriiert. Diese negative Zahl ist hauptsächlich durch die damaligen Verluste der Schweizer Niederlassungen in Japan begründet. Auch die japanische Desinvestition in der Schweiz setzte sich 2002 fort. Nach einer willkommenen Atempause im Jahr 2001 wurde eine Repatriierung von japanischem Kapital in der Grössenordnung von 250 Mio. Franken verzeichnet. Ende 2002 betrug der japanische Direktinvestitionsbestand in der Schweiz 1,1 Mrd. Franken. Diese relativ bescheidene Summe entspricht 0,6% des ausländischen Direktinvestitionsbestandes in der Schweiz. Das schwache Volumen erklärt sich unter anderem durch die Konsolidierung des japanischen Bankensektors in Europa – eine Entwicklung, welche die Auflösung eines Teils der in der Schweiz getätigten Investitionen mit sich brachte. Angesichts dieser eher negativen Feststellung und im Rahmen des Programms «Location: Switzerland», das Massnahmen zur Förderung des Wirtschaftsstandortes Schweiz vorsieht, hat das Staatssekretariat für Wirt- Internationales Der Primärsektor Japans ist zwar wirtschaftlich gesehen nur von geringer Bedeutung, übt aber dennoch einen beträchtlichen politischen Einfluss aus. Im Bild: Ogimachi (Bezirk: Gifu) in Mitteljapan. 5 Die Fahrzeuge japanischer Marken liegen seit vielen Jahren auf dem zweiten Rang der in der Schweiz verkehrenden Autos mit einem Marktanteil von 20% im Jahr 2003. 6 Quelle: Japanisches Finanzministerium. 7 Quelle: Japanisches Finanzministerium. Die Summe der gesamten Schweizer Direktinvestitionen in Japan betrug am Ende des Fiskaljahres 2003 (April–März) 6 Mrd. US-$. 8 Quelle: Schweizerische Nationalbank, Entwicklung der Direktinvestitionen im Jahr 2002, Quartalsheft, Dezember 2003 (keine neueren konsolidierten Daten verfügbar). 9 Die Umfrage wurde vom 12. bis 28. April 2004 durchgeführt. 316 ausländische Unternehmen, darunter 41 Schweizer Firmen, haben an dem Projekt teilgenommen. Dieses spielt eine willkommene Rolle als Geschäftsbarometer innerhalb der ausländischen Wirtschaftsgemeinschaft in Japan. Für weitere Details: www.fcc.or.jp/fcij/confidence-survey.html. 10 Das wirtschaftliche Gewicht dieser Region, deren Niveau des Bruttoinlandprodukts demjenigen von Kanada entspricht, ist beträchtlich. Bild: Milner schaft (seco) – in enger Zusammenarbeit mit den interessierten Kantonen – ein Programm auf die Beine gestellt, das die Niederlassung japanischer Firmen mit hohem Innovationspotenzial in der Schweiz fördern soll. Diese langfristig ausgerichteten Bemühungen befinden sich gegenwärtig im zweiten Jahr ihres Bestehens. Nach einem ersten ermutigenden Versuch 2003 wurden im Mai 2004 in Tokio und Osaka weitere Informationsseminare für potenzielle japanische Investoren organisiert. Am Ende jedes Seminars haben persönliche Gespräche den interessierten Personen erlaubt, die Materie zu vertiefen und Kontakte mit den kantonalen Experten zu knüpfen. Die rund 150 japanischen Teilnehmer wurden anschliessend vom Büro des Vertreters von «Location: Switzerland» (das im Frühling 2004 in der Schweizer Botschaft in Tokio eröffnet wurde) sowie von den Wirtschaftsförderungsstellen der Kantone umworben. Obwohl das gegenwärtige Konzept noch gewisse Anpassungen benötigt, waren bereits erste positive Resultate zu verzeichnen. Der Japan Investment Council – ein Beratungsorgan unter der Leitung des Ministerpräsidenten – hat die Schweiz vor kurzem in die Liste der sieben prioritär zu umwerbenden Länder aufgenommen; dies mit dem Ziel, ausländische Direktinvestitionen in Japan anzuziehen. Geschäftsklima bei ausländischen Unternehmen in Japan Im letzten Frühling haben mehrere Handelskammern zum dritten Mal eine Umfrage bei ihren Mitgliedern durchgeführt, um ihre Stimmung hinsichtlich des Geschäftsgangs in Japan in Erfahrung zu bringen. Auch die SCCIJ hat an dieser zweimal jährlich statt- 61 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 findenden Umfrage teilgenommen.9 Im Vergleich mit der letzten Umfrage,die im Oktober 2003 durchgeführt wurde, hat sich die allgemeine Stimmung erheblich verbessert. 90% der Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben (80% der Schweizer Firmen), sind der Ansicht, dass sich die Wirtschaftslage in Japan in den nächsten zwölf Monaten leicht oder stark verbessern wird. Was den Geschäftsgang der nächsten sechs Monate betrifft, rechnen 83% mit einer positiven Entwicklung (76% der Schweizer Firmen), während nur 4% einen Rückgang befürchten. Hinsichtlich der Ertragsaussichten für dieselbe Periode erwarten 74% der antwortenden Firmen eine positive Entwicklung (88% der Schweizer Firmen). Die Unternehmen erklären diese Konjunkturaufhellung unter anderem durch ihre eigenen in den letzten Jahren unternommenen Restrukturierungsmassnahmen, durch aggressives Marketing und Preisgestaltung, einen Anstieg der Investitionen sowie eine steigende Nachfrage. Immer noch im Rahmen dieser Umfrage ist zu erwähnen, dass 80% der Firmen eine Wachstumsstrategie und 20% eine Konsolidierungsstrategie verfolgen (für die an der Umfrage teilnehmenden Schweizer Unternehmen betrug das Verhältnis 74% zu 26%). Ein anderes ermutigendes Zeichen: Keine der Firmen, die den Fragebogen beantwortet haben, beabsichtigt, sich aus Japan zurückzuziehen. Offizielle bilaterale Kontakte Für die Schweizer Regierung ist die Pflege der guten Beziehungen mit der zweitgrössten Wirtschaftsmacht der Welt von grosser Bedeutung. Es liegt im Interesse der Schweiz als einem typischen Exportland, Kontakte auf allen Ebenen mit ihren wichtigsten Handelspartnern zu pflegen und weiterzuentwickeln. Zu dieser wichtigen Aufgabe tragen die diplomatischen Vertreter der beiden Länder massgeblich bei. Die Schweiz unterhält neben der Botschaft in Tokio noch ein Generalkonsulat in Osaka, dem Hauptort der Region Kansai.10 Seit rund zehn Jahren bestehen mit Japan auch regelmässige Konsultationen auf Regierungsebene, wo die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen,aber auch wissenschaftliche und technologische Fragen erörtert werden. Periodische Gespräche finden auch im Bereich der Finanzdienstleistungen statt. Bei diesen Treffen geht es darum, den Stand der bilateralen Beziehungen zu beurteilen und Lösungen für die noch offenen Probleme zu finden. In den letzten Jahren wurden vor allem die technischen Handelshemmnisse (z.B.im Bereich der Medizinprodukte) und die Schwierigkeiten bei der Erteilung von Aufträgen im öffentlichen Internationales Bundespräsident Joseph Deiss wird zudem den Startschuss zum Schweizer Begleitprogramm der nächsten Weltausstellung geben, die vom 25. März bis 25. September 2005 in Aichi in Japan stattfinden wird. Der Berg wird das Symbol und der rote Faden der Schweiz an diesem wichtigen Anlass sein, der unter dem Zeichen der «Weisheit der Natur» steht und an dem 15 Mio. Besucher, vorwiegend Japaner, erwartet werden. Die Schweiz geniesst in Japan einen ausgezeichneten Ruf, der vor allem in den «traditionellen» Werten des Landes begründet ist: Tourismusparadies, konkurrenzlose Qualität der Handwerksprodukte, Neutralität sowie ausgezeichnete Schokolade und Käse! Die Tatsache, dass die Schweiz auch in Wissenschaft und Forschung eine führende Rolle spielt, dass sie hervorragende Universitäten, Architekturbüros von Weltruf sowie eine ganze Reihe bekannter Hightech-Unternehmen beheimatet, ist dagegen noch weniger bekannt. Die Weltausstellung von Aichi bietet eine ideale Plattform, um das schon sehr positive Bild der Schweiz in Japan noch zu vervollständigen. Japan wagen! Der Abschluss des Freundschafts- und Handelsvertrages mit Japan 1864 ermöglichte es der Schweiz, dauerhafte Beziehungen zu diesem Land anzuknüpfen. Im Bild: Das Gästehaus der schweizerischen Delegation in Yedo (Tokio) im 19. Jahrhundert. Quelle: Le Japon Illustré Beschaffungswesen thematisiert. Die Delegationen besprechen auch ihre gemeinsamen Interessen und nutzen die Gelegenheit, um Ideen für die künftige Zusammenarbeit zu vertiefen. Die nächsten bilateralen Wirtschaftskonsultationen sind im ersten Halbjahr 2005 in Bern geplant. Diese Kontakte werden durch Besuche auf höchster Ebene ergänzt, an denen manchmal auch Vertreter des Privatsektors teilnehmen. So wird Bundespräsident Joseph Deiss, Vorsteher des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements (EVD), Japan einen offiziellen Arbeitsbesuch vom 11. bis 14. Oktober 2004 abstatten. Die Mission des Bundespräsidenten bezweckt die Förderung der bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die Entwicklung des Handels sowie die Stärkung des guten Images der Schweiz im Allgemeinen und als Wirtschaftsstandort erster Wahl. 62 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 10-2004 Es brauchte einen ausserordentlichen Pioniergeist und eine wahrhafte Lust zum Risiko, um sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Japan niederzulassen. Für eine Hand voll Schweizer Unternehmer, darunter einige der Mitglieder der Mission Humbert, überwogen die sich bietenden Gelegenheiten weit stärker als die eingegangenen Risiken. Die beiden gewählten Handelsbereiche Seide und Uhren erwiesen sich als höchst erfolgreich. Heute wie damals bietet Japan hervorragende Möglichkeiten für Schweizer Unternehmen.Dieser anspruchsvolle Markt, der sich nun wieder im Aufschwung befindet, ist gewiss nicht einfach. Er belohnt jedoch diejenigen reichlich,die Geduld, Kreativität sowie einen ausgeprägten Sinn für Qualität beweisen und zugleich auf richtig gewillt sind, sich anzupassen.