Computersimulation von Plasmen

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Computersimulation von Plasmen
- Skriptum zur Vorlesung Prof. Dr. H.-J. Kull
Fraunhofer Institut für Lasertechnik
und
Lehr- und Forschungsgebiet Laserphysik
Institut für Theoretische Physik A
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule
Aachen
20. November 2003
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
i
Hinweis zum Skriptum:
Das vorliegende Skriptum dient als Begleitmaterial zur Vorlesung, Computersimulation
von Plasmen, im Wintersemester 00/01. Es soll kein Lehrbuch ersetzen. Das Skriptum ist
in der Bibliothek der Physikalischen Institute (Kopierraum) und auf dem Server des Lehrund Forschungsgebietes Laserphysik (http://llp.ilt.fhg.de) erhältlich.
Literaturhinweise:
Zur Ergänzung werden folgende Bücher aus den Gebieten Plasmaphysik, Numerik und
Programmierung empfohlen:
Plasmaphysik:
1. R.J. Goldston und P.H. Rutherford: Plasmaphysik (Vieweg,1998).
2. H.-J. Kull, Skriptum zur Vorlesung Plasmaphysik (http://llp.ilt.fhg.de)
Plasmasimulation und numerische Methoden:
1. C.K. Birdsall, A.B. Langdon: Plasma Physics via Computer Simulation (Institute
of Physics Publishing, 1991)
2. R.W. Hockney, J.W. Eastwood: Computer Simulation using Particles (Institute of
Physics Publishing, 1988)
3. W. F. Ames: Numerical Methods for Partial Differential Equations (Academic
Press, 1992)
4. W.H. Press et al.: Numerical Recipes in C (Cambridge University Press, 1992)
Programmieren in C und C++:
1. B.W. Kernighan, D.M. Ritchie: Programmieren in C (Hanser, 1990)
2. B. Stroustrup: Die C++ Programmiersprache (Addison-Wesley, 1992)
3. D.M. Capper: Introducing C++. For Scientists, Engineers and Mathematicians
(Springer, 1994).
Inhaltsverzeichnis
1
2
Diskrete Approximation von Funktionen
2
1.1
Numerische Differentiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.2
Interpolation und Extrapolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.3
Numerische Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
1.4
Diskrete Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Kinetische Theorie und Computersimulation
17
2.1
Vlasov-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2.1.1
Lineare Vlasov-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
2.1.2
Plasmaschwingungen im kalten Plasma . . . . . . . . . . . . . .
21
2.1.3
Plasmawellen im thermischen Plasma . . . . . . . . . . . . . . .
24
2.1.4
Zweistrominstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Plasmasimulation mit Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
2.2.1
Regularisierung der Coulomb-Wechselwirkung . . . . . . . . . .
29
2.2.2
Teilchenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
2.2.3
Eindimensionales Modell
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
2.2.4
Dimensionslose Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
2.2.5
Gittermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
2.2
1
Kapitel 1
Diskrete Approximation von
Funktionen
Zur Anwendung numerischer Methoden müssen kontinuierliche Variablen in der Regel
zunächst diskretisiert werden. Im folgenden werden diskrete Approximationen von Funktionen auf einem Gitter betrachtet, wobei immer vorausgesetzt wird, daß diese Funktionen
stetig und gegebenenfalls auch hinreichend oft differenzierbar sind. Für diese diskreten
Approximationen werden einige elementare numerische Operationen zur Differentiation,
Integration, Interpolation und Fouriertransformation eingeführt.
1.1
Numerische Differentiation
Eine stetige Funktion y = f (x) wird diskretisiert, indem man nur die Funktionswerte
yi = f (xi ) an diskreten Stellen xi betrachtet. Eine Stelle xi wird als Gitterpunkt, die Gesamtheit der Gitterpunkte als Gitter bezeichnet. Wählt man die Gitterpunkte hinreichend
dicht, so kann man den Verlauf der stetigen Funktion auf dem Gitter beliebig genau approximieren. Meist verwendet man, wie in Abb.1.1 dargestellt, Gitter mit äquidistanten
Gitterpunkten,
(1.1)
xi = x0 + ih,
i = 0, 1, 2, · · · , N.
Bei einer Unterteilung des Intervalls [x0 , xN ] in N gleiche Teilintervalle gilt für die
Schrittweite h die einfache Beziehung
h=
xN − x0
.
N
(1.2)
Differentiale werden auf dem Gitter durch finite Differenzen dargestellt. Auf diese Weise
können Differentialgleichungen in Differenzengleichungen umgewandelt und danach mit
algebraischen Methoden numerisch gelöst werden.
2
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
3
Abbildung 1.1: Äquidistantes
Gitter mit Schrittweite h
Wir wollen zunächst diskrete Approximationen für die Ableitungen von Funktionen finden. Die Ableitung einer Funktion wird durch den Grenzwert → 0 des Differenzenquotienten
f (x + ) − f (x)
,
(1.3)
y 0 (x) = lim
→0
definiert. Kennt man von der Funktion nur die Funktionswerte auf dem Gitter, so ist es
naheliegend die Ableitung im Punkt i durch den Differenzenquotienten
0
yi,V
=
yi+1 − yi
h
(1.4)
zu berechnen. Der Index V deutet an, daß die Steigung vom Punkt xi aus in Vorwärtsrichtung berechnet wird. Analog kann man aber auch den Differenzenquotienten
0
yi,R
=
yi − yi−1
h
(1.5)
verwenden, der die Steigung in Rückwärtsrichtung angibt. Da die Differenzenquotienten
in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung i.a. verschieden sind, verletzen diese Approximationen die Stetigkeit der Ableitung im Punkt xi . Von einer numerischen Methode werden ganz allgemein gewisse Konsistenzeigenschaften erwartet. Hierzu zählt die Konvergenz. Die beiden Differenzenquotienten (1.4) und (1.5) konvergieren im Grenzübergang
zu einer infinitesimalen Schrittweite offensichtlich beide gegen den Differentialquotienten (1.3). Eine weitere wünschenswerte Konsistenzeigenschaft ist die Beibehaltung von
exakten Symmetrien oder von Erhaltungsgrößen in der diskreten Approximation. Daher
wäre eine Approximation der Ableitung vorzuziehen, die im Punkt xi eindeutig ist.
Eine mit der Stetigkeit der Ableitung konsistente numerische Approximation ist der zentrale Differenzenquotient, den man aus dem arithmetischen Mittel von (1.4) und (1.5)
bilden kann
yi+1 − yi−1
1 0
0
0
=
yi,Z
=
yi,V + yi,R
.
(1.6)
2
2h
Aus der Abbildung (1.2) erkennt man bereits graphisch, daß der zentrale Differenzenquotient eine bessere Approximation an die Ableitung im Punkt i darstellt.
Finite Differenzen beinhalten immer Abbruchfehler, die ihre Genauigkeit begrenzen. Die
Genauigkeit der verschiedenen Differenzenquotienten kann einfach abgeschätzt werden,
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4
Abbildung 1.2: Kurve y =
f (x) mit monoton wachsender Steigung. Der Differenzenquotient in Vorwärtsrichtung (V) ist größer, der in
Rückwärtsrichtung (R) kleiner als der Differentialquotient im Punkt xi . Der zentrale Differenzenquotient (Z)
stellt als Mittelwert eine bessere Näherung dar.
indem man yi+1 = f (xi + h) und yi−1 = f (xi − h) jeweils um die Stelle xi in eine
Taylorreihe entwickelt,
1
1
1
1 0
yi h + yi00 h2 ± yi000 h3 + yi0000 h4 ± · · · .
(1.7)
1!
2!
3!
4!
Durch Einsetzen dieser Reihenentwicklungen für yi±1 , erhält man in niedrigster Ordnung
in h die Abbruchfehler
1
0
yi,V
= yi0 + yi00 h + · · ·
2
1
0
yi,R
= yi0 − yi00 h + · · ·
(1.8)
2
1
0
yi,Z
= yi0 + yi000 h2 + · · ·
3!
Die Differenzenquotienten in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung approximieren die erste
Ableitung in erster Ordnung, d.h. der Abbruchfehler ist O(h). Der zentrale Differenzenquotient stellt dagegen eine Näherung zweiter Ordnung mit einem Abbruchfehler O(h2 )
dar. Zu seiner Berechnung werden nur zwei Funktionsauswertungen benötigt. Die Schrittweite h muß so gewählt werden, daß sie klein im Vergleich zu den Gradientenlängen aber
noch groß gegenüber den unvermeidlichen numerischen Rundungsfehlern ist.
yi±1 = yi ±
In der Regel werden Differentiale wegen der höheren Genauigkeit durch zentrale Differenzen approximiert. Allerdings gibt es Fälle, bei denen die Fehler bei mehrfacher Anwendung eines Verfahrens unkontrolliert anwachsen. Ein solches Verfahren nennt man
instabil. Neben der Konsistenz und der Genauigkeit stellt die Stabilität ein weiteres wichtiges Merkmal eines numerischen Verfahrens dar. Beispiele unerwünschter instabiler Verfahren werden wir bei der numerischen Lösung von Differentialgleichungen kennenlernen.
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5
Höhere Ableitungen kann man durch sukzessive Anwendung der Formeln für die erste
Ableitung gewinnen. Zur Berechnung der zweiten Ableitung berechnen wir die erste Ableitung zentriert an den Zwischengitterpunkten xi+1/2 = x0 + (i + 12 )h und daraus die
zweite Ableitung an den Gitterpunkten xi (Abb.1.3)
Abbildung 1.3: Berechnung der zweiten Ableitung auf einem Gitter mit
Zwischengitterpunkten.
An den Gitterpunkten
sind y und y 00 , an den
Zwischengitterpunkten ist
y 0 definiert.
yi+1 − yi
yi − yi−1
0
,
yi−1/2
=
,
h
h
0
0
yi+1/2
− yi−1/2
yi+1 − 2yi + yi−1
=
=
.
h
h2
0
yi+1/2
=
yi00
(1.9)
Diese Differenzenformel stellt eine Näherung zweiter Ordnung für die zweite Ableitung
dar. Den Abbruchfehler erhält man durch Addition der Taylorentwicklungen (1.7) für yi+1
und yi−1 ,
1
yi+1 − 2yi + yi−1
= yi00 + y 0000 h2 + · · · .
(1.10)
2
h
12
1.2
Interpolation und Extrapolation
Ist der Verlauf einer Kurve y = f (x) hinreichend glatt, so gibt es Verfahren, die Funktionswerte in einem beliebigen Punkt x aus den Funktionswerten an den Gitterpunkten xi
näherungsweise zu berechnen. Liegt x innerhalb des Intervalls [x0 , xN ], so spricht man
von Interpolation, sonst von Extrapolation. Die hier besprochenen Interpolationsmethoden können genauso zur Extrapolation verwendet werden, wobei zu beachten ist, daß der
Abstand zu den Intervallgrenzen hierbei nicht viel größer als eine Schrittweite sein sollte.
Die einfachste Interpolationsmethode ist die konstante Interpolation. Hierbei wird y =
f (x) = f (xi ) = yi gesetzt, wobei xi der dem Punkt x am nächsten gelegene Gitterpunkt
ist. Die Funktion wird hierbei durch eine Treppenfunktion approximiert.
Eine Verbesserung dieser Methode erhält man durch lineare Interpolation. Zwischen zwei
benachbarten Gitterpunkten xi und xi+1 wird die Funktion durch eine Gerade mit der
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Gleichung
y = yi +
yi+1 − yi
(x − xi )
xi+1 − xi
6
(1.11)
approximiert. Man kann diese Geradengleichung auch als einen gewichteten Mittelwert
der Funktionswerte in den Gitterpunkten auffassen, indem man
y = (1 − ξ)yi + ξyi+1 ,
mit
ξ=
x − xi
xi+1 − xi
(1.12)
schreibt. Der Parameter ξ variiert hierbei zwischen 0 und 1. Abbildung 1.4 zeigt graphisch
den Unterschied zwischen der linearen und der konstanten Interpolation.
Abbildung 1.4: Konstante
und lineare Interpolation
zwischen den Gitterpunkten
xi−1 und xi+1
Die Interpolation in mehreren Variablen kann auf eine Reihe eindimensionaler Interpolationen zurückgeführt werden. Als Beispiel betrachten wir die bilineare Interpolation für
eine Funktion z(u, v) mit zwei Variablen u und v. Mit den auf einem zweidimensionalen Gitter definierten Funktionswerten zik = z(ui , vk ) soll der Funktionswert im Punkt
(u, v) durch lineare Interpolation bestimmt werden. Dazu betrachten wir diejenige Zelle
des Gitters, ui < u < ui+1 , vk < v < vk+1 , die den Punkt (u, v) enthält und bezeichnen
die Funktionswerte an den Eckpunkten der Zelle mit z1 , z2 , z3 , z4 (Abb.1.5). Durch Interpolationen in u-Richtung für v = vk und v = vk+1 erhält man Zwischenwerte z12 und z34 .
Aus diesen ergibt eine weitere Interpolation in v-Richtung den gesuchten Wert z:
z12 = (1 − ξ)z1 + ξz2 ,
z34 = (1 − ξ)z4 + ξz3 ,
z = (1 − η)z12 + ηz34
= (1 − ξ)(1 − η)z1 + ξ(1 − η)z2 + ξηz3 + (1 − ξ)ηz4 ,
(1.13)
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mit
ξ=
u − ui
,
ui+1 − ui
η=
7
v − vk
.
vk+1 − vk
Abbildung 1.5: Zelle eines
zweidimensionalen Gitters.
Durch bilineare Interpolation
kann z(u, v) als gewichtetes
Mittel von z1 , z2 , z3 und z4
berechnet werden.
Die konstante und lineare Interpolation sind Spezialfälle der polynominalen Interpolation. Zu den Funktionswerten yi an N + 1 Gitterpunkten xi (i = 0, · · · , N ) gibt es ein eindeutig bestimmtes Polynom P01···N (x) N -ter Ordnung, welches die N + 1 Bedingungen
P01···N (xi ) = yi an den Gitterpunkten erfüllt. Dieses Polynom wird als Interpolationspolynom bezeichnet. Das Interpolationspolynom kann explizit mit der Lagrange-Formel
P01···N (x) =
N
X
Lk (x)yk
(1.14)
x − xi
xk − xi
(1.15)
k=0
berechnet werden, wobei die Koeffizienten
Lk (x) =
N
Y
i=0i6=k
Polynome sind, die im Gitterpunkt xk den Wert 1 annehmen und an den restlichen Gitterpunkten i 6= k Nullstellen besitzen.
Die Lagrange-Formel bestimmt das Interpolationspolynom einer festen Ordnung N als
Funktion von x. Interessiert man sich für Interpolationswerte an einer festen Stelle x und
für deren Genauigkeit als Funktion der Ordnung N , so ist es günstiger einen Algorithmus
von Neville zu verwenden. Der Neville-Algorithmus basiert auf einer Rekursionsformel
für die Interpolationspolynome m-ter Ordnung. Sei Pi(i+1)···(i+m) das eindeutig bestimmte
Interpolationspolynom m-ter Ordnung durch die Gitterpunkte i, · · · , (i + m). Für dieses
Polynom gilt die Rekursionsformel
Pi(i+1)···(i+m) =
(x − xi+m )Pi(i+1)···(i+m−1) + (xi − x)P(i+1)(i+2)···(i+m)
.
xi − xi+m
(1.16)
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8
Den Beweis dieser Formel kann man nach dem Prinzip der vollständigen Induktion führen. Seien Pi(i+1)···(i+m−1) und P(i+1)(i+2)···(i+m) bereits Interpolationspolynome
(m − 1)-ter Ordnung, die an den angegebenen Gitterpunkten die vorgegebenen Werte
annehmen. Dann ist Pi(i+1)···(i+m) nach (1.16) ein Polynom m-ter Ordnung, das in den
Gitterpunkten x = xi , x = xi+m und x = xk mit k 6= i, i + m die vorgegebenen Werte
annimmt, denn es gilt:
Pi(i+1)···(i+m) (xi ) = Pi(i+1)···(i+m−1)(xi ) = yi ,
Pi(i+1)···(i+m) (xi+m ) = P(i+1)(i+2)···(i+m)(xi+m ) = yi+m .
(xk − xi+m )yk + (xi − xk )yk
Pi(i+1)···(i+m) (xk ) =
= yk .
xi − xi+m
(1.17)
Sei yi(i+1)···(i+m) = Pi(i+1)···(i+m) (x) der Wert des Interpolationspolynoms an der gesuchten Stelle x und es seien
Cm+1,i = yi(i+1)···(i+m+1) − yi(i+1)···(i+m)
Dm+1,i = yi(i+1)···(i+m+1) − y(i+1)···(i+m+1)
(1.18)
die Änderungen dieser Werte bei der Hinzunahme eines weiteren Gitterpunktes. Diese
Änderungen lassen sich mit Hilfe von (1.16) ebenfalls rekursiv berechnen:
(x − xi+m+1 )yi(i+1)···(i+m) + (xi − x)y(i+1)(i+2)···(i+m+1)
xi − xi+m+1
(xi − xi+m+1 )yi(i+1)···(i+m)
−
xi − xi+m+1
(xi − x)(y(i+1)(i+2)···(i+m+1) − yi(i+1)···(i+m) )
=
xi − xi+m+1
(xi − x)(Cm,i+1 − Dm,i )
=
,
xi − xi+m+1
Cm+1,i =
(x − xi+m+1 )yi(i+1)···(i+m) + (xi − x)y(i+1)(i+2)···(i+m+1)
xi − xi+m+1
(xi − xi+m+1 )y(i+1)···(i+m+1)
−
xi − xi+m+1
(xi+m+1 − x)(y(i+1)(i+2)···(i+m+1) − yi(i+1)···(i+m) )
=
xi − xi+m+1
(xi+m+1 − x)(Cm,i+1 − Dm,i )
=
.
xi − xi+m+1
(1.19)
Dm+1,i =
(1.20)
Die möglichen Interpolationswerte und ihre Änderungen bei einer Erhöhung der Ordnung
m lassen sich durch die in Abb.1.6 gezeigte Baumstruktur darstellen. Für m = 0 wählt
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
9
Abbildung 1.6: NevilleAlgorithmus zur rekursiven
Berechnung eines Interpolationswertes mit Interpolationspolynomen
m-ter
Ordnung.
man als Interpolationswert den Funktionswert des nächstgelegenen Gitterpunktes. Mit
Hilfe der Änderungen Cm,i und Dm,i können die höheren polynomionalen Interpolationen
gemäß,
yi···(i+m) = yi···(i+m−1) + Cm,i
= y(i+1)···(i+m) + Dm,i
sukzessive berechnet werden, bis man den Wert y012···N erreicht. Die letzte Änderung gibt
eine Fehlerabschätzung dieses Wertes an.
1.3
Numerische Integration
Zur numerischen Berechnung eines bestimmten Integrals gibt es eine Reihe von sogenannten Quadraturformeln, die das Integral als eine gewichtete Summe
I=
ZxN
x0
f (x)dx = h
N
X
ci yi
(1.21)
i=0
der Funktionswerte yi = f (xi ) an den Gitterpunkten xi = x0 +ih approximieren. Die Gewichte ci werden durch unterschiedliche Interpolationsverfahren bestimmt und sind unabhängig von der zu integrierenden Funktion. Da sich Integrale im allgemeinen nicht geschlossen darstellen lassen, wurden Quadraturformeln bereits im 18. und 19. Jahrhundert
untersucht. Mit der Verfügbarkeit von Computern sind einige dieser Formeln zu allgemein
anwendbaren praktischen Rechenverfahren geworden. Die bekanntesten Quadraturfomeln
sind die Sehnentrapezformel und die Simpson-Formel. Im folgenden wird angenommen,
daß die Gitterpunkte äquidistant sind, der Integrand keine Singularitäten besitzt und das
Integrationsintervall endlich ist. Für allgemeinere Fälle sei auf die Literatur verwiesen.
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
10
Die Sehnentrapezformel erhält man durch lineare Interpolation der Funktionswerte zwischen benachbarten Gitterpunkten. Dazu betrachten wir ein Teilinterval xi−1 < x < xi
der Breite h = xi − xi−1 und ersetzen in diesem die Funktion y = f (x) durch die Sehne
P (x) = yi−1 + (yi − yi−1 )ξ,
ξ=
x − xi−1
.
h
(1.22)
Die Integration von P (x) ergibt
Zxi
P (x)dx = h
xi−1
Z1
dξ {yi−1 + (yi − yi−1 ) ξ} =
0
h
(yi−1 + yi )
2
(1.23)
Geometrisch beschreibt diese Formel den in Abb.1.7 gezeigten Flächeninhalt eines Trapezes unterhalb der Sehne P (x). Alternativ kann man darunter auch die Fläche unterhalb
einer Treppenfunktion verstehen, die eine Sprungstelle in der Intervallmitte hat.
Abbildung 1.7: Die Sehnentrapezregel approximiert die
Fläche unterhalb einer Kurve
f (x) im Teilintervall xi−1 <
x < xi durch die Fläche des
Trapezes unterhalb der Sehne P (x) (grau). Diese Fläche
entspricht der Fläche unterhalb einer Stufenfunktion, deren Sprungstelle in der Intervallmitte liegt (gestrichelt).
Der Fehler der Sehnentrapezformel kann durch ein Polynom 2. Grades für die Abweichungen R(x) = f (x) − P (x) der Funktionswerte f (x) von den Interpolationswerten
P (x) abgeschätzt werden. Da R(x) in den Gitterpunkten verschwindet, gilt in quadratischer Näherung
f 00 (x̃)
R(x) ≈
(x − xi−1 )(x − xi ),
(1.24)
2
wobei die zweite Ableitung R00 = f 00 (x̃) durch die zweite Ableitung der Funktion f an
einer beliebigen Stelle x̃ innerhalb des Intervals definiert wird. Die Integration von R(x)
über das Teilintervall ergibt,
Zxi
xi−1
1
f 00 (x̃)h3 Z
1
dx R(x) =
dξ ξ(ξ − 1) = − f 00 (x̃)h3 .
2
12
0
(1.25)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
11
Der Fehler der Sehnentrapezformel ist daher von der Ordnung O(f 00 h3 ).
Das Integral I über das Gesamtintervall [x0 , xN ] kann als Summe der Integrale über die
Teilintervalle [xi−1 , xi ] berechnet werden. Dies ergibt die summierte Sehentrapezformel,
I=
N
X
h
i=1
1
1
(yi−1 + yi ) = h y0 + y1 + y2 + · · · + yN −1 + yN
2
2
2
.
(1.26)
Die Randpunkte werden in (1.26) mit dem Faktor 1/2 gewichtet, während alle inneren
Punkte den Faktor 1 besitzen. Wie in Abbildung 1.8 gezeigt, besitzen die Teilflächen
unterhalb der zusammengesetzten Treppenfunktion in den Randpunkten nur die halbe
Intervallbreite.
Abbildung 1.8: Mit der summierten Sehnentrapezformel
wird die grau gezeichnete
Fläche berechnet. Die Teilrechtecke besitzen in den
Randpunkten die Breite h/2,
in den inneren Punkten die
Breite h.
Eine symmetrischere Darstellung erhält man, wenn die Funktionswerte jeweils in den
Mittelpunkten xi+1/2 der Teilintervalle berechnet werden. Dann besitzen alle Rechtecke
unterhalb der Treppenfunktion dieselbe Breite h und für die Gesamtfläche gilt die summierte Mittelpunktsformel
I = h y1/2 + y3/2 + · · · + yN −1/2 .
(1.27)
Der Fehler der summierten Quadraturformeln wird üblicherweise als Funktion der Anzahl
N der Intervalle angegeben, wobei eine feste Länge xN − x0 = N h des Integrationsintervalles vorausgesetzt wird. Der Gesamtfehler von (1.26) bzw. (1.27) ist dann von der
Ordnung N O(f 00 h3 ) = O(1/N 2 ).
Um eine höhere Genauigkeit zu erzielen, können Interpolationspolynome höherer Ordnung für eine entsprechend größere Anzahl von Gitterpunkten verwendet werden. In
einem Teilintervall xi−1 < x < xi+1 mit drei Gitterpunkten werde z.B. die Funktion
y = f (x) durch ihre Taylorentwicklung um xi ,
1
1
1 (4)
y = yi + yi0 hξ + yi00 (hξ)2 + yi000 (hξ)3 + yi (hξ)4 + · · ·
2
3!
4!
(1.28)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
12
dargestellt. Die Integration ergibt dann die Simpson-Formel
xZi+1
dx f (x) =
xi−1
1 00 1
1 (4) 1
3
5 +1
yi hξ + yi (hξ) + yi (hξ) −1
2 3
4!
5
1
= h 2yi + (yi+1 + yi−1 − 2yi ) + O(y (4) h5 )
3
1
4
1
= h yi−1 + yi + yi+1 + O(y (4) h5 ).
(1.29)
3
3
3
Durch die drei Gitterpunkte wird das Interpolationspolynom 2. Ordnung eindeutig bestimmt. Da jedoch ungerade Potenzen bei der Integration keinen Beitrag liefern, ist die
Simpson-Formel auch für Polynome 3. Ordnung exakt und der Fehler ist von der Ordnung
O(y (4) h5 ). Die zweite Ableitung h3 yi00 wurde durch die Differenzenapproximation (1.9)
mit einem Gesamtfehler derselben Ordnung h3 O(h2 ) = O(h5 ) ersetzt.
Zur Anwendung der Simpson-Formel auf das gesamte Integrationsintervall muß eine gerade Anzahl N von Teilintervallen vorliegen. Die Addition der Beiträge von jeweils zwei
aufeinanderfolgenden Teilintervallen ergibt die summierte Simpson-Formel
x2i
X Z
N/2
I =
dx f (x)
i=1 x2i−2
4
2
4
2
4
1
1
= h y0 + y1 + y2 + y3 + · · · + yN −2 + yN −1 + yN .
3
3
3
3
3
3
3
(1.30)
Der Fehler der Simpson-Formel ist von der Ordnung N O(y (4) h5 ) = O(1/N 4 ).
In der Regel ist nicht bekannt, welche Schrittweite h benötigt wird, um ein Integral
mit einer bestimmten Genauigkeit auszuwerten. Daher sind iterative Verfahren interessant, die die Schrittweite h solange halbieren, bis eine vorgegebene Genauigkeit erreicht ist (Abb.1.9). Zur Iteration eignet sich besonders die Sehnentrapezformel. Im
k-ten Iterationsschritt wird das Grundintervall in 2k−1 Intervalle mit der Schrittweite
hk = (xN − x0 )/2k−1 unterteilt. Mit der Sehnentrapezformel erhält man für den Wert
des Integrals, Ik , im k-ten Iterationsschritt die einfache Rekursionsformel
h1
(y0 + yN )
2
X
1
Ik =
Ik−1 + hk
y(x0 + hk ) + y(x0 + 3hk ) + · · · y(xN − hk ) . (1.31)
2
Hierbei ist k > 1, und die Summe läuft nur über die im k-ten Iterationsschritt neu hinzugekommenen Punkte, deren Abstand 2hk beträgt. Die Summe Ik−1 des vorhergehenden
Iterationsschrittes wird entsprechend der neuen Schrittweite halbiert.
I1 =
Ein Vorteil des Iterationsverfahrens besteht in der Möglichkeit zur Fehlerelimination. Bei
einer Halbierung der Schrittweite wird der quadratische Fehler der Sehnentrapezregel um
den Faktor 1/4 reduziert. Die Linearkombination
4
1
Ik,Simpson = Ik − Ik−1
3
3
(1.32)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
13
Abbildung 1.9: Fortgesetzte Halbierung der Schrittweite zur iterativen Berechnung
von Integralen nach der Sehnentrapezformel (1.31). Die
im k-ten Schritt neu hinzugekommenen Funktionswerte
sind als Punkte gekennzeichnet.
eliminiert den quadratischen Fehler ganz und ist tatsächlich äquivalent zur Simpson Formel
X
4 1
4
Ik−1 + hk
y(x0 + hk ) + y(x0 + 3hk ) + · · · + y(xN − hk ) − Ik−1
3 2
3
4 X
1
Ik−1 +
hk
y(x0 + hk ) + y(x0 + 3hk ) + · · · + y(xN − hk )
=
3 3
2hk 1
1
=
y(x0 ) + y(x0 + 2hk ) + · · · + y(xN )
3 2
2
4hk X
y(x0 + hk ) + y(x0 + 3hk ) + · · · + y(xN − hk ) .
+
3
Die Simpson-Formel kann daher einfach auf die Sehnentrapezformel zurückgeführt werden.
Mit mehreren Näherungslösungen Ik lassen sich entsprechend Fehler höherer Ordnung
eliminieren. Dieses Verfahren wird als Romberg-Integration bezeichnet. Hat man mehrere aufeinanderfolgende Näherungslösungen für verschiedene Schrittweiten berechnet, so
läßt sich der Wert für die Schrittweite Null durch Extrapolation bestimmen. Zur Extrapolation kann der oben beschriebene Neville-Algorithmus verwendet werden. Vergleichen
Sie hierzu das Programm “qromb” aus den Numerical Recipes.
1.4
Diskrete Fouriertransformation
Eine periodische Funktion f (t) mit der Periode T kann durch eine Fourierreihe
f (t) =
+∞
X
n=−∞
fˆn exp(−iωn t)
(1.33)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
14
mit den Fourierkoeffizienten
T
1 Z
ˆ
fn =
dt f (t) exp(iωn t)
T
(1.34)
0
dargestellt werden. Die Frequenzen ωn = nΩ bezeichnen ganzzahlige Vielfache der
Grundfrequenz Ω = 2π/T .
Für eine nichtperiodische Funktion gilt eine entsprechende Darstellung durch ein Fourierintegral. Für den Grenzübergang T → ∞ können die diskreten Frequenzen ωn durch eine
kontinuierliche Frequenz ω ersetzt werden. Mit den Substitutionen
+∞
X
1
→
2π/T
n=−∞
+∞
Z
dω,
T fˆn → fˆ(ω)
(1.35)
ω=−∞
erhält man aus (1.33) und (1.34) das Fourierintegral und seine Umkehrung in der Form
f (t) =
fˆ(ω) =
+∞
Z
ω=−∞
+∞
Z
dω ˆ
f (ω) exp(−iωt)
2π
dt f (t) exp(iωt).
(1.36)
t=−∞
Kennt man von einer Funktion eine hinreichend genaue diskrete Approximation in N
Gitterpunkten, so kann man ihre diskrete Fouriertransformation berechnen. Die Funktion
f (t) sei, wie in Abb.1.10 gezeigt, über ein Intervall T = N ∆t an den Gitterpunkten
tk = k∆t, k = 0, · · · , N − 1 vorgegeben.
Abbildung 1.10: Gitter für
die diskrete Fouriertransformation. Innerhalb einer Periode T = N ∆t sind N unabhängige Funktionswerte in
den Punkten t0 , · · · , tN −1
vorgegeben.
Setzt man die Funktion periodisch fort, so können die Formeln für die Fouriertransformation periodischer Funktionen angewendet werden. Die Auswertung der Fourierkoeffizienten (1.34) nach der summierten Mittelpunktsformel (1.27) ergibt
−1
1 NX
fˆn =
fk exp(2πink/N )
N k=0
(1.37)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
15
wobei ∆t = T /N und ωn tk = 2πnk∆t/T = 2πnk/N gesetzt wurde. Mit N Funktionswerten könnnen nur N unabhängige Fourierkoeffizienten bestimmt werden. Dies bedeutet, daß die Fourierreihe (1.33) durch ein trigonometrisches Polynom
N/2−1
fk =
X
fˆn exp(−2πink/N )
(1.38)
n=−N/2
zu ersetzen ist, wobei die maximale Frequenz ωmax = (N/2)Ω = π/∆t durch die Schrittweite ∆t bestimmt wird. Außerhalb des gewählten Intervalls −N/2 ≤ n < N/2 liefert
die diskrete Fouriertransformation (1.37) nichts Neues, da ihre Fourierkoeffizienten periodisch sind, fˆn+N = fˆn . Dies folgt unmittelbar aus
eiωn+N tk = eiωn tk e2πik = eiωn tk .
(1.39)
Es ist üblich, die negativen Frequenzen −N/2, · · · , −1 durch die entsprechenden positiven Frequenzen +N/2, · · · , N − 1 zu ersetzen. Die diskrete Fouriertransformation und
ihre Umkehrung können dann durch analoge Summen
N fˆn =
N
−1
X
k=0
fk e2πink/N ,
fk =
N
−1
X
fˆn e−2πink/N ,
(1.40)
n=0
ausgedrückt werden. Sie unterscheiden sich nur im Vorzeichen des Exponenten und im
Normierungsfaktor N . Daher kann derselbe numerische Algorithmus in beiden Richtungen angewandt werden.
Der Abbruch der Fourierreihe bei der Frequenz ωmax = π/∆t kann zu fehlerhaften
Ergebnissen führen, falls höhere Frequenzen vorliegen. Bei der Frequenz ωmax ist die
Schrittweite ∆t gerade gleich der halben Periode 2π/ωmax = 2∆t. Ist die Schrittweite
größer als eine halbe Periode, so wird durch die diskreten Werte die kleinere Frequenz
ωn−N = ωn − N Ω vorgetäuscht. Dieser Effekt ist in Abb.1.11 für n ≈ N schematisch
dargestellt.
Abbildung 1.11: Diskrete
Darstellung einer Schwingung mit einer Schrittweite,
die größer ist als die halbe
Schwingungsperiode.
Die
diskreten Punkte verfälschen
die tatsächliche Periode.
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
16
Bei der Anwendung der diskreten Fouriertransformation ist darauf zu achten, daß es
zu keiner Verfälschung des Frequenzspektrums kommt. Wird die Schrittweite zu groß
gewählt, so werden die hohen Frequenzen des Frequenzspektrums nicht nur abgeschnitten sondern auch in das Grundintervall −π/∆t ≤ ω < π/∆t zurückgefaltet (Abb.1.12).
Abbildung 1.12: Spektrum einer Funktion (durchgezogen)
und seine Verfälschung in
der diskreten Approximation
durch eine zu große Schrittweite (gestrichelt).
Die numerische Integration kann besonders effizient durch die sogenannte schnelle Fouriertransformation (FFT: “Fast Fourier Transform”) ausgeführt werden.
Kapitel 2
Kinetische Theorie und
Computersimulation
Plasmen können als stoßbestimmt oder als stoßfrei unterschieden werden. Im ersten Fall
sind die charakteristischen Zeitskalen sehr viel größer, im zweiten Fall sehr viel kleiner
als die mittlere freie Flugzeit der Teilchen. Stoßbestimmte Plasmen können in der Regel makroskopisch durch hydrodynamische Gleichungen beschrieben werden. Stoßfreie
Plasmen verlangen dagegen eine detailliertere kinetische Beschreibung im Rahmen der
Vlasov-Theorie.
2.1
Vlasov-Theorie
Die Vlasov-Theorie basiert auf der Annahme, daß sich jedes Teilchen im Phasenraum
(x, v) im mittleren Feld aller anderen Teilchen bewegt. Die mittlere Anzahl der Teilchen
in einem Volumenelement des Phasenraumes, dN = f (x, v, t)d3 xd3 v, wird durch eine Verteilungsfunktion f (x, v, t) angegeben. Das von diesen Teilchen erzeugte mittlere
elektrostatische Potential Φ(x, t) wird durch die Poisson-Gleichung,
∆Φ(x, t) = −4πq
Z
d3 v [f (x, v, t) − f0 ],
(2.1)
bestimmt, wobei f0 die Verteilungsfunktion eines neutralen Gleichgewichtszustandes ist.
Beschränkt man sich auf elektrostatische Probleme, so lauten die Bewegungsgleichungen
der Teilchen
q
ẋ = v ,
v̇ = − ∇Φ(x, t) .
(2.2)
m
Das Geschwindigkeitsfeld (ẋ, v̇) im 6-dimensionalen Phasenraum ist divergenzfrei,
∂
∂
∂
q ∂
·ẋ +
·v̇ =
·v −
·∇Φ(x, t) = 0,
∂x
∂v
∂x
m ∂v
17
(2.3)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
18
da x und v unabhängige Koordinaten sind. Die Dichte f (x, v, t) bewegt sich daher im
Phasenraum wie eine inkompressible Flüssigkeit. Ein beliebiges mit den Teilchen mitbewegtes Gebiet verändert zwar seine Form aber nicht sein Volumen. Daraus folgt, daß
sich auch die Teilchendichte f (x(t), v(t), t) entlang der Bahn (x(t), v(t)) eines Teilchens
nicht ändert, d.h. es gilt
∂f
q
∂f
∂f
+ v·
− ∇Φ(x, t)·
=0.
∂t
∂x m
∂v
(2.4)
Diese Bewegungsgleichung für die Verteilungsfunktion ist eine einfache Form einer kinetischen Gleichung, die als Vlasov-Gleichung bezeichnet wird. Allgemeinere kinetische
Gleichungen besitzen die Form
∂f
∂f
∂f
+ v·
+ v̇·
=C,
∂t
∂x
∂v
(2.5)
wobei C einen Stoßterm bezeichnet, der die Änderung der Verteilungsfunktion durch
Stöße beschreibt. Die Vlasov-Gleichung ist eine kinetische Gleichung ohne Stoßterm.
2.1.1
Lineare Vlasov-Gleichung
Das Vlasov-Poisson-Gleichungssystem ist im allgemeinen nichtlinear, da das mittlere Potential selbst von der Verteilungsfunktion abhängt. Vereinfachte lineare Gleichungen ergeben sich jedoch für hinreichend kleine Störungen einer bekannten Gleichgewichtslösung.
Diese Störungen können durch ebene Wellen mit einem reellen Wellenvektor k dargestellt
werden. Die möglichen Frequenzen ω = ω(k) dieser Plasmawellen werden durch die
Nullstellen einer Plasmadispersionsfunktion D(ω, k) bestimmt, deren allgemeine Form
im folgenden hergeleitet wird.
Das Gleichgewicht werde durch eine räumlich homogene, zeitunabhängige Verteilungsfunktion f0 (v) und ein konstantes Potential Φ0 = 0 beschrieben. Kleine Abweichungen
vom Gleichgewicht besitzen daher die Form,
f (x, v, t) = f0 (v) + f1 (x, v, t),
Φ(x, t) = Φ1 (x, t)
(2.6)
wobei der Index 1 eine kleine Störung bezeichnet. Vernachlässigt man quadratische Terme
in den Störungen, so ergeben sich mit diesem Ansatz aus (2.1) und (2.4) die linearisierten
Gleichungen,
∂f1
∂f1
q
∂f0
+ v·
− ∇Φ1 ·
=0,
∂t
∂x
m
∂v
∆Φ1 = −4πq
Z
d3 v f1 .
Für ein räumliches Volumen mit periodischen Randbedingungen können die Störungen
als Fourierreihen dargestellt werden. Wegen der Linearität der Gleichungen genügt es
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
19
Abbildung 2.1: Integrationsweg der inversen Laplacetransformation in der komplexen ω-Ebene. Der Weg
verläuft parallel zur reellen ωAchse oberhalb aller Singularitäten (Punkte) der Laplacetransformierten.
daher einen Ansatz f1 , Φ1 ∝ exp(ik · x) zu betrachten. Dafür ergeben sich die Gleichungen,
Z
∂f1
q
∂f0
+ iv · kf1 − ik·
Φ1 = 0 , −k 2 Φ1 = −4πq d3 v f1 .
∂t
m
∂v
Für die Zeitentwicklung kann man im allgemeinen keine periodischen Lösungen voraussetzen, da die Störungen im Laufe der Zeit anwachsen oder abklingen können. Es ist daher
zweckmäßig bezüglich der Zeit ein Anfangswertproblem zu betrachten und dieses mit der
Methode der Laplace-Transformation zu lösen. Für eine beliebige Funktion h(t) werden
die Laplace-Transformation und ihre Umkehrung durch die Beziehungen
ĥ(ω) =
Z∞
dt h(t) eiωt ,
=(ω) > s,
(2.7)
0
h(t) =
∞+is
Z
−∞+is
dω
ĥ(ω) e−iωt ,
2π
t > 0,
(2.8)
definiert. Hierbei wird angenommen, daß ĥ(ω) in der Halbebene =(ω) > s konvergent ist.
In der Halbebene =(ω) < s besitzt die Funktion im allgemeinen Singularitäten. Bei der
Rücktransformation verläuft der Integrationsweg wie in Abb.2.1 gezeigt in der komplexen
ω-Ebene oberhalb aller Singularitäten von ĥ(ω). Die Laplacetransformierte der ersten
Ableitung der Funktion erhält man durch eine partielle Integration in der Form,
Z∞
0
dt
∂h(t) iωt
e
= −h(0) − iω ĥ(ω).
∂t
(2.9)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
20
Sie hängt vom Anfangswert h(0) der Funktion ab. Mit einem Anfangswert f1 (t = 0) = g
erhält man für fˆ1 und Φ̂1 das Gleichungssystem
fˆ1 =
−
∂f0
q
k·
Φ̂1 + ig
m
∂v
,
ω−k·v
−k 2 Φ̂1 = −4πq
Z
d3 v fˆ1 .
Eliminiert man fˆ1 aus diesen Gleichungen, so folgt für Φ̂1 der Ausdruck
Φ̂1 = i
mit
S(ω, k)
D(ω, k)
(2.10)
4πq Z 3
g
S(ω, k) = 2
,
dv
k
ω−k·v
∂f0
k·
4πq 2 Z 3
∂v .
dv
D(ω, k) = 1 +
mk 2
ω−k·v
L
Hierbei ist S(ω, k) eine Quelle der Potentialstörung, deren Form vom Anfangswert
abhängt und D(ω, k) ist die gesuchte Dispersionsfunktion. Die Integrationskontour L
wird nach Landau so gewählt, daß die Polstelle im Nenner in der unteren Halbebene umgangen wird. Diese Vorschrift ergibt sich hier aus der Forderung, daß im Definitionsgebiet
der Laplace-Transformierten, =(ω) > s, keine Singularität von D(ω, k) liegen darf.
Die Rücktransformation der Laplacetransformierten Φ̂1 kann mit Hilfe des Residuensatzes durchgeführt werden. Dazu wird der Integrationsweg, wie in Abb.2.2 gezeigt, in der
unteren Halbebene gesclossen. Der Integrand besitzt an den Nullstellen der Dispersionsfunktion Singularitäten. Wir nehmen an, daß alle Nullstellen ωj von D(ω, k) einfach sind
und innerhalb des Integrationsweges liegen. Außerdem sei S(ω, k) regulär. Nach dem
Residuensatz gilt dann
I
X i S(ωj , k)(ω − ωj )
dω
Φ̂1 e−iωt = −2πi
e−iωj t .
2π
2π
D(ω
,
k)
j
j
(2.11)
Die Teilstücke des Integrationsweges parallel zur imaginären Achse bei den reellen
Frequenzen ±a liefern für a → ∞ nur unendlich schnell oszillierende Beiträge. Das
Teilstück, das in der unteren Halbebene parallel zur reellen Achse verläuft ist wegen
=(ω) < 0 für bt → ∞ exponentiell klein. Vernachlässigt man diese Beiträge, so ergibt
sich die Lösung,
Φ1 ∼
X
j
Aj e−iωj t ,
Aj =
S(ωj , k)(ω − ωj )
D(ωj , k)
(2.12)
Die Nullstellen der Dispersionsfunktion bestimmen demnach die charakteristischen
Frequenzen der Potentialstörung. Im allgemeinen sind diese Frequenzen komplex. Ist
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
21
Abbildung 2.2: Ergänzung
des Integrationsweges der
inversen
Laplace-Transformation zu einem geschlossenen Weg in der komplexen
ω-Ebene. Die Polstellen im
Innern des Gebietes werden
im mathematisch negativen
Sinn umlaufen. Ihre Residuen
bestimmen den Wert des
Umlaufintegrals nach dem
Residuensatz.
=(ωj (k)) ≤ 0 für alle Moden j und alle Wellenvektoren k, so ist das Gleichgewicht
gegenüber kleinen Störungen stabil. Gibt es dagegen ein ωj (k) mit einem positiven Imaginärteil, =(ωj (k)) > 0, so wächst diese Mode exponentiell an und das Gleichgewicht ist
instabil.
2.1.2
Plasmaschwingungen im kalten Plasma
Ein Plasma mit vernachlässigbarer Temperatur wird als kaltes Plasma bezeichnet. Im
Grenzfall verschwindender Temperatur kann eine Maxwellsche Gleichgewichtsverteilung
durch eine Deltafunktion
(2.13)
f0 = n0 δ(v),
ersetzt werden. Die zugehörige Dispersionsfunktion erhält man aus (2.10) und (2.13) mit
Hilfe einer partiellen Integration,
D(ω, k) = 1 −
ωp2 Z 3
1
d
v
f
k·∂
0
v
k2
ω−k·v
L
ωp2
ω2
4πq 2 n0
.
(2.14)
m
Die Frequenz ωp wird als Plasmafrequenz bezeichnet. Die Dispersionsfunktion besitzt
einfache Nullstellen bei ω = +ωp und ω = −ωp . Diese sind reell und unabhängig von k.
Kleine Störungen schwingen daher ungedämpft mit der Plasmafrequenz ohne sich räumlich auszubreiten. Sie werden als Plasmaschwingungen bezeichnet.
= 1−
,
ωp2 =
Wir betrachten nun das Anfangswertproblem. Nimmt man an, daß die Elektronen zu Beginn um eine kleine Auslenkung ξ 0 ∝ exp(ik · x) mit einer Anfangsgeschwindigkeit
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
22
ξ̇ 0 ∝ exp(ik · x) verschoben werden, so ändert sich die Teilchenzahl in einem beliebigen Phasenraumvolumen ∆Γ aufgrund der Teilchenverschiebung durch die Oberfläche,
∆N = −
Z
dS·(ξ 0 , ξ̇ 0 )f0 = −
Z
h
i
d3 xd3 v ∂x ·(ξ 0 f0 ) + ∂v ·(ξ̇ 0 f0 ) .
(2.15)
∆Γ
∂∆Γ
Da ∆Γ beliebig ist, entspricht dies einer Anfangsstörung der Verteilungsfunktion
f1 (t = 0) = g = −ik · ξ 0 f0 − ξ̇ 0 ·∂v f0 .
(2.16)
Für die Funktion S(ω, k) erhält man entsprechend aus (2.10) und (2.16),
4πq
S(ω, k) =
k2
−ik · ξ 0 Z 3
+ d v f0 ξ̇ 0 ·∂v
ω
!
ξ
iξ̇
= C· 0 + 20 ,
ω
ω
C=
1
ω−k·v
!
4πq
(−ik) .
k2
(2.17)
Der Integrand der inversen Laplace-Transformation,
S
ωξ 0 + iξ̇ 0
= C·
D
(ω − ωp )(ω + ωp )
!
,
(2.18)
besitzt einfache Polstellen bei ω = ωp und ω = −ωp . Die Potentialstörung (2.12) besitzt
daher die Form,
4πq
Φ1 = 2 (−ik)·ξ(t)
(2.19)
k
mit
!
ξ(t) =
!
1
1
i
i
ξ̇ 0 e−iωp t +
ξ̇ e+iωp t
ξ0 +
ξ0 −
2
2ωp
2
2ωp 0
= ξ 0 cos(ωp t) +
ξ̇ 0
sin(ωp t)
ωp
(2.20)
Die Funktion ξ(t) stellt eine zeitabhängige Verschiebung der Elektronen dar. Sie ist die
Lösung einer harmonischen Schwingungsgleichung mit der Frequenz ωp zu den Anfangswerten ξ 0 und ξ̇ 0 .
Eine anschauliche Herleitung der Schwingungsgleichung, die auch für nichtlineare
Schwingungen gültig ist, erhält man im Rahmen eines einfachen Flüssigkeitsmodells.
Im Gleichgewicht sei das Plasma neutral und die Elektronen seien homogen verteilt mit
einer Dichte n0 . Die Bewegung der Elektronendichte kann makroskopisch durch eine Abbildung
a → x(a, t) = a + ξ(a, t)
(2.21)
beschrieben werden, die jedem Punkt a des ungestörten Gleichgewichtszustandes einen
verschobenen Ort x(a, t) zur Zeit t zuordnet. Die Verschiebung ξ(a, t) genügt dabei der
Bewegungsgleichung der Teilchen des Flüssigkeitselementes,
m
∂ 2 ξ(a, t)
= qE(a, t)
∂t2
(2.22)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
23
Abbildung 2.3: Verschiebung
ξ(a) einer Schicht der Dicke
da.
wobei E(a, t) das elektrische Feld am Ort des Flüssigkeitselementes zur Zeit t bezeichnet.
Bei einer Verschiebung ξ(a, t) der Elektronen in x-Richtung werden die Elektronen einer
Schicht der Dicke da auf eine Schicht der Dicke
!
∂ξ(a, t)
∂x(a, t)
da = 1 +
da
dx =
∂a
∂a
(2.23)
abgebildet (Abb.2.3). Dabei ändert sich die Dichte am Ort x gemäß,
n(x, t)dx = n0 da .
(2.24)
Von der verschobenen Elektronendichte wird ein elektrostatisches Feld erzeugt, das eine rücktreibende Kraft auf die Elektronen ausübt. Aus der Poisson-Gleichung folgt mit
(2.21) und (2.24),
dE = 4πq [n(x, t) − n0 ] dx
= 4πq (n0 da − n0 dx)
= −4πqn0 dξ(a, t).
(2.25)
Mit der Anfangsbedingung E = 0 für ξ = 0 erhält man für das elektrostatische Feld
E(a, t) am Ort des Volumenelementes a,
E(a, t) = −4πqn0 ξ(a, t).
(2.26)
Die Bewegungsgleichung (2.22) besitzt daher die Form einer Schwingungsgleichung,
∂t2 ξ(a, t) + ωp2 ξ(a, t) = 0
(2.27)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
24
mit der Plasmafrequenz ωp , deren allgemeine Lösung in (2.20) angegeben wurde.
Zur Bestimmung der Teilchendichte und des elektrischen Feldes am Ort x zur Zeit t muß
die Umkehrfunktion a = a(x, t) der Gleichung x = x(a, t) bestimmt werden. Damit
erhält man die Lösungen,
n0
n0
n(x, t) = n(a, t)|a=a(x,t) ,
n(a, t) =
=
∂x(a, t)
∂ξ(a, t)
1+
∂a
∂a
(2.28)
E(x, t) = E(a, t)|a=a(x,t) ,
E(a, t) = −4πqn0 ξ(a, t).
Das Modell eines kalten Plasmas ist nur anwendbar solange dx/da > 0 gilt. Unter dieser
Voraussetzung kann man in der Umgebung eines Punktes x0 = x0 (a0 ) eine eindeutige
Umkehrfunktion angeben,
da
(x − x0 ) .
a − a0 =
(2.29)
dx
Bei großen Amplituden kann der Fall eintreten, daß zwei benachbarte Punkte a und a+da
an denselben Ort x verschoben werden, so daß die Dicke dx der verschobenen Schicht
verschwindet. Gleichzeitig werden die Dichte n0 (da/dx) und die Ableitung dE/dx =
(dE/da)(da/dx) des elektrischen Feldes unendlich groß. Man sagt, daß die Welle bricht.
Aus (2.23) folgt für das Wellenbrechen das Kriterium,
∂ξ(a, t)
= −1 .
∂a
(2.30)
Als Beispiel wählen wir die Anfangsbedingungen ξ0 (a) = A cos(ka) und ξ˙0 (a) = 0. Für
die entsprechende Lösung der Schwingungsgleichung gilt
∂ξ(a, t)
= −kA sin(ka) cos(ωp t).
∂a
Diese Welle bricht daher für Amplituden A ≥ 1/k.
2.1.3
(2.31)
Plasmawellen im thermischen Plasma
Wir untersuchen nun die Dispersionsrelation von Plasmawellen in einem thermischen
Plasma mit einer Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung. Dabei treten zwei neue Effekte in Erscheinung: Die räumliche Ausbreitung der Störungen mit der thermischen Geschwindigkeit und eine nach Landau benannte Dämpfung der Welle durch Teilchen, die
sich mit der Phasengeschwindigkeit der Welle mitbewegen.
Sei ω = ωr + iωi eine komplexe Nullstelle der komplexwertigen Dispersionsfunktion
D(ω, k) = Dr (ω, k) + iDi (ω, k). Für schwach gedämpfte Schwingungen sind die Imaginärteile ωi und Di (ω, k) klein. Entwickelt man die Dispersionsfunktion um die reellen
Werte bis zur linearen Ordnung, so folgt
"
#
∂D(ωr )
∂Dr (ωr )
D(ω, k) ≈ D(ωr ) + iωi
≈ Dr (ωr ) + i Di (ωr ) + ωi
=0.
∂ωr
∂ωr
(2.32)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
25
Aus dem Real- und dem Imaginärteil dieser Gleichung erhält man als Bestimmungsgleichungen für ωr und ωi ,
ωi = −
Dr (ωr ) = 0,
Di (ωr )
.
∂ω Dr (ωr )
(2.33)
Für schwache Dämpfung genügt es daher die Dispersionsfunktion für reelle Frequenzen
auszuwerten.
In der Dispersionsfunktion aus (2.10) kann die Verteilungsfunktion f0 über die beiden Geschwindigkeitskomponenten senkrecht zum Wellenvektor integriert werden. Die
Verteilungsfunktion der verbleibenden Geschindigkeitskomponente u parallel zu k sei
n0 F (u). Damit gilt,
ω2 Z
∂u F
.
(2.34)
D(ω, k) = 1 + 2p du
k
(ω/k) − u
L
Die Polstelle bei u = ω/k wird in der unteren Halbebene umgangen. Hierfür gilt die
Beziehung
Z
Z
f (x)
f (x)
dx
=
+ iπf (0)
(2.35)
dx
x − i0
x
C
wobei f (x) eine beliebige Funktion darstellt und C den Cauchy-Hauptwert des Integrals
bezeichnet. Damit erhält man
Dr (ω, k) = 1 +
ωp2 Z
∂u F
du
,
2
k
(ω/k) − u
(2.36)
C
Di (ω, k) =
πω 2
− 2p
k
∂u F u=ω/k
.
(2.37)
Im thermischen Gleichgewicht bei einer Temperatur T besitzt F (u) die Form einer Maxwellverteilung
u2
−
2
1
e 2vth ,
(2.38)
F (u) = √
2πvth
q
mit der thermischen Geschwindigkeit vth = T /m. Wir betrachten den Grenzfall kleiner
thermischer Geschwindigkeiten, vth ω/k, und definieren hierfür die dimensionslosen
Variablen
=
ku
,
ω
th =
kvth
,
ω
ω
1
F (u) = √
k
2πth
F () =
2
− 2
e 2th .
(2.39)
Für th 1 kann der Realteil der Dispersionsfunktion nach den Momenten der Verteilungsfunktion
n
< >=
+∞
Z
d n F ()
−∞
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
26
in der folgenden Form entwickelt werden,
Dr (ω, k) = 1 +
ωp2 Z
∂ F ()
d
2
ω C
1−
Z
∞ +∞
ωp2 X
= 1+ 2
d n ∂ F ()
ω n=0
−∞
∞
ωp2 X
= 1− 2
n < n−1 > .
ω n=1
(2.40)
Durch die Entwicklung des Nenners entstehen gewöhnliche konvergente Integrale, die
wie angegeben partiell integriert werden können. Berücksichtigt man die Momente bis
zur zweiten Ordnung,
< 0 >= 1,
< 1 >= 0,
< 2 >= 2th ,
so folgt,
ωp2
(1 + 32th ) .
(2.41)
ω2
Die reellen Nullstellen dieses Ausdruckes ergeben nach (2.33) die möglichen Schwingungsfrequenzen. Durch Iteration findet man
Dr (ω, k) = 1 −
2 2
ω 2 = ωp2 + 3vth
k = ωp2 (1 + 3k 2 λ2D ) ,
(2.42)
wobei λD = vth /ωp als Debye-Länge bezeichnet wird. Die aus dieser Gleichung sich
ergebende Beziehung
q
ω = ω(k) = ωp 1 + 3k 2 λ2D
(2.43)
wird als die Bohm-Gross Dispersionsrelation für Plasmawellen bezeichnet. Sie wurde
1949 von D. Bohm und E.P. Gross hergeleitet. Für große Wellenlängen mit kλD 1
erhält man Schwingungen bei der Plasmafrequenz ωp . Dies entspricht der Näherung des
kalten Plasmas. Für kleine Wellenlängen mit kλD 1 erhält man formal die Dispersions√
relation einer Elektronenschallwelle, ω = sk, mit der Schallgeschwindigkeit s = 3vth .
Man muß jedoch beachten, daß die Herleitung für diesen Grenzfall streng genommen
ihre Gültigkeit verliert. Die Schallgeschwindigkeit s entspricht der adiabatischen Schallgeschwindigkeit
s
p
f +2
s= γ ,
(2.44)
γ=
%
f
eines idealen Gases (p/% = T /m) mit einem Freiheitsgrad (f = 1). Aufgrund des Elektronendruckes breitet sich eine lokalisierte Anfangsstörung mit der Gruppengeschwindigkeit
q
∂ω
vgr =
= s 1 − ωp2 /ω 2
(2.45)
∂k
aus.
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
Mit
ωp2
∂ω Dr = 2 3 ,
ω
27
πωp2 ω
F (ω/k)
Di = 2
2
k kvth
(2.46)
erhält man aus (2.33) den Imaginärteil
π ω
ωi
= −
ωp
8 ωp
r
1
ω 3 −
kvth
1
r
−
π 1
e 2
≈ −
8 k 3 λ3D
e 2
ω
kvth
2
!
1
+3
2
k λ2D
(2.47)
Wegen ωi < 0 sind die Plasmawellen im thermischen Gleichgewicht immer gedämpft.
Für große Wellenlängen ist die Dämpfung exponentiell klein. Für Wellenlängen von der
Größenordnung der Debye-Länge tritt jedoch eine starke Dämpfung auf.
Diese Art der Dämpfung wird als Landau-Dämpfung bezeichnet. Im Rahmen der VlasovTheorie ist die Entropie eine exakte Erhaltungsgröße, da Stoßprozesse völlig vernachlässigt wurden. Demnach kann die Dämpfung der Wellen nicht mit einer Energiedissipation durch Stöße verbunden sein. Eine physikalische Erklärung der Landau-Dämpfung kann mit Hilfe der allgemeinen Gleichung (2.36) für den Imaginärteil der Dielektrizitätsfunktion gegeben werden. Dieser Ausdruck hängt von der Steigung der Verteilungsfunktion im Punkt u = ω/k ab. Teilchen, die sich mit Geschwindigkeiten in der Nähe
der Phasengeschwindigkeit der Welle bewegen, sehen ein quasistatisches elektrisches
Feld, in dem sie besonders effektiv beschleunigt oder abgebremst werden können. Für
∂u F (ω/k) < 0 tritt eine Dämpfung auf. In diesem Fall sind mehr Teilchen mit u < ω/k
vorhanden als Teilchen mit u > ω/k. Daher nehmen die Teilchen im Mittel Energie auf
und die Welle wird gedämpft. Ist dagegen ∂u F (ω/k) > 0 so geben die Teilchen im Mittel
Energie ab und die Welle wächst an. Das Gleichgewicht ist dann instabil. Da es sich bei
der Landau-Dämpfung nicht um einen irreversiblen Vorgang handelt, ist es möglich, die
gedämpfte Welle wieder aus der Verteilungsfunktion zu rekonstruieren. Dies wurde durch
Experimente mit “Plasmaechos” bestätigt.
2.1.4
Zweistrominstabilität
Besitzt die Geschwindigkeitsverteilung f0 im Bereich der Phasengeschwindigkeit einer
Plasmawelle eine positive Steigung, so kann eine Instabilität auftreten. Ein Beispiel dieser Art ist die Zweistrominstablität, die auftritt, wenn sich ein Elektronenstrahl in einem
Hintergrundplasma ausbreitet. Die Strahlelektronen bilden ein zweites Maximum der Verteilungsfunktion, so daß diese nicht mehr monoton abnehmend ist.
Ein einfaches Modell der Zweistrominstabilität erhält man mit der Verteilung
f0 =
n2
n1
δ(u) + δ(u − U ) ,
n0
n0
n0 = n 1 + n 2 .
(2.48)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
28
Hierbei bezeichnet n1 die Elektronendichte des Hintergrundplasmas, n2 die Dichte der
Strahlelektronen und U die Strahlgeschwindigkeit. Die thermische Verbreiterung der Geschwindigkeitsverteilungen beider Elektronengruppen wird hierbei vernachlässigt.
Die Dispersionsfunktion dieser Verteilung kann wie in Abschnitt (2.1.2) ausgewertet werden. Dies ergibt,
D(ω, k) = 1 −
2
2
ωp1
ωp2
−
,
ω2
(ω − kU )2
2
ωp1,2
=
4πq 2 n1,2
.
m
(2.49)
Definiert man die dimensionslosen Parameter
2
2
R = ωp2
/ωp1
,
K = kU/ωp1 ,
W = ω/ωp1 ,
so erhält man die Dispersionsrelation,
D(W, K) = 1 −
1
R
−
= 0.
2
W
(W − K)2
(2.50)
Ein Kriterium für das Auftreten komplexer Nullstellen kann aus Abb.?? abgelesen werden. Die Dispersionsfunktion besitzt im Intervall 0 < W < K ein Maximum. Falls dieses
Maximum positiv ist, gibt es vier reelle Nullstellen. Ist das Maximum dagegen negativ, so
treten zwei zueinander konjugiert komplexe Nullstellen auf, die jeweils einer gedämpften
und einer instabilen Mode entsprechen. Aus der Bedingung für ein Extremum
2
2R
∂D(W, K)
= 3+
=0
∂W
W
(W − K)3
(2.51)
folgt für das Maximum
Wmax =
K
,
1 + R1/3
Dmax = 1 −
(1 + R1/3 )3
K2
(2.52)
Aus der Bedingung Dmax ≥ 0 folgt das Stabilitätskriterium
K ≥ (1 + R1/3 )3/2
oder
2/3
2/3
(kU )2/3 ≥ ωp1 + ωp2 .
(2.53)
Die Nullstellen der Dispersionsfunktion lassen sich nur näherungsweise angeben, wobei
im folgenden vorausgesetzt wird, daß die Dichte der Strahlelektronen sehr viel kleiner sei
als die Dichte der Hintergrundelektronen, d.h. R 1. Für W = O(1), (W − K)2 R
gibt es zwei reelle Näherungslösungen,
1−
1
=0
W2
oder
W = ±1.
(2.54)
Für |W | 1, |W − K|2 R gibt es zwei konjugiert komplexe Näherungslösungen,
0=
1
R
+
W 2 (W − K)2
oder
√
W = K(1 ± i R).
(2.55)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
29
Diese Asymptoten schneiden sich bei K = 1. Zur Abschätzung der maximalen Anwachsrate setzen wir K = 1 und W = 1 + δ, wobei δ 1 angenommen wird. Mit diesem
Ansatz erhält man aus der Dispersionsrelation drei Lösungen
R 1/3
2
1/3
1/3 R
R
2π
2π
=
e±2πi/3 =
cos
± i sin
2
2
3
3
δ1 =
δ2,3
Für die Anwachsrate der instabilen Mode gilt
√ 1/3
√ 1/3
3 R
3 R
ωp1 =
kU .
ωi =
2
2
2
2
(2.56)
Die hier besprochenen analytischen Ergebnisse der Vlasov-Theorie sollen als Beispiele für Plasmasimulationen mit der Particle-in-Cell Methode dienen, die im Rahmen der
Übungen stattfinden.
2.2
Plasmasimulation mit Teilchen
Neben der Vlasov-Maxwell-Theorie stellen Computersimulationen mit Teilchen eine
weitverbreitete Methode zur Untersuchung stoßfreier Plasmen dar. Die Computersimulation bietet einen allgemeinen Zugang zu kinetischen Nichtgleichgewichtsvorgängen, die
mit analytischen Methoden oft nicht oder nur schwer zugänglich sind. Besonders bewährt
haben sich Teilchensimulationen auf der Basis der Particle-in-Cell (PIC) Methode, zu deren Entwicklung besonders Arbeiten von Buneman und Dawson, Hockney und Eastwood
sowie von Birdsall und Langdon beigetragen haben. Im folgenden wird die PIC-Methode
am Beispiel eines eindimensionalen elektrostatischen Plasmamodells dargestellt. Erweiterungen auf mehrdimensionale Geometrien und elektromagnetische Wechselwirkungen
findet man in der angegebenen Literatur.
Das Prinzip der PIC-Simulation besteht in der numerischen Lösung der Bewegungsgleichungen einer großen Anzahl von Teilchen in einem selbstkonsistent erzeugten mittleren
Feld. Die Form der Bewegungsgleichungen kann man leicht mit intuitiven Argumenten
angeben. Wir wollen hier aber eine Begründung im Rahmen der Vlasov-Theorie betrachten, um die physikalischen Annahmen und die Näherungen der diskreten Modellierung
besser deutlich zu machen.
2.2.1
Regularisierung der Coulomb-Wechselwirkung
Die Dynamik eines idealen stoßfreien Plasmas hängt nicht von der individuellen Wechselwirkung der Teilchen ab. Daher ist es zweckmäßig, in Teilchensimulationen die CoulombWechselwirkung bei kleinen Teilchenabständen zu regularisieren, um so die komplizier-
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
30
te Dynamik von “harten” Stößen zu eliminieren. Eine Regularisierung der CoulombWechselwirkung wird erreicht, indem man die Punktladungen durch ausgedehnte Ladungsdichten ersetzt:
qδ(x − xi ) → qS(x − xi ).
(2.57)
Hierbei bezeichnet S(x − xi ) eine noch beliebig wählbare auf eins normierte Dichteverteilung der Ladung q am Ort xi . Verteilt man die Ladung z.B. auf eine homogen geladene
Kugel, so ist das elektrische Feld im Außenraum der Kugel identisch mit dem CoulombFeld einer Punktladung, im Innenraum der Kugel nimmt es dagegen zum Mittelpunkt hin
auf Null ab. Auf diese Weise wird die Coulomb-Wechselwirkung bei kleinen Abständen
künstlich unterdrückt. Die Teilchen mit ausgedehnter Ladungsverteilung werden im folgenden als Simulationsteilchen bezeichnet. In der Literatur sind auch die Bezeichnungen
Makroteilchen oder CloudTeilchen gebräuchlich.
Ein System von stoßfreien Simulationsteilchen kann genauso wie ein System von stoßfreien Punktteilchen mit der Vlasov-Theorie beschrieben werden. Sei
mv̇ = F S
die Bewegungsgleichung der Simulationsteilchen unter Einwirkung der Kraft F s , so lautet die entsprechende Vlasov-Gleichung für die Verteilungsfunktion fS (x, v, t) der Simulationsteilchen,
1
(2.58)
∂t fS + v · ∂x fS + F S ·∂v fS = 0.
m
Während die allgemeine Form der Gleichungen unabhängig ist von der Art der Wechselwirkung, muß die Regularisierung der Wechselwirkung bei der Berechnung der Ladungsdichte τS und der Kraft F S berücksichtigt werden:
τS = q
F S (x, t) = q
Z
d3 x0 S(x − x0 )
Z
Z
d3 x0 S(x0 − x) E(x0 , t).
d3 v fS (x0 , v, t)
(2.59)
(2.60)
Ersetzt man hier die Dichteverteilung S wieder durch eine Deltafunktion, so ergeben sich
die üblichen Ausdrücke für Punktteilchen. Im allgemeinen beschreibt die Faltung einer
Funktion f (x) mit einer Dichteverteilung S(x) eine Glättung der Funktion. Die Fouriertransformierte des Faltungsintegrals ist das punktweise Produkt Ŝ(k)fˆ(k) der Fouriertransformierten. Durch geeignete Wahl des Faktors Ŝ(k) kann das Spektrum bei großen
Wellenzahlen abgeschnitten werden.
Die PIC-Methode ist streng genommen eine Methode zur Lösung der Vlasov-Gleichung
der Simulationsteilchen. Konzeptionell ist es wichtig, zwischen der Regularisierung der
Wechselwirkung mit einer ausgedehnten Ladungsdichte S und der Verteilungsfunktion
fS der Teilchen klar zu unterscheiden. Die Vorstellung, daß die Ladungsdichte S physikalisch durch Teilchen repräsentiert wird, führt zu Widersprüchen, da sich ein mitbewegtes
Volumenelement im Phasenraum im Laufe der Zeit verformt.
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
2.2.2
31
Teilchenmodell
Anstelle der numerischen Lösung der Vlasov-Gleichung auf einem Gitter ist es meist einfacher die Zeitentwicklung eines repräsentativen Teilchenensembles im Phasenraum zu
verfolgen. Wählt man die Teilchen hinreichend dicht, so ist dieses Teilchenmodell äquivalent zur Kontinuumsbeschreibung durch die Vlasov-Gleichung. Der Vorteil des Teilchenmodells besteht darin, daß nur der besetzte Teil des Phasenraumvolumens für die
Rechnungen benötigt wird.
Repräsentiert man das N -Teilchensystem zum Zeitpunkt t durch I Phasenraumpunkte
(xi (t), v i (t)) mit i = 1, · · · , I, so entspricht dies formal einer Verteilungsfunktion
fSP (x, v, t) =
I
NX
δ(x − xi (t))δ(v − v i (t)),
I i=1
(2.61)
mit einer zugehörigen Ladungsdichte
τSP (x)
= q
= q
Z
3 0
0
d x S(x − x )
Z
d3 v fSP (x0 , v, t)
I
NX
S(x − xi (t)).
I i=1
(2.62)
Ein Phasenraumpunkt trägt damit die Ladung qN/I, die entsprechend der Dichte S(x)
des Simulationsteilchens verteilt ist. Typischerweise kann man Systeme mit einer makroskopischen Teilchenzahl N schon mit einer relativ kleinen Anzahl von repräsentativen
Punkten (z.B. I ≈ 104 ) simulieren.
In einem Plasma können verschiedene Teilchensorten, wie Elektronen und Ionen mit unterschiedlichen Massen und Ladungsstufen, vorliegen. Die Teilchensorten werde im folgenden mit einem Index α unterschieden. Für Teilchen der Sorte α bezeichne qα die Ladung, mα die Masse, Nα die Teilchenzahl und Iα die Zahl der Simulationsteilchen.
Die Bewegungsgleichungen des i-ten Teilchens der Sorte α lauten
dxiα (t)
= v iα (t)
dt
dv iα (t)
1
qα Z 3
=
F S (xiα (t), t) =
d x Sα (x − xiα )E(x, t),
dt
mα
mα
(2.63)
(2.64)
wobei für die Teilchensorten auch unterschiedliche Dichteverteilungen Sα (x) gewählt
werden können. Das elektrische Feld wird durch die Poisson-Gleichung
∇ · E = 4π
X
α,iα
qα
Nα
Sα (x − xiα (t)),
Iα
(2.65)
bestimmt. Im Teilchenmodell werden also die Bewegungsgleichungen jedes Simulationsteilchens im Feld aller übrigen Simulationsteilchen gelöst.
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
2.2.3
32
Eindimensionales Modell
Im folgenden werden wir ein eindimensionales Modell betrachten, bei dem sich die Teilchen entlang der x-Achse in einem elektrischen Feld E(x, t) im Intervall 0 < x < L
bewegen. In der zur x-Achse senkrechten Ebene sei das Plasma homogen. Die Dichteverteilung eines Teilchens der Sorte α besitzt dann die Form
nα0 L
Sα (x),
Sα (x) =
Nα
ZL
Sα (x)dx = 1,
(2.66)
0
wobei nα0 die mittlere Teilchendichte bezeichnet. Die Normierungskonstante ist so
gewählt, daß eine Integration über die Querschnittsfläche die eindimensionale Verteilung
Sα (x) ergibt.
Die Grundgleichungen des eindimensionalen Modells lauten entsprechend,
dxiα
dt
= viα
dviα
dt
L
qα Z
=
dx Sα (x − xiα )E(x, t),
mα
(2.67)
0
X qα nα0 L
∂E(x, t)
= 4π
Sα (x − xiα ).
∂x
Iα
α,iα
2.2.4
Dimensionslose Variablen
Es ist häufig zweckmäßig vor der numerischen Lösung geeignete dimensionslose Variablen und dimensionslose Parameter zu definieren. Hierzu setzen wir für die Variablen
x = x0 x∗ ,
v = v0v∗,
t = t0 t∗ ,
E = E 0E ∗,
wobei die gestrichenen Größen dimensionslos sind und die mit einem Stern bezeichneten
Größen einen geeigneten dimensionsbehafteten Skalenfaktor darstellen. Für die Ladung,
die Masse, die mittlere Dichte und die Intervallänge gelte entsprechend,
q = q 0 e,
m = m0 me ,
n0 = n00 ne0 ,
L = L0 x ∗
mit der Elementarladung e, der Elektronenmasse me und der mittleren Elektronendichte
ne0 . Damit lauten die transformierten Gleichungen des eindimensionalen Teilchenmodells
dx0iα
dt0
dvi0α
dt0
t∗ v ∗
x∗
t∗ eE ∗
v ∗ me
=
=
vi0α ,
L0
qα0 Z
dx0 S 0 (x0 − x0iα )E 0 (x0 , t),
m0α
0
(2.68)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
33
X 4πene0 L 1
∂E 0
=
q 0 n0 S 0 (x0 − x0iα (t))
∗ α α0 α
∂x0
I
E
α
α,iα
X 4πe2 ne0 me L
=
α,iα
eE ∗ Iα
me
qα0 n0α0 Sα0 (x0 − x0iα (t))
(2.69)
Zur Vereinfachung der Bewegungsgleichungen der Elektronen ist es zweckmäßig, die
Skalenfaktoren v ∗ und E ∗ durch die Bedingungen,
x∗
,
t∗
v∗ =
v∗
eE ∗
= ∗,
me
t
(2.70)
festzulegen. Damit gilt
dx0iα
dt0
= vi0α ,
dvi0α
dt0
L0
qα0 Z
=
dx0 Sα0 (x0 − x0iα )E 0 (x0 , t0 ),
m0α
0
∂E
∂x0
(2.71)
0
= τ 0.
mit
τ
0
=
ωp02
0 0
X qα
nα0 L0
α,iα
Iα
Sα0 (x0
−
x0iα ),
ωp0
∗
= ωp t ,
ωp2
4πe2 ne0
.
=
me
Hierbei bezeichnet τ 0 die dimensionslose Ladungsdichte und ωp die Plasmafrequenz der
Elektronen. Noch frei wählbar sind die Längeneinheit x∗ und die Zeiteinheit t∗ . Sie werden im folgenden jeweils durch die Schrittweiten ∆x und ∆t des numerischen Gitters
festgelegt. Damit gilt für die dimensionslosen Schrittweiten
∆x0 = 1,
∆t0 = 1.
(2.72)
Durch diese Wahl können Differenzenquotienten durch einfache Differenzen ersetzt werden.
Im folgenden werden wir nur die Dynamik der Elektronen behandeln, da die Ionen, wegen
ihrer größeren Masse, hochfrequenten Feldern nur viel langsamer folgen können. Nimmt
man die Ionen als homogen verteilt und das Plasma insgesamt als neutral an, so gilt
Sα0 (x0 ) =
1
L0
für
α 6= e,
X
qα0 n0α0 = 1.
α6=e
Der Beitrag der Ionen zur Ladungsdichte ist dann einfach ωp02 . Verwendet man für die
Elektronen nun wieder den Teilchenindex i ohne Subskript e und verzichtet auf die Striche
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
34
zur Kennzeichnung der dimensionslosen Größen, so erhält man das Gleichungssystem
dxi
= vi ,
dt
L
Z
dvi
= − dx S(x − xi )E(x, t),
dt
(2.73)
0
I
∂E
1 X
= ωp2 1 −
S(x − xi ) .
∂x
Ic i=1
!
Die hierbei auftretenden dimensionslosen Parameter haben folgende Bedeutung: L bezeichnet die Anzahl der Ortsschritte des Simulationsintervalls, I die Zahl der Simulationsteilchen, Ic = I/L die Anzahl der Simulationsteilchen pro Ortsschritt und 2π/ωp die
Zahl der Zeitschritte pro Plasmaperiode.
2.2.5
Gittermodell
Die Berechnung der langreichweitigen Coulomb-Wechselwirkung in einem Vielteilchensystem erfordert besondere numerische Verfahren. Bei N Teilchen gibt es N (N − 1)/2
Teilchenpaare, so daß eine direkte Berechnung aller paarweisen Coulomb-Kräfte größenordnungsmäßig O(N 2 ) Rechenoperationen erfordert. Diese Skalierung ist für die meisten
Teilchensimulationen zu ungünstig. Eine weitere Schwierigkeit kommt bei elektromagnetischer Wechselwirkung hinzu: die Auswertung der retardierten Potentiale der Teilchen
würde eine aufwendige Berechnung der Teilchenpositionen zur retardierten Zeit erfordern.
Bei der PIC-Methode erfolgt die Berechnung der Kraft mit Hilfe der Maxwellschen Feldgleichungen, die auf einem räumlichen Gitter gelöst werden. Diese Methode ist wesentlich schneller als die direkte Berechnung der Wechselwirkungskräfte und sie kann in gleicher Weise auf elektrostatische und auf elektromagnetische Felder angewandt werden.
Die Methode ist jedoch ungenauer, da unvermeidliche Diskretisierungsfehler auftreten.
Ladungszuweisung
Zur Diskretisierung des elektrischen Feldes wählen wir ein Gitter mit den Gitterpunkten
xj = j für j = 1, 2, 3 · · · , J. Jeder Gitterpunkt xj ist Mittelpunkt einer Gitterzelle mit den
Randpunkten xj−1/2 und xj+1/2 . Das Simulationsgebiet ist das Intervall [1/2,J+1/2] mit
der Länge L = J + 1/2 − 1/2 = J (Abb. 2.4).
Integriert man die Poisson-Gleichung in (2.73) über die j-te Gitterzelle, so erhält man die
Flächenladungsdichte
I
1 X
Wij .
1−
Ic i=1
!
σj = Ej+1/2 − Ej−1/2 =
ωp2
(2.74)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
35
Abbildung 2.4: Gitter zur Berechnung des elektrischen Feldes innerhalb eines eindimensionalen Intervalls der Länge L.
Hierbei bezeichnet
xj+1/2
Wij =
Z
S(x − xi )dx
(2.75)
xj−1/2
den Bruchteil der Ladung des i-ten Teilchens innerhalb der j-ten Zelle. Durch die Gewichte Wij werden die Teilchenkoordinaten Gitterpunkten zugewiesen. Die Art der Zuweisung
hängt von der Wahl der Ladungsverteilung S(x) ab. Im Fall einer punktförmigen Ladung
gilt z.B.,
S(x − xi ) = δ(x − xi ),
Wij = Θ(1 − 2|xi − xj |).
(2.76)
Hier wird die Ladung immer dem nächsten Gitterpunkt zugewiesen, d.h. innerhalb der
Zelle xj− 1 < xi < xj+ 1 dem Gitterpunkt xj . Daher ist die Bezeichnung NGP-Zuweisung
2
2
(nearest-grid-point) gebräuchlich. Diese Art der Zuweisung führt allerdings zu Unstetigkeiten, wenn sich das Teilchen über eine Zellgrenze bewegt. Einen glatteren Verlauf erhält
man mit der in Abb.2.5 dargestellten rechteckförmigen Ladungsverteilung,
S(x − xi ) = Θ(1 − 2|x − xi |),
Wij = Θ(1 − |xi − xj |)(1 − |xi − xj |).
(2.77)
Die Ladung wird hierbei den beiden nächstgelegenen Gitterpunkten zugewiesen, d.h. für
xj < xi < xj+1 , den Gitterpunkten xj und xj+1 mit den Gewichten,
Wij = 1 − δ,
δ = xi − xj ,
Wi j+1 = 1 − (xj+1 − xi ) = δ.
Sie wird als CIC-Zuweisung (cloud-in-cell) bezeichnet.
(2.78)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
36
Abbildung 2.5: Dichteverteilung S(x) = Θ(1 − 2|x − xi |), Zuweisungsfunktion W (x) =
(1 − 2|x − xi |) Θ(1 − 2|x − xi |) und elektrisches Feld E(x) eines Simulationsteilchens am
Ort xi . Den Gitterpunkten werden die Ladungsanteile Wij = W (xj ) (Kreise) zugewiesen.
Das elektrische Feld Ej einer Zelle (Kreise) wird als Mittelwert der exakten elektrischen
Felder (gestrichelt) an den Zellgrenzen definiert. Dieser Mittelwert bestimmt die Kraft
auf die Flächenladung der Zelle.
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
37
Kraftberechnung
Der PIC-Algorithmus legt fest, in welcher Weise aus den Teilchenpositionen die Ladungsdichte, das elektrische Feld und die Kraft auf die Teilchen zu berechnen sind. Am gebräuchlichsten ist ein Algorithmus, der die Erhaltung des Gesamtimpulses der Teilchen
garantiert. Zu dessen Ableitung betrachten wir die Kraft, die vom elektrischen Feld auf
die Ladungen innerhalb der j-ten Zelle ausgeübt wird,
xj+1/2
Z
Fj =
xj+1/2
Z
dx τ E =
xj−1/2
xj+1/2
Z
dx (∂x E)E =
xj−1/2
xj−1/2
1
dx ∂x E 2
2
(2.79)
Durch Integration erhält man hierfür die exakte Beziehung
Fj =
1 2
2
Ej+1/2 − Ej−1/2
= σj Ej ,
2
(2.80)
mit
σj = Ej+1/2 − Ej−1/2 ,
1 Ej =
Ej+1/2 + Ej−1/2 .
(2.81)
2
Hierbei bezeichnet σj die Flächenladungsdichte der j-ten Zelle und Ej den Mittelwert der
Felder an den Zellgrenzen.
Wird das elektrische Feld nur an diskreten Punkten berechnet, so läßt sich die Kraft,
fi = −
ZL
dx S(x − xi )E(x)
(2.82)
0
auf die Ladungsdichte S(x−xi ) des i-ten Teilchens nicht exakt angeben. Die diskrete Approximation von fi kann aber so gewählt werden, daß die Gesamtimpulsänderung (2.80)
für jede Zelle exakt erfüllt wird. Durch Einsetzen von (2.74) in (2.80) erhält man für Fj
die Darstellung
!
I
1 X
2
Wij Ej .
(2.83)
Fj = ωp 1 −
Ic i=1
Andererseits erhält man durch explizite Berechnung der Kraft (2.79) mit der Ladungsdichte aus (2.73) den Ausdruck

Fj = ωp2 
j+1/2
Z

Edx −
j−1/2
j+1/2
Z
I
1 X
Ic

S(x − xi )Edx .

(2.84)
i=1j−1/2
Eine hinreichende Bedingung für die Äquivalenz von (2.83) und (2.84) ist,
j+1/2
Z
Edx = Ej ,
j−1/2
j+1/2
Z
S(x − xi )Edx = Wij Ej .
j−1/2
(2.85)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
38
Mit dieser diskreten Approximation der Integrale wird der Impulserhaltungssatz für das
Gesamtsystem exakt erfüllt. Damit wird insbesondere garantiert, daß eine einzelne Ladung keine Kraft auf sich selbst ausübt und daß die Kräfte zwischen zwei Ladungen entgegengesetzt gleich sind. Wertet man die Kraft auf ein Teilchen (2.82) nach der Vorschrift
(2.85) aus, so folgt
fi = −
J
X
Wij Ej .
(2.86)
j=1
Hierbei ist die Ladung des Teilchens mit den Gewichten Wij auf die Gitterpunkte zu
verteilen.
Die Berechnung des elektrischen Feldes an den Gitterpunkten erfolgt nach der Rekursionsformel
1
Ej+1 = Ej + σj+1/2 ,
mit
σj+1/2 = (σj + σj−1 )
(2.87)
2
wobei die Flächenladungsdichte als Mittelwert der Flächenladungsdichten an den Zellgrenzen zu berechnen ist. Diese Beziehung folgt unmittelbar aus (2.81),
1
1
σj+1/2 =
(σj+1 + σj ) =
Ej+3/2 − Ej+1/2 + Ej+1/2 − Ej−1/2
2
2
1
=
Ej+3/2 + Ej+1/2 − Ej+1/2 − Ej−1/2 = Ej+1 − Ej .
2
Periodische Randbedingungen
Beginnend mit einem Anfangswert E1 , können die nachfolgenden Werte Ej nach (2.87)
sukzessive berechnet werden. Zur Bestimung des Anfangswertes E1 sind Randbedingungen notwendig. Wir werden periodische Randbedingungen
E(L) = E(0),
Φ(L) = Φ(0)
(2.88)
für das elektrische Feld und das elektrostatische Potential annehmen. Im allgemeinen sind
die Randwerte durch die Beziehungen
E(L) − E(0) =
ZL
dx τ,
Φ(L) − Φ(0) = −
0
ZL
dx E
(2.89)
0
miteinander verknüpft. Periodische Randbedingungen liegen dann vor, wenn die mittlere
Ladung und das mittlere elektrische Feld der Schicht verschwinden. Die Neutralität der
Schicht kann durch die Anfangs- und Randbedingungen
ZL
dx τ = 0
für
t = 0,
0
L
d Z
dx τ = −j(L) + j(0) = 0
dt
0
(2.90)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
39
für die Ladungsdichte τ und die Stromdichte j erfüllt werden.
Aus dem Verschwinden der Potentialdifferenz zwischen den Oberflächen der Schicht ergibt sich die Forderung,
L
E1
J
1Z
1X
= −
dx (E − E1 ) = −
(Ej − E1 )
L
J j=1
= −
1
J
0
J
X
(Ej − E1 ) = −
j=2
X
1 J−1
(Ej+1 − E1 ).
J j=1
(2.91)
Unter Verwendung von (2.87) gilt
j
X
Ej+1 = E1 +
σk+ 1 .
2
k=1
(2.92)
Damit folgt für periodische Randbedingungen
E1
j
XX
X
1 J−1
1 J−1
= =−
σk+ 1 = −
(J − j) σj+ 1 .
2
2
J j=1 k=1
J j=1
(2.93)
Bewegungsgleichungen
Die Orte und Geschwindigkeiten der Teilchen werden durch die Bewegungsgleichungen
aus (2.73) bestimmt. Eine geeignete diskretisierte Form dieser Gleichungen lautet,
n+1/2
vi
n−1/2
= vi
+ fin
(2.94)
xn+1
i
=
xni
+
n+1/2
vi
.
Für den ersten Zeitschritt muß der Anfangswert der Geschwindigkeit mit Hilfe der Kraft
um einen halben Zeitschritt zurückgerechnet werden
−1/2
vi
1
= vi0 − fi0 .
2
(2.95)
Computersimulation von Plasmen, WS 00/01, H.-J. Kull
40
Zusammenfassung
Zusammenfassend besteht der PIC-Algorithmus des eindimensionalen elektrostatischen
Modells im Zeitschritt n aus den folgenden Schritten:
• Ladungszuweisung:
I
1 X
1−
Wn ,
Ic i=1 ij
!
σjn
=
ωp2
n
σj+1/2
=
1 n
n
,
σj + σj+1
2
Ic =
• Feldberechnung:
E1n = − J1
J−1
P
k=1
n
(J − k)σk+1/2
n
n
Ej+1
= Ejn + σj+1/2
j = 1, · · · , J − 1
• Teilchenbewegung:
n+1/2
vi
n−1/2
= vi
+ fin ,
fin = −
J
P
j=1
Wijn Ejn ,
n+1/2
xn+1
= xni + vi
i
• Definitionen:
I
J
Ic
Wij
2π/ωp
: Zahl der Simulationsteilchen
: Zahl der Gitterzellen
: Zahl der Simulationsteilchen pro Gitterzelle I/J
: Gewichte der Ladung i an den Gitterpunkten j, z.B. (2.78)
: Zahl der Zeitschritte pro Plasmaperiode
I
J
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