SWR2 ZEITWORT 25.07.2009, 6.45 Uhr 25.07.1943: Der Große Faschistische Rat setzt Mussolini ab Von Eggert Blum© Juli 1943. Hitlers Weltkrieg hat den Wendepunkt überschritten. Während im Osten die Züge des Holocaust in die Vernichtungslager rollen, weicht die deutsche Wehrmacht an allen Fronten zurück. Sie hat die fürchterliche Niederlage von Stalingrad hinter sich. Auch zweihunderttausend Italiener, die Mussolini seinem Verbündeten Hitler geschickt hatte, sind dort an der Wolga gefallen. Mussolini, der Duce – ein vom lateinischen Dux abgeleitetes Neuwort, das „Führer“ bedeutet – der Duce hat die charismatische Wirkung auf sein Volk eingebüsst. In Italien wird längst gehungert, weil das Land, anders als Hitlers Imperium, keine besetzten Gebiete ausplündern kann. Seit Monaten werden die Grosstädte bombardiert. Und nun sind alliierte Truppen auf Sizilien gelandet. Aber während die meisten Deutschen noch an den Endsieg glauben, will die Mehrheit der Italiener nur eins: raus aus dem verlorenen Krieg. Anders als in Deutschland, formiert sich im Untergrund eine breite Opposition. Arbeiter streiken in den Rüstungsfabriken. Mussolinis Geheimpolizei, die immerhin raffinierter und effektiver arbeitet als die Gestapo, verliert die Kontrolle. Vorsichtig geht auch die katholische Kirche auf Distanz. Innenpolitisch war sie Mussolinis wichtigste Verbündete. Sie hat zu den Kriegsverbrechen der italienischen Armee in Äthiopien und Libyen geschwiegen, sie hat nichts gegen die Ausgrenzung und Vertreibung der italienischen Juden unternommen: Jetzt aber wird in den Kirchen nicht mehr für den Duce gebetet. Der König klebt an seinem Thron, Offiziere, Polizisten und die korrupten Funktionäre der faschistischen Partei kleben an ihren Posten: all diese Stützen des Regimes wollen nicht vom Duce in den Untergang hineingezogen werden, sie wollen die absehbare militärische Niederlage heil überstehen. Sie machen Druck auf Mussolini: der Duce soll vom Führer die Erlaubnis zum Ausstieg aus dem Bündnis, aus dem Krieg erbetteln. Beide treffen sich in Norditalien, aber ein deprimierter und kranker Mussolini wagt es nicht, Hitler seine Meinung zu sagen. In Rom ist nun klar: Der Mann muss weg. Im prächtigen Palazzo Venezia, Mussolinis Amtssitz, tritt der faschistische Großrat zusammen. Man tagt vom Abend bis morgens um vier. Dann wird Mussolini mit Zweidrittelmehrheit aufgefordert, beim König seinen Rücktritt einzureichen. Der Duce gehorcht, und fährt am Nachmittag zur Audienz ins königliche Schloss. Der König teilt Mussolini seine Entlassung mit. Gleich darauf wird er von Soldaten in einen Krankenwagen gedrängt, der den Duce mit quietschenden Reifen in eine Arrestzelle bringt. Seine im Schlosspark zurückgebliebene Leibwache war zuvor diskret entwaffnet worden. Am 25. Juli 1943, heute vor 66 Jahren, verschwindet der bis dato meistfotografierte Staatsmann der Welt, der Medienstar Mussolini, aus der Öffentlichkeit. O-Ton: Sua maiesta, il Re e Imperatore a accettato le dimissioni presentate da Sua Eccellenza, il Cavaliere Benito Mussolini. O-Ton deutsch: Der König und Kaiser von Italien hat eine von Benito Mussolini angebotene Demission angenommen und zum Nachfolger den Marschall von Italien, Badoglio, ernannt. Der neue italienische Ministerpräsident und Regierungschef, Marschall Badoglio, hat in einem Aufruf erklärt: der Krieg geht weiter. Italien hält dem gegebenen Wort die Treue. Auf Roms Strassen bricht Jubel aus. Viele sehen mit dem Ende des Faschismus auch den Frieden vor Augen. Sie täuschen sich. Der König und Badoglio führen weiter Krieg, zögern, verhandeln heimlich mit den Alliierten und schließen 10 Wochen nach Mussolinis Sturz, mit den Westmächten einen Waffenstillstand. Hitler ist aber darauf vorbereitet. Seine Wehrmacht überrollt Italien, verhilft dem Duce wieder zur Macht, und setzt dem Führer in Berlin gehorsam bis zuletzt, den Krieg auch in Italien solange fort, bis große Teile auch dieses Landes zerstört sind.