Volkswirtschaftliches Basiswissen Immobilien

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Volkswirtschaftliches Basiswissen Immobilien
b
Volkswirtschaftliches
Basiswissen Immobilien
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Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier.
Alle Rechte vorbehalten. Die Wiedergabe von Auszügen
ist nur unter Angabe der Quelle gestattet.
Kapitel
Dr. Michael Voigtländer
Volkswirtschaftliches Basiswissen
Immobilien
Kapitel
Kapitel
Dr. Michael Voigtländer
Volkswirtschaftliches Basiswissen
Immobilien
Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Herausgebers _______________________________________
7
1 Volkswirtschaftliche Grundlagen _____________________________
8
1.1
Mankiws 10 Regeln _____________________________________
9
1.2
Fazit ________________________________________________
16
2 Besonderheiten des Immobilienmarktes _______________________ 18
4
2.1
Intransparenz und Informationskosten _____________________
19
2.1.1
Such- und Informationskosten ____________________________ 20
2.1.2
Asymmetrische Information _____________________________ 22
2.2
Lange Nutzungsdauer und hohe Kapitalbindung ______________ 24
2.3
Externe Effekte ________________________________________
2.4
Marktmacht __________________________________________ 28
2.5
Rolle des Staates _______________________________________
31
2.5.1
Festlegung der Rahmenbedingungen _______________________
31
2.5.2
Grundlagen der (Immobilien-)Besteuerung __________________ 33
2.5.3
Subventionen für Mieter und Selbstnutzer ___________________ 36
2.5.4
Öffentliche Hand als Bestandshalter? _______________________ 38
2.6
Immobilienmarkt zwischen Marktversagen
25
und Staatsversagen ____________________________________ 42
3 Bestimmungsgründe für Immobilienpreise _____________________ 44
3.1
Immobilienangebot ____________________________________ 45
3.2
Immobiliennachfrage __________________________________ 47
3.2.1
Einkommen __________________________________________ 48
3.2.2
Demografie __________________________________________ 49
3.2.3
Mieten ______________________________________________
50
3.2.4
Zinsen ______________________________________________
51
3.3
Preisbildung auf den Immobilienmärkten ___________________ 53
3.4
Besonderheiten der Märkte für Büro- und
Einzelhandelsimmobilien _______________________________
57
Inhaltsverzeichnis
4 Immobilien- und Kapitalmarkt _______________________________ 60
4.1
Grundlagen des Kapitalmarktes ___________________________ 60
4.2
Immobilienanlagen im Überblick __________________________ 63
4.2.1
Geschlossene Immobilienfonds ___________________________ 63
4.2.2
Offene Immobilienfonds ________________________________ 64
4.2.3
Immobilienaktiengesellschaften __________________________ 65
4.2.4
Alternative Immobilieninvestments _______________________ 68
4.3
Immobilien als Assetklasse ______________________________ 69
4.3.1
Portfolioinvestitionen und Immobilien _____________________ 69
4.3.2
Immobilien als Altersvorsorge ____________________________ 72
4.4
Rolle der Banken ______________________________________ 74
4.4.1
Volkswirtschaftliche Funktion der Banken ___________________ 74
4.4.2
Immobilienfinanzierung ________________________________
4.4.3
Refinanzierung von Immobilienfinanzierungen _______________ 80
4.4.4 Subprime-Krise _______________________________________
75
83
5 Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt ______________________ 90
5.1
Grundzüge der Geldpolitik _______________________________
91
5.2
Inflation _____________________________________________ 94
5.2.1
Kosten der Inflation ____________________________________ 94
5.2.2
Immobilien und Inflation ________________________________ 96
5.3
Wechselwirkungen zwischen Geldpolitik, Konjunktur
und Immobilienmärkten ________________________________ 99
6 Immobilienzyklen und spekulative Blasen ______________________ 104
6.1
Ursachen für Immobilienzyklen ___________________________ 106
6.2
Spekulative Blasen _____________________________________ 108
6.3
Deutschland in der Sonderrolle ___________________________ 111
Literaturverzeichnis ____________________________________________ 115
Abbildungsverzeichnis __________________________________________ 119
Tabellenverzeichnis ____________________________________________ 120
Stichwortverzeichnis ___________________________________________ 121
5
Kapitel
Vorwort des Herausgebers
Die Volkswirtschaftslehre analysiert die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge
zwischen Staat, Unternehmen und privaten Haushalten. Das Spektrum der
Themen ist umfassend und reicht von ganz grundsätzlichen Fragen zu Konjunktur
und Wachstum über Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, dem Zusammenspiel
von Angebot und Nachfrage und deren Auswirkungen auf die Preisbildung bis hin
zu Geldpolitik, Inflation und internationalen Fragestellungen wie den Auswirkungen der Globalisierung.
Volkswirtschaftliche Entwicklungen haben einen wesentlichen Einfluss auf
den Immobilienmarkt. Die Akteure der Immobilienwirtschaft sollten daher mit
den grundsätzlichen Wirkungszusammenhängen vertraut sein.
In der vorliegenden Publikation wird das breite Themenspektrum der Volkswirtschaftslehre unter dem Fokus der Immobilien betrachtet. Der Autor,
Dr. Michael Voigtländer, Leiter der Forschungsstelle Immobilienökonomik am
Institut der deutschen Wirtschaft Köln, hat in der vorliegenden Publikation die
volkswirtschaftliche Theorie direkt auf den Immobilienmarkt angewandt. Eingangs werden die wesentlichen volkswirtschaftlichen Ansätze überblicksartig und
anhand von Beispielen aus der Immobilienwirtschaft erläutert. Die Besonderheiten des Immobilienmarktes werden identifiziert und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Marktakteure und insbesondere die Rolle des
Staates analysiert. Des Weiteren erfolgt eine umfassende Darstellung einiger zentraler Themen der Volkswirtschaftslehre in Bezug auf den Immobilienmarkt, insbesondere dem Zusammenspiel von Angebot, Nachfrage und somit der Preisbildung, der Geldpolitik und der Konjunktur. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen an den internationalen Kapital- und Immobilienmärkten widmet der
Autor zwei weitere Kapitel den Interaktionen zwischen diesen Märkten, insbesondere der volkswirtschaftlichen Rolle von Banken, sowie der Entstehung von Immobilienzyklen und spekulativen Blasen.
Die Inhalte dieser Publikation werden auch für die Immobiliensachverständigen-Ausbildung an den kreditwirtschaftlichen Akademien in Deutschland verwendet. Diese berufsbegleitenden Programme dienen der Vorbereitung auf die
HypZert-Zertifizierungsprüfung.
Jens Tolckmitt
Hauptgeschäftsführer
Achim Reif
Bereichsleiter Immobilienfinanzierung
Inland, Bewertung
7
Kapitel 1
1
Kernproblem Knappheit
Volkswirtschaftliche Grundlagen
Volkswirtschaftliche Grundlagen
Die Volkwirtschaftslehre umfasst ein weites Spektrum an Themen. Volkswirte
beschäftigen sich mit dem Arbeitsmarkt, mit der Familienpolitik, mit dem Klimaschutz oder mit der Kriminalität. Im Kern geht es aber in der VWL immer
wieder darum, Knappheitsprobleme zu lösen. Den Haushalten stehen nur
8
begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung, und sie müssen daher immer wieder
neu entscheiden, wofür sie ihr Budget verwenden. Unternehmen stehen vor
schwierigen Investitionsentscheidungen und müssen sich beispielsweise zwischen einer Vielzahl von Standorten entscheiden. Und die Bundesregierung muss
abwägen, welche Maßnahmen den Bürgern am meisten nützen. Immer wieder
geht es darum, solche Lösungen zu identifizieren, die mit begrenzten finanziellen
Mitteln den größten Nutzen stiften. Dabei kann sich der Nutzen, je nach Sichtweise und Präferenz, aus Gewinnen, Zeit oder Lebensqualität im Allgemeinen
zusammensetzen.
Leitvorstellungen
Ökonomen sind sich keineswegs immer einig. Im Gegenteil, einige Diskussionen werden mit großer Schärfe und Hartnäckigkeit geführt, beispielsweise über
die Gründe für die Arbeitslosigkeit. Nichtsdestotrotz gibt es aber Leitvorstellungen
und Grundgedanken, die allgemein akzeptiert sind. Mankiw (2004) hat diese Leitvorstellungen zu 10 Regeln zusammengefasst, die in hervorragender Weise einen
Überblick über die VWL geben. Daher sollen diese 10 Regeln im Folgenden kurz
wiedergegeben werden.
Volkswirtschaftliche Grundlagen
1.1
Kapitel 1
Mankiws 10 Regeln
(1) Alle Menschen stehen vor Zielkonflikten
Eine wichtige Folge der Knappheit ist, dass nicht alle Bedürfnisse befriedigt werden
Folgen der Knappheit
können. Viele Familien müssen sich entscheiden, ob sie ein Haus erwerben, ein
größeres Auto kaufen oder aber häufiger in die Ferien fahren. Jeder Euro, der für
den Urlaub ausgegeben wird, fehlt bei der Finanzierung des Eigenheims – und
umgekehrt. Dabei können die Zielkonflikte ganz unterschiedliche Dimensionen
haben: Ein selbständiger Taxifahrer muss beispielsweise entscheiden, ob er länger
arbeitet und so mehr Geld verdient oder ob er mehr Freizeit genießt. Der Staat wiederum sieht sich oft widerstrebenden Interessen verschiedener Gruppen gegenüber. Zur Finanzierung seiner Aufgaben braucht er Einnahmen. Erzielt er diese
primär durch Kapitalsteuern, riskiert er, dass Kapitaleigner abwandern bzw. ihr
Geld eher im Ausland anlegen. Finanziert er sich hingegen primär über Lohnsteuern, sinkt die Motivation der Bürger, arbeiten zu gehen. Diese Zielkonflikte
sind die Basis aller volkswirtschaftlichen Überlegungen.
9
(2) Opportunitätskosten
Zielkonflikte erfordern Entscheidungen und diese wiederum erfordern, Kosten
Oft vergessen:
und Nutzen gegeneinander abzuwägen. Die Kosten einer Maßnahme bleiben
Opportunitäts-
jedoch oftmals verborgen. Dies kann man etwa an dem Kauf einer Immobilie
kosten
illustrieren. Der Nutzen aus einer selbst genutzten Immobilie setzt sich aus den
zukünftig gesparten Mieten sowie aus der Freiheit zusammen, unabhängig von
einem Vermieter agieren zu können. Die Kosten hingegen werden von den Finanzierungslasten, die mit dem Erwerb der Immobilie verbunden sind, bestimmt. So
betrachten viele Hauseigentümer die Nutzen-Kosten-Rechnung. Sie vergessen
dabei jedoch die Kosten ihres Eigenkapitals. Hätten sie ihr Eigenkapital nicht für
eine Immobilie verwendet, sondern beispielsweise in Aktien angelegt, würden sie
laufende Erträge erzielen. Diese Erträge sind Opportunitätskosten, d. h., es sind
Kosten, die entstehen, wenn alternative Aktionen nicht mehr gewählt werden
können. Nur wenn die Opportunitätskosten einbezogen werden, können Haushalte, Unternehmen und Regierungen rationale Entscheidungen treffen.
Kapitel 1
Volkswirtschaftliche Grundlagen
(3) Grenzbetrachtungen
Denken in Grenz-
Ökonomen denken nur in seltenen Fällen in Durchschnittskosten oder in Durch-
begriffen
schnittserlösen, sondern sie betrachten Grenzkosten und Grenznutzen. Dahinter
steht die Erkenntnis, dass Maßnahmen oder Aktionen solange vorteilhaft sind, wie
der Nutzen der nächsten Einheit die Kosten der nächsten Einheit übersteigt. So
überlegt beispielsweise der Taxifahrer, ob er noch eine weitere Stunde fahren soll,
oder der Schüler steht vor der Entscheidung, ob ihm ein weiteres Schuljahr oder ein
weiterer Abschluss einen Vorteil erbringt, der die Kosten (Opportunitätskosten!)
rechtfertigt. Die Rationalität des Denkens in Grenzbegriffen verdeutlicht auch das
folgende Beispiel:
BEISPIEL
Ein Hotel hat 100 Zimmer, deren Bewirtschaftung am Wochenende 10 000 €
kostet, also 100 € pro Zimmer. Hieraus abzuleiten, dass der Zimmerpreis nicht
unter 100 € liegen darf, wäre falsch. Sind zum Wochenende noch einige Zimmer
frei, lohnt es sich noch Gäste aufzunehmen, auch wenn diese beispielsweise nur
50 € zahlen. Relevant ist für das Hotel nur, ob die zusätzlichen Kosten, die die
Gäste verursachen, also etwa die Reinigungskosten und die Kosten für das Früh-
10
stück, geringer sind als die zusätzlichen Einnahmen. Solange die Grenzerlöse die
Grenzkosten übersteigen, leisten die „Last-Minute“-Gäste einen Beitrag zum
Gewinn bzw. zur Verlustminimierung.
(4) Anreize bestimmen das Verhalten
Menschen
Es ist eine Grundprämisse der VWL, dass Menschen ihre Entscheidungen auf der
reagieren auf Anreize
Basis von Kosten-Nutzen-Abwägungen treffen. Daraus folgt, dass sie auch auf Veränderungen des Nutzens und der Kosten reagieren. Steigen die Immobilienpreise
in einer Stadt, werden die Bürger und Unternehmen weniger Wohn- und Büroflächen nachfragen. Gleichzeitig bestehen Anreize für die Bauwirtschaft, mehr
Immobilien zu bauen, da die Gewinne steigen.
Anreizüberlegungen
Von zentraler Bedeutung sind Anreizüberlegungen nicht nur für Haushalte und
Unternehmen, sondern auch für die Wirtschaftspolitik. Gerade im Bereich der
Immobilienmärkte hat der Staat oftmals durch Anreize versucht, die Marktergebnisse zu verändern. So hat die Bundesregierung nach der Wiedervereinigung durch
Sonderabschreibungen die Bautätigkeit in Ostdeutschland deutlich gesteigert. Die
Volkswirtschaftliche Grundlagen
Kapitel 1
Anreize waren dabei jedoch so stark, dass ein Überangebot entstand, welches nur
langsam abgebaut wird. Doch nicht nur die Feinsteuerung der Anreize ist oftmals
schwierig, auch mit Nebeneffekten muss gerechnet werden.
Viele Länder haben nach dem Zweiten Weltkrieg versucht, die Wohnungsmärkte durch eine strenge Regulierung der Mieten zu stabilisieren. Sie fürchteten
Beispiel
Wohnungsmarkt
stark anziehende Mieten und – damit verbunden – soziale Probleme. Die regulierten Mieten waren für die Haushalte sehr attraktiv, doch die Investoren zogen
sich mehr und mehr aus dem Markt zurück, wodurch das Angebot an Wohnraum
noch knapper wurde. Darüber hinaus führte der Mietstopp dazu, dass die Haushalte eine einmal bewohnte Wohnung, gerade in attraktiver Lage, nicht mehr verlassen wollten, auch wenn sie unter anderen Umständen schon lange ausgezogen
wären. In Wien entwickelte sich hieraus die Praxis, dass Mieter ihre Wohnung nur
verließen, wenn die Nachmieter einen Teil des Inventars zu völlig überzogenen
Preisen kauften. Auf diese Weise wurden die neuen Mieter letztlich doch mit
höheren Mietkosten belastet. Aufgrund der daraus entstehenden Unübersichtlichkeit des Marktes, der fehlenden Investitionsanreize und der weiteren Umgehungskosten wurden letztlich alle mit höheren Kosten belastet.
11
(5) Wirtschaft lebt von der Arbeitsteilung
Bis vor einigen Jahren war es bei den großen Industrieunternehmen üblich, dass sie
Facility
ihre Immobilien selbst bewirtschafteten. Ebenso wie der Produktionsprozess
Management
wurde auch der Betrieb der eigenen Immobilien organisiert, d. h., die Immobilien
wurden selbst gewartet, die Versorgungsverträge wurden selbst ausgesucht und
auch die Reinigung wurde von eigenen Mitarbeitern vorgenommen. Darüber
hinaus verfügten viele Unternehmen auch noch über größere Wohnungsbestände,
beispielsweise für ihre Mitarbeiter. Mittlerweile hat sich das Bild jedoch gewandelt.
Große Industriebetriebe beauftragen Unternehmen mit dem Facility Management. Sie wenden sich beispielsweise an externe Gebäudereiniger, und sie überlassen die Verwaltung großer Bestände spezialisierten Asset Managern. Kurzum:
Sie haben die Vorteile der Arbeitsteilung entdeckt.
Durch Spezialisierungen können oftmals beträchtliche Fortschritte erzielt
werden. Wer sich nur nebenbei um die Bewirtschaftung einer Immobilie kümmert,
hat in der Regel Nachteile gegenüber demjenigen, der sich hierauf spezialisiert.
Zentral für die Idee der Arbeitsteilung sind komparative Kostenvorteile. Dies lässt
sich am besten an einem Beispiel illustrieren.
Komparative
Kostenvorteile
Kapitel 1
Volkswirtschaftliche Grundlagen
BEISPIEL
In einem Büro arbeiten sowohl ein Buchhalter als auch ein Assistent, der sich
unter anderem um die Ablage kümmert. Obwohl der Buchhalter die Aufgaben
seines Assistenten selbst besser erledigen kann, macht es Sinn, dass sie ihre bisherige Aufgabenteilung beibehalten. Denn während der Buchhalter vielleicht nur
geringe Vorteile bei den Sekretariatsarbeiten hat, sind seine Vorteile im Bereich
der Buchhaltung umso größer. Da beiden nur begrenzte Zeit zur Verfügung steht,
können sie in der gewählten Aufgabenteilung ihre Arbeitsleistung maximieren.
Die Idee der Arbeitsteilung bzw. das Konzept der komparativen Kostenvorteile hat
weitreichende Konsequenzen. Es ermöglicht beispielsweise, dass in einer Gesellschaft auch weniger gut ausgebildete Personen am Arbeitsmarkt einen Platz
finden. Außerdem liefert es eine Begründung für die Globalisierung. Im internationalen Kontext geht es vor allem um eine Spezialisierung der Länder auf die Herstellung bestimmter Güter und das Erbringen bestimmter Dienstleistungen, durch die
insgesamt ein höherer Wohlstand für alle erzielt werden kann.
(6) Die unsichtbare Hand
12
Der Preis
Ökonomen sind in aller Regel leidenschaftliche Anhänger der Marktwirtschaft. Die
steuert
Marktwirtschaft zeichnet sich aus durch die dezentrale Entscheidung über die
die Märkte
Produktion der Güter und Dienstleistungen. Während in einer Planwirtschaft ein
zentraler Planer versucht, die Bedürfnisse seiner Bürger zu antizipieren, überlässt
man diese Entscheidung in Marktwirtschaften dem freien Spiel der Kräfte. Die Historie hat mittlerweile eindrucksvoll die Vorteilhaftigkeit der Marktwirtschaft
gegenüber der Planwirtschaft verdeutlicht. Dennoch bleibt für viele rätselhaft, wie
dieses System funktioniert. Zentral für die Funktionsfähigkeit des Marktes ist der
Preis, denn er stellt den wichtigsten Knappheitsindikator dar. Er gibt den Wert
eines Gutes wieder, und die Haushalte richten ihre Konsumentscheidungen hieran
aus. Steigt beispielsweise der Ölpreis, weil die Ölvorräte immer knapper werden,
passen die Haushalte ihre Entscheidungen an und wechseln etwa vom Auto zum
Zug. Preise lenken jedoch nicht nur die Haushalte. Sie signalisieren auch Unternehmen Knappheiten. Steigende Preise in einem Markt bedeuten, dass das
Angebot der Nachfrage hinterherhinkt. Durch eine Ausweitung der Produktion
können dann Gewinne realisiert werden, wie dies schon unter Regel 4 kurz skizziert wurde. Adam Smith hat diesen Mechanismus als die „unsichtbare Hand des
Marktes“ bezeichnet. Obwohl letztlich alle Haushalte und Unternehmen ihre
Volkswirtschaftliche Grundlagen
Kapitel 1
eigenen Ziele und Interessen verfolgen, werden die Güter und Dienstleistungen
über den Preismechanismus so verteilt, dass für alle der größtmögliche Nutzen
entsteht. Auf Seiten der Anbieter setzen sich die kostengünstigsten Wettbewerber
durch, und auf Seiten der Nachfrager kommen diejenigen zum Zug, für die die
Güter und Dienstleistungen – ausgedrückt in der jeweiligen Zahlungsbereitschaft – den größten Wert darstellen. Vor diesem Hintergrund stehen Ökonomen
Eingriffen in den Preismechanismus, wie etwa in Form eines Mietstopps, grundsätzlich kritisch gegenüber.
(7) Aufgaben des Staates
Die Vorteilhaftigkeit des freien Marktes impliziert nicht, dass der Staat überflüssig
Staat setzt Rahmen-
ist. Im Gegenteil, erst dadurch, dass der Staat einen Rechtsrahmen schafft und
bedingungen
diesen auch durchsetzt, kann die unsichtbare Hand überhaupt wirken. Wenn ein
Vermieter nicht sicher sein kann, dass Mieter auch tatsächlich die Miete bezahlen,
wird er nicht bereit sein, ein Gebäude überhaupt zu errichten. Wenn ein Bauer
davon ausgehen muss, dass sein Getreide gestohlen wird, wird er erst gar nichts
anbauen. Ohne den Rechtsstaat kann die Arbeitsteilung nicht funktionieren, da
wir uns dann wieder als Selbstversorger betätigen und zudem einen erheblichen
13
Teil unserer Ressourcen für den Selbstschutz aufwenden müssten.
Darüber hinaus gibt es auch einige wichtige Ausnahmen von der Vorteilhaftig-
Marktunvoll-
keit der unsichtbaren Hand. So bestehen verschiedene Marktunvollkommen-
kommenheiten
heiten, die sich unter Umständen nur mit staatlicher Hilfe heilen lassen. Ein wich-
und externe Effekte
tiger Bereich sind hier externe Effekte, d. h., der Nutzen oder die Kosten Dritter
unterliegen Einflüssen, die nicht über den Preismechanismus abgebildet werden.
Umweltverschmutzungen sind wohl das wichtigste Beispiel für so genannte negative externe Effekte. Eine andere Unvollkommenheit ist Marktmacht. Stehen den
Haushalten nur einige oder im Extremfall sogar nur ein Unternehmen gegenüber,
wird die unsichtbare Hand außer Kraft gesetzt, weil die Eigeninteressen der Unternehmen dann nicht mehr begrenzt werden. In der Folge können die Haushalte ausgebeutet werden. Das ist gerade dann der Fall, wenn es um Güter geht, die nicht
leicht substituiert werden können. In diesen und anderen Fällen kann der Staat
durch Eingriffe das Marktergebnis verbessern. Allerdings bedingt eine Marktunvollkommenheit nicht zwangsläufig einen Eingriff. Gerade der Immobilienmarkt, der in vielerlei Hinsicht Unvollkommenheiten aufweist, ist ein Beispiel
dafür, dass übermäßige Eingriffe mehr schaden als nutzen. Dies soll im nächsten
Kapitel vertieft werden.
Kapitel 1
Volkswirtschaftliche Grundlagen
(8) Wachstum hängt von der Produktivität ab
Produktivität ist
Von allen ökonomischen Themen wird der Konjunktur und dem Wirtschafts-
ausschlaggebend
wachstum wohl die meiste Beachtung geschenkt. Begierig stürzen sich die Medien
für den Wohlstand
auf jede neue Wachstumsprognose und berichten ausführlich über die konjunkturelle Entwicklung. In der Tat ist das Wirtschaftswachstum eine wichtige Größe für
die Volkswirtschaft, da hierüber der Lebensstandard bestimmt wird. Und auch für
den Immobilienmarkt hat die konjunkturelle Entwicklung wichtige Implikationen,
wie in Kapitel 6 gezeigt wird. Doch wovon hängt das Wirtschaftswachstum bzw.
unser Lebensstandard insgesamt ab? Zur Beantwortung dieser Frage ist es – wie so
oft in der VWL – hilfreich, ein einfaches Beispiel zu betrachten. Bauern waren in
der Geschichte lange Zeit Selbstversorger. Sie bauten alle für sie wichtigen Getreidesorten an, verarbeiteten die Ernte und züchteten und schlachteten Nutztiere. Ihr
Lebensstandard hat sich daher danach bemessen, was sie in der Lage waren zu
produzieren. Dies gilt auch für die Volkswirtschaft insgesamt: Je mehr Waren und
Dienstleistungen wir produzieren können, desto höher fällt unser Lebensstandard
aus. Die Fähigkeit zur Produktion hängt wiederum von den eingesetzten Produktionsfaktoren ab. Eine Gesellschaft, die es sich leistet, einen größeren Teil ihres
14
Arbeitskräftepotenzials beschäftigungslos zu lassen, verschenkt somit einen Teil
ihres Lebensstandards. Die Kosten der Arbeitslosigkeit bestimmen sich daher
nicht primär durch die Ausgaben für Arbeitslose, sondern durch das ungenutzte
Produktionspotenzial. Zum anderen hängt unser Lebensstandard davon ab, wie
gut wir mit den vorhandenen Ressourcen umgehen können, d. h. von unserer Produktivität. Je mehr Güter oder Dienstleistungen wir pro Arbeitsstunde herstellen
oder erbringen können, desto wohlhabender sind wir. So beruhen die internationalen Unterschiede in den Lebensstandards vor allem auf den unterschiedlichen
Produktivitäten. Dass die Produktivität in West-Europa deutlich höher ist als beispielsweise in vielen afrikanischen Ländern, liegt vor allem an der besseren Ausbildung der Arbeitskräfte und dem höheren Kapitaleinsatz. Auch dies lässt sich einfach anhand des Bauernhofes illustrieren. Der Übergang von Sensen zu automatisierten Erntemaschinen stellt einen Quantensprung für die Produktivität dar. So
konnte die Arbeitsleistung pro Stunde durch den Einsatz von mehr Kapital (der
Erntemaschine) deutlich erhöht werden. Die gesparte Zeit kann dann genutzt
werden, um weitere Güter zu produzieren.
Volkswirtschaftliche Grundlagen
Kapitel 1
Hier wird teilweise eingewandt, dass der Einsatz von mehr Kapital zu Arbeitskräfteeinsparungen und damit zu Arbeitslosigkeit führt. Solange die Menschen
jedoch noch unerfüllte Bedürfnisse haben, muss dies nicht sein. Gerade bei steigendem Lebensstandard wächst die Nachfrage nach arbeitsintensiven Dienstleistungen. Mit der zunehmenden Verbreitung von Conciergediensten und Reinigungsservices bei großen Wohnungsgesellschaften liefert gerade die Immobilienwirtschaft hierfür ein anschauliches Beispiel.
(9) Inflation lässt sich steuern
In den 1920er-Jahren erlebte Deutschland eine der schlimmsten Geldentwer-
Nachteilige
tungen der Geschichte. Noch 1921 kostete eine Tageszeitung in Deutschland etwa
Inflationswirkungen
0,30 Mark; zwei Jahre später waren es 70 000 000,00 Mark. Inflation in diesem
Ausmaß hat dramatische Folgen. Niemand ist mehr bereit zu sparen und Geld zu
verleihen, d. h., es steht kein Geld mehr für Investitionen bereit. Die Menschen
gehen wieder zum Tausch von Sachleistungen und Waren über, was deutlich
umständlicher und aufwändiger ist als der Weg über Geld. Kurzum, ausufernde
Inflation lähmt die Volkswirtschaft. Doch auch eine schleichende Inflation kann
die wirtschaftliche Entwicklung hemmen. Nicht zuletzt aufgrund der damaligen
15
schlimmen Erfahrungen hat die Geldwertstabilität für die Deutsche Bundesbank
immer die höchste Priorität.
Inflation entsteht vor allem dadurch, dass die Geldmenge schneller steigt als die
Produktion der Güter und Dienstleistungen. Immer wieder haben Staaten in der
Vergangenheit die Geldmenge deutlich ausgeweitet, um etwa ihre Schulden zu
finanzieren oder um Investitionen zu tätigen. Um dies zu verhindern, wurden die
Zentralbanken in allen OECD-Staaten unabhängig, d. h., die Politik hat hinsichtlich
der Geldpolitik keine Weisungsbefugnis. Darüber hinaus sind die Zentralbanken
daran gebunden, die Geldwertstabilität zu gewährleisten. Tatsächlich haben die
Zentralbanken in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte in der Inflationsbekämpfung erzielt, auch wenn die Inflation immer noch nicht vollständig beherrscht wird.
Auch für die Immobilienwirtschaft hat die Inflation eine hohe Bedeutung.
Schließlich gilt Immobilienvermögen als inflationsgeschützt. Hierauf soll näher in
Kapitel 5 eingegangen werden.
Ursache
der Inflation
Kapitel 1
Volkswirtschaftliche Grundlagen
(10) Zielkonflikt zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit
Phillips-Kurve: Zielkon-
Ein Grund, warum Inflation nicht vollständig eingedämmt wird, liegt in dem kurz-
flikt zwischen Inflation
fristigen Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit. Inflation be-
und Arbeitslosigkeit
deutet, dass die Verbraucherpreise steigen. Wenn die Löhne kurzfristig unflexibel
sind, weil sie etwa durch Tarifverträge definiert werden, wird es für Unternehmen
attraktiver, mehr Menschen einzustellen. Gerade um konjunkturelle Abwärtsbewegungen zu moderieren, kann daher ein gewisses Maß an Inflation durchaus hilfreich sein, zumal die Zentralbanken als Nebenziel auch die gesamtwirtschaftliche
Entwicklung beachten sollen. Umgekehrt gilt entsprechend, dass bei rückläufiger
Inflation die Arbeitslosigkeit ansteigen kann. Dieser Zusammenhang wird nach
seinem Entdecker mit der Phillips-Kurve beschrieben, die den Zielkonflikt zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit funktional darstellt.
Die Phillips-Kurve wurde gerade in den 1970er-Jahren sehr intensiv und kritisch
diskutiert. Konsens ist mittlerweile, dass es für die Politik keine dauerhafte Entscheidung zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit gibt. Wenn die Arbeitnehmer
wissen, dass die Inflation jedes Jahr steigt oder stärker steigt, werden sie ihre Lohnforderungen entsprechend anpassen und die Beschäftigungsausweitung bleibt
aus – die Inflationsfolgen bleiben jedoch. Kurzfristig und bei überraschenden
16
Änderungen bleibt der Zusammenhang allerdings bestehen.
1.2
Fazit
Unterschiedliche
Die 10 Regeln geben einen guten Überblick über die Denkweise und die Leitvorstel-
Ansätze
lungen der VWL. Ökonomen versuchen immer wieder, Zielkonflikte herauszustellen und Konfliktlösungen anzubieten – oder zumindest eine vernünftige Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Neben diesem normativen Ansatz, der mit Hilfe
der Theorie Handlungsempfehlungen entwickelt, verfolgt die volkswirtschaftliche
Forschung auch zunehmend einen so genannten positiven Ansatz, d. h., Entwicklungen und Handlungsweisen sollen – frei von Bewertungen – erklärt werden. So
kann die ökonomische Theorie etwa anhand der Analyse der Marktakteure begründen, warum der Immobilienmarkt immer wieder zu ausgeprägten Preiszyklen
neigt.
Volkswirtschaftliche Grundlagen
Ein zentraler Begriff fehlt bislang jedoch noch: die Effizienz. Unter Effizienz ver-
Kapitel 1
Effizienz
stehen Ökonomen, dass ein bestimmtes Ziel mit dem geringsten möglichen Ressourceneinsatz erreicht wird oder dass bei gegebenen Ressourcen der größtmögliche Nutzen erzielt wird. Das Anliegen der VWL ist es, allgemeine Lösungen aufzuzeigen, durch die die gesellschaftlichen Ressourcen (Arbeit, Kapital, Boden) bestmöglich eingesetzt werden. Das entscheidende Instrument ist hierbei ein funktionierender Markt, denn der Wettbewerb der Unternehmen und der Nachfrager
bewirkt letztlich, dass Akteure effizient handeln müssen. Entgegen weit verbreiteten Vorurteilen muss es keineswegs einen Konflikt zwischen Gerechtigkeit und
Effizienz geben. Im Gegenteil, Ökonomen können beispielsweise belegen, dass ein
universeller obligatorischer Krankenversicherungsschutz oder eine soziale Mindestsicherung elementare Bestandteile einer funktionierenden Wirtschaftsordnung darstellen (vgl. z. B. Roth, 2007).
Um Fragen der Gerechtigkeit soll es in dieser Broschüre jedoch weniger gehen.
Auch normative Aspekte, also etwa Staatseingriffe, werden, außer in Kapitel 2, eher
nachrangig behandelt. Vielmehr findet der positive Strang der volkswirtschaftlichen Theorie Anwendung, wenn es darum geht, das Verständnis für den Immobilienmarkt zu schulen.
17
Kapitel 2
Besonderheiten des
Immobilienmarktes
2
18
Besonderheiten
desImmobilienmarktes
Immobilienmarktes
Besonderheiten des
Bedingungen
Im vorigen Kapitel wurde die Funktionsweise der „unsichtbaren Hand“ dargestellt.
des vollkommenen
Im Wettbewerb setzen sich demnach nur die kostengünstigsten Anbieter sowie
Wettbewerbs
die Nachfrager mit der größten Zahlungsbereitschaft durch. Hierdurch werden die
Ressourcen so eingesetzt, dass der größtmögliche Nutzen entsteht. Ein solches
Marktergebnis kann jedoch nicht in jeder Marktkonstellation erwartet werden.
Eindeutig ist das Marktergebnis im vollkommenen Wettbewerb. Sind die folgenden Bedingungen erfüllt, findet der Markt eine effiziente Lösung:
쐍 Es stehen sich eine sehr große Anzahl von Anbietern und Nachfragern gegen-
über.
쐍 Die Güter sind gleich (homogen).
쐍 Anbieter und Nachfrager verfügen über alle relevanten Informationen.
쐍 Angebot und Nachfrage passen sich schnell an veränderte Rahmenbedin-
gungen an.
Auch ohne dass jeder dieser Punkte direkt erklärt wird, scheint es offensichtlich,
dass es nur wenige Märkte gibt, die alle diese Bedingungen erfüllen. Am ehesten
gleichen Rohstoffmärkte noch dem Ideal des vollkommenen Wettbewerbs, Immobilienmärkte dagegen sind hiervon weit entfernt.
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Markt, der von den Bedingungen des vollkommenen Wettbewerbs abweicht, nicht funktionstüchtig ist. Der vollkommene
Kapitel 2
Voraussetzungen
der Staatsintervention
Wettbewerb ist schließlich mehr ein Ideal als ein reales Bild des Marktes. So kann
auch ein Markt mit nur zwei Anbietern die beste mögliche Lösung darstellen,
sofern die beiden Unternehmen intensiv miteinander konkurrieren. Aus Sicht des
Staates stellt sich bei nicht vollkommenem Wettbewerb die Frage, ob durch eine
Intervention das Marktergebnis verbessert werden kann. Haben die Anbieter in
einem Markt z. B. eine große Marktmacht und nutzen diese zu Lasten der Nachfrager, sollte versucht werden, den Markt für neue Anbieter zugänglich zu machen.
Wichtig ist jedoch, dass nicht jede Unvollkommenheit eine Intervention des
Staates rechtfertigt. Schließlich findet der Markt teilweise auch eigene Lösungen
für die Probleme, oder es gibt keine bessere Alternative zu den frei wirkenden
Marktkräften. Eine Marktunvollkommenheit ist ein hinreichender, aber eben noch
kein notwendiger Grund für eine Intervention. Schließlich gilt auch für staatliche
Maßnahmen, dass sie nur bei positiver Nutzen-Kosten-Kalkulation umgesetzt
werden sollten. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Mittel gewählt werden.
Grundsätzlich gilt, dass marktkonforme Maßnahmen besser geeignet sind als das
Ordnungsrecht. Der Grund ist, dass Maßnahmen gegen den Marktmechanismus
19
häufig unerwünschte Nebeneffekte erzeugen, wie dies am Beispiel des Mietstopps
schon erläutert wurde. Im Folgenden werden die verschiedenen Marktunvollkommenheiten und mögliche staatliche und marktliche Lösungen im Bereich des
Immobilienmarktes erläutert.
2.1
Intransparenz und Informationskosten
Nach dem Ideal des vollkommenen Wettbewerbs sollten die gehandelten Güter
Abweichungen des
homogen, also gleichartig, sein. Dies gewährleistet, dass sich die Nachfrage aus-
Immobilienmarktes vom
schließlich nach dem Preis ausrichtet und individuelle Vorlieben oder Qualitäts-
Ideal des vollkommenen
unterschiede keine Rolle spielen. Dies ist auf dem Immobilienmarkt ganz offen-
Wettbewerbs
sichtlich nicht erfüllt. So bestehen zwischen den unterschiedlichen Gebäuden sehr
große Unterschiede, beispielsweise hinsichtlich des Baujahrs, der Größe, der
Technik oder der Ausstattung. Außerdem spielt die Lage eine große Rolle. Selbst
gleichartige Gebäude erzielen am Markt ganz unterschiedliche Preise, je nach der
Nähe zum Zentrum oder der Verkehrsanbindung. Letztlich ist aufgrund der unter-
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
schiedlichen Lagen und Ausstattungen der Gebäude jede Immobilie ein Unikat.
Diese Heterogenität des Marktes bereitet nicht nur Schwierigkeiten bei der Preisfindung, sondern sie hat auch erhebliche Suchkosten für die Beteiligten zur Folge.
Während diese Informationsprobleme letztlich beide Marktseiten gleichermaßen
betreffen, gibt es im Immobilienmarkt auch asymmetrisch verteilte Informationen, vor allem hinsichtlich der Qualität der Gebäude. Die hieraus folgenden
Konsequenzen sollen nun näher betrachtet werden.
2.1.1
Such- und Informationskosten
Matching-Problem auf
Wer schon einmal ein Haus oder eine Wohnung gesucht hat, weiß, wie unüber-
dem Immobilienmarkt
sichtlich der Immobilienmarkt ist. Aufgrund der Vielzahl der Entscheidungspara-
ausgeprägt
meter, wie Preis, Ausstattung, Lage oder Energieeffizienz, ist es kaum möglich, tatsächlich die optimale Wahl zu treffen. Dies gilt nicht nur für Haushalte, sondern
auch für Unternehmen, die beispielsweise ein neues Bürogebäude suchen. Auf der
anderen Seite ist auch der Markt für die Anbieter sehr schwierig. Für sie stellt sich
die Frage, welcher Gebäudetyp zu welcher Lage passt. Oder ob die Nachfrager eher
sanierte und teurere oder lieber günstige Wohnungen beziehen möchten. Im Sinne
20
der ökonomischen Theorie gibt es auf dem Immobilienmarkt ein so genanntes
Matching-Problem. Dies bedeutet, dass nicht gewährleistet ist, dass im Markt
jeweils die beste Nutzen-Kosten-Konstellation gefunden wird. Matching-Probleme gibt es nicht nur im Immobilienmarkt, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt.
Auch hier ist nicht sichergestellt, dass die Arbeitskräfte jeweils dort beschäftigt
werden, wo sie ihre Fähigkeiten bestmöglich einsetzen können. Eine Folge des
Matching-Problems ist, dass Angebot und Nachfrage nur selten übereinstimmen.
So wie auf dem Arbeitsmarkt Sucharbeitslosigkeit bestehen bleibt, ist auf dem
Immobilienmarkt Leerstand kaum zu vermeiden. Selbst bei sehr starker Nachfrage
werden einige Immobilien nur schwer zu verkaufen oder zu vermieten sein, weil sie
nicht den aktuellen Wünschen der Nachfrager entsprechen. Eine weitere Analogie
ist darin zu sehen, dass es spezialisierte Vermittler gibt, deren Beschäftigungsfeld
vor allem die Überwindung des Matching-Problems ist. Auf dem Arbeitsmarkt ist
der Marktführer, die „Bundesagentur für Arbeit“, allerdings staatlich – was sinnvoll
ist, weil sich die Arbeitslosen ohnehin bei der Bundesagentur registrieren lassen
müssen und der Staat aus eigenem Interesse die Ernsthaftigkeit der Arbeitssuche
überprüfen muss, um ein Ausnutzen der Arbeitslosenversicherung zu verhindern.
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Kapitel 2
Bezogen auf den Immobilienmarkt besitzt der Staat jedoch keinen Informationsvorteil und auch kein vergleichbares Interesse wie auf dem Arbeitsmarkt. Im
Immobilienmarkt übernehmen daher spezialisierte Dienstleister, Makler, die
Funktion, das Matching zu verbessern. Sie leben davon, dass die Anbieter und
Nachfrager ihre eigenen Suchkosten, etwa in Form von Zeitkosten (Opportunitätskosten) und Kosten für Annoncen, höher einschätzen als die Gebühren der Makler.
Durch neue Technologien, wie etwa die zunehmende Verbreitung von Immobilienplattformen im Internet, können sich die Kosten-Nutzen-Rechnungen der
Marktakteure jedoch auch ändern.
Eine weitere wichtige Konsequenz aus der Unsicherheit aufgrund der Informa-
Hohe Renditen bei
tionsmängel betrifft die Renditen. Unter Unsicherheit verlangen Investoren Risiko-
hoher Unsicherheit
prämien, d. h., sie werden nur dann bereit sein, in den Immobilienmarkt zu investieren, wenn sie durchschnittlich eine höhere Rendite erzielen als in alternativen
Märkten, die eine bessere Informationsbasis bieten. Damit wird das höhere Risiko
aufgrund der höheren Unsicherheit kompensiert. Typischerweise wird der Immobilienmarkt daher von lokalen Unternehmen dominiert, da diese aufgrund ihrer
Marktkenntnis einen Informationsvorsprung besitzen. Erst langsam gewinnen
größere Immobilienunternehmen genügend lokale Expertise, um ihre Größen-
21
vorteile auszuspielen.
Es ist offensichtlich, dass der Staat zur Überwindung der Unsicherheit und der
Schaffung
Matching-Probleme wenig besteuern kann. Allerdings könnte er den Marktteil-
von Transparenz
nehmern durch die Bereitstellung von Preisinformationen Hilfestellungen geben.
durch den Staat
Oftmals sind die Marktteilnehmer sogar über die Richtung von Preisentwicklungen unsicher, was die Funktionsfähigkeit des Marktes erheblich einschränkt.
Und auch für die Geldpolitik sind verlässliche Preisdaten unerlässlich, wie in
Kapitel 5 noch gezeigt wird. Da letztlich alle Kaufpreise notariell festgehalten und
den Gutachterausschüssen bekannt sind, könnte der Staat diese Informationen
auswerten und den Marktteilnehmern zur Verfügung stellen. Allerdings dürfen
dabei nicht einfach Durchschnittspreise angewendet werden. Stattdessen muss
ein hedonischer Ansatz verwendet werden. Hierbei werden alle Immobilienpreise
sowie alle Informationen zur Lage und der jeweiligen Ausstattung zunächst
gesammelt. Mit Hilfe von ökonometrischen Verfahren werden dann Einzelpreise
für bestimmte Lagen und Ausstattungen ermittelt. Daraufhin kann der Preis der
Immobilien anhand der Einzelpreise nachvollzogen werden, und ausgehend von
den Einzelpreisen wiederum können die jährlichen Wertänderungen bestimmt
werden. Damit die Schätzungen eine hohe Genauigkeit erzielen, wird ein sehr
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
großer Datenstamm mit möglichst detaillierten Beschreibungen der Immobilien
benötigt. Erst in den letzten Jahren hat das Statistische Bundesamt damit
begonnen, die Immobilienpreisveränderungen aufgrund der Daten der Gutachterausschüsse zu erfassen, zunächst beschränkt auf den Wohnimmobilienbereich
(Dechent, 2008). Der Verband deutscher Pfandbriefbanken ermittelt seit einigen
Jahren ebenfalls Immobilienpreisveränderungen mit Hilfe des hedonischen Verfahrens, allerdings auf der Basis von Daten aus Hypothekendarlehen (Eilers und
Hofer, 2007). Schließlich erhalten die Finanzierungsinstitute im Rahmen der
Kreditprüfung Originaldaten über die Immobilien bzw. über die zugrunde liegenden Transaktionen (z. B. Kauf oder Vermietung).
2.1.2
Asymmetrische Information
Informationsvorteile
Die bislang aufgezeigten Informationsprobleme betreffen die Immobilienanbieter
einer Marktseite und
und die Immobiliennachfrager gleichermaßen. In einigen Bereichen besitzen die
adverse Selektion
Immobilienanbieter gegenüber den Nachfragern jedoch Informationsvorteile, insbesondere mit Blick auf die technischen und baulichen Details einer Immobilie. So
können Nachfrager nur schwerlich nachvollziehen, wann eine Immobilie das letzte
22
Mal modernisiert wurde oder aus welchem Material die Wasserrohre sind. Aus
dieser Konstellation heraus kann das Problem der so genannten adversen Selektion resultieren, das Akerlof (1970) anhand des Gebrauchtwagenmarktes beschrieben hat. Gibt es auf dem Gebrauchtwagenmarkt in gleicher Zahl gute und schlechte Gebrauchtwagen („Zitronen“), orientiert sich die Zahlungsbereitschaft an der
statistischen Durchschnittsqualität der Autos. Dieser Preis ist jedoch zu gering für
die guten Autos, sodass sich deren Anbieter aus dem Markt zurückziehen. Übrig
bleiben nur die schlechten Gebrauchtwagen, die „Zitronen“. Da die Nachfrager dies
antizipieren, kommt letztlich aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung kein Markt zustande. Diese Gefahr ist auch im Immobilienmarkt latent vorhanden. Damit würden die durch den Markt möglichen Tauschgewinne für alle
Beteiligten entfallen. Tatsächlich gibt es jedoch einen sehr lebhaften Gebrauchtwagenmarkt, und auch Bestandsimmobilien werden rege gehandelt. Dies ist auf
die marktlichen Lösungsmechanismen zurückzuführen, die Marktakteure zur
Überwindung der Informationsasymmetrien anwenden. So versuchen die Anbieter guter Qualität, die Vorteile ihrer Angebote zu signalisieren, beispielsweise über
die Vorlage von Gutachten oder durch Garantien. Die Nachfrager wiederum versuchen durch eigene Bemühungen oder eben durch das Hinzuziehen von externen
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Kapitel 2
Sachverständigen, die Informationsvorteile zu überwinden. Das Sachverständigenwesen leitet sich ökonomisch gesehen also aus der ungleichen Informationsverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern ab.
In der Praxis haben jedoch auch Eigentümer trotz eines gewissen Informationsvorsprungs häufig Probleme, die Qualität ihrer Gebäude richtig einzuschätzen. Der
Staat versucht teilweise, die Bemühungen der Anbieter und Nachfrager durch
standardisierte obligatorische Maßnahmen zu unterstützen. Der verpflichtende
Energieausweis ist ein Beispiel hierfür. Anders als bei freiwilligen Lösungen stellt
sich dann jedoch die Frage, ob die Umsetzung tatsächlich mit einer positiven
Nutzen-Kosten-Kalkulation verbunden ist.
Die adverse Selektion wird in der Literatur auch als vorvertragliches Informa-
„Moralisches Risiko“
tionsproblem bezeichnet. Darüber hinaus gibt es auch ein nachvertragliches Pro-
als nachvertragliches
blem, das so genannte „Moralische Risiko“. Dies hat insbesondere bei Mietver-
Problem
trägen eine Relevanz. Der Vermieter stellt gegen ein Entgelt dem Mieter Wohnoder Geschäftsräume zur Verfügung. Dabei erwartet der Vermieter, dass mit
seinem Eigentum pfleglich umgegangen wird. Dies kann der Vermieter jedoch
kaum kontrollieren, und dem Mieter fehlen zunächst einmal die Anreize, sich im
Sinne des Vermieters zu verhalten. Das „Moralische Risiko“ führt nicht dazu, dass
ein Markt nicht zustande kommt. Allerdings werden Vermieter gegebenenfalls
Risikoprämien verlangen, sodass die Kosten insgesamt steigen und der Markt sich
verkleinert. Dies ist mit einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtseinbuße verbunden. Wie bei der adversen Selektion können die Probleme durch marktliche
Mechanismen gemindert werden. Insbesondere der Arbeitsmarkt bietet mit den
verschiedenen personalwirtschaftlichen Anreizinstrumenten anschauliche Beispiele dafür, wie die Interessen von Arbeitgeber und Mitarbeiter harmonisiert
werden können, etwa durch leistungsorientierte Vergütungssysteme oder Erfolgsbeteiligungen. Im Immobilienmarkt steht solchen Anreizen jedoch oft das Mietrecht entgegen. Ein Beispiel sind die Klauseln zu Schönheitsreparaturen. Sie sollen
gewährleisten, dass die Mieter die Wohnung pfleglich behandeln, weil sie wissen,
dass sie ansonsten beim Auszug Renovierungsleistungen erbringen müssen. Da
diese Klauseln, auch für bestehende Verträge, vom Bundesgerichtshof ausgesetzt
wurden, fehlt ein Anreizinstrument, sodass die Vermieter unter sonst gleichen
Umständen höhere Mieten zur Kompensation des nun höheren „Moralischen
Risikos“ verlangen müssen.
23
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
2.2
Lange Nutzungsdauer und hohe Kapitalbindung
Immobilienmarkt ist
Immobilien haben eine Nutzungsdauer von teilweise mehr als 100 Jahren, je
ein Bestandsmarkt
nachdem wie sie instandgehalten und modernisiert werden. Auch ohne größere
Sanierungen können Wohngebäude häufig 30 bis 40 Jahre genutzt werden. Die
Entscheidung für den Bau einer Immobilie erfordert also eine langfristige Perspektive. Vor allem aber ist der Immobilienmarkt durch die lange Nutzungsdauer der
Gebäude ein Bestandsmarkt. Abbildung 1 zeigt, dass der Anteil des Neubaus im
Wohnimmobilienmarkt nur rund 0,5 bis 1,5 % beträgt.
Verhältnis von Neubau zum Wohnungsbestand in %
1,4
1,2
1,0
0,8
24
0,6
0,4
0,2
0,0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Quelle: Statistisches Bundesamt
Abb. 1: Verhältnis von Neubau zum Wohnungsbestand in %
Langsame Anpassung
Nach dem Ideal des vollkommenen Wettbewerbs sollten sich Märkte schnell an
des Immobilienmarktes
veränderte Rahmenbedingungen anpassen können. Da im Immobilienmarkt das
Angebot nur sehr langsam auf Nachfrageänderungen reagieren kann, sind Marktungleichgewichte typisch für diesen Markt. Diese Ungleichgewichte wirken sich
vor allem auf die Immobilienkonjunktur aus, weshalb dies detailliert in Kapitel 6
diskutiert werden soll. Dort werden auch mögliche staatliche Einflussmöglichkeiten behandelt.
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Immobilien haben nicht nur eine lange Nutzungsdauer, sondern sie erfordern
Kapitel 2
Optimale Konsumpläne
auch einen hohen Kapitaleinsatz. Gewöhnlich geht man davon aus, dass Nachfrager genau so viele Einheiten eines Gutes erwerben, wie für sie optimal sind. Dies
ist im Immobilienmarkt mitunter nicht gegeben. Aufgrund der Heterogenität des
Marktes müssen die Nachfrager teilweise Abweichungen von ihren optimalen
Konsumplänen vornehmen, d. h., sie müssen entweder zu große bzw. teure oder zu
kleine Wohnungen kaufen oder mieten. Insbesondere bei Änderungen des Bedarfs,
etwa wegen des Auszugs eines Familienmitglieds, können die Konsumpläne nur
unzureichend geändert werden. Ein Wohnungswechsel stellt eine Alternative dar,
jedoch stehen dieser Lösung häufig hohe Umzugs- und Transaktionskosten entgegen. Dementsprechend muss der Konsum anderer Güter gegebenenfalls reduziert werden. Diese Situation ist letztlich unabänderlich, bietet jedoch auf der
anderen Seite den Anbietern immer wieder die Chance, durch zielgruppenspezifische Angebote Markterfolge zu erzielen. Der Staat kann zur Beseitigung dieser
Marktunvollkommenheit nur dadurch beitragen, indem er die von ihm verursachten Transaktionskosten möglichst gering hält. Insbesondere die Grunderwerbsteuer steht einer effizienten Allokation der Immobilien entgegen.
Schließlich hat die hohe Kapitalbindung auch Konsequenzen für die Altersvor-
Kapitalbindung
sorge. Da selbst genutzte Immobilien einen Großteil des Kapitals binden, steht
als Klumpen-
weniger Kapital für alternative Anlagen zur Verfügung. Der Immobilienwert kann
risiko
daher auch ein Klumpenrisiko darstellen. Hierauf soll in Kapitel 4 eingegangen
werden.
2.3
Externe Effekte
Externe Effekte sind unkompensierte Auswirkungen ökonomischen Handelns auf
Externe Effekte
den Nutzen oder die Kosten unbeteiligter Dritter. Entscheidend ist dabei, dass die
sind nicht über
Auswirkungen der Produktion oder des Konsums auf Dritte nicht über das Preis-
Preissystem erfasst
system erfasst werden. Die externen Effekte können dabei sowohl positiv als auch
negativ sein, d. h. den Nutzen Dritter erhöhen oder vermindern. Dies klingt sehr
technisch, lässt sich aber leicht verdeutlichen:
25
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
BEISPIEL
Wer eine Eintrittskarte für ein Fußballspiel kauft, erzielt einen Nutzen daraus, ein
Spiel live und unmittelbar zu verfolgen. Sitzt nun vor dem Fußballfan ein starker
Zigarrenraucher, wird der Nutzen mitunter getrübt. Der Zigarrenkonsum des
Vordermanns mindert den Nutzen des Fußballfans, ohne dass sich dies in irgendeiner Weise auf das Eintrittsgeld auswirken würde.
Dies macht zwei Dinge deutlich: Erstens sind externe Effekte allgegenwärtig. Und
zweitens bedürfen sie nicht generell einer staatlichen Lösung. Gewichtig sind
externe Effekte vor allem im Umweltbereich und auf dem Bildungssektor. Kohlendioxid-Emissionen schädigen die Umwelt und damit alle Menschen. Im Marktsystem werden den Kohlendioxid-Emittenten diese Kosten jedoch nicht in Rechnung gestellt. Anders sieht es auf dem Bildungssektor aus. Das Wissen, das Studenten erwerben, kommt nicht nur ihnen selbst zugute, sondern auch ihren Mitmenschen. Durch Gespräche und Kooperation geben sie ihr Wissen weiter, was
sich positiv auf den Nutzen dieser Personen auswirkt. Dieser Nutzen wird von den
Studenten bei ihrer Studiumsentscheidung jedoch nicht mit berücksichtigt. Generell gilt, dass bei negativen externen Effekten die am Markt gehandelte Menge –
26
gemessen am gesellschaftlichen Optimum – zu groß ist und bei positiven externen
Effekten zu klein.
Externe Effekte
Im Immobilienmarkt sind externe Effekte vor allem bei Investitionsentschei-
und Investitions-
dungen relevant (Eekhoff, 2006). Steht in einem Stadtviertel ein verlassenes
entscheidungen
Gebäude, womöglich noch mit zerstörten Scheiben, wirkt sich dieses Gebäude
negativ auf die Vermietungschancen der angrenzenden Immobilien aus. Von
hohem Leerstand können also negative externe Effekte ausgehen. Ein anderes Beispiel bieten Modernisierungen. Möchte ein Eigentümer seine Immobilie modernisieren und die Fassade verschönern, kommt dies auch den anderen Eigentümern
zugute. Der größte Vorteil würde erzielt werden, wenn alle Eigentümer modernisierten.
Gefangenen-
Diese Lösung stellt sich jedoch oft nicht ein, da es individuell rational ist, zu-
Dilemma
nächst abzuwarten. Dies lässt sich mit dem so genannten „Gefangenen-Dilemma“
verdeutlichen. Das „Gefangenen-Dilemma“ beschreibt eine Situation, in der zwei
Gefangene verhört werden und durch die Belastung des jeweils anderen Haftvorteile erhalten. Am besten stellen sie sich jedoch, wenn sie beide schweigen.
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Kapitel 2
Diese Situation lässt sich auf Immobilieneigentümer, die vor einer Modernisierungsentscheidung stehen, übertragen. Angenommen, es stehen sich zwei Immobilieneigentümer gegenüber (Tabelle 1). Modernisiert keiner, erzielen beide Mieteinnahmen von jeweils 5 Geldeinheiten. Modernisieren dagegen beide, können die
Mieteinnahmen trotz der Investitionskosten auf 7 Geldeinheiten gesteigert werden. Dieses Ergebnis ist jedoch unwahrscheinlich. Eigentümer 1 wird wie folgt
überlegen: Modernisiert Eigentümer 2, stellt sich Eigentümer 1 besser, wenn er
nicht modernisiert, weil er die Investitionskosten spart und gleichzeitig von der
Modernisierung des anderen profitiert. Verzichtet Eigentümer 2 auf die Modernisierung, stellt sich Eigentümer 1 ebenfalls mit einem Verzicht besser, sodass nicht
modernisieren die dominante Strategie ist. Da dies auch für Eigentümer 2 gilt, wird
letztlich nicht investiert, obwohl es für beide besser wäre. Aufgrund der externen
Effekte führt individuell rationales Verhalten also zu einem gesellschaftlich unerwünschten Ergebnis.
Tabelle 1: Gewinne aus der Immobiliensanierung in Geldeinheiten
Eigentümer 2
modernisieren
nicht modernisieren
modernisieren
7; 7
4; 6
nicht modernisieren
8; 4
5; 5
Eigentümer 1
Dieses Dilemma kann jedoch überwunden werden. Eine Möglichkeit besteht in
Verhandlungen, wie sie etwa Coase (1960) vorgeschlagen hat. Wenn sich die Eigentümer absprechen und kooperieren, können sie die für beide Parteien beste Lösung
erzielen. Dies dürfte vor allem dann Erfolg versprechend sein, wenn die Eigentümer häufiger in eine Situation kommen, in der sie kooperieren müssen. Allerdings gibt es in der Immobilienwirtschaft in der Regel nicht nur zwei, sondern eine
Vielzahl von Verhandlungspartnern. Je mehr Partner miteinander verhandeln,
desto größer sind die Verhandlungskosten. Darüber hinaus bestehen bei vielen
Partnern für Einzelne Freifahreranreize, d. h. Anreize, sich der Kooperation zu entziehen und von den Maßnahmen der anderen zu profitieren. In einer solchen
Situation kann der Staat helfen, indem er den Verhandlungsprozess moderiert und
Interessen zusammenführt. Außerdem kann schon die Aussicht, Maßnahmen mit
dem Planungsrecht durchzusetzen, die Verhandlungsbereitschaft vergrößern.
27
Verhandlungslösungen
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Anreizprogramme in der
Eine Alternative oder auch ergänzende Möglichkeit stellen finanzielle Anreize
Immobilienwirtschaft
dar, etwa in Form von Steuern oder Subventionen. So wurde etwa die Ökosteuer
eingeführt, damit der Energieverbrauch eingeschränkt wird und so insgesamt
weniger Kohlendioxid emittiert wird. Im Immobilienbereich stellt das Stadtumbauprogramm wohl das bekannteste Beispiel für ein solches Anreizprogramm dar.
Hier werden Subventionen für den Abriss leer stehender Gebäude oder die Sanierung von Innenstädten gezahlt. Solche Maßnahmen können legitimiert werden,
weil über die Veränderung der Marktpreise (durch Steuern oder Subventionen) die
Marktteilnehmer automatisch die sozialen Kosten und Nutzen berücksichtigen
müssen und so das Marktergebnis verbessert wird. Allerdings stellt sich die Frage,
ob die finanziellen Anreize richtig justiert werden. Ein optimales Ergebnis würde
voraussetzen, dass die sozialen Kosten bzw. der soziale Nutzen bekannt sind. Wie
hoch die externen Effekte beispielsweise des Leerstands sind, lässt sich jedoch
empirisch nicht ermitteln. So steht das Stadtumbauprogramm immer wieder in
der Kritik, weil gemutmaßt wird, die Subventionen dienten nicht nur der Berücksichtigung der externen Effekte, sondern auch der wirtschaftlichen Gesundung der
vielen kommunalen Wohnungsgesellschaften (Dascher, 2006). Und noch ein Problem hat das Stadtumbauprogramm: Anders als etwa bei der Verringerung der
28
Kohlendioxidemissionen kommt der Stadtumbau nur den Bürgern der jeweiligen
Städte zugute. Die Subventionen werden jedoch mit allgemeinen Steuermitteln
finanziert.
2.4
Marktmacht
Hohe Gewinne als Indiz
Vollkommener Wettbewerb bedeutet, dass eine große Anzahl von Anbietern mit-
für Marktmacht
einander konkurriert. Der Wettbewerb führt dazu, dass die Unternehmen noch
gerade kostendeckend arbeiten, d. h., sie erwirtschaften genügend Einnahmen, um
die Kosten, einschließlich des kalkulatorischen Unternehmerlohns, zu decken,
aber keine darüber hinausgehenden Gewinne. Hohe Gewinne sind daher immer
ein Indiz für Marktmacht. Ein Extrembeispiel ist der Monopolist. Als einziger
Anbieter ist der Monopolist kein Mengenanpasser, sondern er selbst kann den
Preis bestimmen. Je höher er den Preis festlegt, desto größer ist sein Stückgewinn.
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Kapitel 2
Andererseits wird die Absatzmenge bei höheren Preisen sinken. In dem Bestreben,
seinen Gewinn zu maximieren, wird der Monopolist jedoch einen Preis oberhalb
der Grenzkosten wählen. Im vollkommenen Wettbewerb würde der Preis dagegen
bis auf die Grenzkosten sinken. Daher werden im Monopolmarkt einige Nachfrager nicht bedient, bzw. eigentlich lohnende Markttransaktionen kommen nicht
zustande. Ähnlich verhält es sich bei einer Marktsituation mit nur wenigen Unternehmen. Im so genannten Oligopol drohen Absprachen zwischen den Anbietern,
und es besteht die Gefahr, dass die einzelnen Oligopolisten zumindest in Teilbereichen Monopolspielräume haben.
Es ist die Aufgabe des Bundeskartellamts, den Wettbewerb zu überprüfen und
gegebenenfalls regulierend einzugreifen, falls sich monopolistische Strukturen
Bundeskartellamt prüft
Wettbewerb
herausbilden. Außerdem ist das Kartellamt berechtigt, Fusionen zu untersagen,
falls sie die Funktionsfähigkeit des Marktes stören.
Besonders bei so genannten Netzgütern drohen monopolistische Marktstruk-
Netzgüter
turen, weil sich nur ein Leitungssystem wirtschaftlich lohnt. Beispiele sind die
Bahn, die Stromversorgung oder auch das Kabelnetz. Hier versuchen die Wettbewerbsbehörden, den Durchleitungswettbewerb anzuregen. Dies bedeutet, dass
den Konkurrenten ohne eigenes Netz der Zugang gegen Entgelt eröffnet wird. Die
29
Bestimmung des Entgelts gestaltet sich dabei jedoch ebenso schwierig wie die Aufrechterhaltung von Anreizen, damit die Eigentümer das Netz instandsetzen und
modernisieren.
Der Immobilienmarkt ist jedoch nicht durch eine besondere Marktkonzentra-
Keine Konzentration
tion gekennzeichnet. Im Gegenteil, im Immobilienmarkt sind eher kleine Unter-
auf dem Immobilien-
nehmen vorherrschend. Das größte Wohnungsunternehmen in Deutschland ver-
markt
fügt über etwa 220 000 Wohnungen, dies entspricht einem Anteil von etwa 0,5 %
des Gesamtmarktes. Insgesamt gibt es im Immobilienmarkt über 190 000 Unternehmen, die Wohnungen und Gewerbeimmobilien vermieten. Auch die Eigentümerstruktur verdeutlicht die geringe Marktkonzentration (Abbildung 2). Über
14 Millionen Wohnungen sind in der Hand von Kleinvermietern, größere professionelle Anbieter sind dagegen nur im Besitz von etwa 6 Millionen Wohneinheiten.
Begrenzt wird die Macht der Vermieter auch durch die Möglichkeit der Mieter, im
Fall zu hoher Mietforderungen entweder die Wohnung zu wechseln oder selbst
eine Wohnung zu kaufen.
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Der Wohnungsmarkt in Deutschland im Jahr 2006
Wohnungsbestand in Deutschland:
39,62 Mio. Wohnungen
Professionell
gewerbliche Anbieter:
9,15 Mio. Wohnungen
Genossenschaften:
2,08 Mio.
Wohnungen
Private
Kleinvermieter:
14,51 Mio. Wohnungen
Öffentliche
Wohnungsunternehmen:
2,33 Mio.
Wohnungen
Selbstnutzer:
15,96 Mio. Wohnungen
Private
Wohnungsunternehmen:
4,06 Mio.
Wohnungen
Sonstige
(z. B. Kirchen):
0,69 Mio.
Wohnungen
Quelle: Veser et al. (2007)
Abb. 2: Der Wohnungsmarkt in Deutschland im Jahr 2006
Ausschließen kann man Marktmacht jedoch auch im Immobilienmarkt nicht. Ist
30
ein Mietvertrag erst abgeschlossen worden, kann der Vermieter seine Marktposition zu Lasten des Mieters ausnutzen. Theoretisch (also ohne Beachtung des Mietrechts) kann der Vermieter nach dem Vertragsabschluss die Mieten unabhängig
von der Marktsituation bis zur Höhe der Umzugskosten erhöhen. Hinzu kommt,
dass Mieter auch ihrem Wohnumfeld einen Wert beimessen und gegebenenfalls
auch eigene Investitionen getätigt haben, die den Spielraum für den Vermieter
weiter erhöhen. Daher werden im Mietrecht zahlreiche Restriktionen für Mieterhöhungen festgelegt. So dürfen Mieten grundsätzlich nur dann erhöht werden,
wenn auch die Mieten vergleichbarer Wohnungen steigen. Dabei gehen Mietpreisregulierung und Kündigungsschutz Hand in Hand, denn sonst könnten die Vermieter stets mit einer Kündigung drohen, falls sich der Mieter nicht auf höhere
Mieten einlassen will.
Besonderheiten des Immobilienmarktes
2.5
Kapitel 2
Rolle des Staates
Schon an einigen Stellen dieses Kapitels wurde die Rolle des Staates diskutiert. Er
Sorgfältige Abwägung
kann durch Moderation oder durch Steuern und Subventionen zur Verbesserung
notwendig
des Marktergebnisses beitragen. Außerdem obliegt es ihm, Marktmacht zu verhindern. Dabei gilt es jedoch stets, die Vor- und Nachteile eines Eingriffs sorgfältig
gegeneinander abzuwägen. In anderen Fällen, wie etwa der asymmetrischen Informationsverteilung, kann der Staat jedoch nur sehr wenig tun. In diesem Kapitel soll
die Rolle des Staates noch einmal umfassender dargestellt werden. Dabei sollen
auch bisher vernachlässigte Themen, wie etwa die öffentlichen Wohnungen oder
das Wohngeld, aufgegriffen werden.
2.5.1
Festlegung der Rahmenbedingungen
Eine der wichtigsten Aufgaben des Staates in einer Marktwirtschaft besteht in der
Herausragende
Festlegung der Regeln und deren Überwachung. Wie schon im ersten Kapitel deut-
Bedeutung der
lich gemacht worden ist, bedingen Transaktionen Rechtssicherheit. Schließlich
Rechtssicherheit
wären wir ohne Regeln in einem rechtsfreien Land auf die Selbstversorgung ange-
31
wiesen und müssten überdies erhebliche Ressourcen für die Verteidigung unserer
Güter verwenden. Der Rechtsrahmen und die Rechtssicherheit haben im Immobilienmarkt eine herausragende Bedeutung. Da das Kapital langfristig in einer
Immobilie verbleibt und das Sachkapital auch nicht transferiert werden kann, wie
dies etwa beim Finanzkapital möglich ist, sind die Investoren darauf angewiesen,
dass die zum Zeitpunkt der Investition gültigen Regeln auch fortgeschrieben werden. Diese Verlässlichkeit ist jedoch nicht immer gegeben.
Einen sehr wichtigen Bereich des rechtlichen Rahmens stellt das Planungsrecht
dar. Das Bauplanungsrecht ist der Bereich des öffentlichen Rechts, der die planerischen Voraussetzungen für die Bebauung einzelner Grundstücke regelt. Es bestimmt, ob, was und wie viel gebaut werden darf. Dabei obliegt die Planungshoheit
zunächst der Gemeinde. Nur wenn die Planungen über das Gemeindegebiet hinausgehen, erfolgen sie auf Regional- oder Landesebene. Die Planungshoheit der
Gemeinden steht grundsätzlich im Widerspruch zur Eigentumsfreiheit. Die
Grundstückseigentümer können nicht selbst festlegen, ob sie beispielsweise ein
Bürogebäude oder ein Wohnhaus errichten. Dieser Verzicht auf die vollständige
Entscheidungsfreiheit ist jedoch notwendig, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Schließlich können einzelne Gebäudetypen den Nutzen an anderen Gebäuden ein-
Planungsrecht
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
schränken. So würde beispielsweise der Bau einer Mülldeponie in unmittelbarer
Nähe zu einer Wohnsiedlung den Wert der Wohngebäude schmälern. Solche negativen externen Effekte sollen durch das Planungsrecht vermieden oder zumindest
begrenzt werden. Das Planungsrecht dient also letztlich dazu, die sozialen Kosten
und den Nutzen der Bebauung zu berücksichtigen. Dabei ist das Planungsrecht
jedoch auch kritisch zu betrachten. Allzu oft ist hiermit auch eine Wettbewerbsbeschränkung verbunden. So werden in vielen Fällen die Anliegen von Investoren
zur Ausweisung neuer Einzelhandelsflächen mit dem Hinweis auf den bereits
bestehenden Einzelhandel abgewiesen. Damit wird jedoch letztlich der Wettbewerb zu Lasten der Kunden eingeschränkt. Auch die Preise von Wohnimmobilien werden durch das Planungsrecht tangiert. So kommen Evans und Hartwich
(2005) im Rahmen einer internationalen Studie zu dem Schluss, dass die zentrale
Planung in Großbritannien auch dazu genutzt worden ist, die Flächen knapp und
damit die Preise im Sinne der Eigentümer hoch zu halten. Da die Eigentümer im
Königreich in der Mehrheit sind, könnte diese Gruppe allein aus wahltaktischen
Gründen bevorzugt werden. Mit dem dezentralen Planungsrecht in Deutschland
und der damit verbundenen Konkurrenz der Kommunen untereinander sind
solche Entwicklungen sehr viel unwahrscheinlicher.
32
Mietrecht
Einen weiteren wichtigen Bereich stellt das Mietrecht dar. Auch das Mietrecht
beschränkt die Nutzung des Eigentums, wobei es im Gegensatz zum Planungsrecht nicht den Bau neuer Gebäude, sondern die Nutzung bestehender Gebäude
einschränkt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein gewisses Maß an Mieterschutz notwendig ist, um die Marktmacht des Vermieters zu begrenzen. Problematisch wird das Mietrecht jedoch, wenn damit in bestehende Verträge eingegriffen wird. Ein Vermieter kalkuliert die Mietkosten in Abhängigkeit von den
jeweils geltenden Regeln. Werden nun im Nachhinein Klauseln oder Regeln für
ungültig erklärt, entstehen zusätzliche Kosten für den Vermieter, die er zumindest
nicht unmittelbar durch Mieterhöhungen kompensieren kann. Damit sinkt der
Wert des Eigentums für die Vermieter. Langfristig geht dies jedoch auch zu Lasten
der Mieter. Ziehen sich immer mehr Investoren aus dem Wohnungsbau zurück,
wird das Angebot sinken und damit die Preise steigen.
Die Aufgabe des Staates ist es grundsätzlich, einen verlässlichen Rechtsrahmen
zu schaffen, in dem die „unsichtbare Hand des Marktes“ möglichst effizient walten
kann. Dabei müssen jedoch gleichzeitig die Marktunvollkommenheiten, wie etwa
externe Effekte und Marktmacht, berücksichtigt werden. Dies macht die Aufgabe
komplex, denn jede Ausgestaltung kann grundsätzlich kontrovers diskutiert
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Kapitel 2
werden. Die Überlegung, ob eine Regelung tatsächlich zur Verbesserung des
Marktergebnisses notwendig ist, kann jedoch schon helfen, effiziente von problematischen Regeln zu unterscheiden.
2.5.2
Grundlagen der (Immobilien-)Besteuerung
Steuern sind ein grundsätzliches Ärgernis für Arbeitnehmer und Unternehmer.
Steuern –
Doch Steuern sind ebenso unerlässlich. Der Staat benötigt schließlich Einnahmen,
unerlässliches
um seine Organisation zu finanzieren und den Rechtsrahmen zu überwachen.
Ärgernis
Außerdem muss er öffentliche Güter finanzieren, die anderenfalls über den Markt
nicht bereitgestellt werden würden. Dies wird im nächsten Abschnitt noch näher
betrachtet. Durch die Besteuerung werden den Bürgern jedoch Mittel entzogen,
die ihnen nicht mehr für den Konsum von Gütern zur Verfügung stehen. Auch hier
gilt wieder, dass dem Eingriff eine Nutzen-Kosten-Analyse zugrunde liegen sollte:
Ist der Nutzen aus den mit den Steuern finanzierten Leistungen für die Bürger tatsächlich größer als der Nutzenverlust aus der Besteuerung? Dies nachzuweisen, ist
allerdings kaum möglich, zumal der Nutzen für den einzelnen Bürger höchst
unterschiedlich ausfallen dürfte und zudem kaum zu ermitteln ist. Umso wichtiger
ist jedoch, dass der Staat bei der Besteuerung bestimmten Prinzipien folgt, um
33
Fehlentwicklungen zu verringern. Hierbei geht es vor allem darum, Effizienz- und
Gerechtigkeitsaspekte zu berücksichtigen.
Steuern führen nicht nur zu Einnahmen, sondern auch zu Ausweichreaktionen.
Als im 17. und 18. Jahrhundert die Herrscher nach neuen Einnahmequellen suchten, stellten sie fest, dass sich besonders wohlhabende Bürger viele Fenster leisteten. Schließlich war der Einbau von Fenstern generell aufwändig. Als daraufhin
Fenstersteuern eingeführt wurden, verringerten sich nach einiger Zeit die Einnahmen wieder. Die Bürger hatten auf die Steuer reagiert und generell weniger
Fenster eingebaut. Teilweise wurden sogar bestehende Fenster wieder zugemauert, um Steuern zu sparen. Dies ist ein typisches Beispiel für eine steuerliche
Ausweichreaktion. Solche Ausweichreaktionen sind aus volkswirtschaftlicher
Sicht generell unerwünscht. Die Haushalte verändern ihr Verhalten und verlassen
ihre effizienten Konsum- oder Investitionspläne. Damit werden Ressourcen vergeudet. Um der Fenstersteuer zu entgehen, müssen die Bürger jedoch auch Nutzeneinbußen in Form von weniger Wohnkomfort hinnehmen. Dies nützt letztlich
niemandem. Effizient ist daher die Besteuerung, wenn sie möglichst wenige Ausweichreaktionen hervorruft. Dies gelingt in der Regel dann, wenn das Gebot der
Steuerliche
Ausweichreaktionen
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Gleichbehandlung beachtet wird, wenn etwa verschiedene Investitionsformen
gleichmäßig besteuert werden. Die Gleichbehandlung hat vor allem zwei Effekte:
Erstens entfallen damit Ausweichmöglichkeiten, beispielsweise die Wahl einer
anderen begünstigten Anlageklasse, und zweitens können durch die breitere
Bemessungsgrundlage die Steuersätze niedriger gehalten werden. Auch dies
macht eine Ausweichreaktion unwahrscheinlicher.
Steuern und
Noch etwas komplexer ist das Thema der Gerechtigkeit. Wer sollte welchen
Gerechtigkeit
Anteil an den Steuern tragen? Relativ eindeutig kann diese Frage dann beantwortet werden, wenn eine steuerliche Äquivalenz hergestellt werden kann, wenn
also primär die Nutzer einer staatlichen Leistung auch die Kosten tragen. Werden
die Einnahmen der Mineralölsteuer für den Verkehrsausbau benutzt, profitieren
hiervon vornehmlich Autofahrer, die die Leistungen entsprechend ihrer Fahrleistung über die Mineralölsteuer auch finanzieren. Solche Äquivalenzbeziehungen
lassen sich jedoch nur für einen Teil der Steuern herstellen. Bei anderen Steuern
gilt vornehmlich das Leistungsfähigkeitsprinzip: Jeder Bürger soll entsprechend
seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit an der Aufbringung des Steueraufkommens
beteiligt werden. Dabei gelten folgende Grundsätze: Erstens sollen Steuerzahler
mit größerer Leistungsfähigkeit größere Steuerbeträge zahlen (vertikale Gerech-
34
tigkeit); zweitens sollen Steuerzahler mit gleicher Leistungsfähigkeit den gleichen
Steuerbetrag zahlen (horizontale Gerechtigkeit). Beides ist unmittelbar einsichtig,
führt jedoch in der Praxis zu erheblichen Kontroversen. Im Hinblick auf die vertikale Gerechtigkeit stellt sich beispielsweise die Frage, ob ein proportionaler Tarif
(Flat Tax), wie er etwa im Wahlkampf 2005 diskutiert wurde, ausreicht, oder ob es
ein progressiver Steuersatz sein muss. Auch über die vertikale Steuergerechtigkeit
gibt es immer wieder Diskussionen. Ein prominentes Beispiel ist die Ehegattenbesteuerung. In Deutschland wird das Einkommen von Ehepaaren zusammengerechnet, geteilt und dann versteuert. Hierdurch entsteht bei unterschiedlichen
Einkommen ein Progressionsvorteil, der mit der wirtschaftlichen Einheit der
Partner begründet wird. Die damit bezweckte Gleichstellung mit Singles wird
jedoch regelmäßig in Frage gestellt. Andere sehen in dem Ehegattensplitting eine
Bevorzugung kinderloser Ehepaare gegenüber kinderreichen Ehepaaren und fordern daher den Übergang auf das Familiensplitting.
Politikum
Vor allem im Bereich der Immobilien sind Effizienzaspekte relevant. Viele Poli-
Immobilienbesteuerung
tiker vermuten in der Immobilienwirtschaft besonders geringe Ausweichmöglichkeiten und plädieren daher für Sondersteuern und höhere Tarife, zumal Eigentümer generell als wohlhabend gelten. Theoretisch wurde diese Position schon im
19. Jahrhundert von Henry George eingenommen, der eine Alleinsteuer auf Boden
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Kapitel 2
gefordert hat. Auf der anderen Seite will die Politik auch immer wieder die Schaffung von Wohnraum fördern, und dies – zumindest in der Vergangenheit – meist
über Steuerprivilegien. So regelt die Einkommensteuerpolitik die Immobilienbesteuerung mitunter großzügig, nach der Wiedervereinigung etwa mit hohen
Sonderabschreibungen. Zu anderen Zeiten ziehen die Regelungen an, etwa die
Begrenzung der Verlustrechnung, die dem Leistungsprinzip eindeutig entgegensteht. Insgesamt ist die einkommensteuerliche Behandlung der Immobilie jedoch
für diese allgemeine Einführung eine viel zu komplexe und umfängliche Materie.
Stattdessen sollen die Wirkungen der Besteuerung am Beispiel der Grundsteuer
und der Grunderwerbsteuer skizziert werden.
쐍 Die Grundsteuer setzt am Verkehrswert der Immobilien an. Die Werte werden
Grundsteuer
derzeit noch auf der Basis der so genannten Einheitswerte bestimmt, die jedoch
seit 1964 (Westdeutschland) bzw. 1935 (Ostdeutschland) nicht mehr aktualisiert worden sind. Von einer adäquaten Besteuerung auf der Grundlage von
marktnahen Werten kann daher nicht mehr die Rede sein. Eine Reform der
Grundsteuer wird daher bereits seit einigen Jahren diskutiert, zumal das Bundesverfassungsgericht die jetzige Regelung bereits bemängelt hat. Hiervon abgesehen zielt die Grundsteuer grundsätzlich auf eine Besteuerung des Bodenwertes und der Aufbauten ab. Gerade die Besteuerung der Aufbauten ist jedoch
kritisch zu sehen: Sie führt dazu, dass die Flächen tendenziell weniger bebaut,
also weniger gut genutzt werden. Ein Vorschlag zur Reform der Grundsteuer
sieht beispielsweise die Besteuerung auf der Basis der Wohnfläche bzw. Nutzfläche vor. Dies würde dazu führen, dass tendenziell kleiner gebaut wird. Im
Vergleich zu Gebäuden würden andere Investitionen außerdem attraktiver
werden. Anders sieht es bei einer Besteuerung des Bodenwertes aus. Dieser
Besteuerung kann sich letztlich niemand entziehen. Die Grundsteuer trifft
zwar formal die Eigentümer, doch auch die Mieter werden hiermit belastet, da
die Steuer über die Nebenkosten weitergegeben wird. Dies verdeutlicht, dass
die Traglast einer Steuer nicht zwangsläufig bei demjenigen liegt, der sie auch
zahlt. Bezogen auf den Bodenwert erachten einige Ökonomen die Grundsteuer
sogar als Äquivalenzsteuer (Eekhoff und Lemmer, 2001). Der Bodenwert steigt
tendenziell dann, wenn die Kommune eine attraktive Standortpolitik betreibt,
also etwa den Aufbau von Arbeitsplätzen begünstigt. Dies kommt auch den
Bürgern zugute, die hierfür in Form der Bodenwertsteuer finanziell beteiligt
werden. Voraussetzung ist jedoch, dass ein geeignetes Maß für den Bodenwert,
etwa in Form der Bodenrichtwerte, gefunden wird.
35
Kapitel 2
Grunderwerbsteuer
Besonderheiten des Immobilienmarktes
쐍 Die Grunderwerbsteuer setzt an der Transaktion an. Die Steuer fällt an, sobald
ein Rechtsvorgang darauf ausgerichtet ist, das Eigentum an einem inländischen
Grundstück zu übertragen. Ihr unterliegen daher vor allen Dingen Kaufverträge, aber auch z. B. Änderungen der Gesellschafterstruktur einer grundbesitzenden Personengesellschaft oder Eigentumsübergänge im Enteignungsverfahren. Ausnahmen von der Grunderwerbsteuer gelten nur für Rechtsgeschäfte
innerhalb der Familie (Kinder und Ehegatten). Der Steuersatz liegt zurzeit in
den meisten Bundesländern bei 3,5 %, die Bemessungsgrundlage ist der Wert
des Grundbesitzes zuzüglich etwaiger Gegenleistungen für die Eigentumsübertragung. Das größte Problem der Grunderwerbsteuer ist, dass sie kumulativ
anfällt. Je häufiger eine Immobilie verkauft wird, desto mehr Steuern müssen
insgesamt entrichtet werden. Daher kommt es zu so genannten Lock-inEffekten. Die Immobilienbesitzer halten ihre Immobilien so lange wie möglich,
um die Steuer zu sparen. Große Immobilienunternehmen versuchen darüber
hinaus, durch die Gründung von Tochterunternehmen die Steuerbelastung zu
verringern. Alle diese Strategien verursachen Kosten und verhindern den wirtschaftlichen Umgang mit der Immobilie. Gegebenenfalls wird die Immobilie
nicht seiner bestmöglichen Nutzung zugeführt, weil beiderseitig vorteilhafte
36
Verkäufe unterbleiben. Außerdem wird die Attraktivität des Immobiliensektors verringert, da die Grunderwerbsteuer nur hier erhoben wird.
Steuern induzieren
Das Thema der Immobilienbesteuerung füllt in der wissenschaftlichen und popu-
Ausweichreaktionen
lärwissenschaftlichen Literatur ganze Regale. Hier können deshalb nur einige Leitgedanken vermittelt werden. Wichtig ist zu beachten, dass Steuern Ausweichreaktionen induzieren und damit die Idee von der besten Nutzung der gesellschaftlichen Ressourcen konterkarieren. Besonders problematisch sind solche Steuern,
die einzelne Anlageformen oder Verwendungen treffen, wie etwa die Grunderwerbsteuer.
2.5.3
Subventionen für Mieter und Selbstnutzer
Subventionen sollen
Die Kehrseite von Steuern stellen Subventionen dar. Sie werden erteilt, um die
verhalten lenken
Wirtschaft in einer bestimmten Art und Weise zu lenken. Im Fall positiver externer
Effekte wurde bereits gezeigt, dass hiermit insgesamt bessere Marktergebnisse einhergehen können. In vielen anderen Fällen kommt es jedoch durch Subventionen
zu Fehlsteuerungen. Subventionen können ganz unterschiedlich ausgestaltet sein,
etwa in Form von Steuerbefreiungen, Sonderabschreibungen oder aber direkten
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Kapitel 2
Zuwendungen. Wie differenziert Subventionen im Immobiliensektor aus ökonomischer Perspektive betrachtet werden müssen, lässt sich am Beispiel des Wohngelds und der im Jahr 2006 abgeschafften Eigenheimzulage besonders eindrucksvoll zeigen.
Das Wohngeld ist ein Instrument der Sozialpolitik. Es kann grundsätzlich auch
von Eigentümern beantragt werden. Die Regelung richtet sich aber primär an
Wohngeld – Instrument
der Sozialpolitik
Mieter. Ausschlaggebend für die Gewährung des Wohngelds sind das Einkommen
der Bewohner, die Höhe der Miete, die Größe der Wohnung und die Angemessenheit der Wohnung. Wer beispielsweise mit kleinem Einkommen eine Wohnung
mit Blick auf die Binnenalster bezieht, kann nicht auf eine Unterstützung des
Staates zählen. Da das Wohngeld nach der Miethöhe und der Wohnfläche (in
Grenzen) gestaffelt ist, induziert es tendenziell eine Ausweitung des Wohnkonsums. Damit werden die relativen Konsumpreise für die Haushalte verzerrt, und es
entsteht ein Effizienzverlust. Allerdings wurde bereits ausgeführt, dass es im Wohnungsmarkt ohnehin schwierig ist, ein den Präferenzen vollständig adäquates
Angebot zu finden. Der wichtigste Parameter für die Wohngeldgewährung ist
darüber hinaus das Einkommen. Das Wohngeld ist also eine bedürftigkeitsgeprüfte Subvention bzw. ein Transfer, auf den jeder in der entsprechenden Situation
37
Anspruch hat. Damit gehört das Wohngeld zu den Maßnahmen, die allen Bürgern
ein sozio-kulturelles Existenzminimum garantieren. Die Gewährleistung einer solchen Mindestsicherung ist auch unter den liberalsten Ökonomen unbestritten. Bei
genauer Betrachtung ist die damit verbundene Umverteilung nicht nur aus Gerechtigkeitserwägungen unerlässlich, sondern auch aus Effizienzgründen. Schließlich sichert erst eine Mindestsicherung die allgemeine Akzeptanz der Gesellschaftsordnung und den sozialen Frieden. Hiervon profitieren letztlich alle Bürger.
Im Zuge der Hartz-IV-Reformen ist die Bedeutung des Wohngelds deutlich zurückgegangen, da die Wohnkosten der ALG-II-Bezieher nun vollständig von den
Kommunen getragen werden. Für diejenigen, die die Einkommensgrenzen des
ALG II überschreiten, jedoch aufgrund von Knappheiten am Wohnungsmarkt mit
relativ hohen Mieten belastet werden, bietet das Wohngeld immer noch eine wichtige Hilfe.
Ebenso wie Steuern sind auch Subventionen stets kritisch zu prüfen. Wenn
Sorgfältige Prüfung von
damit soziale Ziele verfolgt werden, ist darauf zu achten, dass sie tatsächlich
Steuern und Subven-
bedürftigkeitsgeprüft sind und alle Mitglieder der Zielgruppe hierauf einen Rechts-
tionen notwendig
anspruch haben. Nur so ist gewährleistet, dass auch alle relevanten Haushalte von
einer Maßnahme profitieren. Bei allen anderen Subventionen muss gefragt
werden, ob sie zur Verbesserung des Marktergebnisses tatsächlich geeignet sind.
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Schließlich müssen die Vorteile aus dem Markteingriff so groß sein, dass sie die
Verluste aus der Besteuerung und die Bürokratiekosten kompensieren können.
2.5.4
Öffentliche Hand als Bestandshalter?
Privatisierung öffentli-
In den letzten Jahren sind in größerer Zahl Beteiligungsgesellschaften in den deut-
cher Wohungsbestände
schen Wohnungsmarkt eingestiegen. Sie sehen in Deutschland große Marktchancen, weil es hier keinen Preisboom wie in den meisten anderen OECD-Ländern gab. Außerdem sehen sie bei vielen Wohnungsgesellschaften noch Optimierungsmöglichkeiten. Gerade auch von der öffentlichen Hand haben die Gesellschaften viele Wohnungen erworben. Die Verkäufe haben zu einer kontroversen
Diskussion über öffentliche Wohnungen geführt. Viele Sozialpolitiker und lokale
Bürgerbewegungen erachten öffentliche Wohnungen als wichtig, um die sozialen
und stadtpolitischen Ziele zu erreichen. Im Folgenden soll, um das Verständnis für
die Rolle des Staates zu schärfen, die Rationalität öffentlicher Wohnungsgesellschaften genauer hinterfragt werden. Da an diesem Beispiel die Aufgaben des
Staates und die ihm zur Verfügung stehenden Instrumente besonders gut verdeutlicht werden können, soll dieses Thema ausführlicher diskutiert werden.
38
Entstehung
Die meisten öffentlichen Wohnungsgesellschaften in Westdeutschland ent-
öffentlicher
standen in der Zeit nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Die Wohnungsnot
Wohnungs-
nach den Weltkriegen war so groß, dass sich der Staat für ein umfangreiches Enga-
gesellschaften
gement in der Wohnungswirtschaft entschied. Da die Kapitalmärkte in dieser Zeit
wenig funktionstüchtig waren und kaum privates Kapital zur Verfügung stand, sah
man nur wenig Alternativen zum öffentlichen Unternehmertum. Mit dem sozialen
Wohnungsbau legte man jedoch alsbald Programme auf, die auch die privaten
Unternehmen einbezogen. Hierdurch stand automatisch nach Ablauf der Mietbindungsdauer ein rein privates Angebot zur Verfügung – ein Schlüssel zur Erklärung des gut aufgestellten Mietwohnungsmarktes in Deutschland.
Im Osten Deutschlands entstanden die kommunalen Wohnungsgesellschaften
hingegen im Zuge des Transformationsprozesses. Etwa 57 % der Mietwohnungen
in der DDR waren in Staatsbesitz. Sofern die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse nicht geklärt werden konnten, gingen diese Wohnungen nach der Wiedervereinigung an die jeweiligen Städte und Gemeinden über, denen jedoch das Altschuldenhilfe-Gesetz die schrittweise Teilprivatisierung auferlegte.
Die öffentlichen Wohnungsgesellschaften sind folglich als Produkt historischer
Sondersituationen zu erklären – was jedoch noch nicht deren Weiterführung
rechtfertigt.
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Generell gilt, dass es zwischen dem Staat und den Unternehmen eine Arbeitsteilung gibt. Der Staat gibt den Ordnungsrahmen vor, innerhalb dessen Haushalte
Kapitel 2
Staat stellt öffentliche
Güter zur Verfügung
und Unternehmen agieren und ihre Ziele verfolgen. Als Anbieter tritt der Staat nur
bei der Herstellung öffentlicher Güter auf, für die gemäß Definition keine private
Bereitstellung erwartet werden kann. Allgemein sind öffentliche Güter solche
Güter, von dessen Konsum niemand ausgeschlossen werden kann und für die es
keine Konkurrenz im Konsum gibt.
BEISPIEL
Ein klassisches Beispiel ist etwa die Landesverteidigung: Von der Verteidigung
einer Landesgrenze kann kein Landesbürger ausgeschlossen werden. Bis zu einer
bestimmten Grenze ist auch die Anzahl der Bürger, die geschützt werden, für den
Nutzen des Einzelnen unerheblich. Da es unter diesen Konstellationen am Markt
keine Zahlungsbereitschaft gibt, muss der Staat als Anbieter auftreten.
Tritt der Staat jedoch als Anbieter privater Güter auf, folgen unweigerlich Interessenkonflikte. Schließlich nimmt der Staat als Unternehmer sowohl die Rolle des
Schiedsrichters ein, der die gesellschaftlichen Regeln überwacht, als auch diejenige
des Spielers, der unter den gegebenen Umständen den größtmöglichen Gewinn
erzielen möchte. Es besteht daher latent die Gefahr, dass die öffentlichen Unternehmen Vorteile zu Lasten der Konkurrenz ausspielen. Allerdings ist ein anderer
Fall wahrscheinlicher und auch häufiger belegt. Da die öffentlichen Unternehmen
von ihren Eigentümern, den Bürgern, nur unzureichend kontrolliert werden
können, bestehen weniger Anreize, wirtschaftlich zu arbeiten. Ähnlich wie Bürokratien wachsen daher auch öffentliche Unternehmen über das effiziente Maß
hinaus und neigen tendenziell zur Ressourcenverschwendung. Für die politischen
Entscheidungsträger besteht darüber hinaus der Anreiz, die öffentlichen Unternehmen für eigene Zwecke einzusetzen. So werden möglicherweise über die
Unternehmen Projekte finanziert, die über den Haushaltsprozess nur schwer
durchgesetzt werden könnten. Bekannt ist auch, dass bei der Besetzung der Unternehmensführung bisweilen politische über wirtschaftlichen Erwägungen stehen.
Als Konsequenz dieser Fehlanreize ist vielfach zu beobachten, dass die öffentlichen Unternehmen eine deutlich geringere Rendite erzielen als vergleichbare privatwirtschaftliche Unternehmen.
39
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Gründe für öffentliche
Aus diesen Überlegungen folgt, dass es einer guten Begründung für ein Fest-
Wohnungsunternehmen
halten an öffentlichen Wohnungsunternehmen bedarf. Nur wenn öffentliche
Wohnungsunternehmen zur Beseitigung von Marktunvollkommenheiten benötigt werden oder wenn sie als besonders effiziente Instrumente zur Erfüllung der
sozialpolitischen Ziele bewertet werden, lässt sich die Fortführung der Unternehmen trotz marktgerechter Angebote von privater Seite legitimieren.
Als ein wesentliches Argument für öffentliche Wohnungsunternehmen wird
deren sozialpolitische Verantwortung angeführt, was sich aus der Historie begründen lässt. Schließlich sollten in Zeiten der Wohnungsnot bedürftige Haushalte mit bezahlbarem Wohnraum versorgt werden. Diese Zielsetzung wurde auch
steuerlich unterstützt, indem den Gesellschaften der Status der Gemeinnützigkeit
zugestanden wurde. Demnach waren sie von der Besteuerung ausgeschlossen,
solange sie nur eine moderate Rendite erzielten und sich ihr Angebot vornehmlich
an niedrige und mittlere Einkommensklassen richtete. Im Jahr 1990 wurde die
Gemeinnützigkeit der öffentlichen Wohnungsgesellschaften jedoch abgeschafft.
Seitdem sind die öffentlichen Wohnungsgesellschaften in ihrer Zielsetzung frei
und bestimmen ihre Mietenpolitik im Rahmen der gesetzlichen Regelungen selbst.
Wie eine Umfrage unter kommunalen Wohnungsgesellschaften zeigt, vermieteten
40
im Jahr 2006 etwa 43 % der Gesellschaften zu den gleichen Konditionen wie die privaten Anbieter (PricewaterhouseCoopers, 2006). Die Unterstützung sozial schwächerer Haushalte mit verbilligtem Wohnraum ist unter den kommunalen Wohnungsgesellschaften demnach längst keine Selbstverständlichkeit mehr.
Gebundener Transfer
Unter Effizienzgesichtspunkten ist dies ausdrücklich zu begrüßen. Eine Subvention über verringerte Mieten weist schließlich die typischen Nachteile eines
gebundenen Transfers auf. Bei freier Verfügung über die Subvention können die
Haushalte regelmäßig ein höheres Nutzenniveau erzielen, weil ihre Nachfrageentscheidung nicht zugunsten eines bestimmten Gutes verzerrt wird. Vor allem zeigt
jedoch das Beispiel des sozialen Wohnungsbaus, dass subventionierte Mieten eine
sehr geringe Treffsicherheit aufweisen. Die Fehlbelegungsquote im sozialen Wohnungsbau wird auf 40 bis 50 % geschätzt (Kirchner, 2006). Dabei ist zu berücksichtigen, dass etwa ein Viertel aller Mieterhaushalte Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hat, also das Bedürftigkeitskriterium sehr weit gefasst wurde.
Darüber hinaus stehen mit den bereits skizzierten Wohngeldzahlungen oder der
Übernahme von Unterkunftskosten im Rahmen der sozialen Grundsicherung
bereits wesentlich zielgenauere sozialpolitische Instrumente zur Verfügung, bei
denen außerdem regelmäßig die Bedürftigkeit überprüft wird.
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Neben dem Zahlungsproblem kann auf dem Wohnungsmarkt jedoch auch ein
Kapitel 2
Zahlungs- und
Zugangsproblem auftreten. Bestimmte Gruppen von Haushalten können unab-
Zugangsprobleme auf
hängig von ihrer finanziellen Situation Schwierigkeiten haben, auf dem Woh-
dem Wohnungsmarkt
nungsmarkt eine passende Wohnung zu finden, weil die Wohnungseigentümer ein
erhöhtes Risiko vermuten, wenn sie an diese Gruppen vermieten. Da eine Preisdifferenzierung nicht möglich ist, kommt es zu einer Rationierung des Wohnungsmarktes für diese Gruppen. Betroffen hiervon sind vor allem Haftentlassene und
Drogenkranke, aber auch Ausländer, Alleinerziehende oder Familien mit vielen
Kindern. Einige Autoren, wie z. B. Kirchner (2006) sehen nun besonders die öffentlichen Wohnungsgesellschaften gefordert, diesen Gruppen den Zugang zum Wohnungsmarkt zu gewähren. Allerdings sind die öffentlichen Gesellschaften hierzu
genauso wenig verpflichtet wie zu einer Vermietung unterhalb der ortsüblichen
Vergleichsmiete. Außerdem gibt es zur Lösung des Zugangsproblems auch eine
Alternative.
Im Kern besteht das Zugangsproblem darin, dass die Vermieter für die Übernahme der Vermietungsrisiken bei bestimmten Gruppen nicht entschädigt wer-
Wirkungsweise von
Belegungsrechten
den. Daher entscheiden sie sich im Zweifelsfall immer für die Vermietung an
Mieter mit geringerem Risiko. Über den Kauf von Belegungsrechten aus dem
Bestand kann dieses Problem jedoch gelöst werden. Für einen Einmalbetrag oder
eine laufende Vergütung erhält die Kommune das Recht, die Wohnung mit von ihr
ausgewählten Haushalten zu belegen. Das Belegungsrecht kann sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. So kann die Kommune sich beispielsweise bereit erklären, eine Bürgschaft für die Mietzahlungen zu übernehmen oder eine besondere
Betreuung der Haushalte zu gewährleisten, um die Kosten für das Belegungsrecht
gering zu halten. Wichtig ist es in jedem Fall, dass die Auswahl der Haushalte von
Seiten der Kommune eng gefasst wird, beispielsweise indem sie dem Vermieter bei
Freiwerden einer Wohnung mit Belegungsrecht eine Liste mit drei Mietern vorlegt,
von denen der Vermieter einen aussuchen muss. Damit hat die Kommune die
Möglichkeit, gezielt Haushalte aus einer Notfallkartei zu berücksichtigen. Im Vergleich zu dem Einsatz eigener Wohnungen besteht für die Kommunen der große
Vorteil darin, dass die Belegungsrechte flexibler an den Bedarf angepasst werden
können. Schließlich können weitere Belegungsrechte gekauft werden, sobald der
Bedarf sehr hoch ist, oder man verzichtet auf eine Verlängerung der Belegungsrechte, wenn der Bedarf zurückgeht. Im Fall der öffentlichen Wohnungen müssten
dagegen neue Wohnungen gebaut oder gekauft werden, die auch dann fortbestehen, wenn es keinen adäquaten Bedarf gibt. Letztlich werden durch die Bewirt-
41
Kapitel 2
Besonderheiten des Immobilienmarktes
schaftung von eigenen Wohnungen erhebliche Mittel gebunden und größere Risiken getragen als beim Kauf von Belegungsrechten. Indem die Kommunen Belegungsrechte im Bestand räumlich differenziert erwerben, wird außerdem der
sozialen Segregation sehr effizient entgegengewirkt. Bei kommunalen Wohnanlagen können sich dagegen die Problemhaushalte kumulieren, was hohe soziale
(Folge-)Kosten nach sich zieht.
Unterscheidung
Die Diskussion um öffentliche Wohnungen wurde bewusst ausführlich dar-
zwischen Zielen und
gelegt, weil es sich erstens um ein aktuelles Thema handelt und zweitens die öko-
Instrumenten notwendig
nomische Denkweise an einem realen Beispiel verdeutlicht werden kann. Wichtig
ist dabei festzuhalten, dass es nicht um eine Diskussion der Ziele geht. Privatisierungsgegner sind oft deswegen gegen einen Verkauf, weil sie eine Vernachlässigung der Sozialpolitik fürchten. Für den Ökonomen geht es jedoch darum zu
zeigen, dass eine Sozialpolitik über öffentliche Wohnungen ineffizient ist. Mit
anderen Worten: Es könnte mehr für bedürftige Haushalte getan werden, wenn
bessere Instrumente, wie etwa das Wohngeld oder der Kauf von Belegungsrechten,
Anwendung finden würden. Diese Denkweise ist jedoch vielen fremd. Umso wichtiger ist es, genau zwischen der Diskussion der Ziele und der Diskussion der Instrumente zu unterscheiden.
42
2.6
Marktversagen
Immobilienmarkt zwischen Marktversagen
und Staatsversagen
Der Immobilienmarkt weist eine Fülle von Besonderheiten auf. Er ist gekennzeichnet durch eine sehr große Heterogenität, sehr lange Nutzungsdauer, eine hohe Kapitalbindung, asymmetrische Informationsverteilungen und externe Effekte.
Einige dieser Besonderheiten können zu einem Marktversagen führen, wie etwa
einer verringerten Menge von Immobilien auf dem freien Markt. Hier kann der
Staat gegebenenfalls durch Interventionen zu einer Verbesserung des Marktergebnisses beitragen. Allerdings ist eine Marktunvollkommenheit bzw. ein Marktversagen immer nur ein notwendiges, aber noch kein hinreichendes Kriterium für
eine Intervention. Legitimiert werden kann ein Eingriff nur dann, wenn durch die
Intervention tatsächlich mehr Nutzen als Kosten gestiftet wird. Schließlich
können staatliche Eingriffe oft auch zu Verschlimmbesserungen führen. Der nach
den Weltkriegen eingeführte Mietstopp ist ein prägnantes Beispiel dafür. Der Miet-
Besonderheiten des Immobilienmarktes
Kapitel 2
stopp hat in Zeiten der Wohnungsknappheit zwar die Mieter geschützt, aber er hat
auch alle Anreize für eine Ausweitung des Angebots genommen. Das Ziel einer
angemessenen Wohnraumversorgung zu moderaten Preisen konnte somit nicht
erreicht werden.
Generell bietet der Immobilienmarkt viele Beispiele für Staatsversagen. Hie-
Staatsversagen
runter wird verstanden, dass der Staat durch seinen Eingriff die Funktionsfähigkeit
der Märkte beeinträchtigt bzw. unnötige Kosten verursacht. Gerade weil das Gut
Wohnen einen so hohen Stellenwert besitzt, besteht auf politischer Seite immer
wieder der Anreiz, in den Markt einzugreifen. Dies verdeutlicht letztlich die Vorbehalte gegenüber marktlichen Lösungen. Die Diskussion um öffentliche Wohnungen zeigt dabei jedoch, dass die dabei gewählten Instrumente nicht immer zielführend sind.
Insgesamt befindet sich der Immobilienmarkt damit in einem Spannungsfeld
von Marktversagen auf der einen und Staatsversagen auf der anderen Seite. Je nach
der politischen Diskussion und der Lage an den Immobilienmärkten werden damit
die Regulierungen mal ausgebaut und mal eher abgebaut. Insbesondere in Phasen
anziehender Märkte neigt die Politik zur Stärkung der Mieterrechte. Dies macht es
den Investoren jedoch umso schwieriger. Schließlich ist Planungssicherheit aufgrund der langen Investitionszeiträume eines der wichtigsten Kriterien für ein Engagement auf diesem Markt.
43
Kapitel 3
3
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Angebot und
Trotz all seiner Besonderheiten bleibt der Immobilienmarkt von seiner Beschaf-
Nachfrage
fenheit her ein ganz normaler Markt. Für die Bestimmung der Immobilienpreise
bedeutet dies, dass die Preise vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage
44
bestimmt werden. Dies ist zunächst einmal trivial, bedeutet aber, dass zur
Abschätzung der Immobilienpreisentwicklung stets beide Seiten zu berücksichtigen sind. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass auf das Angebot und vor allem
auf die Nachfrage eine Vielzahl von Faktoren einwirken, mit zum Teil gegenläufigen Wirkungen, so wird schnell deutlich, dass die Immobilienpreise in einem
komplexen Prozess entstehen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Immobilienpreise genauer betrachtet werden. Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass hier nicht einzelne Faktoren wie Lage oder unterschiedliche Ausstattungen, sondern die makroökonomischen Faktoren betrachtet werden. Damit
geht es vor allem um eine Erklärung von allgemeinen Preistrends, wie sie etwa an
Immobilienpreisindizes ablesbar sind. Die Darstellung fokussiert zunächst auf
Wohnimmobilien. Im letzten Abschnitt sollen dann jedoch auch die Besonderheiten von Büro- und Einzelhandelsimmobilien herausgestellt werden.
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
3.1
Kapitel 3
Immobilienangebot
Das Immobilienangebot umfasst den gesamten Bestand an Wohn- bzw. Nutz-
Bedingungen und
flächen, die am Markt angeboten werden. Vergrößert sich das Angebot an Flächen,
Wirkungen des
sinken unter sonst gleichen Bedingungen – also bei gleichbleibender Nachfrage –
Immobilienangebots
die Preise. Schließlich steigt mit zunehmenden Flächen der Konkurrenzdruck, was
die Eigentümer letztlich dazu zwingt, ihre Preise zu senken, um für ihr Angebot
noch einen Nachfrager zu finden. Auf der anderen Seite bewirkt eine Verknappung
des Angebots einen Preisanstieg. Wie schon in Abschnitt 2.2 ausgeführt wurde, ist
der Immobilienmarkt als Bestandsmarkt zu charakterisieren. Im Verhältnis zum
Immobilienbestand beträgt der Anteil des Neubaus nur zwischen 0,5 und 1 %.
Darüber hinaus können die Immobilienflächen auch nicht kurzfristig ausgeweitet
werden. Schließlich vergeht einige Zeit, bis ein neues Gebäude geplant und vor
allem gebaut ist. Außerdem lassen sich die Kapazitäten in der Bauwirtschaft nur
begrenzt erweitern. Angenommen, der Bedarf an neuen Wohnungen verdoppelt
sich aufgrund einer Nachfrageveränderung von 300 000 auf 600 000 Wohnungen,
würde dies bedeuten, dass die Bauwirtschaft schnell an ihre Kapazitätsgrenzen
stoßen würde und in großem Umfang neue Stellen schaffen müsste. Da jedoch
45
nicht so viele Fachkräfte am Markt verfügbar sind, würde es einige Zeit dauern, bis
der Neubau sich auf den neuen Bedarf eingestellt hat. Kurzum: Das Immobilienangebot ist zumindest in kurzfristiger Perspektive als unelastisch anzusehen, d. h.,
bei veränderter Nachfrage gibt es nur geringe Mengenanpassungen und starke
Preisanpassungen.
Etwas anders stellt sich das Bild jedoch dar, wenn hoher Leerstand vorliegt. In
diesem Fall kann über die bereits vorhandenen Flächen der Neubedarf sehr schnell
befriedigt werden. Insbesondere nach Immobilienkrisen oder allgemeinen konjunkturellen Rezessionen ist der Leerstand sehr groß. Zieht dann die Nachfrage
wieder an, reagiert der Markt zunächst mit dem Abbau von Leerstand. Allerdings
ist hier noch einmal auf das Matching-Problem hinzuweisen: Oft ist es so, dass die
älteren Gebäude nicht mehr den Wünschen der Nachfrager entsprechen. Daher
müssen die bestehenden Leerflächen zunächst modernisiert oder neu entwickelt
werden. Auch in Zeiten hohen Leerstands wird die Bautätigkeit daher fortgesetzt.
Einfluss von Leerstand
auf das Angebot
Kapitel 3
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Zusammenhang
Auf besonders einfache, aber prägnante Weise hat der US-amerikanische
zwischen Bestandsmarkt
Nobelpreisträger James Tobin den Zusammenhang zwischen Bestandsmarkt und
und Neubautätigkeit
Neubautätigkeit beschrieben. Nach Tobin hängen Bauinvestitionen im Wesentlichen von der Preisentwicklung auf den Immobilienmärkten ab. Wenn die Preise
der Bestandsimmobilien anziehen und neue Gebäude im Verhältnis günstiger
sind, lohnt sich der Neubau. Wenn hingegen die Bestandsgebäude günstiger werden, fehlt es den Investoren an entsprechenden Preissignalen. Wie auf jedem
Markt steigt also dann das Angebot, wenn hohe Gewinnchancen winken. Tobin
bezeichnete das Verhältnis von Bestandspreisen zu Neubaupreisen mit Q, weshalb
dieser Faktor in die Literatur auch als Tobin-Q eingegangen ist. Wie ein Blick auf
Deutschland zeigt, kann die Entwicklung der Preisverhältnisse die Entwicklung
der Wohnungsbaugenehmigungen gut beschreiben (Abbildung 3).
Entwicklung der Baugenehmigungen und des Preisverhältnisses
von Bestandsimmobilien zu Neubauten (Q-Faktor)
1,02
300
1,00
46
250
0,98
0,96
200
Q-Faktor
(Bestandspreise
im Verhältnis zu
Neubaupreisen)
(rechte Achse)
Wohnungsgenehmigungen
in 1 000
(linke Achse)
0,94
150
0,92
0,90
100
0,88
50
0,86
0,84
0
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Quelle: IW-Immobilien-Monitor (2008)
Abb. 3: Entwicklung der Baugenehmigungen und des Preisverhältnisses von Bestandsimmobilien
zu Neubauten (Q-Faktor)
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Kapitel 3
Gerade im Jahr 2007 hat sich das Preisverhältnis deutlich zuungunsten des
Neubaus verschoben, worauf die Baugenehmigungen um fast 70 000 Wohnungen
zurückgegangen sind. Nur im Jahr 2006 stiegen die Genehmigungen trotz eines fallenden Wertes für Q an, was jedoch primär auf das Auslaufen der Eigenheimzulage
zurückzuführen ist. Zwei Gründe sind hauptsächlich für das fallende Q verantwortlich. Erstens ziehen seit einiger Zeit die Baukosten deutlich an. Allein im Jahr
2007 stieg der Baupreisindex um 7,2 %. Dies hängt vor allem mit den gestiegenen
Rohstoff- und Energiepreisen zusammen. Und zweitens stagniert der Wohnungsmarkt seit über zehn Jahren. Nach dem neu berechneten Bestandspreisindex des
Statistischen Bundesamtes sanken die Preise für Wohnimmobilien aus dem
Bestand zwischen 2000 und 2006 sogar um fast 5 %. Dass die Preise sich seit so
vielen Jahren nur seitwärts bewegen, hängt vor allem mit dem Bauboom Anfang
der 1990er-Jahre zusammen. Damals wurde mit der Euphorie der Wiedervereinigung und diversen Förderungen die Bautätigkeit massiv ausgeweitet. Im Grunde
erholt sich der Wohnungsmarkt immer noch von dem Überangebot, das damals
aufgebaut wurde.
Tobins Q-Faktor verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise die Interaktionsbeziehungen auf dem Immobilienmarkt. Der Neubau hängt von dem Preisniveau auf
47
dem Immobilienmarkt ab. Die daraufhin getroffenen Neubauentscheidungen
beeinflussen jedoch wiederum die künftigen Preise. Entscheidend für die kurzfristigen Preisänderungen ist jedoch die Nachfrageseite, die im nächsten Kapitel im
Fokus steht.
3.2
Immobiliennachfrage
Die Immobiliennachfrage umfasst den Bedarf an neuen Wohn- und Nutzflächen.
Bedingungen und
Spiegelbildlich zur Angebotsseite gilt hier, dass bei steigendem Flächenbedarf
Wirkungen der Immo-
unter sonst gleichen Bedingungen die Preise steigen, weil die Flächen dann insge-
biliennachfrage
samt knapper werden. Auf der anderen Seite sorgt eine fallende Nachfrage tendenziell für fallende Preise. Der Bedarf an Wohnflächen hängt von einer Vielzahl von
Faktoren ab. Die wichtigsten sollen im Folgenden kurz erläutert werden: Die Einkommensentwicklung, die Demografie, die Mieten und schließlich die Zinsen.
Kapitel 3
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
3.2.1
Einkommen
Einkommen treibende
In der ökonomischen Literatur gelten Wohnimmobilien vornehmlich als Kon-
Kraft der Immobilien-
sumgut. Eine Wohnung zu nutzen und mehr Wohnraum pro Kopf zur Verfügung
nachfrage
zu haben, stiftet uns Nutzen. Die Klassifikation als Konsumgut impliziert, dass mit
steigendem Einkommen auch die Flächennachfrage steigt. Schließlich wird bei
steigendem Einkommen mehr Geld für den Konsum ausgegeben, welches dann
auch anteilig in die Wohnungsnachfrage fließt. Ablesbar ist der Zusammenhang
zwischen Einkommen und Wohnflächennachfrage etwa an der im Zeitablauf steigenden Wohnfläche pro Kopf. Während 1987 noch jeder Bundesbürger durchschnittlich 35 m2 pro Kopf zur Verfügung hatte, betrug der Vergleichswert für 2008
über 42 m2 (Abbildung 4). Auch in empirischen Untersuchungen zeigt sich regelmäßig, dass das verfügbare Einkommen eine der treibenden Kräfte für die Immobiliennachfrage und damit für die Immobilienpreise darstellt (vgl. Demary, 2008).
Die Einkommensentwicklung hängt wiederum maßgeblich von der Beschäftigungsentwicklung und damit einhergehend von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab.
48
Wohnfläche pro Person in m2
45
40
35
30
25
20
15
10
5
Quelle: Statistisches Bundesamt
Abb. 4: Wohnfläche pro Person in m2
2007
2008
2005
2006
2003
2004
2002
2001
2000
1998
1999
1997
1996
1995
1993
1994
1991
1992
1990
1989
1988
1987
0
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
3.2.2
Kapitel 3
Demografie
Es ist naheliegend, dass die Bevölkerungsentwicklung einen wesentlichen Einfluss
Langfristiger Einfluss
auf die Immobiliennachfrage hat. Schließlich müssen alle Bürger irgendwo woh-
der Demografie
nen. Dass daher vornehmlich Länder, in denen es einen starken Zuwanderungsstrom gab – wie etwa die USA oder Spanien – in den vergangenen Jahren einen
besonders starken Wohnimmobilienpreisanstieg erlebten, kann daher nicht überraschen. Im Hinblick auf Deutschland und viele andere europäische Länder wird
jedoch in Bezug auf die demografische Entwicklung eher die gegenteilige Perspektive eingenommen. Nach allen Vorausberechnungen wird Deutschlands Bevölkerung schrumpfen. Nach dem mittleren Szenario des Statistischen Bundesamtes
wird die Bevölkerung von derzeit etwa 82 Millionen auf etwa 74 Millionen bis zum
Jahr 2050 zurückgehen. Da die heutige Geburtenrate die Bevölkerungsentwicklung
bis weit in die Zukunft bestimmt, könnte höchstens durch eine massive Zuwanderung der Trend verändert werden, was derzeit jedoch nicht erkennbar ist.
In der ökonomischen Literatur wurde das Thema Demografie und Immobilien
Asset Meltdown
schon früh entdeckt. Mankiw und Weill (1989) haben mit als Erste den Effekt der
demografischen Entwicklung auf die Immobilienmärkte untersucht. Ihrer Analyse
zufolge droht ein so genannter Asset Meltdown: Da in Zukunft die Zahl der Immo-
49
bilienverkäufer deutlich schneller steigt als die Zahl der Immobiliennachfrager,
droht ein Überangebot, das dann in einen erheblichen Immobilienpreisrückgang
mündet.
Mittlerweile ist die Analyse von Mankiw und Weill jedoch relativiert worden. So
wirkt sich beispielsweise die positive Einkommensentwicklung dämpfend auf den
Immobilienpreisrückgang aus. Darüber hinaus ist für die Wohnimmobiliennachfrage weniger die Anzahl der Personen als die Anzahl der Haushalte entscheidend.
Hier sehen die Prognosen günstiger aus. Bis zum Jahr 2020 wird mit einer weiter
steigenden Zahl an Haushalten gerechnet, nur in den neuen Ländern geht die Zahl
leicht zurück (Abbildung 5). Ab 2020 gehen dann auch die Haushaltszahlen
zurück, allerdings moderater als die Bevölkerungszahl. Die günstigere Entwicklung
der Haushaltszahlen fußt vor allem auf zwei Trends: Erstens steigt die Anzahl der
älteren Personen, auch bedingt durch die steigende Lebenserwartung, stetig an.
Diese Gruppe lebt überwiegend in kleinen Haushalten. Und zweitens setzt sich
auch unter den jüngeren Personen der Trend zu Single-Haushalten fort.
… und dessen
Relativierung
Kapitel 3
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Entwicklung der Haushaltszahlen bis 2020
50
in Millionen
40
1990
2002
2020
30
20
10
0
Deutschland
neue Länder
(mit Berlin)
alte Länder
(ohne Berlin)
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2006)
Abb. 5: Entwicklung der Haushaltszahlen bis 2020
50
42 % Wohn-
Weiterhin könnte auch die mit der Wohneigentumsbildung verbundene zusätz-
eigentums-
liche Nachfrage dämpfend wirken. International gesehen ist die Wohneigen-
quote
tumsbildung in Deutschland mit etwa 42 % sehr gering. Einige Beobachter sehen
hier Nachholbedarf, vor allem vor dem Hintergrund des zunehmenden Bedarfs an
privater Vorsorge. Da Wohneigentümer in der Regel mehr Wohnfläche in Anspruch nehmen, könnte eine zunehmende Eigentumsbildung zu einer stärkeren
Nachfrage führen. Ob sich diese Entwicklung jedoch tatsächlich einstellt, ist mit
größerer Unsicherheit verbunden als etwa die Bevölkerungsentwicklung.
Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass sich die demografische Entwicklung
regional sehr unterschiedlich darstellt. Vor allem die neuen Bundesländer, Teile
Norddeutschlands und das Ruhrgebiet sind besonders vom Bevölkerungsrückgang betroffen. Hier kann der Rückgang der Nachfrage auch durch einen vollständigen Verzicht auf Neubau nicht kompensiert werden. Andere Regionen, vor allem
die Metropolen, werden dagegen trotz des allgemeinen Bevölkerungsrückgangs
weiter wachsen.
3.2.3
Mieten
Zukünftig erwartbare
Mieten stehen in einem sehr engen Verhältnis zum Wert bzw. Preis einer Immo-
Mieten ausschlag-
bilie. Mieten stellen den Ertrag einer Immobilie dar und bestimmen daher in
gebend für
wesentlichem Maße den Gewinn einer Immobilieninvestition. Grundsätzlich kann
Immobilienpreise
der Immobilienpreis als der Wert der zukünftig zu erwartenden Mieten aufgefasst
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Kapitel 3
werden. Diese Betrachtungsweise findet sich analog auf den Kapitalmärkten. So
enthält auch der Aktienpreis eine Erwartung über die zukünftig anfallenden
Gewinne einer Unternehmung. Steigen die Mieten, so steigen folglich auch die
Immobilienpreise. Folgerichtig spielen die nachhaltig zu erwartenden Rohertragsmieten auch in der Immobilienbewertung eine entscheidende Rolle. Die Mieten
wiederum werden ebenso wie die Immobilienpreise selbst durch das verfügbare
Angebot (Neubau- und Leerstandsflächen) sowie die Nachfrage (Einkommensentwicklung, demografische Entwicklung, Anzahl der Bürobeschäftigten etc.) bestimmt.
Darüber hinaus spielt für die Nachfrage nach Eigentum auch die Volatilität der
Volatilität der Mieten
Mieten eine große Rolle. Je volatiler, also je schwankender die Wohnungsmieten
sind, desto größer ist unter sonst gleichen Bedingungen die Nachfrage nach Wohneigentum. Dies hängt mit der Risikoaversität von Haushalten zusammen. Prinzipiell messen Haushalte einem sicheren Zahlungsstrom einen höheren Wert als
einem unsicheren Zahlungsstrom bei, auch wenn beide Zahlungsströme letztlich
den gleichen Erwartungswert haben.
Auf dem Immobilienmarkt können sich Haushalte vor der Unsicherheit der
Mietpreisentwicklung durch den Kauf von Wohneigentum schützen. Da Wohnei-
51
gentümer in gewissem Umfang ihre Finanzierungsmodalitäten durch die Wahl der
Zinsfestschreibung und der Tilgung selbst steuern können, beinhaltet das Wohneigentum faktisch auch eine Versicherung gegen steigende Mieten. Gerade für die
angelsächsischen Länder wird angenommen, dass die hohe Wohneigentumsquote
auch auf der höheren Volatilität der Mietwohnungspreise fußt. Je größer die Unsicherheit ist, desto mehr Mieter möchten Wohneigentum erwerben und desto
höher fällt dann auch der Preisaufschlag für das Wohneigentum aus. Auch wenn
die Mieten durchschnittlich nicht steigen, können die Immobilienpreise also
anziehen. Dies ist ein Grund dafür, dass sich die durchschnittliche Mietpreisentwicklung von den Immobilienpreisen abkoppeln kann.
3.2.4
Zinsen
Ein anderer wichtiger Einflussfaktor auf die Immobilienpreise ist der Zinssatz. Die
Einflussfaktor
herausragende Bedeutung des Zinssatzes ist jedem unmittelbar einsichtig, der sein
Zinsen
Haus mit Fremdkapital finanziert. Je höher der Zinssatz ist, desto höher sind die
laufenden Zinskosten für die Finanzierung. Da für die Finanzierung nur begrenzte
Mittel zur Verfügung stehen, sinkt die Nachfrage nach Immobilien folglich mit
steigendem Zinssatz. Dies wirkt sich negativ auf die Immobilienpreise aus. Eine
Kapitel 3
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Rolle spielt dabei auch die steuerliche Behandlung der Zinsen. In einigen Ländern
können die Zinsen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden.
Dies erhöht für den Haushalt den Finanzierungsspielraum und erhöht folglich die
Immobiliennachfrage. Auch für Haushalte, die ihr Wohneigentum nur mit Eigenkapital bezahlen, sind Zinsen jedoch relevant. In diesem Fall bedeutet ein steigender Zinssatz, dass es andere attraktive Anlagemöglichkeiten am Kapitalmarkt gibt,
wie z. B. festverzinsliche Staatspapiere, und Immobilien dementsprechend – relativ gesehen – unattraktiver werden.
Auch die Ausführungen zu den Mieten haben die Rolle der Zinsen schon angedeutet. Der Wert einer Immobilie bestimmt sich maßgeblich durch den Wert der
künftigen Mieten. Der heutige Wert einer künftigen Zahlung muss abgezinst
werden, um sie mit einer gegenwärtigen Zahlung vergleichen zu können. Je höher
die Zinsen sind, desto geringer ist folglich der Wert einer künftigen Zahlung. Somit
geht ein steigender Zinssatz in der Regel mit fallenden Immobilienpreisen einher –
und umgekehrt.
52
Zinsentwicklung erklärt
Die Zinsentwicklung kann in weiten Teilen erklären, warum die Immobilien-
Immobilienpreis-
preise in den USA und Europa seit Mitte der 1990er-Jahre so stark gestiegen sind.
entwicklung
Im Vereinigten Königreich sind die Zinsen für Hypothekendarlehen allein zwischen 1995 und 2003 um 3 % gesunken. Dies erscheint nicht viel, hat jedoch große
Auswirkungen auf das für die Immobilienfinanzierung zur Verfügung stehende
Einkommen. Kauft ein Haushalt eine Immobilie für 200 000 € und finanziert sie
ausschließlich mit Fremdkapital, kostet ihn dies bei 8 % Zinsen und einer Anfangstilgung von 1 % des Gesamtbetrags monatlich 1 500 €. Sinkt nun der Zinssatz auf
5 %, könnte sich der Haushalt mit dem gleichen monatlichen Aufwand ein Haus für
300 000 € kaufen.
Auch in den USA, in Deutschland und in anderen europäischen Ländern sind
die Zinssätze gefallen (Abbildung 6).
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Kapitel 3
Kapitel 3
Entwicklung der langfristigen Zinsen
18
16
Zinsen in %
14
12
D
10
F
UK
8
USA
6
4
2
08
06
20
04
20
02
20
00
20
98
20
96
19
94
19
92
19
90
19
88
19
86
19
84
19
82
19
19
19
80
0
Quelle: OECD
Abb. 6: Entwicklung der langfristigen Zinsen
53
3.3
Preisbildung auf den Immobilienmärkten
Nachdem nun die einzelnen Bestimmungsgründe für Immobilienpreise erläutert
Zusammenspiel der
worden sind, folgt in diesem Abschnitt eine kurze Darstellung über das Zusam-
preisbestimmenden
menspiel dieser Faktoren. In einigen Märkten wirken sich Veränderungen der
Faktoren
Nachfrage oder des Angebots unmittelbar auf die Preise aus. Aktienmärkte reagieren beispielsweise unmittelbar auf Zinsänderungen bzw. sogar schon auf die
Erwartung veränderter Zinssätze. Jede neue Information wird unmittelbar verwertet und führt gegebenenfalls zu Nachfrageänderungen, die sich dann über den
Börsenhandel direkt preislich auswirken. Auch im Immobilienmarkt werden neue
Informationen verarbeitet, allerdings erfolgen die Marktreaktionen wesentlich
langsamer. Dies hängt vor allem mit der Heterogenität des Marktes und den begrenzten Möglichkeiten, das Angebot anzupassen, zusammen.
Verringert sich beispielsweise der Zinssatz, erhöht sich tendenziell die Nachfrage nach Immobilien. Die Eigentümer von Immobilien und die Bauträger merken
jedoch erst allmählich, dass sie für ihre einzelnen Objekte höhere Preise verlangen
Marktgleichgewichte
eher selten
Kapitel 3
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
können. Um wie viel, lässt sich ebenfalls nur schwer abschätzen. So werden die
Preise sukzessive angepasst, bis sich Angebot und Nachfrage wieder ausgleichen.
Gleichzeitig werden aufgrund der steigenden Preise jedoch neue Gebäude
errichtet, die weitere Anpassungen erfordern. Kurzum: Marktgleichgewichte sind
eher selten zu erwarten.
User-Cost-of-
Ein Modell, das dies sehr gut verdeutlicht, ist das User-Cost-of-Housing-Modell
Housing-Modell:
von Poterba (1984). Aufgrund der Nutzungsmöglichkeit von Wohnimmobilien
Preis-Miet-Verhältnis
lässt sich der Wohnungsmarkt in zwei Teilmärkte unterteilen, die in einer engen
Interaktionsbeziehung stehen: den Mietwohnungsmarkt und den Wohneigentumsmarkt. Wer eine Immobilie erwirbt, kann grundsätzlich entscheiden, ob er die
Immobilie selbst nutzt oder vermietet. Sowohl der Preis für die Immobilie als auch
der Mietpreis werden am Markt durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Da
Mieten und Kaufen in enger Substitutsbeziehung stehen und auf das Gut
„Wohnen“ nicht verzichtet werden kann, ist zu erwarten, dass sich die Preise für
beide Nutzungsformen ausgleichen. In einem Marktgleichgewicht muss also für
eine vergleichbare Wohneinheit gelten:
Miete = Kosten der Selbstnutzung
54
Die Kosten der Selbstnutzung werden durch einige bereits erläuterte Faktoren
bestimmt. Zunächst ist hier der Zins zu nennen, denn entweder muss der Eigentümer noch Fremdkapitalzinsen bedienen oder ihm entgehen Zinsen am Kapitalmarkt, weil das Kapital in der Immobilie gebunden ist. Einen großen Einfluss
haben darüber hinaus auch steuerliche Faktoren, beispielsweise in Form von
Zulagen, der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen oder der Grundsteuer. Daneben
müssen auch Kosten für den Werteverzehr (Abschreibungen) und mögliche Wertsteigerungen berücksichtigt werden. Hieraus ergibt sich folgende Darstellung:
M = P ¥ (i + t + a – w)
mit
M:
P:
i:
t:
a:
w:
Miete
Immobilienpreis
Zins
Steuer- und Zulagensatz
Abschreibungssatz
Wertsteigerungssatz
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Mit diesem Ansatz, der mittlerweile auch von der OECD (2005) regelmäßig zur
Analyse des Immobilienmarktes verwendet wird, lassen sich Ungleichgewichte auf
Kapitel 3
Identifikation von
Marktungleichgewichten
dem Immobilienmarkt leicht identifizieren. Stellt man die Formel um, so erhält
man eine empirisch leicht zu überprüfende Gleichung für das Preis-Miet-Verhältnis:
P
1
=
M i + t + a–w
Somit lässt sich untersuchen, ob die beobachtbare Preisrelation auf der linken
Tendenz zum
Seite der Gleichung mit der Fundamentalbewertung auf der rechten Seite über-
Gleichgewicht
einstimmt. Tatsächlich befindet sich der Markt aufgrund der langen Anpassungsprozesse nur selten im Gleichgewicht, wie Abbildung 7 verdeutlicht. Allerdings
bewegt sich der Markt nicht auf Dauer von seiner Fundamentalbewertung weg,
sondern tendiert langfristig immer wieder zum Gleichgewicht. Dies folgt aus dem
rationalen Kalkül der Immobilieneigentümer und der Wohnungsuchenden. Sind
Immobilien beispielsweise unterbewertet, werden mehr und mehr Mieter Eigentum erwerben und damit die Nachfrage nach Immobilien vergrößern. Auf der anderen Seite werden Investoren mehr Immobilien zum Zweck der Vermietung
bauen, weil hier eine höhere Rendite zu erwarten ist. Diese Marktreaktionen
werden die Preis-Miet-Relation letztlich wieder in Richtung des Gleichgewichts
treiben.
55
Kapitel 3
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Entwicklung des Preis-Miet-Verhältnisses
auf dem westdeutschen Wohnungsmarkt
130
120
110
Tatsächliches
Preis-MietVerhältnis
Fundamentales
Preis-Miet-Verhältnis aufgrund
der Rahmenbedingungen
100
90
80
70
60
50
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
Ursprungsdaten: Bulwien Gesa AG und Bundesbank; IW Köln
Abb. 7: Entwicklung des Preis-Miet-Verhältnisses auf dem westdeutschen Wohnungsmarkt
56
Erläuterung der Abbildung 7: Die Index-Werte sind für das Jahr auf 100 gesetzt,
indem das tatsächliche Preis-Miet-Verhältnis dem 30-jährigen Durchschnitt am
nächsten gekommen ist. Im Gleichgewicht muss gelten:
M = P ¥ (i + t + a – w)
mit
M:
P:
i:
t:
a:
w:
Miete
Immobilienpreis
Zinssatz
Steuer- und Zulagensatz
Abnutzungssatz
Wertsteigerungsrate
Daraus folgt:
P
1
=
M i + t + a–w
Tatsächlicher Wert = Fundamentalwert.
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Kapitel 3
Die Entwicklung des Preis-Miet-Verhältnisses in Deutschland in den letzten
Jahren stellt in dieser Beziehung eine Besonderheit dar, weil sie sehr stabil verlaufen ist und eher die Fundamentalbewertung um die tatsächliche Bewertung
herum schwankt. Dies hat jedoch damit zu tun, dass für den in Abbildung 7
gezeigten Zeitraum Deutschland zunächst durch eine Überbewertung der Immobilienpreise gekennzeichnet war, die dann langsam durch die fallenden Zinsen
abgeschmolzen wurde. Als dann die Zinsen weiter fielen, zogen die Immobilienpreise nicht nach, was vor allem an der zeitlichen Verzögerung der Immobilienpreisanpassungen und gegebenenfalls an den Erwartungen lag. Im Jahr 2007
kehrte der Immobilienmarkt dann fast zum Gleichgewicht zurück, ehe 2008 und
2009 tatsächliche und fundamentale Bewertungen wieder auseinander fielen. Dass
die Haushalte die Unterbewertung des Wohneigentums nicht nutzten, dürfte vor
allem auf die Unsicherheiten in Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise zurückzuführen sein.
3.4
Besonderheiten der Märkte für Büro- und
Einzelhandelsimmobilien
57
Die bisherige Darstellung fokussierte auf Wohnimmobilienmärkte. Grundsätzlich
Grundsätzlich gleiche
gilt die Mehrzahl der hier beschriebenen Einflussfaktoren auch für Gewerbeimmo-
Wirkmechanismen
bilien. Auch hier haben Zinssätze und Mieten einen bestimmenden Einfluss, und
das Angebot passt sich nur langsam an die Nachfrage an. Allerdings gilt es, einige
Besonderheiten zu beachten.
Allgemein werden Büroimmobilien schneller saniert und modernisiert als
Wohnimmobilien. Während man bei Wohnimmobilien von einem Sanierungszyklus von 30 bis 40 Jahren ausgeht, sind es bei Büroimmobilien eher 25 Jahre. Dies
hat Auswirkungen auf das Angebot. So ist der Anteil des Neubaus bzw. der Projektentwicklungen wesentlich höher als im Wohnimmobilienmarkt. Damit kann sich
das Angebot tendenziell schneller an Nachfrageänderungen anpassen – allerdings
kann die größere Angebotsflexibilität, wie im Kapitel 6 gezeigt wird, auch Ungleichgewichte verstärken.
Besonderheiten
Kapitel 3
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Höhere Volatilität auf
Die Nachfrage im Büroimmobilienmarkt hängt hauptsächlich von der Anzahl
Büroimmobilienmärkten
der Bürobeschäftigten ab. Rund ein Drittel aller sozialversicherungspflichtigen
Arbeitnehmer arbeitet in Büros. Je nach Konjunkturverlauf können die Beschäftigungszahlen stark schwanken. Außerdem können Büroarbeitsplätze tendenziell
leicht substituiert werden. So können etwa Call-Center auch im Ausland eröffnet
werden, oder Arbeitsplätze fallen aufgrund fehlenden Bedarfs weg. Auch neue
Arbeitsformen wie etwa Telearbeit, Desksharing oder Gruppenbüros wirken sich
auf die Büroflächennachfrage aus. Damit sind Büroimmobilienmärkte im Vergleich zu Wohnimmobilienmärkten wesentlich volatiler.
Zusammenhang
Die Nachfrage nach Wohnimmobilien und die Nachfrage nach Einzelhandels-
zwischen Wohn- und
immobilien stehen in einem engen Zusammenhang. Schließlich stellen Wohn-
Einzelhandelsimmobilien
eigentümer und Mieter auch die Hauptkonsumenten dar. So wird die Höhe der
Mieten wesentlich durch den Einzelhandelsumsatz bestimmt. Hieraus lassen sich
einige interessante Schlüsse im Hinblick auf die demografische Entwicklung
ziehen. Anders als bei Wohnimmobilien ist für die Einzelhandelsimmobilien nicht
die Zahl der Haushalte, sondern die Zahl der Personen relevant. Schließlich benötigen kleinere Haushalte auch weniger Konsumgüter. Damit trifft die Einzelhandelsimmobilienmärkte die Wucht der demografischen Veränderungen früher und
58
härter. Auch Einkommensgewinne können die Entwicklung kaum dämpfen, da die
Einkommenselastizität der Nachfrage kleiner als eins ist. Dies bedeutet, dass der
Anteil des Einkommens, der im Einzelhandel ausgeben wird, bei steigenden Einkommen kleiner wird. Zurückzuführen ist dies auf die Tatsache, dass der Einzelhandel vor allem Konsumgüter des täglichen Bedarfs anbietet, bei denen die Nachfrage ab einem bestimmten Einkommen größtenteils befriedigt ist. Gerade bei
Nahrungsmitteln sind bei steigendem Einkommen der Haushalte nur kleine
Zusatzausgaben zu erwarten. Hinzu kommt, dass der klassische Einzelhändler vor
Ort zunehmende Konkurrenz durch Versandhäuser und Internet-Anbieter erhält.
Daher ist davon auszugehen, dass gerade in schrumpfenden Kommunen die Preise
für Einzelhandelsimmobilien nachgeben werden.
Anpassungen auf den
Auch im Büromarkt ist von merklichen Anpassungen auszugehen. Bis 2050
Büroimmobilienmärkten
geht das Erwerbspersonenpotenzial um 10 Millionen Menschen zurück. Darüber
hinaus können Arbeitsplätze durch moderne Kommunikationsmittel weiter eingespart werden. Daher ist mit einem Anstieg von Telearbeit und Desksharing zu
rechnen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch dämpfende Faktoren. So kann
etwa mit einer höheren Frauenerwerbsquote gerechnet werden. Da knapp 50 %
der Frauen in Büros arbeiten, dürfte dies die Büroflächennachfrage überpropor-
Bestimmungsgründe für Immobilienpreise
Kapitel 3
tional erhöhen. Außerdem gibt es insgesamt einen leichten Trend zu Bürotätigkeiten. Dennoch könnte nach Schätzungen von Just (2009) die Flächennachfrage
bis 2050 gegenüber 2005 um 17 % sinken.
59
Kapitel 4
4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Immobilien- und Kapitalmarkt
Zusammenhang
Noch bis vor einigen Jahren galten der Immobilienmarkt und der Kapitalmarkt als
zwischen Immobilien-
getrennte Märkte. Mittlerweile wird jedoch deutlich, dass die Entwicklungen im
und Kapitalmarkt
Immobilienmarkt maßgeblich durch die Entwicklungen an den Kapitalmärkten
getrieben werden. Dies verdeutlicht schon die Bedeutung des Zinssatzes für die
60
Immobiliennachfrage. Außerdem müssen sich Immobilien als Investitionsklasse
mit anderen Anlagen vergleichen lassen. Vor allem aber die Subprime-Krise und
die darauf folgende Finanzmarktkrise verdeutlichen die Interaktion zwischen
Immobilienmarkt und Kapitalmarkt. Im Folgenden sollen die Grundzüge des
Kapitalmarktes kurz erläutert, die Besonderheiten der Anlageklasse Immobilien
herausgestellt und die Bedeutung der Immobilie für die Altersvorsorge näher
betrachtet werden. Schließlich wird auch die Funktion der Banken diskutiert und
die Ursachen der Finanzmarktkrise ergründet.
4.1
Ersparnis = Investitionen
Grundlagen des Kapitalmarktes
Eine der zentralen Gleichungen der Makroökonomie besagt, dass die Ersparnis in
einer Volkswirtschaft stets den Investitionen entspricht. Welche Investitionen
jedoch finanziert werden und welche Ersparnisse hierfür verwendet werden, entscheidet sich auf dem Kapitalmarkt.
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
In einer Volkswirtschaft gibt es stets Haushalte und Unternehmen, die zusätzliches Kapital benötigen. Wer ein Haus kaufen möchte, hat in der Regel nicht die
Mittel, um das Haus ohne Kreditaufnahme zu erwerben. Auch Bauherren von
Gewerbeimmobilien oder Unternehmensgründer benötigen Kredite, um ihre Vorhaben zu realisieren. Auf der anderen Seite gibt es Haushalte, deren Einkommen
größer sind als ihre Konsumausgaben. Die Differenz dieser beiden Größen ist die
Ersparnis. Dabei sparen die Menschen nicht aus reinem Selbstzweck, sondern um
Konsummöglichkeiten in die Zukunft zu transferieren. Das bekannteste Sparmotiv ist dabei die Alterssicherung. Wer auch im Rentenalter seinen Lebensstandard erhalten will, muss einen Teil seines Erwerbstätigeneinkommens sparen, um
aus dem so gebildeten Kapital später zusätzliche Konsummöglichkeiten zu genereren. Das Angebot an Kapital (Ersparnis) und die Nachfrage nach Kapital (Investitionen) sind dabei keineswegs fest vorgegeben, sondern hängen ab von der Verzinsung. Je niedriger die Zinssätze sind, desto mehr Projekte, Häuser und Unternehmen können finanziert werden. Auf der anderen Seite bedeutet ein hoher Zinssatz, dass mehr Haushalte bereit sind, Konsumverzicht zu üben. Schließlich
werden sie durch höhere Zinssätze für den Konsumaufschub stärker kompensiert.
Der Zinssatz als Preis des Kapitals ist also die Größe, die die Ersparnisse und die
61
Investitionen ins Gleichgewicht bringt.
Wer jedoch einen Blick in die Wirtschaftspresse wirft, wird vergeblich einen
Kapitalmarkt
markträumenden Zinssatz suchen. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von Zins-
zerfällt
sätzen. Der Grund ist, dass auch der Kapitalmarkt kein einheitlicher Markt ist, son-
in Einzelmärkte
dern sich in eine Vielzahl von Einzelmärkten unterteilt. Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen dem Anleihenmarkt und dem Aktienmarkt.
Bei einer Anleihe verpflichtet sich ein Vertragspartner, einen bestimmten Geldbetrag inklusive einer vorher festgelegten Verzinsung zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Im Kern beinhaltet eine Anleihe also eine Schuldverschreibung bzw. gleicht einem Kreditvertrag. Anleihen werden von einer Vielzahl von
Unternehmen und Staaten ausgegeben. Auch Kredite an Haushalte können über
Anleihen finanziert werden. Zwei wesentliche Charakteristika unterscheiden
dabei die Anleihen. Das erste ist die Laufzeit der Anleihe. In der Regel müssen für
länger laufende Anleihen höhere Zinssätze entrichtet werden. Dies hängt mit der
Unsicherheit über die künftige Entwicklung zusammen. Da die künftige Entwicklung unbestimmt ist, verlangen Geldgeber für eine langfristige Überlassung ihres
Kapitals eine Risikoprämie. Üblicherweise sind daher Kredite mit kürzeren Laufzeiten günstiger als Kredite mit langen Laufzeiten. Drehen kann sich diese Beziehung jedoch, wenn mit einer künftigen Verschlechterung der Lage gerechnet wird.
Anleihen
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Sind die Zinssätze kurzfristig laufender Anleihen höher als die von mittel- oder
langfristig laufenden Wertpapieren, wird daher häufig mit einer Rezession gerechnet. Das zweite Unterscheidungsmerkmal ist das Ausfallrisiko. Schließlich besteht
die Gefahr, dass der Schuldner Konkurs anmelden muss und einen Teil oder den
Gesamtbetrag seiner Verbindlichkeiten nicht begleichen kann. Je höher das Ausfallrisiko eingeschätzt wird, desto höher ist die Risikoprämie, die die Geldgeber
verlangen. Staaten müssen in der Regel nur geringe Aufschläge akzeptieren und
können sich daher günstig finanzieren, während z. B. bei sehr jungen Unternehmen hohe Risikoprämien verlangt werden. Oftmals wird die Risikoeinschätzung
von Rating-Agenturen vorgenommen, die die Ergebnisse dann publizieren. Sofern
das Rating jedoch von dem Emittenten der Anleihen, also von dem Schuldner, in
Auftrag gegeben wird, ist nicht mit einer hundertprozentigen Objektivität zu
rechnen.
Aktien
Das Gegenstück zum Anleihemarkt stellt der Aktienmarkt dar. Wer eine Aktie
kauft, wird Teilhaber einer Unternehmung und wird zukünftig in Relation zu
seinen Eigentumsanteilen an den Unternehmensgewinnen beteiligt. Die Finanzierung eines Unternehmens wird daher auch als Eigenkapitalfinanzierung bezeichnet, die Finanzierung über Anleihen dagegen als Fremdkapitalfinanzierung. An-
62
ders als der Käufer einer Anleihe erhält der Käufer einer Aktie kein festes Zahlungsversprechen. Die Rendite bzw. Verzinsung hängt allein von dem Erfolg des Unternehmens ab. Aktionäre gehen daher ein höheres Risiko als Anleihenkäufer ein,
werden hierfür jedoch mit einer durchschnittlich höheren Verzinsung belohnt.
Bedeutung des
Gerade in turbulenten Zeiten wird der Kapitalmarkt oft als organisiertes Wett-
Kapitalmarktes
spiel diskreditiert. Theodore Roosevelt äußerte sich einmal: „Es gibt keinen moralischen Unterschied zwischen Kartenspielen, Lotterien, Pferdewetten und Börsenspekulationen.“ Freilich kann nicht bestritten werden, dass der Kapitalmarkt – und
gerade auch der börsenmäßig organisierte Kapitalmarkt – auch Glücksritter
anzieht. Die Gleichsetzung mit Glückspielen verkennt jedoch die wichtige gesellschaftliche Bedeutung des Kapitalmarkts. Erst dadurch, dass Risiken handelbar
gemacht werden, finden sich Finanziers für junge Unternehmen, innovative Projekte oder krisengeschüttelte Konzerne. Damit wiederum wird die Basis für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung gelegt. Die Verteilung der Risiken auf diejenigen, die sie am besten tragen können, ist also eine der wesentlichen Funktionen
des Kapitalmarktes. Darüber hinaus hat der Kapitalmarkt eine wichtige Frühwarnfunktion für die Gesamtwirtschaft. So reagieren die Börsen in der Regel mit zeitlichem Vorlauf auf konjunkturelle Veränderungen.
Immobilien- und Kapitalmarkt
4.2
Kapitel 4
Immobilienanlagen im Überblick
Die Darstellung der verschiedenen Anlagemöglichkeiten konzentriert sich auf die
Direkte und indirekte
indirekten Anlageformen. Bei indirekten Anlageformen investiert der Anleger
Anlagemöglichkeiten
nicht selbst in Immobilien, sondern erwirbt Anteile an einem „Finanzvehikel“, welches seinerseits mit Immobilien handelt oder diese bewirtschaftet. Solche Finanzvehikel werden im weitesten Sinne am Kapitalmarkt veräußert, wobei der Kapitalmarkt in der weiteren Definition nicht nur die Wertpapierbörsen umfasst, sondern
eben auch den weniger organisierten Wertpapierverkauf. Hierzu gehören z. B. so
genannte Over-the-Counter (OTC)-Transaktionen, also der bilaterale Verkauf von
Wertpapieren außerhalb der üblichen Handelsplätze. Zu den indirekten Immobilienanlageklassen zählen die geschlossenen und offenen Fonds, Immobilienaktien
und alternative Investmentvehikel, wie z. B. Beteiligungsgesellschaften.
4.2.1
Geschlossene Immobilienfonds
Bei einem geschlossenen Immobilienfonds wählt ein Initiator, z. B. eine Bank oder
Charakteristika
ein Bauherr, ein Investitionsobjekt aus. Anschließend sucht er nach einer be-
63
grenzten Anzahl von Anlegern, bis er für die Realisierung des Projektes genügend
Eigenkapital zusammen hat. Der Fonds wird dann geschlossen. Die Anleger tragen
die wirtschaftlichen Chancen und Risiken der Anlage, während der Initiator für
seine Leistung ein Entgelt erhält. Je nach Ausgestaltung sind Investitionen in Einzelobjekte oder Portfolios möglich. Außerdem ist die Anlage nicht auf Immobilien
begrenzt. Neben Immobilienfonds gibt es auch Schiffsfonds, Medienfonds, Leasingfonds und viele andere. Insgesamt ist der geschlossene Fonds wenig reguliert,
weshalb er der Direktanlage am nächsten kommt.
Geschlossene Fonds können den Anlegern in der Regel attraktive Renditen in
Aussicht stellen, da sie sich auf profitable Anlagen beschränken und den Verschul-
Durchschnittliche
Rendite
dungsgrad optimal wählen können. Allerdings können die Unterschiede zwischen
den einzelnen Fonds erheblich sein. Beliebt sind bei den Anlegern aufgrund steuerlicher Erwägungen insbesondere Immobilienfonds, die ihr Geld im Ausland anlegen.
Die Vorteile geschlossener Fonds liegen in den wenigen gesetzlichen Regularien. Hierdurch kann beispielsweise die Rechtsform frei gewählt werden, wobei
üblicherweise entweder die GmbH & Co. KG oder die GbR gewählt wird. Dies
erlaubt die Nutzung steuerlicher Vorteile oder die Begrenzung von Risiken wie im
Fall der GmbH. Vor allem aber erlaubt der gesetzliche Rahmen Innovationen und
Vor- und Nachteile
geschlossener Fonds
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
eine schnelle Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen. So können Marktchancen schnell genutzt werden.
Allerdings gibt es gegenüber der Direktanlage weniger Transparenz, auch die
Handelbarkeit ist eingeschränkt. Vor allem aber tragen Anleger ein unternehmerisches Risiko, ohne dass sie die Investition steuern können. Daher ist die Auswahl
des Initiators essentiell. Auf der anderen Seite bieten viele Fonds jedoch eine vergleichsweise hohe Rendite.
4.2.2
Offene Immobilienfonds
Der offene Immobilienfonds weist im Gegensatz zu den geschlossenen Immobilienfonds eine deutlich höhere Regulierungsdichte sowie mehr Anlagerestriktionen auf.
Charakteristika
Bei einem offenen Immobilienfonds werden die Immobilien in einem so
genannten Sondervermögen gehalten, welches von einer Kapitalanlagegesellschaft
verwaltet wird. Die Kapitalanlagegesellschaft gibt für das Immobilienvermögen
Investmentzertifikate aus, wobei im Regelfall eine Ausgabe und Rücknahme dieser
Zertifikate jederzeit möglich ist. Der Wert dieser Anteilsscheine wird nicht über
das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern ergibt sich
64
aus den Bewertungen der Sachverständigen. Dadurch unterliegen die Preise der
Investmentzertifikate gewöhnlich nur geringen Schwankungen.
Die gesetzlichen Grundlagen für offene Immobilienfonds finden sich im Investmentgesetz. Darüber hinaus werden die Kapitalanlagegesellschaften sowie die
dahinter stehende Depotbank von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht.
Anlagerestriktionen
offener Fonds
Die BaFin überwacht dabei unter anderem die Einhaltung folgender Anlagerestriktionen:
쐍 Mindestliquidität: 5 %
쐍 Maximalliquidität: 49 %
쐍 Einzelobjektanteil zum Erwerbszeitpunkt: 15 %
쐍 Grundstücke im Zustand der Bebauung: 20 %
쐍 unbebaute Grundstücke: 20 %
쐍 Erbbaurechte: 15 %
쐍 Minderheitsbeteiligungen an Immobiliengesellschaften: 20 %
쐍 ungesichertes Währungsrisiko: 30 %
쐍 maximale FK-Quote: 50 %
Immobilien- und Kapitalmarkt
Offene Publikumsfonds investieren vornehmlich in Bürogebäude in deutschen
und europäischen Großstädten. Trotz einer vergleichsweise geringen Rendite von
Kapitel 4
Durchschnittliche
Rendite
nur 3 bis 5 % in den letzten Jahren und Ausgabeaufschlägen von 5 % ist die Bedeutung der offenen Immobilienfonds deutlich gestiegen. Bis auf über 80 Milliarden €
ist das Immobilienvermögen der Fonds angestiegen.
Neben den steuerlichen Vorteilen (Ausschüttungen aus Auslandsinvestitionen
und Veräußerungsgewinnen mit einer Haltedauer von zehn Jahren sind steuerfrei)
Vor- und Nachteile
offener Fonds
ist als ein Grund hierfür sicherlich die geringe Volatilität der offenen Fonds anzuführen. Die geringen Schwankungen offener Immobilienfonds sind dabei zum
einen auf die hohe Sicherheitsorientierung und zum anderen auf die Sachverständigenbewertung zurückzuführen. Diese Eigenschaft macht die Fonds vor allem für
sicherheitsorientierte Kleinanleger interessant. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch ein Liquiditätsrisiko. Gerade im Zuge der Finanzkrise mussten einige
offene Immobilienfonds die Rücknahme der Anteilsscheine und damit die Auszahlung des eingesetzten Kapitals aussetzen, weil sie über zu geringe liquide Mittel
verfügten.
Für institutionelle Investoren wurden in den letzten Jahren auch Spezialfonds
Spezialfonds
aufgelegt. Diese Fonds sind bei der Anlageauswahl etwas freier als die Publikums-
65
fonds und können sich den Bedürfnissen der Anleger anpassen.
4.2.3
Immobilienaktiengesellschaften
Immobilienaktienunternehmen sind Aktiengesellschaften, die sich auf die Bewirt-
Charakteristika
schaftung und/oder den Handel mit Immobilien spezialisiert haben. Im Gegensatz
zu offenen Immobilienfonds ist der Begriff der Immobilien AG jedoch kein
geschützter Begriff. Daher ist der Kreis der Immobilienaktiengesellschaften in
Deutschland derzeit sehr differenziert. Mit den Real Estate Investment Trusts
wurde mittlerweile jedoch eine standardisierte Form von Immobilienaktien eingeführt. Bevor auf die Charakteristika der REITs eingegangen wird, soll zunächst ein
kurzer Überblick über den Markt für Immobilienaktien in Deutschland gegeben
werden.
Immobilienaktien sind in Deutschland noch wenig verbreitet. Dominiert wird
der Markt stattdessen von offenen und geschlossenen Fonds, die auch steuerlich
bevorzugt sind. Schließlich werden die Fonds nur auf der Anlegerebene besteuert,
während die Immobilienaktien sowohl körperschaftsteuerpflichtig sind als auch
auf der Anlegerebene besteuert werden. Trotz des Halbeinkünfteverfahrens stellen
sich die Anleger hierdurch in der Regel mit Immobilienaktien schlechter.
Geringe Verbreitung
von Immobilienaktien
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Die heutigen Immobilienaktien stammen hauptsächlich aus der Ausgliederung
von Immobilienbeständen von Industrieunternehmen. Die Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) ist hierfür ein gutes Beispiel. Als ehemals öffentliches Unternehmen war sie ein breit aufgestelltes Industrieunternehmen mit Immobilienbeständen. Nach der Privatisierung entschied man, sich künftig auf die Bewirtschaftung der Immobilien zu konzentrieren und die anderen Bereiche zu verkaufen. So erfolgreich wie bei der IVG war die Ausgliederung der Immobilien in
Aktiengesellschaften jedoch nicht immer. Vielfach wurden unattraktive Bestände
an die Börse gebracht, die auf wenig Interesse gestoßen sind. Darüber hinaus fehlte
oft eine überzeugende und kommunizierte Anlagestrategie. Des Weiteren galten
viele Unternehmen als intransparent, was dem Segment insgesamt ein schlechtes
Image einbrachte.
REITs
Um der kapitalmarktorientierten Immobilienwirtschaft zum Durchbruch zu
verhelfen, wurde nach langen Beratungen daher der deutsche Real Estate Investment Trust zum 1. Januar 2007 eingeführt.
Real Estate Investment Trusts (REITs) gibt es in den USA bereits seit 1960. Das
Ziel bei der Einführung bestand dabei darin, den Anlegern, gerade auch den Kleinanlegern, ein Investitionsvehikel zur Verfügung zu stellen, das die Vorteile der
66
Immobilienanlage beinhaltet, ohne die Nachteile einer Direktanlage aufzuweisen.
Von daher war es selbstverständlich, dass REITs mit der direkten Immobilienanlage vor allem steuerlich gleichgestellt wurden.
Kennzeichnend für REITs sind insbesondere die folgenden Merkmale:
쐍 Besteuerung nur auf der Anlegerebene (steuerliche Transparenz)
쐍 Tätigkeiten überwiegend im Immobilienbereich
쐍 Vermögen setzt sich überwiegend aus Immobilien zusammen
쐍 hohe Dividendenausschüttungen
쐍 Kapitalmarktorientierung
Internationale
Trotz teilweise großer Unterschiede zwischen den nationalen REITs finden sich
REIT-Strukturen
diese Merkmale in allen REIT-Gesetzen. Neben den USA gibt es REITs auch in den
Niederlanden, Australien, Kanada, Japan, Frankreich und vielen weiteren Ländern.
2007 wurden REITs darüber hinaus auch in Deutschland und dem Vereinigten
Königreich eingeführt.
In den USA gibt es den größten Markt für REITs. Allerdings begann der Aufschwung dieser Anlageklasse dort erst in den 1990er-Jahren. Erst nachdem das
REIT-Gesetz liberalisiert wurde und auch institutionelle Investoren ihr Kapital in
REITs anlegen durften, gab es einen Durchbruch.
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
Heute wird der Markt in den USA von institutionellen Investoren beherrscht,
die knapp 70 % der Anteile halten. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die REITs
sich überwiegend auf einzelne Sektoren des Marktes spezialisieren. So gibt es reine
Büro-REITs ebenso wie reine Wohn-REITs. Gemischte Portfolios sind eher selten.
Dies lässt darauf schließen, dass die Spezialisierungsvorteile gewichtiger sind als
die Risikostreuung aufgrund differenzierter Portfolios.
Für den deutschen REIT gelten unter anderem die folgenden Regelungen:
REITs in Deutschland
쐍 Der REIT ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft.
쐍 Anlage- und Einkommenskriterien:
Mindestens 75 % des gesamten Vermögens einer REIT-AG müssen zum Ende
eines jeden Geschäftsjahres aus unbeweglichem Vermögen bestehen.
Mindestens 75 % der Bruttoerträge einer REIT-AG müssen aus Immobilien
(Vermietung, Leasing, Verpachtung, Veräußerungsgewinne) stammen.
쐍 Bestands-Wohnimmobilien (Wohnflächenanteil 50 % oder höher, Fertigstel-
lung vor dem 1.1.2007) sind nicht REIT-fähig.
Weitere Tätigkeiten müssen in REIT-Dienstleistungsgesellschaften ausgelagert
werden. Das Vermögen einer REIT-Dienstleistungsgesellschaft darf zum Ende
67
eines jeden Geschäftsjahres höchstens 20 % des gesamten Vermögens der
REIT-AG nach Abzug der Ausschüttungen und Rücklagen ausmachen. Die Bruttoerträge aus diesen Nebentätigkeiten dürfen höchstens 20 % der gesamten Bruttoerträge einer REIT-AG ausmachen.
Ein wichtiges Element des REIT-Gesetzes ist die Einführung einer Exit-Tax.
Hiernach gingen die aufgedeckten stillen Reserven bei dem Verkauf einer Immobilie an einen REIT bis zum 31.12.2009 nur mit der Hälfte in die steuerliche Bemessungsgrundlage ein. Dies war wichtig, da die Veräußerungsgewinnsteuer ein
erhebliches Hindernis für den Verkauf darstellte. Schließlich ergibt sich der Kaufpreis einer Immobilie aus den zukünftigen Netto-Mieteinnahmen. Wird nun der
Kaufpreis besteuert, werden die Erträge nicht nur zukünftig, sondern auch zum
Zeitpunkt des Verkaufes besteuert. Damit wird das Halten der Immobilie gegenüber dem Verkauf begünstigt, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass viele
Industrieunternehmen ein großes Immobilienvermögen aufgebaut haben. Ähnlich wie die Grunderwerbsteuer ist auch die Veräußerungsgewinnsteuer mit
Lock-in-Effekten verbunden. Durch die Exit-Tax wird diese Problematik vermindert. Problematisch ist jedoch, dass die Exit-Tax kaum wirken konnte, weil es bis
Ende des Jahres 2009 aufgrund der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage kein
Exit-Tax
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Potenzial für REIT-Börsengänge gab. Besser wäre es daher gewesen, auf die zeitliche Begrenzung zu verzichten. Außerdem ist die ausschließliche Anwendung auf
REITs zu kritisieren.
Erwartungen bisher
Die Erwartungen an den deutschen REIT sind bislang nicht erfüllt worden, was
nicht erfüllt
unter anderem mit der schlechteren Stimmung an den Börsen im Zuge der Finanzmarktkrise zusammenhängt. Hinzu kommen gesetzliche Probleme. So dürfen im
Ausland angefallene Steuern nicht bei den Anlegern angerechnet werden, was Auslandsinvestitionen letztlich diskriminiert. Außerdem bestehen nach wie vor
Rechtsunsicherheiten der Unternehmungen hinsichtlich einzelner Regelungen,
beispielsweise bei Sanktionen.
4.2.4
Alternative Immobilieninvestments
Beteiligungs-
Neben den klassischen und spezialisierten Immobilienanlagevehikeln sind in den
gesellschaften
Markt in den letzten Jahren auch neue Typen von Investoren eingetreten: Beteiligungsgesellschaften bzw. Private-Equity-Gesellschaften, die oftmals in großem
Maßstab und mit einem hohen Fremdkapitalanteil Immobilienbestände erworben
haben.
68
Funktionsweise
Beteiligungsgesellschaften werden von Banken, Versicherungen oder besonders vermögenden Investoren gegründet und von diesen jeweils mit Eigenkapital
ausgestattet. Darüber hinaus werben sie von anderen institutionellen und privaten
Anlegern weiteres Eigenkapital ein. Dieses Kapital nutzen sie dann, um dort zu
investieren, wo Unterbewertungen vorliegen und wo Wirtschaftlichkeitsreserven
vermutet werden. Nach einer erfolgreichen Umstrukturierung werden die erworbenen Gesellschaften oder Anteile dann mit Gewinn verkauft, beispielsweise an
der Börse.
Dass der Beteiligungsmarkt so stark an Bedeutung gewonnen hat, hängt vor
allem mit der Liquiditätsschwemme im Nachgang der New-Economy-Krise
zusammen. Zur Abwendung einer Rezession in den USA senkten die Federal
Reserve und auch die EZB die Zinssätze deutlich. Hierdurch stand reichlich
Kapital zur Verfügung. Der für viele Investoren umständliche und teure Weg über
die Börse musste daher nicht beschritten werden. Doch nicht nur deswegen
gewannen Beteiligungsgesellschaften an Bedeutung: Sie haben den Vorteil, dass sie
keinen engen Beschränkungen unterliegen und aufgrund ihrer Anreiz-Struktur
über unternehmerisch denkende Fondsmanager verfügen. Außerdem konnten
über den Fremdkapitalhebel erhebliche Eigenkapitalrenditen erzielt werden.
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
Mittlerweile ebbt der Beteiligungsboom jedoch merklich ab, vor allem, weil das
Zinsniveau wieder angezogen hat und aufgrund der Finanzmarktprobleme der
Zugang zu Fremdkapital deutlich erschwert worden ist. Der klassische Weg über
den Kapitalmarkt sowie die damit einhergehenden Transparenzpflichten gewinnen damit wieder an Bedeutung. Beteiligungsgesellschaften bleiben jedoch
wichtig. Erstens nutzen sie Unterbewertungen aus und tragen damit zu der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes bei. Zweitens werden sie vor allem dann relevant, wenn klassische Investitionsvehikel aufgrund von Restriktionen nicht handeln können oder nicht schnell genug reagieren. Beteiligungsgesellschaften tragen
damit zur Beschleunigung des Strukturwandels bei.
4.3
Immobilien als Assetklasse
In den letzten Jahren hat die Bedeutung von Immobilien an den Kapitalmärkten
Bedeutungsgewinn von
deutlich zugenommen. Und auch in der Zukunft wollen Versicherungen und Pen-
Immobilienanlagen
sionsfonds ihren Anteil an Immobilienanlagen erweitern. Dies liegt vor allem an
69
dem Einfluss von Immobilien auf die Rendite und das Risiko von Wertpapierportfolien. Doch auch für den privaten Anleger gewinnt die Immobilie als Assetklasse
an Relevanz. Daher soll auch die Bedeutung der Immobilie für die Altersvorsorge
näher untersucht werden. Zunächst wird jedoch ein kurzer Überblick über die
Portfoliotheorie und die Bedeutung der Immobilie gegeben.
4.3.1
Portfolioinvestitionen und Immobilien
Nur wenige Theorien haben die Finanzwirtschaft so beeinflusst wie die Portfolio-
Große Bedeutung
theorie nach Markowitz (1952). Markowitz konnte zeigen, dass durch die Zusam-
der Portfoliotheorie
menstellung eines Bündels von Wertpapieren, die sich im Zeitablauf unterschiedlich entwickeln und unterschiedliche Risiko-Rendite-Profile aufweisen, das
Gesamtrisiko der Investition ohne eine Einbuße bei der Rendite deutlich verringert
werden kann. Über einen langen Zeitraum gesehen gibt es immer Auf- und
Abschwünge in der Immobilienpreisentwicklung. Je nachdem, wann man einsteigt, kann man stärker oder schwächer von der Immobilienpreisentwicklung
profitieren. Das gilt jedoch auch für andere Anlageklassen, wie beispielsweise
Aktien oder Anleihen. Auch der Wert von Anleihen kann steigen oder fallen, je
nachdem, ob das aktuelle Marktzinsniveau unter oder über dem vereinbarten
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Zinssatz liegt. Entscheidend ist, dass die unterschiedlichen Anlageklassen ein
unterschiedliches Risikoprofil aufweisen. Gehen die Renditen der einen Anlageklasse hoch, entwickelt sich die andere vielleicht schwächer – und umgekehrt.
Risikostreuung durch Immobilien
Portfolio 1
Ertrag: 10,9 % Risiko: 10,6 %
Staatspapiere 10 %
Aktien 50 %
Unternehmensanleihen 40 %
Portfolio 2
Ertrag: 11,2 % Risiko: 10,3 %
Immobilienaktien 10 %
70
Staatspapiere 10 %
Aktien 45 %
Unternehmensanleihen 35 %
Portfolio 3
Ertrag: 11,2 % Risiko: 10,3 %
Immobilienaktien 20 %
Staatspapiere 10 %
Unternehmensanleihen 30 %
Quelle: Ibbotson (2006)
Abb. 8: Risikostreuung durch Immobilien
Aktien 40 %
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
Abbildung 8 verdeutlicht für den Zeitraum von 1972–2004, dass ein Anleger, der
bei seiner Anlagenwahl auch Immobilienaktien berücksichtigte, den Ertrag seiner
Gesamtanlage um durchschnittlich 0,7 % erhöhen und gleichzeitig die Volatilität
der Erträge um 0,5 % senken konnte. Die Volatilität der Anlage wird dabei durch
die Standardabweichung gemessen, also die durchschnittliche Abweichung vom
Mittelwert der Rendite. Vor diesem Hintergrund sind gerade institutionelle
Anleger daran interessiert, einen Teil ihres Kapitals in Immobilien zu investieren.
Die durchschnittlichen Erträge und entsprechenden Risiken wären zwischen
1972 und 2004 für einen US-amerikanischen Anleger, wie in Abbildung 8 dargestellt, von der Zusammenstellung der Anlageklassen (des Portfolios) abhängig
gewesen.
Innerhalb der Klasse der Immobilien gibt es jedoch noch einmal große Unter-
Chancen-Risiko-Profile
schiede zwischen den Chancen-Risiko-Profilen. Im Vergleich zu Gewerbeimmobilien versprechen Wohnimmobilien in der Regel eine geringere, aber sichere Rendite, weil die Mietlaufzeiten in der Regel lang und die Ausfallrisiken eher gering
sind. Bei Gewerbeimmobilien sind die Erträge dagegen häufig schwankend, weil
zum einen das Leerstandsrisiko höher ist und zum anderen die Attraktivität der
Standorte sich schneller ändern kann. Außerdem hängt die Rendite von Gewerbeimmobilien stärker von der wirtschaftlichen Dynamik ab.
Doch nicht nur die Art der Immobilien, sondern auch die Wahl der Investitionsform entscheidet über das Risikoprofil. Offene Immobilienfonds gelten als besonders sicher, bieten dafür aber auch nur eine durchschnittlich geringere Rendite.
Immobilienaktien versprechen dagegen höhere Renditen – bei entsprechend
höherem Risiko. In Abbildung 9 sind die Renditeprofile verschiedener Anlageklassen abgetragen worden. Die Unterschiede innerhalb der Immobilienanlagen
ergeben sich vornehmlich durch die Regularien, die Immobilienauswahl und den
Fremdkapitaleinsatz. Immobilienaktien sind darüber hinaus insbesondere deswegen volatiler, weil sie täglich gehandelt werden, während die Preise von offenen
Fonds auf der Basis von Bewertungen ermittelt werden. Damit werden die tatsächlichen Schwankungen der Werte nur unzureichend erfasst.
71
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Rendite-Risiko-Profile unterschiedlicher Anlageklassen
22
20
18
16
Rendite (%)
US-REITs
14
Europäische Aktien
(STOXX 50)
12
Immobilienaktien
Europa
10
Deutsche
Anleihen
8
Internationale
Anleihen
Deutsche
Aktien
(DAX)
6
4
Offene
Immobilienfonds
2
0
0
5
10
15
Volatilität (%)
20
25
Quelle: DB Research
72
Abb. 9: Rendite-Risiko-Profile unterschiedlicher Anlageklassen
4.3.2
Immobilien als Altersvorsorge
Wohnkostenentwicklung
Wer seine Immobilie per Kredit finanziert, wird eine Reihe von Jahren finanziell
von Eigentümern
stärker belastet sein als ein vergleichbarer Mieter. Schließlich soll der Kredit mög-
und Mietern
lichst schnell, spätestens bei Renteneintritt, abgetragen sein. Ist das allerdings
gelungen, ändert sich das Verhältnis drastisch: Nun sinken die Wohnkosten des
Eigentümers deutlich unter diejenigen eines Mieters, da nur noch die Nebenkosten
des Wohnens, wie Müllentsorgung, Heizung und Grundsteuer, beglichen werden
müssen. Während ein typischer Eigentümer im Alter von 40 Jahren fast 30 %
seines Haushaltsnettoeinkommens für das Wohnen ausgibt, liegt der Anteil bei
einem vergleichbaren Mieter bei nur 15 %. Im Rentenalter ist dies anders: Die
Wohnkosten des Selbstnutzers sinken auf 7 %, während der Anteil beim Mieter
aufgrund der niedrigeren Einkommen im Rentenalter auf 19 % ansteigt. In Tabelle 2 wird die Entwicklung der durchschnittlichen Wohnkosten von Mietern und
Eigentümern im Verhältnis zum Haushaltsnettoeinkommen in % dargestellt.
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
Tabelle 2: Immobilieneigentümer – Geringere Wohnkosten im Rentenalter
Alter
Wohnkosten
eines Selbstnutzers
davon:
Belastung aus
Zins und Tilgung
Wohnkosten
eines gleichaltrigen
Mieters
39
28
25
15
47
20
18
15
56
11
7
15
63
8
4
18
68
7
3
19
Quelle: Pfeiffer und Braun (2006)
Damit weist die Immobilienfinanzierung einen ähnlichen Verlauf wie eine klassische Kapitalanlage auf. Nachdem in der Erwerbsphase zunächst gespart wurde,
wird das Kapital in der Rentenphase ausgegeben. Bei der Anlage in Immobilien
erfolgt die Auszahlung nicht als monatliche Rente, sondern in Form von monatlich
gesparten Kosten, was ökonomisch gesehen gleichwertig ist. Dabei wird das
Kapital, anders als etwa bei einer Lebensversicherung, nicht aufgezehrt, sondern
bleibt erhalten. Die Immobilie kann immer noch verkauft oder später auch vererbt
werden.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Immobilienerwerb hierzulande
zunehmend wichtiger für die Altersvorsorge werden wird. Schließlich ist das Versorgungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung spürbar abgesenkt
worden, sodass die private Vorsorge deutlich wichtiger wird. Mittlerweile ist der
Vorsorgebedarf so groß, dass in den individuellen Vorsorgeportfolien neben der
Immobilie auch Platz für z. B. Lebensversicherungen und Investmentfonds ist. Mit
der Eigenheimrente hat der Gesetzgeber die Wohnimmobilie auch im Rahmen der
Riester-Rente mit anderen Altersvorsorgeformen gleichgestellt, was sich ebenfalls
positiv auf den Wohneigentumserwerb auswirken sollte.
73
Zunehmende
Bedeutung
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
4.4
Rolle der Banken
Intermediäre zwischen
Bislang wurden Banken in der Darstellung des Kapitalmarktes nur gestreift. Tat-
Kapitalmarkt und
sächlich nehmen sie jedoch eine Schlüsselrolle als Intermediäre zwischen Kapital-
Realwirtschaft
markt und Realwirtschaft ein. Sie geben die Konditionen für die Immobilienfinanzierung vor, die wiederum maßgeblich durch die Refinanzierungsmöglichkeiten
am Kapitalmarkt bestimmt werden. Dass hier erhebliche Rückwirkungen für den
Immobilienmarkt entstehen, hat die Subprime-Krise nachdrücklich gezeigt. Bevor
jedoch auf die Finanzierung und die Subprime-Krise eingegangen wird, soll zunächst die volkswirtschaftliche Funktion der Banken kurz betrachtet werden.
4.4.1
Aufgaben der Banken
Volkswirtschaftliche Funktion der Banken
Wie der Immobilienmarkt ist auch der Kapitalmarkt sehr heterogen und kleinteilig. Banken übernehmen ähnlich wie Makler die Rolle eines Vermittlers und
führen Sparer und Investoren zusammen, weshalb sie auch als Finanzintermediäre bezeichnet werden. Insbesondere übernehmen sie die Aufgabe der Fristentransformation: Investoren und Sparer haben oftmals unterschiedliche Vorstel-
74
lungen darüber, wie lange das Kapital verliehen werden soll. Durch die Bündelung
der Ersparnisse können die Kredite dann fristenkongruent vergeben werden.
Außerdem leihen sich die Banken auch untereinander Geld, um die Finanzierungsbedürfnisse der Investoren erfüllen zu können und freie Liquidität optimal zu
nutzen.
Vermittlung und
Banken üben neben der reinen Vermittlungs- auch eine Kontrollfunktion aus.
Kontrolle
Auf dem Kapitalmarkt treffen nicht nur Sparer und Investoren mit unterschiedlichen zeitlichen Vorstellungen über die Kapitalüberlassung zusammen, sondern
auch mit sehr unterschiedlichen Risikovorstellungen und Bonitäten. Eine wesentliche Aufgabe der Banken besteht darin, die Bonität der Kreditnehmer einzuschätzen und zu überwachen.
Asymmetrische
Grundsätzlich ist der Kreditmarkt mit dem Problem asymmetrischer Informa-
Information
tion konfrontiert. Die Kreditnehmer wissen über die Ausfallwahrscheinlichkeit
und die zugrunde liegenden Investitionsrisiken besser Bescheid als der Kreditgeber. Dadurch droht eine adverse Selektion: Je höher der angebotene Kreditzins
ausfällt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass nur Investoren mit riskanten
Projekten die Kredite nachfragen. Da die Marktteilnehmer dies wissen, droht die
Gefahr, dass insgesamt nur wenige Kredite angeboten werden. Banken haben
jedoch verschiedene Möglichkeiten, die asymmetrische Information zu über-
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
winden. So können sie sich genau über die Bonität der Kunden informieren, etwa
durch die Sichtung von Schufa-Einträgen oder durch die Aufforderung zur Vorlage
von Einkommensnachweisen oder Business-Plänen. Auf der Basis der Bonitätsprüfung kann die Bank dann die Zinsen entsprechend modifizieren. Außerdem
kann die Bank auch fortwährend die Kreditrisiken beobachten und gegebenenfalls
Konditionen anpassen, z. B. nach dem Ende der Zinsfestschreibung. Beispielsweise
wird bei größeren Immobiliengeschäften regelmäßig das Verhältnis von Kreditschulden und Immobilienwert verglichen. Da die Bonitätsprüfungen insgesamt
sehr aufwendig sind und ein fundiertes Know-how verlangen, haben hier Banken
gegenüber einem rein dezentralen Markt eindeutige Vorteile.
Schließlich sind Banken auch selbst als Investoren tätig. So werden die Einlagen
der Sparer längst nicht mehr nur dazu verwendet, um es an andere Kunden zu ver-
Banken
als Investoren
leihen, sondern die Einlagen werden auch am Kapitalmarkt investiert. Auf diese
Weise können Banken den Sparern nicht nur Zugang zum Fremdkapitalmarkt,
sondern auch zum Beteiligungsmarkt verschaffen und beispielsweise durch die
Auflage von Aktienfonds Risiken streuen.
4.4.2
Immobilienfinanzierung
75
Dominierend bleibt für das Bankgeschäft jedoch die Kreditfinanzierung, und
Banken
hierbei insbesondere die Immobilienfinanzierung. Etwa 50 % aller Kredite in
als Kreditgeber
Deutschland werden für den Kauf und den Bau von Immobilien verwendet.
Immobilienfinanzierungen können dabei sehr unterschiedlich gestaltet werden, vor allem hinsichtlich der Zinsbindungsdauer, der Tilgung und des Beleihungsauslaufs.
Üblich ist in Deutschland eine Zinsbindung von 5, 10 oder 15 Jahren. Damit
übernimmt die Bank für die Dauer der Zinsbindung das Preisrisiko bzw. das Zinsänderungsrisiko. Dies macht sie nicht ohne Eigennutz; sie verlangt dafür einen
Zinsaufschlag. Im Normalfall sind Darlehen mit einer Zinsbindung zwischen
einem Jahr und fünf Jahren günstiger als diejenigen mit einer längeren Laufzeit. Im
Durchschnitt mussten die Kunden zwischen 2003 und 2006 einen Zinsaufschlag
von 0,35 % zahlen, wenn sie eine Zinsbindung von mehr als 10 Jahren wünschten.
Die Differenz zwischen den Zinsen kann zu anderen Zeiten jedoch auch wesentlich größer sein.
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Feste Zinsbindung
Ein großer Vorteil der Zinsfestschreibung ist die Planungssicherheit für die
versus variable
Kunden. Schließlich stehen damit für die Zinslaufzeit die monatlichen Ausgaben
Verzinsung
für Zins und Tilgung fest. Und auch gesamtwirtschaftlich gibt es einen wesentlichen Vorteil: Wie eine Untersuchung von Jäger und Voigtländer (2006) zeigt, hat
die Wahl der Zinsbindung auch Rückwirkungen auf den Immobilienmarkt. In Ländern mit überwiegend festverzinslichen Darlehen reagieren die Immobilienpreise
deutlich schwächer auf Zinsveränderungen als in Ländern mit überwiegend variablen Immobilienfinanzierungen. Haushalte mit bestehenden Hypothekendarlehen sind schließlich nur am Ende der Zinsbindungsfrist von der Zinsänderung
betroffen. Für andere Haushalte gilt, dass die Zinsen für Hypothekendarlehen mit
festen Zinssätzen maßgeblich durch die langfristigen Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer bestimmt werden und kurzfristige Zinsänderungen daher nur
eine untergeordnete Rolle spielen. Außerdem kann die Entscheidung für ein festverzinsliches Hypothekendarlehen nur zu größeren Kosten revidiert werden,
sodass die Haushalte generell die Entscheidung zur Hypothekenaufnahme nur
zögerlich treffen – was wiederum für eine geringere Reaktion auf kurzfristige Zinsänderungen spricht. Dominieren hingegen variable Zinsen, sind die Haushalte mit
Hypothekendarlehen direkt betroffen. Bei steigenden Zinsen erhöht sich ihre
76
monatliche Belastung, bei fallenden Zinsen werden sie entlastet. Da Hypothekendarlehen für Haushalte stark verbreitet sind, wirken sich diese Veränderungen auf
die Immobiliennachfrage signifikant aus. Eine Dominanz langfristiger Zinsen
reduziert damit die Volatilität des Immobilienmarktes, was ihn weniger anfällig
für ausgeprägte Zyklen und spekulative Blasen macht. So ist die Volatilität des
deutschen Immobilienmarktes über die vergangenen 30 Jahre nur etwa halb so
groß wie in Großbritannien und Spanien, wo variable Darlehen dominieren.
Vorfälligkeits-
Wenn ein Darlehen mit Zinsfestschreibung unvorhergesehen früher zurück-
entschädigung
gezahlt (abgelöst) werden soll, etwa weil der Kreditnehmer geerbt hat, kann die
Bank ein so genanntes Vorfälligkeitsentgelt verlangen. Das Vorfälligkeitsentgelt
dient dazu, den zukünftigen Gewinn der Bank und deren entstandene Kosten zu
berücksichtigen. Wenn der Zinssatz seit Vertragsabschluss gefallen ist, kann die
Bank die zurückgezahlten Mittel nur zu für sie ungünstigeren Konditionen neu
verleihen. Da sie durch die Kündigung des Kreditvertrages keinen Schaden haben
soll, darf sie den Gegenwartswert des entgangenen Zinsvorteils dem Kunden in
Rechnung stellen. Je größer nun die Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz
und dem Marktzins ausfällt und je länger die Restlaufzeit des Darlehens ist, desto
höher fällt die Vorfälligkeitsentschädigung aus. Ist dagegen der Zinssatz seit dem
Vertragsabschluss gestiegen, muss der Kunde für die Ablösung kaum etwas
bezahlen.
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
In einigen Ländern, wie beispielsweise in Frankreich oder Belgien, wird die
Höhe des Vorfälligkeitsentgelts gesetzlich begrenzt. Dies ist jedoch für alle Kunden, also auch die, die nicht vorzeitig kündigen wollen, mit einem Zinsaufschlag
verbunden. In Dänemark gibt es sowohl Festzinsdarlehen, bei denen ein Vorfälligkeitsentgelt erhoben wird, als auch solche, bei denen hierauf verzichtet wird. Je
nach Marktlage müssen die Kunden für den Ausschluss der Vorfälligkeitsentschädigung einen Zinsaufschlag von 0,3 bis 0,8 % bezahlen. Dafür haben sie jedoch auch
die Möglichkeit, bei fallenden Zinssätzen einen günstigeren Vertrag abzuschließen. Auch in Deutschland werden solche Verträge angeboten.
In Deutschland sind Festzinsdarlehen besonders stark verbreitet. Im Jahr 2008
Festzinsdarlehen
haben die Wohneigentumserwerber in rund 70 % der Neuabschlüsse eine Zinsbindung von über fünf Jahren gewählt. Neben der hohen Bedeutung der Planungssicherheit für die deutschen Haushalte ist dies auch auf den Refinanzierungsmarkt
der Banken zurückzuführen. Noch größer ist die Dominanz des Festzinsdarlehens
bei Betrachtung der Bestandsgrößen. Bei über 96 % der ausstehenden Hypothekendarlehen beträgt die anfängliche Zinsbindung über fünf Jahre. Dies spricht
dafür, dass Kredite mit einer kurzen Zinsbindung, insbesondere mit Festlegungen
unter einem Jahr, schon nach kurzer Zeit wieder abgelöst werden. Diese Kredite
77
werden auch als variable Darlehen bezeichnet.
Im Ausland sind dagegen variable Darlehen weit stärker verbreitet. In Großbri-
Variable Darlehen
tannien, Spanien und Australien liegt der Anteil der Darlehen mit einer Zinsbindung von unter fünf Jahren bei rund 95 % aller Immobilienfinanzierungen.
Ein Grund für die unterschiedliche Verbreitung kurzer Zinsbindungen liegt in
unterschiedlichen Verhaltensweisen auf den einzelnen Märkten. Die Deutschen
neigen dazu, sich nur ein einziges Mal im Leben eine Immobilie zu kaufen, in der
sie dann bis ans Ende ihres Lebens wohnen wollen. Die Briten dagegen sind daran
gewöhnt, ihre Häuser und Wohnungen immer wieder zu verkaufen und neue zu
kaufen. Deshalb müssen sie auch finanziell beweglich bleiben und entscheiden
sich meist für Hypothekendarlehen mit kurzen Zinsbindungen. Wesentlich für
diese unterschiedlichen Verhaltensweisen ist der Mietwohnungsmarkt. Während
deutschen Haushalten ein sehr großes Mietwohnungsangebot zur Verfügung
steht, ist der Mietwohnungsmarkt in Großbritannien und Spanien durch starke
regulative Eingriffe, vor allem im Hinblick auf die Miethöhe, kaum relevant (Voigtländer, 2006). Daher sind die Privathaushalte in diesen Ländern praktisch
gezwungen, den Zugang zur Wohnungsnutzung über den Eigentumserwerb zu
realisieren.
Ursachen unterschiedlicher Zinsbindungen
Kapitel 4
Cap-Darlehen
Immobilien- und Kapitalmarkt
In den letzten Jahren versuchen die Anbieter von Immobilienfinanzierungen
zunehmend neue Produkte aufzulegen, die die Vorteile von festen und variablen
Darlehen zusammenführen sollen. So werden so genannte Cap-Darlehen angeboten: Das sind variable Darlehen, bei denen der Zinssatz alle drei oder sechs
Monate angepasst wird – aber mit einer Zinshöchstgrenze. Beispielsweise wird
vertraglich festgelegt, dass der Zins die 6 %-Marke niemals überschreiten wird.
Sondertilgungen
Bei langen Zinsbindungen werden immer häufiger auch Sondertilgungsrechte
gewährt. Durch die Möglichkeit, 5 bis 10 % des Kreditbetrages pro Jahr tilgen zu
dürfen, gewinnen die Kunden an Flexibilität. In der Regel sind Hypothekendarlehen mit derartigen Optionen jedoch etwas teurer als vergleichbare Kredite ohne
Sondertilgungsmöglichkeiten.
Unterschiedliche
Neben der Zinsbindung kann auch die Tilgung sehr unterschiedlich gestaltet
Gestaltung der Tilgung
werden. Üblich ist beispielsweise eine Anfangstilgung von 1 % des Kreditbetrages.
Hieraus lässt sich dann die monatliche Belastung ausrechnen. Beträgt der Zinssatz
beispielsweise 5 % und die Anfangstilgung 1 %, so müssen bei einem Kreditbetrag
von 100 000 € jährlich 6 000 € bzw. monatlich 500 € an die Bank gezahlt werden.
Bleibt dieser Betrag konstant, spricht man von einer Annuität (Jahreszahlung von
Zinsen und Tilgung) oder auch einem Annuitätendarlehen. Es ist derzeit die
78
gebräuchlichste Form der Darlehensrückzahlung. Da die monatliche Belastung bei
sinkender Restschuld gleich bleibt, wird beim Annuitätendarlehen im Zeitablauf
ein immer größeres Stück des Darlehens getilgt. Würde der Tilgungssatz konstant
gehalten, würde mit der Zeit die monatliche Belastung kleiner werden. Eine solche
Vereinbarung ist in der Praxis aber selten. Im Regelfall wird eine Annuität vereinbart.
Konsequenzen
Die Wahl des Tilgungssatzes hat nicht nur Auswirkungen auf die monatliche
Belastung, sondern auch auf die Laufzeit des Kreditvertrages. Die Rechnung
scheint trivial zu sein: Je höher der Tilgungssatz, desto schneller ist der Kredit abgetragen. Nicht ganz so trivial sind die Auswirkungen: Während man bei einem Zinssatz von 4,5 % und einer Anfangstilgung von 1 % insgesamt 38 Jahre benötigt, um
sein Haus abzuzahlen, sind es bei einer Anfangstilgung von 2 % nur etwas über
26 Jahre.
Außerdem gilt: Je höher der Zins, desto schneller wird der Kredit abgetragen –
aus einem einfachen Grund: Die Gesamtbelastung für den Schuldner ist zwar
größer, weil er sich bei hohen Zinsen durch die Tilgung aber stärker entlastet als
bei niedrigen Zinsen, ist er mit der Rückzahlung früher fertig.
Immobilien- und Kapitalmarkt
Auch im Bereich der Tilgung gibt es zunehmend flexiblere Lösungen. Neben
Kapitel 4
Flexible Lösungen
den schon erwähnten Sondertilgungsmöglichkeiten bieten viele Banken auch die
Möglichkeit an, den Tilgungssatz während der Zinsbindungsphase zu verändern.
In anderen Ländern sind auch „Negative-amortization“-Darlehen oder „Interest-option“-Darlehen üblich. Beim Negative-amortization-Darlehen können die
Haushalte in den ersten Jahren einen Kapitaldienst leisten, der geringer als die
Zinskosten ist, wodurch weitere Schulden aufgebaut werden oder bei denen jährlich entschieden werden kann, ob getilgt wird. Allerdings waren die Negativeamortization-Darlehen einer der Gründe für die Entstehung der so genannten Subprime-Krise (vgl. Abschnitt 4.4.4). Generell droht bei Darlehen ohne Tilgung häufig
die Überschuldung, wenn Hauspreise fallen.
Schließlich ist auch der Beleihungsauslauf eine wichtige Stellgröße. Der Beleihungsauslauf gibt an, in welchem Verhältnis Fremdkapital und Beleihungswert
Beleihungsauslauf und
Eigenkapitaleinsatz
zueinander stehen. In Deutschland sind Beleihungsausläufe zwischen 60 und 80 %
normal, d. h., die Haushalte müssen 20 bis 40 % des Hauskaufs durch Eigenkapital
finanzieren. In anderen Ländern sind allerdings auch Beleihungsausläufe von
100 % und mehr nicht unüblich. Insbesondere wenn Schuldzinsen steuerlich
abzugsfähig sind, wie etwa in den USA und den Niederlanden, gewähren die
Banken auch höhere Beleihungsausläufe. Insgesamt sind die Beleihungsausläufe
weltweit und bei allen Formen von Immobilienfinanzierungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Insbesondere Beteiligungsgesellschaften haben die niedrigen Zinsen der Vergangenheit genutzt, um über einen hohen Fremdkapitaleinsatz den Investitionsgewinn auf ein entsprechendes kleines Eigenkapital zu konzentrieren. So waren Eigenkapitalrenditen von 25 % und mehr nicht unüblich. Wie
die Finanzmarktkrise jedoch zeigte, stieg hiermit auch das Risiko. Der Internationale Währungsfonds geht für die nächsten Jahre daher davon aus, dass ein Prozess
des „De-Leveraging“ einsetzt, d. h. also, dass bei allen Investitionen wieder mehr
Eigenkapital verlangt wird. Bei der deutschen Baufinanzierung ist jedoch aufgrund
des ohnehin schon höheren Eigenkapitaleinsatzes und des hohen Wettbewerbsdrucks mit keiner gravierenden Veränderung zu rechnen. Dadurch wird deutlich,
dass ein hoher Eigenkapitalanteil bei der Finanzierung ein Immobilien-Investment
auch krisensicherer macht, weil er als „Stoßdämpfer" wirkt.
79
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
4.4.3
Refinanzierung von Immobilienfinanzierungen
Refinanzierung über
In früheren Zeiten haben die Banken die Immobilienkredite fast ausschließlich mit
Kundeneinlagen oder
den Einlagen ihrer Kunden finanziert. Dies ist auch heute noch gebräuchlich, wird
den Kapitalmarkt
aber, je nach Bank, ergänzt oder vollständig ersetzt durch eine Finanzierung über
den Kapitalmarkt. Die Banken können dies über verschiedene Formen von
Anleihen und Schuldverschreibungen oder auch durch den vollständigen Verkauf
der Forderungen aus den Darlehen realisieren. Typisch und spezifisch für den
deutschen Markt ist jedoch die Finanzierung über Pfandbriefe.
Pfandbrief wichtiges
Pfandbriefe können auf eine beeindruckende Historie zurückblicken. Schließ-
Refinanzierungs-
lich wurden die ersten Pfandbriefe von Friedrich dem Großen im Jahr 1769 initiiert.
instrument
Detailliert geregelt sind die Anforderungen an den Pfandbrief und die emittierenden Institute im Pfandbriefgesetz. Finanzinstitute, die Pfandbriefe emittieren
möchten, müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, um die hierfür erforderliche Lizenz zu erhalten. So müssen sie z. B. über ein geeignetes Risikomanagement verfügen, und das Kernkapital muss mindestens 25 Millionen € betragen (vgl.
Hagen, 2007). Die Pfandbriefe werden von den Kreditgebern emittiert und sichern
den Investoren die Rückflüsse (Tilgungs- und Zinszahlungen) aus den Hypothekendarlehen zu. Die Ansprüche der Pfandbriefinhaber werden dabei sowohl durch
80
die Grundstücke und Immobilien als auch durch die Rückflüsse aus den Immobilienkrediten gesichert. Eine wichtige Regelung betrifft den Beleihungsauslauf der
Darlehen. Von den gewährten Hypothekendarlehen können nur bis zu 60 % des
Beleihungswertes als Deckungsmasse für Pfandbriefe eingebracht werden, wodurch die Ausfallwahrscheinlichkeiten sehr gering sind.
Vorteile des Pfandbriefes:
Der Pfandbrief bietet den Investoren, also den Käufern der Wertpapiere, einige
transparent, liquide,
wichtige Vorteile. So verfügt der Markt aufgrund der gesetzlichen Vorgaben über
sicher
ein hohes Maß an Transparenz. Während bei anderen Refinanzierungsformen die
Konditionen häufig bilateral zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt werden,
stehen hinter den Pfandbriefen gesetzliche Vorgaben. Nichtsdestotrotz sind
jedoch flexible Lösungen, beispielsweise hinsichtlich des Emissionsvolumens,
möglich. Darüber hinaus weist der Markt eine hohe Liquidität auf. Damit ist
gemeint, dass Investoren die Wertpapiere gegebenenfalls auch weiterverkaufen
können. Diese Option ist insbesondere für institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds wichtig, da sie flexibel bleiben möchten. Vor allem
durch die Einführung von Jumbo-Pfandbriefen, also Pfandbriefen mit einem Emissionsvolumen von mindestens 1 Milliarde €, ist die Liquidität des Marktes weiter
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
gesteigert worden. Diese großvolumigen Pfandbriefe sind vor allem für ausländische Investoren von großem Interesse (vgl. Winkler, 2006). Ein dritter entscheidender Vorteil der Pfandbriefe ist ihre Sicherheit. Bislang ist noch kein Pfandbrief
in Deutschland ausgefallen. Dies hängt vor allem mit der Qualität der Deckungsmasse zusammen. Wie bereits erwähnt, dürfen nur Hypothekendarlehen bis zu
einem Beleihungswert von 60 % in den Deckungsstock eingehen. Darüber hinaus
gibt es Beschränkungen hinsichtlich der Länder, in denen Darlehen vergeben
werden. In diesem Zusammenhang ist die Beleihungswertermittlung von großer
Bedeutung. Der Beleihungswert wird grundsätzlich so bestimmt, dass der Marktwert der Immobilie auch in konjunkturell schlechten Zeiten den Beleihungswert
nicht unterschreitet (Abbildung 10). Die angemessene Ermittlung der Beleihungswerte stellt damit einen wichtigen Baustein zur Gewährleistung der Qualität der
Pfandbriefe dar. Aufgrund der hohen Sicherheitsstandards und der hohen Liquidität des Marktes geben sich die Investoren im Vergleich zu anderen Anleihen mit
relativ geringen Renditen zufrieden. Damit können sich auf der anderen Seite die
Finanzinstitute günstig über Pfandbriefe refinanzieren.
Beleihungswert und Marktwert im Vergleich
81
Wertermittlung einer exemplarischen Immobilie
Wert
Marktwert im
Marktzyklus
Beleihungswert
60 %-Grenze
Zeit
Quelle: Reif (2006)
Abb. 10: Beleihungswert und Marktwert im Vergleich
Vorteile bietet der Pfandbrief nicht nur den Marktpartnern, sondern auch der
Gesamtwirtschaftlicher
Gesamtwirtschaft. Die Refinanzierungsbedingungen spiegeln sich häufig in den
Einfluss des Pfandbriefs
Konditionen für private und gewerbliche Finanzierungen wieder. Letztlich stellen
die Banken nur das Bindeglied zwischen dem Kapitalmarkt und den privaten
Haushalten und Unternehmen dar. Durch die hohen Sicherheitsstandards und die
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
typischerweise langen Zinsfestschreibungen des Pfandbriefs folgen auch die Hypothekendarlehen diesen Vorgaben. Hier wirken zwei Mechanismen: Wie erwähnt
reduziert insbesondere die Festzinskultur in der deutschen Immobilienfinanzierung die Volatilität des Immobilienmarktes, da die Immobilienpreise weniger stark
auf Zinsveränderungen reagieren. Da durch einen Pfandbrief immer nur ein Teil
des Immobiliendarlehens refinanziert werden kann, sind höhere Eigenkapitalanteile erforderlich als andernorts und werden Darlehen umso teurer, je weiter sich
der Marktpreis vom Beleihungswert entfernt. Da der Immobilienmarkt wiederum
Rückwirkungen auf die Gesamtwirtschaft hat, moderiert der Pfandbrief damit
letztlich auch den Konjunkturzyklus.
Aufgrund dieser Eigenschaften gewinnt der Pfandbrief auch international weiter an Bedeutung. Neben Deutschland verfügen vor allem Frankreich und Dänemark über größere pfandbriefähnliche Märkte.
Mortgage Backed
Die Besonderheiten des Pfandbriefs werden auch deutlich, wenn man ihn von
Securities
Mortgage Backed Securities (MBS; mortgage backed = hypothekarisch gesichert)
abgrenzt, die vor allem im angelsächsischen Raum gebräuchlich sind.
Im Gegensatz zu den Pfandbriefen werden bei MBS die Forderungen am Kapitalmarkt verkauft. Hierfür stehen den Marktteilnehmern verschiedene Formen zur
82
Verfügung, die unter dem Begriff der Verbriefung subsumiert werden. Die Verbriefung erlaubt den Banken, die Risiken an andere Investoren weiterzugeben. Außerdem müssen die Kredite, anders als bei Pfandbriefen, nicht mehr mit Eigenkapital
unterlegt werden, was die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken erhöht (vgl.
Jäger, 2006). Auch gibt es die 60%ige Beleihungsgrenze nicht.
Bei MBS verkauft eine Bank ihre Forderungen aus den Hypothekendarlehen an
eine Zweckgesellschaft, die oftmals eine Tochtergesellschaft der Bank ist. In dieser
Zweckgesellschaft werden die verschiedenen Forderungen gebündelt und anschließend nach dem Risiko tranchiert. Typischerweise werden dabei mehrere
Tranchen aufgelegt. Die erste Tranche gilt dabei als am sichersten, weil alle Zahlungseingänge aus den Kreditverträgen zunächst zur Bedienung dieser Tranche
verwendet werden. Die letzte Tranche, die so genannte Equity Tranche, weist hingegen das höchste Ausfallrisiko auf. Oftmals verbleibt diese Tranche bei der Bank,
um sicherzustellen, dass die Bank nicht leichtfertig Kredite vergibt und sie die Kredite auch nach dem Verkauf weiter beobachtet. Die Erfahrungen aus der Subprime-Krise haben jedoch gezeigt, dass viele Banken auch die Equity Tranche verkaufen konnten. Auf der Basis dieser Tranchen emittiert die Zweckgesellschaft
MBS und verkauft sie an Investoren. Dabei erhalten die Käufer von MBS der ersten
Tranche die geringste Verzinsung, MBS auf der Basis der letzten Tranche bieten
dagegen wegen des größeren Ausfallrisikos die höchste Verzinsung.
Immobilien- und Kapitalmarkt
MBS sind im Gegensatz zu Pfandbriefen nicht standardisiert. Die Konditionen
Kapitel 4
Keine Standardisierung
werden direkt zwischen den Käufern und den Emittenten ausgehandelt, wobei
Vertragswerke von 400 Seiten keine Ausnahme darstellen. Damit ist der Markt insgesamt wenig transparent. Aufgrund des hohen Aufwands, der mit der Emission
von MBS verbunden ist, sind MBS umso lohnender, je größer die dahinter stehende
Kreditsumme ist. Beliebt sind daher auch MBS auf der Basis von Gewerbeimmobilienfinanzierungen, die dann als CMBS (Commercial Mortgage Backed Securities)
bezeichnet werden. In Deutschland sind MBS noch wenig gebräuchlich, in den
USA und Großbritannien sind sie dagegen weit verbreitet.
4.4.4
Subprime-Krise
Im Licht der jüngeren Entwicklungen auf den Finanzmärkten erscheinen die Vor-
Auslöser der
teile der Verbriefung rein akademischer Natur zu sein. Während der so genannten
Subprime-Krise
Subprime-Krise mussten die Banken weltweit milliardenschwere Abschreibungen
auf ihre Verbriefungsprodukte vornehmen, und der Weltwirtschaft drohte eine
Rezession oder zumindest eine ernsthafte Wachstumsdelle. Auslöser dieser Entwicklung waren Verwerfungen auf dem US-Hypothekenmarkt und auf dem Markt
für Asset Backed Securities (vgl. Jäger und Voigtländer, 2008).
Den Ausgangspunkt für die Finanzmarktkrise stellte die Wohnimmobilien-
Immobilien-
preisentwicklung in den USA seit etwa dem Jahr 2000 dar. Im Zeitraum Januar
preis- und
2000 bis Januar 2007 stiegen die Immobilienpreise in den USA nach Angaben des
Zinsentwicklung
Office of Federal Housing Enterprise Oversight (OFHEO) um insgesamt 76 %.
Dieser Immobilienpreisboom fußte unter anderem auf einem deutlichen Zuwachs
der Beschäftigung und einem starken Wachstum der verfügbaren Einkommen.
Vor allem aber wurde die Nachfrage nach Wohnimmobilien durch das niedrige
Zinsniveau angeregt. Im Zeitraum August 2001 bis August 2004 sanken die Zinsen
für variable Hypothekendarlehen nach Angaben der Mortgage Bankers Association um 4 %. Auch die Zinssätze für langfristige Hypothekendarlehen mit 30-jähriger Zinsbindung fielen in diesem Zeitraum um 2,2 %. Mitverantwortlich für die
niedrigen Zinssätze auf dem US-Hypothekenmarkt war die Geldpolitik in den USA:
Vor dem Hintergrund des Absturzes der New Economy im Jahr 2001 senkte die
Federal Reserve zur Vermeidung einer Rezession die Leitzinsen deutlich. Diese
Strategie der Federal Reserve ist umstritten. Auf der einen Seite konnte durch die
Versorgung der Märkte mit Liquidität zu einem niedrigen Zinssatz der Abschwung
in den USA gelindert werden, ohne zumindest kurzfristig zu stark vom Ziel der
Geldwertstabilität abzuweichen. Auf der anderen Seite schlug sich offenbar die
übermäßige Liquiditätsversorgung zu geringen Zinssätzen in einer Vermögenspreisinflation nieder.
83
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Suche nach höherer
Für den Kapitalmarkt bedeutete das niedrige Zinsniveau sehr niedrige Margen
Rendite
im Anleihemarkt. Vor allem institutionelle Anleger wie Banken, Pensionsfonds
oder Lebensversicherungen wurden hierdurch vor Probleme gestellt, weil sie aufgrund von Portfolio-Erwägungen einen größeren Anteil ihrer Mittel im Anleihemarkt platzieren mussten. Daher gab es eine größere Nachfrage nach Verbriefungsprodukten wie Mortgage Backed Securities (MBS), Collateral Debt Obligations (CDO) oder allgemein Asset Backed Securities (ABS), die zwar mit einem
gewissen Ausfallrisiko verbunden waren, dafür aber auch höhere Renditen als
Staatspapiere oder auch Pfandbriefe versprachen. Zudem galten diese Papiere aufgrund der Rückgriffsmöglichkeit auf die zugrunde liegenden Vermögenswerte als
relativ sicher. Gerade US-amerikanische MBS waren gefragt, da aufgrund der
starken Preiszuwächse im US-Immobilienmarkt die Erwartung vorherrschte, dass
selbst im Fall von Ausfällen die Zahlungszuflüsse über die Erlöse aus den Zwangsversteigerungen sichergestellt werden könnten. Es ist zu berücksichtigen, dass im
Verbriefungsmarkt in erheblicher Weise Skaleneffekte vorliegen; da die Fixkosten
für Verbriefungen recht hoch sind, die Margen je Forderungseinheit dagegen
gering, lohnen sich Verbriefungstransaktionen nur in einem großen Maßstab. Tatsächlich konnte die Nachfrage nach MBS auch weitestgehend befriedigt werden.
84
Im Zeitraum 2000 bis 2006 gab es zwischenzeitlich fast eine Vervierfachung des
Marktes für US-amerikanische MBS, die mit der Geldpolitik der Federal Reserve
negativ korrelierte (Abbildung 11).
9
3 000
8
7
2 500
6
2 000
5
1 500
4
3
1 000
2
2007
2006
2004
2005
2003
2001
2002
2000
1999
1997
1998
1996
1994
1995
0
1993
1
0
1991
500
1992
Emission von
MBS in Milliarden
US-Dollar
(linke Achse)
3 500
1990
Federal FundsRate im Jahresdurchschnitt
in Prozent
(rechte Achse)
in Mrd. US-Dollar
Emission von Mortgage Backed Securities (MBS) in Milliarden
US-Dollar und US-Leitzins in %
Quelle: Federal Reserve Bank, SIFMA
Abb. 11: Emission von Mortgage Backed Securities (MBS) in Milliarden US-Dollar und US-Leitzins in %
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
Möglich war dieser Anstieg, weil im Retail-Geschäft der Banken neue Kunden
Aufweichung der
gefunden wurden (Voigtländer, 2008). Schließlich stieg durch das niedrige Zins-
Bonitätsstandards
niveau bei den Privatkunden das Interesse an Hypothekendarlehen. Vom Kapitalmarkt wurde aber nur unzureichend berücksichtigt, dass die Ausweitung des
Hypothekengeschäfts letztlich nicht mit einer Beibehaltung der bisherigen durchschnittlichen Bonitätsstandards möglich war. Im US-amerikanischen Hypothekenmarkt untergliedert man die Hypotheken in die Kategorien Prime, Alt-A
und Subprime. Bei entsprechender Bonität der Kunden – gemessen an einem Scoring-Modell, einem Beleihungsauslauf von weniger als 85 % des Immobilienwertes
und einem Anteil der Zins- und Tilgungszahlungen von unter 55 % des verfügbaren
Einkommens – erhalten die Kunden so genannte Prime-Darlehen, die in der Regel
die günstigsten Konditionen versprechen. Gemessen an deutschen Standards, wo
die Beleihungsausläufe oftmals auf 80 % beschränkt sind und das Verhältnis von
Finanzierungskosten zum verfügbaren Einkommen eher bei 30 % liegen sollte,
sind diese Standards schon sehr weit gefasst. Wer diese Kriterien nicht erfüllen
kann, erhält so genannte Subprime-Darlehen, die aufgrund der höheren Risiken
mit einem Zinsaufschlag versehen sind. Dazwischen gibt es noch den Graubereich
der Alt-A-Darlehen, die besonders dann Anwendung finden, wenn die Kunden nur
85
ein Kriterium nicht erfüllen und vor allem keine vollständigen Dokumente (Wertgutachten, Einkommensnachweise oder Kreditvergangenheit) vorlegen können.
Darüber hinaus werden über die Federal Housing Association (FHA) und das
Department of Veterans Affairs (VA) auch Hypothekendarlehen für sozial schwache Haushalte und Veteranen vergeben. Wie Abbildung 12 verdeutlicht, wuchs bis
zum Jahr 2006 vor allem der Bereich der Subprime-Darlehen und der Alt-A-Darlehen. Lag das neu ausgegebene Kreditvolumen im Subprime-Bereich im Jahr 2001
noch bei 216 Milliarden US-Dollar, so waren es im Jahr 2006 bereits 600 Milliarden
US-Dollar. Im Alt-A-Bereich stieg das neu ausgegebene Kreditvolumen von 68 auf
400 Milliarden US-Dollar an. Das Kreditvolumen der Prime-Darlehen ging dagegen im Zeitraum 2001 bis 2006 um 460 Milliarden US-Dollar zurück.
Ausweitung der
Subprime-Darlehen
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
Neu ausgegebene Hypothekendarlehen in den USA
nach Kreditstandards1 in Milliarden US-Dollar
4 500
4 000
FHA/VA
Home Equity
Alt-A
Subprime
Total Prime
in Mrd. US-Dollar
3 500
3 000
2 500
2 000
1 500
1 000
500
0
2001
1
86
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Total Prime: hohe Bonitätsanforderungen;
Subprime: geringe Bonitätsanforderungen;
Alt-A: mittlere Bonitätsanforderungen;
Home Equity: Aufstockung bereits bestehender Hypothekendarlehen;
FHA/VA: Hypothekendarlehen aus Programmen für sozial Schwache oder Veteranen
Quelle: Joint Center for Housing Studies of Harvard University (2008)
Abb. 12: Neu ausgegebene Hypothekendarlehen in den USA nach Kreditstandards1
in Milliarden US-Dollar
Zinsänderungs-
In dem Umfeld niedriger Zinssätze fielen die Zinsaufschläge für die Kunden von
risiken
Subprime-Darlehen weniger stark ins Gewicht. Darüber hinaus hatten die Banken
und Kreditvermittler diesen Bereich des Marktes besonders stark beworben, weil
hier für die Vermittler höhere Provisionen zu erzielen waren. Mit anfänglichen
Zinsrabatten, Tilgungsaussetzungen oder sogar der Möglichkeit, weitere Schulden
aufzubauen („negative amortization options“), wurden neue Kundenschichten
gelockt. US-Studien zeigen, dass besonders in jenen Städten neue Kreditverträge
vergeben wurden, in denen in den Jahren zuvor sehr viele Anträge abgelehnt
wurden. Dabei wurde auch ausgeschlossen, dass dieser Anstieg durch eine bessere
wirtschaftliche Entwicklung hätte erklärt werden können. Dass hierbei die Kunden
stets sorgsam über die Zinsrisiken informiert worden sind, darf bezweifelt werden.
Bemerkenswert ist vor allem, dass der Anteil der Subprime-Darlehen mit variablen
Darlehen sehr hoch ist. Während im Gesamtmarkt etwa ein Viertel bis ein Drittel
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
der Darlehensnehmer variable Hypothekendarlehen abschließen, liegt die Quote
im Subprime-Bereich zwischen 50 und 70 % (vgl. Kiff und Mills, 2007). Vor allem
Haushalte mit ohnehin schlechterer Bonität und hohen Belastungen wurden dem
Zinsrisiko ausgesetzt.
Seit Mitte des Jahres 2004 sind die Zinssätze aufgrund einer restriktiveren Geldpolitik des Federal Reserve Board wieder gestiegen. Für variable Prime-Darlehen
Zinsanstieg und
die Konsequenzen
stieg der Zinssatz innerhalb von zwei Jahren um etwa 2 %. Für die Subprime-Darlehensnehmer kam neben diesem Zinsanstieg hinzu, dass die anfängliche oftmals
zweijährige und subventionierte Zinsbindung in diesem Zeitraum endete, wodurch die Belastung häufig um 3 % und mehr anstieg. Geradezu zwangsläufig
nahm die Rate der Zahlungsausfälle deutlich zu.
Besonders betroffen waren die Kreditnehmer von variablen Subprime-Darlehen. Auch bei anderen Darlehenstypen gab es einen Anstieg der Zahlungsrückstände, der jedoch insgesamt weniger stark ausfiel. Da die Subprime-Darlehen
überwiegend durch den Kapitalmarkt mittels MBS finanziert wurden, trafen die
Ausfälle Banken weltweit. Gleichzeitig stiegen die Immobilienpreise in den USA
nicht mehr, sondern fielen sogar um über 15 %. Da bei einer Zwangsvollstreckung
durchschnittlich Abschläge von 25 % auf den Immobilienwert vorgenommen
87
wurden, kumulierten sich so die Verluste für die Inhaber der MBS.
Die Ausweitung des Hypothekenmarktes auf bonitätsschwache Kunden wurde
Ursachen
letztlich von der Nachfrage nach rentierlichen Anleihen und niedrigen Zinssätzen
der Krise:
ermöglicht. Dennoch ist es erstaunlich, dass viele Banken, deren Geschäft die
Renditejagd
Risikoidentifizierung und Risikostreuung ist, von der Entwicklung im Hypothekenmarkt überrascht worden sind. Dies kann vor allem auf die beiden folgenden
Gründe zurückgeführt werden:
쐍 1. Fehlanreize infolge der Intransparenz der Verbriefung
Im Gegensatz zu Prime-Darlehen sind Subprime-Kontrakte wesentlich heterogener, sodass darauf fußende MBS nur schwerlich zu standardisierten Konditionen, beispielsweise an Börsen, gehandelt werden können. Darüber hinaus
war eine Vielzahl von Instituten in den Markt getreten, die allesamt unterschiedliche Ausgestaltungen der MBS gewählt und mitunter bestehende MBS
mit anderen Formen von Asset Backed Securities zu neuen Produkten gebündelt hatten. Dies erhöhte die Unübersichtlichkeit des Marktes weiter. Hinzu
kam, dass in Zeiten hoher Liquiditätsüberschüsse die Finanzintermediäre
offensichtlich die gewohnte Sorgfalt angesichts scheinbar rentierlicher Anlagen
verloren hatten. Nicht auszuschließen ist, dass die Anbieter der MBS die
Intransparenz
Kapitel 4
Immobilien- und Kapitalmarkt
undurchsichtige Informationslage zu ihrem Vorteil ausnutzten. So sind zumindest einige Fälle bekannt, in denen ohne das Wissen der Käufer Forderungen
für bereits nachverhandelte und kurz vor der Zwangsvollstreckung stehende
Darlehensverträge verkauft wurden. Durch den Risikotransfer weg von den Originatoren zu außenstehenden Investoren entstanden also Anreizprobleme. Die
Originatoren sparten bei den Krediten, die sie verbriefen konnten, an der sonst
angewandten Sorgfalt. Die Investoren ihrerseits erkannten die Anreizproblematik wegen der Intransparenz der Produkte entweder nicht oder nahmen sie
billigend in Kauf. Letzteres möglicherweise, weil sie die künftige Hauspreisentwicklung als zu günstig eingeschätzt hatten. In vielen Fällen lagen auch Anreizund Aufsichtsprobleme (Prinzipal-Agenten-Probleme) bei den Investoren vor,
sodass sich die, die letztlich das Risiko trugen, der Problematik unzureichend
bewusst waren.
Unzureichende
Marktbeobachtung
쐍 2. Unzureichende Marktbeobachtung
Nicht nur die beteiligten Finanzintermediäre, sondern auch die Rating-Agenturen übersahen die Risiken. Die Aufgabe der Ratingagenturen besteht in der
Identifizierung von Risiken in Wertpapierportfolios. Im Fall der Subprime-MBS
wurden jedoch die Ausfallwahrscheinlichkeiten unterschätzt und die Wert-
88
papiere als zu sicher eingestuft. Offensichtlich wurde der Anstieg des Subprime-Marktes und dabei vor allem die zunehmend laxere Kreditvergabe in
diesem Sektor nicht richtig eingeschätzt.
Informations-
Im Kern wurde diese Finanzmarktkrise – wie auch vorhergehende – durch ein
probleme
Informationsproblem ausgelöst. Aufgrund der Komplexität der Verträge und der
Heterogenität der Produkte lag zwischen den Käufern und Verkäufern der Verbriefungsprodukte eine Informationsasymmetrie vor. Schließlich dürften auch die
Kreditvermittler und die Käufer der Forderungen über ungleiche Informationen
verfügt haben. Dieses Informationsproblem hat Fehlanreize induziert, die letztlich
zu den Verwerfungen an den Finanzmärkten führten. Im April 2009 schätzte der
Internationale Währungsfonds (2009) die Verluste für die Finanzinstitutionen aus
der Finanzkrise auf über 3 Billionen USD. Diese Verluste fußen nur zum Teil direkt
aus dem Subprime-Markt. Wie sich zeigte, haben nicht nur die privaten Haushalte
in den USA, sondern auch die Banken mit zu wenig Eigenkapital operiert. Hierdurch konnten sie Ausfälle nur bedingt verkraften. Zudem ist zu beachten, dass die
Banken untereinander über gegenseitige Kredite eng verknüpft sind. Die Insolvenz
Immobilien- und Kapitalmarkt
Kapitel 4
der Investment Bank Lehman Brothers, die sich nicht zuletzt mit Verbriefungen
verspekuliert hatte, löste daher einen Domino-Effekt aus, von dem sich die Finanzwirtschaft und auch die Realwirtschaft nur langsam erholen. Weltweit lösten die
Turbulenzen an den Finanzmärkten schwere wirtschaftliche Einbrüche aus, was
die besondere Bedeutung der Banken für die Funktionsfähigkeit der Volkswirtschaft unterstreicht.
Die Finanzmarktkrise dürfte den Refinanzierungsmarkt der Banken noch einige Jahre beeinträchtigen. Gestärkt aus der Krise könnten Pfandbriefe und andere
standardisierte Verbriefungsprodukte hervorgehen, deren Risiken bei den Originatoren bleiben. Darüber hinaus haben jedoch auch MBS weiterhin eine Chance,
sofern die Transparenzstandards erhöht und die Produkte insgesamt einfacher
werden.
89
Kapitel 5
5
90
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Zinsen, Geldpolitik und
Immobilienmarkt
Wohnausgaben
Die Entwicklung der Mieten und Immobilienpreise wird nicht nur von privaten
bedeutender
Haushalten verfolgt, die ihre Wohnsituation ändern oder investieren möchten,
Faktor
sondern zunehmend auch von den Zentralbanken. Schließlich stellen die Wohn-
des Konsums
ausgaben einen bedeutenden Faktor der Konsumausgaben dar und spielen für die
Preisentwicklung eine wichtige Rolle. Bezogen auf den harmonisierten Verbraucherpreisindex der Europäischen Union haben die Wohnausgaben ein Gewicht
von 6 %, womit sie seit 1997 mit durchschnittlich 0,1 % zur Inflation im Gebiet der
Europäischen Union beigetragen haben.
Immobilienmärkte
In den letzten Jahren ist das Interesse der Zentralbanken an den Immobilien-
und Geldpolitik
märkten jedoch über diesen direkten Effekt auf die Preissteigerungsraten hinausgegangen. Nahezu alle großen Institutionen, wie beispielsweise die Europäische
Zentralbank, die OECD, der Internationale Währungsfonds und die Europäische
Kommission, haben sich intensiv mit der Dynamik der Immobilienpreise und
deren Einflussfaktoren beschäftigt. In der Forschung und der Politik setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass Immobilienmärkte eine besondere Bedeutung
für die Transmission geldpolitischer Impulse haben. Leitzinsänderungen können
über die Immobilienpreise eine mittelbare Wirkung auf die Konjunktur einer
Volkswirtschaft haben und so gegebenenfalls Aufschwünge und Abschwünge beeinflussen oder einleiten. Eindrucksvoll wird dies durch die Finanzmarktkrise belegt, die ihren Ausgangspunkt in dem US-amerikanischen Immobilienmarkt fand.
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Auf der anderen Seite bedeutet dies jedoch auch, dass die Immobilienwirtschaft
Kapitel 5
Wechselwirkungen
sich stärker mit der Geldpolitik auseinandersetzen muss, um Preisentwicklungen
früher antizipieren zu können. Im Folgenden sollen daher die Wechselwirkungen
zwischen der Geldpolitik, der Konjunktur und den Immobilienmärkten näher
ergründet werden. Darüber hinaus wird auch das Thema Inflation fokussiert –
einmal, weil die Verhinderung der Inflation das wesentliche Ziel der Geldpolitik ist,
und weil andererseits gemeinhin davon ausgegangen wird, dass Immobilien von
Inflation profitieren. Zunächst wird jedoch die Geldpolitik kurz skizziert.
5.1
Grundzüge der Geldpolitik
Eine moderne Volkswirtschaft ist ohne Geld nicht vorstellbar. Geld stellt eine
Ziele und
wichtige Grundlage für einen funktionierenden Tauschhandel dar. Schließlich
Voraussetzungen
wäre es ungemein schwierig, Partner für Transaktionen zu finden, da in den
der Geldpolitik
wenigsten Fällen beide Seiten ein Gut einsetzen möchten, das die jeweils andere
Seite auch braucht. Darüber hinaus dient Geld als Wertaufbewahrungsmittel und
als Rechengröße, um den Wert verschiedener Güter vergleichen zu können. Damit
91
Geld diese wichtigen Funktionen jedoch wahrnehmen kann, muss die Geldwertstabilität gesichert werden. Dies ist die Aufgabe der Zentralbanken. Sie müssen mit
dem ihnen zur Verfügung stehenden Instrumentarium dafür sorgen, dass die Geldmenge nicht zu weit ausgedehnt wird. Auf der anderen Seite dürfen sie die Geldzufuhr jedoch auch nicht zu weit drosseln, da anderenfalls eine wirtschaftliche
Schrumpfung droht.
Den Zusammenhang zwischen der Geldmenge, den Preisen und der Produktion realer Güter beschreibt am besten die Quantitätsgleichung des Geldes:
Y¥P=U¥M
mit
Y:
P:
U:
M:
Handelsvolumen
Preisniveau
Umlaufgeschwindigkeit des Geldes
Geldmenge
Auf der linken Seite der Gleichung steht das mit dem Preisniveau bewertete Handelsvolumen, also der Wert der in einer Volkswirtschaft erstellten Güter und
Dienstleistungen. Auf der rechten Seite finden sich dagegen die Menge des Geldes
und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Die Umlaufgeschwindigkeit gibt an,
Quantitätsgleichung
des Geldes
Kapitel 5
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
wie oft ein Euro in einem bestimmten Zeitraum für den Kauf von Waren und
Dienstleistungen eingesetzt wird. Je häufiger das Geld eingesetzt wird, desto
größer ist damit die faktische Geldmenge. Vereinfachend wird häufig davon ausgegangen, dass die Umlaufgeschwindigkeit konstant ist. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass eine Erhöhung der Geldmenge keine direkte Auswirkung
auf die Produktion hat. Dies kann z. B. damit begründet werden, dass die Wirtschaftssubjekte die Geldmengenerhöhung antizipieren. Eine Erhöhung der Geldmenge, bei einer Konstanz der übrigen Faktoren, wird sich folglich in einer Preisniveauerhöhung niederschlagen. Geht man davon aus, dass die Wirtschaftsleistung eines Landes kontinuierlich wächst, ist es also die Aufgabe der Zentralbank,
die Geldmenge nur um so viel zu erhöhen, dass dadurch keine Inflation (Preisniveausteigerung) oder Deflation (Preisniveausenkung) ausgelöst wird. Dabei gilt allgemein die Preisniveaustabiltät bereits dann als erreicht, wenn die Inflation unter
2 % liegt.
Geldmengen-
Damit stellt sich jedoch die Frage, wie die Geldmenge gesteuert werden kann.
steuerung
Hierzu ist es hilfreich, sich die Tätigkeiten einer Bank zunächst an einem ganz einfachen Beispiel zu illustrieren. Den Ausgangspunkt soll eine Bank darstellen, die
von ihren Kunden Einlagen in Höhe von 100 Geldeinheiten erhält (vgl. Mankiw,
92
2004). Dieses Geld bleibt in den Tresoren der Bank, d. h., die Bank gewährleistet
ausschließlich die sichere Aufbewahrung des Geldes. Die Bilanz der Bank, die im
Folgenden als erste Bank bezeichnet wird, sieht damit wie folgt aus:
erste Bank
Aktiva
Reserven:
Passiva
100
Einlagen:
100
Solange die Bank die Gelder ihrer Kunden nicht verwendet, findet keine neue Geldschöpfung statt. Angenommen, sie entscheidet sich jetzt, die Einlagen dazu zu verwenden, anderen Kunden einen Kredit zu geben. Dabei behält sie 10 % der Einlagen
als Sicherheit. Diese Reserven sollen dazu dienen, eventuelle Auszahlungen der
Kunden zu bedienen. Dann stellt sich das T-Konto der ersten Bank wie folgt dar:
erste Bank
Aktiva
Reserven:
Kredite:
Passiva
100
Einlagen:
100
90
Der Kreditnehmer wird mit dem Geld eventuell ein Haus oder ein Auto bezahlen.
In jedem Fall wird er das Geld an ein anderes Wirtschaftssubjekt weitergeben. Der
Empfänger der Mittel wird seinerseits das Geld bei seiner Bank einzahlen. Auch
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Kapitel 5
diese Bank, die der Einfachheit halber zweite Bank genannt wird, kann diese Einlagen verwenden, um Kredite zu vergeben. Wählt auch sie einen Reservesatz von
10 %, stellt sich ihre Bilanz wie folgt dar:
zweite Bank
Aktiva
Passiva
Reserven:
9
Kredite:
Einlagen:
90
81
Hier wird schon deutlich, wie sich der Prozess fortsetzt. Jeder Kredit fließt, mitunter über Umwege, den Banken wieder als Einlage zu. Behält jede Bank 10 % der
Einlagen als Reserve, setzt sich die Geldschöpfung mit ständig verringerten
Werten fort. Genau genommen handelt es sich bei dem Geldschöpfungsprozess
um eine unendliche Reihe, deren Wert mit Hilfe der folgenden Formel bestimmt
werden kann:
Geldmenge =
Zusätzliche Einlagen
Reservesatz
In diesem Beispiel beträgt die Geldschöpfung insgesamt 100/0,1 = 1000 GE. Dabei
Entstehung
wird der Kehrwert des Reservesatzes als Geldschöpfungsmultiplikator bezeichnet.
einer Kredit-
Dieses einfache Beispiel zeigt, dass die Geldmenge umso größer wird, je geringer
klemme
der Reservesatz ist und desto mehr Einlagen die Kunden bei ihren Banken tätigen.
Diese Faktoren kann die Zentralbank allerdings nur unzureichend steuern. Problematisch ist die Geldschöpfung insbesondere in Krisensituationen. Ziehen die
Kunden aus Verunsicherung die Einlagen ab, und erhöhen die Banken zur Liquiditätssicherung die Reservesätze, die man in vereinfachter Weise auch als Eigenkapitalquoten interpretieren kann, wird die Geldmenge schnell reduziert, und es droht
eine Kreditklemme.
Steuern kann die Europäische Zentralbank die Geldmenge über verschiedene
Instrumente
Instrumente. Ein Instrument setzt direkt an der Reservepolitik der Banken an.
der Geldmengen-
Über die so genannte Mindestreserve kann die Zentralbank die Geschäftsbanken
steuerung
dazu zwingen, einen Teil ihrer Mittel bei der Zentralbank zu hinterlegen. Über Veränderungen des Mindestreservesatzes kann sie dann die Geldschöpfung anregen
oder aber drosseln. Dieses Instrument wird jedoch eher selten verwendet, da Veränderungen des Mindestreservesatzes die Geschäftspolitik der Banken massiv
beeinträchtigen. Vielmehr steuert die Bank die Geldmenge über Offenmarktgeschäfte. Dabei leiht sie den Geschäftsbanken im Austausch für die Überlassung
von Sicherheiten Geld. Dieses Geld hat für die Banken die gleiche Bedeutung wie
93
Kapitel 5
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
eine zusätzliche Einlage, d. h., es steht für die Kreditvergabe zur Verfügung. Da die
Transaktion jedoch befristet ist, kann die Zentralbank regelmäßig nachsteuern, je
nachdem, ob die Geldmenge zu schnell oder zu langsam steigt. Wie jede andere
Bank verlangt die Zentralbank für die Ausleihungen Zinsen. Gerade die Höhe
dieser Zinsen bestimmt den Geldmengenprozess. Schließlich geben die Banken
die Konditionen im Wettbewerb an ihre Kunden weiter. Je höher der Zinssatz
jedoch ist, desto weniger Kredite werden die Banken vergeben können.
Offenmarktpolitik
Die Europäische Zentralbank setzt fast ausschließlich auf die Offenmarktpolitik oder auch Hauptrefinanzierungsgeschäfte, wie die damit einhergehenden
Instrumente der EZB bezeichnet werden. Der große Vorteil der Offenmarktpolitik
ist die Möglichkeit, ständig nachsteuern zu können. So erhalten die Geschäftsbanken alle zwei Wochen die Möglichkeit, neues Zentralbankgeld zu erhalten.
Über die so genannte Spitzenrefinanzierungsfazilität ist sogar eine kurzfristige
Ausleihe über Nacht möglich. Bislang ist die EZB sehr erfolgreich mit ihrer Strategie. So lag die Inflationsrate zwischen 1999 und 2007 durchschnittlich bei 2,1 %,
was in etwa dem Ziel der EZB entspricht. Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei
der Sicherstellung der Geldwertstabilität ist neben der reinen Technik auch die
Glaubwürdigkeit einer Zentralbank. Gehen die Haushalte und Unternehmen
94
davon aus, dass die Preise steigen, ist es geldpolitisch äußerst schwierig, die Inflation wirksam zu bekämpfen.
5.2
Inflation
Preisniveaustabilität
Das wichtigste Ziel einer Zentralbank ist die Sicherstellung der Preisniveaustabi-
wichtiges Ziel
lität. Auf dieses Ziel wurde bereits mehrfach verwiesen, doch warum es so wichtig
ist, scheint erklärungsbedürftig. Schließlich könnte man sich auch eine Welt vorstellen, in der die Preise kontinuierlich steigen. Mitunter wird in der Inflation sogar
ein Vorteil gesehen. So gehen beispielsweise viele Immobilieneigentümer davon
aus, dass ihre Wertanlage von der Inflation profitiert.
5.2.1
Kosten der Inflation
Inflation und
Gerade in den 1970er-Jahren gab es in der Politik eine intensive Diskussion über
Arbeitslosigkeit
Inflation. Legendär ist insbesondere der Spruch von Bundeskanzler Helmut
Schmidt: „Lieber 5 % Inflation als 5 % Arbeitslosigkeit!“ Dieser Einschätzung lag die
Phillips-Kurve zugrunde, die einen Zusammenhang zwischen der Inflation und der
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Kapitel 5
Arbeitslosigkeit nahelegte. Tatsächlich kann eine überraschende Inflation kurzfristig die Beschäftigung fördern. Bleiben die Löhne konstant, während die Verbraucherpreise steigen, sinken die realen Arbeitskosten, was die Arbeitsnachfrage
erhöht. Das Problem ist jedoch, dass sich die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften schnell auf eine solche Situation einstellen und dann in Vorwegnahme
der Preissteigerung höhere Löhne verlangen. Dies kann eine Lohn-Preis-Spirale in
Gang setzen. Heute sind sich Ökonomen einig, dass die Beschäftigung nicht dauerhaft durch Inflation erhöht wird, die Politik also keine Wahlmöglichkeit zwischen
Inflation und Arbeitslosigkeit hat. Dies erklärt jedoch noch nicht, warum Inflation
so schädlich ist.
Zunächst einmal ist Inflation mit einer Umverteilung verbunden (vgl. Mankiw,
2004). Schuldner profitieren von der Inflation, weil ihre Schulden real weniger
Inflation und
Umverteilung
Wert sind. Dies erklärt, warum die Unabhängigkeit der Zentralbank so wichtig ist.
Schließlich ist der Staat in den meisten Fällen der größte Schuldner einer Volkswirtschaft. Wenn die Politik für die Geldpolitik verantwortlich wäre, bestünde stets
ein Anreiz, die Schulden durch eine Geldmengenexpansion zu vermindern. Hierfür
gibt es in der Geschichte zahllose Beispiele. Benachteiligt werden dagegen die
Gläubiger, deren Forderungen real weniger Wert sind. Zum Teil wird diese Umver-
95
teilung durch die Anpassung der Zinsen vermindert. Schließlich setzen sich die
Nominalzinsen aus dem realen Zinssatz und der Inflation zusammen. Diese
Anpassung erfolgt jedoch zeitversetzt und nicht immer vollständig. In der Konsequenz sind die Haushalte damit in einer inflationären Volkswirtschaft weniger
bereit, Geld zu verleihen. Damit wiederum sinken die Investitionen, was sich dann
negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirkt.
Verstärkt wird die Reduktion der Investitionen noch durch die Steuerpolitik. In
Inflation und
den meisten Ländern unterliegen Zinserträge der Besteuerung. Steigen nun infla-
Besteuerung
tionsbedingt die Nominalzinsen, müssen die Kapitaleigner höhere Steuern zahlen.
Real erzielen sie jedoch keine höheren Erträge, sodass sie faktisch stärker besteuert
werden. Ein Beispiel soll dies illustrieren:
BEISPIEL
In einem ersten Szenario beträgt der Realzinssatz 4 % und die Inflationsrate 0 %.
Dann liegt der Nominalzinssatz ebenfalls bei 4 %. Die Zinserträge sollen mit 25 %
versteuert werden, wodurch sich eine Realverzinsung des Kapitals nach Steuern
von 3 % ergibt. Im zweiten Szenario bleibt alles gleich bis auf die Inflationsrate,
die nun 8 % beträgt. Der Nominalzins beträgt dann 12 %. Nach der Steuerzahlung
Kapitel 5
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
verbleibt dem Haushalt noch eine Nominalverzinsung von 9 %, was einem realen
Zinssatz von nur noch 1 % entspricht. Ohne dass die Leistungsfähigkeit also
gestiegen ist, muss der Haushalt in dem Szenario mit Steuern nun 75 % seiner
Erträge abführen. Dass dies seine Neigung mindert, Geld für Investitionen bereitzustellen, ist unmittelbar einsichtig.
Weitere Probleme
Darüber hinaus gibt es weitere Probleme der Inflation:
der Inflation
쐍 „Schuhsohlen-Kosten“: Gerade bei sehr hoher Inflation sind die Haushalte
gefordert, ihr Geld möglichst schnell auszugeben, da es ansonsten schnell an
Wert verliert. Zu Zeiten der Hyperinflation in Deutschland mussten die
Arbeiter ihren Monatslohn so schnell wie möglich in Waren umsetzen, da der
Arbeitslohn am Ende des Monats bereits deutlich weniger Wert war. Die
hiermit verbundenen Unannehmlichkeiten und Transaktionskosten, die auf
der Tatsache beruhen, dass möglichst wenig Geld in der Brieftasche verweilen
soll, werden als „Schuhsohlen-Kosten“ bezeichnet.
쐍 „Speisekarten-Kosten“: In vielen Fällen verursachen Preisänderungen Kosten.
Dies ist insbesondere bei einem Restaurant unmittelbar einsichtig. Der Druck
96
einer Speisekarte ist schließlich mit Aufwand verbunden. Doch auch anderen
Unternehmen entstehen Kosten durch Preisänderungen. Diese werden unter
dem Begriff der „Speisekarten-Kosten“ subsumiert.
쐍 Schließlich erhöht die Inflation allgemein die Unsicherheit. Beispielsweise ver-
liert das Geld als Rechengröße an Bedeutung, da Geldbeträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Realwerte aufweisen. Die dadurch entstehenden Unsicherheiten machen es Investoren unter anderem schwerer, erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen zu unterscheiden.
5.2.2
Immobilien und Inflation
Immobilie als
Immobilien gelten als eine Anlageklasse, die weitgehend vor Inflation geschützt ist.
Inflationsschutz?
Die „Flucht ins Betongold“ ist geradezu sprichwörtlich, vor allem unter Praktikern
gilt der vermeintliche Inflationsschutz als ein wesentlicher Vorteil von Immobilien. Teilweise wird sogar davon ausgegangen, dass die Immobilienpreise real
steigen, wenn die Inflation anzieht. Diese Erwartung ist jedoch übertrieben. Theoretisch diskutiert wird jedoch, ob Immobilien einen besonders wirksamen Schutz
vor der Entwertung des Vermögens darstellen. Begründet wird der Inflations-
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Kapitel 5
schutz vor allem mit der Indexierung von Mieten. Gerade Mietpreise für Büroimmobilien (Giljohann-Farkas und Pfleiderer, 2008, 2) werden häufig an die Inflation gekoppelt und auch bei Wohnimmobilien, insbesondere im Ausland, ist dies
nicht ungewöhnlich. Mietpreise für Einzelhandelsimmobilien sind oft umsatzabhängig, sodass auch hier zumindest eine partielle Anpassung erwartet wird.
Immobilienrenditen und Inflation in Deutschland
170
160
150
140
Büro
Handel
130
Wohnen
Inflation
120
110
100
97
90
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Entwicklung der Total-Return-Indizes für verschiedene Immobiliennutzungsklassen und des
Preisniveaus. Die Daten wurden so nominiert, dass sie im Jahr 1998 den Wert 100 annehmen.
Quelle: Investment Property Databank, OECD, IW Köln
Abb. 13: Immobilienrenditen und Inflation in Deutschland
Abbildung 13 zeigt die Renditeentwicklung von Immobilien in Deutschland im
Vergleich zur Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus. Tatsächlich entwickeln
sich die Renditen schneller als das allgemeine Preisniveau, was aufgrund der mit
den Investitionen verbundenen Risiken auch zu erwarten ist. Das Beispiel der
Büroimmobilien zeigt jedoch, dass sich die Renditen zumindest zeitweise auch
langsamer entwickeln können als die Inflation. Zwischen 2003 und 2006 erzielten
die Investoren sogar negative Renditen, während sich das Preisniveau unverändert
weiterentwickelte. Die zeitliche Entwicklung der Renditen und des Preisniveaus
kann jedoch allenfalls ein Indiz darstellen, den Zusammenhang jedoch nicht
belegen. Schließlich können die Entwicklung auch andere Faktoren beeinflusst
Kapitel 5
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
haben. Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Inflation und Immobilienrenditen sind daher genauere empirische Analysen notwendig.
Zusammenhang
Wie ein Blick in die angelsächsische Literatur zeigt, ist der Zusammenhang zwi-
zwischen Immobilien
schen Immobilien und Inflation keineswegs eindeutig. Fama und Schwert (1977)
und Inflation nicht
waren unter den Ersten, die den Einfluss von Inflation auf Aktien untersucht
eindeutig
haben. Ihrer Analyse nach sind die Renditen von Aktien nicht positiv, sondern
negativ korreliert, d. h., die Renditen sinken bei zunehmender Geldentwertung.
Diese Studie wurde auf Immobilien übertragen und stellt den Ausgangspunkt einer
Reihe von Forschungsbeiträgen zu diesem Thema dar, wobei die Ergebnisse keineswegs eindeutig sind. Für Deutschland haben insbesondere Maurer und Sebastian (2002) das Thema anhand von Daten für offene Immobilienfonds untersucht.
Ihre Analyse legt dabei nahe, dass offene Immobilienfonds im Vergleich zu Aktien
und Anleihen die Anleger besser vor Geldentwertung schützen können.
In einer aktuellen Analyse haben Demary und Voigtländer (2009) den Inflationsschutz von Immobilienaktien und Direktanlagen, unterschieden nach verschiedenen Nutzungsklassen (Wohnen, Büro und Handel), untersucht. Dabei
haben sie auch gesamtwirtschaftliche Faktoren wie das Wirtschaftswachstum mit
berücksichtigt, da die Inflation schließlich das Investitionsniveau beeinträchtigt.
98
Wohnimmobilien
Ihre Analyse zeigt, dass Immobilienaktien ebenso wie andere Aktien keinen
mit relativ
Schutz gegen Inflation bieten. Die Korrelationen sind sogar negativ, d. h., ein stei-
bestem Schutz
gendes Preisniveau wirkt sich negativ auf die Renditen aus. Eine Erklärung hierfür
vor Inflation
könnte sein, dass die Investoren aufgrund der Inflation und der damit einhergehenden möglichen Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Situation ihre
Erwartungen anpassen. Direktanlagen bieten hingegen einen besseren Inflationsschutz. Zwischen den Nutzungsklassen gibt es dabei jedoch signifikante Unterschiede. Handelsimmobilien bieten letztlich nur einen geringen Schutz, was vor
allem an der Schwierigkeit der Händler liegen dürfte, ihrerseits die Umsätze bei
steigenden Preisen zu vergrößern. Büroimmobilien dagegen bieten der Analyse
zufolge einen größeren Schutz. Grundsätzlich sind Büromieten zwar indexiert, es
stellt sich jedoch die Frage, ob die Eigentümer ihre höheren Mieten auch tatsächlich durchsetzen können. Schließlich sind gerade bei Neuverträgen Rabatte üblich.
Außerdem könnte infolge anziehender Nominalmieten der Leerstand steigen,
zumal die wirtschaftliche Aktivität im Zuge der Geldentwertung abnimmt. Wohnimmobilien bieten dagegen den größten Schutz, was auf die Besonderheit des
Gutes „Wohnen“ zurückzuführen sein dürfte. Schließlich kann der Wohnkonsum
kurzfristig nicht substituiert werden, sodass Vermieter die allgemeine Preissteigerung in der Regel vollständig an die Mieter weitergeben können. Dies ist gerade für
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Kapitel 5
institutionelle Investoren wie Versicherungen und offene Immobilienfonds interessant. Schließlich versuchen diese Investoren ihre Portfolien vor makroökonomischen Risiken weitgehend zu schützen.
Insgesamt zeigt sich, dass das Thema Immobilien und Inflation sehr differen-
Keine Überbewertung
ziert zu betrachten ist. Dass Immobilien einen gewissen Schutz bieten, sollte letztlich nicht überbewertet werden. Schließlich leiden langfristig auch die Ertragsperspektiven von Immobilieninvestoren unter der durch die Inflation abgeschwächten wirtschaftlichen Entwicklung.
5.3
Wechselwirkungen zwischen Geldpolitik,
Konjunktur und Immobilienmärkten
Für das Verständnis der Transmissionsmechanismen, also der Übertragung von
Faktoren der Immo-
geldpolitischen Impulsen auf die Gesamtwirtschaft, ist es hilfreich, sich noch
bilienpreisbildung
einmal zu vergegenwärtigen, welche fundamentalen Faktoren den Immobilienpreis bestimmen (vgl. Kapitel 3). Der Vermögenswert einer Investition beruht
grundsätzlich auf den jährlichen, diskontierten Einnahmen abzüglich der Ausgaben. Bezogen auf Immobilien bedeutet dies, dass der Marktpreis der Immobilien
zum einen durch die Nettomieteinnahmen (bzw. im Fall selbstgenutzter Immobilien durch die gesparten Mietkosten) und zum anderen durch den Diskontierungsfaktor, der in der Regel dem Kapitalmarktzins (zuzüglich einer geeigneten Risikoprämie) entspricht, determiniert wird. Je höher die Nettomieteinnahmen sind und
je geringer die Verzinsung alternativer Kapitalanlagen ist, desto höher fällt der
Immobilienpreis aus.
Für die Geldpolitik sind vor allem Immobilienpreisänderungen aufgrund von
Zinssatzänderungen relevant. Der Grund für die eingeschränkte Bedeutung von
Immobilienpreisschwankungen aufgrund veränderter (erwarteter) Mietpreise
wird deutlich, wenn man die Verteilungswirkungen der beiden Einflussgrößen
näher betrachtet. Steigen die Nettomieteinnahmen oder erwarten die Marktakteure eine solche Entwicklung, realisieren die Eigentümer der Immobilien einen
Vermögenszuwachs. Auf der anderen Seite stellen sich jedoch potenzielle Immobilienkäufer und Mieter schlechter, da sie zum Erwerb einer Immobilie länger und
mehr Geld sparen müssen bzw. eine höhere Miete zahlen müssen. Auf der Aggregatebene können sich die beiden Effekte ausgleichen, sodass ein spürbarer Impuls
für die Gesamtwirtschaft ausbleibt. Nur wenn die Quote der Selbstnutzer sehr
99
Kapitel 5
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
hoch oder die Konsumneigung der betroffenen Gruppen sehr unterschiedlich ist,
gehen von den Mietpreisänderungen signifikante Wirkungen auf die Gesamtnachfrage aus.
Preisänderungen
Anders stellt sich hingegen die Situation bei Zinssatzänderungen dar. Sinken
aufgrund von
die Zinsen, also die Erträge alternativer Kapitalanlagen, realisieren die Eigentümer
Zinsänderungen
einen Vermögensgewinn, ohne dass die Mieter zusätzlich belastet werden. Auch
potenzielle Käufer, die für den Immobilienerwerb hauptsächlich Fremdkapital verwenden möchten, werden nicht schlechter gestellt, weil sie aufgrund der gesunkenen Zinsen mit geringeren Hypothekenzinsen belastet werden. Dieser Betrachtungsweise von Zinsänderungen liegt jedoch die Annahme zugrunde, dass die
Zinsänderung dauerhaft und nicht infolge veränderter kurzfristiger Inflationsoder Wachstumserwartungen auftritt.
Wie sich Zinsänderungen über die Immobilienpreisentwicklung auf die
Gesamtwirtschaft auswirken können, soll im Folgenden anhand von Abbildung 14
dargestellt werden
Der immobilienwirtschaftliche Transmissionsmechanismus
100
Geldpolitischer
Impuls
Kapitalkosten
Hypothekenzinsen
Immobilienpreise
Vermögenseffekt
Verfügbares Einkommen
Kreditmarktkanal
Privater Konsum
Quelle: Hüther, Jäger und Voigtländer (2008)
Abb. 14: Der immobilienwirtschaftliche Transmissionsmechanismus
Wirkungen
Ausgangspunkt sind immer die geldpolitischen Instrumente der Zentralbank, die
der Geldpolitik
die Geldmengenexpansion und die Refinanzierungssätze der Banken bestimmen.
Für die Europäische Zentralbank sind vor allem die Hauptrefinanzierungsgeschäfte relevant, da sie bestimmen, zu welchen Konditionen Geschäftsbanken
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Kapitel 5
liquide Mittel erhalten können. Betreibt die Zentralbank eine expansive Geldmengenpolitik, sinken die Refinanzierungskosten der Banken, und sie werden im Wettbewerb diesen Vorteil an die Kunden weitergeben, d. h., die Kreditzinsen sinken.
Aktien, Anleihen und andere Anlageformen, wie z. B. Immobilien, sind dann bei
zunächst unveränderten Kursen bzw. Preisen relativ attraktiv, sodass die Nachfrage nach ihnen steigt. Bei einem kurzfristig unelastischen Angebot bewirkt dies
eine Preissteigerung. Da die zusätzliche Nachfrage zunächst nicht durch Neubauten gedeckt werden kann, werden die Immobilienpreise jedenfalls kurz- und
mittelfristig steigen. Weiterhin wirkt sich preissteigernd aus, dass die Hypothekenzinsen infolge der verbesserten Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken sinken.
Somit wird der Eigentumserwerb gegenüber dem Mieten relativ günstiger, mehr
Haushalte werden in die Lage versetzt, Eigentum zu erwerben. Auch hier ist wieder
damit zu rechnen, dass aufgrund der langen Bautätigkeit die Nachfrageerhöhung
nach Immobilien zu einer Preiserhöhung führt.
Höhere Immobilienpreise können über zwei Mechanismen den privaten
Stimulierung
Konsum und somit die Konjunktur stimulieren: Erstens über den Vermögenseffekt
des privaten
und zweitens über den Kreditkanal. Dabei sind beide Mechanismen nicht isoliert
Konsums
zu betrachten, sondern bedingen sich gegenseitig.
Nach dem Vermögenseffekt werden Haushalte ihre Konsumneigung erhöhen,
weil sie nun über ein größeres Vermögen verfügen. Tendenziell werden Haushalte
Vermögenseffekt
in Anbetracht ihres gestiegenen Vermögens andere Ersparnisse auflösen und/oder
ihre Sparaktivitäten reduzieren. In beiden Fällen führen gestiegene Immobilienpreise zu einem höheren privaten Konsum.
Maßgeblich verstärkt werden kann der Vermögenseffekt durch den Kreditkanal, dem in den letzten Jahren in der Forschung verstärkte Aufmerksamkeit
geschenkt wurde. Gewöhnlich ist es privaten Haushalten aufgrund von Kreditmarktrestriktionen nicht möglich, in beliebiger Weise Kredite aufzunehmen,
selbst wenn ihr zukünftiges Einkommen im Prinzip eine Finanzierung erlauben
würde. Sie müssen Sicherheiten nachweisen, um das Ausfallrisiko für die Bank zu
reduzieren. Da Immobilien weithin als Sicherheiten fungieren, bedeuten steigende
Immobilienpreise, dass die Haushalte zusätzliche Kreditmöglichkeiten erhalten.
Eine Möglichkeit zur Realisierung des zusätzlichen Konsums besteht über das in
Deutschland noch wenig verbreitete, aber im angelsächsischen Raum gebräuchliche Mortgage Equity Withdrawal (MEW). Hiernach können Immobilieneigentümer ihren Hypothekenkredit bei steigenden Vermögenswerten aufstocken, um
so zusätzliche Konsummöglichkeiten zu erhalten. Außerdem, und hier wird die
Verbindung zum Vermögenseffekt besonders deutlich, kann der Preisanstieg den
Kreditkanal
101
Kapitel 5
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Immobilienbesitzer dazu bewegen, anderweitige, bisher nicht genutzte Kreditmöglichkeiten zu ergreifen, beispielsweise in Form von Verbraucherkrediten.
Schließlich wird der private Konsum auch direkt über den Rückgang der Hypothekenzinsen belebt. Da die Hypothekennehmer geringere Zinszahlungen leisten
müssen, sinkt ihre Finanzierungslast, und sie erhalten einen größeren Spielraum
für Konsumausgaben.
Immobilienwirtschaft-
Über das Zusammenspiel von Vermögenseffekt und Kreditkanal kann der
licher Transmissions-
immobilienwirtschaftliche Transmissionsmechanismus besonders effektiv geld-
mechanismus
politische Impulse auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Besonders für die USA
wird vermutet, dass die Binnennachfrage wesentlich durch steigende Immobilienpreise getragen wird bzw. wurde. Die andere Seite der Medaille, nämlich eine deutliche Schwächung des Konsums bei fallenden Preisen, kann jedoch seit 2007 beobachtet werden. Die notwendigen Zinsschritte der Federal Reserve ab 2004
haben einen Preisrückgang eingeleitet, wobei jedoch erschwerend hinzu kam, dass
sich zuvor teilweise Zinsen und Mieterträge von der Preisentwicklung abkoppelt
hatten. Neben dem direkten Effekt der Zinserhöhung auf die Immobilienpreise
hatten die Zinsschritte daher auch spekulative Anleger zu einem Rückzug aus dem
Immobilienmarkt bewegt, was den Preisrückgang deutlich verstärkte. Haushalte,
102
die Hypothekendarlehen ohne feste Zinsbindung oder mit kurzen Laufzeiten
gewählt hatten, traf dies in doppelter Hinsicht: Erstens, weil sich ihre Schulden
relativ zum Vermögen erhöhten, und zweitens, weil sie aufgrund der Zinserhöhungen auch höhere Hypothekenzinsen tragen mussten. Ein Crash auf dem Immobilienmarkt kann sich so leicht auf die Gesamtwirtschaft übertragen.
Unabhängig von den Möglichkeiten eines Booms oder Crashs auf den Immobilienmärkten bleibt festzuhalten, dass der immobilienwirtschaftliche Transmissionsmechanismus ein besonders wichtiges Vehikel für die Geldpolitik darstellt
und daher ständig beobachtet werden sollte. Allerdings ist zu beachten, dass die
Effektivität der dargelegten Transmissionsmechanismen nicht nur von dem Verhalten der privaten Haushalte abhängt, sondern zu einem wesentlichen Teil auch
von den institutionellen Gegebenheiten.
Faktoren des Transmissionsmechanismus
Im Folgenden sind beispielhaft einige Faktoren aufgeführt, die den Transmissionsmechanismus maßgeblich beeinflussen können:
쐍 Eigenheimquote
Je höher die Eigentumsquote in einer Volkswirtschaft ist, desto stärker wirkt
der Vermögenseffekt.
Zinsen, Geldpolitik und Immobilienmarkt
Kapitel 5
쐍 Zinsanpassung der Hypothekendarlehen
Bei fixen Zinssätzen bleibt der Kreditkanal für bereits bestehende Verträge
weitgehend wirkungslos.
쐍 Möglichkeit des Mortgage Equity Withdrawal
Sofern diese Möglichkeit ausgeschlossen wird, fehlt den Haushalten das maßgebliche Instrument zur Liquidierung ihrer Vermögensgewinne.
쐍 Beleihungsgrenze und Bewertungsgrundlage
Je geringer die Beleihungsmöglichkeiten sind, desto weniger stark wirkt der
Kreditkanal. Wichtig ist dabei auch die Bewertungsgrundlage (Beleihungswert,
Marktwert) und die Beleihungsgrenze. Wenn von historischen Werten ausgegangen wird, kann der gestiegene Marktpreis nicht als Sicherheit fungieren.
쐍 Transaktionssteuern
Hohe Transaktionssteuern, wie beispielsweise die Grunderwerbsteuer, behindern den Handel mit Immobilien und stehen damit der Liquidierung von
Immobilienvermögen zu Konsumzwecken entgegen.
Wie die nachfolgende Tabelle 3 zeigt, sind die institutionellen Regelungen hinsichtlich dieser Faktoren in Deutschland, Großbritannien und den USA sehr unterschiedlich.
103
Tabelle 3: Ausgewählte Charakteristika der Immobilienmärkte in Deutschland, Großbritannien
und den USA
Hypothekensystem
Eigenheimquote
ZinsMEW
anpassung*
Typische
Beleihungsausläufe
Bewertungsmethode
Grunderwerbsteuer
Deutschland
41,6 %
Fix
Nein
60–80 %
Beleihungswert
3,5 %
Großbritannien
71,3 %
Variabel
Ja
90–100 %
Marktwert
1–4 %
USA
66,9 %
Fix
Ja
80–100 %
Marktwert
1–2,625 %
* Die Angaben zur Zinsanpassung gelten für den überwiegenden Teil der Hypothekendarlehen. In den USA sind
beispielsweise zwischen 30 und 40% der Hypothekenzinsen variabel.
Quelle: Jäger und Voigtländer (2007)
Anhand der dargestellten Charakteristika wird deutlich, dass der deutsche Wohn-
Ursachen der stabilen
immobilienmarkt weit weniger empfänglich für geldpolitische Impulse ist als etwa
Preisentwicklung
der britische oder amerikanische Markt. Dies bietet eine Erklärung für die im inter-
in Deutschland
nationalen Vergleich sehr stabile Preisentwicklung in Deutschland. Mit zunehmender Flexibilisierung des deutschen Immobilienfinanzierungsmarktes ist
künftig jedoch auch in Deutschland mit etwas stärkeren Reaktionen zu rechnen.
Kapitel 6
6
104
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
Immobilienzyklen und
spekulative Blasen
Zyklische
Immobilienpreise unterliegen immer wieder zyklischen Schwankungen. Beson-
Schwankungen
ders gut lässt sich dies am Beispiel Großbritannien zeigen, wo Hauspreise schon
der Immobilien-
seit den 1950er-Jahren landesweit statistisch erfasst werden (Abbildung 15). Immer
preise
wieder folgte einer Phase stark anziehender Preise eine Phase mit einem deutlichen Rückgang der Wachstumsrate. Betrachtet werden hier nur die nominalen
Zuwächse. Bei einer Betrachtung realer Größen wären tatsächlich mehr Phasen
negativer Wachstumsraten zu beobachten. Besonders Anfang der 1990er-Jahre
und zwischen 2007 und 2009 waren starke Preisrückgänge zu beobachten. Diese
Phasen können als Immobilienkrisen bezeichnet werden. Sie folgen jeweils auf eine
Phase besonders stark anziehender Preise. Der britische Immobilienmarkt weist
eine besonders hohe Volatilität auf und zeichnet sich durch sehr ausgeprägte
Boom- und Crash-Phasen aus. Insgesamt kann sich jedoch kein Immobilienmarkt
den Zyklen entziehen, auch wenn sich die Dauer und die Stärke der Zyklen deutlich
unterscheiden können. Nicht immer müssen dabei Preisabschwünge in Immobilienkrisen enden.
Definition der
Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich wählt als Definition einen
Immobilienkrise
Preisrückgang um mehr als 60 % des durchschnittlichen Preisrückgangs während
eines Abschwungs. Nach dieser Definition gab es in 14 OECD-Staaten in den
letzten Jahrzehnten 20 Immobilienkrisen. In 40 bis 60 % der Fälle folgte auf einen
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
Kapitel 6
Preisaufschwung eine Immobilienrezession mit einem durchschnittlichen Wertverlust von 27 % (Helbling, 2005).
Die Zyklen sind keineswegs auf Wohnimmobilien beschränkt. Im Gegenteil,
gerade in Büroimmobilienmärkten sind besonders starke Ausschläge nach oben
Zyklen auf allen
Immobilienmärkten
und unten zu beobachten. Ferner kann man keineswegs von „dem Zyklus“ sprechen. Sowohl die Amplituden als auch die Dauer der Zyklen unterscheiden sich
teilweise deutlich. Auch dies zeigt das britische Beispiel. So gab es etwa in den
1970er-Jahren einen sehr ausgeprägten Zyklus, während sich der Immobilienmarkt
in den 1980er-Jahren weitgehend konstant entwickelte. Sowohl bezüglich der
Dauer als auch der Amplitude sind daher nur schwer Vorhersagen zu treffen.
Veränderung der britischen Hauspreise gegenüber dem Vorjahresquartal
% 50
40
30
20
10
0
–10
–20
53 57 60 63 66 70 73 76 79 83 86 89 92 96 99 02 05 09
19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20
Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1
Quelle: Nationwide
Abb. 15: Veränderung der britischen Hauspreise gegenüber dem Vorjahresquartal
Zunächst werden die Gründe für die zyklische Entwicklung der Immobilienpreise
betrachtet. Außerdem soll auch das Phänomen spekulativer Blasen, deren Platzen
zumeist eine Immobilienkrise einleiten, genauer untersucht werden. Dabei nimmt
Deutschland eine Sonderposition ein: Denn der deutsche Immobilienmarkt hat
sich in den letzten Jahren als äußerst stabil erwiesen und sich weitgehend von der
internationalen Entwicklung, die durch eine zunehmende Synchronität gekennzeichnet ist, abgekoppelt.
105
Kapitel 6
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
6.1
Ursachen für Immobilienzyklen
Konjunkturzyklen und
Ein wesentlicher Grund für das Auftreten von Immobilienzyklen ist der Konjunk-
Immobilienzyklen
turzyklus. Nicht nur Immobilienpreise, sondern auch die Gesamtwirtschaft unterliegt im Zeitablauf Schwankungen. Da die Nachfrage nach Immobilien von der Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung abhängt, ist es unmittelbar einsichtig,
dass sich Immobilien von der konjunkturellen Entwicklung nicht lösen können.
Die konjunkturelle Entwicklung kann jedoch nur einen Teil des Zyklus erklären.
Schließlich sind die konjunkturellen Ausschläge wesentlich kleiner als die Immobilienpreisschwankungen. Darüber hinaus leiten Immobilienkrisen häufig auch
Rezessionen ein, d. h., die Immobilienpreise selbst haben einen erheblichen Effekt
auf die Konjunktur (vgl. Demary, 2008). Da ein Großteil der Kredite für Immobilien
vergeben wird, kann ein Rückgang der Preise zu einer Reduzierung von Kreditsicherheiten mit negativen Folgen für das Kreditvolumen führen. Dadurch wird
häufig eine konjunkturelle Krise eingeleitet.
106
Vier Phasen des
Um den Immobilienzyklus zu verstehen, ist es hilfreich, ihn schematisch in vier
Immobilien-
Phasen zu unterteilen (vgl. Rottke, 2008). Diese vier Phasen und die damit verbun-
zyklus
denen Marktentwicklungen sind in Tabelle 4 dargestellt.
Tabelle 4: Phasen des Immobilienzyklus
Phase
Flächennachfrage
Absorption
Neuflächenbestands
zuwachs
Mieten
Leerstand
Fremdkapitalverfügbarkeit
Konjunktur
Überbauung
–
–
++
–
+
0
–
Marktbereinigung
–
–/0
+
–
++
–
–
Marktstabilisierung
+/0
+
–
+/0
–
–/0
+/0
Projektentwicklung
++
++
––
+
––
++
++
Quelle: Rottke (2008)
Die erste Phase ist durch eine ausgeprägte Überbauung (Angebotsüberhang)
geprägt. In dieser Phase steigt der Neuflächenbestand stark an, die Flächennachfrage ist jedoch rückläufig. Folglich gehen auch die Mieten langsam zurück und der
Leerstand steigt. Begleitet wird diese Entwicklung häufig durch eine abflauende
Konjunktur. Verschärft wird diese Entwicklung in der zweiten Phase, der Markt-
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
Kapitel 6
bereinigung. Es kommen immer noch neue Flächen auf den Markt, allerdings
weniger als in der ersten Phase. Die Flächennachfrage geht jedoch noch weiter
zurück. Somit geben die Mieten deutlich nach und der Leerstand steigt. In dieser
Phase sind die Banken kaum bereit, neue Projekte zu finanzieren. In der Folge sind
Insolvenzen und Notverkäufe von Immobilieneignern nicht auszuschließen. Nach
der Marktbereinigung folgt die dritte Phase, die der Marktstabilisierung. Aufgrund der niedrigeren Mieten, der gegebenenfalls wieder anziehenden Konjunktur
und/oder günstigeren Finanzierungen zieht die Flächennachfrage wieder an. Neue
Flächen werden jedoch noch nicht angeboten, sodass die Mieten leicht ansteigen
und der Leerstand etwas zurückgeht. Dieser Trend setzt sich in der nächsten, der
vierten Phase, fort. Die Nachfrage steigt weiter an, die Bautätigkeit ist jedoch
immer noch niedrig. Dafür werden jedoch umso mehr Projekte geplant und auch
die Banken sind in dieser Phase bereit, neue Finanzierungen bereitzustellen. Die so
geplanten Projekte werden dann in der Phase des Angebotsüberhangs fertiggestellt, womit sich der Kreis wieder schließt.
Wie bereits festgestellt wurde, verlaufen die Immobilienzyklen keineswegs
Grundsätzliche
gleich, auch die Abfolge der Marktentwicklungen kann sich unterscheiden. Das
Ursache von
Schema von Rottke (2008) macht jedoch das grundsätzliche Problem deutlich:
Immobilien-
Immobiliennachfrage und Immobilienangebot (Bautätigkeit) fallen auseinander.
zyklen
In Zeiten starker Nachfrage gibt es wenig neue Angebote, sodass die Preise dann
stark anziehen. Die aufgrund dieser Signale begonnenen Projekte werden erst
dann fertiggestellt, wenn die Nachfrage bereits wieder zurückgeht. Damit wird der
Abwärtstrend verstärkt.
Wesentliches Problem für den Immobilienmarkt sind also Time-Lags auf der
Angebotsseite, d. h. verzögerte Reaktionen des Marktes auf neue Rahmenbedingungen. Dabei können drei verschiedene Lags identifiziert werden:
쐍 Preismechanismus-Lag
Die Bauwirtschaft reagiert auf Preissignale. Steigen die Preise, wird der Neubau
attraktiver. Aufgrund der Heterogenität und Intransparenz des Marktes sind
die Preissignale jedoch oft nicht eindeutig und erreichen die Marktakteure erst
verzögert. Die darauf fußende Unsicherheit verlängert den Entscheidungsprozess.
쐍 Entscheider-Lag
Große Unternehmen – egal ob Bauunternehmen, Immobilienunternehmen
oder Projektentwickler – sind durch lange Entscheidungsprozesse gekennzeichnet.
Time-Lags
107
Kapitel 6
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
쐍 Konstruktions-Lag
Planung und Fertigstellung eines neuen Gebäudes benötigen mitunter Jahre. In
dieser Zeit kann sich der Markt deutlich geändert haben.
Darüber hinaus gibt es weitere Gründe für die häufig auftretenden Überangebote.
So werden Manager vor allem dann bezahlt, wenn sie Projekte abschließen. Dies
verleitet die Manager dazu, auch dann neues Angebot zu schaffen, wenn die Aussichten ungewiss sind. Auch die Datenlage und die Prognosen sind oft nicht gut
genug, um die Entscheidungsgrundlage zu verbessern. Hinzu kommt, dass die Projektentwickler oft gar nicht wissen, welche Projekte die Konkurrenz plant. Ihr
Angebot zu drosseln, wäre für alle vorteilhaft, weil dadurch die Preise stabil bleiben
würden. Aufgrund der fehlenden Koordination, die aus wettbewerblichen Gründen auch wünschenswert ist, bleibt dies jedoch aus. Schließlich haben institutionelle Anleger wie Fonds oder Versicherungen häufig einen Anlagedruck und müssen die Gelder ihrer Kunden investieren. So wird teilweise auch zu ungünstigen
Zeiten das Angebot weiter erhöht.
108
Exogene
Dass Immobilienzyklen nicht immer gleich sind, hängt vor allem mit den exo-
Einflüsse
genen Einflüssen zusammen. Neue Technologien, steuerliche Förderungen oder
gesetzliche Auflagen (wie z. B. Klimaschutz) können einen Zyklus verändern oder
verstärken. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für einen exogenen Einfluss
stellt die Wiedervereinigung dar. Weltweit fielen die Immobilienpreise Anfang der
1990er-Jahre. In Deutschland wurde durch die Wiedervereinigung ein Preisaufschwung beobachtet.
6.2
Spekulative Blasen
In Kapitel 3 wurde ausführlich dargelegt, wodurch der Immobilienpreis bestimmt
wird. Im Mittelpunkt standen dabei die fundamentalen Faktoren bzw. der fundamentale Preis einer Immobilie. Immer wieder ist jedoch zu beobachten, dass sich
die Immobilienpreise von der fundamentalen Entwicklung abkoppeln, also deutlich schneller steigen als z. B. die Zins- und Einkommensentwicklung dies
erwarten lassen würden. In diesen Fällen spricht man von einer spekulativen Blase.
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
Nach dem so genannten Discounted-Cashflow-Modell resultiert der Immobilienpreis aus den zukünftigen diskontierten Mieterträgen. Der Preis beruht folglich
Kapitel 6
Erwartungsbildung ist
Schlüssel zum Problem
auf künftigen Preisen, nämlich den Mieten und den Zinsen. Da beide Größen nicht
bekannt sind, basieren die Preise also auf der Erwartungsbildung über diese
Größen. Immobilien haben eine lange Lebensdauer. Für die Bestimmung des Fundamentalwertes ist es folglich notwendig, sich eine Vorstellung über die Entwicklung von Mieten und Zinsen über einen Zeitraum von 40 Jahren und mehr zu
machen. Dies überfordert nicht nur Laien, sondern auch professionelle Immobilieninvestoren. In der Regel schreibt man daher die Entwicklung der letzten Jahre
fort. Dies kann bei einer durchschnittlichen Entwicklung ein durchaus angemessener Ansatz sein. Waren die letzten Jahre jedoch durch eine sehr starke Entwicklung gekennzeichnet, kann es schnell zu einer zu optimistischen Bewertung
kommen. Tatsächlich kann man sich dem nur schwer entziehen. In den USA
waren die Preise seit 1995 sehr stark gestiegen, was sowohl auf die gute wirtschaftliche Situation als auch auf niedrige Zinssätze zurückzuführen war. Haushalte und
Unternehmen hatten über einen Zeitraum von zehn Jahren ausschließlich stark
anziehende Immobilienmärkte erlebt und diese Entwicklung weiter fortgeschrieben. Nur so ist es plausibel, dass trotz einer Verdoppelung der Preise in vielen
109
Regionen zahlreiche Haushalte unbedingt Eigentum erwerben wollten. Doch auch
institutionelle Investoren hatten weiter in Wohnungen und Gewerbeimmobilien
investiert, obwohl es schon seit Jahren Warnungen von Seiten der OECD oder des
IWF gab. Dies ist vornehmlich auf den „Herdentrieb“ zurückzuführen. Auch professionelle Investoren müssen unter Unsicherheit agieren und werden an einem
Benchmark gemessen, d. h., die Performance der Investmentmanager wird an dem
durchschnittlichen Ergebnis der übrigen gemessen. Da auch Fondsmanager,
zumindest was ihre eigene Position betrifft, eher risikoavers agieren, orientieren sie
sich mit ihrem Investitionsverhalten an der Masse der übrigen Manager, der
„Herde“. Schließlich ist es leichter verzeihlich, mit der Masse zu irren, als der Einzige zu sein, der einen Trend verpasst. Hierdurch wird die bestehende Nachfrage
verstärkt, was eine beginnende Blasenbildung weiter fördert.
Shiller (2005) nennt noch weitere Faktoren, die den „irrationalen Überschwang“ antreiben:
쐍 Medien
Zeitungen, Zeitschriften und das Fernsehen berichten nur über Bullen- und
Bärenmärkte und neigen dazu, bestehende Entwicklungen zu überzeichnen,
um das Thema aufzuwerten. Gerade bei anziehenden Märkten wird dadurch
Weitere Faktoren
der Blasenbildung
Kapitel 6
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
eine zusätzliche Nachfrage stimuliert; ob der vielen positiven Nachrichten fällt
es auch professionellen Investoren zunehmend schwerer, sich einem Investment zu entziehen. Auf der anderen Seite werden jedoch auch negative Entwicklungen verstärkt.
쐍 Innovationen
Neue Produkte, wie etwa die New Economy oder Verbriefungen, können vom
Markt nur sehr schlecht eingeschätzt werden. Für diese Produkte gibt es auch
keine Möglichkeit, die Entwicklung fortzuschreiben. Im Zusammenspiel mit
dem Herdentrieb („Entwicklung nicht verpassen“) kommt es so oft zu einer
überschießenden Nachfrage, was die Bildung einer spekulativen Blase begünstigt.
쐍 Intransparenz
Fehlende Fakten und Analysen erschweren die rationale Einschätzung von
Risiken. Gerade in Phasen großen Optimismus kann dies übertriebene Erwartungen schüren.
Platzen
Die beschriebenen Faktoren führen zu einer Überzeichnung der Erwartungen und
von Blasen
damit der Nachfrage und der Preise. Zu einem bestimmten Zeitpunkt kehren sich
110
die Erwartungen jedoch um und es setzt ein schneller Verkauf ein. Auslöser
können eine Eintrübung der Konjunktur, eine politische Eskalation oder, wie im
Fall des US-Immobilienmarktes, zunehmende Ausfälle von Krediten sein.
Identifikation
Damit stellt sich die Frage, wie spekulative Blasen identifiziert werden können.
von Blasen
Grundsätzlich ist dies schwierig, da sich Erwartungen nicht direkt ablesen lassen.
So ist es zwar richtig festzustellen, dass eine spekulative Blase droht, wenn sich die
fundamentalen Faktoren von den Preisen entfernen. Da jedoch nur die gegenwärtigen Fundamentalfaktoren bekannt sind, nicht jedoch deren zukünftige Entwicklung, bleibt eine solche Analyse unvollständig. Dennoch haben sich Ansätze wie
der User-cost-of-Housing-Ansatz, der in Kapitel 3 vorgestellt wurde, bewährt, um
Ungleichgewichte zu antizipieren. Andere Ansätze versuchen, die Ungleichgewichte mit ökonometrischen Methoden zu identifizieren. Dabei wird versucht,
mittels historischer Daten den Verlauf der Preise zu erklären. Auf der Basis des so
entwickelten Modells werden dann Prognosen für die letzten verfügbaren Daten
berechnet. Die Abweichung der Prognose von den tatsächlichen Daten stellt dann
eine Über- oder Unterbewertung dar. Das Problem ist hier jedoch, dass damit
implizit die Zusammenhänge der Vergangenheit fortgeschrieben werden. Gerade
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
Kapitel 6
wenn Innovationen oder neue politische Entwicklungen vorliegen, ist zu bezweifeln, dass dies sinnvoll ist.
So werden spekulative Blasen auch in Zukunft immer wieder ein Thema sein.
Wachsam sollten Martktteilnehmer insbesondere dann werden, wenn zunehmend Immobilien nur deshalb gekauft werden, um sie in naher Zukunft mit
Gewinn zu verkaufen – dieser Gewinn ist aber nur dann zu realisieren, wenn die
Erwartungen immer optimistischer werden. Der Bezug zu den fundamentalen
Werten ist bei einer solchen Strategie nicht mehr vorhanden.
6.3
Deutschland in der Sonderrolle
Auch der deutsche Immobilienmarkt weist Zyklen auf – sie sind jedoch deutlich
Keine Preissteigerungen
weniger ausgeprägt als in Großbritannien oder den USA. Auch den Preisboom seit
Mitte der 1990er-Jahre hat der deutsche Immobilienmarkt nicht mitgemacht.
Während im Durchschnitt der OECD-Staaten die Preise zwischen 2000 und 2007
um 68 % gestiegen sind, stagniert der deutsche Wohnimmobilienmarkt seit über
111
zehn Jahren (Abbildung 16).
Jährliche Veränderung von Reihenhauspreisen in Deutschland
%
8
6
4
2
0
–2
Abb. 16: Jährliche Veränderung von Reihenhauspreisen in Deutschland
08
06
20
04
20
02
20
00
Quelle: BulwienGesa AG
20
98
20
96
19
94
19
92
19
90
19
88
19
86
19
84
19
82
19
80
19
78
19
19
19
76
–4
Kapitel 6
Geringere Volatilität
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
Darüber hinaus weist der deutsche Immobilienmarkt im internationalen Vergleich
auch eine sehr viel geringere Volatilität auf, d. h., es gibt nur wenige Abweichungen
von der durchschnittlichen Preissteigerung. Zwei wesentliche Gründe hierfür
wurden schon in Kapitel 5 genannt: Deutschland hat eine ausgeprägte Festzinskultur, und die Wohneigentumsquote ist im internationalen Vergleich sehr gering.
Anders als etwa in Großbritannien wirken sich Veränderungen der Zinssätze
daher nicht auf das Haushaltseinkommen der Mehrheit der Bevölkerung aus.
Darüber hinaus verändert sich aufgrund der Festzinskultur nach einer Zinsänderung nur bei einem kleinen Teil der Darlehensnehmer das verfügbare Einkommen.
Damit kann sich der Immobilienmarkt weitgehend unabhängig von kurzfristigen
Schwankungen entwickeln.
Weniger Aufmerksamkeit
Die geringe Wohneigentumsquote hat darüber hinaus weitere Auswirkungen
durch geringere
auf den Immobilienmarkt. So sind Immobilienpreise für die Medien nur von
Eigentumsquote
geringem Interesse, während die Immobilienpreisentwicklung in Großbritannien
und den USA sehr aufmerksam verfolgt wird und in den Medien intensiv der richtige Einstiegszeitpunkt diskutiert wird. Dies wirkt sich beruhigend auf den Markt
aus, da so wenig Nährboden für irrationale Über- oder Untertreibungen vorhanden
ist. Auch für die Politik ist das Thema daher zweitrangig.
112
Dezentrale
In vielen Ländern versucht der Staat aktiv die Immobilienpreise zu stützen, bei-
Planung
spielsweise durch eine restriktive Bauflächenausweisung. Gerade bei Ländern mit
zentraler Planung, wie etwa Großbritannien, wird vermutet, dass durch die geringe
Ausweisung von Bauland die Interessen der Wohneigentümer an hohen Preisen
bedient werden (Evans und Hartwich, 2005). In Deutschland dagegen werden die
Flächen dezentral ausgewiesen, wodurch benachbarte Kommunen und Städte,
eben auch mit Hilfe des Baulandangebots, um Haushalte und Unternehmen konkurrieren. Schließlich ist es für die Städte attraktiv, wenn sich junge Familien und
Unternehmen ansiedeln, da dies die Basis für künftige Steuereinnahmen sichert.
Dezentrale
Auch die dezentralen Wirtschaftsstrukturen in Deutschland dürften zu einer
Wirtschaftsstrukturen
stabileren Preisentwicklung beitragen. Während sich die wirtschaftliche Aktivität
etwa in Frankreich oder Großbritannien auf die jeweilige Hauptstadt konzentriert,
gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Wirtschaftszentren. Das hat auch Auswirkungen auf die Preise. Eigentümer von Bauland oder Immobilien in London oder
Paris befinden sich in einer sehr starken Marktposition, die tendenziell zu sehr
hohen Preisen führt. In Deutschland hingegen konkurrieren die Anbieter nicht nur
mit den anderen lokalen Anbietern, sondern auch mit den Anbietern in anderen
Immobilienzyklen und spekulative Blasen
Kapitel 6
Wirtschaftszentren. Schließlich können allzu hohe Bodenpreise schnell zu Standortveränderungen führen, was wiederum mäßigend auf die Preisentwicklung
wirkt.
Diese strukturellen Faktoren wirken generell dämpfend auf die Preisvolatilität.
Verschobener
Darüber hinaus ist der Immobilienzyklus in Deutschland insgesamt verschoben.
Immobilienzyklus
Nach einer Analyse des Internationalen Währungsfonds (2004) verlaufen die
in Deutschland
Immobilienpreiszyklen zunehmend synchron. Schließlich gleichen sich durch die
Globalisierung auch die Konjunkturzyklen zunehmend an, und über den Kapitalmarkt können die Marktakteure Ungleichgewichte auf den Immobilienmärkten
immer schneller zu ihrem Vorteil nutzen. Bedingt durch die Wiedervereinigung
hat sich Deutschland jedoch von dem allgemeinen Zyklus abgekoppelt. Zu Beginn
der 1990er-Jahre stiegen die Preise in Deutschland, obwohl sie weltweit gefallen
sind. Als dann in der Mitte der 1990er-Jahre erkannt wurde, dass sich die wirtschaftlichen Erwartungen der Wiedervereinigung nicht erfüllen, gaben die Preise
deutlich nach. Weltweit setzte dagegen Mitte der 1990er-Jahre der nun zu Ende
gehende Preisboom ein. Die international gegenläufigen Entwicklungen und damit
verbundenen Stimmungen haben mäßigend auf den deutschen Immobilienmarkt
gewirkt. Darüber hinaus ist die Kapitalmarktorientierung des deutschen Immobilienmarktes noch sehr gering. Dies zeigt sich vor allem an der geringen Bedeutung
von Immobilienaktiengesellschaften. Durch die Einführung von REITs könnte sich
jedoch zumindest mittelfristig die Lage ändern. Zudem ist davon auszugehen, dass
sich der deutsche Immobilienmarktzyklus im Zeitablauf wieder stärker an den
internationalen Zyklus angleicht.
113
Kapitel 6
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117
Kapitel
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Verhältnis von Neubau zum Wohnungsbestand in %
24
Abb. 2:
Der Wohnungsmarkt in Deutschland im Jahr 2006
30
Abb. 3:
Entwicklung der Baugenehmigungen und des Preisverhältnisses
von Bestandsimmobilien zu Neubauten (Q-Faktor)
46
Abb. 4:
Wohnfläche pro Person in m2
48
Abb. 5:
Entwicklung der Haushaltszahlen bis 2020
50
Abb. 6:
Entwicklung der langfristigen Zinsen
53
Abb. 7:
Entwicklung des Preis-Miet-Verhältnisses auf
dem westdeutschen Wohnungsmarkt
56
Abb. 8:
Risikostreuung durch Immobilien
70
Abb. 9:
Rendite-Risiko-Profile unterschiedlicher Anlageklassen
72
Abb. 10:
Beleihungswert und Marktwert im Vergleich
81
Abb. 11:
Emission von Mortgage Backed Securities (MBS) in Milliarden
US-Dollar und US-Leitzins in %
Abb. 12:
84
Neu ausgegebene Hypothekendarlehen in den USA nach
Kreditstandards in Milliarden US-Dollar
86
Abb. 13:
Immobilienrenditen und Inflation in Deutschland
97
Abb. 14:
Der immobilienwirtschaftliche Transmissionsmechanismus
Abb. 15:
Veränderung der britischen Hauspreise gegenüber
dem Vorjahresquartal
Abb. 16:
100
105
Jährliche Veränderung von Reihenhauspreisen
in Deutschland
111
119
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Gewinne aus der Immobiliensanierung in Geldeinheiten
27
Tabelle 2: Immobilieneigentümer – Geringere Wohnkosten
im Rentenalter
73
Tabelle 3: Ausgewählte Charakteristika der Immobilienmärkte
in Deutschland, Großbritannien und den USA
Tabelle 4: Phasen des Immobilienzyklus
120
103
106
Stichwortverzeichnis
A
Aktienmarkt 61
ALG II 37
Allokation 25
Altersvorsorge 72
Anleihen 80
Anleihenmarkt 61
Annuität 78
Annuitätendarlehen 78
Anpassungsprozess 55
Anreize 10
Ansatz
– hedonischer 21
– normativer 16
– positiver 16
Äquivalenzbeziehungen 34
Äquivalenzsteuer 35
Arbeitsteilung 11, 39
Asset Meltdown 49
Ausfallrisiko 84
Ausfallwahrscheinlichkeiten 80
Ausweichreaktion 33, 36
B
Banken 74
Belegungsrechte 41
Beleihungsauslauf 79, 85
Beleihungsgrenze 82
Beleihungswert 81
Bestandsmarkt 24, 45
Beteiligungsgesellschaft 38, 68
Beteiligungsmarkt 68
Blase, spekulative 108
Bodenwertsteuer 35
Bonität 74, 85
Bundeskartellamt 29
Bürobeschäftigte 58
Büroimmobilien 57
Bürokratien 39
Büromarkt 58
C
Cap-Darlehen 78
Commercial Mortgage Backed
Securities 83
D
Deckungsmasse 81
Deckungsstock 81
Deflation 92
De-Leveraging 79
Demografie 49
E
Effekte, externe 13, 25
Effizienz 17
Einflüsse, exogene 108
Einkommen 48
Einkommenselastizität 58
Einzelhandelsimmobilien 58
Einzelhandelsumsatz 58
Ersparnis 61
Existenzminimum 37
Exit-Tax 67
F
Finanzierung 62, 75
Finanzintermediäre 74
G
Gefangenen-Dilemma 26
Geldmenge 15, 91
Geldpolitik 15, 91, 100
Geldschöpfungsmultiplikator 93
121
Stichwortverzeichnis
Geldwertstabilität 15, 91
Gemeinnützigkeit 40
Gerechtigkeit 17, 34
Gewerbeimmobilien 57
Grenzbetrachtungen 10
Grunderwerbsteuer 25
Gutachterausschüsse 21
Güter
– homogene 19
– öffentliche 39
H
Hand, unsichtbare 12
Hartz IV 37
Hypothekendarlehen 52, 76
122
I
Immobilienaktiengesellschaften 65
Immobilienangebot 45
Immobilienfonds
– geschlossene 63
– offene 64
Immobilienmarkt 60
Immobiliennachfrage 47
Immobilienpreisindizes 44
Immobilienzyklen 106
Inflation 15, 83, 92, 94
Inflationsschutz 96
Information, asymmetrische 20, 22, 88
Initiator 63
Insolvenz 107
Investitionen 60
Investmentgesetz 64
K
Kapitalanlagegesellschaft 64
Kapitalbindung 24
Kapitalmarkt 60, 74, 80
Klumpenrisiko 25
Konjunktur 14, 106
Konjunkturzyklus 106
Konsumgut 48
Konsumpläne 25
Kostenvorteile, komparative 11
Kreditkanal 101
Kreditklemme 93
Kreditmarkt 74
L
Leerstand 45
Leistungsfähigkeitsprinzip 34
Liquiditätsschwemme 68
Lock-in-Effekt 36
M
Makler 21
Marktgleichgewicht 54
Marktmacht 28
Marktungleichgewicht 24
Marktunvollkommenheit 13, 19
Marktversagen 42
Marktwirtschaft 12
Matching-Problem 20, 45
Mieten 50
Mietrecht 32
Mietstopp 42
Monopol 28
Mortgage Backed Securities 82
Mortgage Equity Withdrawal 101
N
Nutzungsdauer 24
O
Offenmarktgeschäfte 93
Offenmarktpolitik 94
Oligopol 29
Opportunitätskosten 9, 21
Stichwortverzeichnis
P
Pfandbriefe 80
Phillips-Kurve 16, 94
Planungsrecht 31
Planwirtschaft 12
Portfoliotheorie 69
Preismechanismus 13
Preis-Miet-Relation 55
Preisniveaustabilität 94
Preisrelation 55
Preistrend 44
Prinzipal-Agenten-Probleme 88
Private-Equity-Gesellschaft 68
Produktivität 14
R
Rating 62
Real Estate Investment Trusts 65
Rechtssicherheit 31
Refinanzierung 80
Regulierung 11
Renditen 21
Rentenversicherung 73
Reservesatz 93
Rezession 83, 106
Risiko, moralisches 23
Risikoprämie 61
S
Schuldverschreibungen 80
Segregation 42
Selektion, adverse 22, 74
Skaleneffekte 84
Sondertilgung 78
Spezialfonds 65
Spezialisierungen 11
Staatsversagen 43
Stadtumbauprogramm 28
Steuern 33
Steuerprivilegien 35
Subprime 83
Subventionen 36
Suchkosten 21
Such- und Informationskosten 20
T
Tilgung 78
Time-Lags 107
Tobin-Q 46
Traglast 35
Transaktionskosten 25
Transmissionsmechanismus 102
U
Umlaufgeschwindigkeit 91
Umverteilung 95
V
Veräußerungsgewinnsteuer 67
Verbraucherpreisindex 90
Verbriefung 82, 84
Vermögenseffekt 101
Volatilität 51, 58, 71, 76, 104, 112
Vorfälligkeitsentschädigung 76
W
Wettbewerb 18, 29
Wirtschaftswachstum 14
Wohneigentumsbildung 50
Wohneigentumsquote 112
Wohnfläche 48
Wohngeld 37
Wohnungsgesellschaft 38
Z
Zahlungsproblem 41
Zentralbank 15
Zielkonflikte 9
Zinsen 51, 61, 76
Zugangsproblem 41
123
Kapitel
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Volkswirtschaftliches
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