Excerptum ex ARCH IVT]M HISTORIAE PONTIFICIAE 33 1995 PONTIFICIA UNIVERSITAS GREGORIANA FACULTAS HISTORIAE ECCLESIASTICAE ROMAE ELISABETH KOVÁCS ÖSTERREICH-UNGARN AUS DER SICHT DES VATIKANS: DIE INSTRUKTION FÜR DEN APOSTOLISCHEN NUNTIUS IN WIEN, TEODORO VALFRÈ DI BONZO, VOM SOMMER 1916 Sommaire. L'instruction du nonce Théodore Valfrè di Bonzo éclai¡e de façon prégnante la situation de ]a -monarchie austro-hongroise dans la troisième année _de la première guerre mondiale. Elle informe su¡ l'ensemble ães problèmes en relation avec l'Église et l'Etat et sur les bulwark of Christianity in Europe*. Am 14. September 1916 ernannte Papst Benedikt XV. den Bischof von como und Vercelli, Teodoro valfTè di Bonzo, zum Apostolischen Nuntius in Wien und zum Titularerzbischof von Trebisonda 1. Die Nuntiatur am Habsbur* Abkürzungen: : : : : : : HHSTA : PA AA : AE A.S.V. AVA BAR DAS DBA Archivio Affa¡i Ecclesiastici Straordina¡ü, Vatikan Archivio Segreto Vaticano, Vatikan Allgemeines Verwaltungsarchiv, Wien Schweizerisches Bundesarchiv, Bern Diözesanarchiv, Salzburg Deutsches Bundesa¡chiv, Koblenz Haus- Hof- und Staatsarchiv, Wien Politisches A¡chiv des Auswärtigen Amtes, Bonn SSt TS ENcBr-Habsb Austria 8-1918,ll' Wien 1960' 9/8, hrsg. v' -.f y'res, Konfessionen, Wien 1 985. Adam Wien 1980; IV: Di¿ 276 ELISABETH KOVÁCS gerhof besaß damals immer noch den ersten Rang vor allen anderen Nuntiaturen der Welt, sie war die bedeutendste diplomatische Repräsentanz des Heiligen Stuhles 2. Es erstaunte die Beobachter der vatikanischen Politik, daß Papst Benedikt XV. mitten im ersten Weltkrieg bei der Umbesetzung der Wiener Nuntiatur keinen Berufsdiplomaten als seinen Vertreter auf diesen so wichtigen Platz sandte. Man rätselte nach Motiven für diese Entscheidung. Hatten die Intrigen, mit denen man gegen die Berufung des Apostolischen Nuntius von Brasilien, Mons. Giuseppe Aversa, nach Wien sturmgelaufen war, nden Papst ermüdet?> War es der andere Kurs Benedikts XV., der jene Prälaten, die unter Pius X. oabsichtlich in die Eckeo gestellt worden waren, nun rehabili tierte? Oder war es vielleicht die persönliche Verbindung Valfrès mit dem italienischen Königshaus, die den Papst bewegte, gegen vatikanische Tendenzen, die lieber den Vertreter eines neutralen Landes als einen Italiener gesehen hät- ten, einen "Chiesa Nummer zwei, klug, ruhig, taktvoll und mit italienischer Seele" nach Wien zu senden? 3 Aversa galt als fåihigster Diplomat des Vatikans, man nahm an, daß er bei eventuellen Friedensverhandlungen zweifellos eine wichtige Rolle spielen könnte. Aversa wurde am 16. Dezember 191ó, kaum drei Wochen nach dem Tod Kaiser Franz Josephs I. nach München als Nachfolger von Kardinal Andreas Frtfüwirth, auf die für den Heiligen Stuhl strategisch nicht weniger wichtige Nuntiatur versetzt. Bereits im Herbst 1916 war Eugenio Pacelli, damals Unterstaatssekretär, im Gespräch füLr die Münchener Nuntiatur gewesen, die er dann nach dem Tod Aversas (17. April 1.91.7), arn 20. April 1917 erhielta. Vor diesen Revierments konzipierte man im päpstlichen Staatssekretariat Instruktionen für ValfTè di Bonzo. An ihnen arbeiteten die beiden Unterdie staatssekretäre Federico Tedeschini und Eugenio Pacelli, deren Handschriften das uns vorliegende Konzept von 20 Kapiteln ausweist s. ländische Gesinnung des Genannten und besonders seine Anhåinglichkeit an das Haus Savoyen". HHSTA, PA XI, 255, Der Gesandte Solkon¡izs ftir den österr.-ungar. a.o. Gesandten beim Heiligen Stuhl- Moritz Graf Pálffy von Erdöd, an Baron Stephan Burian, Minister des k.u.k. Hauses und des Äußeren, Bern, 191ó September 19: "..., daß der Nachfolger Kardinal Scapinelli's über eine etwas weit verzweigte Verwandtschaft in militåirischen Kreisen verfügt... r. 2 AE, Austria 527, Prot.20.387 (undatiert), "Istmzione per Mons. Teodoro Vaìfrè di Bonzo, Nunzio Apostolico di Austria-Ungheria", Einleitung. 3 DBA, N¿ 97/41 (: NL Matthias Erzberger), und PAAA, Pcipstlicher Stuhl 4, Bd. 10, Chur, 191ó September 19,Franz Edler von Stockhammern, Geheimer Legationsrat, an Theodor von Bethmann-Hollweg, Konfidetenbericht des Herrn 99. Nach Wilhelm Pmw, Beiträge zur Ge- schichte der Deutsch-Vatikanischen Beziehungen in den letzten lahrzehnten, Berln 1942,56, war oDieser Herr '99' einer der vier Großwr-i¡denträger des Großorients von Rom, ... er war der amtliche Redner bei allen offiziellen Veranstaltungen des Großorients. 1904 schied er aus dem Großbeamtenkörper aus, unterhielt aber auch weiterhin rege Beziehungen zu den maßgebenden Persönìichkeiten der italienischen (sowohl der offiziellen, wie auch der dissidierenden) und ausländischen Freimaurerein. a D¡ M¡ncur (wie Anm. 1), 59; HHSTA, PA X[,255, Bern, 1919 September 19, Solkon¡izs an Burián; Credentiale für Eugenio Pacelli: A.S.V., Epistolae ad Principes, Pos. e Minute 163, fol. 14, Rom, 1917 April 20. s ÃF,, Austria 527, ProI.20.387 (undatierl und unfolüert); o¡ M¡ncnr, 240. Federico Tedeschini wurde am 31. März 1921 Apostolischer Nuntius in Spanien. -_ OSTERREICH-UNGARN ÀUS DER SICHT DES VATTKANS 277 Pacelli schrieb eigenhåindig das große erste Kapitel über die staatskirchliche Gesetzgebung in Österreich-Ungarn, er verfaßte die Kapitel über "Die Låinder der deutschen Krone" (über die Christlichsoziale Partei, die Katholische Aktion, über die Los-von Rom-Bewegung und den Abfall von der katholischen Kirche in österreich), jenes über die Katholische Autonomie in Ungarn und Bemerkungen und Zusätze zu Kapitel XV: "Der Heilige Stuhl und der österreichisch-ungarische Krieg". Alle anderen Texte stammen von Tedeschini und einem uns unbekannten Schreiber. auf Nuntiaturberichten vergangener Die Instruktion Valfrès - basierend Abhandlungen, Presseinformationen und Jahrzehnte, kirchenrechtlichen widersprüchlicher Beziehungen päpstlichen Enuntiationen6 - bietet ein Bild zwischen der Österreichisch-ungarischen Monarchie und dem Heiligen Stuhl. In der Einleitung wird dem neuen Nuntius die Bedeutung seiner Mission vor Augen gestellt. Er hätte seine Aufmerksamkeit auf die religiösen und moralischen Interessen der katholischen Kirche des Habsburgerreiches zu lenken, das im europáischen Krieg "das bedeutendste Bollwerk der christlichen Religion geblieben isb. Pacelli beginnt das erste Kapitel über die staatskirchliche Gesetzgebung mit einer kurzen Darstellung des Josephinismus, der "die Kirche der Omnipotenz des Staates> unterworfen und der mit der Annahme des Westfåilischen Friedens (1ó48) die Grundlage ftir die Toleranzgesetzgebung geschaffen hätte (1781). Er spricht dann über das Konkordat von 1855, und über das Wiederaufleben des 'Josephinismus" seit 186ó?. Österreich-Ungam sei Typus des paritätischen Staates und trotz der Mehrheit der katholischen Bevölkerung würde in der österreichischen Verfassung auf die katholische Religion keine besondere Rücksicht genommen. Sehr ausfli]rlich besprach Pacelli die Maigesetze von 18ó8 (Ehegesetz, Schulgesetz und interkonfessionelles Gesetz) und die Auflösung des Konkordates (1870). Er unterzog die konfessionellen Gesetze von 1874 einer scharfen Kritik (sie beruhten auf dem Prinzip der unbegrenzten Macht des Staates und auf seinem Recht, Einfluß auf Religionsangelegenheiten zu nehmen. Theoreó Janos BOREDv, "Einige Bemerkungen zur Abhandlung von Dr. Reiner über die Besetzung der Bisthümer in Ungarn": Archit fùr katholisches Kirchenrecht 61 (1889) 44-46; Pü IX Pontificis Maximi Acta, Parc I, Vol. IV, Roma 1857 (Reprint: Graz 197 l), 407ff. 7 Pacelli übersieht den Unterschied zwischen dem 'Josephinismus' als staatskirchlicher Gesetzgebung des späten 18. Jahrhunderts und den konfessionellen Gesetzen des Liberalismus im 19. Jahrhundert. Diese beriefen sich zwar auf Joseph II., strebten aber nach einer Trennung von Staat r¡nd Kirche, wåihrend Joseph II. die Integration der Kirche in den Staat zum Wohl des Staates versuchte. Interessanterweise kultivierte man beim Heiligen Stuìl den Begriff 'Josephinismus' bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, mit dem man die spätere konfessionelle Gesetzgebung identifizierte. Daraus erklåirt sich u.a. die kontroversielle Sicht des 'Josephinismus' in der Historiographie des 18. Jah¡hunderts. Dazu: Elisabeth KovÁcs, "Giuseppinismo" , in Dizionario degli Istituti di Perfezione-IY, Roma 1977, Sp. ó11-ó15; oIns., "Was ist Josephinismus?", in Osterreich zut Zeit Kaiser Josephs IL Mitregent Kaiserin Maria Theresias, Kaiser und Landesfürst (Katalog des Niederösterr. Landesmuseums, n.F.95), Wien 1980, 24-30, rÍttt dort angegebener Literatur; "Der Josephinismus", tn Ausgewrihlte Quellen zur Geschichte der theresianisch-josephinischen Reþrmen, hrsg. v. Harm Kruprrxc (Ausgewåihlte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Frefüerr vom Stein-Gedächtnisausgabe, XIIa), Darmstadt 1995; vgl. auch unten S.335-349. 278 ELISABETH KOVÁCS tisch seien die österreichischen Kultusgesetze von 1874 den preußischen Kulturkampfgesetzen gleichzustellen, ihre praktische Durchftihrung würde jedoch von der Kooperation des Episkopates mit dem Heiligen Stuhl gemildert. In österreich existiere der praktische Josephinismus, obwohl sich die Regierung gegenüber der Kirche respektvoll verhalte. Dies sei die Ursache (warum die Zustlinde in der Kirche schlechter sind als man glaubtr, denn um nicht die Gunst der Machthaber zu verlieren, leisteten Klerus und Katholiken nicht jenen Widerstand, den sie leisten sollten. Ein Gesetzesentwurf zugunsten der Ehescheidung in Österreich, zu Beginn des Jahres 1906 vorgelegt, war von einer päpstlichen Intervention blockiert worden. Kaiser Franz Joseph I. hätte am 13. Ill.árz 1906 dem Papst versichert, er würde einem solchen Gesetz nicht zustimmens. Ausführlich und kritisch stellt Pacelli das ungarische Patronatsrecht dar, nach dem der König ein besonderes Schutzrecht für die Religion, für die katholische Kirche und ihre Organisationen besäße. Er könnte Diözesen errich- ten, Bischöfe ernennen, ihnen Benefizien übertragen, bischöfliche Koadjutoren mit dem Recht der Nachfolge, Äbte, Pröpste und Titularpröpste einsetzen. oEs ist kaum notwendig zu bemerken, daß diese übermäßigen Zuschreibungen, die man dem ungarischen König als oberstem Patron zugestehen will, eine völlige Dienerschaft der Kirche und ihre gaîze Abhängigkeit von der weltlichen Macht bedeuten. Dies alles ist ohne juridisches Fundament, e. Bis 1848 sei in Ungarn das kanonische Recht Teil der Verfassung gewesen. Seit damals hätte eine tiefgreifende Veränderung stattgefunden und nach Auffassung des Heiligen Stuhles hätte das Konkordat auch in Ungarn gegolten. Seit 18ó8 wurden in Ungarn Gesetze (gegen die Rechte und gegen die Freiheit der Kirche" promulgiert, besonders bezüglich des Konfessionswechsels in gemischten Ehen und i.iber deren Scheidung. 1894 wurde auch die Zivilehe eingeftihrt to. Am 3. Dezember 1905 erließ der Landtag von Zagreb (Sabor) ein interkonfessionelles Gesetz mit Zustimmung des Erzbischofs Jurij (Georg) Posilovic (1894-1914), das das Heilige Offizium am 18. März 1908 verwarf. nDeswegen sind die Bischöfe und die Katholiken Slavoniens verpflichtet, alles zu unternehmen und zu insistieren, ... daß dieses unglückselige Gesetz zurückgenommen oder wenigstens von Grund auf geåindert wirdr. Es ist fünen verboten, an der Durchführung des geltenden Gesetzes mitzuwirken, vornehmlich bei der katholischen Erziehung von Kindern aus gemischten Ehen oder bei Konversionen zur katholischen Kirche. Der Widerstand der Katholiken gegen dieses Ge- 8 Peter L¡Iscut¡tc, "Die Römisch-Katholische Kirche in Cisleithanien" in Habsburgermonar, chie lV , l-247 . e Johann Csnn¡,¡ocn, "Das Wah-l- und Ernennungsrecht bezüglich der Bischöfe und höheren Prälaten in Ungarn": Archiu fùr katholisches Kirchenrecht 51 (1984) 138-140; Stephanus SIros, Enchiridion luris Canonici, Romae 1954, 905 (Register: Rex Hungariae). r0 Moritz CsÁrv, "Die Römisch-Katholische Kirche i¡ Ungarn", in HabsburgermonarchielY, 248-331. OSTERREICH-UNGARN AUs DER SICHT DES VATIKANS )10 setz sei religiös begründet, 'obedire opportet magis Deo quam hominibus', man muß Gott mehr gehorchen als den Menschenlr. Die Kapitel zwei bis fünf dieser Instruktion beziehen sich auf die kirchlichen Zustände und Probleme in den LZindern der Deutschen Krone. Zunächst wurde der Nuntius zu großer Wachsamkeit über die religiösen Orden aufgerufen, deren strenge Disziplin verschiedentlich zu wünschen übrig ließ. Einige Bi schöfe hatten der Lockerung der päpstlichen Klausur zugestimmt. Erwåihnt werden die Konvente der Unbeschuhten Karmeliten, der Piaristen und der Barnabiten in Wien, solche von Serviten und Minoriten 12. In seinem Exkurs über die Christlichsoziale Partei schrieb Pacelli, daß es das Ziel Dr. Karl Luegers gewesen sei, "Wien von der präpotenten Vorherrschaft der Juden zu erlösen... Diese Partei, aus heterogenen Elementen gebil- det", sei ideologisch und in ihren religiösen Auffassungen heterogen. "Alle sind sich darin einig, daß sie sich vom hebräischen Joch, besonders vom finanziellen befreien wollen... Das große heutige Wien ist das Werk Luegers und es ist allein sein Werk, daß die Schulen in Niederösterreich katholisch sind". Nach Luegers Tod sei die Partei unter Korruptionsverdacht geraten. Es kam zu Spaltungen und die Konkurrenz des Sozialismus, der während des Krieges beim Volk viele Sympathien gewonnen hatte, gäbe zu großer Sorge Anlaß 13. Im Kapitel vier <Die Katholische Aktion" stellt Pacelli fest, daß die österreichischen Katholiken zum Großteil noch kirchentreu seien. Es fehle aber der Bevölkerung die nattirliche Fåihigkeit des Ernstes und der Beståindigkeit, sich analog zu den deutschen Katholiken zu organisieren. Die nationale Frage sei so hochgespielt, daß sie die Katholiken Geistliche wie Laien über die reli- für die Existenz der - katholischen giösen Interessen stellten. Der beste Garant Kirche sei noch immer die Herrschaft der habsburgischen Dynastie. Höchste Aufmerksamkeit sei deshalb auf die Bischofsernennungen zu richten la. Es seien nur solche hiester zu ernennen, die ihr eigenes Land und füre eigene Sprache liebten und die die Interessen der Religion über jene der Nationalität stellten. Sie sollten fähig seien, die Serie von kirchlichen Organisationen in der Katholischen Aktion zu vereinigen. Die Sterilität der Katholischen Aktion in Österreich sei durch die Rivalität von Adel und Bürgertum verursacht. Die Aristokratie beanspruche die Repräsentation der katholischen Organisationen und verweigere die Kooperation, wi.iLrde man sie ihr nicht zugestehen. Sie überließe, zur Vertretung nominiert, rr Dieses Gesetz wr-rde am 17. Jåinner 1906 zw Regelung der interkonfessionellen Angelegenheiten im füist der Parität zwischen den Konfessionen im Sabor beschlossen, obwohl in der katholischen Offentlichkeit dagegen scharfe Vorwü¡fe erhoben wu¡den. Vgl. Ivan VIrEzrc, "Die Römisch-Katholische Kirche bei den Kroaten", in Habsburgermonarchie I\l , 379. t2 AE, Austria 527, Prot. 20.387 , "II. Ordini Religiosi in Austria Ungheria". t3 AE, Austria 527, Prot. 20.387, "[I. Il Pa¡tito cristiano-socia]e". ta Max Hussen¡r voN HeIt.¡L¡Itt, "Zum Tatbestande des landesftirstlichen Nominations- und Bestätigungsrechts füLr Bistürner in Osterreich 1848-1918": Zeitschr. d. Savigny-stiftung für Rechtsgeschichte 47, Kan. Abtlg. 16 (1927) 181-252. 280 ELISABETH KOVÁCS den BüLrgerlichen Arbeit und Mi.iLhe und erzeuge soziale Spanungen. Die Hegemonie der katholischen Nobilität müsse jedenfalls beseitigt werden, man möge das deutsche Modell der Zentrumspartei nachahmen, in der sich nMitglieder des höchsten und âltesten Adels unter Bürgerliche und Arbeiter mischen'. Sie überließen die Fi.ihrungsangelegenheiten kompetenten Persönlichkeiten und rs. begnügten sich mit Plätzen in der zweiten Reihe Anschließend besprach Pacelli die Konflikte zwischen den Konservativen und d.en Christlichsozialen in Österreich, sie wi.irden Schlag- und Stoßkraft katholischer Politiker gegenüber Liberalen und Sozialisten schwächen. 'Es wä¡e sehr zu wünschen, daß sich alle wahren Katholiken vereinigen, wenn nicht in einer Partei, so doch in einer stabilen Union. Würden die Bischöfe, eine solche 1912 verstorbenen Bischof Joseph Altenweisel, auf die Konflikte zwischen den 16. Nachdem der Konservativen und Christlichsozialen in der Diözese Brixen Sozialismus im Habsburgerreich große Fortschritte mache und dessen alte Geschichte zu zerstören drohe, sei es vordringlich, die katholischen Arbeiterorganisationen zu intensivieren. Gegenüber dem kirchenfeindlichen Einfluß des Liberalismus mtißte den katholischen Studenten die größte Sorge gelten. Sie seien Opfer ihrer liberalen Kollegen, die fürerseits von den Professolen und der Presse gestützt würden. In diesem Zusammenhang richtet sich die Instruktion auf die Beschreibung der österreichischen Presse (Neue Freie Presse), in der der "jüdisch-frei maurerische" Einfluß dominiere. Die okatholischen Tageszeitungen Reichspost und. Vateiland sind nicht auf dem Niveau der Sache, die sie verfechten". Es fehle eine katholische Tageszeitung. Die Reichspost, das Organ der Christlichsozialen sei antisemitisch, antimassonisch und antütalienisch, sie wurde während des Krieges militaristisch r7. In Wien sei das Modell der Großstadtseelsorge sehr positiv in Angriff genommen worden, es habe sich auch eine Vereinig.rtrg ,.,* Bau von Notgottesdienststätten zusalnmengefunden, um die seelÀorglichen Bedingungen in der übervölkerten Stadt zu verbessernrE. ÖSTERREICH-UNGÀRN ÀUS DER SICHT DES VATIKANS 281 Nochmals kam der Unterstaatssekretär auf die kirchliche Situation in Tirol zu sprechen, in der sich Bischof Josef Altenweisel (Brixen) gegenüber der Christlichsozialen Partei sehr ablehnend verhalten hatte. Der Nuntius sollte die katholischen Kräfte im Habsburgerreich systematisch ermutigen, den Episkopat lebhaft für die Katholische Aktion interessieren. Er solle darüber wachen, daß die Katholische Aktion mit der Doktrin der Kirche und mit der Leitung des Heiligen Stuhles konform ginge, daß sie nicht in die Hände von liberalen und antirömisch gesinnten Menschen fiele. Sehr ausführlich spricht das ftinfte Kapitel über die Los-von Rom-Bewegung, die eine Union der Deutschen Österreichs mit dem evangelischen Deutschland nach dem Ideal Bismarcks herbeiführen wollte. Es weist auf die Agitationen des Gustav-Adolf-Vereines mit seiner antirömischen Propaganda in Verbindung mit den Pangermanisten hin. Obwohl die Wirkung der Los-von Rom-Bewegung nachlasse, füge sie der katholischen Kirche beträchtlichen Schaden zure. Nach dem Nuntiaturbericht Belmontes vom 28. Oktober 1907 lagen die Ursachen für die Übertritte von Katholiken zur evangelischen und zur altkatholischen Kirche Österreichs in der Unzulåinglichkeit des Religionsunterrichtes, in fehlenden Kirchen in den Großstädten, in der Isolation der Dörfer und in der Nachlàissigkeit einiger Bischöfè beim Ansuchen um Dispensen ftir Mischehen. Damals war Belmonte angewiesen worden, die Bischöfe diesbezüglich streng zu ermahnen. Sie wären, gegenüber der Regierung zu servil. <Die Bischöfe, ... können ihre Stimme erheben und Maßnahmen gegen den Protestantismus treffen; aber sie werden gescholten von den Liberalen in der Kammer, oder das Ministerium ruft die Bischöfe zur Ordnung, und es ist unmöglich, das zu verhindern". Bei den zukünftigen Bischofsernennungen müßte man apostolische Måinner wählen, die die katholische Religion besser vertei- digten 20. Verschiedene katholische Vereine, besonders der Bonifatiusverein, der in Wien öffentliche Veranstaltungen abgehalten hätte, arbeiteten gegen die Los-von Rom-Bewegung und versuchten energisch, ihre Attacken gegen Religion und Vaterland zu parieren. Ttotz anhaltender Propaganda der GustavAdolf-Vereine schien die Los-von Rom-Bewegung in Österreich eingedåimmt. Mit ihrer antirömischen Tendenz breitete sie sich nun in Böhmen und Måihren aus, wo die katholische Kirche vom deutschen Protestantismus und vom nationalen Hussitismus geschädigt wijrde 21. Analog zur Deskription der österreichischen Kirche beziehen sich fïinf weitere Kapitel der Instruktion Valfrès auf die Kirche in Ungarn und auf füre Verflochtenheit mit den Gläubigen des östlichen Ritus, des armenischen, des griete Friedrich Gorr¡s, "Die Geschichte des Protestantismus in der Habsburgermonarchie", in IV, 386-390. Hab sbur germonarchie 20 Zuden Bischofsernennungen: Habsburgermonarchie IV, 844 (Register: Nomination, No- minationsrecht). 2r Futtotn, Vom Gestern ins Heute (wie Anm. l7),215-231; Gorms, "Geschichte des Protestantismus" (wie Anm. 19), 588-591. 282 ELISABETH KOVÁCS chisch-rumänischen und des griechisch-ruthenischen Ritus. Diese uOstchristen, lebten innerhalb der Grenzen Ungarns in Kroatien und Siebenbürgen, über die Grenzen Ungarns hinweg in Galizien und in der Bukowina22. Ausführlich behandelt das Kapitel VI die Autonomie der katholischen Kirche in Ungarn23. Angesichts des Patronats- und Präsentationsrechtes des Königs, der Parität mit Protestanten (seit 1790/92) und Griechisch-Orthodoxen (seit 1848 und 18ó8), begannen auch die ungarischen Katholiken von Autonomie zu sprechen. Den anderen christlichen Konfessionen war die weitgehende Autonomie von der ungarischen Regierung bei der Ernennung fürer Priester, bei der Leitung fürer Schulen und bei der Verwaltung ihrer religiösen Stiftungen gewährt. Deshalb ordnete der König 1870 die Wahl von Respräsentanten an. Sie erarbeiteten einen Autonomieplan (187 1), in dem die Laien (ein unzul2issiges Übergewicht in der katholischen Kirche, erhielten. 1895 und in den darauf folgenden Jahren wurden andere Pläne erstellt, die den Laien ebenfalls eine <übermZißige Einmischungo in kirchliche Belange zugestanden. Der Heilige Stuhl nverabsäumte es nicht, dem ungarischen Episkopat seine Meinung in dieser Angelegenheit zw Kenntnis zu bringen. Er stellte fest, daß der katholischen Kirche durch göttliches Recht die vollståindige Autonomie zustehe, die in Ungarn umsomehr Anerkennung hätte finden müssen, damit der Katholizismus nicht unterhalb der sieben 'Andersgläubigen' rangiere,. Der Heilige Stuhl würde den Plan der Katholischen Autonomie unweigerlich verurteilen. oln Anlehung an die heterodoxen Sekten, wi.irden Gewalt und kirchliche Rechtssprechung auf das Laientum übergehen und die Rechte des Römischen Pontifex und des Episkopates verletzt werdeno' Der Plan von Kt¡ltusminister Graf Albert Apponyi aus dem Jahr 1908 suchte eine administrative Vereinigung aller ungarischen Katholiken, jener des griechisch-rumåir¡ischen Ritus mit jenen des lateinischen Ritus. Die griechisch-rumänische Kirche Ungarns war vom Heiligen Stuhl und vom ungarischen öffentlichen Recht als separierte kirchliche Provinz anerkannt und dem Heiligen Stuhl direkt unter5¡sll¿. uAuf diese Weise wollte die Regierung den Rumåinen eine fürer nationalen Bindungen nehmenr. Sie wehrten sich dagegen und appellierten über die Wiener Nuntiatur an den Heiligen Stuhl, an den Kaiser und den ungarischen Episkopat. Im Jahr 1913 versuchte man nochmals, einen modifizierten Plan zur Katholischen Autonomie zu erarbeiten. Der Nuntius war' urn eine rasche lösung des seit langem anstehenden Problems bemüht, denn es war bei der zunehmenden Radikalisierung der Parteien notwendig, die Nutzung und Verwaltung des Kirchengutes zu sichern. Das hoblem blieb durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges ungelöst. Valfrè di Bonzo sollte die noch zu erstellenden Statuten einer Katholischen Autonomie in Ungarn beeinflussen, damit die Rechte von Heiligem Stuhl und ungarischem König gewahrt blieben. 22 Diözesen Crisio, Eperjes, Munkács, Hajdúdorog und in verschiedenen Klöstern des Basilianerordens. 23 AE, Austria 527, Prot. 20.387, "VI. Autonomia della Chiesa Cattoìica in Ungheria''; vgl' dazu auch: CsÁry, "Die Römisch-Katholische Kirche in Ungarn" (wie Anm. l0), 271-275' 305-306. lF__ OSTERREICH-UNGARN AUS DER SICHT DBS VATTKANS 283 Drei ausführliche Kapitel zum Thema der Kirche in Ungarn befassen sich mit den Ruthenen ('Rusnyny'), einem slawischen Volksstamm, der zersplittert sowohl in Teilen der Osterreichisch-ungarischen Monarchie (in Galizien, in nordungarischen Komitaten und in der Bukowina) als auch in Rußland (Karpathorußland) lebte. Die 'Rusnyny' (bis 1918 in der Österreichisch-ungarischen Monarchie offiziell als Ruthenen bezeichnet) veråinderten ihren Namen im allgemeinen Nationalisierungsprozeß des späten 19. und füihen 20. Jahrhunãerts in Ukrainer. Ein Teil der galizischen Ruthenen in der Österreichisch-ungarischen Monarchie entwickelten im Einflußbereich von russischer Orthodoxie und Panslawismus russophile Tendenzen2a. Gegen diese Propaganda wandte sich der andere Teil, die ukrainische Partei, und träumte von einer selbständigen, vereinigten Ukraine, einer Ruthenenprovinz innerhalb der Österreichisch-ungarischen Monarchie. Einer ihrer Führer war der Basilianermönch Monsignore Andrej Graf Szeptickyj, seit 1900 ruthenisch-griechischer Metropolit mit Sitz in Lemberg. In den Sommermona- ten des Ersten Weltkrieges wurde Szeptickyj nach dem Fall Lembergs (1,2.09.1914) von russischen Truppen gefangengenommen und am 30' September 1914 unter dem Titel eines politischen Agitators nach Rußland deportiert. Tatsächlich hatte der Metropolit am 15. August 1914 in Erwartung eines schnellen Sieges Osterreich.Ungalns über Rußland ein Memoriale verfaßt, in dem er die Vereinigung der gesamten Ukraine, füre Integration in die Habsburgermonarchie, wie ihre politische, juridische, soziale und religiöse Neuordnung forderte. Das Konzept dieses Promemoria, das er an die Österreichisch-ungarische Regierung übersandt hatte, war bei der Eroberung Lembergs von den russischen Truppen gefunden worden. Man begründete damit Szeptickyjs Deportation nach Rußland und seine strenge Gefangenschaft. Trotz vatikanischer, amerikanischer und spanischer Interventionen war Rußland nicht gewillt, Szeptickyj freizulassen2s. uAus den letzten beim Heiligen Stuhl eingelangten Nachrichten geht hervor, daß Monsignore Szeptickyj heute mehr denn je isoliert wird und daß es füm unmöglich ist, mit irgend jemandem Verbindung aufzunehmen. Außerdem, sagt man, sei sein Gesundheitszustand wegen der rigorosen Behandlung, der er in materieller wie in moralischer Hinsicht ausgesetzt ist, sehr schlechto. Der neue Nuntius ist aufgefordert, alles nur Erdenkliche zu unternehmen, urn Monsignore Szeptickyj zu helfen26' Mit dieser Symbiose konfessioneller und nationalistischer Tendenzen innerhalb der Habsburgermonarchie befassen sich auch die Kapitel 8 und 9 von Valfrès Instruktion, in denen man fün über die kirchenrechtlichen Forderungen der ungarischen griechisch-unierten Ruthenen in den Vereinigten Staaten Wolfdieter Brsl, ,,Die Ruthenen,', in Habsburgermonarchie llv2, 555-584; Emanuel Unierte", in H absbur germonatchie lV, 448-453. 2s Ambrosius Eszrn, "Der Diener Gottes Metropolit Andrej Szeptickyj und der Plan eines Katholischen Patriarchats der Ukraine": Die stille Schar. Iahrbuch der Gebetsliga, 1991,5-28, mit 2a TuRczyNSKr, "Orthodoxe und Abdruck des Promemoria. 26 AE, Austria 527, Mons. Szepticki" (sicl). Prot.20.387, "VII. Sui fedeli di rito orientale in Austria-Ungheria - 284 ELISABETH KOVÁCS und über den Gebrauch der ungarischen Sprache in fürer heiligen Liturgie informierte. In den USA lebten ca 400.000 bis 500.000 griechisch-unierte Ruthenen galizischer und ungarischer Herkunft. Die H2ilfte von ihnen war kirchlich organisiert und besuchte eigene Kirchen. Der Rest lebte verstreut, einige gingen in römisch-katholische (lateinische) Kirchen, andere wechselten zur griechischen Orthodoxie oder zum Protestantismus über, ndie meisten von ihnen bleiben der Kirche und den sakramenten in ritueller Hinsicht fern,. Nur wenige ruthenische Pfarren waren in der Nationalität ihrer Mitglieder einheitlich und unvermischt, ausschließlich galizisch oder rein ungarisch, die meisten waren gemischt. 1907 betraute der Heilige Stuhl mit seinem Dekret Ea semper den galizischen Prdlaten Ortynsky 27 mit der Seelsorge griechisch-unierter Ruthenen in den USA. Die Gläubigen ungarischer Nationalität protestierten gegen ihn als neuen Bischof. Man denuzierte Ortynsky als politischen Agenten Galiziens und Österreichs und wü,nschte einen eigenen ungarischen Prálaten für die Seelsorge der ungarischen Ruthenen2s. Tatsächlich waren die Beziehungen zwischen Ruthenen und galizischen Polen innerhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie sehr gespannt und, wie wir aus den Aufzeichntrngen des Thronfolgers Erzherzog carl Franz Joseph, des späteren Kaisers und Königs Karl, wissen, unterdrtickten die Polen die Ruthenen2e. In ihren Magyarisierungsimpulsen unterstützte die Budapester Regierung die Forderungen der ungarischen Ruthenen in den usA nach einem eigenen kirchlichen oberhaupt. Der Heilige stuhl lehnte ab. um seine Kompromißbereitschaft zu signalisieren, entzog er ortynsky der Judikatur der lateinischen Bischöfe in den Vereinigten Staaten und unterstellte fün direkt dem Heiligen Stuhl, dem Apostolischen Delegaten in den USA. Man schlug der ungarischen Regierung vor, Ortynsky einen ungarischen Generalvikar beizugeben. Budapest war damit nicht zufrieden. Man ersuchte nun, den ungarischen Generalvfüar zum Bischof zu erheben und präsentierte sogleich einen Kandidaten. über all diesen diplomatischen Schritten starb ortynsky und es stand nun ein Dreiervorschlag für die Neubesetzung fest. Ein Kanonikus aus dem Bistum Eperjes, ein ungarischer Ruthene, war erstgerefüt 30. Landeskirchliche Tendenzen waren bei den ungarischen Katholiken des griechisch-ruthenischen Ritus bis ins 17. Jahrhundert zurückzuverfolgen: man tendierte nach einem eigenen Episkopat und wollte die heilige Liturgie in der ungarischen Landessprache feiern. Diese Bestrebungen nahmen im Nationalisierungsprozeß des 19. Jahrhunderts zu. Der Klerus der griechischen Ruthenen in Ungarn begann um 1848 die heiligen Messen bis auf den Kanon ungarisch zu zelebrieren. Nach dem Ausgleich von 18ó7, dem Abschluß des neuen verfassungswerkes der Österreichisch-ungarischen Monarchie, der dem ungain fl., 30 Wie oben Anm. 29. OSTERREICH-UNGARN AUS DER SICHT DES VATIKANS 285 rischen Königreich staatliche Unabhängigkeit von den anderen habsburgi schen Kronlåindern zugestand, begann eine eigene Kommission, die liturgischen Bücher der griechischen Ruthenen in die ungarischen "Vulgåirspracheo zu übertragen und zu publizieren. Die griechisch-ruthenischen Bischöfe Ungarns w¿rren ohne Zustimmung und ohne Information des Heiligen Stuhles bei diesen liturgischen Neuerungen vorgegangen. Rom erfuhr aus den Zeitungen, daß am 27. Juni 189ó in der Budapester Universitätskirche ein feierlicher Gottesdienst nach griechisch-ruthenischem Ritus in ungarischer Sprache abgehalten worden war. Der Heilige Stuhl reagierte rasch (20.08.1896): Er bezeichnete das Abhalten der ungarischen Liturgie nals Mißbrauch, der nicht zu dulden wäre>, um die Bildung von Nationalkirchen zu vermeiden und um die Einheit der Kirche zu erhalten. Bereits wenige Wochen danach reagierte das Heilige Offizium am 02.09.189ó mit einem Verbot, die liturgi schen Bücher in ungarischer Sprache zu veröffentlichen und danach die Liturgie zu feiern. Nun wurden diese zweifellos pastoralen Unternehmungen zum kirchenpolitischen Problem, bei dem sich die ungarische Regierung für den griechischruthenischen Episkopat engagierte. Schließlich gelang nach zehnjåihrigem Schriftwechsel ein Kompromiß: der Heilige Stuhl errichtete am 8. Juni 1912 die neue Diözese Hajdúdorog ftir Gläubige des griechisch-ruthenischen Ritus in Ungarn. Er wollte mit dieser Diözesangründung "den säkulären Agitationen all jener magyarischen oder magyarisierenden Gläubigen" aus anderen ruthenischen oder rumänischen Diözesen ein Ende setzen. Denn die Ungarn unterstanden sehr ungern Bischöfen anderer nationaler Herkunft: die Budapester Regierung, ndie das alte Vorhaben, alles zu magyarisieren mit Zåihigkeit wei- ter betrieb und mehr oder weniger direkt den Mißbrauch der ungarischen Sprache in der hl. Liturgie förderteo, unterstützte diese Tendenzen gaaz offen. Nachdem Papst Pius X. die Diözese Hajdúdorog errichtet hatte, schrieb er ihr ndas Altgriechische als liturgische Sprache vor,. Er billigte den Priestern eine Frist von drei Jahren zur Erlernung der Sprache zu und ordnete an, daß sich "der ruthenischen oder rumänischen Sprache im Gottesdienst bedienteno. Die Rumåinen waren von Anfang an gegen die Errichtung der neuen Diözese, besonders, da einige fürer Pfarren Hajdúdorog eingegliedert werden sollten. Trotz kalmierender Bemi.ihungen des Heiligen Stulles nahm die Empörung der Rumänen darüber in ki.irzester Zeit außerordentlich zu. Sie verdiese in der Zwischenzeit weigerten dem neuen Bischof den Gehorsam. Die ungarische Regierung befürchtete den Einfluß panslawistischer und russophiler Tendenzen auf die Rumänen des griechisch-ruthenischen Ritus. Sie unterstüzte deshalb die ruthenischen Bischöfe rumänischer Nationalität, die eine Revision der Gründungsbulle von Hajdúdorog, Christi fideles, und die Ausgliederung der rumänischen Pfarren aus der neuen Diösese beantragten. Nun ordnete der Heilige Stuhl eine Untersuchung dieser Anträge an. Darüber brach der Krieg aus. Der Nuntius wurde aufgefordert, sofort nach Kriegsende sich diesem Problem zuzuwenden F,LISABETH KOVÁCS 286 und fifu den Druck der liturgischen Bücher in altgriechischer Sprache zu sorgen 31. Als letztes Kapitel über die ungarische Kirche behandelt Kapitel X die Katholische Volkspartei. Analog zur konservativen Partei in Österreich wurde in Ungarn die Katholische Volkspartei von der magyarischen Aristokratie unterstützt. Sie wollte in Koa-lition mit anderen Parteien die Regierung bekämpfen, falls sie deren Programm und Gesetzesvorlagen deren als ftir die Nation unhätte die ideologische gtiLnstig fand. Diese Koalition l9l2 vorangetrieben Grundlage der Katholischen Volkspartei zerstört. Deshalb stellte sich der Episkopat dagegen. Der Klerus leistete finanzielle Unterstützung, um die politischen Prinzipien der Katholischen Volkspartei aufrechtzuerhalten. Da konkrete Erfolge fehlten, wollte man diese finanzielle Förderung einstellen. Der Aufschwung der Sozialdemokratie, die bei den ungarischen Bauern und Arbeitern Zustimmung fand, schien eine radikale Reform und eine Neuorganisation der Katholischen Volkspartei zu gebieten. Ihr Reformprogramm sollte sich an den Prinzipien der christlichen Soziologie orientieren, um nden Sozialisten jene Waffe aus der Hand zu nehmen, derer sie sich bedienen, um die Massen zu täuscheno. Anhänger der Ungarischen Volkspartei würden mit der Christlichsozialen Partei Österreichs sympathisieren und mit deren Programm die Reform in Ungarn beginnen. Es sei jedoch darauf zu achten, daß die Mängel und Unzulåinglichkeiten der Christlichsozialen Partei Österreichs nicht auf Ungarn übertragen würden32. Bevor sich das päpstliche Staatssekretariat den kirchenpolitischen Problemen im Süden der Donaumonarchie zuwandte und die Ansichten des Heiligen Stuhles zum Ersten Weltkrieg darstellte, behandelte man in einem ku¡zen Kapitel die Bestimmungen der Haager Konventionen über die Ehescheidung zwischen Ausländern 33. Die Haager Konventionen basierten auf zivilem Eherecht und waren dem kirchlichen Eherecht entgegengesetzt. Nach der Haager Konvention II konnten Auslåinder eine Ehescheidung beantragen. "Dieses Privileg wird jedoch aufgehoben, wenn das Gesetz eines Staates sich das Recht, über eine Scheidung zu urteilen, vorbehált: das gilt fi.ir Österreich, wo die Gerichte nach der Konvention das Recht haben, über die Trennung von Ehen nach österreichischem Gesetz zu entscheideno3a. Im Juni 1913 protestierte der österreichische Episkopat durch den Kardinalerzbischof von Prag, Leo Graf 3t AF,, Austrio 527, Prot. 20.387 , "IX. Uso della lingua ungherese nella S. Liturgia. Erezione della nuova Diocesi di Hajdu-Dorogh" (sic!); Erika WEINZIERI, "Spannungen in der Osterreichisch-ungarischen Monarchie 1878-7914": in Handbuch der Kirchengeschichte, hrsg. v. Hubert J¡orN, IV, Freiburg 1973,54-55. 32 AF,, Austria 527,Pror.20.387, "X. Partito popolare cattolico in Ungheria"; CsÁKY, "Die Römisch-Katholische Ki¡che in Ungarn" (wie Anm. 10), 304-309, 317-320. 33 Die Haager Konventionen über Familien¡echt, Eheschließung, Ehescheidung, Wirkungen der Ehe, Vormundschaft und Entmündigung wurden 1902 und 1905 abgeschlossen' 3a AE, Austria 527, ProI.20.387 "XI. Convenzioni dell'Aja sulla forma del matrimonio e sul divorzio". Y OSTERREICH.UNGARN AUS DER SICHT DES VATTKÀNS 287 Skrbensky3s, gegen die Annahme der Haager Konventionen du¡ch das Herrenhaus. Falls diese Konventionen rechtliche Punkte beri.ihrten, die ausschließlich der Autorität der Kirche unterlägen, wiirden die Bischöfe an der Abstimmung nicht teilnehmen. Der Protest wurde zwar in der Sitzung verlesen und zu Protokoll gebracht, dessen ungeachtet nahm das Herrenhaus die Haager Konventionen in erster und zweiter læsung an. Diese gingen danach zur Debatte ins Abgeordnetenhaus und an den Kaiser zur Genehmigung'u. Den kirchenpolitischen Problemen im Süden der Monarchie, der z.T. vom Krieg betroffen war, und durch den sich die Linien der Fronten zogeru, sind die Kapitel XII (Dalmatien), XIII (Trient), XfV (Bosnien und die Herzegowina) gewidmet. Um ein objektives Bild zu gewinnen, erhielt Valfrè di Bonzo auch den Text des Konkordates, das der Heilige Stuhl mit Serbien abgeschlossen hatte 37. Die kirctrliche Situation Dalmatiens kristallisierte sich um den damaligen Bischof von Split, Mons. Anton Grivoje (Gjivoje). Obwohl bereits am 12. April 1915 aus uns unbekannten Grtinden vom Heiligen Stuhl abgesetzt und von Erzbischof Vinzentius Pulisics 38 zur Demission aufgefordert, resignierte Grivoje (Gjivoje) nicht. Er begründete seine Absetzung mit der Ungnade der Regierung, weil er der serbophilen Partei anhing. Kaiser Franz Joseph und der Kultusminister hatten der Absetzung von Grivoje (Gjivoje) zugestimmt. Noch war eine Pension fi.ir ihn beim Ministerium auszuhandeln. Auch dieses hoblem war vom Krieg eingeholt worden und liegen geblieben3e. In Bosnien und Herzegowina, das Österreich-Ungarn 1878 okkupiert, 1908 annektiert und dem Osmanischen Reich abgekauft hatte, ließen sich die Bewohner dieser Region, derselben Rasse angehörig, dieselbe Sprache spre- chend nin drei voneinander verschiedene Hauptgruppen einteilen, wobei die Kraft der Religion derart groß ist, daß die Konfession den Platz der Nationalität einnimmt". Die Katholiken nannten sich Kroaten, die Orthodoxen Serben und die Muselmanen Bosnier. 22,88o/o der Bevölkemng waren Katholiken, davon 9.000-10.000 im griechisch-ruthenischen Ritus. Der größere Teil der Bevölkerung, ca. 826.000, waren griechisch-orthodoxe Serben (mehr als 43o/o), 3s læo Graf Skrbensky, Kardinalerzbischof von Prag (1899-191ó), Pråisident der österreichischen Bischofskonferenz, protestierte mit seinem Sch¡eiben, Prag,20. Juni 1913. 36 28. Sitzung des Herrenhauses am 23. Juni 1913; vgJ. Stenographßche Protokolle über die Sitzungen des Herren- Hauses des Reichsrates 1911-1914, XXI. Session, Wien 1914, 571 (Brief des Prager Fti¡sterzbischofs), 580-583 : Sitzungsprotokoll. 37 AF,, Austria 527, Prot. 20.387 , "XIL Vescovo di Spalato; XIIL Questione del Vescovo di Trento Mons. Endrici; XW. Bosnia ed Erzegovina; XVII. Del Concordato Serbo". Das Konkordat mit Serbien wurde am 24. Jlrrri 1914 abgesctrlossen. Es wr:rden die Bistümer Belgrad und Skoplje errichtet. Bis l9l4 wurde Belgrad als Titula¡bistum herkömmlich an den Wefübischof von Agram (Zagreb) verliehen. Bis zum serbischen Konkordat unterstand die katholische Kirche dieses Gebietes dem Erzbischof von Agram (Zagreb). 38 Erzbischof Vinzentius Pulisics, 19 I 8- 1922 Erzbischof von Zadar (Zara). 3e Bischof Grivoje (Gjivoje) verstarb arn 27.02.1917; ihm folge der von Kaiser und König Karl im Einvernehmen mit Rom ernannte Georg Carió (1918-1921); vgl. dazu: AYA, Neuer Kultus, Präsidium 1918,ProT.2280 und 141ó, und AE, Austria 613,Prot.51.084, 60.996. 288 ELISABETH KOVÁCS ó00.000 bekannten sich zum Islam (ca. 32o/o). In der Regionalversammlung, die nach der Erwerbung von Bosnien und Herzegowina durch österreich-ungarn gebildet wurde, blieb das konfessionell-nationale Verhåiltnis 2:3:4. Die katholischen Kroaten hatten 2l , die bosnischen Muselmanen 29 und die orthodoxen Serben 3ó Sitze in diesem Parlament. Trotz ihrer schwäche waren die Katholiken gespalten: 1908 entstanden die Nationalkroatische und die Katholisch-Kroatische Partei, die in Presse und Nationalversammlung gegeneinander agitierten. Auch der Klerus war in diesen Konfljkt einbezogen. Die Franziskaner, die durch Jahrhunderte des Apostolats großen Einfluß auf die Bevölkerung hatten und der Apostolische vikar von Banjaluka, Mons. Markovics (Markovic) a0, standen auf Seiten der Nationalkroatischen Partei. Der Erzbischof von Sarajewo trat ftir die Kroatisch-Katholische Partei ein. Dieser Konflikt übertrug sich auf die Pfarren, die Franziskaner und weltpriester betreuten. Er übertrug sich auch auf die Frage der Kongrua, der staatlichen Besoldung des Klerus in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Franziskaner waren gegen die Kongrua, um das volk vor übermäßigen Belastungen zu schonen. Die weltpriester sahen in der Einflihrung der Kongrua eine Erleichterung ihrer Finanzsituation. Seit November 1910 suchte der vatikan, diese Problematik selbst auszugleichen. Don pietro Bastien, OSB, Professor an der Benediktiner Hochschule S. Anselmo in Rom, wurde im Dezember l9l2 als vatikanischer sondergesandter nach BosnienHerzegowina delegiert. Es gelang füm, die streitenden katholischen parteien einander näher zu bringen. schwieriger war die lösung des Pfarrproblems. Die situation der weltkleriker war finanziell angespannt, doch sie waren in der Minderzahl. Da die Franziskanerpfarren finanziell besser dotiert waren, suchte der Erzbischof von sarajewo, Mons. Josef stadler, diese mit seinem SZikularklerus zu besetzen. Der Heilige stuhl und die wiener Regierung wtinschten übereinstimmend Stadlers Resignation. Er hatte die finanzielle Verwaltung seiner Erzdiözese aus mangelnder Umsicht derangiert, sie in einen entsetzlichen Zustand versetzt. nHeute ist es füm untersagt, irgendeinen vertrag über kirchliche Güter ohne vorhergehende Zustimmung des Heiligen Stuhles oder des Apostolischen Nuntius in Wien abzuschließen, ar. Noch immer schwelte das Problem, den Zehent, mit dem die pfarren finanziert wurden, durch die Kongrua zu ersetzen. An Stelle von Naturalleistungen sollte die Bevölkerung die Kongrua mit einem r}o/oigen Zuschlag auf die direkten steuern mitfinanzieren, staatlicherseits verpflichtete man sich zu einer progressiven Jahreszulage von ó00 Kronen fürjeden Pfarrer, bei Resignation oder Invalidität zw zù:/rung einer ausreichenden Pension. Die Regierung a0 FranzMariaMarkovics(Markovic),TitularbischofvonDanabals8l-lgl2,WeihbischofvonSa- rajewo, Apostolischer Vikar für Banjaluka. t-t AE, Austria 527, ProL. 20.387, "XfV. Bosnia ed Erzegovina". Josef (Josip) Stadler, Erzbi schof von Sarajewo 1881-1918; ENctl--Jntosr lI, ll9-121: auch: Vrrezrc, Römisch-Katholische Ki¡che bei den Kroaten (wie Anm. lI), 362-367. OSTERREICH-UNGÀRN AUS DER SICHT DES VATIKANS 289 verlangte als Gegenleistung das Mitspracherecht bei Ernennung bzw. Absetzung der Pfarrer. Der Heilige Stuhl war gegen die Einführung der Kongrua. Man prüfte das Problem seit Måirz 1913 und meinte, daß die Kongrua die Konflikte zwischen Såikula¡- und Regularklerus nur vergrößerte. Im Gegensatz zu den anderen Konfessionen sollten die Katholiken höher besteuert werden, die anderen Konfessionen jedoch einen Zuschuß erhalten. Schließlich stellte die erwähnte Kongregation fest, daß udie Regierung als Gegenleistung exorbitante Rechte beanspruche, welche die Freiheit der Kirche noch weiter einschränken wiirdeo. Der Heilige Stuhl empfahl den bedi.irftigsten Pfarrern, sich um eine außerordentliche Unterstützung an die Zivilbehörden zu wenden, was auch Erfolg hatte. Diese Entscheidung des Vatikans löste beim Säkularklerus von Bosnien-Herzegowina eine deutliche Verstimmr¡ng aus. Benedikt XV., der am 5. September l9l4 nxn Papst gewàihlt worden war, versuchte, diesen Konflikt zu beruhigen, die Enscheidungen des Staatssekretariates als vorläufig da¡zustellen. Der Erzbischof von Sarajewo sollte die Gemüter beruhigen, alles weitere in iibereinstimmung mit P. Bastien erledigen. Dieser sollte die materiellen und moralischen Interessen der beiden klerikalen Parteien untersuchen und schützen. Im Oktober 1914, als die Fronten des Ersten Weltkrieges über den Balkan zogen, wurde P. Bastian nach Rom zurückberufen 42. Nach den Erzbischöfen und Bischöfen Szeptickyj, Grivoje (Gjivoje) und Stadler beschäftigte sich die Instruktion Valfrès mit dem letzten in Konflikte geratenen Bischof der Donaumonarchie, mit Celestino Endrici, dem Fürstbischof von Trienta3, der mit Kriegsausbruch vom geheimen Nachrichtendienst des Tiroler Armeeoberkommandos mehr und mehr überwacht wurde. Wien hatte Zweifel über Endricis patriotische Einstellung und ihn sogar als italianophil betrachtet, obwohl man seit 12 Jahren keine Handlung feststellen konnte, die den Bischof als Feind der Regierung denunzierte. Die Bindung des Klerus an den Bischof war so stark, daß einige seiner Mitglieder in schiefes Licht gerieten und interniert wurden. Von Seiten der Armee sie behauptete, der Bi- - italienischen Front schof hätte eine geheime Telefonverbindung mit der wurde die pastorale Tätigkeit Endricis sukzessive behindert. Seine Akten unterlagen seit dem Ausbruch des Krieges mit Italien der Zensur, seine Diözesanpublikationen, auch die päpstlichen Friedensaufrufe, fielen für zum Opfer. Er blieb in seinem Landhaus San Niccolò über Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft von Trient in höherem Auftrag konfiniert, am 1. März 191ó wurde er auf Befehl des Festungskommandos von Trient in San Niccolò interniert und unter militåirische Bewachung gestellt. Am 8. Mai 191ó kam er auf Wunsch des Kaisers nach Wien. Er war Gast des Wiener Erzbischofs und a2 AE, Austria 527, Prot. 20.387 , "XW. Bosnia ed Erzegovina". loc. cit., "XlI. Questione del Vescovo di Trento Mons. Endrici". A¡mando Cosr¡ -Erwin G¡rz, "End¡ici Celestino (18óó-1940), 1904-1940 Fürstbischof von Trient", tn Bischöfe der a3 deutschsprachigen Länder (wie Anm. 16), 169-172. 290 ELISABETH KOVÁCS sollte sich vor der Wiener Regierung verantworten aa. Nachdem die Konfrontation mit dem Vertreter des Ministers flir Kultus und Unterricht, Max Hussarek von Heinlein, unbefriedigend verlaufen war, wurde Endrici im Zisterzienserstift Heiligenkreuz bei Baden in Niederösterreich interniert. Endrici appellierte fortwährend an den Papst, Wien forderte mit kaiserlicher Zustimmung von diesem Endricis Absetzung. Seitdem er den bischöflichen Stuhl von Trient bestiegen hatte, betrachtete man ihn als Vertreter und Sprachrohr der oberitalienischen Irredenta. Im Gegensatz zu den anderen Bischöfen der Monarchie, weigerte er sich bei Kriegsausbruch, die Bevölkerung seiner Diözese mit einem Hirtenbrief patriotisch zu beeinflussen und antütalienische Kriegspropaganda zu betreiben. Man warf ihm vor, er habe eine Huldigungsadresse der Bevölkerung an Kaiser Franz Joseph verhindert, in seinem Priesterseminar die patriotische Einstellung zu österreich-Ungarn ungenügend gepflegt, ja sie sogar sabotiert, und die österreichfeindliche Zeiúng Giornale il Trento gefördert. Endrici betrachtete sich als Opfer udes Hasses einiger protestantischer Ztrkel" (vermutlich pangermanistischer Kreise, deren Propaganda er entgegengetreten war). Als Bischof hätte er sich im Krieg nicht öffentlich engagieren, sein Amt nicht in den Dienst der Politik stellen wollen. Die Unterlassung der Huldigungsadresse an den Kaiser erklärte er als Mißverständnis seiner pastoralen Bemi.ihungen, die beim italienischen Kriegsausbruch in Klerus und Gläubigen keinen Haß auslösen sollten. Endrici bezeichnete seine Verfolgung und jene der ihm anhängenden Geistlichen als "Physiognomie eines Kulturkampfeso. Würde man dem Wunsch, ihn abzusetzen, zustimmen, hätte sich der praktische 'Josephinismus' behauptet, und seine Diözese wäre das Opfer der (protestantischen Zirkel und Gesellschaften". Im August 1916lehnte Rom die defini tive Regelung der Causa Endrici als augenblicklich inopportun ab. In den Verhandlungen kam das Problem des Trienter Priesterseminars zur Sprache. Seit Kriegsbeginn waren die Trienter Alumnen in Innsbruck; das Gebäude des Priesterseminars war vom österreichisch-ungarischen Militär besetzt; man überlegte, wer die Priesterstudenten überwachen sollte. Endrici war ein sehr zäher und schwieriger Verhandlungspartner. Schließlich suchte man nach einem Kompromiß, mit neuen Generalvikaren fi.ir Trient und ftir die finanzielle Bedeckung der Alumnen. Die Leitung des Seminars sollte Endrici behalten. Auch der Kompromiß war noch unbefriedigt gelöst. ValfTè di Bonzo wurde instruiert, die sehr apostolische Tätigkeit Endricis so zu behandeln, aa Sehr ausführlìche Darstellung auf der Basis der Akten: Hans KRÂMER, "FüLrstbischof Dr. Cölestin Endrici von Trient": Mitteilungen d.es 7; DAS, Nachlali Sigismund Waitz, Franz Joseph in schwerster Zeit. Sein Leben und Wirken nach nmaterial(Manuskript): Kapitel V,/c: "Frontbesuch 1915", 14-15: <Ich muß nun hier leider bemerken, daß die Stimmung im und daß unwahre Meldungen diese aubt, so zum Beispiel, daß er unter abe, mit deren Hilfe Berichte an die österreichischen Offizieren dieses Gebietes nur einen einzigen Offizier gefunden, der ein güLnstiges Urteiì über Bischof Endrici abgegeben hat und dieser war ein Italienisch-Ti¡oler". OSTERREICH.UNGARN ÀUS DER SICHT DES VATIKANS 291 die zivile Autorität sich nicht das Recht anmaße, das Verhalten eines Bi"daß schofs zu richten und ihn nur deswegen zu veru.rteilen, weil er den Zielen und Machenschaften fürer Politik nicht zustimmto as. Die Beziehungen des Heiligen Stuhles zur Donaumonarchie seien seit dem Kriegsausbruch zwischen Osterreich-Ungaln und Italien sehr delikat, aus der Natur der Sache und wegen der Abberufung des österreichisch- ungarischen Botschafters beim Heiligen Stuhl, aber auch die Situation des Nuntius in Wien selbst sei schwieriger geworden, ist im Kapitel XV nDer Heilige Stuhl und der österreichisch-italienische Kriego zu lesen. Monsignore Valfrè, dem unter diesen Umständen höchste Klugheit und Wachsamkeit empfohlen wurde, sollte wissen, daß der Heilige Stuhl alles unternommen hätte, um den Ein- abzuwenden. Er hatte alles in seinen Möglichkeiten Stehende versucht, die italienische Regierung in fürer Neutralität zu erhalten. Der Heilige Stuhl hatte bei der Wiener Regierung direkt, bei der italienischen Regierung indirekt interveniert. Pa¡allell dazu hatte sich auch die Berliner Regierung fi.ir dieses Ziel eingesetzt. Der Heilige Stuhl hätte nicht nur den Interessen von Kirche und Religion dienen, sondern auch Italien das tritt Italiens in den Ersten Weltkrieg Unglück des Krieges ersparen und die Habsburgermonarchie stützen wollenaó. uDie europdische Massonerie, die den Krieg fortw2ihrend schiirte, suchte das Habsburgerreich wie die Kirche in ihrer weltlichen Macht und Moralität zu ruiniereno 47. Nach der italienischen Kriegserklåirung (23. Mai 1915) hätte der Heilige Stuhl, dessen Vermittlung mißgelungen war, versucht, durch seinen Einfluß die Konsequenzen des Krieges zu mäßigen. Er hatte nach der Bombardierung Ankonas und anderer Städte der adriatischen Küste durch österreichisch-ungarische Schiffe interveniert, andererseits waren Fiume, Triest, Miramare und Duino von italienischer Seite bombardiert wordenaE. In den von Italien besetzten Gebieten der Donaumonarchie unterstand der Klerus nicht den benachbarten Bischöfen, sondern dem Militåirbischof. Man plante auch dem Heilgen StuÌìl direkt unterstellte Militåirvika¡e zu ernennen und die österreichisch-ungarische Regierung von Sonderfakultäten, die Monsignore Bartholomasiae eras AF., Austria 527, ProT. 20.387, "X[I. Questione del Vescovo di Trento Mons. Endrici". In AE, Austria 491 Erñen sich sÈimtliche Briefe über Endrici und alle Eingaben End¡icis an Papst Be- nedikt XV., Kardinalstaatssekretåir Pietro Gasparri und an die Wiener Nr¡ntien Scapinelli rmd Valfrè di Bonzo. a6 AE, Austria 527, Prot. 20.387, "XV. La Santa Sede e la Guerra ltalo-Austriaca"' Eine im mmen Konzept durchgestri Italien wurde, spricht von Seiten Krieg zu führen. Es ht von den Krieg erklåirten. Cölestin Schwaighofer von Deggendorf, OFMCap, an das päpstliche Staatssekretariat über seine Vermittlr.rngsmission in Wien; auch Excer--J¡¡osr ll, l9O-247: Italiens Eintritt in den Weltkrieg. 47 A.S.V., 55t.244, El, Fasc. 114, hot.4339, fol.36-37, [o.O.-Rom?], 1915 Februar 1: Anonymer Bericht über den Einfluß des Groß-Orients von Rom auf italienische Kriegspropaganda gegen die Osterreichisch-ungarische Monarchie. 4E Eucer-Jntost Il, 287 -288. ae Angelo Bartholomasi (geb. 18ó9), päpstlicher Militlirvikar: Annuario Pontificio 1917, Roma 1918. ELISABETH KOVÁCS 292 halten hatte, nicht zu informieren. Die Instruktion Valfrès bestätigt die Ergebnisse Engel-Janosis über die Motive des Heiìigen Stuhles, die Existenz Österreich-Ungarns im Ringen des Ersten Weltkrieges zu erhalten. Seine Politik war von der damals schwelenden Römischen Frage bestimmts0. Der Apostolische Nuntius sollte die frir den Heiligen Stuhl und flir den Vicarius Christi unerträgliche Situation immer vor Augen haben und keine Gele- genheit versäumen, Regierung, Episkopat, einflußreiche Personen und katholi sche Bevölkerung Osterreich-Ungarns damit zu konfrontieren. Da zwischen Österreich-Ungarn und Italien keine diplomatischen Beziehungen bestünden, sei jeder offizielle Kontakt mit italienischen Diplomaten im Ausland zu vermeiden, auch private Beziehungen mit fünen seien auf das notwendigste zu beschränken. Ähnlictr hätte sich der Apostolische Nuntius auch gegenüber den Vertretern Fra¡kreichs und Portugals zu verhalten. Kapitel XVI. der Instruktion skizziert das uWiederaufleben des religiöin 1ó Kirchen der Stadt in der Fastenzeit des Jahres 1914 abgehalten worden war. Diese Volksmission hatte einen Zustrom von Gläubigen gefunden, uwie man ihn bisher noch nie erlebt hatte". In allen sozialen Gruppen sei ein echtes Wiederaufleben des christlichen Glaubens und der christlichen Frömmigkeit zu beobachten, was im wesentlichen dem Eucharistischen Kongreß von 1912 zu verdanken war: er hätte dem Klerus starke Impulse zur Entfaltung seiner seelsorglichen Aktivitäten verliehen. Auch die religiösen Vereinigungen für Jugendliche und Erwachsene, wie z.B. die Marianischen Kongregationen, erlebten eine neue Blüte. Im April 1914 hätten an einer Mission fur das Mitit¿ir im Wiener Offizierskasino der Kriegsminister, Generále und über 500 Offiziere teilgenommen. Geistliche Exerzitien wären in vielen Kasernen der Stadt, in Militärakademien und Kadettenanstalten abgehalten worden, auch "im Gebäude der Apostolischen Nuntiatur, wobei die angesehensten Persönlichkeiten des Hofes, der Regierung und der Gesellschaft daran teilnahsen Lebens in Wien". Es informiert über die Volksmission, die menrr 5l, Hinweise auf die Korrespondenz mit dem Heiligen Stuhl, auf die Art und Häufigkeit der Berichterstattung und auf das kirchlich exemplarische, Verhalten von Nuntius und Nuntiaturpersonal, entsprechen dem traditionellen Kanon und Genre solcher Dokumentes2. gel-Janosi II, 248-264. sekretär Raphael Meny del Val hatte auf den Bericht Scapinellis über die Volksmission dem Wiener Fi.irsterzbischof Fried¡ich Gustav Piffl am 16. April 1914 einen anerkennenden Brief geschrieben, publiziert in Wiener Diözesanblatt, Nr. 12,27. Juni 1914, 99-100; Martin Knnx¡en, Hirte an der Zeitenwende. Kardinal Friedrich Gustav Piffl und seine Zeit,Wien 1988, 98-99; Bericht über den XXllL lnternationalen Eucharischen KongrelS, Wien 12.- I 5. September 1912, hrsg. von Karl K.luÎuel, Wien 1913. di Mons. Nunzio Apostolico e del personale addetto alla Rappresentanza Pontificia". OSTERREICH-UNGARN AUS DER SICHT DES VATIKANS 293 Wie eingangs erwähnt, findet sich in dieser Instruktion fur den Wiener Nuntius keine exakte Deskription von Status und Zustand der Kirche in der Österreichisch-ungarischen Monarchie. Pragmatisch angelegt, informiert sie über die staatskirchlichen Gesetzgebungen und referiert Nuntiaturberichte. Es fehlt ihr ein wie immer gearteter systematischer Aufbau. Man konzentrierte sich auf Schwerpunkte im Problemfeld von Staat und Kirche im allgemeinen, was die Kirchenrechtslage betraf. Im besonderen folgte man wie mit einer Filmkamera den Linien der Fronten des Ersten Weltkrieges. Von der galizisch-ungarisch-rumänischen Grenze schwenkte man auf den Balkan nach Sla- wonien, Dalmatien, Bosnien und Herzegowina hinüber, informierte über das Serbische Konkordat und wandte sich schließlich dem Süden und Südwesten der Monarchie zu, den Grafschaften Görz und Tirol und dem Fürstbistum Trient (Trento). Speziell wurde die Reichs- und Residenzhauptstadt Wien und füre pastorale Situation erwähnt. Diesen geographischen Zonen entsprechend wurde die Situation von vier der insgesamt ó5 Bischöfe der Österreichisch-ungarischen Monarchies3 ausfuhrlich behandelt: die des Metropoìiten Andrej Szeptickyj (Lemberg), der Bischöfe Anton Grivoje (Gjivoje) (Split), Josip Stadler (Sarajewo) und Celestino Endrici (Trient). Szeptickyj und Endrici waren interniert, Grivoje (Gjivoje) serbophil und vom Papst abgesetzt, jedoch resignationsunwillig, Stadler war unfåihigsa. Die Instruktion für Valftè zeigt die Kirche Österreich-Ungarns vom praktischen Josephinismus regiert, im Widerspruch zum kanonischen Recht stehend. Ihre Bischöfe wären staatlich abhåingig und ohne Widerstandsgeist, der Klerus staatlich besoldet (Kongrua). In den neu erworbenen Provinzen Bosnien und Herzegowina stand die Einfúhrung dieses Staatskirchensystems bevor. Trotz der Mehrheit der katholischen Bevölkerung wäre die Habsburgermonarchie ein paritätischer Staat, der dem Toleranzprinzip Josephs II. (1781) den anderen Konfessionsangehörigen gleiche Rechte wie den Katholi ken gewährte. Die Strömung des Nationalismus wäre so mächtig, daß die Menschen ihre Nationalität über ihre Religiosität stellten. Im Reich der deutschen Krone (österreich) manifestierte sich der Nationalismus in der Los-von Rom-Bewegung, die zum Anschluß an das protestantische Deutschland und zum Abfall von der katholischen Kirche aufrief. Im Land der heiligen Stephanskrone (Ungarn), in dem verschiedene Nationalitäten wie Ruthenen, Kroaten, Dalmatiner zusammenlebten, war eine heftige Magyarisierungspolitik am Werk. Sie brachte Polarisierungen bei den griechisch-unierten Ruthenen ungarischer Herkunft in den USA und unterstützte die landeskirchlichen Bestrebungen der griechisch-unierten Ruthenen gegen die griechisch-unierten Rumänen. Der Nationalismus, der die Ruthenen (Ukrainer) in Galizien erfaßt hatte, bedrohte füre national-kulturelle Existenz. Es war zu befurchten, daß die Ruthenen im Spannungsfeld von polnischen und ungarischen s3 Cölestin sa Wor¡scnusBn, Kirchengeschichte Österreich-(lngarns, Wien 1909. Vgl. die andere Beurteilung Stadlers durch Vitezic: unsere Anmerkungen 4l und 42 oben. 294 ELISABETH KOVÁCS Nationalismen dem russischem Panslawismus und der griechischen Orthodoxie erlagen. Der italienische Nationalismus, die Irredenta, war in Trient (Trento) eingedrungen. Der FüLrstbischof, der sich mit einem Teil seines Klerus vom habsburgischen Patriotismus distanzierte, geriet in Konflikt mit Regierung und Armee. Die Instruktion Valfrès deskribierte den Liberalismus, der paritätischen Staat, Kultusgesetze, Auflösung des Konkordates und die Såikularisierung von Ehe und Schule durchgesetzt hatte. Er blieb kirchlichen Forderungen gegenüber scheinba¡ gleichgriltig, faktisch war er ablehnend. Er hatte den Hochadel erfaßt und im gehobenen Wirtschaftsbürgertum sein Terrain gewonnen. Er beherrschte die Presse (über den "Judeo-Massonismus") und warb um die Studenten. Kleinbi.irger, Soldaten und Bauern sympathisierten mit dem Sozialismus, der das Habsburgerreich zu zerstören drohte. Angesichts dieser Bewegungen war es hoch an der Zeit, dre Christen in der Katholischen Aktion zu mobiliseren, sie im heraufziehenden Zeitalter des Parlamentarismus und der Massenbewegungen zum öffentlichen Widerstand und zur katholischen Alternative zu ermutigen, sie in enger Verbindung mit den Bischöfen vor liberalen und antirömischen Einflüssen zu behüten. Der österreichische Volkscharakter schien aus römischer Sicht als zu leichtlebig, unernst und unbeständig, um eine åihnlich schlagkräftige Organisation wie die deutsche Zentrumspartei hervorzubringen. Es läge an der Geltungssucht des österreichischen Adels, daß fåihige Persönlichkeiten aus dem Bürgertum, die sich in den katholischen Vereinen engagierten, auf ihre öffentìiche Ehre verzichten mußten. Es scheint, daß die Bewunderung für den deutschen Katholi zismus von damals er hatte durch den päpstlichen Geheimkämmerer Ru- den Zentrumspolitiker dolf von Gerlach und Matthias Erzberger direkten Zugang Papst Benedikt XV. und Eugenio Pacelli gefunden ss diese Deskriptionen^)des österreichischen Volkscharakters erzeugte. Trotz josephinischer Prägungen war die katholische Kirche in der Österreichisch-ungarischen Monarchie, deren neue Lebensimpulse in der Reichs- und Residenzhauptstadt Wien in dem Modell ihrer Großstadtseelsorge sichtbar geworden waren, noch immer ein Bollwerk gegenüber den Bewegungen der Säkularisation. Der habsburgische Herrscher blieb oadvocatus et defensor Ecclesiae" mitten in den Stürmen, die die Existenz des Heiligen Stuhles im italienischen Königreich und während des Ersten Weltkrieges bedrohten. Im Nationalitätenkonflikt der Habsburgermonarchie versuchte der Vatikan eine ausgleichende Position einzunehmen, die Übereinstimmung von Konfession und Na- tion zu fördern und dabei den "praktischen Josephinismuso auszuhöhlen, ss EtsteIN, Matthias Erzberger (wie Anm. l5), 170-172, 183-18ó; PntN, Beiträge (wie Anm. 3), 229-271 lKapitel III: "Du¡kelmänner der Kurie"]. In diffamierender Tendenz, jedoch auf Originaldokumenten beruhend, die man adaptiert hatte, war dieses Buch ftiLr den Dienstgebrauch der Waffen SS verfaßt worden. Jedes Exemplar war nummeriert und trug den Vermerk: oNur für den Dienstgebrauch. Jeder SS-Führer, der dieses Buch erhält, ist persönlich verantworllich, daß das Buch in keine unberufenen Håinde gelangt". Y_ OSTERREICH-UNGARN AUS DER SICHT DES VATIKANS 295 Staatskirchenrechte an sich zu ziehen. Die römische Kirche war so die Inin der Defensive. Liberalismus und Nationalismus hatstruktion fi.ir Va]frè - Kirchenstaates geführt. Derrr Syllabus errotum vo¡' ten zur Besetzung des 1864 entsprechend, verhielt sich der Heilige Stuhl dogrnatisch, konservativ, antiliberal, antimassonisch und antisemitisch. Er war gegen den Pangermanismus, bewunderte aber den deutschen Katholizismus. Bedrängt von der Römischen Frage suchte der Papst den Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg zu verhindern, der Verbleib des Heiligen Stuhles in Rom war infragegeste[t. Man befürchtete eine vom Krieg ausgelöste republikanische Revolution in Italien und die Vertreibung des Vatikanss6. Das Habsburgerreich erschien als letztes katholisches Bollwerk gegen die Feinde der Kirche, gegen Nationalismus, Liberalismus und Sozialismus (Bolschewismus). Seine Erhaltung im blutigen Ringen des Ersten Weltkrieges war fùir den Papst und den Heiligen Stuhl trotz josephinischer Traumata das Gebot der Stunde. Abschließend stellt sich die Frage, nach der Bedeutung dieser Instruktion für die konkrete Tätigkeit Valfrès di Bonzo in Wien. Ein Vergleich von Instruktion und Nuntiaturberichten kann nur Thema einer anderen Untersuchung sein. valfrè kam kurz vor dem Tod Kaiser Franz Josephs I. nach Wien. Mit den Berichten von des Kaisers Tod und seinem Leichenbegängnis, was vielfach als Symbol für den Untergang des Reiches erlebt und dargestellt wurde, beginnen seine NuntiaturberichtesT. Der unausgebildete Diplomat glitt sehr bald auf dem Parkett des Wiener Hofes aus. Sofort die Rechte des Heiligen Stuhles verfechtend, suchte er, in die ungarische Krönungszeremonie für den jungen König Karl einzugreifen. Er wollte erreichen, daß der Kö- nig von ErzherzogJoseph August, der zum ungarischen Palatin erhoben werden sollte, gemeinsam mit dem Primas Hungariae gekrönt würde. Den ungarischen Ministerpräsidenten Stephan Graf Tisza, er war Calviner, wollte Valfrè bei der Krönung ausschalten. Valfrè di Bonzo scheiterte bei diesen Unternehmungen an der Kompetenz und politischen Macht des Primas Hungariae, Kardinal Janos Csernoch s8. pörung bei den Zentralmächten war groß. Der deutsche Nachrichtendienst begu.r.r, ãi" Biographie des Apostolischen Nuntius von Österreich gründlich zu só Maximilian Llrnumru, "Der Papst Fi.irst von Liechtenstein. Ein Vorschlag zur Iäsung 3-108' l9ló": Jahre dem Frage aus Römischen der - li Ambrogio E"szpn -Nicola SroRrr, " l9l2-Lgl7 in ãocumenti dell'Archivio segret (1987) 428-437 ' si Loc. cit. IV., des letzten Feítschrift fùr 402-431. e la Santa Sede he Mitteilungen 29 Elisabeth KovÁcs, "Krönung r.¡¡d Dethronisation Karls iegel vatikanischer Dokumente", in Setvitium Pietatis. Groer zum 70. Geburtstag, Maria Roggendorf 1989, 296 ELISABETH KOVACS durchleuchtense. Die Cronique scandaleuse stammte aus Valfrès Familienkreis, von den Neffen des Nuntius. Affairen Valfrès aus dessen Zeit als Bischof von Cuneo ó0 hätten Papst Pius X. erzürnt. Valftè wäre dann zur Buße in einem Kloster verschwunden. Durch die Fürsprache des italienischen Königs hätte der Entsühnte das Bistum Como und Vercelli erhalten, dem er bis zu seiner Ernennung als Apostolischer Nuntius in Wien vorgestanden war. Teodoro Valfïè di Bonzo galt als nati.irlicher Sohn König Viktor Emmanuels II' 6t Kaiser und König Karl, soll im Elan des neuen Anfangs, nach diesen Enthti{lungen die sofortige Abberufung des Nuntius verlangt haben. Der Wiener Kardinal Friedrich Gustav Piffl "sagte dem Kaiser, daß dies nicht möglich sei,ó2. Der junge Kaiser trachtete, mit seinem Regierungsantritt gemeinsam mit dem Heiligen Vater zum Frieden zu kommen. Die Vergangenheit des Nuntius bewirkte an der Wende von 1916/I917 eine Verstimmung zwischen Wien und Rom, die äußerlich von der Problemati,k um das feierliche Funerale des Papstes fi.ir Kaiser Franz Joseph L überschattet war63. Um die Vertrauensbasis zu erhalten, sandte im Jänner 1917 Papst Benedikt XV. seinen Geheimkämmerer Rudolf von Gerlach nach Wien6a. Ab nun liefen die Kontakte zwischen Kaiser und Papst über Gerlach, über den bayerischen Kapuziner P. Cölestin Schwaighofer und über Eugenio Pacelli, der im Marz 1,917 Apostolischer Nuntius in München wurde. Von Pacelli gingen die Informationen entweder über Geheimkuriere oder über den Apostolischen Delegaten in Bern, Francesco Marchetti-Selvaggiani direkt zu Papst Benedikt XV.6s. 5e PAAA, Osterreich 8ó, Nr. 1, 8d.4, Wien, 191ó Dezember 20, Botho Graf Wedel a¡r den Staatssekretåir des deutschen Auswåirtigen Amtes Arthur Zimmermann: Der Nuntius n... genießt les Petri bei S. Apostolischen Majestät!,. ó0 Teodoro Valftè di Bonzo war von 1885-1895 Bischofvon Cuneo' ót PAAA, Paps Berlin des Generals Scapinelli aus Wien nach Rom und von tor Emmanuels. Ku¡z darauf erfolgte die Ernennung Valfrès zum Nu¡tius in Wien>. Ubernommen von P^rrN, Beiträge (wie Anm. 3), I2I. 62 Ludwig Freiherr von Pastor 1854-1928, Tagebíicher-Briefe-Erinnerungere, hrsg. v. Wilhelm WüHn, Heidelberg 1950,729. 63 Das Funerale des Papstes für Kaiser Franz Joseph fand am 20. Dezember 191ó in der Capella Contessa Mathilde als Privatrequiem des Papstes statt, arì dem der Kardinalstaatssekretåir Pietro der Sixtinischen Kapelle t¡t AF,. Italia 477, Prot. 23.430, 23.624, 23.891, 23.923,23.939, 24.088. 6a AF,, Austria 567, Prot. 26.786, St. Moritz, 1917 Februar 17, Rudolf von Gerlach an Eugenio Pacelli; Ptot.27.345. St. Moritz, 1917 Februar 25, Gerlach an Papst Benedikt XV. mit nicht mehr vorhandenem Autograph Kaiser Ka¡ls. [Iber Gerlach bei P¡rt¡¡, vgl. oben Anm. 55. ós Dazu unsere in Vorbereitung stehende Edition: Untergang oder Rettung der Donantmonat OSTERREICH-UNGARN AUS DER SICHT DES VATIKANS 297 Soweit wir sehen, berichtete Valfrè laufend über die innenpolitischen Ereignisse in Österreich-Ungarn. Er widmete sich besonders der Betreuung italienischer Kriegsgefangener. Die gemeinsamen Friedensbemühungen zwischen Kaiser und Papst nahmen den Umweg über München, über Eugenio Pacelli. Kaiserin Zita vrtelte exakt und scharfsichtig über Valfrè di Bonzo: Nuntius Valfrè di Bonzo, der ein Jugendfreund Benedikts XV. und äußerst rigenZerfen in der Politik nicht sehr unvorsichtige Äußerungen schwere [Kaiser Karl] trat dieser Kritik so energisch entgegen, ... daß auch diese Schwierigkeit überbrückt werden konnte. Nuntius Valfrè di Bonzo hatte die unangenehme Gewohnheit, nie zuzuhören, wenn er in Audienz [bei Kaiser Karl] war. Vielmehr sprach er selbst unauftrörlich bis zum Verlassen des Audienzzimmers in der Sorge, die Aufträge, die er erhielt, nicht richig zu erfassen. [Kaiser Karl] bat fün wiederholt, die Güte zu haben, sich das, was er füm zur Weiterleitung an den Heiligen Stuhl anvertraute, aufzunotieren. Aber auch dies tat der Nuntius nicht. Hingegen sandte er eine Menge Nachrichten nach Rom, die den Tatsachen gar nicht entsprachen und die vielfach aus Konfusionen und halbem Hinhören stammten. fKaiser Karl] konnte sich darüber zum Teil Rechenschaft geben, weil alle Telegramme im Krieg durch das Chiffrenkabinett gingen und dort gelesen wurden. [Kaiser Karl] ließ daher < ... wohlmeinend, gewandt war, Kritik in der i:ìåäffi ïå,:s'l'tr3il'i':nläT:f ü,ï,i; enarbeit speziell in Friedensfragen in dieser Zeit unbefriedigend, lückenhaft und resultatloso 6ó. Der italienische Nationalismus im Herzen Valfrès kam sofort in den Tagen des Zusammenbruchs der Donaumonarchie ans Licht, als in der allgemeinen Verwirrung des November 1918 ihr Zerfall in Nationalstaaten eingesetzt hatte. Der Nuntius telegraphierte aufgeregt nach Rom, Kaiser und König Karl habe abgedankt. Die diplomatische Formulierung vom Verzicht des Kaisers auf sei- fi.ir Österreich am 11., fur Ungarn am nen Anteil an den Staatsgeschäften juridische Kapazität des Nuntius6T. Er überstieg die 13. November 1918 gebildete um auftragsgemäß den Tschechoslowakei, reiste auch bald in die neu Deutschen gegenüber Rechte der der die PauI Huyn, Prager Erzbischof Graf vorläufigen Rückzug war, zum unhaltbar und nun betont hatte den Tschechen chie? Politische Dokumente zu Kaiser und König Karl von Osterreich aus internationalen Architen. Herausgegeben und bearbeitet von Elisabeth KovÁcs r¡nter Mitwirkung von Pal Aneró SJ (t), Franz hcsorr.¡¡n und Lotte WEwÀLK.À. Dazu auch BAR, E 2300, Wien 32, Bourcart an den Schweizerischen Bundesrat, Wien, 1917 Februar 23: <Mgr. Valfrè di Bonzo scheint mir nicht der Man¡ ausschùtte es k. Botschafter beim sein Herz die Schweiz geht; r annehmen, daß der konen Grund haben, daß, wie veranlaßt worden ist, die teitung seiner Botschaft mit Sitz in der Schweiz wieder zu übernehmen,. 66 T52924-2925. Dazu auch BAR, E 2300, Wien 32, Bourcart an den Schweizerischen Bunj'ai déjà eu l'occasion de vous signaler le fait desrat, Wien, 1917 September 28: "læ Nonce est, au fond de son coeur un a¡dent patriote italien, aussi les aspirations de l'Italie ne lui sont-elles pas - étrangèreso. ó7 AÈ, Austria624,Prot.84.39ó(Cifra3ó3),Wien, lgl8November,ValfrèdiBonzoanGa,sparri. Zur Verzichtserklåirung des Kaisers und Königs vgl. u¡sere in Vorbereitung befindliche Edition, wie oben Anm. ó5. 298 ELISABETH KOVÁCS aus seiner Diözese zu bewegen. Valfrè berichtete beredt vom Ausbruch der antihabsburgischen Stimmung am 1. November 19lg am weirJen Berg, wo man-die habsburgischen Embreme ebenso vernichte,te, wie die Mariensäure auf dem Alten Platz in Prag, die Kaiser Ferdinand III. ló50 hatte errichten lassen 68. von seiner Instruktion vönig uninformiert, sta'd valfrè di Bonzo fas_ sungslos dem Aufbruch der hussitischen Kirche über. Er verhandelte damals mit dem Rom treu den tschechischen Republikanern machte er Wi gen_ g zLL Kir_ chenpolitik für die situation der Kirche in der Tscher:hoslowakei verantwort_ lich. Als man 1920 die praktische Durchführung des Friedensvertrags von Tria_ non vorbereitete, drängte valfrè di Bonzo auf .ine rasche Àrplrr.,.rg der un_ garischen Kirchenstruktur an die neu gezogenen G'enzen des verkleinerten Amtszeit agitierte er gegen eine mögrichggianì rol, suchtJdie Tiroler Diözesanstruktur Bistum Brixen zu reiten und den flussen 70. Am l9I9 zu fekt des der Heil ersetzt' Noch in seiner letzten ger in Ti- Klerus erie hat ion )iLji: di Bonzo, den er verstarb als prä_ Kongregationen am 6.279,yalfrè di Bonzo an Gasparri, Wien ,,Cose Dezember g. (wie Arrm. 5g),-417_4lg; DrES., ,,papst Benedikt ers uncl Á.omgs Karl von Osterreich,,: Arch. Hi.st. iviltà CattolicaT3 (1922)III, 172 nennt den 24. e (wie Anm. l), 50 nennt den 25. Juru 1922.