1 Inhaltsverzeichnis Vorwort.......................................................................................................................1 Warum ist es wichtig , das Alternative Weltwasserforum statt finden zu lassen-----------2 1: Weltwasserforen in Marseille 2012 – Geschichte, Akteure, Ziele..... ..............................4 Zeit für Lösungen oder Zeit für Probleme?...................................................................4 6. WWF: Schlechte Nachrichten für den Wassersektor – Wasser soll zu einem Zugpferd für die Green Economy werden......................................................................6 Abschlusserklärung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Alternativen Weltwasserforums in Marseille, 17. März 2012........................................8 2: Rekommunalisierung und Vergesellschaftung............................................................14 Lehren aus dem Referendum für das Menschenrecht auf Wasser in Kolumbien..........16 Demokratie und Mitsprache erlebbar machen — Das europäische Bürgerbegehren....19 Wir schreiben Wasser und lesen Demokratie! — Der Berliner Wassertisch..................20 3: Auswirkungen von Privatisierung und Public—Private—Partnerships...........................22 Die globale Wassernahme — Was ist Water Grabbing.................................................24 Über die Wasserprivatisierung in Chile......................................................................26 Wassergerechtigkeit und Demokratie: Alternativen zur Kommerzialisierung und Privatisierung des Wassers in Asien. Das Beispiel der Philippinen.......................28 Was läuft verkehrt bei der Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP)? Die Wasserversorgung des Kathmandu-Tals und das zugehörige Abwasserprojekt......................32 4: Alternativen zur Privatisierung – regionale und lokale Wasserbewirtschaftung...........38 Öffentliche Partnerschaften: Ein alternatives Modell zur Nutzung der Kapazitäten Kommunaler Wasserwerke.................................................40 Das Projekt „Solidarische BürgerInnen für das Wasser“ in Nokoué, Benin.............. .....43 Die Bewegung 136: Eine BewohnerInnen-Initiative mit dem Ziel, die Privatisierung des Trink- und Abwassersystems der Stadt Saloniki zu verhindern...... .45 5: Frauen und Wasserversorgung...................................................................................48 Erklärung und Alternativvorschläge zum Abschluss des Workshops und der Plenarsitzung des Themenstranges „Frauen und Wasser“.....................................50 6: Widerstand gegen Privatisierung...............................................................................54 Die Mobilisierung für einen Privatisierungsstopp des Wasserversorgungsunternehmens Canal de Isabel II in Madrid.......................................................................56 Der Kampf der sozialen Organisationen und der städtischen Kontrollbehörde gegen die Privatisierung der Wasserwirtschaft in Ecuador.........................................59 Dem skandalösen Wasser-Geschäft in Jakarta auf der Spur........................................61 Lektüre für Post-FAME 2012.....................................................................................66 2 in Marseille stattgefunden haben: dem Weltwasserforum (FME) und seinem alternativen Pendant (FAME). Die Texte schildern die Entstehungsgeschichte, AkteurInnen und Ziele der beiden Foren. Im Anschluss steht die Abschlusserklärung des FAME, u. a. mit einem Hinweis für alle, die sie mit ihrer Unterschrift noch mit unterstützen und tragen wollen. „Ohne Liebe haben Tausende gelebt, ohne Wasser noch kein Einziger“ (W. H. Auden) Mit einem Wirrwarr von Ideen, Erinnerungen an die Gespräche und Veranstaltungen, mit dem Nachklingen der gerade gehörten Beiträge und mit vollem Gepäck neuester Studien, Fotos und Videoaufnahmen kehrten wir vom Alternativen Weltwasserforum (FAME) 2012 aus Marseille zurück. Eine Reise und ein Ereignis, die es verdient haben, in Erinnerung zu bleiben – genau das hoffen wir mit dieser Broschüre über das FAME 2012 zu erreichen. Das Heft ist eine Dokumentation, die nicht nur eine Gedächtnisstütze für uns sein soll. Es ist auch mit dem Ziel entstanden, den interessierten und aufgeweckten Menschen in Deutschland, die nicht am Alternativen Weltwasserforum teilnehmen konnten, einen Einblick zu ermöglichen, welche Themen in Marseille behandelt, welche Forderungen aufgestellt und welche Erfolge gefeiert wurden. Die globale Wasserbewegung erlebte auf dem diesjährigen FAME ihren bisherigen Höhepunkt – die TeilnehmerInnenzahl stieg auf 5.000 und es wurden über 130 Veranstaltungen, Workshops und Plenarveranstaltungen angeboten. Leider können wir in dieser Broschüre nicht die gesamte Bandbreite der diskutierten Themen abbilden, weshalb wir uns dafür entschieden haben, das Thema Privatisierung von Wasser in den Mittelpunkt der Publikation zu stellen. Den Einstieg bilden zwei Beiträge zu den beiden Veranstaltungen, die parallel zueinander Die weitere Struktur unserer Broschüre orientiert sich an den auf dem FAME angebotenen Themensträngen. So geht es um Rekommunalisierung und Vergesellschaftung (Themenblock 2), Auswirkungen von Privatisierung und PPP (Themenblock 3), kommunale Wasserbewirtschaftung und alternative Modelle (Themenblock 4), Frauen und Wasser (Themenblock 5) und den lokalen Widerstand gegen Privatisierung (Themenblock 6). Zum Schluss finden interessierte LeserInnen eine Zusammenstellung von weiterführenden Literatur- und Internetquellen. Die Broschüre soll eine Mischung von interessanten Beiträgen aus diversen Ecken der Welt sein und so globale Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen den Kontinenten sichtbar machen. Durch die vielfältige Herkunft der AutorInnen waren wir bei der Erstellung der Broschüre auf die Hilfe zahlreicherer ÜbersetzerInnen angewiesen. Deswegen an dieser Stelle unser ganz großer Dank an alle ehrenamtlichen ÜbersetzerInnen, die die Texte für das deutschsprachige Publikum zugänglich gemacht haben. Ein weiterer herzlicher Dank geht an das ehrenamtliche Lektorat-Team für die leserInnenfreundliche Gestaltung dieser Broschüre. Viel Spaß beim Lesen und beim Kämpfen für unser Gemeingut Wasser! Lissi Dobbler und LauraValentukeviciuteS für Gemeingut in BürgerInnenhand 1 Warum ist es wichtig, das Alternative Weltwasserforum stattfinden zu lassen? – Auf diese Frage antworten vier Menschen, die das FAME mit organisiert und unterstützt haben Christiane Hansen Maude Barlow Aktivistin bei attac und aquattac, Deutschland Vorsitzende des Council of Canadians, Kanada Das Alternative Weltwasserforum ist die Antwort der weltweiten Wassernetzwerke, Organisationen und Gruppen auf das Weltwasserforum, das zur gleichen Zeit von den Konzernen organisiert wird. Letzteres ist in Wirklichkeit eine Verkaufsmesse für Wasser und Technologien. Es hat keine Legitimation, maßt sich aber an, Lösungen für die Wassernot von Millionen Menschen zu liefern. Das FAME war das bisher größte von der Zivilgesellschaft organisierte alternative Wasserforum und es war ein durchschlagender Erfolg! Alle neuen Ideen, Visionen, Pläne und auch die aufregende Stimmung waren bei uns auf dem FAME und nicht auf dem „offiziellen“ Forum des Weltwasserrates. Das FAME ist der beste Beweis dafür, dass die Zeit unseres „water justice movements“ (der Bewegung für Wassergerechtigkeit) nun eindeutig gekommen ist. Wasser gehört zur Organisation des Lebens auf diesem Planeten und das, seit es Menschen gibt. Deswegen gibt es auf der ganzen Welt viele Lösungen, die seit Urzeiten erprobt sind und die es gilt, auszutauschen. Weltweit kämpfen die Menschen um ihr Wasser. Auf dem FAME berichten wir von den Kämpfen, Siegen und Niederlagen. Wir entwickeln Strategien, um die Ressource Wasser den Menschen, Tieren und der Natur vor Ort zu lassen. „Wasser ist keine Ware, es ist ein Menschenrecht und ein Gemeingut“ – das ist die Botschaft des FAME. 2 Wir werden unsere Forderung durchsetzen, dass Wasser ein gemeinschaftliches Erbe ist, ein öffentliches Gut und ein Menschenrecht! Die wunderbare gemeinsame Woche in Marseille gibt uns neue Energie und neues Engagement für unseren Kampf für die Umsetzung dieser Prinzipien in die Realität! Christa Hecht Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft – AöW e.V., Deutschland Die AöW hat das FAME 2012 unterstützt, weil dort deutlich wurde, dass es auch andere Wege gibt als die gewinnorientierte Vermarktung der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, die von den multinationalen Konzernen, einigen Regierungen und internationalen Institutionen propagiert wird. Wasser gehört allen, Wasser brauchen alle, Wasser darf nicht privatisiert werden. In der öffentlichen Wasserwirtschaft in Deutschland wird die Gewähr für alle Bürgerinnen und Bürger geboten, rund um die Uhr täglich mit einwandfreiem Trinkwasser, zu fairen Gebühren und Preisen versorgt zu werden, bei gleichzeitig hohen Standards der Abwasserbeseitigung. Deutschland ist ein Land mit Wasserreichtum, trotzdem haben wir Nutzungskonflikte beim Grund- und Oberflächenwasser mit der Landwirtschaft, der Energiewirtschaft und der Industrie zu bewältigen. Eine starke öffentliche Wasserwirtschaft ist wichtig, um diese Konflikte im Sinne der Allgemeinheit zu lösen. Jacques Cambon Aktivist bei attac Frankreich Ich habe die Organisation des FAME die letzten zwei Jahre mit begleitet. Uns war FAME wichtig, weil die Wasserprobleme nicht von privaten Konzernen gelöst werden können. Denn Wasser ist ein Gemeingut, das der Menschheit gehört, und keine Handelsware! Diese Forderungen stellen wir nicht nur für Frankreich auf, sondern vor allem in Ländern, in denen Wassermangel herrscht und die Menschen die Wasserpreise nicht bezahlen können. Außerdem kämpfen wir für eine Wasserversorgung in den Händen der BürgerInnen: Nur so können die Interessen der Öffentlichkeit gewahrt werden! Nach jahrelanger Vernetzung kennen wir unsere Übereinstimmungen und Unterschiede und wir sind uns der Schwierigkeit unserer Aufgabe bewusst. Deshalb haben wir auch das Europäische Netzwerk für Wasser als Gemeingut gegründet. Außerdem ist FAME notwendig, da die Anerkennung von Wasser als Gemeingut immer noch zu wenig Fortschritt macht. So hat die EU eine erneute Debatte über Wasser als Menschenrecht bei Rio+20 gefordert. Unsere Regierungen wollen uns einfach nicht hören – und genau deshalb ist es wichtig, dass wir weiterhin kämpfen! 3 1: Weltwasserforen in Marseille 2012 - Geschichte, Akteure, Ziele Zeit für Lösungen oder Zeit für Probleme? Laura Valentukeviciute Gemeingut in BürgerInnenhand GiB e.V.1 Am 13.-17. März 2012 fand in Marseille das 6. Weltwasserforum statt, eine internationale Konferenz mit starker Beteiligung von internationalen Konzernen. Gleichzeitig lud die Wasserbewegung zu seinem kritischen Pendant ein — dem alternativen Weltwasserforum. Anfang März hingen in Marseille etwas verwirrende Plakate, auf denen stand: „Zeit für Probleme“. KritikerInnen des Weltwasserforums hatten dessen offizielles Motto „Zeit für Lösungen“ entfremdet und versuchten so, seine Schattenseiten in die Öffentlichkeit zu tragen. Das Weltwasserforum, organisiert vom Weltwasserrat, ist in der Tat nicht unumstritten. 1996 wurde der Weltwasserrat unter Beteiligung von Wasserkonzernen wie Veolia und Suez gegründet, um nach eigener Auffassung die Wasserprobleme der Welt zu lösen. Er wird zurzeit von Loïc Fauchon geleitet, dem Chef der Groupe des Eaux Marseille, die zu Veolia und Suez gehört. Dem Weltwasserrat gehören inzwischen über 300 Mitglieder aus 60 Ländern an, die von Unternehmen, Regierungen, UN- und Entwicklungs- und Nichtregierungsorganisationen, Finanzeinrichtungen, Wissenschaft und Verbraucher- 4 verbänden kommen. Das Weltwasserforum ist das wichtigste Projekt des Weltwasserrates und findet alle drei Jahre statt: in Marrakesch 1997, Den Haag 2000, Kyoto 2003, Mexiko City 2006, Istanbul 2009, und nun in Marseille. Gegen die enge Verknüpfung von Weltwasserrat, Weltwasserforum und Konzernen formte sich seit dem 2. Weltsozialforum 2002 in Porto Alegre Widerstand. Dort wurde von vielen Organisationen, Gewerkschaften und BürgerInneninitiativen eine „Erklärung zum Wasser“ unterzeichnet. Diese forderte die Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser und ein Verbot, Wasser als Ware zu behandeln und zu privatisieren. Ein Jahr danach fanden in Kyoto erste Proteste und zeitgleich in Florenz das erste alternative Weltwasserforum statt. In Mexico City und Istanbul gab es große Demonstrationen mit ziemlich brutalen Zusammenstößen zwischen Polizei und AktivistInnen. Der große Erfolg für die globale Wasserbewegung folgte vor zwei Jahren: am 28. Juni 2010 erklärten die Vereinten Nationen Wasser zum universellen Menschenrecht (Res. 64/292). So stand das diesjährige offizielle Weltwasserforum in Marseille ganz im Zeichen des UN-Beschlusses. Wieder versammelten sich dort neben den Wasserfirmen auch viele WasserexpertInnen, Regierungen und UNOrganisationen. Nach eigenen Angaben kamen dieses Jahr 140 Regierungsdelegationen und 35.000 TeilnehmerInnen – allerdings bei täglicher Neuzählung. Doch trotz der starken Regierungsbeteiligung glich das Forum oft eher einer Verkaufsmesse. Konzerne aus der ganzen Welt lockten mit riesigen Ständen und Hochglanzbroschüren die BesucherInnen. Die Nachricht, die sie alle dabei vermitteln wollen, ist seit Jahren die gleiche: Es gibt Probleme mit dem Wasser und die Staaten können sie ohne die Privaten nicht lösen. Das diesjährige alternative Weltwasserforum (Forum Alternatif Mondial de l’Eau, FAME) fand fast gleichzeitig mit dem offiziellen Forum am 14.-17. März in Marseille statt. 5.000 Teilnehmer aus über 50 Ländern kamen zusammen, um über ihre Lösungen der diversen Wasserprobleme und Schritte zur Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser zu sprechen. Gasförderung („Fracking“) auf Wasser. Auch Großstaudämme sorgen weiterhin für viel Kritik. Auf beiden Foren wurde die Europäische Bürgerinitiative „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht“ angekündigt. Sie fordert eine garantierte Wasserver- und Abwasserentsorgung in der EU, das Verbot der Liberalisierung des Wassermarktes und den globalen Einsatz der EU für den Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung. Am 1. April 2012 reichte der Europäische Gewerkschaftsbund diese Initiative bei der EU ein, Start der Unterschriftensammlung soll Ende April sein. Eine der wichtigsten Forderungen der WasseraktivistInnen dieses Jahr war, das nächste Weltwasserforum unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen einzuberufen. Das Anliegen wurde auch von der UN-Sonderberichterstatterin Catarina de Albuquerque unterstützt. Doch dies fand kein Gehör beim offiziellen Weltwasserforum, das ankündigte, das siebte Weltwasserforum 2015 in Daegu (Südkorea) auszurichten. Weitere Informationen: www.gemeingut.org Im Zentrum der Diskussionen standen Möglichkeiten einer lokalen, ökologisch und ökonomisch sinnvollen Wasserversorgung und Ideen eines gemeinwohlorientierten Wassermanagements in öffentlicher Hand. Lösungen, die weniger kostspielig sind und daher einen geringeren Finanzbedarf haben, spielten eine wichtige Rolle. Die Bandbreite reichte von technischen Verbesserungen wie Trockentoiletten, die auch beim alternativen Forum selbst eingesetzt wurden, bis hin zur sozialen und politischen Dimension des Themas Wasser. Stark diskutiert wurden die zahlreichen Rekommunalisierungen in der ganzen Welt in den letzten Jahren und öffentlich-öffentliche Partnerschaften. Für die zahlreich anwesenden lateinamerikanischen AktivistInnen war ein wichtiges Thema die Wirkung von Minen und neuartiger Öl- und 5 6. WWF: Schlechte Nachrichten für den Wassersektor – Wasser soll zu einem Zugpferd für die Green Economy werden Das von ihnen prognostizierte Wachstum des Bruttosozialprodukts um mehr als 300 Prozent bis 2050 – man muss sich diese Prognose mal auf der Zunge zergehen lassen angesichts der verbreiteten Wachstumskritik in der Zivilgesellschaft, um zu erkennen, wie weit die Positionen auseinander sind – werde enormen Druck auf die Wasserversorgung ausüben, besonders für Stromerzeugung und Industrie. Und die Aufforderung zu Investitionen geht einher mit der Erkenntnis, dass „Business as usual“, also beispielsweise die Hoffnung auf technologische Wunder, nicht mehr ausreicht – grundlegende Reformen seien notwendig. Uwe Hoering Journalist, Deutschland2 Man könnte dieses 6th World Water Forum, das der selbsternannte World Water Council, eine Frontorganisation der internationalen Wasserwirtschaft, diese Woche in der südfranzösischen Stadt ausgerichtet hat, schnell als „Business as usual” abhaken, wäre da nicht das neue Stichwort „Green Economy“, das bei UN, Weltbank und OECD die Hoffnung weckt, dem auf Grund gelaufenen Versuch, durch Public-Private Partnerships die Privatwirtschaft für die Lösung der Wasserkrise ins Boot zu holen, durch Grünes Wachstum jetzt wieder mehr Wasser unter dem Kiel zu verschaffen. Green Economy „Wir brauchen Wachstum und wir brauchen Grün“, so Xavier Leflaive von der OECD. Die Strategen von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben ihre Hausaufgaben gemacht. Mit gewaltigen Wachstumsprognosen für Bevölkerung, Wirtschaft und Finanzierungsbedarf werben sie in ihrem Bericht „Meeting the Water Reform Challenge“ dafür, Wasser sei einem Zugpferd für weiteres Wachstum zu machen. Umgekehrt könnten Probleme im Wassersektor, vor allem Wassermangel, das Wirtschaftswachstum deutlich bremsen. 6 Dafür werden vor allem innovative Finanzierungsmöglichkeiten gesucht. Wie so häufig wird als erstes eine riesige Finanzierungslücke entdeckt: Manche sprechen von 30 Milliarden Euro, andere von Hunderten von Milliarden im Jahr, wieder andere von einem Prozent des Bruttosozialprodukts, erforderlich unter anderem wegen des Bevölkerungswachstum. Wieder andere bleiben lieber vage und benennen nur die Bereiche, für die mehr Geld benötigt wird: für die Infrastruktur, vom Ressourcenschutz bis zur Abwasserbeseitigung, Betrieb und Instandhaltung, Behörden, … Und in Krisenzeiten wie gegenwärtig wird es sogar noch schwieriger, konventionelle Quellen wie öffentliche Gelder dafür einzutreiben. Wir sind also wieder bei der Behauptung, von der die Wasserpolitik am liebsten ausgeht: Sie unterstellt das bestehende teure Modell von Wasserversorgung mit aufwändigen In- vestitionen in Infrastruktur, teurer Technologie und ausuferndem Behördenapparat als das einzig mögliche, wobei bei privaten Unternehmen noch die Rendite dazu kommen muss. Alternativen, die weniger kostspielig sind und daher einen geringeren Finanzbedarf haben, spielen dabei kaum eine Rolle. Schöne Neue Begriffswelt Ein Stichwort für die Innovationen ist „Strategische Finanzierungsplanung”. Die Akteure im Wassersektor sollten ihre Finanzen besser, vorausschauender planen als bislang. Das Kernanliegen dabei: Wie können in der Krise neue Finanzquellen erschossen werden, zumal sich die privaten Wasserkonzerne aus dem Sektor weitgehend zurückgezogen haben und mit eigenen wirtschaftlichen Problemen kämpfen, auch wenn es andererseits, so das verbreitete Credo, „ohne sie nun einfach nicht geht“. Worum es dabei geht, das formuliert das zweite Stichwort, 3T: Steuern (Taxes) und Tarife sollten so weit wie möglich ausgereizt werden, die Verbraucher also direkt und indirekt immer stärker zur Kasse gebeten werden. Der dritte im Bunde sind Transfers, zusätzliche Finanzmittel von Außen. Das können Zuschüsse oder Kredite der Internationalen Finanzinstitutionen und der staatlichen Entwicklungsorganisationen sein. Vor allem aber setzt man hier auf „rückzahlbare Finanzierung“, also auf Finanzinvestoren, Pensionsfonds und Banken. Die Finanzierungsquellen für den Wassersektor als Teil einer Grünen Ökonomie seien bei Weitem nicht ausgeschöpft, so die Hoffnung. Um sie anzuzapfen, muss allerdings erst der Wassersektor in Ordnung gebracht werden, denn welcher Investor steckt schon Geld in ein marodes Unternehmen. Schließlich soll es ja Gewinne, Rendite bringen, die – und da schließt sich der Kreis – natürlich vor allem aus Steuern und Tarifen kommen müssen. Schmücken der Braut Und damit beginnt wieder das hinlänglich bekannte Spiel: Wie reformieren wir den Wasser- und Abwasserbereich? Oder, wie Xavier Leflaive von der OECD formulierte: Welche innovativen Ansätze im Wassermanagement tragen zu einem Grünen Wachstum bei? Hier tauchen dann zum einen die bekannten Stichwörter wieder auf: Öffentlich-private Partnerschaften, beispielsweise in der Bewässerungslandwirtschaft, die dringlichst benötigt würden, und handelbare Wasserrechte, die Wasser dorthin fließen lassen, wo es den höchsten Wert bringt. Da ist viel von „Anreizen“ und wenig von Ordnungspolitik die Rede. Aber es gibt auch viele neue Ideen: Handelbare Verschmutzungsrechte, als hätte das im Klimabereich nicht schon genug Unheil angerichtet. Das alte Lieblingskonzept „Volle Kostendeckung“, also die Finanzierung aller Kosten über Tarife, das sich als unrealistisch erwiesen hat, wird durch die smarte Formulierung Sustainable Cost Recovery ersetzt, präsentiert von ebenso smarten Experten. Weitere Bestandteile dieser Reformen, teils mit ähnlich schönen neuen Begriffen: Finanzierung auf der lokalen Ebene (Local-level financing), innovative Finanzierung für die Armen (Pro-poor innovative financing), und – als würde das bislang nicht geschehen – die Finanzierung von „weichen Themen“ wie Regulierung, Behörden und Instandhaltung, anstatt nur an die physische Infrastruktur zu denken. Und dann werden noch die Lösungen entdeckt, die nichts kosten, beispielsweise solidarische Formen der Versorgung (Decentralised Solidarity Mechanisms). Um das nicht zu vergessen: Die schöne neue grüne Ökonomie im Wassersektor hat auch eine soziale Komponente. Sie heißt Bezah- 7 lung für Umweltdienstleistungen (Payments for Environmental Services), beispielsweise für die Erhaltung von Wassereinzugsgebieten oder Feuchtgebieten, die im Newspeak der Wasserökonomen von OECD und von Umweltschutzorganisationen wie The Nature Conservancy jetzt „Grüne Infrastruktur“ heißen. Damit wird die Finanzialisierung der Natur um die nächste Drehung der Schraube vorangetrieben: Nur Geld kann die Welt retten, so die Botschaft. Scheitern wie gehabt Alles zusammen soll den Wassersektor sanieren. Ja, es soll auch den Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen bringen, wird unermüdlich versichert. Aber vor allem soll es ihn als Geschäftsmodell finanziell sanieren, damit er für kommerzielle Investoren wie Pensionsfonds und Banken interessant wird – Green Economy mit gesicherter Rendite. Damit wird zugleich elegant der alte Streit über Public vs Private überspielt: Jetzt heißt es, beide sind gut, wenn sie gut sind, denn dann kommen die Finanziers angeströmt, egal ob es sich um öffentliche oder private Versorgungsunternehmen handelt. Hier könnte sich die ganze Sache in den Schwanz beißen: Ohne Reformen keine Finanziers, ohne Finanziers keine Reformen. Um diesen Widerspruch aufzulösen, müssen erst einmal weitere Tariferhöhungen, Subventionen, Garantien und Investitionen in „weiche Bereiche“ mit öffentlichen Geldern erfolgen. Früher nannte das ein Wasserexperte einer Entwicklungsbank einmal das „Schmücken der Braut“, Maßnahmen, um den öffentlichen Sektor für die globale private Wasserindustrie attraktiv zu machen. Ob die Armen dabei Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen bekommen, ist sekundär. Dieses Konzept ist allerdings in den 1990er Jahren schon einmal gescheitert, weil die großen Wasserkonzerne keinen Gewinn darin sahen. Die Hoffnung ist, dass die Finanzinvestoren das ähnlich einschätzen werden. Weitere Infomationen: www.globe-spotting.de 8 Abschlusserklärung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Alternativen Weltwasserforums in Marseille, 17. März 20123 Als Mitglieder der globaler Wasser-Gerechtigkeitsbewegung, die im März 2012 in Marseille bei FAME, dem Alternativen Weltwasserforum, zusammengekommen sind, haben wir eine gemeinsame Vision: Wasser ist ein Gemeingut, keine Ware. Dank der Wasser-Gerechtigkeitsbewegung haben die Vereinten Nationen das Recht auf Wasser und sanitäre Einrichtungen als ein „Menschenrecht, das wesentlich ist für die vollständige Lebenserfüllung“, anerkannt (Resolution 64/292). Es gab wichtige weitere Siege wie die Aufnahme dieses Rechts in die Verfassungen vieler Länder in Südamerika und Afrika, das erfolgreiche Referendum in Italien gegen die Privatisierung des Wassermanagement, die Rekommunalisierung von Wasser in Paris, Buenos Aires, Atlanta und vielen anderen Städten rund um den Globus, und erstmalig gab es gerichtliche Verfahren um die Anwendung des Menschenrechts auf Wasser. Wir lehnen das vorherrschende wirtschaftliche und finanzielle Modell, das die Privatisierung und Kommodifizierung von Wasser und sanitären Dienstleistungen bevorzugt, ab. Die kapitalistische, extraktive Entwicklung hat dramatische und tiefgreifende wirtschaftliche, soziale und ökologische Krisen verursacht. Dieser Ansatz, der Wasser als eine Ware wie jede andere betrachtet, ist ungerecht und ungeeignet, um Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle bereit zu stellen, und widerspricht dem Willen und den Interessen der Menschen. Als Antwort auf die zunehmende Privatisierung von Wasser halten wir das Konzept von Wasser als einem grundlegenden Lebenselement des Planeten und als ein fundamentales und unveräußerliches Menschenrecht aufrecht. Wir bestehen darauf, dass die Solidarität zwischen heutigen und zukünftigen Generationen garantiert werden muss, wir weisen alle Formen von Wasserprivatisierung zurück und erklären, dass Wasser öffentlich, kooperativ, partizipativ, gerecht und nicht auf Profit ausgerichtet organisiert und kontrolliert sein muss. Wir fordern, dass Regierungen den Zugang zu sauberem und sicherem Wasser für alle sicherstellen, in einer Menge, die zum Leben reicht. Wir rufen alle Regierungen auf, offiziell das Recht auf Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle Menschen in ihrem nationalen Recht anzuerkennen, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 64/292. Wir rufen alle Regierungen auf, den Anspruch und die Legitimität des Weltwasserforums als Ort für die Entwicklung der internationalen Wasserpolitik zurückzuweisen. Das finanzielle Versagen des herrschenden wirtschaftlichen Denkens und der Zusammenbruch neoliberaler, kapitalistischer Strukturen, die zu dieser Situation geführt haben, machen eines klar: Das Weltwasserforum und der Weltwasserrat haben keine Legitimation. Wir rufen die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf, im Oktober 2014 einen Demokratischen Weltgipfel zu Wasser zu organisieren, bei dem sich die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Einrichtung umzusetzen, in einer Form, die auf die globale Gemeinschaft Rücksicht nimmt. Die zunehmende Wasserkrise macht einen legitimierten, rechenschaftspflichtigen, transparenten und demokratischen Wassergipfel notwendig. Dieser Gipfel muss sinnvolle und offene Diskussionen mit betroffenen Bevölkerungsgruppen, ArbeiterInnen, indigenen Völkern und Zivilgesellschaft ermöglichen und in verbindlichen Verpflichtungen, nicht in ministeriellen (Absichts)erklärungen resultieren. Um in gleichem Ausmaß partizipieren zu können, wie es heute den wirtschaftlichen und politischen Mächte möglich ist, muss die Zivilgesellschaft ausreichende materielle und finanzielle Ressourcen erhalten. Es ist dringlich und zentral wichtig, „wirkliche Demokratie“ herbeizuführen; betroffene Bevölkerungsgruppen sollten an wichtigen Entscheidungen über Wassernutzung, Verteilung und Erhaltung sowie beispielsweise im Wassermanagement oder der Umsetzung großer Projekte beteiligt sein. BürgerInnen und Verbände müssen eine aktive Rolle im Wassermanagement spielen. Regierungen müssen dafür sorgen, dass dies erreicht wird, indem sie politische und finanzielle Mittel nutzen, um Bürger und Bürgerinnen in die Lage zu versetzen, sich an diesen Tätigkeiten zu beteiligen, und Bildungsmaßnahmen zu Wasser durchführen. Das Menschenrecht auf Wasser erfordert ausreichende öffentliche Gelder. Das Muster wirtschaftlicher Sparmaßnahmen in industrialisierten Ländern und Strukturanpassung in Entwicklungsländern, die dazu geführt haben, dass Regierungen die Ausgaben wie lebenswichtige Wasser- und Sanitärversorgung zusammengestrichen und private 9 Unternehmen größeren Zugang zu diesen Sektoren erhalten haben, müssen beendet werden. Wir rufen Regierungen auf, öffentliche Wasser- und Sanitärsysteme durch progressive Besteuerung, nationale und internationale Finanztransaktionssteuern und die Verwendung von Geldern für Wasser anstatt für militärische Zwecke zu finanzieren. Wir verlangen, dass Regierung sicherstellen, dass niemand vom Zugang zu Wasser ausgeschlossen wird: Die Berechnung von Wasser für Haushalte sollte durch ein progressives System erfolgen (auf der Grundlage des Einkommens). Gute öffentliche Dienstleistungen für Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen, vor allem in großen Städten, sind unmöglich, ohne die Infrastruktur und das Personal bereit zu stellen. Wir unterstützen die Rechte von ArbeiterInnen, wie sie in den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO festgelegt sind. Arbeitsbedingungen müssen würdig sein und ArbeiterInnen müssen die notwendigen Fähigkeiten haben, um ihre Arbeit durchführen und an der Demokratie am Arbeitsplatz teilnehmen zu können. jener, die normalerweise ignoriert werden: die spirituellen, ästhetischen, symbolischen und kulturellen Dimensionen. Diese Herangehensweise gibt Gemeinschaften auch eine Möglichkeit, ihre Bedürfnisse neu zu formulieren und Kräfte in ergänzende Projekte bezogen auf Landwirtschaft, Bildung und Gemeinschaftsorganisationen zu mobilisieren. Wir sind überzeugt, dass die harmonische Nutzung von Wasser zu Harmonie in der Gemeinschaft führt und dass die Qualität des Wassermanagements sich in der Qualität der Gesellschaft wiederfindet. Wir weisen die Vorstellung von öffentlichprivaten Partnerschaften zurück und bevorzugen stattdessen öffentliches und von Bürgern betriebenes Wassermanagement. Wir möchten öffentlich-öffentliche Partnerschaften fördern, schaffen und stärken. Wir verlangen öffentliche Investitionen in diese Partnerschaften und die Vermittlung von Wissen, das im öffentlichen Sektor vorhanden ist, an die Menschen und an die Gemeinschaften, die in diesem Bereich eine Ausbildung benötigen. Wir bekräftigen die Rechte von Frauen in ihrer zentralen Bedeutung für den weltweiten Kampf um Wasser. Da sie eine entscheidende Rolle in der Bereitstellung und dem Management von Wasserressourcen haben, fordern Frauen, dass Wissen geteilt wird, besonders technische Kenntnisse, um in den praktischen Aspekten des Zugangs zu Wasser hilfreich zu sei. Sie stehen für die Beteiligung an Entscheidungsprozessen als Gleichberechtigte – beim Wassermanagement, sanitären Einrichtungen, Hygiene und allen Aspekten des Prozesses, einschließlich wissenschaftlicher und technologischer Aspekte. Wir erkennen der Wert von gemeinschaftlichem Wassermanagement an, das umgesetzt werden kann, wenn öffentliche Dienstleistungen unmöglich sind oder gemeinschaftliche Anforderungen über die reine Dienstleistung hinaus gehen. Beim Gemeinschaftsmanagement wird Wasser in der ganzen Vielfalt seiner Funktionen bereitgestellt, einschließlich Wir unterstützen eine kleinteilige Familienlandwirtschaft und fordern Ernährungssouveränität, die es den Menschen erlaubt, sich selbst zu ernähren, sowie Zugang zu Wasser und Land. Wir wollen, dass eine agro-ökologische Produktionsweise, die angepasst ist an den Klimawandel, die Umwelt respektiert, weniger wasserintensiv ist und 10 weniger Verschmutzung verursacht, Vorrang erhält, sowohl in industrialisierten als auch in Entwicklungsländern. Wir wollen, dass agro-ökologischen Bauern und Bäuerinnen das Recht auf Wassernutzung für ihre Landwirtschaft garantiert wird, damit sie die Städte und Dörfer mit hochwertiger Nahrung versorgen können, indem sie ausreichende Finanzierung erhalten und in Regenwassersammlung und Wassernutzungstechniken investieren können, die angepasst sind an die lokalen Bedingungen und Rücksicht nehmen auf traditionelle Praktiken. „Entwicklungs“-Modell unterstützten und verfolgen. Die Machtkonzentration dieser unterschiedlichen Akteure zielt darauf ab, die Meinungsäußerungen der Menschen einzuschränken und alternative politische Vorschläge auf lokaler wie auf globaler Ebene zu unterbinden. Wir rufen auf zu Veränderungen in unserem Verbraucherverhalten, um den Überkonsum und das Dogma eines unbegrenzten Wachstums zu beenden, das die exponentielle Beschleunigung bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen vorantreibt. Wir sind gegen die industrielle Ausbeutung und Extraktion natürlicher Gemeinschaftsgüter in all ihren Formen, besonders gegen Bergbau und den Abbau fossiler Energieträger, einschließlich Gas und Öl, die die Grenzen von „Gebieten, die geopfert werden müssen“, immer weiter zurück schieben um die Versorgung mit Rohstoffen und Energie sicher zu stellen und dabei den Zugang zu Wasser und seine Verfügbarkeit und Qualität für immer mehr Menschen weltweit gefährden. Wir rufen die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf, über die Schaffung eines neuen Modells der Zusammenarbeit zwischen Regierungen nachzudenken, um einen Ausweg aus dem wirtschaftlichen System, das auf heftiger Konkurrenz beruht, zu ermöglichen. Dieser globale wirtschaftliche Krieg verursacht eine Spirale aus Überproduktion und Überkonsum, der eine andauernde, unbegrenzte Plünderung der Biosphäre befeuert, die weit über die Befriedigung von grundlegenden Bedürfnissen hinaus geht. Dies führt zu wachsenden Spannungen in entwickelten und sich entwickelnden Ländern. Wir klagen nicht nur extraktivistische multinationale Unternehmen an, sondern auch internationale Finanzinstitutionen, internationale Verträge und Regierungen, die dieses 11 Wir rufen zu einer Energiewende auf, die auf einer Verringerung des Gesamtverbrauchs, auf Energieeffizienz und auf dem Vorrang erneuerbarer Energie gegenüber begrenzten Ressourcen beruhen muss. Die Erzeugung und Verteilung von Energie muss sich an der Befriedung der Bedürfnisse der Menschen reorientieren und nicht länger von transnationalen Interessen und industriellem Überkonsum kontrolliert werden. Lokale, alternative und nachhaltige Lösungen müssen Vorrang erhalten, wobei die Produktion dezentralisiert werden sollte. Diese Wende macht einen sofortigen Stop des Abbaus von Erdöl und Schiefergas, Ölsanden, des Einsatzes von Off-shore-Plattformen und ganz allgemein des Abbaus fossiler Ressourcen, der Techniken verwendet, die für Umwelt und Gesundheit schädlich sind, erforderlich. Wir widersetzen uns dem Zwangsprozess, alle Aspekte des Lebens – Natur, Wasser, Arbeit – zu kommodifizieren, ein Prozess, den transnationale Unternehmen und die internationale Finanzwelt mit ihrem Plan für eine Green Economy zu besetzen versuchen, unterstützt durch Regierungen bei der internationalen Konferenz Rio+20. Wir fordern von den Regierungen, die falschen Lösungsansätze dieser Green Economy wie Großstaudämme, Atomenergie, Agrartreibstoffe, monokulturelle Landwirtschaft und industrielle Forstwirtschaft sowie die kommerzielle Ausbeutung von Flaschenwasser zurückzuweisen, die nicht nur die Umweltund Finanzkrisen nicht lösen können, sondern vielmehr die Verfügbarkeit und Qualität von Wasser bedrohen. Wir unterstützen ökonomische Systeme, die darauf abzielen, Wohlergehen und eine gesunde Umwelt für Gemeinschaften sicher zu stellen, anstatt der Verfolgung eines größtmöglichen individuellen Reichtums und inflationärer Gewinne für Unternehmen und Finanzen. Wir rufen die Regierungen auf, sich an die Richtlinien der Weltstaudammkommission zu halten und aufzuhören, die Vorschläge des Protokolls über die Evaluierung der Dau- 12 erhaftigkeit von Wasserkraft gut zu heißen. Gleichzeitig fordern wir die internationalen Organisationen auf, ein Moratorium für die Finanzierung von Großstaudämmen zu verhängen. Wir prangern die Kriminalisierung von Sozial- und Umweltbewegungen, die für das Recht auf Wasser und gegen Extraktivismus kämpfen, an und verlangen, dass ihr Schutz sichergestellt wird. Besonders entsetzt sind wir über den Mord an Bernardo Vásquez Sánchez am 15. März, während FAME, der sich gegen das Bergbauprojekt des kanadischen Unternehmens Fortuna Silver Mines in Oaxaca, Mexiko, zur Wehr setzte. Wir behalten uns das Recht zu zivilem Ungehorsam vor, um gegen die Zerstörung der Umwelt, der Subsistenzsicherung, der Qualität von Leben und Gesundheit vorzugehen. Wir schlagen die Schaffung eines unabhängigen internationalen Rechtssystems vor, das das Recht auf Wasser und sanitäre Einrichtungen garantiert: Das Recht muss weltweit durchgesetzt und Vergehen gegen dieses Recht müssen gestoppt werden. Wir rufen auf zur Schaffung eines Internationalen Gerichtshofs für Umweltverbrechen. Wir rufen dazu auf, die Integrität des Wasserkreislaufs zu erhalten, im Rahmen der Anerkennung der Rechte von Ökosystemen und Arten zu existieren, sich zu entfalten und zu reproduzieren. Wir rufen auf, die Rechte der Natur zu etablieren und anzuerkennen, um sicherzustel- len, dass die Biosphäre und ihre Bewohner den Schutz erhalten, der für Gleichgewicht und Nachhaltigkeit erforderlich ist. Wir verpflichten uns, weiter am Aufbau von Netzwerken und neuen sozialen Allianzen zu arbeiten und unsere Verbindung mit sozialen Bewegungen, die für Ernährungssouveränität, Klimagerechtigkeit, Demokratie und soziale und ökologische Gerechtigkeit kämpfen, zu verstärken. Wir werden auch weiterhin Aktivitäten rund um den Globus koordinieren. Wir verpflichten uns, sowohl lokale Behörden als auch Parlamentsmitglieder, die entschlossen sind, Wasser als Gemeingut zu verteidigen und das Recht auf Wasser für alle Menschen und die Natur zu bekräftigen, einzubeziehen. Wir ermuntern alle öffentlichen Wasserunternehmen und Gemeinschaften von WassernutzerInnen, zusammenzuarbeiten und nationale Verbände und regionale Netzwerke zu bilden. tigen und zukünftigen Siege, und wir sind glücklich über diese gemeinsamen Anstrengungen, die Grenzen und Kontinente übergreifen! FAME hat seine Ziele erreicht, dazu beizutragen, dass das Weltwasserforum bald verschwindet. Der Weg wurde frei gemacht, um das Recht auf Wasser und sanitäre Einrichtungen durchzusetzen, das ein grundlegendes Menschenrecht ist, und sicher zu stellen, dass Wasser wieder ein Gemeingut wird, das der Menschheit und der Biosphäre gehört. Marseille, 17. März 2012 Die Deklaration kann auf der FAME-Webseite unterzeichnet werden: www.fame2012.org/en/signing-declaration Kommentar zur FAME-Abschlusserklärung Mary Ann Manahan Focus on the Global South, Philippinen4 Wir rufen alle Bewegungen, Netzwerke, und Organisationen, die Teil der Bewegung für Wassergerechtigkeit sind, auf, sich zu verpflichten, die Bürger für Rio+20 zu mobilisieren, um den Peoples‘ Summit (15.-23.Juni 2012) und den Tag globaler Aktion (20. Juni 2012) zu einem großartigen, breiten Erfolg zu machen. Das wird dazu beitragen, die Kommodifizierung und Finanzialisierung unseres Lebens zu stoppen und unsere Alternativen durchzusetzen, die eine Antwort darstellen auf die gegenwärtigen ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen und demokratischen Krisen. Wir bewundern die Ernsthaftigkeit und den Zusammenhalt unserer Bewegung, die heu- Auch Treffen von sozialen Bewegungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen bringen Abschlusserklärungen hervor. Jedoch ist der Entstehungsprozess ein ganz anderer als der von vorgefertigten Erklärungen, die wir üblicherweise aus „offiziellen“ Veranstaltungen erhalten. Die Abschlusserklärung des FAME wurde von einer Gruppe freiwilliger Einzelpersonen aus ganz unterschiedlichen Organisationen und Bewegungen aus verschiedenen Ländern der Welt erarbeitet und der abschließenden Plenarsitzung vorgestellt. Der Vorschlag wurde – wie zu erwarten – heftig diskutiert, denn alle TeilnehmerInnen aus der ganzen Welt wollten schließlich ihr Anliegen im Text unterbringen. Praktisch bedeutete das echte Demokratie und Partizipation, ein Konsens wurde während des Plenums jedoch nicht erreicht. So wurden nachträglich noch eine ganze Reihe zusätzlicher relevanter Punkte integriert. Eine Vorgehensweise, die notwendig war, um sicherzustellen, dass die Bewegung für Wassergerechtigkeit zusammen das umsetzen kann, was wir selbst immer predigen. 13 2: Rekommnalisierung und Vergesellschaftung 14 David Boys Abteilungsleiter Wasser und Energie bei EPSU – Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst, Großbritannien „Gerade am Beispiel Wasser wird besonders deutlich, wie notwendig es ist, die Kraft der BürgerInnen unserer Länder aufzubauen, um die neoliberale Agenda der Privatisierung dieser grundlegenden Ressource zu verhindern. Wir müssen die BürgerInnen in jeder Kommune und in jeder Stadt darüber informieren, warum ihre Wasserversorgung kostbar ist und warum sie öffentlich bleiben soll. Dazu brauchen wir unterschiedliche Strategien in unterschiedlichen Ländern. In Europa stellen wir aktuell eine wachsende Popularität von Volksentscheiden fest, in denen die gewählten VolksvertreterInnen gezwungen werden, unsere Stimmen zu hören, denen wir durch den friedlichen, demokratischen und legalen Prozess einer Volksabstimmung Ausdruck verleihen. So zum Beispiel beim letzten Referendum in Madrid, wo über 177. 000 Menschen in einer informeller BürgerInnenbefragung ihre Stimme abgaben haben – 95,5% davon gegen die Privatisierung! Als Nächstes werden wir eine europäische BürgerInneninitiative erleben, deren Ziel es ist, die neoliberale Politik der Europäischen Union in Richtung Wasserprivatisierung zu stoppen. Gemeinsam wollen wir den Weg der direkten Demokratie zur Durchsetzung unserer Forderung nutzen: Mit unserem Wasser darf kein Profit gemacht werden!“ Weitere Informationen: www.world-psi.org 15 Lehren aus dem Referendum für das Menschenrecht auf Wasser in Kolumbien je bedroht sowohl durch den Klimawandel als auch durch den Mega-Bergbau, gerade in Lateinamerika. Das Paradox der Wasserknappheit in Kolumbien Kolumbien ist das siebtgrößte Wasserreservoir der Welt. Das Wasserangebot innerhalb seines Territoriums, 59 Liter in der Sekunde pro Quadratkilometer, ist das sechsfache des Weltdurchschnitts und das Dreifache des südamerikanischen Durchschnitts. Rafael Colmenares Ehemaliger Sprecher des Referendums für das Menschenrecht auf Wasser in Kolumbien5 Im Jahr 2008 haben 2,1 Millionen Kolumbianerinnen und Kolumbianer mit ihren Unterschriften einen Volksentscheid gefordert, durch den in der Verfassung des Landes das Menschenrecht auf Trinkwasser festgeschrieben werden sollte, wobei als Garantie dieses Rechts das Lebensminimum kostenfrei sein muss. Ferner sollte durch das Referendum in die Verfassung der Schutz der für den Wasserkreislauf wesentlichen Ökosysteme als öffentliche Gemeinschaftsaufgabe aufgenommen und so deren Privatisierung ausgeschlossen werden. Der kolumbianische Kongress, d. h. das Parlament, lehnte diesen Aufruf zum Volksentscheid im Mai 2010 ab – nach mehr als einem Jahr Debatten. Eine Analyse der verschiedenen Faktoren, Ausgangspunkte und Entwicklungen, die bei diesem Beschluss eine Rolle gespielt haben, dürfte für die weltweite Bewegung zur Verteidigung des Wassers als einem gemeinsamen öffentlichen Gut von großem Nutzen sein, gerade jetzt, da wichtige Fortschritte gemacht worden sind wie die Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser durch die UNO im Juli 2010. Wasser bleibt aber weiterhin ein Gut, das die multinationalen Konzerne an sich reißen wollen, und der Wasserkreislauf ist mehr denn 16 Warum also haben mehr als neun Millionen Menschen keinen Zugang zu trinkbarem Wasser in Kolumbien, in einem Land mit einem solchen Überfluss an Wasser? Die Antworten sind in den geschichtlichen Formen der Landbesetzung und –nutzung seit der Kolonialzeit zu suchen. Die Rohstoffgewinnung konzentriert sich in der Andenregion. Sie ist mit den Flussbecken zweier großer Ströme – der Magdalena und dem Cauca, die das Land von Süden nach Norden durchziehen – das wesentliche Rückgrat für den Wasserkreislauf. Die Entwaldung, die mit nicht-nachhaltigen Produktionssystemen einhergeht, ebenso wie das Fehlen der Abwasserbehandlung in den Städten und Dörfern der Andenregion haben eine schwerwiegende Verschlechterung des Oberflächenwassers hervorgerufen und neuerdings auch die des Grundwassers. Die ökologisch schädlichen Produktionsweisen gehen einerseits mit massiver Grundeigentumskonzentration und andererseits mit expansiver, ungeplanter Zersiedlung einher. Das alles geschieht im Rahmen sehr großer sozialer Ungleichheit, die den gewalttätigen Konflikten zugrunde liegt, von denen das Land seit Jahrzehnten erschüttert wird. Gesellschaftliche Konflikte und Umweltzerstörung sind in Kolumbien, wie in vielen anderen Teilen der Welt, nur die zwei Gesichter derselben Münze. Privatisierung als Belastung Die Situation verschlechterte sich massiv seit 1993 mit der Verabschiedung des Gesetzes 142, das privaten Unternehmen, entweder direkt oder in Verbindung mit öffentlichen Körperschaften, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung gestattet. Außerdem schreibt dieses Gesetz vor, dass die leistungserbringenden Institutionen, auch wenn sie rein staatlich sind, rentabel sein müssen. Schließlich verlagert es alle Kosten der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung auf die Abnehmer, wodurch ein erheblicher Anstieg in den Tarifen für diese Dienste ausgelöst wurde. So haben sich die Verbraucherpreise auf dem Sektor von Trinkwasser und Abwasserkanalisation um 200% erhöht, während die Inflationsrate insgesamt bei 92% liegt. Das führt zu einem skandalösen Anstieg von Wasserabsperrungen bei Familien, die diese hohen Tarife nicht mehr bezahlen können. Der Durchschnitt solcher Absperrungen, d. h. Entzug der Versorgung, betrug in den letzten drei Jahren allein in Bogotá ca. 300.000 Fälle bei einer Gesamtzahl von 1,5 Millionen registrierten Familien. Derweil steigen die Profite der Wasserunternehmen, ob sie nun öffentlich, privat oder öffentlich/privat sein mögen, ständig an. Ihre Rentabilität liegt mit 8% nur leicht unter der des kolumbianischen Bankensystems – dem Sektor, der die höchste Rentabilität im Land erwirtschaftet. Der Volksentscheid als Alternative Unter den vorgenannten Bedingungen ist es nicht überraschend, dass die Vorschläge für ein Referendum größte Zustimmung gefunden haben. Man kann sagen, dass mit dieser Initiative nur eine Forderung, die sowieso schon im öffentlichen Bewusstsein war, aufgegriffen wurde und dass sie das soziale Problem wie nie zuvor mit der Bedeutung und dem Verfall der wesentlichen Wasserkreislaufsysteme verbunden hat. Darum haben soziale Netzwerke wie auch unzählige einzelne BürgerInnen sich mit so viel Einsatz an der Sammlung von Unterschriften beteiligt, dass die durch Gesetz vorgeschriebene Anzahl um 600.000 überstiegen wurde. Das Referendum prallt an einem antidemokratischen Parlament ab Nach der Verfassung von Kolumbien genügt es nicht, Unterschriften von 5% der wahlberechtigten Bevölkerung zusammenzubringen, um ein Referendum in Gang zu setzen. Allein das Parlament hat letztlich das Recht, darüber zu entscheiden, ob zu einer Volksabstimmung aufgerufen wird. Wir haben also ein System sehr eng begrenzter partizipativer bzw. direkter Demokratie, da sie stets der Bevormundung durch die „Repräsentanten“ des Volkes unterworfen ist. Als das gesetzliche Verfahren für ein Referendum im Oktober 2008 in Gang gebracht worden war, formierte sich sofort heftige Opposition dagegen, die von der Vizeministerin für Wasser und der Oberaufseherin für öffentliche Dienstleistungen der Regierung von Uribe ausging. In deren Schatten wurde das mächtige Gremium ANDESCO aktiv, in dem die Versorgungsunternehmen versammelt sind, sowohl private als auch öffentliche oder gemischte Unternehmen (PPP). Mehrere Privat- und PPP-Unternehmen werden von multinationalen Untenehmen wie Suez, Vivendi, Aguas de Barcelona oder dem Canal de Isabel Segunda kontrolliert, der in Madrid ein öffentliches Unternehmen ist, in Kolumbien aber als transnationales Privatunternehmen agiert. Die Gegner führten als Argument an, dass die Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser eine Lawine von Forderungen nach sich zöge, die es unmöglich machen würde, die offiziellen „Ministerialpläne zur Wasserversorgung“ (Planes Departamentales de Agua) umzusetzen, durch die allein die Wasserversorgung der gesamten Bevölkerung fortschreitend sicher gestellt werden könne. Das Parlament versuchte zunächst, den von den Bürgern unterschriebenen Text zu ändern, indem es die Forderung nach dem 17 „Menschenrecht auf Wasser“ daraus eliminierte und den Anspruch auf ein kostenfreies Existenzminimum an Wasser auf ein Almosen für den allerärmsten Teil der Bevölkerung reduzierte. Als dieser Versuch gescheitert war, weil das Verfassungsgericht entschied, dass von der Bevölkerung unterschriebene Texte nicht verändert werden dürfen, stimmte das Parlament im Mai 2010 gegen den Aufruf zu einem Referendum mit der überwältigenden Mehrheit der Stimmen der Uribistas gegen die Stimmen lediglich der Opposition des Polo Democratico Alternativo und der Partido Liberal. Die aktuelle Lage: Durst leiden trotz Wasser bis zum Hals Einige Monate nach der Ablehnung durch das Parlament setzten in Kolumbien sehr schwere Regenfälle ein, die mit kurzen Unterbrechungen das ganze Jahr 2011 über andauerten, und aktuell, im März 2012, erneut begonnen haben. Es ist das als „La Niña“ bekannte Phänomen, das jetzt auf Gebiete trifft, in denen es keine Vegetation gibt, die diese enormen Wassermengen absorbieren und regulieren könnte. La Niña überrollt derzeit Gebiete bis zur Magdalena und zum Cauca und ruft in der ganzen Andenregion sowie in der Ebene an der karibischen Küste Überschwemmungen hervor. Die Erdrutsche und die Ablagerungen der Flüsse haben es mit sich gebracht, dass in Großstädten von mehr als 500.000 Einwohnern wie Manizales und Cúcuta die Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen oft fast einen ganzen Monat lang nicht in Betrieb sind. Noch gravierender ist die Lage in kleinen Ortschaften auf der gesamten Länge des Flusses Magdalena. Inzwischen hat der Rechnungshof der Republik in einem Bericht vom April 2011 die Ineffektivität der offiziellen Ministerialpläne zur Wasserversorgung gerügt, die als Vorwand für die Ablehnung eines Referendums gedient hatten. Dem Bericht zufolge wurden gut 45 Millionen Euro für diese Pläne an private Geschäftsleitungen ausgegeben, ohne 18 dass irgendeine konkrete Leistung dafür erbracht worden ist. Die „Defensoría del Pueblo“ [ein öffentliche Schlichtungsstelle, d. Übers.] hat ihrerseits im vergangenen Jahr ihre Angabe über die Anzahl von Personen ohne Zugang zu Trinkwasser in Kolumbien aktualisiert und einen Anstieg auf 10 Millionen registriert. Zusätzlich erscheint als neue Bedrohung des Wasserkreislaufs der sich ausweitende Tagebau, da mehrere Konzessionen auch für Gebiete vergeben worden sind, die für die Wassergewinnung wesentlich sind, die sogenannten „Páramos“ (brachliegende Hochebenen) in mehr als 3000 m Höhe über dem Meeresspiegel. Die Zukunft der Wasserbewegung in Kolumbien Die Bewegung befindet sich in einer Etappe der mutigen Neuformierung, gestärkt durch die bis jetzt erfolgreiche Verteidigung des Páramo de Santurban gegen die Bedrohung aus dem Bergbau und durch den Beschluss des neuen Bürgermeisters von Bogotá, Gustavo Pedro, ein Existenzminimum von monatlich sechs Kubikmetern Wasser pro Familie kostenfrei zur Verfügung zu stellen, wovon 2 Millionen Personen Nutzen haben werden. Natürlich ist auch die UNO-Resolution, die das Menschenrecht auf Wasser anerkennt, ein wichtiger stimulierender Faktor. Die zentrale Herausforderung besteht darin, zwischen den sozialen Organisationen eine neue, so machtvolle Koordination zu erreichen wie die für die Unterschriftensammlung für ein Referendum, und darin, neue Zielvorgaben für den Vormarsch von unten nach oben zu umreißen, d. h. von der lokalen und regionalen Ebene bis zur nationalen. Dafür ist die Schaffung weiterer Räume der Bürgerbeteiligung und deren Verbindung mit den vorhandenen sozialen Netzwerken von fundamentaler Bedeutung. Weitere Informationen: www.censat.org www.culturagua.com Demokratie und Mitsprache erlebbar machen – Das europäische Volksbegehren Matthias Ladstätter Bundesfachgruppenleiter Wasserwirtschaft bei Verdi, Deutschland Seit dem 01. April gibt es per europäischer Verordnung die Möglichkeit, ein europäisches Bürgerbegehren (EBB) anzustrengen. Damit ist Europa weiter in der Partizipation der BürgerInnen als mancher der Mitgliedsstaaten. Nur kommt es darauf an, diese gebotene Chance mit Kraft und Engagement zu füllen und Ergebnisse zu erzielen, die uns nicht wie den sinnbildlichen Tiger als Bettvorleger landen zu lassen. Hier setzen wir an: Wir nehmen die Kommission beim Wort und werden den Stimmen der EU-Völker millionenfach Gehör verschaffen. Das Weltwasserforum in Marseille war ein geeigneter Ort, unsere gewerkschaftliche Kampagne: „Anerkennung des Menschenrechtes auf Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung“ zu starten. Das geschah dort sowohl auf dem mit 30 Millionen Euro Steuergeldern geförderten „offiziellen“ Forum, und dies mit sehr gutem Erfolg vor vollem Saale, als auch beim mit nur einer halben Million Euro geförderten alternativen Forum FAME. Dieses FAME wurde den Ansprüchen eines Weltwasserforums wesentlich mehr gerecht als das „offizielle“ andere. Das lag an der Faszination der beim FAME angebotenen einfachen Lösungen ebenso wie an den engagierten, kämpferischen WeltbürgerInnen ohne Kapital-Hintergrund. Diese Famose Ansammlung höchst Motivierter EnthusiastInnen hat einen bleibenden stark prägenden Eindruck hinterlassen. Mit diesem EBB, das am 10. Mai von der Kommission registriert worden ist, begibt sich die Europäische Gewerkschaftsbewegung nicht auf absolutes Neuland, denn Erfahrungen des Unterschriftensammelns liegen vor. Nur muss diese Aktion gelingen, um die EU-Kommission in die richtige Spur zu setzen, ansonsten könnten wir die Verlierer sein und mit uns all die Menschen, die nur auf dieses Menschenrecht setzend eine lebenswerte Zukunft erwarten dürften. Die Sammlung der Unterschriften kann gleich nach Registrierung erfolgen. Jede davor geleistete Unterschrift hat keinen rechtlichen Status. Und so sehen unsere Forderungen aus: Die EU sollte allen Mitgliedstaaten verbindliche Ziele setzen, das Menschenrecht auf Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung in Europa zu 100 Prozent zu erfüllen und das Gleiche weltweit einzufordern. Millionen von Menschen werden diese Dienstleistungen immer noch vorenthalten. Dazu gehören: 1. Wasser und sanitäre Grundversorgung als Garantie für alle Menschen in Europa. 2. Keine Liberalisierung der Wasserwirtschaft. 3. Universeller (globaler) Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung. Unsere Kampagne will bei der Europäischen Kommission einen Umdenkprozess bewirken und anstelle des marktorientierten Modells mit dem Schwerpunkt Wettbewerb ein auf Rechten basierendes Modell mit dem Schwerpunkt öffentliche Dienstleistungen setzen. Ziel ist die Bereitstellung eines universellen (globalen) Zugangs zu Wasser und sanitärer Grundversorgung und der Erhalt der begrenzten Wasserressourcen für zukünftige Generationen. 19 Einige unserer wichtigsten Vorschläge an die EU-Kommission sind: 1. Hinweis auf dieses Menschenrecht in allen Mitteilungen über Wasser und Abwasserwirtschaft. Wir schreiben Wasser und lesen Demokratie! — ein Beitrag beim FAME 2012 2. Garantierte Wasserversorgung und sanitäre Grundversorgung für alle Menschenin den EU-Mitgliedstaaten, Einsatz darüber hinaus weltweit. 3. Herausnahme der Wasserwirtschaft aus dem Geltungsbereich des Binnenmarkts und damit: • Wasser und sanitäre Dienstleistungen nicht zu liberalisieren. • Wasser und sanitäre Dienstleistungen nicht zum Gegenstand von Handelsabkommen wie dem CETA zu machen. • Öffentlich-öffentliche Partnerschaften zu fördern. 4 . Den Grundsatz „Wasser ist keine Handelsware” gesetzlich verbindlich festschreiben. 5. Dem Schutz unserer aquatischen Umwelt Vorrang vor der Handelspolitik zu geben. 6. Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeitenund rechte der Bürgerinnen und Bürger wie bereits in der Wasserrahmenrichtlinie vorgesehen. 7. Umsetzung der Lissabonverträge dahin gehend, dass die Kontrolle über das Was-ser und die Wasserressourcen in der öffentlichen Hand bleiben muss. 8. Stärkung der Anreize für Wasserversorger, einen bestimmten Prozentsatz des Jahresumsatzes für Partnerschaften mit Wasserversorgern in Entwicklungsländern zu verwenden (wie dies in Frankreich und den Niederlanden bereits der Fall ist). Weitere Informationen: www.right2water.eu/de 20 Dorothea Härlin Berliner Wassertisch, GiB e. V., Deutschland Alle sprechen vom Wasser, sowohl beim offiziellen Weltwasserforum der globalen Wasserkonzerne (WWF) als auch beim Alternativen Weltwasserforum (FAME). Aber Vorsicht, nicht alle meinen das gleiche! Das alternative Forum steht unter dem Leitspruch der italienischen Wasserbewegung „Wir schreiben Wasser und lesen Demokratie“. Das WWF könnten wir unter folgenden Titel stellen: „Wir sagen Wasser und meinen Profit.“ Am 12. März, bei der Eröffnung des 6. WWF, präsentierte sich Veolia als weltoffen und um das Wohl der Weltbevölkerung bemüht. Doch just am selben Tag reichten Veolia und RWE in Berlin eine Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen das Volksgesetz „Unser Wasser“ ein. Noch klarer konnten sie ihre freundliche Fassade nicht fallen lassen! Wir erinnern uns: am 13. Februar 2011 gewannen wir den ersten Volksentscheid in Berlin. Das von 666.000 BerlinerInnen verabschiedete Gesetz wurde am 13. März 2011 vom Parlamentspräsidenten Momper offiziell verkündet und damit ratifiziert. Besonders weh tat den Konzernen anscheinend der Artikel 4, der besagt, dass alle Teile des Vertrages, die binnen eines Jahres nicht veröffentlicht wurden, mit Jahresfrist ungültig werden. Der 12. März war also genau einen Tag vor Inkrafttreten dieser Bestimmung – eine volle Bestätigung der Vermutungen des Berliner Wassertischs, dass bisher nicht alles veröffentlicht wurde. Da muss es wohl doch noch Absprachen geben, die den Nerv der Konzerne treffen, ihre Profitrate also. Zwei Konzerne klagen gegen 666.000 BürgerInnen! Das ist ein Schlag ins Gesicht der Demokratie! Anschaulicher kann man nicht demonstrieren, dass Privatkonzerne sich einen Dreck scheren um die Meinung von Hunderttausenden, eine höhere Anzahl von WählerInnen als irgendeine Fraktion im Abgeordnetenhaus auf sich vereinigen konnte. Aber jetzt ist auch die Politik gefragt. Wir fordern den regierenden Bürgermeistern Herrn Wowereit und alle Abgeordneten im Abgeordnetenhaus auf, sich nun endlich auf die Seite der Berliner Bevölkerung zu stellen und frontal gegen die Konzerne Stellung zu beziehen! Immerhin klagen Veolia und RWE gegen diesen Senat und das Parlament, das dieses Gesetz ratifiziert hat. Wir fordern den Senat auf, endlich aus der Beutegemeinschaft mit den Privatkonzernen auszusteigen! Das heißt: anstatt für teures Geld wie bisher eine Kanzlei wie Freshfields Bruckhaus Deringer mit der Klage zu beauftragen – eine Kanzlei, die auch RWE und Veolia vertritt und an unzähligen PPP-Verträgen zum Schaden der Bevölkerung mit beteiligt war. 4. Wir fordern den regierenden Bürgermeister, Herrn Wowereit, auf zu einer Regierungserklärung, in der er klar die Interesse der Berliner Bevölkerung vertritt und sich für den Erhalt einer am Gemeinwohl orientierten Infrastruktur in Berlin ausspricht. Damit könnte er endlich den Vorwurf der Komplizenschaft des Senats mit den allein am Profit interessierten Privatunternehmen aus der Welt schaffen. Mit dieser Klage beim Bundesverfassungsgericht haben die Konzerne das Berliner Problem auf die Bundesebene gebracht. Damit wird auch unser Widerstand sich bundesweit ausbreiten und ein Präzedenzfall gegen die aktuelle Form der Privatisierung, die öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP), verhandelt werden. Damit werden wir viel mehr werden und viel lauter, denn der Widerstand gegen den Ausverkauf des öffentlichen Eigentums ist ständig am Wachsen. Wir sind deshalb guter Hoffnung, dass sich die Klage in einen Bumerang gegen RWE und Veolia verwandeln wird. Weitere Informationen: www.berliner-wassertisch.net 1. Der Aufforderung des Kartellamts nachzukommen und die Wasserpreise um mindestens 19% zu senken, anstatt die zweifelhafte Begründung von Veolia und RWE, die sie gegen das Kartellamt anführen, mit zu tragen. 2. Offenlegung der bisherigen Verkaufsverhandlungen mit RWE und Stopp der Verhandlungen auf Basis des skandalösen Vertrages. 3. Beauftragung einer tatsächlich unabhängigen Anwaltskanzlei, um die Interessen der 666.000 BerlinerInnen zu vertreten, 21 3: Auswirkungen von Privatisierung und Public-Private-Partnerships 22 Mehdi Lahlou Vorsitzender von ACME Marokko „Die Wasser-Situation in Marokko ist noch immer sehr beunruhigend: Nach aktuellen Zahlen stehen jedeR EinwohnerIn weniger als 700 m3 Wasser pro Jahr zur Verfügung. 80-85% der verfügbaren Wasserressourcen werden für die Landwirtschaft verbraucht, die jedoch noch immer nicht für eine Befriedigung der Nahrungsmittel-Grundbedürfnisse der Bevölkerung sorgen kann. 60% dieses Wassers für die Landwirtschaft geht außerdem durch technische Mängel in den Bewässerungssystemen verloren. Außerdem findet die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Marokkos seit 1997 über Konzessionen statt, von denen hauptsächlich französische Unternehmen profitieren. Bei der öffentlichen Auftragsvergabe herrscht ein eklatanter Mangel an Transparenz. Die öffentlichen Institutionen, besonders auch auf lokaler Ebene, sind – politisch und finanziell – machtlos. Sie schaffen es nicht, die Einhaltung der Auftragsspezifikationen durchzusetzen, diese werden üblicherweise auch nie öffentlich zugänglich gemacht. Das Modell hat in keinster Weise die Vorteile gebracht, die anfänglich versprochen wurden: Der Zugang zum Wasser wurde nicht verbessert, die Preise sind nicht gesunken, die Qualität ist nicht gestiegen und es stehen auch nicht – wie angekündigt – mehr finanzielle Ressourcen nicht-öffentlicher Natur zur Verfügung, um wichtige langfristige Investitionen zu gewährleisten. Aus diesen Gründen muss die Mobilisierung der Bevölkerung in Marokko auf jeden Fall weitergehen. Unser Ziel ist es, den Privatisierungsprozess zu stoppen. Wir kämpfen für ein von den BürgerInnen selbstbestimmtes und demokratisches Modell, für einen solidarischen Zugang zum Wasser und eine nachhaltige Nutzung, die es allen erlaubt, von der Ressource Wasser zu profitieren.“ Weitere Informationen: www.acme-eau.org 23 Die globale Wassernahme Was ist Water Grabbing? Sylvia Kay und Jenny Franco Transnational Institute, Niederlande6 Von Wassernahme (englisch „water grabbing“) spricht man, wenn sich einflussreiche Akteure zu ihrem eigenen Vorteil Kontrolle über wertvolle Wasservorkommen und -gebiete verschaffen und sie so örtlichen Gemeinschaften entziehen, deren Existenz oft von diesen Vorkommen und Ökosystemen abhängt. Die Kontrolle wird ermöglicht durch Privatisierung, Kommerzialisierung und Aneignung von Vorkommen, die bisher Gemeineigentum der Gemeinschaften waren. Dadurch wird Wasser von einer für alle verfügbaren Ressource zu einem privaten Gut, dessen Verfügbarkeit ausgehandelt werden muss und von der Zahlungsfähigkeit abhängt. Wassernahme tritt also in vielen verschiedenen Formen in Erscheinung: angefangen von der Wassergewinnung für großflächige Monokulturen zur Nahrungs- und Biospritproduktion, über das Anstauen von Flüssen für Wasserkraftwerke, bis zur privaten Kontrolle über öffentliche Wasservorkommen. Es umfasst auch ein Modell von Entwicklung, das auf dem Handel mit virtuellem Wasser aufbaut. Wassernahme ist keine neue Erscheinung, sondern hat viel gemeinsam mit der früheren Aneignung anderer Ressourcen und dem, was als „Einzäunung“ („enclosures“) der Gemeingüter bezeichnet wurde. Die neue Dimension der gegenwärtigen Wassernahme besteht darin, dass die Mechanismen zur Aneignung und Umwandlung von Wasservorkommen in private Güter viel weiter entwickelt und immer stärker globalisiert sind, begünstigt durch internationale Investitionsund Handelsgesetze. Deshalb besteht Grund zur Sorge, dass von dieser Entwicklung auf Kosten lokaler Gemeinschaften und Ökosysteme eine neue Generation von „Mulhollands“ (siehe Kasten unten) profitiert, und zwar in bisher ungekannten Ausmaß. Angesichts einer weltweiten Wasserkrise, bei der 700 Millionen 24 Menschen in 43 Ländern unterhalb der Wasserstress-Schwelle – gemäß Falkenberg-Bericht von 1976 an UNEP/WMO – von 1.700 Kubikmetern Wasser pro Kopf und Jahrleben, muss die weltweite Wassernahme dringend beendet werden. In welcher Verbindung steht Wassernahme zur Privatisierung von Wasservorkommen? Privatisierung und Kommerzialisierung von Wasservorkommen sind Schlüsselmechanismen der Wassernahme. Die Privatisierung der Wasserversorgung ist kein neues Phänomen, doch hat die neue Welle der Wassernahmen die Ressource Wasser zweifellos stärker als Wirtschaftsgut in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Die Privatisierung und der Handel mit Wasserrechten können dazu führen, dass Einheimische ihre Wasserrechte verlieren oder diese meistbietend versteigert werden. Besonders besteht diese Gefahr dort, wo die Wasserrechte der einheimischen Gemeinschaften nicht formalrechtlich anerkannt sind, weil sie gewohnheitsrechtlichen und gemeinschaftlichen Formen der Verwaltung unterliegen. So räumt etwa das mosambikanische Wassergesetz theoretisch der Wassernutzung durch ländliche Haushalte für ihren häuslichen Bedarf, ihr Vieh und ihre geringfügige landwirtschaftliche Bewässerung Vorrang ein. Das Gesetz sieht jedoch keine Registrierung dieser „üblichen Nutzung“ vor. In der Folge ist diese durch den Wettbewerb mit anderen NutzerInnen bedroht, weil sie für die Planer der Regierung im Großen und Ganzen „unsichtbar“ ist. Die Zuteilung privater Wassernutzungsrechte an Investoren ist im Gegensatz dazu unübersehbar. So kann Wasserprivatisierung Macht von örtlichen Gemeinschaften an private Investoren übertragen und stellt einen ersten Schritt zur Aushöhlung althergebrachter und gemeinschaftlicher Formen der Wasserverwaltung dar. Die Zerstörung der gemeinschaftlichen Wasserverwaltung und ihre Ersetzung durch private, individualisierte Formen marktbasier- ter Wasserwirtschaft ist eines der Hauptziele neoliberaler Wasserpolitik. Ihre ProtagonistInnen stellen dies als fortschrittliche Entwicklung dar, weil dadurch das Wasser den effizientesten und produktivsten Nutzern zugeteilt und die Sicherung der Wasserrechte unterstützt werde. Das Problem dieses Argumentes ist, dass es die beträchtliche Ungleichheit in der Machtverteilung zwischen den Akteuren auf dem Wassermarkt leugnet. Die Annahmen der neoliberalen Wasserpolitik träfen nur dann zu, wenn alle Akteure frei und gleich im Wassermarkt aufträten. Das jedoch ist natürlich eine Täuschung. Gegen die neue „Einzäunung“ der Wasservorkommen durch Wasserprivatisierung sollte deshalb entschieden Widerstand geleistet werden. Der nächste Mulholland? Vor einhundert Jahren behob William Mulholland, Oberaufseher der städtischen Wasserbehörde, den Wassermangel in Los Angeles durch eine brutal wirksame Idee: eine „Wassernahme“. Indem er mit Gewalt die Zuleitung von Wasser von Bauern aus dem über 370 Kilometer entfernten Owens Valley durchsetzte, ermöglichte er es Los Angeles, zur am schnellsten wachsenden Stadt der Vereinigten Staaten zu werden. In der Folge war 15 Jahre nach der Inbetriebnahme von Mulhollands Los-Angeles-Aquädukt der Owens Lake vollständig ausgetrocknet. Von den gewaltsamen Auseinandersetzungen um den Bau des Aquädukts handelt Roman Polanskis Film „Chinatown“. Die Kontrolle über das Wasser ist in Kalifornien unverändert eine Quelle heftiger Auseinandersetzungen, obwohl diese Kämpfe heute vor allem vor Gericht ausgefochten werden. Dagegen verstärkt sich in weiten Teilen der Entwicklungsländer der Wettbewerb um das Wasser mit alarmierender Geschwindigkeit und führt zu drastischen – und manchmal gewalttätigen – Konflikten. Es besteht die Gefahr, dass das Modell Mulhollands in neuem Gewand wieder auftaucht und dass statt der Sorge um Armut und menschliche Entwicklung allein die Macht das Ergebnis bestimmt. 25 Über die Wasserprivatisierung in Chile Cristian Villarroel Novoa Koordinator bei der Ökologieinitiative Programa Chile Sustentable, Chile7 Auch in Chile hängen Fragestellungen der Wasserversorgung und -entsorgung von geographischen, ökologischen und wirtschaftlichen Faktoren ab. Jedoch sind es allen voran politische Variablen, die das Thema bestimmen – das heißt, Gesetze, die Partizipationsmöglichkeiten der BürgerInnen bei Fragen, die die Wasserressourcen und die Umweltverschmutzung betreffen. Um die Situation der Wasserversorgung zu verstehen, ist es also wichtig, den politischen Kontext genauer zu kennen. Wassergesetze Die gesetzlichen Normen zum Thema Wasser in Chile sind in zwei Dokumenten fixiert: dem Código Civil (Äquivalent zum dt. Bürgerlichen Gesetzbuch) sowie im Código de Aguas (Wassergesetz) aus dem Jahr 1981. Letzteres entstand in Zeiten der Diktatur und hat eine stark am Markt orientierte Ausrichtung, die die Privatisierung der Ressource Wasser ermöglichte – zum ersten Mal in der Geschichte Chiles, und zwar durch eine Trennung der Wasser- und Bodenrechte. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit einer kostenfreien und zeitlich unbefristeten Überlassung der Wasserrechte an Privatpersonen geschaffen. Dies bewirkte, dass das Wasser in Chile aktuell hauptsächlich in Händen von – häufig transnationalen – Unternehmen liegt: Unternehmen aus der Bergbau-, Forst- und Agroindustrie, der Wasserenergie oder Wasserver- 26 sorgung im Allgemeinen. Ein Großteil der Anhänger der in Chile vorherrschenden neo-liberalen Wasserpolitik teilt die Ansicht, dass die fehlenden Eingrenzungen bei der Wasserrechtevergabe offensichtlich starke Verzerrungen und Verfälschungen am „Wassermarkt“ hinterlassen haben – eine klare Folge der oben beschriebenen monopolistischen Rechte. Wenn man nach 31 Jahren praktischer Anwendung des marktorientierten Wassermodells heute also über die sozialen Konflikte sprechen will, die rund um das Thema Wasser in Chile vorhanden sind, so stehen diese immer in irgendeiner Verbindung zu der herrschenden Gesetzgebung. Unbestritten leidet Chile heute unter einem erhöhten sozialen Konfliktpotential und unter verstärkten Wasserzwistigkeiten zwischen wirtschaftlichen Produktionsbereichen. Unter anderem ist das Folge der Tatsache, dass bei der Festlegung der Gesetzgebung Kriterien und Mindestanforderungen in Abstimmung mit den geographischen, klimatischen und umweltsoziologischen Faktoren (Gleichheit und Gerechtigkeit) unberücksichtigt blieben. Auch wurde es versäumt, bei der Verteilung der Wasserressourcen eine sinnvolle Prioritätensetzung vorzunehmen, die Wasser für den menschlichen Verbrauch Vorrang gewährt und darüber hinaus eine ausgewogene Entwicklung der Bereiche der Nahrungsmittelproduktion, der Landwirtschaft oder anderer Industriezweige fördert. Wasser im Griff der Unternehmen Das chilenische Modell des „freien Wettbewerbs“ bot die Grundlage für eine Eigentumskonzentration in den Bereichen Energie, Bergbau, Wasser und Exporte. Dies sind auch die Wirtschaftssektoren, die aktuell am meisten und am direktesten davon profitieren. Die Gesetzbücher, die diese Bereiche – seit der Verfassung von 1980 – regeln, wurden ohne jegliche Beteiligung des Parlaments oder anderer Stellen ausgearbeitet und beschlossen. Es ist also keineswegs absurd, wenn man daraus ableitet, dass es eine ganz gezielte Abstimmung zwischen den Interessenbereichen gab. Und dass genau diese Abstimmung heute ermöglicht, dass jeder dieser Industriezweige die Kontrolle über die Wasserressourcen zu seinem exklusiven Vorteil innehat. Im Kontrast dazu stehen die permanenten sozialen und Umwelt-Konflikte in den territorialen Gebieten, in denen diese Unternehmen ihre Geschäftstätigkeiten ausüben. Ein Nebeneinander verschiedener lokaler Akteure und Produktionssektoren wird dort durch die Verweigerung des Zugangs zu Wasser schlicht verhindert. Privatisierung Der Prozess der Privatisierung und Transnationalisierung des Wassers im Bereich der Wasserversorgung und -entsorgung fand im Wesentlichen während der Übergangszeit zur Demokratie statt, das heißt unter den Regierungen von Eduardo Frei (1994 und 1999) und von Ricardo Lagos (1999 und 2005). In beiden Fällen wurden die Wasserrechte zusammen mit den dazugehörigen öffentlichen Unternehmen verkauft. Insgesamt werden durch die chilenischen Wasserversorgungs- und -entsorgungsunternehmen 4,5 Millionen Haushalte (= 15 Millionen Menschen) in den urbanen Zonen des Landes versorgt. Bis zum Jahr 2010 hielt der Staat durch die Behörde zur Produktionsförderung CORFO noch einen nennenswerten Aktienanteil an den entsprechenden Unternehmen: 34,98% an Aguas Andinas, 29,43% an ESVAL, 43,44% an ESSBIO und 45,46% an ESSAL. Dies änderte sich am 24. Dezember 2010 (inmitten der Ablenkungen durch den Weihnachtstrubel), als die Regierung von Sebastián Piñera in einer außerordentlichen Direktoriumssitzung beschloss, die öffentlichen Aktien zum Verkauf freizugeben. Die Unternehmen Aguas Andinas, ESVAL und ESSBIO wurden folglich im Jahr 2011 verkauft, im Wesentlichen an Administradora de Fondos de Pensiones (ein privates Pensionsfondverwaltungunternehmen) sowie an die Unternehmensgruppen Luksic und Bethia. Der Verkauf von ESSAL kam nicht zustande, da alle Angebote unter der als Verkaufswert festgelegten Summe lagen. In allen Fällen musste die Regierung nach Ablehnung und Protesten seitens der Bevölkerung und verschiedener politischer Gruppen (inklusive regierungsfreundlicher VertreterInnen) 5% der Aktien jedes der Unternehmen für sich behalten. Wasserpreise und Wasserversorgung Nun zu den Wasserpreisen: Vor der Privatisierung – zwischen 1989 und 1998 – lagen die Preise in der Spitzverbrauchszeit zwischen 0,18 und 0,78 Dollar pro Kubikmeter Wasser. Nach der Privatisierung lässt sich ein erheblicher Preisanstieg erkennen (auch außerhalb der Spitzverbrauchszeit): in Santiago lag der Preis bei 1,10 Dollar, in La Serena bei 1,6 Dollar, in Punta Arenas bei 2,07 Dollar und in Antofagasta bei 2,6 Dollar. An dieser Stelle ist auch noch festzustellen, dass der Staat aktuell Förderungen für rund 700.000 Haushalte mit Niedrigeinkommen bereitstellt, die 16% der Gesamtzahl der KundInnen auf nationaler Ebene darstellen. So werden also mit öffentlichen Geldern auch noch die Gewinne der Unternehmen aufgestockt. Die Flächendeckung der Wasserversorgung wurde nach der Privatisierung (d. h. zwischen 1998 und 2008) nur minimal erweitert, da die Standards im Land bereits vorher auf hohem Niveau waren. Kritisch hingegen war die Situation der Wasserqualität vor der Privatisierung, mit negativen Auswirkungen vor allem in den Bereichen der öffentlichen Gesundheit und der Bewässerung für die Landwirtschaft. Durch bessere Wasseraufbereitung konnten hier im oben genannten Zeitraum erhebliche Verbesserungen erreicht werden, wobei die Kosten für diesen 27 „Erfolg des Landes“ auf jede Nutzerin und jeden Nutzer umgelegt wurden. Die Trinkwasserpreise stiegen und ein neuer Kostenpunkt im Zusammenhang mit der Wasseraufbereitung wurde in die Wasserrechnungen aufgenommen. Der aktuelle Stand Zusammengefasst heißt das also: Der Staat überließ die Ressource Wasser den Unternehmen kostenfrei und garantierte ihnen durch die gewährten Förderungen einkommensschwacher Haushalte gewisse GrundErträge. Der Fortschritt im Bereich Wasseraufbereitung – eines der Hauptmotive für die Privatisierung – wurde zu 100% direkt von den NutzerInnen bezahlt. 95,4% der Wasserver- und -entsorgungsunternehmen in den großen urbanen Zentren des Landes sind privat und in den Händen meist internationaler Konzerne. Und dennoch gibt es einige herausragende Ausnahmen, wie zum Beispiel das Unternehmen Servicio Municipal de Agua Potable y Alcantarillado de Maipú (SMAPA), das Eigentum der Kommune Maipú ist sowie die Kommunen Nogales und Puerto Octay. Was die Trinkwasserversorgung im ländlichen Raum betrifft so sind die Asociaciones de Agua Potable Rural erwähnenswert: Vereinigungen, deren Basis sozial organisierte NutzerInnen sind. Diese versorgen mit verschiedenen Verwaltungsmodellen rund 1,8 Millionen EinwohnerInnen im ganzen Land, und das unter Anwendung sozialer und solidarischer Kriterien zu Gunsten der gesamten Gemeinschaft. Weitere Informationen: www.chilesustentable.net www.derechoalagua.cl Wassergerechtigkeit und Demokratie: Alternativen zur Kommerzialisierung und Privatisierung des Wassers in Asien. Das Beispiel der Philippinen Mary Ann Manahan Focus on the Global South, Philippinen8 Die Philippinen stellen ein interessantes Fallbeispiel im Themenbereich Wasserprivatisierung dar, und zwar insofern, als dass das Land zu den aggressivsten Liberalisierern Asiens gehört und es sich zudem um ein frühes Struktur-Anpassungs-Experiment des internationalen Währungsfonds sowie der Weltbank handelt. Die Organisation der Wasserversorgung, in Bezug auf den Betrieb, reicht von Organisationsformen auf Ebene einzelner Dörfer bis hin zu Unternehmen, die sich im vollständigen Besitz und unter Kontrolle des Staates befinden. Des Weiteren existiert ein landesweiter Zusammenschluss von Wasserversorgungsunternehmen. All diese Organisationsformen sind jedoch nicht einheitlich in Bezug auf ihre Zielgruppen. Einzelne fokussieren sich auf die Versorgung der Ärmsten, andere stellen ihre Dienstleistungen allen Bevölkerungsschichten zur Verfügung. Die philippinische Wasserversorgung ist über so genannte „Wasserbezirke“ organisiert. Die Organisationsformen können hier ganz unterschiedlich sein: • Staatsbetriebe • lokale, ebenfalls im öffentlichen Besitz befindliche, Wasserwerke • in Privatbesitz befindliche Wasserversorgungsunternehmen • Wasserversorgungsunternehmen, die von 28 NutzerInnen bzw. Nachbarschaften selbst verwaltet werden, wie z. B. Kooperativen, Wasserver- und Wasserentsorgungsvereinigungen auf Dorf-ebene sowie ländliche Wasserver- und Abwasserentsorgungsvereinigungen Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ist das System der Wasserversorgung von der philippinischen Regierung finanziell merklich vernachlässigt worden. Dies hatte zur Folge, dass auch aktuell keine verlässliche, umfassende und erschwingliche Wasserversorgung für alle BürgerInnen gewährleistet werden kann. 1990 verfügten 87 Prozent der Bevölkerung über einen, wenn auch oft unzuverlässigen, Basis-Zugang zum Trinkwasserversorgungsnetz. Demgegenüber zeigten die Daten des philippinischen Innenministeriums, dass durch die verschiedenen Wasserversorgungsunternehmen im Jahr 2007 insgesamt nur ca. 9 Millionen Menschen bedient wurden (Interagency Steering Committee of the Philippine Water Supply Sector Roadmap Project, 2008). 2008 war das Niveau des Trinkwasserzugangs schließlich auf 84 Prozent der Bevölkerung abgesunken (National Statistical Coordination Board, 2010), wodurch nicht zuletzt auch die Erfüllung des entsprechenden UN-MillenniumZiels in Gefahr gerät, das darin besteht, im Jahr 2015 eine 87-prozentige Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. In diesem Kontext sind viele Alternativmodelle entstanden. An dieser Stelle ist das Municipal Services Project zu erwähnen, eine weltweite Initiative, die systematisch Alternativen zur Privatisierung und Kommerzialisierung von Dienstleistungen des Gesundheits-, des Wasser- und Elektizitätsversorgungs- sowie des Abfallentsorgungssektors untersucht. Gemäß den von dieser Initiative erarbeiteten politischen Kriterien können die Alternativmodelle folgendermaßen unterteilt werden: Innovative Modelle Dies sind neue und/oder innovative Modelle der Wasserversorgung, die weder privat noch nach dem alten Stil öffentlich betrieben werden. Als beispielsweise ein Bergbau-Unternehmen einen Antrag auf eine bergbauliche Erschließung innerhalb des im Zentrum der Philippinen gelegenen Sibalom-Wassereinzugsgebietes stellte, schlossen sich sowohl auf nachbarschaftlicher Ebene organisierte WassernutzerInnen, Dorf- und Kommunalverwaltungen, Wasserversorgungsunternehmen und NGOs in einer Koalition zusammen, um sich gegen eine Genehmigung dieses Antrags zu positionieren. Um ihrem Anliegen weiteren Nachdruck zu verleihen, wendeten sie sich zudem an WissenschaftlerInnen: Es wurde eine Studie durchgeführt, um die Vorteile eines Schutzes des Wassereinzugsgebietes quantifizieren zu können. Dadurch gewannen alle Beteiligten ein viel umfassenderes Verständnis für die Vorteile einer Nicht-Nutzung sowie auch für den Wert des Ökosystems für künftige Generationen. Das Bergbau-Projekt konnte so erfolgreich verhindert werden. Die Verteidigung des öffentlichen Sektors gegen Privatisierungsbestrebungen Dies erfolgte beispielsweise durch separate Stellungnahmen zweier wichtiger philippinischer Interessensvertretungen: der Gewerkschaft der öffentlichen Wasserbetriebe sowie der „Philippine Association of Water Districts“ (Philippinische Vereinigung der Wasserbezirke). In den Stellungnahmen brachten sie ihren Widerstand gegen die offizielle Politik zum Ausdruck, finanziell tragfähige Wasserbezirke privatisieren zu wollen. Sie erklärten ihre feste Überzeugung, dass öffentliche Unternehmen immer noch das beste Modell zur Bereitstellung von Wasserdienstleistungen seien. Die Stärkung und Förderung öffentlicher Wasserdienstleistungen Auch wenn die Wasserdienstleistungen nicht direkt von Privatisierung bedroht sind, sind sie üblicherweise starkem Druck ausgesetzt: Sie müssen ihre Leistungsziele erreichen, ihre Dienstleistungen verbessern oder werden in anderen Bereichen unter Beschuss genommen. Dem versuchen mehrere Wasserversor- 29 gungunternehmen aktiv entgegen zu wirken. Ein Beispiel dafür ist eine gemeinsame Initiative von Dorf- und Gemeinderäten, NGOs und wissenschaftlichen Institutionen aus Salcedo in Ost-Samar (Zentral-Philippinen), in der es darum geht, die Grenzen der lokalen Wassereinzugsgebiete auszuarbeiten und festzulegen. Das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen waren Gesetze, die die entsprechenden Zonen zu Schutzgebieten erklärten. Diese lokalen Rechtsvorschriften statteten die Dorf- und Gemeinderäte mit dem gesetzlichen Auftrag aus, Programme für eine nachhaltige Wasserversorgung bzw. zum Schutz der Quellen und gegen die Zerstörung der Wasserressourcen zu formulieren und zu implementieren. Rückgewinnung der öffentlichen Dienstleistungen 2006 gab es in den Philippinen zum ersten Mal die Möglichkeit einer Rekommunalisierung, nämlich als das Unternehmen „Maynilad Water Services Inc.“ (MWSI) seinen Bankrott erklärte. MWSI versorgt den Westteil des Großraums Manila, der rund 90% des Stadtgebietes ausmacht und war ein Joint Venture aus Vertretern der lokalen Eliten und des französischen Konzerns Ondeo. Nach dem Bankrott verkündete der frühere Eigentümer die Absicht, die Konzession zurück an den Staat geben zu wollen. Trotz dieser Möglichkeit und der Kampagnen der Zivilbevölkerung, das Wasser wieder unter öffentliche Kontrolle zu bringen, blieb die philippinische Regierung bei ihrer Entscheidung, Wasserkonzessionen bei privaten An- 30 bietern zu belassen. Jedoch haben einige Gemeinden, die zwar nicht direkt an Rekommunalisierungsversuchen über den legalen Weg beteiligt waren, Mechanismen geschaffen, um die Beibehaltung der Wasserversorgung in kommunaler Hand sicherzustellen. Ein solches Alternativmodell wurde in der Stadt Caloocan, die zum MWSI-Versorgungsgebiet gehört, von der Wassergenossenschaft „Bagong Silang Community Water Service Cooperative“ implementiert. Die Genossenschaft, deren EigentümerInnen die die WassernuterzInnen selbst sind, hat es immerhin geschafft, die zuverlässige Verteilung von Wasser zu gewährleisten, das als Rohwasser wiederum vom privaten Drittanbieter MWSI geliefert wird. Das Genossenschaftsmodell ermöglichte tatsächliche demokratische Kontrolle, die gleichberechtigte gegenseitige Überwachung auf Augenhöhe und die Durchsetzung von Vorschriften in Richtung der Etablierung einer verbesserten Wasserversorgung und -verteilung. Ein ähnliches Projekt führte die BewohnerInnen-Initiative in Tinagong Paraiso in Zusammenarbeit mit örtlichen NGOs und der Wasserverwaltung der Stadt Bacolod in Zentral-Philippinen durch: Es wurden gemeinschaftliche Entnahmestelle eingerichtet, betrieben und gewartet. Dadurch wurde die Kontrolle über den Zugang zu sauberem Trinkwasser zurück in die Hand der Gemeinschaft geführt, anstatt den Betrieb den Privaten zu überlassen, die für die Wasserlieferung an die Slum-BewohnerInnen hohe Preise verlangen. Zukunftsalternativen Darüber hinaus gibt es noch weitere Modelle, über deren Umsetzung gerade noch diskutiert wird. Auf kommunaler Ebene ist hier das Beispiel der Gemeinderäte von Patag und Gabas (Ortsteile der Stadt Baybay, Zentral-Philippinen) zu nennen: Sie stehen in Verhandlungen mit den Wasserbehörden von Baybay darüber, Wasser aus einer lokalen Quelle entnehmen zu dürfen, an der der Wasserbezirk die Rechte hat. Außerdem fordert sie, die lokale Verwaltungshoheit über die Wasserspeicher, Leitungen und anderen Einrichtungen von den Behörden übertragen zu bekommen. Als Gegenleistung bieten sie die Sicherstellung des Schutzes der Wasserentnahmegebiete und der Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung des Wassers an die Gesamtregion Baybay. Solche Vereinbarungen könnten im Fall ihrer Umsetzung die Partnerschaft zwischen Gemeinderegierungen, Wasserdienstleistern und der lokalen Bevölkerung stärken. Gleichzeitig kann ein wichtiges Paradoxon aufgebrochen werden: In den Wassereinzugsgebieten lebende Bevölkerungsgruppen, die üblicherweise von der Wasserversorgung ausgeschlossen werden, würden plötzlich eine entscheidende Rolle beim Schutz ihrer eigenen Wasserquellen spielen. Weitere Informationen: http://ph.focusweb.org 31 Was läuft verkehrt bei der ÖffentlichPrivaten Partnerschaft (ÖPP)? Die Wasserversorgung des Kathmandu-Tals und das zugehörige Abwasserprojekt Ratan Bhandari Water & Energy User‘s Federation, Nepal9 Das Melamchi Wasserversorgungsprojekt (Melamchi Water Supply Project = MWSP) ist eines der widersprüchlichsten Projekte, das von der Asian Development Bank (ADB) in Zusammenarbeit mit der World Bank, der Japan Bank for International Cooperation (JBIC), der Norwegian Agency for Development Cooperation (NORAD), der Swedish International Development Assistance (SIDA), dem Nordic Development Fund (NDF) und der Organization of Petroleum Exporting Countries (OPEC) Fund gefördert wird. Allerdings sind NORAD im Jahr 2002 und SIDA 2005 aus der Projektförderung ausgestiegen. Das MWSP plant, täglich 170 Millionen Liter Wasser aus dem kleinen Melamchi-Fluss ins Kathmandu-Tal (Hauptstadt Nepals) durch einen 26,5 km langen Tunnel abzuleiten. Das Melamchi-Wasserversorgungsprojekt war schon vor einiger Zeit vorgeschlagen worden; und zwar unter der Annahme dass die örtlich vorhandenen Wasserquellen nicht ausreichen würden, um den augenblicklichen und zukünftigen Wasserbedarf des Kathmandu-Tals zu decken. Die Nutzung des Melamchi wurde als die geeignetste Möglichkeit betrachtet. Bessere oder billigere Alternativen, die im Tal zur Verfügung gestanden hätten, waren jedoch vor der Entscheidung für das MWSP nicht gründlich untersucht worden. 32 Anlass zur Besorgnis im Melamchi-Tal Das Melamchi-Tal ist dicht besiedelt. Landwirtschaft ist traditionell die wesentliche Grundlage der Beschäftigung und der Sicherung des Lebensunterhalts der Bevölkerung. Feldfrüchte und Gemüse werden dreimal im Jahr praktisch während aller Monate produziert. Der Melamchi-Fluss ist nicht weniger als die Lebensader der Menschen. Verarmte Bevölkerungsgruppen ohne eigenes Land, wie die Majhi und Danuwar, hängen vollständig vom Melamchi-Fluss für den Fischfang ab. Einige Familien leben auch vom Einkommen aus ihren Pani Ghatta (traditionellen wassergetriebenen Mühlen). Es gibt einige Dutzend kleinerer und auch großer Bewässerungskanäle, die das ganze Jahr über Wasser führen. Die Ansässigen kämpfen seit beinahe zwei Jahrzehnten für einen Anspruch auf ihre Wasseranteile, bevor der Fluss umgeleitet wird. Sie haben eine umfassende Beurteilung der Umweltauswirkungen (Environmental Impact Assessment = EIA) in Bezug auf die gegenwärtige und zukünftige Versorgungssicherheit im Falle einer möglichen Umleitung des Flusses gefordert. Sie sind darauf vorbereitet, ihren Fall sogar vor den nepalesischen Gerichtshof zu bringen, speziell im Hinblick auf die Haftungsmechanismen der Asian Development Bank (ADB) für deren Garantie der regulären Wassernutzungsrechte. Die Forderung nach einer umfassenden EIA und nach einer Garantie der Wassernutzungsrechte haben aber bis heute keinerlei Ergebnisse gezeigt. Anlass zur Besorgnis im Kathmandu-Tal Es ist eine Hauptsorge der BewohnerInnen des Kathmandu-Tals, Auskunft darüber zu erhalten, wann sie mit dem Melamchi-Wasser in ihren Leitungen rechnen können. Sie wissen, dass ihnen Wasser im Tal im Überfluss zur Verfügung steht, aber es wird ihnen weiterhin erzählt, dass die Versorgung mit Melamchi-Wasser die beste Option sei. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird ihnen dieser Traum verkauft, bislang jedoch ohne realen Fortschritt. Die Menschen verstehen nicht, warum die Regierung, die ADB und andere Geldgeber nicht bereit sind, in die örtlichen Wasserressourcen zu investieren. Im Kathmandu-Tal existiert eine Vielzahl von Alternativen für die Wasserversorgung, hunderte von öffentlichen Wasserzapfstellen und Brunnen sowie Teiche, Bäche und Flüsse. Diese wurden jedoch alle nicht in Betracht gezogen. Auch wurden derartige Wasserquellen auch nicht entsprechend gepflegt, sondern durch unkontrollierte städtische Bautätigkeit und Infrastrukturprojekte sogar zerstört. Ebenso mangelte es an Investitionen in Zisternensysteme für die riesigen Regenwassermengen während der Monsunmonate von Mai bis August. Durch Konservierungsmethoden könnten große Mengen an Grundwasser genutzt werden, indem Flüsse und öffentlichen Anlagen entsprechend gewartet werden. An der Behebung der Leckage-Verluste von 40-70% durch die verrottete Infrastruktur für die Wasserversorgung wird ebenfalls nicht gearbeitet. Besondere Besorgnis erregt die Tatsache, dass die Regierung sich nicht ausreichend um den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur kümmert, die benötigt würde, sobald das MelamchiWasser ins Tal gefördert wird. ExpertInnen sind der Meinung, dass Trinkwasser wesentlich schneller und billiger als mit dem Melamchi-Projekt zur Verfügung gestellt werden könnte. Das geschieht aber infolge der Interessen der Geldgeber und der Regierung, die der Gier des großen Geldes gehorchen, nicht. Gleichzeitig ist es so, dass weder die Regierung noch die Geldgeber die TalbewohnerInnen je über die zu erwartenden hohen Kosten für das Melamchi-Wasser aufgeklärt haben. Die Bedingungen der Geldgeber Eine Hauptbedingung der Asian Development Bank (ADB) für die Kreditvergabe ist die wirtschaftliche Privatisierung der Wasserversorgung und des Abwassersystems von Kathmandu. Obwohl es heißt, die Verträge über die Wasserversorgung und das Abwassersystem entsprächen dem Prinzip der Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP), ist das Management und der Betrieb des Systems vollständig in privater Hand. Die Armen haben kaum Zugang zur Versorgung. Weil die ÖPP nach dem Prinzip der vollen Kostendeckung arbeitet, gibt es keine Unterstützung für die 40% der Familien mit niedrigen Einkommen oder die Landlosen im Metropolgebiet, die mehr als drei Millionen Menschen ausmachen. Das Verfahren lief so ab, dass die Regierung zunächst alle Vermögenswerte und Rechte sowie die Betriebsaufsicht über die gut funktionierende, öffentlich-rechtliche nepalesische Wasserversorgungsgesellschaft (Nepal Water Supply Corporation = NWSP) abgeben musste. In Vorbereitung darauf wurde im Jahre 2000 die Wasserversorgungsbehörde für das Kathmandu-Tal gegründet. Im Jahr 2003 stellte dann die ADB 15 Millionen US $ für die gesellschaftsrechtliche Reform 33 und die Ausarbeitung des Management-Vertrags zur Verfügung. Danach wurde das Kathmandu-Tal Wasserversorgungsdirektorium (Kathmandu Valley Water Supply Management Board = KVWSMB) gebildet, um die Vermögenswerte und Rechte der öffentlich rechtlichen NWSP zu übernehmen. Schließlich wurde die Kathmandu Trinkwasser GmbH (Kathmandu Upatyaka Khanepani Limited = KUKL) gegründet, die die Verantwortung für den Betrieb und die Wasserversorgung des Tals übernehmen sollte. Vom Parlament wurde zur Gründung all dieser Institutionen eine Vielzahl von Gesetzen erlassen. Unter der Leitung des Wasser- und Energienutzerverbandes - Nepal (Water and Energy Users‘ Federation - Nepal = WAFED) wurde Einspruch gegen diese Gesetze vor dem Obersten Gerichtshof erhoben, unter Hinweis auf die Garantie für das Recht auf Wasser als öffentliche Dienstleistung. Der Prozess wurde jedoch verloren. Im weiteren Verlauf konnte der WAFED-Verband in Zusammenarbeit mit anderen nepalesischen ProjektgegnerInnen und mit der Londoner Organisation World Development Movement den Rückzug von Severn Trent Water International (einer berüchtigten multina- 34 tionalen Gesellschaft aus Birmingham, UK) erzwingen. Die Privatisierung durch die einheimische KUKL konnte allerdings nicht verhindert werden. Auf diese Weise erhielt die KUKL vom Direktorium der Kathmandu-Tal-Wasserversorgung (KVWSMB) eine Lizenz für eine Laufzeit von 30 Jahren zu jährlichen Gebühren von 10 Millionen Nepalesischen Rupien. In der KUKL sind die Aktienanteile wie folgt verteilt: Regierung 30%, Kathmandu Metropolis 30%, Lalitpur Sub-Metropolis 10%, Gemeinden von Bhaktapur, Kirtipur und Madhyepur Thimi 10%, private Organisationen 15% (Föderation der Nepalesischen Industrie- und Handelskammer 3%, Handelskammer von Laitpur 1,5%, Nepalesische Handelskammer 9% und die Handelskammer von Bhaktapur 1,5%) sowie eine von der Regierung finanzierte Treuhandgesellschaft für die Angestellten von 5%. Für die Verwaltung werden vier Direktoren von den AktionärInnenen nominiert. Drei unabhängige werden wiederum berufen. Der Vorsitzende wird aus den Reihen des Direktoriums gewählt. Außerdem hat die KUKL drei internationale Experten für Positionen in den Bereichen allgemeine ManagementBeratung, Betriebs- und technische Management-Beratung sowie FinanzmanagementBeratung vorgesehen. Ihre Aufgabe ist es, die Betriebsstruktur, die Geschäftsabläufe, das Finanzmanagement und die Verwaltung zu überwachen. Das Team der drei ausländischen Experten wird von dem britischen Spezialisten Richard Pope geleitet und umfasst als weitere Mitglieder Denys Bushal und Cristopher Saddler, die von der KUKL bereits für die Partnerschaft zum Ausbildungstraining (Capacity Building Partnership Programm = CBP) angestellt worden waren. Die ADB, von der die Idee der CBP stammt, zahlt angeblich die Gehälter und andere Vergütungen für dieses Team. Die öffentlich-rechtliche Nepalesische Wasserversorgungsgesellschaft (NWSP) aus dem Kathmandu-Tal hatte den Auftrag, ihren Service fortzusetzen. Gleichzeitig weitete die Regierung ihr System der Privatisierungen jedoch trotz Protesten und Gerichtsverordnungen schrittweise auf andere Städte und Gemeinden aus. Die folgende Grafik zeigt die Aufteilung der Arbeit zwischen den Institutionen und den Arbeitskräften: Die KUKL sollte qualitativen und quantitativen Service zu bezahlbaren Preisen anbieten, dies ist jedoch nicht geschehen. Sowohl die Qualität und Quantität, als auch die Verteilung, sowie das Management und das Anlagensystem haben sich weiter verschlechtert. Einer der Hauptgründe dafür ist die geringe Effizienz der KUKL – ein Resultat der Kontroversen über die Ernennung und Zuständigkeiten der Bosse, sowie die Gehälter und Vergütungen der Angestellten. Finanzielle Unregelmäßigkeiten und Korruption sind völlig außer Kontrolle geraten und haben in den letzten Monaten zu offiziellen Untersuchungen geführt. Die Himalayan Times berichtete am 27. März 2012, wie begeistert die BewohnerInnen von Milan Chowk, Sangam Chowk und Madhya Marga in der Hauptstadt waren, als bereits nach einer Woche Wasser aus den Wasserhähnen kam. Aber was sie erleben mussten, war eine kalte Dusche. Was aus den Hähnen floss, war kein Trinkwasser, wie es von der KUKL geliefert werden sollte. Es war schlammig und mit menschlichen Exkrementen verunreinigt. Die Menschen konnten sich nicht in der Nähe geöffneter Wasserhähne aufhalten, weil das dreckige Gemisch, das daraus hervorquoll, die gesamte Umgebung mit seinem Gestank verpestete. „Das Wasser ist nicht einmal für die Nutzung durch Tiere geeignet“, beschwerten sich die AnwohnerInnen voller Abscheu. BewohnerInnen von Milan Chowk erklärten, dass aus ihren Leitungen länger als einen Monat überhaupt kein Wasser floss. Nach Angaben des Kathmandu-Tal-Wasserversorgungsdirektoriums (KVWSMB) benötigt das Tal 350 Millionen Liter Wasser am Tag, wobei die KUKL während der Trockenzeit jedoch nur 94 Millionen Liter und auch während der Regenperiode nur 131 Millionen Liter liefert. Ein anderes schwerwiegendes Problem sind die steigende Wasserpreise. Die ADB hat bereits eine 30-prozentige Tariferhöhung durchgesetzt, obwohl noch gar kein Wasser fließt. Die KundInnen protestieren gegen einen solchen Basistarif, den sie zahlen sollen, selbst wenn überhaupt keine Wasserversorgung besteht. Außerdem ist sich die Kommission zur Festlegung der Wasserversorgungstarife (Water Supply Tarif Fixation Commission = WSTFC) nicht im Klaren darüber, wie sie angemessene Standards für KundInnenen festlegen soll, die Wasser entweder vorzugsweise betrieblich oder rein privat nutzen. Die ungerechte Verteilung des vorhandenen Wassers unter den AnwohnerInnenn ist ein weiteres Beispiel für die institutionalisierte Korruption. 35 Die Rolle von WAFED bei der Kampagne gegen die Wasserprivatisierung Heute spielt der WAFED-Verband die führende Rolle unter den Organisationen in Nepal, die sich dafür einsetzen, dass die Verfügbarkeit von Wasser zum Menschenrecht erklärt wird. Der Verband hat alles unternommen, was in seiner Macht steht, um die Privatisierung der Wasserversorgung zu verhindern. Die Unterstützer der WAFED-Kampagne waren völlig geschockt, als sie herausfanden, dass die maoistische Regierung im Februar 2008 die Privatisierung der Wasserversorgung von Kathmandu unterzeichnete und durchsetzte, obwohl sie sich dagegen ausgesprochen hatte, bevor sie an die Macht kam. Das Hauptziel des WAFED war die Stärkung der öffentlich-rechtlichen Nepalesischen Wasserversorgungsgesellschaft NWSP und ihre Gleichstellung mit der privaten Kathmandu Trinkwasser GmbH KUKL, jedoch nicht in Bezug auf Autonomie und Budget. Allerdings wurde die NWSP wegen der Vergabe von Posten aus politischer Gefälligkeit und mangelnder Effizienz ihrer Angestellten sowie wegen Korruption kritisiert. Diese Mängel sind bei der KUKL jedoch weitaus gravierender. WAFED ist immer noch davon überzeugt, dass die Reorganisation des Wasserversorgungssystems in der Hand der öffentlich-rechtlichen NWSP die beste Option darstellt. Die ÖPP hat sich eindeutig zu 36 einem gigantischen Fehler entwickelt. WAFED bemüht sich außerdem um die Nutzung der oben beschriebenen Vielzahl alternativer Wasserquellen im Tal durch die NWSP und die fünf Gemeinden als Kooperative. Auf diese Weise würde die kostspielige und für viele Menschen existenzgefährdende Umleitung des Melamchi-Wassers unnötig gemacht. Fachleute sind der Ansicht, dass auf diese Weise mehr Wasser für den halben Preis und in der halben Zeit zur Verfügung stehen würde als mit dem Melamchi-Projekt, das mit ungefähr 464 Millionen US $ veranschlagt wird. Diese Kosten würden den Wasserpreis für die BewohnerInnen des Kathmandu-Tals beinahe auf die Höhe von Flaschenwasser treiben. Außerdem kämpft WAFED für die umfassende Reparatur der alten verrotteten Infrastruktur der Wasserversorgung, mit dem Ziel, Verlustraten von bis zu 70% in manchen Gegenden zu eliminieren. Aus all diesen Gründen ruft WAVED die Regierung und die ADB auf, die Pläne zur Wasserprivatisierung in ganz Nepal aufzugeben. Die ADB hat auch keine Beweise für ihren Erfolg in anderen Ländern. Das Desaster der Privatisierung in Manila ist ein Paradebeispiel im eigenen Hinterhof. Stattdessen muss Nepal den Ansatz der gemeindlichen Kooperativen vorantreiben, um die raren Wasserressourcen nachhaltig für die wachsende Bevölkerung im Tal zu sichern. Anlagen mit hohem Wasserverbrauch wie Teppichhersteller, Krankenhäuser etc. müssen aus dem Tal umgesiedelt werden. Das Kathmandu-Tal hat einfach nicht die Kapazität für unbegrenztes Bevölkerungswachstum mit seinen folgenden wirtschaftlichen Aktivitäten einschließlich des Wohnungsbaus. Schließlich dürfen die ADB sowie Nepals andere augenblickliche und zukünftige Unterstützer und Kreditgeber nicht vergessen, dass das Land gerade dabei ist, sich eine neue Verfassung zu geben. Die Anerkennung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als fundamentales Menschenrecht ist bereits jetzt ein akzeptiertes Konzept der verfassungsgebenden Versammlung. Des- wegen sollten externe wirtschaftliche oder globale Interessenten auf keinen Fall versuchen, Nepal – mit seinen traditionellen auf Landwirtschaft basierenden kleinen im Übergang befindlichen Gemeinden – irgendwelche extern geleiteten, finanzierten oder kontrollierten Wasserversorgungssysteme aufzuzwingen. Spenden und Kredite von Geldgebern sollten dort vergeben werden, wo die Nepalesen ihre Angelegenheiten bestens selbst managen können, und zwar ohne Auflagen und Schulden aus dem Ausland. Weitere Informationern: www.wafed.org, www.ratanji.blogspot.com 37 4: Alternativen zur Privatisierungregionale und lokale Wasserbewirtschaftung 38 Ceveriano Silva Aktivist bei der Asociación Tekoha, Paraguay „Mein Land ist reich an Wasser, aber auch reich an Problemen im Zusammenhang damit. Unser größtes Problem neben der Erosion des Bodens ist die Verschmutzung und der Verlust von Quellen einiger wichtiger Flüsse im Land. Ursache für beide Phänomene ist die Monokultur in der Landwirtschaft, vor allem die Bewässerungskultur im Reisanbau. Durch den Bau großer Staudämme haben sich die Fischbestände in den Flüssen verringert – dadurch wird vielen Familien die Nahrungsmittelbeschaffung immens erschwert. In meiner Heimatkommune, General Artigas, haben wir es nach 62 Jahren Einheitsregierung mit diktatorischer Politik endlich geschafft, uns selbst zu organisieren. Wir arbeiten nach einem Konzept aus Brasilien namens „Gutes Wasser kultivieren“, mit der wir es geschafft haben, die Bevölkerungsbeteiligung maßgeblich zu erhöhen. Die EinwohnerInnen sind die einzige Instanz, die die Fähigkeiten und auch die Berechtigung dazu haben, Alternativen und Lösungsmöglichkeiten für die Wasserprobleme der Gemeinschaft in unserer Region zu entwickeln. Wir gehen folgendermaßen vor: Zuerst finden wir heraus, mit welchen Problemen wir in der Gemeinde kämpfen. Alle haben die Möglichkeit, an einer „Klagemauer“ auszudrücken, was ihrer Meinung nach schlecht läuft. In einem zweiten Schritt pflanzen wir einen symbolischen Baum der Hoffnung. Die Gemeindemitglieder versammeln sich erneut und tauschen sich über ihre Träume aus. Wie soll das Leben in unserer Gemeinde aussehen, wohin wollen wir uns entwickeln? Was wollen wir tun? Mit wem wollen wir zusammenarbeiten? Dann tauchen verschiedene AkteurInnen auf, u. a. auch nationale Institutionen. Das Ergebnis ist eine konstruktive Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen.“ 39 Öffentliche Partnerschaften: Ein alternatives Modell zur Nutzung der Kapazitäten kommunaler Wasserwerke Darcey O‘Callaghan Food & Water Watch10, 11 Allgemeiner Zugang zu sicherem und erschwinglichem Wasser und zu Sanitäreinrichtungen ist wesentlich für die öffentliche Gesundheit, für die jedoch erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und Sachkompetenz gebraucht werden. Weltweit haben geschätzte 884 Millionen Menschen keinen Zugang zu sicherem Wasser, und 2,6 Milliarden Menschen mangelt es an ausreichenden Sanitäranlagen. In den USA weisen die Wasser- und Kanalisationssysteme ein jährliches Defizit von 55 Milliarden US-Dollar auf. Public-Public-Partnership (PUP) – im Folgenden Öffentliche Partnerschaft genannt12 – ist ein neues, auf einzigartige Weise geeignetes und auf diese Bedürfnisse zugeschnittenes Handlungsmodell. Was ist eine Öffentliche Partnerschaft? Es handelt sich bei der Öffentlichen Partnerschaft um die Kooperation zwischen zwei oder mehr öffentlichen Einrichtungen, die dazu dient, gesellschaftliche Dienstleistungen auf nichtkommerzieller Basis zu verbessern. In einer ÖP vereinen zwei oder mehrere Wasserwerke, Regierungs- und Nichtregie- 40 rungsorganisationen ihre Kräfte und nutzen ihre gemeinsamen Kapazitäten zur Verbesserung der Wasserversorgung und der sanitären Anlagen. Die öffentlichen Partner bündeln Ressourcen, Kaufkraft und technisches Fachwissen, um die Leistungen und ihre Qualität zu verbessern, indem sie die besten Verfahren weitergeben und teilen. Über die Arbeitsweise von Öffentlichen Partnerschaften Zur Steigerung ihrer Kapazitäten, das heißt zur Kostenkontrolle und zur Verbesserung der Wasserverteilung und der Kanalisationssysteme, beschreiten kooperierende öffentliche Institutionen hauptsächlich drei Wege: Großmengenbeschaffung: Durch Kooperationen oder Vertragsabstimmungen können öffentliche Institutionen und Betriebe Zeit und Geld sparen, indem sie etwa Chemikalien, Geräte, Heizmaterialien und andere Mittel und Zubehör in größeren Mengen einkaufen. Geteilte Dienstleistungen: Kommunale Wasserwerke können Einsparungen erzielen, indem sie Kapital für bestimmte Projekte zusammenlegen oder gemeinsame Leistungsvereinbarungen treffen. So können Investitionskosten verringert werden, indem statt des Baus zweier kleinerer Wassertanks benachbarter Wasserwerke der Bau eines größeren gemeinsamen geplant wird. Innerbetriebliche Veränderungen: Kommunale Wasserwerke können in Partnerschaft treten mit arbeitseffizienteren Kommunalwerken, NGOs oder ihren eigenen Angestellten, um fehlende Qualifikationen auszugleichen oder systemische Verbesserungen zu erreichen. Derartige Partnerschaften ermöglichen, die vereinigte Kompetenz von Technikern, Ingenieuren und Kundenpersonal zu nutzen, um die Effizienz zu erhöhen und Kosten zu reduzieren. Öffentliche Partnerschaften übertreffen PPP In den letzten zwei Jahrzehnten haben multinationale Unternehmen die Strategien des Privatsektors vorangetrieben, darunter PPP-Projekte zwischen kommunalen und privaten Betrieben auch bei der Wasser- und Sanitärversorgung in Industrie- und Entwicklungsländern. Neueste Studien jedoch zeigen, dass Öffentliche Partnerschaften im Vergleich zu PPP-Projekten effektiver und effizienter sind und, darüber hinaus, mit sozial verträglicherem Ansatz arbeiten. Dies gilt in allen Dimensionen der unternehmerischen Tätigkeit. Leistungsfähigkeit: Öffentliche Partnerschaften sind leistungsstärker und innovativer in der öffentlichen Versorgung, während bei PPP-Projekten die Servicequalität aller Erfahrung nach schlechter wird, je unangefochtener diese Beschaffungsform ist. Da Öffentliche Partnerschaften die gemeinsamen Ziele mindestens zweier öffentlicher Institutionen verfolgen, können sie beim Wassermanagement eher einem ganzheitlichen Ansatz folgen und haben einen nachhaltigeren Einfluss auf die Arbeitsweisen der Versorgungswirtschaft. Wirtschaftlichkeit: Öffentliche Partnerschaften zeichnen sich durch signifikant steigende Effizienz aus und neigen dazu, weniger kostspielig zu sein. Demgegenüber scheitern PPP-Projekte oft daran, dass sie die versprochene Effizienz nicht erreichen; sie sind mit hohen Transaktionskosten verbunden und treiben die Wasserpreise hoch. Fairness: Da sie die gesamte Gemeinschaft mit einbeziehen – die Gemeindeverwaltung, kommunale Gruppen, die Versorgungsunternehmen und die einzelnen BürgerInnen – steigern Öffentliche Partnerschaften die Verantwortlichkeit und Fairness der Wasserwerke. Öffentliche Partnerschaften erbringen ihre Leistungen jedem, auch Menschen und Gemeinschaften, die ausgeschlossen, unterrepräsentiert oder benachteiligt sind. In einer Öffentlichen Partnerschaft erwartet keiner der Partner unmittelbare ökonomische Vorteile von der Zusammenarbeit. Während in PPP-Projekten häufig die Preise erhöht und die Servicequalität gesenkt wird, weil man angetreten ist, „aus weniger mehr zu machen“, bringen Öffentliche Part- nerschaften Regierungsvertreter, Beschäftigte und Kommunale Abgeordnete an einen Tisch, um die Effizienz und Gleichheit in der Wasser- und Sanitärversorgung zu steigern. In den USA werden die Öffentlichen Partnerschaften immer wichtiger. Eine Umfrage ergab, dass die Zahl zwischenstaatlicher Öffentlicher Partnerschaften im Wasserversorgungs- und Abwassersektor um ein Vierfaches höher ist als die der PPP-Projekte. Zusammenfassung Öffentliche Partnerschaften weisen die gemeinschaftlichen Vorteile der PPP-Projekte auf, ohne den profitorientierten Fokus privater Betreiber. Weil die Öffentlichen Partnerschaften effizienter, wirkungsvoller und verantwortlicher mit den Wasser- und Sanitärbetrieben umgegangen sind, sollten Lösungen der öffentlichen Hand erwogen werden, bevor man sich auf riskante und möglicherweise kostspielige Privatisierungsgeschäfte einlässt. Öffentliche Partnerschaften sind für die Kommunen eine praxistaugliche und verantwortliche Weise, ihren Bedarf bezüglich Wasserund Abwasser anzugehen, dabei die Kosten im Auge zu haben und die lokale Kontrolle über das Eigentum zu behalten. Wir haben gegenwärtig die Wahl: Wir können weiterhin auf das gescheiterte PPP-Modell setzen, das die Kontrolle über unsere wertvolle Wasserversorgung an private Interessen abtritt, oder wir können die erprobte Öffentliche Partnerschaft nutzen, die die Wasserversorgung in der öffentlichen Hand behält. Beispiele für Öffentliche Partnerschaften Öffentliche Partnerschaft in einem Land Zum Beispiel in Puerto Cortés in Honduras. Die Probleme mit dem staatlichen Wasserversorger Servicio Autónomo Nacional de Acueductos y Alcantsrillados (SANAA) hatten zur Wasserrationierung geführt und die Dienstleistungsqualität wurde noch schlechter, als 1993 ein tropischer Sturm Teile der Infrastruktur zerstörte. Als Antwort darauf schuf die Stadt, mit dem Ziel einer Verbesserung des Wassersystems und der Aufsicht 41 darüber, für die Metropolregion eine neue Gesellschaft: das Cortés Municipal Water Department (DAMCO). Einige Jahre später ging die Stadt mit fünf zivilgesellschaftlichen Gruppen eine Kooperation ein, um den Interessen der Gemeinde entsprechend, eine neue Wasserdienstleistungsgesellschaft aufzubauen – Aguas de Puerto Cortés (APC). Diese Partnerschaft war erstaunlich effektiv. 1994 hat SANAA 79 Prozent der BewohnerInnen mit Wasser versorgt, aber im Durchschnitt nur 14 Stunden pro Tag. 1999 versorgte DMCO 90 Prozent der BewohnerInnen 24 Stunden lang. 2007 steigerte APC die Versorgung auf 98 Prozent und blieb bei 24 Stunden Wasserservice. Den BürgerInnenkooperativen wurde zugute gehalten, dass sie die Transparenz fördern und das Vertrauen in die Wasserdienstleistungen erhöhen. Zwischenstaatliche Öffentliche Partnerschaften Öffentliche Entwicklungs-Partnerschaften bringen typischerweise Wasserdienstleister aus dem Globalen Süden mit KollegInnen, Verbänden oder Nichtregierungsorganisationen aus Industrieländern zusammen. Bei solchen Partnerschaften werden mit Hilfe der Ressourcen und Expertise aus den Industrieländern die Wasserdienstleistungen in den so genannten Entwicklungsländern gestärkt, ohne dass die Industrieländer dafür Profit herausschlagen. Ein Beispiel dafür ist das 2008 vom USamerikanischen Entwicklungsministerium (USAID) gestartete Projekt der Öffentlichen Partnerschaft zwischen der Thailändischen Abwasserentsorgungsgesellschaft in der Stadt Krabi in Thailand und der Abwasserbehandlungsabteilung von King County (Bundesstaat Washington) in den USA. 2009 haben die Experten aus King County 45 BetriebsleiterInnen und andere Angestellte in der Behandlung vom Abwasserproblemen geschult, mit dem Ziel, Verbesserungen der Wasserqualität und des Gesundheitswesens nicht nur in Krabi, sondern in ganz Thailand zu erreichen. Weitere Informationen: www.foodandwaterwatch.org 42 Das Projekt Solidarische BürgerInnen für das Wasser in Nokoué, Benin Patrick Atohoun und Stéphane Melchiorri Emmaüs International, Benin und Frankreich 13 Jeder fünfte Mensch auf unserer Welt hat keinen Zugang zu Trinkwasser. Unter anderem angesichts dieser Tatsache hat die NGO Emmaüs International in Nokoué in Benin ein Programm ins Leben gerufen, das es zum Ziel hat, den Trinkwasserzugang für alle Gemeindemitglieder zu gewährleisten. Dieser Initiative haben sich zahlreiche Gruppen angeschlossen. Auf Basis dieser Projekterfahrungen können in Zukunft weitere ähnliche Projekte gestartet werden. Der See Nokoué befindet sich im Süden Benins – einem kleinen Land in Westafrika –, in der Nähe der Stadt Sô-Ava. Der Süden des Landes liegt an der Küste zum Atlantischen Ozean, ist Flachland und charakterisiert sich durch Sumpfgebiete, Seen und Lagunen. In dieser Region lebt der Großteil der Bevölkerung und dort befinden sich auch die beiden größten Städte Benins: Cotonou und die Hauptstadt Porto Novo. Das Klima ist heiß und feucht, wobei die Niederschlagsmengen trotz zweier Regenperioden im Jahr relativ niedrig sind. Die um den See Nokoué ansässige Bevölkerung verteilt sich auf mehrere Dörfer. Die Einwohnerinnen und Einwohner leben im Wesentlichen vom Fischfang, der Viehzucht und der Landwirtschaft; außerdem gibt es einige HändlerInnen und HandwerkerInnen. Die Mehrheit der Haushalte lebt von weniger als 1000 CFA-Francs pro Tag, das ist rund 1,50 Euro. Die Lebensrealität der Bevölkerung lässt sich als sehr paradox beschreiben: Während die Menschen regelrecht über dem Wasser – nämlich in Pfahlbauten – leben, hat dennoch nur 10 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Trinkwasser und nur 2 Prozent zur Abwasserversorgung. 25% der Haushalte benutzen ausschließlich das gesundheitsschädliche Wasser aus dem See (in Hochwasserperioden betrifft dies fast die Gesamtheit der Haushalte) oder aber anderes Wasser, das in der Umgebung verfügbar ist: in Moorgebieten, an Flüssen oder in gegrabenen Löchern. Die EinwohnerInnen müssen häufig mehrere Kilometer Weg zurücklegen, um sich mit Wasser zu versorgen. So ist der Alltag von 65.000 Menschen rund um den Nokoué-See in Benin durch den Mangel an Trinkwasser und das Fehlen einer Infrastruktur zur Abwasserentsorgung bestimmt. Die lokale Bevölkerung reagierte auf diese Missstände unter anderem durch eine Vereinigung der Fischer und Fischerinnen Ausdruck, die zusammen mit der lokalen Emmaüs-Gruppe daran arbeitete, nachhaltige Lösungen zum Trinkwasserzugang und einer Abwasserentsorgung zu entwickeln – so entstand schließlich das hier vorgestellte Projekt. Im Jahr 2007 gab es eine erste Zusammenarbeit zwischen der lokalen Bevölkerung und Emmaüs International. Die Menschen vor Ort beschlossen, AkteurInnen im Kampf um ihr Recht auf Wasser zu werden. Aktuell läuft ein Projekt zur Trinkwasser- und Abwasserversorgung, aber der wichtigste Punkt in der Arbeit ist die Aneignung des Grundrechtes auf Wasser durch die Bevölkerung. Wasser ist ein öffentliches Gut und gehört der Menschheit! Das Projekt lief konkret in folgenden zwei Phasen ab: Von 2006 bis 2010 fand eine Pilotphase an zwei Orten – Ahomey Gblon und Gbessou – statt, während der die Bedürfnisse der NutzerInnen und der lokalen AkteurInnen identifiziert wurden. Darüber hinaus wurden erste 43 Analysen durchgeführt, lokales und internationales Wissen zusammengebracht und aufeinander abgestimmt. Es wurden Bauarbeiten zu einem Wasserversorgungsnetz und einem Latrinensystem durchgeführt und es fanden Veranstaltungen zum Thema Hygiene und zur Kapazitätenbildung bei den lokalen AkteurInnen statt. Des Weiteren wurde eine NutzerInnen-Vereinigung ins Leben gerufen, und es wurde viel Energie darauf verwandt, die Partizipation der Bevölkerung bei der Definition der Statuten dieser Vereinigung zu erhöhen und verstärkt auch die Beteiligung von Frauen in der neu geschaffenen Struktur zu fördern. Insgesamt waren 80 EmmaüsGruppen in dieser Phase mit dabei, viele der Mitglieder halfen selbst auf den Baustellen vor Ort mit. Diese Pilotphase endete 2010 mit der öffentlichen feierlichen Eröffnung an beiden oben genannten Orten. fest, kümmert sich um die Beitragszahlungen der Haushalte und mobilisiert die Bevölkerung. Sie bereitet sich außerdem darauf vor, langfristig in weiteren Bereichen der öffentlichen Wasserversorgung mitzuarbeiten, beispielsweise in Fragen der Nachhaltigkeit der Infrastruktur und um eine gute Nutzung. Von 2011 bis 2015 findet nun eine Entwicklungsphase statt, in der es darum geht, Aktivitäten an sieben weiteren Orten durchzuführen: So sollen sieben Netzwerke zur Wasserversorgung in Dörfern eingerichtet werden, darunter 139 Trinkbrunnen, 124 Sanitärblöcke, eine Abfallaufbereitungsanlage. Weitere wichtige Bestandteile der Projektarbeit werden eine Informations-, Bildungsund Kommunikationskampagne sein, sowie weitere Aktivitäten zur Selbstermächtigung der lokalen Bevölkerung. Gemäß dem Dezentralisierungs-Modell in Benin ist es so, dass die Stadtverwaltung die Kompetenzen in den Bereichen der öffentlichen Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung und der Hygiene innehat. In der Region um den Nokoué-See hat die Stadtverwaltung von Sô-Ava diese Kompetenzen an Emmaüs International abgegeben, um eine Durchführung dieses Projektes zu ermöglichen. Dennoch bleibt sie gewisser Weise in den Prozess involviert, da sie sich langfristig um die Instandhaltung und Wartung der Infrastruktur kümmern soll. So werden gleichzeitig also auch die Fähigkeiten der kommunalen Verwaltung und der MitarbeiterInnen im technischen Bereich gestärkt. Zentraler Punkt des Erfolgs des hier beschriebenen Programms ist die Verwaltung der Wasser- und Abwasserversorgung durch die Bevölkerung selbst. Die EinwohnerInnen beteiligen sich voll und ganz am Projekt, um ihr Recht auf Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in konkrete Ergebnisse umzusetzen. Zu diesem Zweck haben sie eine NutzerInnenvereinigung mit dem Namen AUAEAN gegründet, die aus gewählten VertreterInnen besteht. Diese Vereinigung trägt die Verantwortung für alle kollektiven Entscheidungen im Laufe des Projektes. Sie beteiligt sich an der Entscheidungsfindung rund um technische Fragen, verwaltet die Trinkwasserstellen, legt die Preise für die Wasserversorgung 44 Im Rahmen des Projektes „Solidarische BürgerInnen für das Wasser in Nokoué“ wurde eine Vielzahl von AkteurInnen mobilisiert: die lokale Bevölkerung, Einrichtungen der lokalen Verwaltung, Institutionen zur KoFinanzierung, Partnereinrichtungen sowie lokale und internationale ExpertInnen. Das Projekt zeigt, wie es möglich ist, benachteiligen Menschen mehr Selbstorganisation und Aneignung ihrer Rechte zu ermöglichen. Dabei ist es unabdingbar, auch die Bedürfnisse der Menschen, die am äußersten Rand der Gesellschaft leben, miteinzubeziehen, so dass alle die Möglichkeit haben, ihre Rechte selbstbewusst einzufordern. Weitere Informationen: www.emmaus-international.org Die Bewegung 136: Eine BewohnerInitiative mit dem Ziel, die Privatisierung des Trink- und Abwassersystems der Stadt Saloniki zu verhindern T. Tzakris Initiative 136, Griechenland14 Nach einem neuen Gesetz, das vom griechischen Parlament verabschiedet wurde, soll ein Anteil von 40% des Besitzes und der Managementaufgaben der Öffentlichen Wasser- und Abwassergesellschaft Salonikis (EYATh) bis Mai 2012 zum Verkauf angeboten werden. Durch unsere Initiative, die unser städtisches Wassersystem zu erhalten versucht, wollen wir die möglichen Optionen hervorheben, über die die BürgerInnen Salonikis und Griechenlands unter den gegenwärtigen Bedingungen einer generellen (Wirtschafts-)Krise verfügen und damit die Betroffenen zugleich ermutigen, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Wir glauben, dass diese Optionen auf der Grundlage von kooperativer Organisation, von Solidarität und von Respekt gegenüber der Umwelt wirksam wahrgenommen werden können – und zwar durch eine Bewegung der Sozialen Ökonomie, die in Theorie und täglicher Praxis ein neues Entwicklungsmodell vorstellt, d. h. eine Alternative zum herrschenden Kapitalismus bietet. Es handelt sich um ein produktives und ökonomisches Modell, das kollektives Eigentum mit wirtschaftlichen Anreizen für den Einzelnen erfolgreich verbinden möchte. Ein vernünftiges Wassermanagement bildet 45 das Kernstück dieses Modells, das die Umwelt sowie unsere natürlichen Ressourcen durch eine Form des Eigentums und der Kontrolle respektieren und schützen möchte, die nicht profitorientiert, sondern demokratisch, öffentlich und überprüfbar ist. Wer sind wir und wen repräsentieren wir? Am 21. Juni 2011 votierte das griechische Parlament für ein Gesetz, das den „Fond für die Entwicklung von Staatseigentum“ in Kraft setzte. Dieses Gesetz zielte darauf, eine große Anzahl von staatseigenen Besitztümern bzw. staatlichen Anteilen an Verbänden oder Organisationen zu verkaufen. In Griechenland bezeichnen wir diesen Besitz als „das Silber des Landes“. Zu diesem staatlichen Eigentum gehörte auch die „Wasserversorgungs- und Abwasser-Gesellschaft von Athen (EYDAP)“ sowie 40% (entsprechend 14.400.000 Anteilen) der „Wasserversorgungs- und Abwasser-Gesellschaft Salonikis (EYATh)“. EYATh machte in den letzten Jahren einen Gewinn von 75 Mio. €, wohingegen der Verkaufserlös in der Folge des aktuellen Börsenkollaps der griechischen Börse keine 55 Mio. € betrug. Während des gleichen Zeitraums, von Juni bis Juli 2011, wurde Griechenland von Demonstrationen gegen die von der „Troika“ (bestehend aus dem IMF, der EZB und der EU-Kommission) aufgezwungenen Politik erschüttert. Die Idee der Bewegung 136 wurde im Sommer 2011 entwickelt. Sie war der Ursprung von Debatten, die schon im Verlauf der vorangegangenen Periode in den Versammlungen der „indignant-aghanaktismeni-Indignados“-Treffen am sogenannten „Weißen Turm“ von Saloniki stattgefunden hatten 15. Unter dem Druck fortwährender politischer und ökonomischer Wandlungen entschieden Angestellte der Wasserversorgungs- und Abwassergsellschaft von Saloniki (EYATh SA) am 10. August 2011 gemeinsam mit sozialen und kulturellen Vereinigungen der Stadt 46 sowie mit anderen EinwohnerInnen Salonikis, niemandem Spekulationen mit dem Trinkwasser unserer Familien zu gestatten. Wir beschlossen, dass es absolut niemandem, weder Griechen noch Ausländern, erlaubt sein sollte, Profit mit unserem Wasser zu machen und die öffentliche Gesundheit wie auch den Zustand der natürlichen Ressourcen unserer Region zu gefährden. Das Eigentum an EYATh ist eine Angelegenheit, die allein in den Händen der BürgerInnen Salonikis liegt. Wir beschlossen, uns zu einem gemeinsamen Kampf mit dem Namen „Bewegung 136“ zusammenzuschließen, der zum Ziel hat: • Den Erwerb von 40% der Gesellschaftsanteile einschließlich des Managements von EYATh durch die StadtbürgerInnen. • Die soziale Kontrolle über das Wasser in der Stadt. • Eine demokratische Führung und Verfahrensweise der Gesellschaft. • Die Gründung einer Non-for-Profit-Gesellschaft in Verbindung mit der Vorsorge für eine soziale Politik [der Güterverteilung] und des Umweltschutzes. Wir haben alle BürgerInnen dazu eingeladen, aktiv an dieser Bewegung teilzunehmen. Wir haben bereits alle Bürgermeister, Kommunen- und GemeinderätInnen Salonikis darüber informiert, ebenso wie die meisten der Sozial- und Berufsverbände. Die große Mehrheit der genannten AnsprechpartnerInnen unterstützt unsere Bewegung, die am 28. November 2011 zum ersten Mal öffentlich auftrat. Unsere Pläne Nach langwierigen Diskussionen mit Bürgern und Organisationen von Saloniki, haben wir ein Modell verabschiedet, das vier Grundvoraussetzungen erfüllt: • Wirtschaftliche Transparenz. • Demokratische Verfahren und Verwaltung • Ein Non-for-Profit-Management. • Beteiligung (am Projekt) von mindestens 372.000 Haushalten mit Geräten zur Wasserverbrauchsmessung — von insgesamt 510.000. EYATh steht im Dienst von sechs städtischen [Teil-]Kommunen Salonikis und elf Regionalkommunen, die insgesamt den Großraum Salonikis ausmachen, ein Gebiet von über einer Millionen EinwohnerInnen. Wir schlagen das folgende Modell vor: Bildung von Einrichtungen entsprechend dem Verwaltungsgrundsatz von EYATh I. Kooperativen Teilkommune gesetzlichen Kooperativen werden. gefordert wurde, um jeden möglichen Beteiligungsausschluss von Kooperativen an der Gesellschaft beim Wettbewerb um den Erwerb von Betriebsteilen an EYATh zu verhindern. Die Ziele der Kooperativen: 1. Der Erwerb und das Non-Profit-Manage ment von EYATh. 2. Die Wasserversorgung der Haushalte und Geschäftstätigkeiten, die sich beziehen auf: • Hohe (Wasser)Qualität • Niedrige Preise • Umweltschutz • Demokratische Verfahrensweisen • Soziale Gerechtigkeit 3. Jedes Mitglied der Kooperative hat eine Stimme – unabhängig von der Anzahl der Anteile, die es hält 16. Wo wir aktuell stehen Wir befinden uns in der Mitte einer Kampagne, mit der wir die BürgerInnen Salonikis motivieren wollen, sich aktiv an den Kooperativen zu beteiligen, obwohl die Lage der griechischen Wirtschaft es tatsächlich schwer macht, auch nur 140 € als notwendige Beteiligungssumme für die Mitwirkung in jeder Kooperative aufzubringen. Weitere Informationen: www.136.gr erster Ordnung in jeder von Saloniki, die auf der Grundlage für Städtische in Griechenland gebildet II. Eine Vereinigung von Kooperativen zweiter Ordnung in Form einer GmbH (KEYATh S.A.), die den Erwerb von 40% der Anteile und der gegenwärtigen Leitungsfunktionen von EYAth beanspruchen können. Anteilseigner dieser Gesellschaft sind die primären sozialen Kooperativen [s.Pkt.1] unter Berücksichtigung der Stammanteile, die sie in ihrem Besitz halten. Es sollte hier angemerkt werden, dass die Bildung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung 47 5: Frauen und Wasserversorgung 48 Appell von Bintou Ibrahima Datt beim FAME 2012 Association Laawol Diam, Senegal „Ich möchte einen feierlichen Appell an alle Frauen auf der Welt richten: Unterstützt die Frauen in Afrika mit mehr Zusammenarbeit in unseren Kämpfen. Denn ohne Synergien und Kommunikation ist ein Streben nach nachhaltiger Entwicklung unmöglich. Wir dürfen nicht vergessen, dass viele der Probleme in Afrika der extremen Armut geschuldet sind, unter der die Frauen am allermeisten leiden. Die Frauen sind verletzlich, aber sehr mutig. Selbst mit wenigen technischen und finanziellen Mitteln und ohne Ausbildung schaffen sie es, ihre Familien zu erhalten. Sie sind es, die von früh bis spät kämpfen! Einige von ihnen legen tausende Kilometer auf der Suche nach Trinkwasser für ihre Familien zurück. Und wenn sie abends nach Hause kommen müssen sie auch noch die ganze Hausarbeit erledigen: kochen, Abwasch erledigen, Wäsche waschen, sich um die Kinder kümmern. So sieht das Schicksal der Frauen in fast allen Dörfern in den ländlichen Gegenden aus. Und dennoch: Eine andere Welt ist möglich. Es ist möglich, das Leben der Frauen zu verändern, nämlich durch den Zugang zu Wasser. Durch Wasser kann man ihnen die Freude am Leben zurückgeben, denn Wasser bedeutet Leben, Wasser ist die Quelle des Lebens. Und wie bitte sollen wir Frauen gut leben, wenn wir keinen Zugang zum Lebenselement Wasser haben? Wasser und Frauen, Frauen und Wasser. Das sind Dinge, die man niemals voneinander trennen sollte, denn das Recht auf Wasser ist in meinen Augen das allerwichtigste für uns Frauen!“ Weitere Informationen: www.laawoldiam.org 49 Erklärung und Alternativvorschläge zum Abschluss des Workshops und der Plenarsitzung des Themenstranges „Frauen und Wasser“ VertreterInnen des Collectif 13 Droits des Femmes (Kollektiv 13 Rechte der Frauen), Frankreich17 Während die UNO den Weltwassertag am 22. März 2012 unter das Thema „Wasser und Nahrungsmittelsicherheit“ stellt, bekräftigt das Collectif 13 Droits des Femmes, das sehr aktiv am Alternativen Weltwasserforum vom 14. bis 17. März in Marseille teilgenommen hat, dass das Wasser ein gemeinsames Gut der Menschheit und keine Ware ist und dass es unter öffentlicher BürgerInnenkontrolle verwaltet werden muss. Das Kollektiv ist über das qualitative Niveau der Diskussionen und Debatten erfreut, die sich während des FAME in etwa fünfzig Workshops entwickelt haben (von denen wiederum einige ausschließlich dem Themenstrang „Frauen und Wasser“ gewidmet waren), sowie auch über die daraus entstandenen Alternativvorschläge. Das FAME, bei dem sich etwa 5000 Menschen in freundschaftlicher und konstruktiver Atmosphäre versammelt haben, hat den Beweis seiner Berechtigung erbracht. Das Collectif 13 Droits des Femmes ist auch Mitglied des Netzwerkes „Marche Mondiale des Femmes“, das u. a. durch die Koordinatorin Miriam Nobre vertreten war. In gegenseitiger Abstimmung wollen wir folgende Erklärung abgegeben: Wir Frauen aus verschiedenen Teilen der Welt, die sich im März 2012 zum Alternativen 50 Weltwasserforum in Marseille versammelt haben, wissen, dass der Zusammenschluss unserer Kräfte eine Veränderung herbeiführen kann und bekräftigen unsere Solidarität mit dem Kampf aller Frauen der Welt. Ihre Kämpfe stärken zusammen mit den Kämpfen aller, Männer und Frauen, den Widerstand, der sich überall gegen das globale kapitalistische und patriarchalische System erhebt. Heute durchleben wir immer wieder Krisen im Weltmaßstab – ökonomische, ökologische, soziale und Nahrungsmittelkrisen. Und wir stellen beunruhigt fest, dass diese Krisen andauern und sich vertiefen. Wir wiederholen hier unsere Analyse, nach der diese Krisen keine isolierten Erscheinungen sind. Vielmehr sind sie Ausdruck der Krise unseres Gesellschaftsmodells, das von der Überausbeutung der Arbeit und der Umwelt sowie durch Finanzspekulationen in der Wirtschaft gekennzeichnet ist. Darum sagen wir Frauen weiterhin, dass dieses ökonomische Gesellschaftsmodell – dieses Modell von Produktion und Konsum, das die wachsende Verarmung unserer Völker und besonders der Frauen hervorbringt – verändert werden muss. Wir Frauen, die für die Achtung und Verteidigung der Prinzipien der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität eintreten, müssen beim Aufbau von Alternativen zu diesen Krisen vorankommen. Jedoch: Oberflächliche Antworten, die auf der Logik des Marktes beruhen, interessieren uns nicht. Wir können es nicht akzeptieren, dass Versuche, das gegenwärtige System aufrechtzuerhalten, auf Kosten der Frauen gemacht werden. In diesem System ist die Zeit von Frauen eine der Variablen bei der Strukturbegradigung: ihre Tagesarbeitszeit ist dehnbar, und ihre sogenannte „Haus“-Arbeit wird nicht als Arbeit anerkannt. Weil Wasser eine lebensnotwendige Ressource ist, für die es keinen Ersatz gibt, und weil Wasser in seiner Natur und durch seine Natur das unersetzlichste Lebenselement ist! Weil Wasser ein gemeinsames Gut der Menschheit ist, als Menschenrecht anerkannt wurde in der UNO-Resolution vom 28. Juli 2010, die von 144 Ländern ratifiziert wurde! Weil Wasser keine Ware sein kann! Weil vor allem Frauen und junge Mädchen für die Wasserbeschaffung aufkommen müssen und ihnen so jede andere, bezahlte Beschäftigung verbaut wird oder sie am Schulbesuch gehindert werden! Weil sie für den Mangel an Gesundheitseinrichtungen einen schweren gesundheitlichen Tribut zahlen müssen! Weil Vergewaltigungen und Gewalt gegen Frauen Realität sind und der Mangel an geeigneten sanitären und Gesundheitseinrichtungen diese Gefahren für sie noch verschärft! Aus all diesen Gründen wollen wir uns am Aufbau von Alternativen außerhalb der Marktlogik für den Zugang zu Trinkwasser und Reinigungsanlagen beteiligen, die nicht nur der nötigen Rücksicht auf die Umwelt, auf die Mutter Erde Rechnung tragen, sondern auch der Verwirklichung der Gleichheit zwischen Frau und Mann. Wir fordern für alle und besonders für Frauen den Zugang zu sauberem Trinkwasser, das der Schlüssel ist zu ihrem Leben, zu ihrer notwendigen Bildung, zu ihrer Gleichheit den Männern gegenüber, zum Ende der Gewalttaten. Wir fordern von den Regierungen, dass sie über ihre ewig wiederholten Versprechun- gen hinausgehen: Wir müssen sie zwingen, die Texte, die sie unterzeichnet haben, auch anzuwenden. In Anbetracht der Hauptrolle, die den Frauen bei der Beschaffung und Verwaltung des Wassers zufällt, fordern wir die Verteilung des entsprechenden Wissens, besonders des technischen Know-hows, für die konkrete Herstellung des Zugangs zu Wasser. Wir fordern, paritätisch an Entscheidungen und an der Verwaltung des Wassers, der Anlagen und der hygienischen Einrichtungen beteiligt zu werden. Und das auf allen Ebenen des Prozesses, auch den wissenschaftlichen und technologischen. Wir arbeiten daran, einen wirksamen Bezug der Kräfte zueinander herzustellen, da die Übereinstimmung der feministischen Bewegung mit der sozialen Bewegung von fundamentaler Bedeutung ist. Wir verteidigen das Prinzip eines lebensnotwendigen Minimums an Wasser pro Tag und pro Person, das gratis sein muss. Unserer Rechnung legen wir die Menge von 40 Litern zugrunde, die von der Weltgesundheitsorganisation vorgegeben wurde. Wir fordern, dass die militärischen Ausgaben der Welt umgewidmet werden, und zwar zugunsten von Programmen und Techniken der 51 nachhaltigen Entwicklung, sowie der Versorgung aller Menschen mit sauberem Wasser. Wir wollen die Energien aller feministischen Bewegungen bündeln, um den Widerstand der Frauen gegen die Beschlagnahme des Wassers sichtbar zu machen. Wir wollen ih- nen ermöglichen, ihren Anteil bei allen auf das Wasser, seine Nutzung und seine Bewahrung gerichteten Entscheidungen voll wahrzunehmen. Außerdem setzt sich das Collectif 13 Droits des Femmes auch mit der kommenden Konferenz von Rio+20 auseinander. Die dortigen TeilnehmerInnen werden sich folgendem Punkt öffnen, dem ökologischen und sozialen Übergang unserer Gesellschaften und unseres ökonomischen Systems zu Gesellschaften, die ohne Öl und ohne fossile Energieträger auskommen und die mit den natürlichen Ressourcen sparsam umgehen. Weiterhin fordern wir, dass die Erklärung von Rio+20 einige fundamentale Prinzipien absichert: • Die Bewahrung des ökologischen Gleichgewichts, die Stabilisierung des Klimas und den Schutz der biologischen Vielfalt (in den Meeren und zu Lande). Und das auf einem Niveau, das es erlaubt, den Zugang zu Wasser, Energie und Nahrung für alle zu garantieren und ökologische Katastrophen zu vermeiden. 52 • Beseitigung der Armut und Verminderung von Ungleichheiten. • Recht auf Ernährung und Ernährungssouveränität für alle. • Rücksicht auf die Grenzen des Planeten – u. a. durch eine bessere und besser ver mittelte Kenntnis seiner Ressourcen und der damit zusammenhängenden Risiken – durch das Prinzip der ökologischen Nachhaltigkeit und neuen Verpflichtungen gegenüber den Ressourcen. • Anerkennung fundamentaler Güter (Luft, Erde, Wasser, Energie) als gemeinschaftliche Güter und deren lokale Verwaltung nach den demokratischen Prinzipien des Zugangs für alle und der Sparsamkeit. • Erweiterung des Prinzips 10 der Erklärung von Rio-92 zum Recht auf Transparenz, zum Zugang zu Informationen, zu der Notwendigkeit, komplexe technische und wissenschaftliche Gegebenheiten zu verste hen, zur öffentlichen Beteiligung an Entscheidungsprozessen und zum Zugang zur Justiz. • Anerkennung lokalen Wissens und der unterschiedlichen Formen von wissenschaftlichen und BürgerInnen-Expertisen. Weitere Informationen: http://collectif13.ddf.free.fr 53 6: Widerstand gegen Privatisierung 54 Maria-Theresa Lauron IBON International, Philippinen „Bei unserem Widerstand gegen die Wasserprivatisierung in den Philippinen kommen verschiedene kreative Mobilisierungsformen zum Einsatz: Neben den üblichen Straßendemonstrationen mit Plakaten und Schildern gibt es immer auch andere Ideen, mit denen die lokale Bevölkerung ihre speziellen Probleme oder ihr spezielles Anliegen sichtbar macht. So zum Beispiel beim Protest der philippinischen Fischer, die ihr Boote schmücken und auf ihnen Nachrichten platzieren. Damit fahren sie dann den Strand in Manila entlang, um darauf hinzuweisen, dass Wasser-Privatisierung auch die Lebensgrundlage der Fischer gefährdet. Oder aber Kinder, die Lieder singen oder Theaterstücke aufführen. In ganz unterschiedlichen Gruppen engagieren wir uns mit verschiedenen Protestformen, ohne jedoch aus den Augen zu verlieren, dass wir für dasselbe große Anliegen kämpfen: das Menschenrecht auf Wasser.“ Weitere Informationen: http://iboninternational.org 55 Mobilisierung für einen Privatisierungsstopp des Wasserversorgungsunternehmens Canal de Isabel II, Madrid che der staatlichen Flughafenbetreibergesellschaft „Aeropuertos españoles“ oder der „Sociedad Estatal de Loterías“. AktivistInnen der Plattform gegen die Privatisierung von Canal de Isabel II, Spanien18 Vorstellung der Plattform18 Die Privatisierung des Wasserversorgungsunternehmens Canal de Isabel II (CYII) wurde im Dezember 2008 im Madrider Parlament beschlossen – allein die VertreterInnen der Partido Popular, der spanischen Volkspartei, stimmten dafür. Mit dieser Entscheidung verbindet sich die Absicht der Regierung, aus dem gesamten Wasserbewirtschaftungszyklus ein Geschäft zu machen und die gesamten Vermögenswerte des Unternehmens (sowohl im Inland, als auch im Ausland, vorrangig in Lateinamerika) zu verkaufen. Dieser Privatisierungsprozess war von Anfang an wenig demokratisch und völlig intransparent, da die BürgerInnen keine Möglichkeiten hatten, sich an einer für sie so wichtigen Entscheidung zu beteiligen. Das Vorgehen war undurchsichtig, sowohl den BürgerInnen als auch den Mitgliedern des regionalen Parlaments wurden relevante Informationen vorenthalten: über die Rahmenbedingungen des Marktauftrittes des neuen Unternehmens, das neue Unternehmensmodell, den Vermögenswert, den Verkaufswert, die Kompetenzbereiche, den tatsächlichen Prozentanteil der privaten Aktionäre und die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gemeinderäten der Region. Besonders interessant ist die Frage der Bewertung des Unternehmenswertes – die Privatisierung findet in Zeiten der Finanzkrise statt und in anderen Ländern wie Griechenland, Italien und Portugal lassen sich ähnliche Prozesse beobachten. Die Unternehmen werden dazu gezwungen, ihren Wert herabzusetzen und sich so zu schlechten Bedingungen, d. h. unter ihrem Wert zu verkaufen. So war dies z. B. bei der Privatisierung der Sparkasse „Caja Madrid“ der Fall, bei der der Verkaufspreis bei lediglich 70% des buchmäßigen Unternehmenswertes lag. Außerdem zu nennen sind hier die gescheiterten Privatisierungsversu- 56 Die Plattform gegen die Privatisierung von Canal de Isabel II will sich gegen diese Privatisierungspläne zur Wehr setzen. An ihr beteiligen sich sozial engagierte Gruppen, Gewerkschaften, politische Parteien und Einzelpersonen. Ihr Ziel ist es, eine möglichst große Zahl an Aktionen zur Verhinderung der Privatisierung anzuregen und zu koordinieren sowie die BürgerInnen zu mobilisieren und über die Auswirkungen des Privatisierungsvorhabens zu informieren. Die Plattform sieht sich als pluralistische Alternative und arbeitet auf Basis von monatlichen Plena, in denen Aktivitäten besprochen und beschlossen werden, die dann in spezifischen Arbeitsgruppen umgesetzt werden. Aktuell gibt es Arbeitsgruppen für die Bereiche Kommunikation, Kontakt und Zusammenarbeit mit Institutionen, Fragestellungen zu Gesetzen und Finanzen sowie für die allgemeine Überwachung der Aktivitäten. Die Plattform zählt um die 18 Gruppen, dieals Vollmitglieder fungieren, u. a. ATTAC, Ecologistas en Acción, Izquierda Anticapitalista, Teile der Gewerkschaft von Canal de Isabel II. Darüber hinaus arbeiten zahlreiche Einzelpersonen mit und es gibt eine Reihe von sympathisierenden Organisationen und Gruppen, die über die Mailingliste der Plattform regelmäßig über Vereinbarungen und Aktivitäten informiert werden. Als weiteres mächtiges Instrument zur Ankündigung von Aktionen, Verbreitung von Positionspapieren und anderen Dokumenten dient die Webseite der Plattform (www.plataformacontralaprivatizaciondelcyii.org). Als Hauptziele der Arbeit der Plattform lassen sich folgende Punkte nennen: nen werden den BürgerInnen über verschiedene Kanäle zur Verfügung gestellt: über eigene und fremde Medien und im Rahmen von Veranstaltungen in der Region Madrid, unter anderem mit den Nachbarschaftsgruppen (deren Regionalverband auch aktives Mitglied der Plattform ist) und bei den Versammlungen der 15M-Bewegung. • Die Gesellschaft über die Unsinnigkeit und die negativen Folgen der Privatisierung über alle verfügbaren Medien, Versammlungen, Debatten und über elektronische Kommunikationsmittel informieren; • Die BürgerInnen, Organisationen und sozialen Bewegungen gegen den Privatisierungsversuch mobilisieren; • So viele Aktivitäten wie möglich anstoßen, um auf sozialer, juristischer und institutioneller Ebene den Stopp des Privatisierungsvorhabens zu erreichen. Erwähnenswert ist auch die Rolle der 15MBewegung auf die Einflussfähigkeit und Wirkungskraft der Aktivitäten der Plattform: Diese haben bemerkenswert an Kraft gewonnen, vor allem durch die große Zahl an Stadtteil- und Ortsversammlungen, die die Forderungen der Plattform in ihr Programm aufgenommen haben. So kamen sogar regelmäßige gemeinsame Treffen mit den 15M-Versammlungen zur Planung und Abstimmung von Aktionen zustande und gleichzeitig nahmen Mitglieder verschiedener 15M-Gruppen an den Plenar-Versammlungen der Plattform teil. Informationsverbreitung Der bisherigen Undurchsichtigkeit des Privatisierungsprozesses will die Plattform klare und aussagekräftige Informationen entgegenstellen, z. B. über das Unternehmen CYII selbst und über die Rahmenbedingungen der Privatisierung. Unter anderem wurde eine Handreichung erarbeitet, die wie alle Dokumente auf der Plattform auf unserer Internetseite verfügbar ist. Diese Informatio- Arbeit auf institutioneller Ebene Institutionen wie Gemeinderäte, politische Parteien oder Gewerkschaften waren wichtige Partner für uns, da sie eine wichtige Rolle im Oppositions- und Widerstandskampf spielen. • Gemeinderäte: Die Gemeinden tragen im Fall einer Privatisierung von CYII den größten Schaden, sie verdienen deshalb besonders viel aufklärende Information und Unterstützung in ihren Forderungen. Ziel ist es, eine aktive Widerstandsfront zu schaffen, die sich in konkreten Aktionen wie der Iniciativa Legislativa Municipal (Legislative Gemeindeinitiative) widerspiegelt, auf die weiter unten noch eingegangen wird. • Politische Parteien: Die Zusammenarbeit erfolgt sowohl mit Parteien, die Mitglied 57 der Plattform sind, aber auch mit jenen, die sich grundsätzlich gegen die Privatisierung einsetzen. Diese Abstimmungen sind wichtig, um auch auf der Ebene des regionalen Parlaments eine koordinierte Opposition zu erreichen • Gewerkschaften: Hier waren die Betriebsräte von CYII die wichtigsten Partner der Plattform, allen voran die VertreterInnen der „Comisiones Obreras“, einem der größten spanischen Gewerkschaftsverbände, der anfänglich kommunistisch orientiert war, jetzt jedoch von keiner Partei abhängig ist. Durch die Zusammenarbeit war eine Abstimmung mit den ArbeiterInnen von CYII in unseren Widerstandsaktivitäten möglich. Mobilisierung Die Mobilisierung der Bevölkerung stellt einen der wichtigsten Bestandteile der Arbeit der Plattform dar. Wir haben kontinuierlich zu Versammlungen, breiten Treffen und Demonstrationen aufgerufen, wobei uns letztere vor allem durch ihre Wirkung im sozialen Bereich und in den Medien zu Gute kam. Die Plattform selbst hat zwei Demonstrationen gegen die Privatisierung von CYII organisiert und an mehreren anderen teilgenommen, die in Madrid zum Thema öffentliche Dienstleistungen stattfanden und entweder von Untergruppen der Plattform oder der 15MBewegung auf die Beine gestellt wurden. Initiativen auf juristischer Ebene Aktuell gewinnen auch die Wege und Möglichkeiten im juristischen und institutionllen Bereich an Wichtigkeit, die dazu dienen könnten, den Privatisierungsprozess zu verhindern. Dazu hat sich innerhalb der Plattform eine spezielle Arbeitsgruppe formiert, die herausfinden soll, wie Gesetzesumgehungen verhindert werden können, sowohl im Laufe des potentiellen Privatisierungsprozesses als auch auch im Fall einer Neugründung einer Aktiengesellschaft. Zu diesem Zweck gab es Abstimmungen mit verschiedenen Bürgermeistern und StadträtInnen aus der Region und es wurde die oben erwähnte „Iniciativa Legislativa Municipal“ gegründet. Diese Initi- 58 ative ist ein im Autonomiegesetz der Region Madrid festgelegtes Instrument zur Partizipation, mit Hilfe dessen die StadträtInnen Gesetzesänderungen vorschlagen können, die folglich im Parlament der Region debattiert und abgestimmt werden. So haben im Dezember 2011 sieben Gemeinden einen solchen Vorschlag eingebracht, in dem es konkret um die Aufhebung der Artikel geht, in denen 2008 die Privatisierung festgelegt wurde. Zukunftspläne Auch wenn sich der Widerstandskampf der Plattform gegen die Privatisierung von CYII auf lokaler Ebene bewegt und hauptsächlich in der Region Madrid stattfindet, so steht es doch außer Zweifel, dass er Teil einer globalen Bewegung für die Bewahrung öffentlicher Güter und Dienstleistungen ist. So kam ein sehr positiver Reflektionsprozess über allgemeine Aspekte der Widerstandsmöglichkeiten gegen Privatisierung und über die Bedeutung von Wasser als Gemeingut und Menschrecht in Gang. Die BürgerInnenbefragung im März 2012 Am 5. März 2012 wurden von der Plattform gegen die Privatisierung von Canal de Isabel II und Mitgliedern der 15M-Bewegung in 50 Gemeinden 319 Informations- und Abstimmungstische eingerichtet, um eine BürgerInnenbefragung über die Privatisierung des öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens durchzuführen. Nach der Auszählung von 293 Abstimmungsurnen gaben 167.710 ihre Stimme ab, 165.860 davon sprachen sich gegen die Privatisierung aus. [Aktualisierung GiB 27.04. 2012: Das Endergebnis lautete: 177.685 Stimmen, 95,5% davon gegen die Privatisierung.] Mit dem Ergebnis fordern die InitiatorInnen der Befragung die Chefin der Regionalregierung von Madrid, Esperanza Aguirre, dazu auf, ein bindendes Referendum abzuhalten. Laut SprecherInnen der Plattform sollte mit der Befragung den Bürgerinnen und Bürgern von Madrid die Möglichkeit gegeben werden, sich zu einer höchst wichtigen Angelegenheit zu äußern, die „in keinem Wahlprogramm vorkommt“ und die die verantwortlichen PolitikerInnen „hinter dem Rücken der Zivilgesellschaft“ abhandeln. Der Kampf der sozialen Organisationen und der städtischen Kontrollbehörde gegen die Privatisierung der Wasserwirtschaft in Ecuador Gemäß den Aussagen von Enrique García aus der 15M-Gruppe aus Tetuán „wussten die BürgerInnen bis vor einigen Monaten noch überhaupt nicht über die Privatisierung von CYII“ und dank der „erfolgreichen“ BürgerInnenbefragung wurde „bereits die Informierung eines großen Teil der Bevölkerung erreicht“. Zur Fragestellung, ob die Befragung bindenden Charakter hat oder nicht, stellt die Plattform fest, dass die Abstimmung durchaus über politische Gültigkeit verfügt. „Ob das Ergebnis bindend ist, hängt ganz vom politischen Willen der Regierung ab.“ Weitere Informationen: www.plataformacontralaprivatizaciondelcyii.org/ www.ecologistasenaccion.org/article22500.html Marlon Cabrera Posligua Asamblea de usuarios del agua – Versammlung der Wasser-NutzerInnen, Ecuador21 Ecuador und insbesondere die Stadt Guayaquil – die Stadt mit der größten Einwohnerzahl Ecuadors – ist seit dem Jahr 2001 einem Privatisierungsprozess in der Trinkwasserversorgung wie in der Abwasserentsorgung unterworfen. Dieser Prozess begann mit einer 30-jährigen Konzession zur Wasserbewirtschaftung. Der Abschluss sowie die Ausführung dieses Konzessionsvertrages wurde 1997 durch die finanzielle Unterstützung der der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) vermittels einer Kreditvergabe ermöglicht. Das Privatunternehmen, dem die Verwaltung der Trinkwasserversorgung übertragen wurde, war die Gesellschaft INTERAGUA, deren anfängliche Eigentümer das nordamerikanische Unternehmen BECHTEL und das italienische Unternehmen Edison waren. Heute gehört INTERAGUA zu 51% zur Unternehmensgruppe PROACTIVA MEDIO AMBIENTE, die ihrerseits unter der Leitung des französischen Unternehmens Veolia und der spanischen Gesellschaft „Fomento de Construcciones y Contratas“ (FCC) steht. Dessen ungeachtet ist das mit der Privatisierung gegebene Versprechen einer Verbesserung der Trinkwasserversorgung und Abwasserkanalisation in der Gemeinde Gua- 59 yaquils nicht eingelöst worden – was sich anhand unzähliger Trinkwassersperren und fehlender Zugänge zu Trinkwasserstellen in den Außenbezirken der Stadt zeigt. Zusätzlich häufen sich die Klagen über die Kontamination des Rio Guayas wegen mangelnder Abwasserreinigung. Besonders engagiert bei diesem Protest war die städtische Stelle zur Beobachtung der öffentlichen Versorgungsdienste, die mit dem Ziel der Prüfung von EinwohnerInnenbeschwerden gegründet worden war. Gegenstand der tagtäglichen Beschwerden in der Beobachtungsstelle waren eine schlechte Wasserqualität, ungerechtfertigte Gebührenforderungen in den Tariflisten und Wasserrechnungen, eine unzureichende Qualität der Wasserleitungen im gesamten Trinkwassernetz, ständige Unterbrechungen der Trinkwasserversorgung und eine schlechte Unterhaltung des Systems der Abwasserkanalisation. Aufgrund dieser Vorgänge kämpfte die städtische Beobachtungsstelle gemeinsam mit Organisationen wie der CUBE, der Asamblea de Barrios oder der Frente de Profesionales del Guayas dafür, dass das Menschenrecht auf Wasser in der Staatsverfassung von 2008 festgeschrieben, die Privatisierung der Wasser- und anderer Basisversorgungen verboten und die Einrichtung von Aufsichtsbehörden vorgesehen wird, um die zuverlässige Verwaltung dieser Dienstleistungen zu gewährleisten. Im Jahr 2010 einigte sich die städtische Aufsichtsbehörde mit VertreterInnen verschiedener sozialer Bereiche – insbesondere aus der der Stadt Guayaquil – darauf, grundsätzlich allen Beschwerden nachzugehen, die gegen INTERAGUA erhoben wurden. Die von der Aufsichtsbehörde festgestellten Beschwerdebefunde waren identisch mit den bereits zuvor von den Organisationen geäußerten Klagen. Die Aufsichtsbehörde wurde daraufhin angehalten, geeignete Maßnahmen seitens der Anlagenbetreiber von INTERAGUA zu verlangen, um den Beschwerden nachzukommen: 1. Beseitigung von Wasserrohrbrüchen und -beschädigungen in einigen Stadtteilen; 60 2. Auswechslung von unbrauchbaren MessgerSäten des Wasserverbrauchs; 3. Erweiterung der Anlage zur Trinkwasseraufbereitung, die fortan in Staatsbesitz verbleiben sollte; 4. Verbesserung der Wasserqualität bei der Nutzung von hartem Wassers, das eine hohe Verunreinigung mit Mikroorganis men und einen höheren Anteil an Kolibakterien und Fäkalienrückständen aufweist; 5. Einstellung der Abwasserentsorgung in den Rio Guayas ohne vorherige Reini gung; 6. Unterlassung ungerechtfertigter Preisforderungen und Leistungskürzungen gegenüber der ärmsten Personengruppe, die die Dienstleistungskosten der Trinkwasserlieferung nicht bezahlen kann. Das generelle Ziel der Aufsicht ist ein permanentes Kontroll- und Regulierungsorgan für die gesamte Vertragsdauer mit dem Unternehmen INTERAGUA. Der Vertrag sollte – im Lichte der neuen Staatsverfassung Ecuadors – keineswegs als letztes Wort angesehen werden. Dem skandalösen Wasser-Geschäft in Jakarta auf der Spur Muhammad Reza KruHA – BürgerInnenkoalition für das Recht auf Wasser, Indonesien22 Die Entscheidung zur Wasserprivatisierung in Jakarta basierte auf dem Mythos, es würden ausländische Investitionen benötigt. Von daher hat das Land, das auf den Prinzipien Nicht-Ausbeutung und Humanismus gründet, mit der Vereinbarung mit der Weltbank den eigenen Schwur verletzt. Diese Vereinbarung erlaubt es den multinationalen Konzernen, die Menschen auszubeuten, obwohl die Regierung die UN-Resolution zum Menschenrecht auf Wasser und Sanitäranlagen unterzeichnet hat. 1991 benötigte das Stadtwerk von Jakarta PAM Jaya dringend eine Restrukturierung und Finanzmittel für die Tilgung seiner Schulden und für die Sicherung von Wasserqualität und –versorgung. Im Rahmen eines Kredits in Höhe von 92 Mio. US Dollar hat die Weltbank die indonesische Regierung dazu gedrängt, einen Privatisierungsplan für das Wasser zu beschließen. Der Prozess begann mit einem Brief des Präsidenten Suharto im Jahr 1995, ihm folgte ein Konzessionsvertrag für 25 Jahre mit zwei großen Wasserkonzernen ohne öffentliche Ausschreibung, obwohl das gegen das indonesische Recht verstößt. Der Plan teilte die Stadt in zwei Konzessionsgebiete. Die Westseite wurde dem Unternehmen PT Garuda Dipta Semesta (GDS) zugewiesen und den Ostteil bekam PT Kekar Thames Airindo (KTA). Zum Inkrafttreten des Vertrags am 1. Februar 1998 wurde das ganze Betriebsvermögen von PAM Jaya (u. a. die Wasseraufbereitungsanlagen, Wasserleitungen, Ausstattung, Büros und weitere Bestände) in die Verfügungsgewalt der privaten Versorger überführt (PALYJA, 2005). Die Korruption in dem Prozess erkennt man an der Zuteilung der Anteile. Die britische Firma Thames Water gab Anteile an ein Unternehmen im Besitz des Präsidentensohns weiter. Der Französische Konzern Lyonnaise des Eaux vergab Anteile an die Firma von Salim, einem Freund von Suharto. Nach dem Sturz Suhartos im Jahre 1998 wurde dieser Anteil schnell reduziert. Ebenfalls wurde nach dem Sturz und im Gefolge der Asienkrise der Vertrag neu verhandelt. Der große Währungswertverlust hat dazu geführt, dass die vereinbarten Investitionspläne nicht eingehalten wurden, weil die Firmen für ihre Investitionen von auswärtigen Krediten abhingen. Der neu verhandelte Vertrag, bekannt als das Neue Kooperationsabkommen (RCA), wurde am 22. Oktober 2001 zwischen PAM Jaya und einem privaten Konsortium, das seinen Namen vom KTA zu PT Thames PAM Jaya (TPJ) änderte, unterzeichnet. Acuatico Pte. Ltd and PT. Alberta Utilities übernahmen das Unternehmen 2007 und der Name „TPJ“ wurde geändert in Aetra Air Jakarta oder einfach Aetra. 2011 verkaufte Acuatico, ein Konsortium aus dem Beratungsunternehmen Indonesia’s ReCapital Advisory und Glendale Partners, seine Anteile an eine weniger bekannte Firma von den Philippinen. Gleichzeitig wechselte GDS zu PT PAM Lyonnaise Jaya (PALYJA), ein Tochterunternehmen von Suez. Nach Juli 2006 gehörte die Mehrheit der Anteile Suez Environment und PT. Astratel Nusantara, einer Niederlassung von Astra International. Die fünf Dienstleistungsstandards und die fünf technischen Zielvorgaben, die überwacht werden, wurden im neuen Vertrag überarbeitet. Vierzehn Jahre das teuerste schmutzige Wasser Die Verträge mit den Firmen, die die Was- 61 serversorgung im Auftrag der staatlichen Dienstleistungsgesellschaft PAM Jaya durchführen sollten, wiesen zahlreiche Mängel zum Nutzen der Privaten auf. Die Gesellschaften wurden für ihre Ausgaben bezahlt, geschützt gegen Inflation, Zins-, Währungs- und sogar Steuerschwankungen. Sie beinhalteten auch eine know-how- oder Management-Pauschale, die für Wasserkonzessionen typisch ist. Außerdem wurden Gebühren erhoben, die eine Eigenkapitalrendite von 22 Prozent garantieren. Die Gebühren für die NutzerInnen werden so berechnet, dass sie den erwarteten Gewinn ergeben müssen, und falls sie doch gesenkt werden, um bezahlbar zu bleiben, muss die öffentliche Hand das Defizit ausgleichen, nicht die Privaten. (Hall) PAM Jaya weist einen rasch wachsenden Schuldenberg auf – mehr als 600 Milliarden Rupien (67 Millionen US Dollar) schuldete es zuletzt den privaten Betreibern. Die Schulden stammen aus der Differenz zwischen dem Wassertarif und den vertraglich vereinbarten „Wassergebühren“. Die Wassergebühren steigen normalerweise automatisch jedes halbe Jahr. Aber 2008, nach einem öffentlichen Aufschrei wegen der miserablen Versorgung und der hohen Preise, hat der Bürgermeister von Jakarta die Steigerung der Tarife abgelehnt. Seitdem wächst die Verschuldung. Die volle Kostendeckung bei der Privatisierung von PAM Jaya heißt, dass die Wasserkunden über die Wassertarife 100% der Projektfinanzierung tragen müssen. Die Hunderte Milliarden Indonesischer Rupien, die PAM Jaya an die privaten Betreiber abgeben musste (wegen der vertraglich garantierten „Gebühren“), und die Hunderte Millionen Dollar an Gewinn für Palyja und AETRA müssen von den Wasserkunden von PAM Jaya über die Wassergebühren abbezahlt werden. Die Armen tragen die Verluste doppelt: als Kunden von PAM Jaya, die nur niedrige Gebühren bezahlen können, waren sie für PAM Jaya nie ein Priorität. Weil die Wasserversorgung nicht richtig funktioniert, müssen sie Wasser von Straßenverkäufern kaufen, aber 62 andererseits ihre Wasserrechnungen trotzdem zahlen. Was hat die Gesellschaft gemacht? Zumindest nach dem Sturz des Diktatoren Suharto 1998 gab es viele Bemühungen von Seiten verschiedener Gruppen, das skandalöse Wassergeschäft in Jakarta zu hinterfragen. Darauf folgen viele politische Maßnahmen zugunsten privater Interessen. Nach dem Jahr 2000 stieß die Indonesische Zivilgesellschaft die Debatte darüber an, welche umfassenden Lösungen das Land braucht, das 32 Jahre unter Repressionen litt, die von einem schockierenden Übergang gefolgt wurden. Das war die Geburtsstunde der „Globalisierung der freien Märkte“ im öffentlichen Diskurs. In der Ära der Liberalisierung und der Kommerzialisierung des Lebens rückte die Rolle des Staates in den Fokus der landesweiten Netzwerke der Bauer- und BäuerInnen-, ArbeiterInnen- und Jugendbewegungen. KruHA wurde 2002 gegründet als eine Antwort auf den Kredit der Weltbank und die Entscheidung, dass die Wasserwirtschaftspolitik (WATSAL) den ökonomischen Wert des Wassers zur Lösung der Wasserkrise maximieren soll. KruHA entschied sich, den Fall der illegitimen Schulden vor das neu eingerichtete Verfassungsgericht zu bringen, weil der Weltbankkredit die Landesverfassung verletze. Nachdem das Gericht den Schutz der Verfassung von 1945 zum Auftrag hat, fallen die Gesetze außerhalb der Verfassung eigentlich nicht in seinen Kompetenzbereich. Nichtsdestoweniger war die Interpretation des Gerichts darüber, wie die wirtschaftliche Bestimmung des Wassers reguliert werden und welche Prinzipien in den öffentlichen Wasserwerken gelten sollten, richtungweisend für die Argumente der zivilgesellschaftlichen Gruppen, dass die Politik der Regierung, die die Wasserprivatisierung zugelassen hat, nicht rechtmäßig war. Das Verfassungsgericht schrieb: „Das Prinzip ‚WasserverbraucherInnen sollen Servicegebüh- ren für das Wasserressourcenmanagement zahlen‘ bedeutet nicht, dass das Wasser im ökonomischen Sinne mit einem Preis versehen wird, sondern es steht in Übereinstimmung mit dem Status des Wassers als ‚res commune‘. Dieses Prinzip heißt, dass die Wasserverbraucher weniger zahlen müssen als wenn Wasser wie ein ökonomisches Gut behandelt würde; wenn die NutzerInnen nicht nur den Preis des Wassers zahlen, sondern neben den Produktionskosten auch den Gewinn für die Unternehmensführung tragen.“ PDAM, das öffentliche Wasserunternehmen, muss sich selbst als eine staatliche Versorgungsinstitution verstehen, die ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen muss, wie es im Artikel 5 im Wasserressourcenrecht heißt, und nicht wie ein profit-orientiertes Wirtschaftsunternehmen. Obwohl Artikel 80 Absatz 1 des Wasserressourcenrechts besagt, dass für die Befriedigung der täglichen Grundbedürfnisse die Kleinbauern und -bäuerInnen und andere WassernutzerInnen von Wassergebühren befreit werden, ist diese Bestimmung nur insoweit anwendbar als der tägliche und kleinbäuerliche Bedarf direkt aus Wasserressourcen befriedigt wird. Das heißt, wenn der tägliche und kleinbäuerliche Bedarf über Versorgungsleitungen erfolgt, ist das vorhin erläuterte Prinzip „WassernutzerInnen müssen eine Wassergebühr zahlen“ anwendbar. Jedoch kann dieser Umstand nicht als Grundlage für die Belastung der BürgerInnen mit übermäßigen Kosten herhalten, wenn deren Befriedigung des täglichen Bedarfs von den Versorgungsleitungen von PDAM abhängt. Die Höhe der Wassergebühren muss transparent sein und die Gemeinden bei der Kalkulation einbeziehen. Aufgrund der Tatsache, dass Wasser lebensnotwendig ist und direkt mit Menschenrechten zusammenhängt müssen die Verwaltungsvorschriften zum Wasserressourcengesetz die Verpflichtung der Regionalregierung beinhalten, die Finanzierung des Wasserressourcenmanagements in ihrer Regionalen Einnahmen- und Ausgabenbudget zu berücksichtigen.“ Bestrebungen, das Wasser zurück zu gewinnen Im Juni 2011 wurde die Petition „Öffentliche Wasserversorgung zurückgewinnen“ gestartet, in der die Beendigung der öffentlichprivaten-Partnerschaft zwischen PAM Jaya und den privaten Betreibern PAM Lyonnaise Jaya (PALYJA) und AETRA Air Jakarta (AETRA) gefordert wird. Die Petition haben 592 VertreterInnen von 35 lokalen Organisationen und 502 VertreterInnen von 55 internationalen Organisation unterschrieben. Bei der Gedenkveranstaltung „14-Jahre Privatisierungsvertrag“ gründeten die Einzelpersonen und Gruppen, die die Petition unterstützen, u. a. BürgerInnen, Frauen- und Jugendgruppen, KundInnen und die Gewerkschaft von Jakarta Wasser (SP PAM Jaya), eine neue Koalition mit dem Titel KMMSAJ (BürgerInnenkoalition gegen die Wasserprivatisierung in Jakarta). Sie haben eine Kundgebung veranstaltet und überreichten die Petition an den Bürgermeister. Während der Kundgebung erschienen RegierungsvertreterInnen, die zustimmten, dass die gegenwärtigen Wasserdienstleistungen überprüft werden müssen. Zwei Monate davor hat die Wassergewerkschaft von Jakarta einen Generalstreik und Demonstrationen veranstaltet. Im April 2011 verweigerten die Angestellten bei PALYJA sich die Arbeit, legten Computer in Gebührenzählern still und beklebten Autos mit Protestplakaten. Die ArbeitnehmerInnen marschierten zum Geschäftsbüro von PALYJA in Sentral Senayan und forderten unter anderem die Erhöhung des Lohns, der seit 2003 nicht mehr gestiegen war. 63 Aufwendungen, die nicht mit dem Projekt verbunden sind, aber als Wassergebühren eingeflossen sind: Ausgaben Gesamt (IDR) Schulgebühren für Kinder 1.207.824.829 Haushalt 8.633.000 Ausgaben 366.220.039 Steuern für persönliche Reisen 79,346.787 Persönliche Reisen /Biaya Perjalanan 119.754.486 Hausmiete und Flutversicherung 2.083.706.143 Gesamt (IDR) 3.865.485.284 Quelle: Untersuchungsbericht des Rechnungshofes über die Erträge und Aufwendungen von PT Playja 2007 und 2008 Auf die neueste Protestkampagne reagierte der Direktor von PAM Jaya mit dem offiziellen Eingeständnis, dass der Vertrag problematisch sei und geändert werden müsse. Leider gab es bis Anfang 2012 nur ganz geringe Fortschritte. Das Ganze ist durch die fragwürdige Absetzung des PAM JayaDirektors Maurits Napitupulu im Dezember 2011 ins Stocken geraten. Kommentare in den Medien deuten darauf, dass diese Entfernung eine politische Intervention bei der Neuverhandlung des Prozesses war. Hidayat A.R. Yasin, ein Mitglied des Landtages stellte in der Zeitung Indopos fest, dass die Entfernung von Maurits zeigt, wie schwach die Landesregierung im Vergleich mit den privaten Betreibern ist. Die Januar-Ausgabe der Zeitschrift „Tempo“ beschrieb die Absetzung folgendermaßen: Im Juni 2011 schrieb der Chef von GDF Suez Gerard Mestrallet an den Wirtschaftsminister und bat ihn um Hilfe bei den Schwierigkeiten im Neuverhandlungsprozess mit PAM Jaya. Der französische Energiekonzern GDF Suez ist Hauptanteilseigner von Suez Environment, dem Wasserunternehmen, das die meisten Anteile von PALYJA besitzt. Die Verhandlungen mit PALYJA, wie Tempo schreibt, waren auch Thema beim Treffen 64 zwischen dem Französischen Ministerpräsidenten Francois Fillon und dem Indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono im Juli 2011. Der Bürgermeister von Jakarta geriet unter großen Druck, sich in die Verhandlungen einzumischen. Zum 14. Jubiläum der Wasserprivatisierung in Jakarta wurde vom Amrta Institute, vom KruHA und vom Transnational Institute (TNI) eine Veranstaltung organisiert. Teil nahmen VertreterInnen diverser Interessengruppen, inklusive PAM Jaya, zwei private Betreiber, betroffene Gemeinschaften und andere zivilgesellschaftliche Gruppen, öffentliche Rechnungsprüfer, nationale und internationale Finanzinstitute und andere. Das war das erste Mal, dass diese Interessengruppen sich getroffen haben und jede hatte ein dringendes Anliegen mitzuteilen. PAM Jaya berichtete von den finanziellen Verlusten und Schäden, die sie erleiden, die privaten Betreiber lobten die Verbesserungen und die betroffenen Gemeinschaften klagten über die unzureichende Wasserversorgung, die sie seit der Privatisierung hinzunehmen haben. Das Treffen war spannungsreich. Zu diesen Spannungen kommt hinzu, dass die Zusammenarbeit Gegenstand einer juristischen Untersuchung wurde. Bezirksstaats- anwälte in Jakarta haben im November 2011 und im Januar 2012 zwei Ermittlungsverfahren durchgeführt, um Vorwürfen nachzugehen, dass PALYJA Vermögen von PAM Jaya im Wert von 3 Milliarden Indonesischer Rupien (326.000 US Dollar) übertragen habe (Koran Tempo 13/1). Aufgrund zunehmender Befürchtungen, dass staatliche Vermögenswerte über Korruption veruntreut worden sind, haben zivilgesellschaftliche Organisationen die Kommission zur Korruptionsbekämpfung hinzugezogen. www.remunicipalisation.org/cases#Jakarta Public Petition, Jakarta, April 2011. www.kruha.org/page/en/dinamic_detil/40/183/ Get_Involved/PUBLIC_PETITION__TAKING_BACK_ PUBLIC_WATER_.html Indonesia: Jakarta’s Water Agreement muddied by lack of transparency www.article19.org/resources.php/resource/2957/ en/indonesia:-jakarta%E2%80%99s-water-agreement-muddied-by-lack-of-transparencyS Ein weiteres Treffen, an dem KMMSAJ teilnahm, fand im August 2011 statt. An diesem Treffen wurde angekündigt, dass eine Klage gegen die Regierung und die Konzessionäre erhoben wurde. Der Staat wird beschuldigt, fahrlässig mit seiner Pflicht umgegangen zu sein, den BürgerInnen das in der Verfassung verankerte Recht auf Wasser zu gewähren. Die Öffentlichkeit verlangt eine gerechte und transparente Neuverhandlung. Wenn diese nicht eingeleitet wird, droht sie mit neuen Protesten. Die Botschaft bei den Protesten, Kundgebungen und bei der Petition war deutlich: die Wasserversorgung in Jakarta muss rekommunalisiert werden, damit sie vor dem finanziellen Ruin und vor dem profit-orientierten privaten Sektor gerettet wird. Das ist die globale Entwicklung und sie braucht internationale Solidarität, um die Menschen in der ganzen Welt vor der privatisierten und somit unzugänglichen Wasserversorgung zu schützen. Weitere Informationen: Hall, D., Lobina, E., Corral, V. (2010) Replacing failed private water contracts. Jacobson, P., Down the drain Jakarta‘s disastrous water privatization deal has left the city drowning in debt. In Jakarta, a Fight Over Money and Water www. thejakartaglobe.com/home/in-jakarta-a-fightover-money-and-water/487216 Workers and Jakarta Water Privatization, May 31 2011. www.waterjustice.org/?mi=1&res_id=305 No Pro-Poor Agenda in Jakarta Water Concession, Oct 21 2010. www.waterjustice.org/?mi=1&res_id=285 65 Lektüre für Post-FAME 2012 Uwe Hoering Journalist , Deutschland Neben den zahlreichen Workshops, Veranstaltungen und Demonstrationen mit mehreren tausend Beteiligten war das Alternative Forum auch ein Fixpunkt, um eine Reihe neuer Publikationen vorzustellen. In der Broschüre „From privatisation to corporatisation – Exploring the strategic shift in neoliberal policy on the urban water services“ analysiert Jorgen Eiken Magdahl von FIVAS (The Association for International Water Studies) in Oslo, die Veränderungen in der Strategie der Weltbank, eine Reihe von Kommerzialisierungsprojekten in Afrika südlich der Sahara, darunter in Johannesburg und Kapstadt in Südafrika, in Lusaka in Sambia und in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, sowie deren Auswirkungen auf die internationale Bewegung für Wassergerechtigkeit. (www.fivas.org/fivas/media/Report%20-%2 0From%20privatisation%20to%20corporati sation.pdf). Mit der Schuldenkrise und rigorosen Sparmaßnahmen im sozialen und öffentlichen Bereich als der vorherrschenden Lösungsstrategie hat auch in Europa die Privatisierung im Wassersektor neuen Rückenwind bekommen. Ob in Irland, Portugal oder Griechenland – überall stehen Forderungen nach dem Verkauf öffentlicher Versorgungsunternehmen und höheren Wasserpreisen im Raum. Einen Überblick bietet Our Right to Water. Case Studies on Austerity and Privatization in Europe (www.blueplanetproject.net/documents/ RTW/RTW-Europe-1.pdf). Remunicipalisation. Putting Water Back into Public Hands, veröffentlicht vom Transnational Institute in Amsterdam, stellt verschiedene Fallstudien vor, die zeigen, dass – so der Einleitungstext — „Remunicipalisation Works!“ (www.tni.org/tnibook/remunicipalisation). Darunter sind Paris, Vorreiter in einer breiten 66 Bewegung in französischen Kommunen, auslaufende Verträge mit Veolia oder Suez nicht wieder zu erneuern, die tansanische Küstenstadt Dar es Salaam, wo nach dem Desaster durch das britische Versorgungsunternehmen Biwater eine Rekommunalisierung stattfindet, Buenos Aires und die Bewegung für öffentliches Wasser in Malaysia, sowie ein weiteres Beispiel aus einem Industrieland – Hamilton in Kanada. Die Rückübertragung von Versorgungsunternehmen – nicht nur im Wassersektor – wird attraktiver, da in vielen Städten die Mängel der Privatisierung und der sogenannten Öffentlich-privaten Partnerschaften immer deutlicher werden. Schließlich liefert ein 500 Seiten dicker Schinken, vorgelegt vom Municipal Services Project, gewichtige Gegenargumente gegen den häufig vorgebrachten Vorwurf, Kritiker der Privatisierung würden keine Alternativen präsentieren. Die Beiträge in Alternatives to Privatisation, Public options for essential services in the Global South von Wissenschaftlern, Praktikern und Aktivisten untersuchen verschiedene Modelle kreativer Initiativen im Öffentlichen Sektor in mehr als 40 Ländern mit den Schwerpunkten Wasser, Gesundheit und Energieversorgung und analysieren deren Vor- und Nachteile, untermauert durch empirische Daten (http: //hsrcpress.bookslive.co.za/ blog/2012/03/02/introducing-alternativesto-privatisation-public-options-for-essential-services-in-the-global-south/). Auch der Text Water Commons, Water Citizenship and Water Security zeigt an Beispielen aus Indien, Australien und New York auf, wie Wassermanagement und -politik „revolutioniert“ werden können (http://ourwatercommons.org/sites/default/ files/Water-commons-water-citizenshipand-water-security.pdf). Bereits im Vorfeld der beiden Wasserforen hatte ausserdem Food and Water Watch bereits einen Bericht vorgelegt, wie Öffentlich-öffentliche Partnerschaften in den USA umgesetzt werden und, kontrolliert von der Öffentlichkeit, zu Kostenersparnis für Gemeinden und besserer Versorgung mit Trinkwasser und Abwasserentsorgung beitragen: „Public-Public Partnerships: An Alternative Model to Leverage the Capacity of Municipal Water Utilities.“ (www.foodandwaterwatch.org/ tools-and-resources/public-publicpartnerships-an-alternative-model-toleverage-the-capacity-of-municipal-waterutilities/). Die Umsetzung solcher Alternativen ist allerdings keine einfache Sache, wie David McCoy von der Volksgesundheitsbewegung im Klappentext zu „Alternatives to Privatisation“ schreibt: „Das Öffentliche ist ein Gebiet, auf dem die Menschen kämpfen müssen, wenn sie ihre Überzeugung von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechten umsetzen wollen. Wesentlich für einen Erfolg sind eine breite Beratung und Beteiligung bei der Bereitstellung von Dienstleistungen.23 Multimediabeiträge: • „GiB Berichterstattung FAME“ Kurzvideos vom Alternativen Weltwasserforum in Marseille: www. gemeingut.org/2012/03/17-03-2012gib-berichterstattung-fame-das-alternative-weltwasserforum-in-marseilleist-zu-ende/ • Über 50 Interviews vom FAME-Medien- team: www.youtube.com/user/ FAME2012onYT • Stimmen vom Alternativen Weltwasserforum – Video vom alternativen OnlineNachrichtenmagazin Kontext TV: www.kontext-tv.de • Videos vom freien, selbstorganisierten Medienkanal LaTele.cat aus Spanien: http://latele.cat/aigua/truth-strangerfiction-la-realidad-esta-superando-laficcion-help-translateayuda-en-la-traducc Weitere Informationen: www.globe-spotting.de/nachlese-fame2012.html 67 Endnoten: 1 Der Artikel ist erstmals erschienen im Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, 04. April 2012. 2 Der Artikel ist erstmals erschienen unter www.globe-spotting.de 3 Übersetzt von Uwe Hoering 4 Erschienen am 27.04.2012 auf der Webseite der Initiative „Municipal Services Project.“ (www.municipalservicesproject.org/ blog/walk-talk-marseille-rio-together), übersetzt aus dem Englischen und zusammengefasst von Lissi Dobbler. 5 Übersetzt aus dem Spanischen von Dr. Ulrike Kölver. 6 Auszüge aus der Broschüre „The Global Water Grab: A Primer“. TNI – Transnational Institute, Niederlande, März 2012. Übersetzt aus dem Englischen von Jörg Preisendörfer 7 Übersetzt aus dem Spanischen von Lissi Dobbler 8 Übersetzt aus dem Englischen von Jan Dangendorf und Laura Valentukeviciute. Auszüge aus der Broschüre „Of Water Justice and Democracy: Alternatives to Commercialization and Privatization of Water in Asia“, veröffentlicht von Focus on the Global South im März 2012. 9 Übersetzt aus dem Englischen von Peter Lefrank. 10 Übersetzt aus dem Englischen von Elisabeth Grün, Abschnitt „Beispiele für Public-Public-Partnerships“ von Laura Valentukeviciute. Von der Redaktion leicht gekürzt. 11 Public-Public Partnerships: An alternative model to leverage the capacity of municipal water utilities. Hrsg. Food & Water Europe, Februar 2012, www.foodandwaterwatch.org/factsheet/publicpublicpartnerships/ und http://www. foodandwaterwatch.org/tools-and-resources/public-publicpartnerships/, S. 4. 12 Wir halten es für sprachlich geboten und 68 sachlich für vertretbar, von Öffentlicher Partnerschaft zu sprechen statt von Öffentlich-öffentlicher Partnerschaft; im Wort „Partnerschaft“ ist die Mehrzahl der Beteiligten bereits ausgedrückt (Anm. d. Red.) 13 Übersetzt aus dem Französischen von Lissi Dobbler. Von der Redaktion leicht gekürz.t 14 Übersetzt aus dem Englischen von André Lundt (attac Sprach AG), von der Redaktion leicht gekürzt 15 Es handelt sich dabei um eine spontane EinwohnerInnenversammlung zum Ausdruck des Protests und der Empörung 16 Weitere Regelungen betreffen die Mitglieder und die Verwaltungsorgane der Kooperativen sowie die Union der Kooperativen und die geplante Struktur von KEYAT S.A. Anm. d. Redaktion. 17 Übersetzt aus dem Französischen von Prof. Dr. Brigitte Sändig. 18 Aus der Publikation „Water, like life, is not a commodity“: www.ecologistasenaccion.org/rubrique306.html, Übersetzt aus dem Spanischen von Lissi Dobbler, von der Redaktion leicht gekürzt. 19 Auszüge aus der Pressemeldung der Plattform gegen die Privatisierung von Canal de Isabel II, Spanien. 20 Übersetzt aus dem Spanischen von Lissi Dobbler. 21 Übersetzt aus dem Spanischen von André Lundt, Attac (Sprach-AG) Berlin. 22 Übersetzt von Laura Valentukeviciute. 23 Der Artikel ist erstmalig erschienen unter: Swww.globe-spotting.de/nachlesefame2012.html Impressum Herausgeber: Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V. Weidenweg 37 10249 Berlin www.gemeingut.org Kontakt: [email protected], Tel: 030 37 300 442, Fax: 030 37 30 22 69 Juni 2012 Creative commons Lizenz 3.0: Wiederverwendung bei Namensnennung, für Nicht-kommerzielle Zwecke, unter gleichen Bedingungen Layout: Jürgen und Uschka Thierfelder Druckerei: bod.de Erstauflage 2.000 Exemplare Fotos: Einleitung: Council of Canadiens, AöW, FAME´S Media Team Abschnitt 1.: www.fame2012.org Abschnitt 2.: Conchita Guerra, Alexandros Kastrinakis Abschnitt 3.: BAYAN-CaviteChapter, ACME Marokko, Transnational Institute (TNI), Ratan Bhandari Abschnitt 4: Giorgos Archontopoulos, Movement 136, Emmaüs International, FAME‘S Media Team Abschnitt 5: Association Laawol Diam (La voie de la paix), Bintou Ibrahima Datt, www.fame2012.org Abschnitt 6: Plataforma Contra la Privatización del Canal de Isabel II, KruHA , IBON International, Fisherfolk group Pamalakaya, Water for the People Network-Philippines, FAME´S Media Team Alle anderen Fotos: GiB e.V. LektorInnen: Markus Henn, Dr. Constanze Kube, Dirk Kramm, Prof. Dr. Jürgen Schutte. Mit finanzieller Unterstützung von: Die Arbeit zum Schutz der Gemeingüter und gegen Privatisierung braucht Ihre Unterstützung. Werden Sie Fördermitglied bei Gemeingut in BürgerInnenhand oder spenden Sie an GiB - KTO 1124229100, BLZ 43060967, GLS Bank. GiB ist als gemeinnütziger Verein anerkannt. Sie erhalten für Ihre Spende eine Spendenquittung 69 „...Daß das weiche Wasser in Bewegung Mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt. Du verstehst, das Harte unterliegt.“ Bertolt Brecht 70