754-758.qxd 06.11.2007 09:54 Seite 754 754 • WISSENSCHAFT ORIGINALARBEIT B. A. Jung1, O. Jung2, C.-M. Messow3, H. Wehrbein1 Epidemiologische Erhebung zum Milchmolarenverlust bei Erstklässlern B. A. Jung Ein vorzeitiger Verlust von Milchzähnen im Bereich der Stützzone kann zu komplexen Störungen während der Gebissentwicklung führen. In diesem Zusammenhang sollte untersucht werden, ob aus kieferorthopädischer Sicht Kinder mit vorzeitigem Milchmolarenverlust ausreichend durch das rheinland-pfälzische Prophylaxekonzept im Sinne einer Komplikationsprophylaxe berücksichtigt werden. Im Rahmen einer Reihenuntersuchung wurde eine Grundgesamtheit von 4781 Kindern der ersten Klasse über einen Zeitraum von 4 Jahren im Kreis BernkastelWittlich untersucht. Die Befunderhebung erfolgte während der schulzahnärztlichen Eingangsuntersuchung anhand der kariesbezogenen Untersuchungsbögen der Landesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der zahnmedizinischen Vorsorge in Rheinland-Pfalz. Aussagen zum Milchmolarenverlust wurden auf der Grundlage der im dmf-t-Index enthaltenen m-Komponente (wegen Karies extrahierte Milchmolaren) getroffen. Der frühzeitige Verlust von Milchmolaren trat häufiger bei Kindern auf, die nach den Kriterien des untersuchten Prophylaxekonzepts nicht kieferorthopädisch behandlungsbedürftig waren. Daher ist auch bei diesen Kindern eine regelmäßige kieferorthopädische Überwachung nötig, um einen drohenden Stützzoneneinbruch und damit das Entstehen einer Okklusionsanomalie zu verhindern. Schlüsselwörter: Milchmolarenverlust, Stützzoneneinbruch, dmf-t-Index 1 2 3 Prevalence of premature loss of deciduous molars Early loss of milk teeth in the supporting zone can lead to complex disturbances during tooth development. Orthodontic research is required to determine whether children with early molar tooth loss are being sufficiently considered under the Rhineland-Palatinate prophylaxis concept in respect to complication prophylaxis. In the context of a mass screening, a population of 4781 children in the first grade in Bernkastel-Wittlich was studied over a period of four years. The assessment of findings was performed during the school entrance dental examination to promote preventive dental care in the Rhineland-Palatinate on the basis of the caries-related examination records of the State Working Group for the Promotion of Preventive Dental Care in Rhineland-Palatinate. Statements about molar loss were made on the basis of the m-components contained in the dmf-t index (molars extracted on account of caries). Early molar loss occurred more frequently in children who, according to the criteria of the prophylaxis concept under research, did not require orthodontic treatment. These findings indicate that these children also need regular orthodontic monitoring to prevent a threatening support zone breakdown and thus the occurrence of occlusion anomaly. Keywords: early molar loss, early loss of milk teeth in the supporting zone, dmf-t index Poliklinik für Kieferorthopädie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Arbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege für den Kreis Bernkastel-Wittlich Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift • 62 • 2007 • 11 • © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 754-758.qxd 06.11.2007 09:54 Seite 755 WISSENSCHAFT • 755 B. Jung et al.: Milchmolarenverlust a b Abbildung 1 a Intraorale Oberkieferaufnahme einer 7-jährigen Patientin zeigt einen vorzeitigen Verlust eines ersten Milchmolaren. b Intraorale Oberkieferaufnahme eins 7,5-jährigen Patienten zeigt einen vorzeitigen Verlust eines zweiten Milchmolaren. c Intraorale Unterkieferaufnahme einer 7-jährigen Patientin zeigt einen vorzeitigen Verlust eines zweiten Milchmolaren mit deutlicher Zahnkippung des ersten Milchmolaren. c 1 • Einleitung Ein vorzeitiger Verlust von Milchmolaren im Bereich der Stützzone kann zu Platzmangel für die bleibenden Zähne, transversalen und sagittalen Anomalien während der Gebissentwicklung führen [4, 14]. Ein frühzeitiger Verlust eines Milchzahnes bzw. eines Milchmolaren liegt vor, „wenn ein Zahn der ersten Dentition mehr als ein Jahr vor Durchbruch seines Nachfolgers verloren geht und wenn die Stärke des Alveolarknochens über dem durchbrechenden Zahnkeim noch mehr als einen Millimeter beträgt oder die Wurzellänge des permanenten Zahnes zu weniger als 75 % ausgebildet ist“ [3, 6, 19, 20]. Bei Verlust eines ersten Milchmolaren (Abb. 1 a), besteht die Möglichkeit der Lückeneinengung von mesial oder distal. Der Verlust eines zweiten oberen Milchmolaren kann (Abb. 1 b) zu einer deutlichen Lückenverkleinerung und zu einer Reduzierung des Raumes fast ausschließlich von distal führen. Zudem kann ein vorzeitiger Verlust eines zweiten Milchmolaren (Abb. 1 c) zu Zahnkippungen und Rotationen führen. Bleibt die Verminderung des Platzbedarfs etwa durch fehlende zahnärztliche oder kieferorthopädische Überwachung unerkannt, so resultiert im ungünstigsten Fall aufgrund fehlender Platzkontrolle und mesialen Drifts der Dentition ein vollständiger Verlust der Platzreserve im Bereich der Stützzone [6, 14]. Die Extraktion von unversehrten bleibenden Zähnen ist in solchen Fällen meist unumgänglich und stellt zudem häufig ein Akzeptanzproblem von Patient und Eltern dar. 2 • Ziel Ziel war es daher zu untersuchen, ob ein vorzeitiger Milchmolarenverlust einer geschlechts-, kiefer- oder zahn- spezifischen Präferenz unterliegt und ob aus kieferorthopädischer Sicht kariesbezogene Schulprophylaxekonzepte am Beispiel von Rheinland-Pfalz bei Auftreten eines vorzeitigen Milchmolarenverlustes eine frühzeitige Aufklärung der Eltern über die Notwendigkeit einer klinischen Überwachung ermöglichen. 3 • Material und Methode Im Rahmen der zahnmedizinischen Schuleingangsuntersuchung an insgesamt 32 Grundschulen im Kreis Bernkastel-Wittlich wurden Kinder in den 4 Untersuchungszeiträumen der Schuljahre 31.08.2000 bis 04.03.2004 untersucht. Die Untersuchung umfasste alle Grundschulen des Landkreises mit Ausnahme der Schulen mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“. Die Befunderhebung erfolgte anhand der Untersuchungsbögen der Landesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der zahnmedizinischen Vorsorge in Rheinland-Pfalz. Die Befunde wurden durch Schulzahnärzte, die zuvor durch die Universitätsklinik Mainz im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung in ein einheitliches Diagnostikverfahren hinsichtlich der visuellen Kariesdiagnostik und kieferorthopädischen Befunderhebung eingewiesen wurden, erhoben. Insbesondere die Unterweisung in die kieferorthopädische Befunderhebung erfolgte durch einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie basierend auf den in den Untersuchungsbögen festgeschriebenen Indikationen. Für die Untersuchung und visuelle Kariesdiagnostik standen eine Halogen-Untersuchungslampe, Einmalmundspiegel (Firma Hager und Werken), Holzspatel und zahnärztliche Sonden (Firma Schwert) zur Verfügung. Die Abfragung des Alters erfolgte auf der Basis der Schulanmeldeunterlagen. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift • 62 • 2007 • 11 754-758.qxd 06.11.2007 09:54 Seite 756 756 • WISSENSCHAFT B. Jung et al.: Milchmolarenverlust Abbildung 2 Darstellung der Altersverteilung der untersuchten Erstklässler. Das durchschnittliche Alter der Kinder lag bei 6,4 Jahren. Abbildung 3 Diagramm zur Darstellung der geschlechts- und kieferbezogenen Präferenz des Milchmolarenverlustes. Jungen waren häufiger vom Milchmolarenverlust (insbesondere die ersten Milchmolaren) betroffen. 4. Patienten mit skelettal und frontal offenem Biss 5. Kreuzbissverzahnung im Seitenzahn- und/oder Frontzahnbereich Statistische Auswertung Abbildung 4 Grafische Darstellung der jahresbezogenen Entwicklung des Milchmolarenverlustes. Aussagen zum Milchmolarenverlust wurden auf der Grundlage der im dmf-t-Index enthaltenen m-Komponente getroffen. Erfasst wurden die wegen Karies extrahierten Milchmolaren. Nichtanlagen, Zahnverlust als Traumafolge sowie extrahierte Milcheckzähne gingen nicht in die Bewertung ein. Bei Unklarheiten erfolgte die Befragung des jeweiligen Kindes, um eine Fehlzuweisung bezüglich der m-Komponente auszuschließen. Eine diesbezügliche röntgenologische Untersuchung ist im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung und aus ethischen Gründen grundsätzlich nicht vorgesehen. Ein kieferorthopädischer Behandlungsbedarf mit Initiierung einer kieferorthopädischen Überwachung wurde anhand folgender Indikationen festgestellt: 1. Anomalie des progenen Formkreises (alveolär und skelettal). Diese Anomalie beinhaltet folgende Merkmale: - echte und Pseudoprogenie - progener Zwangsbiss - umgekehrter Schneidezahnüberbiss 2. Deckbiss 3. Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten oder Syndrome Die Erfassung und deskriptive Analyse der ermittelten Daten erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mittels des Softwareprogramms SPSS (Statistical Package for Social Science) für die Windows Version 12.0 (Inc., Chicago, II, USA). Da es sich um eine rein deskriptive Datenerhebung handelt, wurden statistische Tests (Exakter Fisher-Test; Test von McNemar), nur vereinzelt zur weiteren Veranschaulichung der Ergebnisse verwendet. Es wurde daher nicht für multiples Testen korrigiert und die p-Werte sind somit rein deskriptiv zu verstehen. Zu jedem p-Wert wird angegeben, welcher Test verwendet wurde. Die Auswertung erfolgte daher auf der Basis absoluter und relativer Häufigkeiten. 4 • Ergebnisse Alters- und Geschlechtsverteilung Bei insgesamt 4871 Erstklässlern im Alter von 5 bis 8 Jahren lag das Durchschnittsalter bei 6,4 (Abb. 2). Die meisten Kinder waren zum Zeitpunkt der Untersuchung 6 und 7 Jahre alt. Das Verhältnis von Mädchen zu Jungen betrug 1:1,03, also annähernd 1:1. 4759 Kinder, das entspricht einem Anteil von 97,7%, konnten in die Untersuchung einbezogen werden. Häufigkeit des Milchmolarenverlustes Bei 4620 Kindern konnte kein vorzeitiger Milchmolarenverlust festgestellt werden. Bei insgesamt 251 der untersuchten Kinder, das entspricht einem Anteil von 5,2%, lag ein Verlust von mindestens einem Milchmolaren vor. Bei Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift • 62 • 2007 • 11 754-758.qxd 06.11.2007 09:55 Seite 757 B. Jung et al.: Milchmolarenverlust WISSENSCHAFT • 757 Abbildung 5 Diagramm zur Darstellung der jahresbezogenen Entwicklung der Geschlechtspräferenz. Für die Untersuchungszeiträume 1–3 (Schuljahre 2000/2001; 2001/2002; 2002/2003) ergab sich eine Bevorzugung des männlichen Geschlechts. Im 4. Untersuchungszeitraum (Schuljahr 2003/2004) war eine Umkehrung der Präferenz erkennbar. Abbildung 6 Diagramm zur jahresbezogenen Betrachtung zum Milchmolarenverlust. In der Einzelbetrachtung der Schuljahre waren die ersten Milchmolaren häufiger vom Verlust betroffen. 59% dieser Kinder war ein Quadrant, bei 41% der Kinder mehr als ein Quadrant betroffen. 5 • Diskussion Geschlechts- und kieferbezogene Betrachtung Dabei ließ sich ein Milchmolarenverlust bei Mädchen und Jungen im Verhältnis 1:1,47 (Abb. 3) darstellen. Die Auswertung ergab eine Bevorzugung des männlichen Geschlechts (p=0,005; Exakter Fisher-Test). Milchmolaren des Unterkiefers waren im Vergleich zum Oberkiefer im Verhältnis 1:1,27 häufiger betroffen (p<0,0005 Test von McNemar; Abb. 3). Insgesamt ließ sich ein bevorzugter Verlust der ersten Milchmolaren (p< 0,0005; Test von McNemar; Abb. 3) feststellen. Bezogen auf die einzelnen Schuljahre (Abb. 4) ergab sich für den Milchmolarenverlust folgende Verteilung: Im ersten Untersuchungszeitraum lag der Verlust von mindestens einem Milchmolaren bei 6,2% der untersuchten Kinder, im zweiten bei 5,2 %, im 3. bei 4,6% und im vierten Untersuchungszeitraum bei 4,5%. Eine Bevorzugung des männlichen Geschlechts hinsichtlich des Milchmolarenverlustes ließ sich für die Untersuchungszeiträume 1 bis 3 feststellen. Für den 4. Untersuchungszeitraum, also dem Schuljahr 2003/2004, ergab sich eine Umkehrung der Präferenz (Abb. 5). Sowohl in der Gesamt- als auch in der Einzelbetrachtung (Abb. 6) der Schuljahre waren die ersten Milchmolaren häufiger als die zweiten vom Verlust betroffen (p<0,03; p=0,291; p=0,014; p=0,001; Test von McNemar). Milchmolarenverlust und kieferorthopädischer Behandlungsbedarf Bei 17,9% (n=45) der Kinder mit Milchmolarenverlust bestand ein kieferorthopädischer Behandlungsbedarf. Bei 82,1% (n=206) lag primär kein kieferorthopädischer Behandlungsbedarf vor. Daher erfolgte in Rheinland-Pfalz keine durch den Schulzahnarzt initiierte kieferorthopädische Überwachung. Die Problematik des frühzeitigen Milchmolarenverlustes mit der Konsequenz eines drohenden Raumverlustes im Sinne eines Stützzoneneinbruchs, wurde bisher im rheinland-pfälzischen Prophylaxekonzept zu wenig berücksichtigt. Dabei stellt diese Problematik für Rheinland-Pfalz kein länderspezifisches Problem dar. Auch andere Bundesländer (z.B. Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Niedersachsen, Bayern) sehen nach eigenen Angaben eine präventionsorientierte Berücksichtigung eines drohenden Raumverlustes im Rahmen der kieferorthopädischen Indikationsstellung nicht oder nur unzureichend vor. Metrische Messungen werden in der Regel nicht durchgeführt. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen, dass im Rahmen von Schuleingangsuntersuchungen bereits klinisch manifestierte kieferorthopädische Anomalien zwar berücksichtigt werden, aber der vorzeitige Milchmolarenverlust im Sinne einer langfristigen Komplikationsprophylaxe und klinischen Überwachung dagegen zu wenig. So wurden beispielsweise Kinder mit Milchmolarenverlust, die zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Karies aufwiesen oder bereits saniert waren, nicht zum Kieferorthopäden überwiesen, wenn keine weiteren kieferorthopädischen Befunde vorlagen. Die Eltern wurden in solchen Fällen nicht über die Notwendigkeit einer klinischen Überwachung zur Prävention von Platzmangel, transversalen und sagittalen Anomalien während der Gebissentwicklung und damit der möglichen Entstehung von Okklusionsanomalien aufgeklärt. Dabei sind die Folgen der Raumeinengung im Oberkiefer schwerwiegender als im Unterkiefer. Ein frühzeitiger Verlust von Milchzähnen kann aufgrund der physiologische Mesialwanderungstendenz [1] der Sechsjahrmolaren, die im Oberkiefer stärker ausgeprägt [8] ist als im Unterkiefer, zu einem sagittalen Platzverlust von distal führen. Der Verlust des zweiten oberen Milchmolaren führt daher zu einer deutlichen Lückenverkleinerung und zu einer Reduzierung des Raumes fast ausschließlich von distal. Zahnwanderungen, Kippungen und mesiale Rotationen können zur Entwicklung eines Kreuzbisses, einer Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift • 62 • 2007 • 11 754-758.qxd 06.11.2007 09:55 Seite 758 758 • WISSENSCHAFT B. Jung et al.: Milchmolarenverlust Zahl (n) der unter- Stützzoneneinsuchten Kinder bruch (%) Autor Jahr Legović [10] 1989 n= 495 70 Hinz et al. [7] 1989 n= 2479 6 Viskovic et al. [19] 1990 n=301 13,3 Müßig et al. [12] 1993 n=270 25 Krämer et al. [9] 1996 n=344 2,1 Schopf [15] 2003 n=2326 19,6 Tabelle 1 Literaturübersicht zum Stützzoneneinbruch bei Kindern. Klasse-II-Okklusion und darüber hinaus zu einer paraxialen Eruption der Eckzähne führen [13, 16]. Ein direkter Vergleich unserer Ergebnisse mit anderen Autoren ist bis auf die Studie von Legović [10] nur bedingt möglich, da lediglich Angaben zum bereits vorhandenen Stützzoneneinbruch [7, 9, 11, 12, 15, 18] verfügbar sind. Die Angaben zum Stützzoneneinbruch schwanken dabei zwischen 2 und 70 % [7, 9, 10, 11, 12, 15, 18]. Tabelle 1 zeigt diesbezüglich eine Literaturübersicht. Der Bezug zu älteren Studien [2, 5, 17] erschien uns aus Gründen der veränderten Kariesprävalenz, ökonomischen Strukturen und unterschiedliche soziogeographische Gegebenheiten nicht sinnvoll. Legović [10] untersuchte den Gesundheitszustand und den Platzverlust der Zähne in der Stützzone bei 495 Kindern (270 Jungen und 225 Mädchen) in Istrien im Alter zwischen 6,5 und 7,5 Jahren innerhalb eines Jahres. Von den untersuchten Kindern wurde schließlich eine Gruppe von 100 auswählt, die auf den Befund von kariös zerstörten Approximalflächen von Milchmolaren in einem oder mehreren Quadranten überprüft wurden. Im Ergebnis fand sich u.a. eine deutliche Bevorzugung des Milchmolarenverlustes im Unterkiefer sowie ein verstärkter Verlust des zweiten Milchmolaren. Aus den Ergebnissen unserer Untersuchung geht jedoch hervor, dass man zwar in der Gesamtbetrachtung von einer kieferbezogenen Bevorzugung hinsichtlich eines vorzeitigen Milchmolarenverlustes sprechen kann, aber dies ist in der Einzelbetrachtung der Schuljahre nur ansatzweise erkennbar. Unter Berücksichtigung der Eruptionszeiten für den ersten (14.–18. Monat) und zweiten Milchmolaren (24.–30. Monat) spricht das frühere Durchbrechen der ersten Milchmolaren eher für einen höheren Zerstörungsgrad und damit für eine deutliche Bevorzugung hinsichtlich eines vorzeitigen Verlustes. 6 • Schlussfolgerungen Aus den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung an insgesamt 4871 untersuchten Erstklässlern im Zeitraum von 4 Jahren können folgende Konklusionen gezogen werden: 1. Der frühzeitige Verlust von Milchmolaren trat häufiger bei Kindern auf, die nach den Kriterien des untersuch- ten Prophylaxekonzepts nicht kieferorthopädisch behandlungsbedürftig waren. 2. Ein vorzeitiger Verlust von Milchmolaren sollte daher im Rahmen einer schulzahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung unabhängig vom Sanierungsgrad einer regelmäßigen klinischen und kieferorthopädischen Überwachung unterliegen. Literatur 1. Baume LJ: Physiological tooth migration and its significance for the development of occlusion. J Dent Res 29, 338-348 (1950) 2. 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