Kapitalzuflüsse in Schwellenländer – Portfolio

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Aktueller Kommentar
Kapitalzuflüsse in Schwellenländer – Portfolio-Investitionen am Aktienmarkt
steigend, Bankkredite rückläufig
21. Februar 2011
Die Kapitalströme in die EM-30-Länder dürften in den kommenden zwei Jahren trotz der jüngsten Unruhen
im Nahen Osten auf ihren Rekordständen verharren. Seit 2009 hat sich der eher schwankende Bestand an
Forderungen von Investoren mit ausländischen Wohnsitz in einer Reihe von Schwellenländern spürbar
erhöht. Zwar könnte dies bedeuten, dass ein potentieller Kapitalbilanzschock kräftiger ausfallen könnte;
dank der beherrschbaren währungsbedingten Ungleichgewichte dürften sich eventuelle plötzliche
Kapitalrückflüsse allerdings weitgehend selbst korrigieren.
Die Kapitalströme in die EM-30-Länder dürften in den kommenden
zwei Jahren auf ihren Rekordständen verharren (vgl. Graphik). Die
Kapitalzuflüsse umfassen ausländische Direktinvestitionen,
Portfolio-Investitionen (in Aktien und Anleihen) sowie „sonstige“
Anlagen (in den Bereichen Kredite und Währungen). Im Gegensatz
dazu bestehen Kapitalzuflüsse in spezielle Schwellenländer-Fonds,
die häufig als Benchmark zur Bestimmung des Anlegerinteresses
herangezogen werden, nach der obigen Definition lediglich aus
Portfolio-Investitionen. Bei den Fonds-Zuflüssen kam es jüngst
aufgrund der Ereignisse in Ägypten zu einem Rückgang. Dennoch
dürften die Aussichten für Kapitalzuflüsse in die EM-30-Länder
insgesamt stabil bleiben und sich in den Jahren 2009-12 auf
durchschnittlich USD 900 Mrd. bzw. 4,4% des aggregierten BIP der
EM-30 belaufen. Dem stehen USD 800 Mrd., bzw. knapp 7% des
BIP, an jährlichen Zuflüssen während der Vorkrisenjahre 2004-07
gegenüber.
Im Verhältnis zu den gesamten Kapitalzuflüssen dürften die
ausländischen Direktinvestitionen (ADI) und „sonstigen" Zuflüsse
erstaunlich stabil bleiben. Die Kapitalzuflüsse an den Aktienmarkt
dürften sich von 10% auf 20% erhöhen, während die Kreditvergabe
der Banken zurückgehen dürfte (vgl. Graphik). Angesichts der Kapitalzwänge, denen insbesondere einige Banken
aus Industrieländern unterliegen, ist dies kaum überraschend. Es ist tatsächlich erstaunlich, dass sich die
Bankkredite an Schwellenländer nach Nettozuflüssen in Höhe von USD 30 Mrd. im Jahr 2008 und einem kleinen
Nettoabfluss von USD 14 Mrd. nun auf signifikante USD 125 Mrd. pro Jahr belaufen dürften. Vergleicht man die
Zeiträume 2004-07 und 2009-12 ist der beachtenswerteste Aspekt der, dass ein deutlicher Anstieg der PortfolioZuflüsse an den Aktienmarkt den Rückgang bankbezogener Zuflüsse nahezu vollständig ausgleicht.
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Es fällt nicht schwer zu erkennen, wodurch die Kapitalströme
gestützt werden. Erstens sind die Zinssätze in den
Schwellenländern in Vergleich zu denen in G3-Ländern derzeit
sehr attraktiv für Investoren aus Industrieländern. Die lokalen
Zinssätze der aufstrebenden Volkswirtschaften waren im
Nachgang der Krise 2008 auf breiter Basis rückläufig, im
Vergleich zu den G3-Ländern sind sie jedoch noch immer
deutlich höher. Zudem sehen die kurzfristigen Prognosen
aufgrund des zunehmenden Inflationsdrucks steigende Zinsen in
den Schwellenländern vor. So entstehen Zuflüsse in sowohl in
ausländischer als auch in nationaler Währung denominierte
Schuldtitel der Schwellenländer.
Zweitens waren viele Währungen der Schwellenländer infolge der
Krise und der „Flucht in sichere Häfen“ fundamental
unterbewertet. Viele der aufstrebenden Volkswirtschaften haben
indessen versucht, die Aufwertung ihrer Währungen zu bremsen
oder gar zu begrenzen, um vor dem Hintergrund niedriger
Kapazitätsauslastung ihr Wachstum über Exporte zu sichern. So
ist es nicht überraschend, dass diejenigen Schwellenländer mit
flexiblen Wechselkursen, hohen Zinsen und offenen Kapitalbilanzen (z.B. Brasilien, Türkei) die stärkste
Aufwertung verzeichneten. Einige dieser Währungen sind nun stark bewertet, insbesondere in Ländern, in denen
die Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite zunehmend von Kapitalzuflüssen (ohne ADI) abhängig ist. Im
Allgemeinen jedoch sind die Währungen der Schwellenländer unseres Erachtens (noch) nicht überbewertet.
Drittens haben die dank einer soliden externen Position verbesserte Kreditwürdigkeit der Schwellenländer sowie
das tragfähige Niveau der Staatsverschuldung dazu geführt, dass die Risikokomponente der Risiko-RenditeGleichung heute geringer ist als in der Vergangenheit. Dies trifft insbesondere im Vergleich mit den
Industrieländern zu, die in mehreren Fällen mehrfache Herabstufungen ihres Kredit-Ratings hinnehmen mussten.
Die Kredit-Ratings der Schwelländer haben sich hingegen seit der Krise 2008 weiter verbessert. Auch kann man
argumentieren, dass die Rating-Agenturen „behind the curve“ sind, d.h. der Entwicklung der Kreditwürdigkeit in
Bezug auf die Schwellenländer wie auch die Industrienationen nachlaufen. Dieses Signal geht auch von den
CDS-Spreads aus.
Viertens haben die Investoren ihre kurz- und mittelfristigen Wachstumsprognosen für die Schwellenländer nach
oben angepasst, wohingegen sich die Einschätzung der mittelfristigen Wachstumsperspektiven der
Industrieländer eingetrübt hat; dies ist auf die Besorgnis über die Tragfähigkeit der Verschuldung, Probleme im
Bankensektor sowie negative demographische Veränderungen, insbesondere in Europa und Japan,
zurückzuführen. Aus Sicht der Investoren aus Industrieländern scheint es sinnvoll, in Schwellenländern zu
investieren, da diese zunehmend und auf absehbare Zeit das Wachstum der Weltwirtschaft treiben werden.
Fünftens finanzieren die Kapitalströme – im Gegensatz zu der Situation in den 1990er Jahren – in den meisten
Fällen keine „exzessiven" Leistungsbilanzdefizite. Die meisten Schwellenländer verzeichnen
Leistungsbilanzüberschüsse, aber auch in den Ländern mit Defiziten sind diese klein und werden - bis auf wenige
Ausnahmen - über ADI finanziert. Dies bedeutet, dass – im Gegensatz zu früheren Perioden – die Kapitalzuflüsse
nicht zeitlich mit verschlechterten Fundamentaldaten und einer steigenden Nettoauslandsverschuldung der
Schwellenländer zusammenfallen. Dies sollte dazu beitragen, das Risiko zumindest eines Kapitalbilanzschocks
aufgrund kreditgetriebener contagion („Ansteckung“) zu vermeiden.
Wir erwarten anhaltend solide Kapitalzuflüsse in die Schwellenländer – ungeachtet kurzfristiger Instabilität im
Nahen Osten. Eine plötzliche und unerwartete Neubewertung der Inflations- und Zinsperspektiven für die USA
und die EU stellt auf kurze Sicht vielleicht das signifikanteste Risiko für die Entwicklung der Kapitalzuflüsse in die
Schwellenländer dar. Was wäre, wenn die Kapitalflüsse zum Erliegen kämen oder sich gar umkehrten?
Schließlich sind die Forderungen der Investoren mit ausländischem Wohnsitz deutlich angestiegen, und dies
insbesondere in Ländern mit offenen Kapitalbilanzen (wie Brasilien oder die Türkei). In einem Szenario, in dem
die ausländischen Investoren sozusagen alle gleichzeitig durch einen schmalen Türrahmen nach draußen
drängen, würden Wechselkurse und Vermögenspreise drastisch sinken, wie es – zwar in geringerem Maße aber
in ähnlicher Weise – im Spätjahr 2008 der Fall war.
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In den 1990er Jahren wurden aufstrebende Volkswirtschaften durch massive Kapitalbilanzschocks in die oder
zumindest an den Rand der Zahlungsunfähigkeit getrieben (z.B. Mexiko 1995, Asien 1997, Russland 1998,
Brasilien 1998/99 und 2002). Die heutigen flexibleren Wechselkurse, insgesamt verbesserten
außenwirtschaftlichen Positionen, die Tendenz ausländischer Investoren Anleihen in lokaler anstatt ausländischer
Währungsdenomination zu akkumulieren, sowie die gestiegene Bedeutung der grenzübergreifenden Intra- anstatt
der Inter-Banken-Kreditvergabe haben allgemein zu beherrschbaren foreign currency mismatches
(währungsbedingte Ungleichgewichte) geführt. Auf diese Weise wird sichergestellt sein, dass jeglicher Schock
sich weitgehend selbst korrigieren bzw. keine systematisch destabilisierende Wirkung entfalten wird. Auch
werden dadurch keine Schwellenländer in die Zahlungsunfähigkeit getrieben, wie dies in der Vergangenheit der
Fall gewesen wäre.
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