Insolvenzrecht Insolvenzrecht III – Das Insolvenzverfahren Sommersemester 2013 Dozent: RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Download des Vorlesungsskripts http://www.wzr-legal.com/... http://www.wzr-inso.com/... team/dr-hans-peter-rechel/lehrauftraege © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 2 Fragen und Anregungen [email protected] © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 3 Literaturempfehlungen Lehrbücher: - Insolvenzrecht von Stefan Smid, 6. Aufl., 2012 - Insolvenzrecht von Gerhard Pape und Wilhelm Uhlenbruck, 2. Aufl., 2010, € 78,- Insolvenzrecht von Martin Gogger, 2. Auflage, 2006, € 19,80 - Insolvenzrecht von Martin Zimmermann, 9. Aufl., 2012, € 17,95 - Insolvenzrecht von Christoph Becker, 3. Aufl., 2010, € 25,80 - Insolvenzrecht von Ulrich Foerste, 5. Aufl., 2010, € 21,90 - Insolvenzrecht von Ludwig Häsemeyer, 4. Aufl., € 148,- Insolvenzrecht – Eine Einführung von Wolfgang Breuer, 3. Aufl., 2011, € 38,- Einführung in das Insolvenzrecht von Reinhard Bork, 6. Aufl., 2012, € 29,00 © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 4 Literaturempfehlungen Kommentare: - Insolvenzordnung – Kommentar von Leonhardt/Smid/Zeuner, 3. Aufl., 2009 - Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht – Kommentar von Leonhardt/Smid/Zeuner (Hrsg.), 12. Auflage, 2012 - Insolvenzordnung – Kommentar von Wilhelm Uhlenbruck, 13. Aufl., München 2010 - Jaeger Insolvenzordnung – Großkommentar von Wolfram Henckel und Walter Gerhardt (Hrsg.), Erster Band: 2004, Zweiter Band: 2007, vierter Band: 2008 - Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Gesamtwerk in 3 Bänden, 2. Aufl., 2007 - 2008 - Insolvenzordnung – Kommentar von Gerhart Kreft (Hrsg.) 6. Aufl., 2011 - Insolvenzordnung – Kommentar von Dirk Andres, Rolf Leithaus, 2. Aufl., 2011 - Insolvenzordnung – Kommentar von Marie Luise Graf-Schlicker, 3. Aufl., 2012 - Insolvenzordnung – Kommentar von Eberhard Braun, 5. Aufl., 2012 © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 5 Literaturempfehlungen Handbücher: - Anwaltshandbuch Insolvenzrecht von Hans P. Runkel, 2. Aufl., 2008 - Praxishandbuch Insolvenzrecht von Stefan Smid , 5. Aufl., Berlin 2007 - Der Insolvenzplan – Handbuch für das Sanierungsverfahren gem. §§ 217 – 269 InsO mit praktischen Beispielen und Musterverfügungen von Stefan Smid und Rolf Rattunde, 2. Aufl., Stuttgart 2005 - Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz – Handbuch von Katharina Buth, 2. Aufl., München 2004 - Die Anfechtung in der Insolvenz – Ein Handbuch unter Einbezug des AnfG von 1999 von Mark Zeuner, 2. Aufl. München 2007 - Handbuch zur Insolvenzordnung von Hans Haarmeyer u.a., 3. Aufl., München 2001 - Insolvenzgläubiger Handbuch von Martin Gogger, 2. Aufl., München 2004 - Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Insolvenzrecht – Unternehmensinsolvenz und Insolvenzanfechtung von Godehard Kayser, 2. Aufl. Köln, München 2007 © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 6 Inhalte der Vorlesung A. B. C. D. E. F. G. H. I. J. K. L. Die Insolvenz als Alltagsphänomen Einführung in das Insolvenzrecht Das Insolvenzeröffnungsverfahren Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger Die Beendigung des Insolvenzverfahrens Der Insolvenzplan Das Verbraucherinsolvenzverfahren Die Restschuldbefreiung Eigenverwaltung Nachlassinsolvenzverfahren © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 7 Die Insolvenz als Alltagsphänomen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 8 © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 9 A. Die Insolvenz als Alltagsphänomen Schuld oder Schulden? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 10 A. Die Insolvenz als Alltagsphänomen Schumpeter – Prozess der schöpferischen Zerstörung „Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf. Durch die Zerstörung von alten Strukturen werden die Produktionsfaktoren immer wieder neu geordnet. Die Zerstörung ist also notwendig (und nicht etwa ein Systemfehler), damit Neuordnung stattfinden kann.“ „Auslöser für die schöpferische Zerstörung sind Innovationen, die von den Unternehmern vorangetrieben werden mit dem Ziel, sich auf dem Markt durchzusetzen.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 11 A. Die Insolvenz als Alltagsphänomen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 12 A. Die Insolvenz als Alltagsphänomen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 13 A. Die Insolvenz als Alltagsphänomen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 14 Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 15 B. I. II. III. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts Vorbemerkungen Zweck des Insolvenzverfahrens Die Insolvenzmasse 1. 2. 3. IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. 2. 3. 4. 5. V. Begriff Die Freigabe Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit Die Massegläubiger Die Insolvenzgläubiger Die aussonderungsberechtigten Gläubiger Die absonderungsberechtigten Gläubiger Der Insolvenzverwalter Die Organe der Insolvenzgläubiger 1. 2. © 2013 WZR Group Der Gläubigerausschuss Die Gläubigerversammlung RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 16 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen INSOLVENZ insolvens (lat.) = nicht-lösend = Schuldscheine nicht einlösen könnend = Zahlungsunfähigkeit Eröffnungs- und nicht Insolvenzgründe © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 17 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen Arbeitsrecht Handels- und Gesellschaftsrecht Insolvenzrecht Bürgerliches Recht Sozialrecht KreditsicherungsR Verwaltungsrecht © 2013 WZR Group Gewerbl.Rechtsschutz RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Strafrecht Seite 18 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen Insolvenzordnung seit 1.1.1999 KO (1877) VerglO (1935) (alte Bundesländer) © 2013 WZR Group GesO( reformiert 1991) (neue Bundesländer) RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 19 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen Kritik am alten Konkursrecht: Verhinderung der Sanierung von Unternehmen „weiche“ Eröffnungsgründe verspätete Antragstellung, d.h. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind bereits eingetreten geringere Quoten Funktionslosigkeit, wegen Abweisung mangels Masse („Konkurs des Konkurses“); Insolvenzverfahren = (auch) Ordnungsfunktion Verschleppungsdelikte von Geschäftsführern werden nicht verfolgt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 20 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen Reformüberlegungen des InsO-Gesetzgebers InsO zur marktkonformen Insolvenzbewältigung Sanierung kein eigenständiges Reformziel Deregulierung Insolvenzplanverfahren als Möglichkeit zur privatautonomen Verfahrensgestaltung optimale Haftungsverwirklichung kein Sonderopfer der Gläubiger zugunsten einer Unternehmenssanierung Gläubigergleichbehandlung keine Gläubigervorrechte © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 21 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen Arten des Insolvenzverfahrens Regelinsolvenzverfahren, §§ 1 ff. InsO Verbraucherinsolvenzverfahren, §§ 304 ff. InsO Nachlassinsolvenzverfahren, §§ 315 ff. InsO Verfahren betr. Gütergemeinschaft, §§ 332 ff. InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 22 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen Verlauf des Insolvenzverfahrens natürliche Person Antragsverfahren Insolvenzverfahren Wohlverhaltensperiode Juristische Personen, u.a. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 23 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen Verlauf des Insolvenzverfahrens Antrag auf Eröffnung, § 13 InsO Antrag zulässig (+) Antrag begründet (+) Eröffnung des Verfahrens od. Verfahrenseinstellung Eröffnungsbeschluss Berichtstermin/Prüfungstermin Verwertung der Insolvenzmasse Verteilung des Erlöses Schlusstermin © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 24 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts I. Vorbemerkungen Verlauf des vereinfachten Insolvenzverfahrens Antrag auf Eröffnung, § 13 InsO Antrag zulässig (+) (+) Außergerichtliche Schuldenbereinigung (-) Vergleich Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren (+) Sanierungsplan (-) Verfahrensende Vereinfachtes Insolvenzverfahren Restschuldbefreiungsverfahren © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 25 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts II. Zweck des Insolvenzverfahrens § 1 InsO „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.“ Programmnorm Zusammenfassung der Verfahrenszwecke Handlungsanweisung für das Insolvenzgericht Prüfung der Zulässigkeit eines Insolvenzantrages ist Verfahren geeignet, eine gemeinschaftliche Befriedigung zur ermöglichen? für den Insolvenzverwalter: Gleichwertigkeit von Liquidation, übertragender Sanierung, Sanierung Entscheidungsmaßstab ist die optimale Haftungsverwirklichung Unwirksamkeit „insolvenzzweckwidrigen“ Verwalterhandelns © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 26 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts II. Zweck des Insolvenzverfahrens Funktionen des Insolvenzrechts Bestmögliche Gläubigerbefriedigung – „par conditio creditorum“ Befriedigung aller Gläubiger („Gesamtvollstreckung“, Universalexekution) Liquidation des Schuldnervermögens Übertragende Sanierung des Schuldnerunternehmens Sanierung durch Insolvenzplan allseitige Wirkung zweiseitige Haftungsordnung des Einzelzwangsvollstreckungsrechts wird durch die allseitige Haftungsordnung des Insolvenzrechts ersetzt Restschuldbefreiung (Entschuldungsfunktion) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 27 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts II. Zweck des Insolvenzverfahrens Insolvenzzweckwidrigkeit „Schornsteinhypothek“ – BGH, Beschl. v. 20.3.2008 - IX ZR 68/06 - NJW-RR 2008, 1074: Verspricht der IVw dem durch eine offensichtlich wertlose Grundschuld gesicherten Gläubiger zusätzlich zu den Löschungskosten eine Geldleistung als Gegenleistung für die Erteilung der Löschungsbewilligung (Lästigkeitsprämie), ist diese Vereinbarung wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig Ivw hat bei Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum Grenze zur Unwirksamkeit nach den zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze objektive Evidenz: Verfügungen des IVw sind unwirksam, die dem Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) offenbar zuwiderlaufen (st. Rspr. des BGH) subjektiven Voraussetzungen: wenn sich dem Geschäftspartner auf Grund der Umstände des Einzelfalls ohne Weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten, ihm somit der Sache nach zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 28 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts II. Zweck des Insolvenzverfahrens Insolvenzzweckwidrigkeit IV als Spekulant – OLG Celle, Urt. v. 14.6.2006 – 3 U 20/06 - ZIP 2006, 1364: Die Verwendung von Massevermögen für Wertpapiergeschäfte gleich welcher Art ist als insolvenzzweckwidrig anzusehen und führt zur Unwirksamkeit des Verhaltens des IVw, wenn sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten. Zweck des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Befriedigung aller Insolvenzgläubiger (..). Vordringliche Aufgabe des IVw ist dabei die Sicherung und Erhaltung des vorhandenen Vermögens, weil die möglichst hohe Befriedigung aus der Masse im vorrangigen Interesse der beteiligten Gläubiger steht. Der Ankauf von Wertpapieren birgt immer das Risiko eines Verlustes der in den Ankauf investierten Mittel in sich © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 29 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff § 35 I InsO: „ Das Insolvenzverfahren erfasst das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).“ § 36 InsO: „(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. (..) (2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch 1. die Geschäftsbücher (…) 2. die Sachen, die nach § 811 Abs.1 Nr.4 und 9 der Zivilprozessordnung nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 30 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff gesamtes Vermögen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Neuerwerb = „Sollmasse“ ≠ „Istmasse“ Nicht: Unpfändbare Gegenstände (§ 36 I InsO, §§ 850 ff. ZPO) Ausn.: Geschäftsbücher, Landwirtschaft, Apotheke Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören (§ 36 II InsO) Vom IVw freigegebene Gegenstände, selbständige Tätigkeit Eingeschränkt: Unterhaltsansprüche (§ 850b I Nr.2 ZPO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 31 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff ≠ Teilungsmasse vergütungsrechtlicher Sonderbegriff (§ 1 InsVV) Grundlage für die Berechnung der Verwaltervergütung ≠ Ist-Masse diejenige Vermögensmasse, die der Ivw beim Schuldner tatsächlich vorfindet und nach § 148 InsO in Besitz nimmt d.h. umfasst auch Gegenstände, die nicht im Schuldnereigentum oder die unpfändbar (§ 36 InsO) sind Aufgabe des IVw, die Ist-Masse zur Soll-Masse zu bereinigen ≠ Schuldenmasse = Gesamtheit der Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 32 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff Welches Gericht ist für Streitigkeiten über die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zur Insolvenzmasse zuständig? (BGH, Urt. v. 10.1.2008 – IX ZR 94/06 - ZIP 2008, 416) Prozessgericht und nicht Insolvenzgericht § 36 IV InsO greift bereits nach dem Wortlaut nicht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 33 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff Ist sicherungsübereigneter Gegenstand Bestandteil der Insolvenzmasse? Sicherungsgegenstand - (fiduziarisches) Eigentum des Sicherungsnehmers wird wirtschaftlich dem Schuldner zugerechnet Verwertungsrecht des SichN außerhalb des Insolvenzverfahrens Rechtsstellung des SichN in der Insolvenz des SichG? - - Absonderungsrecht gem. § 51 Nr. 1 InsO (Anspruch auf den in der Sache verkörperten Wert aber nicht auf die Sache selbst) Verwertung nach § 166 I InsO durch IVw, wenn er die Sache in Besitz hat, ansonsten ist der Gläubiger zur Verwertung berechtigt gem. 173 InsO - Gläubiger hat ein Recht auf vorrangige Befriedigung aus Verwertungserlös §§ 170f. InsO Sicherungsgegenstand = Insolvenzmasse, aber Absonderungsrecht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 34 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff RA-Versorgungswerk und Rentenanwartschaften § 54 SGB I erlaubt nur die Pfändung des Leistungsanspruchs. unpfändbar ist das Stammrecht, z.B. das Gestaltungsrecht, die Mitgliedschaft in der öffentlichrechtlichen Pflichtversicherung zu beenden und die Beitragserstattung zu erreichen. verschleiertes Arbeitseinkommen nicht vom Insolvenzbeschlag (Neuerwerb, § 35 I InsO) erfasst, da § 850h ZPO kein eigenes Recht des Schuldners gegen den Arbeitgeber begründet IVw kann verschleiertes Arbeitseinkommen entspr. § 850h II 1 ZPO zur Masse ziehen Eröffnungsbeschluss wirkt wie PfÜB im Einzelvollstreckungsverfahren. Verweis in § 36 I 2 InsO auf § 850h ZPO (BAG, Urt. v. 12.3.2008 - 10 AZR 148/07 - NZA 2008, 779) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 35 § 54 SGB I Pfändung „(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden. (2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht. (3) Unpfändbar sind Ansprüche auf (…). (4) Im übrigen können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. (5) (….).“ X © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 36 § 850h II 1 ZPO - Verschleiertes Arbeitseinkommen (2) Leistet der Schuldner einem Dritten in einem ständigen Verhältnis Arbeiten oder Dienste, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, unentgeltlich oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung, so gilt im Verhältnis des Gläubigers zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen eine angemessene Vergütung als geschuldet. Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, sowie bei der Bemessung der Vergütung ist auf alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Art der Arbeits- und Dienstleistung, die verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen zwischen dem Dienstberechtigten und dem Dienstverpflichteten und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dienstberechtigten Rücksicht zu nehmen. X © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 37 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff Fall: Beklagte(R) ist in einem vereinfachten Insolvenzverfahren als Treuhänderin bestellt worden. R unterrichtete die klagende Landesbank über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Aufforderung, die Konten des Schuldners aufzulösen und etwaige Guthaben auf das angeführte Anderkonto zu übertragen. Hierauf kam es zur Überweisung von 3.700 € auf das Anderkonto, der aber ein Versehen der Klägerin zugrunde lag, die den Schuldner mit einem anderen Kunden gleichen Namens verwechselt hatte. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung ab und verwies die Klägerin auf die Insolvenzmasse und zeigt Masseunzulänglichkeit an. Zahlungsanspruch gegen Insolvenzmasse oder R? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 38 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff BGH, Urt. v. 18.12.2008 - IX ZR 192/07 - NZI 2009, 245 (s.a. BGH, Urt. v. 20.9.2007 - IX ZR 91/06 - NJW-RR 2008, 295) Anderkonten sind offene Vollrechtstreuhandkonten, aus denen ausschließlich der das Konto eröffnende RA persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist Zahlungen, die auf ein von einem RA als IVw/TreuH eingerichtetes Anderkonto eingehen fallen weder in das Schuldnervermögen noch in die Insolvenzmasse Exkurs: IVw ist nur Ermächtigungstreuhänder (LSZ-Smid, § 149 InsO, Rn.4) IVw kann nur offene Treuhandkonten für das InsVerf als Sonderkonten anlegen diese sind dagegen Bestandteil der Insolvenzmasse © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 39 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff Fall: Der Schuldner hatte als Selbständiger mit Türen und Fenstern gehandelt und diese auch montiert und Reparaturleistungen erbracht. Mit der beklagten Versicherung hatte der Schuldner 1994 einen Versicherungsvertrag über Rentenleistungen wegen einer Lebensversicherung über eine lebenslang zu zahlende Rente abgeschlossen, die entweder in monatlichen Raten oder durch Zahlung einer Kapitalabfindung ausgeschüttet werden sollte. Ferner war mit diesem Vertrag eine Berufsunfähigkeitsrente versprochen. Später wurde der Schuldner berufsunfähig, woraufhin die beklagte Versicherung Rentenzahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung erbrachte. Der klagende IV begehrt, die laufenden Renten aus der privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung an ihn zu leisten. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 40 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff BGH, Urt. v. 15.7.2010 – IX ZR 132/09 - ZIP 2010, 1656 Neuerwerb nach § 35 I InsO ? nicht, wenn nach § 36 I InsO unpfändbar Pfändungsschutz nach § 850 ZPO? nein kein Arbeitseinkommen private Versicherungsrenten von selbstständig oder freiberuflich tätig gewesenen Personen nicht vom Pfändungsschutz gem. § 850 III lit. b ZPO erfasst Pfändungsschutz nach § 851c ZPO? nein Die Voraussetzungen des § 851c I Nr. 1 bis 4 ZPO müssen kumulativ erfüllt sein Es muss sich insgesamt um lebenslange Leistungen wegen eines alters- oder (vorausgehenden) gesundheitsbedingten Ausscheidens aus dem Berufsleben. Das Kapitalwahlrecht für die LV infiziert die verbundene BU-Versicherung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 41 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff Pfändungsschutz nach § 850b I Nr. 1 ZPO ? nicht lediglich auf Renten, Einkünfte oder Bezüge von Arbeitnehmern oder Beamten anwendbar keine Bezugnahme in § 36 I InsO, aber eine nach § 850b ZPO bedingt pfändbare Berufsunfähigkeitsrente fällt im Insolvenzverfahren insoweit in die Insolvenzmasse, als sie im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung für pfändbar erklärt wird. Billigkeitsprüfung nach § 850b II ZPO durch das InsG auf Antrag des IV dagegen entscheidet Prozessgericht bei Streit über Massezugehörigkeit zwischen IV und Schuldner bzw. Dritten © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 42 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff Fall: Die Schuldnerin ist im Besitz eines Audi TT 1,8 T Roadster/Cabrio, Baujahr 2000, Laufleistung 50.000 km, mit einem Händlerverkaufswert von 12 300 Euro. Mit diesem Fahrzeug legt sie die Wegstrecke zwischen ihrem Wohnort und ihren Arbeitsstellen in den MK-Kliniken mit Dienstorten in S. und G. zurück, wo sie als Krankenschwester im Schichtdienst arbeitet. IVw beantragt, eine Austauschpfändung mit der Maßgabe zuzulassen, dass der gepfändete Pkw auszutauschen ist gegen den Pkw Volkswagen Golf II 1,3 G-Kat, Baujahr 1990, mit Laufleistung ca. 200 000 km, oberflächlichen Verrostungen an der Hinterachse und überalterten Reifen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 43 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff Prozessuales: wie kommt diese Angelegenheit vor den BGH? § 811a II 1 ZPO: „Über die Zulässigkeit der Austauschpfändung entscheidet das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers durch Beschluss.“ Vollstreckungsgericht? § 764 II ZPO: AG, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat aber: Sonderzuständigkeit des InsG, § 36 IV 1 InsO Rechtsmittel Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO sofortige Beschwerde, § 793 ZPO Rechtsbeschwerde, § 574 ZPO Rechtsbeschwerdegericht = BGH, § 133 GVG © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 44 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 1. Begriff BGH, Beschl. v.16.6.2011 - VII ZB 114/09 - NJW-RR 2011, 1366 Pfändungsverbote des § 811 I ZPO Ausfluss der in Art. 1 und Art. 2 GG garantierten Menschenwürde bzw. allgemeinen Handlungsfreiheit und enthalten eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips durch § 811 I Nr. 5 ZPO erreicht werden, dass der Schuldner seine Arbeitskraft für sich und seine Familienangehörigen einsetzen und auch künftig den Unterhalt für sich und seine Familienangehörigen aus eigenen Kräften erwirtschaften kann bei Pkw ist Austauschpfändung nach § 811a I ZPO grundsätzlich möglich höherwertiges Fahrzeug durch einfachen Pkw, wenn dem geschützten Verwendungszweck nach seiner Ausgestaltung genügt muss nicht von gleicher Art und Güte sein Fortsetzung der Erwerbstätigkeit muss auch zukünftig und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum gewährleistet sein © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 45 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe Begriff: IVw ist berechtigt, einen Gegenstand der Insolvenzmasse aus seiner Verwaltung freizugeben, so dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über diesen wiedererlangt = Verzicht des IVw auf die Massezugehörigkeit eines Gegenstands zulässig (allg.M.) in §§ 32 III 1, 85 II InsO vorausgesetzt seit 1.7.2007 ausdrücklich für selbständige Tätigkeit (§ 35 II InsO) str. Freigabe im InsVerf über das Vermögen einer juristischen Person Vollstreckung in freigegebenen Vermögensgegenstand zulässig? § 89 I InsO – „sonstige Vermögen des Schuldners“ gilt auch freigegebene Massegegenstände (BGH, Beschl. v. 12.2.2009 - IX ZB 112/06 - NZI 2009, 382) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 46 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe Fall: Der IV gibt ein dem Schuldner gehörendes Kfz aus der Masse frei, ohne dieses umzumelden. FA nimmt die Insolvenzmasse auf Zahlung der laufenden Kfz.-Steuer in Anspruch. Zu Recht? frühere Judikatur des BFH (z.B. Urt. v. 16.10.2007 – IX R 29/07 - ZIP 2008, 283) Nach § 5 I Nr. 1 KfzStG besteht Steuerpflicht für inländische Fahrzeuge, solange sie zum Verkehr zugelassen sind. Entscheidend ist für die Eigenschaft als Steuerschuldner nach § 7 Nr. 1 KfzStG für wen die Fahrzeuge verkehrsrechtlich zugelassen sind. Solange das Fahrzeug verkehrsrechtlich auf den Schuldner zugelassen ist, ist dem Gesetz die rechtlich unwiderlegliche Vermutung zu entnehmen, dass das Fahrzeug von demjenigen von dem es zugelassen ist bis zur Ummeldung oder Außerbetriebsetzung gehalten wird. Zur Insolvenzmasse gehört auch die Rechtsposition als Halter des Fahrzeugs. Kfz-Steuer = Masseverbindlichkeit gem. § 55 I Nr.1 InsO „in anderer Weise durch die Verwaltung, (…) der Insolvenzmasse“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 47 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe BFH, Gerichtsbescheid v. 13.4.2011 – II R 49/09 - ZIP 2011, 1728: Rechtsposition als Halter des Fahrzeugs ist nicht Insolvenzmasse kein geldwertes Recht oder Gut bei insolvenzfreien Fahrzeugen besteht kein Bezug der Kfz-Steuer zur Masse. Dem IVw ist es nicht möglich, das Entstehen von Kfz-Steuer für solche Fahrzeuge zu verhindern, da seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sich auf alle zur Masse gehörenden Vermögensgegenstände erstreckt, aber hierauf auch beschränkt ist. Kfz-Steuer somit keine Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr. 1 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 48 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe Fall: Die insolvente GmbH hatte einen aktiven Schadensersatzprozess über € 6 Mio. erstinstanzlich verloren. Nach Eingang der Berufungsbegründung war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der IVw gab den Klaganspruch an die Schuldnerin frei, die den Prozess daraufhin wieder aufnahm. Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass der Prozess wegen des Insolvenzverfahrens unterbrochen sei. Der IVw könne Massegegenstände nicht freigeben, da das Ziel des Insolvenzverfahrens die Vollbeendigung der Gesellschaft sei. Verfahren hat (auch) Beendigung der jur. Person zum Ziel Vorfrage: Schicksal eines Aktivprozesses in der Insolvenz des Klägers? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 49 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe a.A. kein Freigaberecht nach § 1 II S. 3 RegE-InsO soll das InsVerf bei jur.P. / PersGes. die gesellschaftsrechtliche Abwicklung ersetzen Dieses Ziel wird nicht erreicht, wenn durch Freigabeerklärung insolvenzfreies Gesellschaftsvermögen geschaffen werden kann BGH (Urt. v. 21.4.2005 - IX ZR 281/03 - NZI 2005, 387): Freigaberecht des IV Das InsVerf dient vorrangig dazu, die Gläubiger des Schuldners zu befriedigen, indem dessen Vermögen verwertet und der Erlös verteilt wird. Daraus folgt, dass das Ziel einer Vollbeendigung der Gesellschaft dort zurücktreten muss, wo es in Widerspruch zu den Belangen der Gläubigergesamtheit gerät. Ausschluss des Freigaberecht nicht mit § 85 II InsO vereinbar; nimmt Gegner den Rechtsstreit auf, bliebe IVw nur Klagrücknahme oder Verzichtsurteil; gesamten Kosten des Rechtsstreits würden dann zu Masseverbindlichkeiten erhoben. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 50 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe Fall: Der Beklagte ist IV im am 28.2.2002 eröffneten InsVerf der K-GmbH. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Betriebsgrundstücks, das sie an die K-GmbH vermietete, die dort einen Galvanisierungsbetrieb unterhielt. Wegen Mietzinsrückständen kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wirksam vor Verfahrenseröffnung. Im eröffneten InsVerf nutzte der IVw das Grundstück zunächst im Rahmen einer Betriebsfortführung. Die Eigentümerin erhob Räumungsklage gegen den IVw. Am 31.1.2003 verurteilte das LG den beklagten IVw, das Betriebsgrundstück zu räumen und nebst Schlüsseln herauszugeben. Das Urteil wurde rechtskräftig. Der IVw kam seiner Räumungspflicht nicht nach. Nach Einleitung der Zwangsräumung gab der IV gegenüber der Geschäftsführerin der der K-GmbH das Grundstück frei. Da die Klägerin das Grundstück in ungeräumten Zustand nicht nutzen konnte, beauftragte sie im Oktober 2003 ein Unternehmen mit der Räumung. Den Ersatz der Räumungskosten in Höhe von € 76.800 begehrt sie aus der Masse. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 51 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe BGH, Urt. v. 2.2.2006 - IX ZR 46/05 - NZI 2006, 293: Räumungsanspruch aus §§ 546, 985 BGB als Aussonderungsrecht durch Freigabe erfüllt aber: schuldrechtliche Räumungspflicht der Masse (§ 546 BGB, § 55 I Nr. 1 InsO) durch Urteil rechtskräftig festgestellt keine Erfüllung, wenn Mieter dem Vermieter zwar den Besitz überlässt, aber die zum Zwecke der Gebrauchsnutzung auf das Grundstück geschafften Sachen nicht entfernt (= Vorenthaltung der Mietsache) Erfüllung durch Freigabe nicht unmöglich geworden, weil § 546 BGB nicht den Besitz voraussetzt Räumungspflicht nach § 55 I Nr.1 InsO, weil IVw hat nicht nur allgemeinen, sichernden Besitz gem. § 80 I InsO begründet, sondern Grundstück mit dessen Nutzung für die Betriebsfortführung tatsächlich unmittelbaren Besitz ergriffen (§ 148 I InsO) und dadurch in die Masse integriert hat Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I und III, 281 I 1, II BGB © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 52 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe Fall: Der Kläger ist IVw über das Vermögen der S-GmbH. Während des InsVerf sollten mehrere Grundstücke der S-GmbH zwangsversteigert werden. Die beklagte Stadt beabsichtigte, zumindest einen Teil der Flächen zu ersteigern und ließ eine Altlastenuntersuchung durchführen. Diese ergab einen Altlastenverdacht. Die beklagte Stadt erließ einen Bescheid gegen den Kläger und stellte darin fest, dass der Kläger als IVw bei Vorliegen eines Bedarfs zur Sanierung der im Einzelnen bezeichneten Grundstücke verpflichtet sei und zur Erfüllung der Pflicht zu Untersuchungs- und Sanierungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden könne. Weiter wurde festgestellt, dass die Anordnungen vom Kläger nach § 55 I Nr. 1 InsO zu behandeln seien. Der Kläger gab die Grundstück an die S-GmbH frei. Der Widerspruch des Klägers gegen den Anordnungsbescheid blieb erfolglos. Darauf zeigte der Kläger gegenüber dem AG die Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) an © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 53 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 2. Freigabe BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 - 7 C 22/03 - NZI 2005, 51 Bis zur Freigabe der Grundstücke aus dem Insolvenzbeschlag durfte der IVw zur Sanierung herangezogen werden (§ 55 I Nr. 1 InsO) persönliche, allein aus einem Besitz abgeleitete Ordnungspflicht (Zustandsstörer) es kommt nicht darauf an, ob die Ursachen der öffentlichen Gefahr vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung gesetzt wurden Mit der Freigabe verliert IVw den Besitz (tatsächliche Gewalt) und kann nicht mehr zu Altlastenbeseitigungsmaßnahmen herangezogen werden Masseverbindlichkeit, wenn Ordnungspflicht wirksam vor Freigabe gegenüber IVw begründet Ordnungsrecht muss bis dahin die Handlungsmöglichkeiten des IVw nach InsO respektieren. Inanspruchnahme als Zustands- (§ 148 I InsO) oder als Handlungsstörer richtet sich nach dem jeweiligen Ordnungsrecht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 54 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 3. Freigabe selbständiger Tätigkeit Ausgangslage Arbeitskraft des Schuldners ist unpfändbar nicht Bestandteil der Insolvenzmasse Schuldner ist frei in der Wahl seiner beruflichen Tätigkeit; er darf somit auch selbständig tätig sein die Zulässigkeit einer selbständigen Tätigkeit wird von § 295 II InsO vorausgesetzt Schuldner hat sich zur Erlangung der RSB um eine angemessene Erwerbstätigkeit und damit um pfändbaren Neuerwerb bemühen Selbständigkeit nicht selten der einzige Weg, selbst den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten Problem: Selbständigkeit des Schuldners § 55 I Nr.1 InsO? IVw könnte diese nicht verhindern Tatbestand des § 55 I Nr. 1 InsO „in anderer Weise durch die Verwaltung … der Insolvenzmasse“? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 55 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 3. Freigabe selbständiger Tätigkeit Lösung - § 35 II, III InsO (mit Wirkung ab 1.7.2007) „(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295 Abs. 2 gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an. (3) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 56 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts III. Die Insolvenzmasse 3. Freigabe selbständiger Tätigkeit BGH, Urt. v. 9. 2. 2012 – IX ZR 75/11 - ZIP 2012, 533 nach Freigabe gem. § 35 II InsO können auf die selbstständige Tätigkeit bezogene vertragliche Ansprüche von Gläubigern, die nach dem Zugang der Erklärung beim Schuldner entstehen, nur gegen den Schuldner und nicht gegen die Masse verfolgt werden nicht erforderlich ist gesonderte Kündigungserklärung gegenüber Vertragspartner „Freigabe“ umfasst das Vermögen, welches der gewerblichen Tätigkeit gewidmet ist, einschließlich der dazu gehörenden Vertragsverhältnisse Freigabe verwirklicht sich ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen bereits mit dem Zugang der Freigabeerklärung beim Schuldner © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 57 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten Insolvenzschuldner Gläubiger Insolvenzgläubiger Massegläubiger aussonderungsberechtigte Gläubiger absonderungsberechtigte Gläubiger Gläubigerversammlung Gläubigerausschuss Insolvenzgericht Insolvenzverwalter Drittschuldner © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 58 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO Gläubiger, deren Forderungen erst durch oder aufgrund des InsVerf entstanden sind ≠ Neuverbindlichkeiten des Schuldners Befriedigung erfolgt vor den Insolvenzgläubigern Ausn.: § 206 InsO Masseverbindlichkeiten (§ 53 InsO) Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) Gerichtskosten Vergütungen und Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO). © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 59 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 I InsO) (Nr. 1) die durch Handlungen des IV oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören; (Nr. 2) aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss; (Nr. 3) aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 II InsO) Ausnahme: im Rahmen einer InsGeld-Vorfinanzierung auf BAfA übergegangene Lohnansprüche (§ 55 III InsO) die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 IV InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 60 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO Fall: Der beklagte IVw wurde am 14.1.2004 zum vorlIVw mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Im Beschluss hieß es u.a.: „Den Drittschuldnern wird verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Der vorlIV wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 I 3 InsO)“. Die in der Folge versandten Rechnungen der Schuldnerin enthielten den Hinweis: „Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung nur noch auf Insolvenz-Anderkonto (…).“ Aus einer solchen Rechnung schuldete die Kl. den Betrag von € 86,25. Infolge eines Eingabefehlers bei der Online-Überweisung überwies sie am 29.1.2004 den Betrag von € 8.625,- auf das Insolvenz-Anderkonto. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.3.2004 wurde das Anderkonto auf Beschluss der GlVers als Hinterlegungskonto (§ 149 InsO) weitergeführt. Am 2.12.2005 zeigte der IV Masseunzulänglichkeit an. Zahlungsanspruch der Kl. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 61 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO BGH, Urt. v. 20.9.2007 - IX ZR 91/06 - NJW-RR 2008, 295: keine MasseVblk nach § 55 I Nr. 3 InsO setzt Bereicherung nach Verfahrenseröffnung („Masse“) voraus keine MasseVblk nach § 55 II InsO nur vorlIVw mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 22 I InsO) auch keine MasseVblk, weil Insolvenz-Anderkonto des vorlIVw zur Hinterlegungsstelle nach § 149 InsO geworden ist Bereicherungsanspruch richtet sich gegen vorlIVw persönlich an diesen (nicht an den Schuldner) zahlten die Drittschuldner aufgrund der Anordnung des InsG Insolvenz-Anderkonto ist Treuhandkonto des vorlIVw und nicht Bestandteil des Schuldnervermögens schwacher vorlIVw kein Ermächtigungstreuhänder = wenn Treuhänder das Treugut nicht zu vollem Recht erhält, sondern er lediglich auf der Grundlage der Treuhandabrede ermächtigt wird (§ 185 BGB), im eigenen Namen über das Treugut zu verfügen. Kontoinhaber ist hier der Treugeber © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 62 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO Fall: Der Kläger hatte aufgrund eines Abzahlungskaufs an die Q. GmbH Ratenzahlungen zu erbringen. Am 9.6.2009 wurde der Beklagte zum „schwachen“ vorlIVw über das Vermögen der Q. GmbH bestellt. Der Kläger – nach seiner Behauptung in Unkenntnis des vorläufigen InsVerf – tätigte am 29.6.2009 eine Überweisung auf das Konto der Q. GmbH. Statt der geschuldeten Monatsrate iHv. 100,57 € überwies der Kläger hierbei versehentlich einen Betrag von 10.057 €, der am 30.6.2009 dem Konto der Q. GmbH gutgeschrieben wurde. Nachdem der Kläger anhand eines Kontoauszugs seinen Irrtum bemerkt hatte, versuchte er in der Folgezeit vergeblich, die Zuvielzahlung von 9.956,43 € von der Q. GmbH zurückzuerlangen. Am 1.9.2009 wurde das InsVerf über das Vermögen der Q. GmbH eröffnet und der Beklagte zum IVw bestellt. Nachdem der Beklagte die Gelder von den Konten der Q. GmbH auf sein Massekonto übergeleitet hat, nimmt der Kläger ihn auf Erstattung des überzahlten in Anspruch. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 63 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO OLG Hamm, Urt. v. 29.3.2011 – I-27 U 134/10 - ZIP 2011, 2068: § 55 I Nr. 3 InsO? nur Bereicherung der Masse, also nach IE Hier: Bereicherung vor IE § 55 II InsO nicht entspr. auf vorl. Zustimmungsverwaltung anwendbar (BGH, Urt. v. 18.7.2002 IX ZR 195/01 - NZI 2002, 543) SEA n §§ 61, 60 InsO ? keine PflichtVerl des vorlIVw eine Befriedigung von InsFord verstößt gegen SichZweck der vorl.Insolvenzverwaltung Auszahlung an Kl wäre nach §§ 129, 130 I Nr. 2 InsO anfechtbar Aussonderungsrecht nach §§ 47, 48 InsO Schuldnerkonto kein Treuhandkonto Einziehung der Bankguthaben durch IVw keine unberechtigte Veräußerung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 64 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO Fall: Die klagenden Grundstückseigentümer haben den beklagten IVw des Mieters zunächst auf Räumung in Anspruch genommen. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung war das Mietverhältnis aufgrund einer wirksamen Kündigung während des Eröffnungsverfahrens bereits beendet. Der IVw hatte auf das Herausgabeverlangen vorprozessual nicht reagiert. Der Schuldner zog schließlich aus der Wohnung aus. Die Eigentümer verlangen vom IV Nutzungsentschädigung bis zum Auszug des Schuldners als Masseforderung. zu Recht? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 65 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05 - ZIP 2007, 340 keine Masseverbindlichkeit gem. § 55 I Nr. 2 2. Fall InsO Ist das Mietverhältnis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden, so sind der Rückgabeanspruch (§ 546 BGB) sowie alle Abwicklungsansprüche bereits vor Eröffnung entstanden und folglich grundsätzlich Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO. Auf die Fälligkeit des Anspruches kommt es insoweit nicht an. Der Grundsatz, dass der Vermieter nur eine Insolvenzforderung erhält, wenn der Abwicklungsanspruch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon begründet ist, gilt allerdings nicht ausnahmslos. Er ist durchbrochen, wenn der IVw die Mietsache nach Verfahrenseröffnung nutzt und den Vermieter dabei gezielt vom Besitz ausschließt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 66 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO Frage: Sind die Kosten ordnungsrechtlicher Beseitigung von Altlasten, die bereits vor Verfahrenseröffnung bestanden, Masseverbindlichkeiten? In Betracht kommt § 55 I Nr. 1 InsO „in anderer Weise durch die Verwaltung“. BVerwG (Urt. v. 23.9.2004 - 7 C 22/03 - NZI 2005, 51): bis zur Freigabe des Grundstücks kann IVw zur Altlastenbeseitigung herangezogen werden; die Kosten sind MasseVblk. A.A. BGH (Urt. v. 18.4.2002 - IX ZR 161/01 - NZI 2002, 425): Beseitigungskosten sind Insolvenzforderung, wenn Altlasten bei Verfahrenseröffnung bereits vorhanden und nicht durch IVw verstärkt worden sind © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 67 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO Fall: Der Schuldner betrieb ein Einzelunternehmen, über das auf seinen Eigenantrag hin am 14.5.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum IVw bestellt wurde. Das Gewerbe wurde zum 30.8.1999 abgemeldet. Der Schuldner setzte sich im Wesentlichen nach Spanien ab, wo er Unternehmen betrieb, für die er im Jahr 2001 Rechnungen stellte. Die Steuerfahndung deckte diesen Tatbestand auf. Gegen den klagenden IVw wurden im Jahr 2005 wegen dieser Tatbestände EStBescheide erlassen. Masseverbindlichkeit? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 68 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 1. Massegläubiger, §§ 53 ff. InsO BFH, Urt. v. 18.5.2010 – X R 11/09 - ZIP 2010, 2014: § 55 I Nr. 1 1.Alt. InsO? nein, da keine Handlung des IV § 55 I Nr. 1 2.Alt InsO? nicht wenn die Tätigkeit ohne Wissen und Billigung durch den IV wurde und die Erträge tatsächlich nicht zur Masse gelangten § 35 I InsO definiert Insolvenzmasse; Masseverbindlichkeiten werden durch § 55 I InsO geregelt weitergehend (BFH, Urt. v. 24.02.2011 – VI R 21/10 - ZIP 2011, 873): Gelangt pfändbarer Arbeitslohn des Insolvenzschuldners als Neuerwerb zur Insolvenzmasse, liegt allein darin keine Verwaltung der Insolvenzmasse in anderer Weise i.S.d. § 55 I Nr. 1 InsO, so dass die auf die Lohneinkünfte zu zahlende ESt keine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit ist. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 69 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 2. Insolvenzgläubiger, §§ 38, 39 InsO § 38 InsO: Persönliche Gläubiger des Schuldners, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen diesen haben st.Rspr. BGH (Urt. v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11 - ZIP 2012, 280 Tz. 15) der anspruchsbegründende Tatbestand muss schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen sein, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. obligatorische Rechte (Ansprüche oder Forderungen) ≠ dingliche Gläubiger dingliche Rechte am Schuldnervermögen (§§ 47 ff. InsO) Grundsätzliche Gleichrangigkeit Ausn: nachrangige Insolvenzgläubiger, § 39 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 70 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 2. Insolvenzgläubiger, §§ 38, 39 InsO Fall: Die Klägerin nimmt ihren geschiedenen Ehemann im Wege des Rückgriffs auf Erstattung ihrer Aufwendungen persönlich in Anspruch, obwohl über das Vermögen des Ehemannes ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und noch andauert. Ihren Anspruch gründet sie darauf, dass sie eine vorinsolvenzlich begründete Darlehensschuld des Ehemannes getilgt hat, für deren Sicherung von ihr eine Grundschuld bestellt worden war. Aufgrund der Tilgung erhielt sie die Löschungsbewilligung für die Grundschuld. BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – IX ZR 215/06 - ZIP 2008, 183: Rückgriffanspruch ist ebenso wie die getilgte Darlehensforderung Insolvenzforderung, selbst wenn er erst nach IE begründet worden ist Tilgung einer Insolvenzforderung kann nicht das Entstehen einer Masseverbindlichkeit zur Folge haben © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 71 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 2. Insolvenzgläubiger, §§ 38, 39 InsO Fall: Die O-GmbH teilte dem Kläger mit, er habe einen Betrag in Höhe von 11.150 € gewonnen. Der Kläger sandte die für den Gewinne gewünschte Erklärungen („offizielles Auszahlungs-Dokument“ bzw. „Einverständniserklärung“) zurück. Eine Auszahlung des Gewinnes erfolgte nicht, weshalb der Kläger die O-GmbH auf Auszahlung des zugesagten Gewinnes in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der O-GmbH eröffnet worden. Der Kläger hat die Forderung aus der Gewinnzusage zuzüglich Zinsen in der Rangklasse des § 38 InsO zur Tabelle angemeldet. Diese hat der beklagte IVw bestritten. Der Kläger hat daraufhin den Rechtsstreit gegen ihn aufgenommen und einen seiner Anmeldung entsprechenden Feststellungsantrag gestellt. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsanspruch weiter. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 72 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 2. Insolvenzgläubiger, §§ 38, 39 InsO BGH, Urt. v. 13.3.2008 – IX ZR 117/07 - ZIP 2008, 974: Der Verbraucher, der einen Anspruch auf Erfüllung einer Gewinnzusage in der Insolvenz des Versenders geltend macht, ist nachrangiger InsGl (§ 39 I Nr. 4 InsO) Begriff der „unentgeltlichen Leistung“ in § 39 I Nr. 4 InsO und in § 134 InsO gleich wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zu Gunsten einer anderen Partei aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Gegenwert zufließen soll Einseitige Vorstellungen des Versprechenden über mögliche wirtschaftliche Vorteile, die nicht in rechtlicher Abhängigkeit zu einer von ihm erbrachten Zuwendung stehen, vermögen eine Entgeltlichkeit dieser Zuwendung jedoch nicht zu begründen Zweck des § 39 I Nr.4 InsO: der in Vermögensverfall geratene Schuldner soll sich nicht auf Kosten seiner (Insolvenz-)Gläubiger freigiebig zeigen dürfen a.A: (Jaeger/Gerhardt, § 39 InsO, Rz.33) Entgeltlichkeit wg Affektionsinteresses des Versprechenden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 73 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 2. Insolvenzgläubiger, §§ 38, 39 InsO Fall: Im Insolvenzverfahren der A-GmbH meldete die X-GmbH ihre Forderung auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von € 1,0 Mio. an. G war alleiniger Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer der A. Der Bruder des G, der B, war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X- GmbH. Der IVw der A bestritt den Rang der Darlehensforderung als einfache nicht nachrangige Insolvenzforderung und machte geltend, es handele sich hierbei um eine nachrangige Forderung wegen der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens gem. § 39 I Nr. 5 InsO. Die X erhob hiergegen Feststellungsklage nach §§ 179 ff. InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 74 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 2. Insolvenzgläubiger, §§ 38, 39 InsO BGH, Urt. v. 17.2.2011 - IX ZR 131/10 - ZIP 2011, 575: § 39 I Nr.5 InsO (MoMiG) für alle nach 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren Anwendung auch auf vor Inkrafttreten der Neuregelung gewährte Darlehen keine unzulässige echte Rückwirkung Darlehensgeber muss nicht Gesellschafter sein Neuregelung erfasst auch Rechtshandlungen Dritter, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen, z.B. Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen erforderlich ist eine gesellschaftsrechtliche – vertikale oder horizontale – Verbindung zw. DarlG und einem der Gesellschafter der Schuldnerin oder ein Gesellschafter ist an DarlG und an Gesellschafter der Schuldnerin beteiligt § 138 I Nr. 4, II Nr. 3 InsO (-) systematische Stellung nur anfechtungsrechtliche Vorschrift Umkehr der Beweislast Informationsvorsprung durch Naheverhältnis rechtfertigt Anfechtbarkeit © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 75 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 2. Insolvenzgläubiger, §§ 38, 39 InsO gesetzgeberische Grundgedanke des § 39 I Nr.5 InsO (MoMiG)? Gesetzgeber: keine Aussage Lit. str. Krisenfinanzierung (z.B. Bork, ZGR 2007, 250, 257 f.) Missbrauch der Haftungsbeschränkung (HambKomm-InsO/Lüdtke, § 39 InsO, Rz. 19) Schaffung einer Gefahrenlage für den Rechtsverkehr (Schäfer, ZInsO 2010, 1311, 1313) bloße gesetzgeberische Entscheidung, die an die Doppelrolle des Gesellschafters und Gläubigers anknüpft BGH (Urt. v. 17.2.2011 - IX ZR 131/10 - ZIP 2011, 575 Tz.16): offengelassen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 76 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte Gläubiger, die aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts Herausgabe eines Gegenstandes verlangen können (§ 47 InsO). Dingliche Rechte: das Eigentum (Anspruch aus § 985 BGB), typischer Fall: Eigentumsvorbehalt, Leasing, Miete Nicht: Sicherungseigentum (§ 51 Nr.1 InsO ). Persönliche Rechte: schuldrechtliche Ansprüche, z.B. § 546 Abs.1 BGB den Insolvenzgläubigern haftet allein die Insolvenzmasse (Soll-Masse) § 35 I InsO „(…) das gesamte Vermögen, das dem Schuldner (…) gehört (…)“ § 47 S.1 InsO schafft kein Sonderrecht, sondern erkennt außerhalb des InsVf bestehende Ansprüche als außerhalb des InsVf durchsetzbar an „(…) ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 77 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte Ersatzaussonderung (§ 48 InsO), wenn Aussonderungsgut unberechtigt veräußert wurde vor IE vom Schuldner nach IE vom IVw Anspruch auf Gegenleistung oder Gegenleistung noch unterscheidbar vorhanden nicht z.B. bei Zahlung von DrittSch einer sicherungszedierten Forderung vor IE auf Schuldnerkonto (BGH, Urt. v. 14.5.2009 - IX ZR 63/08 - ZIP 2009, 1235 Tz.31) keine Ersatzaussonderung kein Anspruch aus § 55 I Nr.3 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 78 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte (Exk.: Gütergemeinschaft) Exkurs: Die Gütergemeinschaft Vereinbarung durch Ehevertrag (§ 1415 BGB) § 1416 BGB „Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden durch die Gütergemeinschaft gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten (Gesamtgut). Zu dem Gesamtgut gehört auch das Vermögen, das der Mann oder die Frau während der Gütergemeinschaft erwirbt.“ Sondergut (§ 1417 BGB) z.B. vinkulierte Gesellschaftsanteil (§ 15 V GmbHG) § 1421 BGB „Die Ehegatten sollen in dem Ehevertrag, durch den sie die Gütergemeinschaft vereinbaren, bestimmen, ob das Gesamtgut von dem Mann oder der Frau oder von ihnen gemeinschaftlich verwaltet wird. Enthält der Ehevertrag keine Bestimmung hierüber, so verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 79 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte (Exk.: Gütergemeinschaft) § 1422 BGB „Der Ehegatte, der das Gesamtgut verwaltet, ist insbesondere berechtigt, die zum Gesamtgut gehörenden Sachen in Besitz zu nehmen und über das Gesamtgut zu verfügen; er führt Rechtsstreitigkeiten, die sich auf das Gesamtgut beziehen, im eigenen Namen. Der andere Ehegatte wird durch die Verwaltungshandlungen nicht persönlich verpflichtet.“ § 1437 II BGB „(2) Der Ehegatte, der das Gesamtgut verwaltet, haftet für die Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten, die Gesamtgutverbindlichkeiten sind, auch persönlich als Gesamtschuldner. Die Haftung erlischt mit der Beendigung der Gütergemeinschaft, wenn die Verbindlichkeiten im Verhältnis der Ehegatten zueinander dem anderen Ehegatten zur Last fallen.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 80 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte (Exk.: Gütergemeinschaft) § 37 InsO „(1) Wird bei dem Güterstand der Gütergemeinschaft das Gesamtgut von einem Ehegatten allein verwaltet und über das Vermögen dieses Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, so gehört das Gesamtgut zur Insolvenzmasse. Eine Auseinandersetzung des Gesamtguts findet nicht statt. Durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des anderen Ehegatten wird das Gesamtgut nicht berührt.“ der verwaltende Ehegatte haftet nach § 1437 II BGB für die Gesamtgutsverbindlichkeiten „(2) Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich, so wird das Gesamtgut durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Ehegatten nicht berührt.“ Sonderinsolvenzverfahren über das Gesamtgut nach §§ 333f. InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 81 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte Fall: Die Ehefrau, der in Gütergemeinschaft lebenden Eheleute, betreibt ein Erwerbsgeschäft. Das Gesamtgut wird vom Ehemann allein verwaltet. Der von der Sozialkasse gestellte Antrag auf Eröffnung der Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Ehefrau wurde mangels Masse abgewiesen. BGH, Beschl. v. 4.5.2006 - IX ZB 285/04 – NZI 2006, 402 In der Insolvenz eines in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten, der das Gesamtgut nicht verwaltet, gehört sein Anteil am Gesamtgut nicht zur Insolvenzmasse. Der verwaltende Ehegatte kann das Gesamtgut aussondern (§ 47 InsO). Der Wortlaut des § 37 I 3 InsO ist insoweit eindeutig. Er enthält keine Ausnahme für den Fall, dass der nicht verwaltende – insolvente – Ehegatte ein Erwerbsgeschäft betreibt. Die Problematik wurde bereits unter Geltung der KO diskutiert. § 37 InsO entspricht der Vorgängerregelung des § 2 KO. Der Gesetzgeber der InsO sah keinen abweichenden Regelungsbedarf. kein Regelungsbedarf zum Schutz der Gläubiger persönliche Haftung des verwaltenden Ehegatte gem. § 1437 II 1 BGB © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 82 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte Herausgabeanspruch des Vermieters – Räumungspflicht des IVw? BGH, Beschl. v. 7.7.2010 - XII ZR 158/09 – NZI 2010, 901 Der auf Räumung und Herausgabe zielende Anspruch auf Rückgabe der Mietsache nach § 546 I BGB begründet nur insoweit ein Aussonderungsrecht zu, als er sich seinem Inhalt nach mit dem Herausgabeanspruch des § 985 BGB deckt; mithin reicht er nicht weiter. Nach § 985 BGB hat der Besitzer dem Eigentümer den unmittelbaren Besitz an der Sache zu verschaffen, insbesondere den Zugang zu ermöglichen und die Wegnahme zu dulden. Davon ist die mietvertragliche Räumungspflicht zu unterscheiden, die allein auf dem Mietvertrag beruht und allenfalls eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO begründet. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 83 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte Vermieterinsolvenz - Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Mietkaution? BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06 - ZIP 2008, 469 Der Mieter von Wohnraum kann die von ihm geleistete Mietkaution in der Insolvenz des Vermieters nur dann aussondern, wenn der Vermieter sie von seinem Vermögen getrennt angelegt hat; anderenfalls ist der Rückforderungsanspruch lediglich eine Insolvenzforderung Vermögenszuordnung nach § 47 InsO regelmäßig nach dinglichen Kriterien, das dingliche Recht im Grundsatz ein absolutes Herrschaftsrecht bei schuldrechtlichen Ansprüchen ist eine vom dinglichen Recht abweichende Vermögenszuordnung aufgrund wertender Betrachtung möglich wenn ein Treuhandverhältnis, das neben schuldrechtlicher Beziehungen auch eine vollzogene dingliche Komponente besitzt Bestimmtheitserfordernis gebietet es, das Treugut getrennt vom eigenen Vermögen zu verwahren hier: Sonderkonto (offenes Fremdkonto) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 84 B. Grundbegriffe des Insolvenzverfahrensrechts IV. Die Verfahrensbeteiligten 3. Aussonderungsberechtigte Fall: Der IVw der Muttergesellschaft nahm den Beklagten Ivw der Tochter auf Zahlung in Anspruch. Der Beklagte hatte einen Turmdrehkran zum Preis von 25.250 € brutto veräußert; der Turmdrehkran gehörte aber der Muttergesellschaft. Im Kaufpreis war Umsatzsteuer in Höhe von 3.520 € enthalten, die der Beklagte an das zuständige Finanzamt abführte. 22.000 € zahlte der Beklagte an den Kläger. BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06 - ZIP 2008, 469 Ersatzaussonderungsanspruch § 48 S.2 InsO, wenn die Zahlung aufgrund Buchung und Belegen von dem Übrigen auf einem Konto angesammelten Guthaben unterschieden werden könne und Konto eine ausreichende Deckung aufweist Soll- und Habenposten eines laufenden Kontos keine „realen“ Gegenstände keine Vermischung oder Vermengung Ersatzaussonderung nur Nettokaufpreis hinsichtlich der abgeführten USt – Entreicherung (§ 818 III BGB) ev. Haftung nach § 60 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 85 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 4. Absonderungsberechtigte Gläubiger, die an einem Gegenstand des Schuldnervermögens ein Pfandrecht (§ 50 InsO) oder ein nach § 51 InsO gleichgestelltes Recht haben. - Absonderungsrecht ist dingliches Recht, aber Absonderungsgut befindet sich im Eigentum des Schuldners - Ausnahme: Sicherungseigentum, § 51 Nr.1 InsO - Folge: Absonderungsgut gehört zur Insolvenzmasse, wenn nicht unpfändbar, z.B. nach § 811 Abs.1 Nr.5 ZPO - Absonderungsgläubiger = Insolvenzgläubiger, wenn ihm Schuldner auch persönlich haftet (§ 52 S. 1 InsO). - Teilnahme an Verteilung nur mit Ausfall (§ 52 S. 2 InsO) Ersatzabsonderung, analog § 48 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 86 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 4. Absonderungsberechtigte § 50 InsO - Besitz- und Pfändungspfandrechte - durch Rechtsgeschäft = Besitzpfandrecht - - an bewegl. Sachen (§§ 1204 ff BGB) an Rechten (§§ 1273 ff BGB) an Forderungen (§§ 1279 ff. BGB), etc. durch Zwangsvollstreckung (Pfändungspfandrecht) gesetzliches Pfandrecht des - Vermieters/Verpächters (§§ 559, 581, 585 BGB) - Gastwirt bei Beherbergung (§ 704 BGB) - Werkunternehmer (§ 647 BGB) - Spediteurs (§§ 453, 464 HGB), etc. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 87 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 4. Absonderungsberechtigte § 51 InsO – den Besitzpfandrechten gleichgestellte Absonderungsrechte - Nr. 1 besitzlose Mobiliarpfandrechte - - Sicherungsübereignung - Sicherungsabtretung - verlängerter Eigentumsvorbehalt Nr. 2 Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendung Nr. 3 kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht Nr. 4 Steuer- und Zollgläubiger an verbrauchsteuer- und zollpflichtigen Waren - § 76 I AO Rechtsstellung im Insolvenzverfahren - Verwertungsrecht nach §§ 166 ff InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 88 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 4. Absonderungsberechtigte Fall: Die Klägerin hatte der Schuldnerin Büroräume vermietet. Für den Zeitraum zwischen Antragstellung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens leistete die Schuldnerin keinerlei Mietzahlungen. Nach Einstellung der Mietzinszahlungen widersprach die Klägerin in Ausübung ihres Vermieterpfandrechts der Entfernung der von der Schuldnerin eingebrachten Gegenstände. Der beklagte IVw verwertete die Gegenstände ohne den Erlös an die Klägerin auszukehren. Seiner Auffassung nach, sei das Vermieterpfandrecht nur wirksam entstanden für Mietforderungen, die vor dem Insolvenzantrag entstanden sind. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 89 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 4. Absonderungsberechtigte Anfechtbarkeit der Entstehung des Vermieterpfandrechts – maßgebender Zeitpunkt? BGH, Urt. v. 14.12.2006 - IX ZR 102/03 - ZIP 2007, 191 Das gesetzliche Vermieterpfandrecht an eingebrachten pfändbaren Sachen des Mieters entsteht mit der Einbringung, auch soweit es erst künftig entstehende Forderungen aus dem Mietverhältnis sichert. Mietzinsansprüche sind nicht betagt, sondern entstehen nach § 163 BGB aufschiebend befristet erst zum Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung § 91 InsO gilt mangels Verweisung in § 24 InsO nicht im vorläufigen Insolvenzverfahren Für die Anfechtung des Vermieterpfandrechts kommt es nach § 140 III InsO auf den Zeitpunkt der Pfandrechtsentstehung (= Einbringung der Sachen) an © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 90 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 4. Absonderungsberechtigte Fall: Anschaffungsfinanzierung, z.B. Neuwagen eines Autohauses, Übertragung des Eigentumsvorbehalts auf Bank Aus- oder Absonderung? BGH (Urt. v. 27.3.2008 - IX ZR 220/05 - NZI 2008, 357) Bank das vorbehaltene Eigentum in der Insolvenz des Käufers nicht aussondern; sie ist vielmehr wie ein Sicherungseigentümer lediglich zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Verschafft sich ein Geldkreditgeber zur Sicherung seiner Forderung das Sicherungsmittel eines Warenkreditgebers, kann er seine insolvenzrechtliche Stellung dadurch nicht verbessern. Der Vorbehaltsverkäufer hat, falls der Käufer nicht sogleich zahlen kann, regelmäßig nur das vorbehaltene Eigentum als Sicherungsmittel. Aus diesem Grunde gilt er als besonders schutzbedürftig, und im Wesentlichen deshalb wird ihm ein Aussonderungsrecht und nicht bloß ein Absonderungsrecht zugebilligt. Demgegenüber hat der Geldkreditgeber ungleich mehr Sicherungsmöglichkeiten. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 91 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten Übersicht Gläubiger © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 92 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter § 27 I 1 InsO: „Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so ernennt das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter.“ § 56 I 1 InsO „Zum Insolvenzverwalter ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 93 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Rechtsstellung Organtheorie: IVw ist gesetzliches Organ der Masse aber: bei natürlichen Personen gibt es keine Organschaft Neue Vertretertheorie: IVw als gesetzlicher Vertreter des Schuldners aber: IVw nimmt nicht die Interessen des Schuldners wahr Amtstheorie (h.M.): IVw als Rechtspflegeorgan, das im eigenen Namen mit Wirkung für die Masse und den Schuldner handelt (Partei kraft Amtes) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 94 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Anforderungsprofil, § 56 I InsO: natürliche, voll geschäftsfähige Person für jeweiligen Einzelfall geeignet geschäftskundig d.h. besitzt die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Erfahrungen und Kenntnisse Fachkompetenz im InsR, ArbR, GesR, SteuerR Kenntnisse im Finanz- und Rechnungswesen Verhandlungsgeschick, Führungsqualitäten, Zeit- und Konfliktmanagement, Teamfähigkeit Erfahrung in Insolvenz und Sanierung, Branchenkompetenz technische Ausstattung, Mitarbeiterstab ggf. Regionalität © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 95 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Unabhängigkeit von Gläubigern und Schuldner neutrale und sachgerechte Amtsausübung Viele InsG lassen sich die generelle Unabhängigkeit ausdrücklich bestätigen nicht, wenn: bereits vorher vertragliche Beziehungen zu dem Schuldner, z.B. Beratervertrag, bestanden, der IVw (dessen Sozietät) eine dem Schuldner nahestehende Person (Angehöriger, Gesellschafter) ständig beraten oder vertreten hat. ESUG: zulässig, d.h. kein Indiz für fehlende Unabhängigkeit Vorschlag vom Gläubiger oder Schuldner Beratung des Schuldners „in allgemeiner Form über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen“. zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereit Bereitschaft kann auf bestimmte Verfahren beschränkt werden (§ 56 I 2 InsO) z.B. nur Verbraucherinsolvenzverfahren © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 96 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Aufsicht, durch Insolvenzgericht (§ 58 InsO) allgemeinen Grundsatz, dass der Staat, wenn er fremdes Vermögen durch eine von ihm bestellte Person verwalten lässt, diese auch zu überwachen hat Gläubigerausschuss (§ 69 InsO) keine Minderung oder Ersetzung der insolvenzgerichtlichen Aufsicht Zustimmung des GlA exkulpiert den IV nicht; dessen Haftung besteht fort Gläubigerversammlung (§§ 79, 156 InsO) Zustimmung der GlV exkulpiert den IV nicht; dessen Haftung besteht fort © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 97 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Bestellung des IV durch das InsG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, §§ 27 I, 56 InsO bei gleichzeitiger Anordnung der Eigenverwaltung wird ein Sachwalter bestellt (§ 274 I InsO) im vereinfachten Insolvenzverfahren: Treuhänder, § 313 I InsO BVerfG 2-stufiges Vorauswahlverfahren (Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01 – ZInsO 2004, 913; Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04 – NZI 2006, 453) Rechtsmittel keine sofortige Beschwerde § 34 InsO eröffnet nur die Beschwerde gegen die Eröffnungsentscheidung keine Befangenheitsrüge (§ 4 InsO iVm § 44 ZPO analog) IV ist keine Gerichtsperson abschl. Regelung der Bestellung und Abberufung des IV in §§ 56-59 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 98 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01 – ZInsO 2004, 913 Vorauswahlverfahren Beschaffung hinreichender Informationen über die Eignung der Bewerber die Komplementärfunktion des Verfahrensrechts für die Verwirklichung des Grundrechtsschutzes aus Art. 12 I GG gebietet eine angemessene Gestaltung des Verfahrens schon im Vorfeld Vorauswahlliste Kreis der grundsätzlich, d.h. ohne Verbindung zu einem konkreten Insolvenz-verfahren geeigneten Bewerber mit hinreichenden Informationen über deren Eignung Aufnahme eröffnet die Chance, bei künftigen Verfahren berücksichtigt zu werden Rechtsschutz Justiz-VA, §§ 23ff EGVG Richter nicht Rspr., sondern öff. Gewalt iSv Art. 19 IV GG, die in richterlicher Unabhängigkeit vollzogen wird © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 99 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Antragsgegner bei Antrag nach §§ 23ff EGVG? die zuständigen Insolvenzrichter „in ihrer Gesamtheit“ (OLG Köln, Beschl. v. 27.9.2006 - 7 VA 9/05 - ZIP 2007, 342) Vorauswahlentscheidung um einen Akt des Trägers der öffentlichen (Justiz-) Verwaltung, für den die Behörde handele (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 28.3.2007 - 20 VA 11/05 – NZI 2007, 524) z.B. seit dem 1.1.2011 gilt in NRW das Rechtsträgerprinzip, d.h. Antragsgegner ist die Körperschaft, deren Behörde gehandelt hat (§ 5 II AG VwGO NRW ist weggefallen) BGH, Beschl. v. 16.5.2007 - IV AR(VZ) 5/07 - ZIP 2007, 1379 § 23 I EGGVG – Justizbehörde im funktionellen Sinn Insolvenzrichter handelt bei der Vorauswahl seiner Funktion nach als Justizbehörde © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 100 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04 – NZI 2006, 453 Auswahlentscheidung Gestaltung eines Rechtsverhältnisses ohne Bestenauslese § 56 I InsO kein subjektives Recht auf Bestellung es kann mehrere geeignete Bewerber Insolvenzrichter kann weites Auswahlermessen, ohne den Gleichheitssatz gegenüber den Übergangenen zu verletzen Jeder Bewerber hat (lediglich) ein durch Art. 1 III, 3 I GG begründetes Recht auf pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens in Form einer willkürfreien und fairen Chance auf Berücksichtigung entsprechend der individuellen Eignung Rechtsmittel Auswahl und Bestellung des IV ist funktional vollziehende Gewalt iSv Art 19 IV GG im Interesse der Verfahrensbeteiligten keine Konkurrentenschutzklage aber: Feststellungsklage nach §§ 23ff EGGVG Rechtswidrigkeit der Verwalterbestellung zur Vorbereitung Amtshaftungsklage („Dulde und liquidiere“) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 101 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08 - ZIP 2009, 1722: differenzierte Vorauswahllisten zulässig, die zwischen verschiedenen Kategorien von Verfahren oder verschiedenen Anforderungen an den IV unterscheiden Ausgestaltung der Auswahllisten ist den Fachgerichten überlassen BVerfG prüft nur, ob Grundrechte verletzt wurden Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und IVw als Bestellungsgrund unzulässig, da sachwidrige Erwägung (MüKo-Graeber, § 56 InsO, Rn.119) zulässig aufgrund der richterlichen Verantwortung gegenüber den Gläubiger (Uhlenbruck, § 56 InsO, Rn. 53) Ortsnähe Bestellungsentscheidung kann an die Kriterien der kurzfristigen persönlichen Erreichbarkeit sowie der räumlichen Nähe des Büros des Bewerbers zum InsG ausgerichtet werden (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1469/05 - ZIP 2006, 1954) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 102 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Berufserfahrung (BVerfG, Entsch. v. 27.11.2008 - 1 BvR 2032/08 - ZIP 2009, 975) Für die Feststellung der Eignung wird allgemein auch das Vorliegen praktischer Erfahrungen in der Insolvenzverwaltung als notwendig angesehen Bezeichnung eines FAInsR alleine nicht ausreichend kein Verstoß gg Art 3 I GG, wenn die fachliche Eignung von Bewerbern davon abhängig gemacht wird, dass praktische Erfahrungen durch Tätigkeiten in Insolvenzverfahren nachgewiesen sind kein Verstoß gg Art. 12 I InsO: „Die selbständige Berufsausübung hindert ihn nicht daran, mit einem Insolvenzverwalter zusammenzuarbeiten und auf diesem Weg die vom Insolvenzgericht geforderte federführende Bearbeitung von Insolvenzverfahren unter Aufsicht und Verantwortung eines Insolvenzverwalters zu erbringen.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 103 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter gerichtliche Prüfung der Unabhängigkeit bei Vorschlag des IVw durch Gläubiger? Auch eine Benennung eines IV durch einen oder mehrere Gläubiger führt nicht zwingend zu Zweifeln an dessen Unabhängigkeit (MüKo-Graeber, § 56 InsO, Rn. 130) Zweifel an der Unabhängigkeit lassen sich nicht schon damit begründen, dass ein Gläubiger eine bestimmte Person als IV vorschlägt (Braun-Kind, § 56 InsO, Rn. 4) verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn das InsG einen Bewerber um das Amt des IVw generell nicht in seine Auswahlentscheidungen einbezieht, weil sich dieser in einem früheren Verfahren so verhalten hat, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung des Verfahrens durch seine eigenen wirtschaftlichen Interessen bestand und eine Unabhängigkeit von den Interessen der Verfahrensbeteiligten fraglich war (BVerfG, Beschl. v. 12.07.2006 – 1 BvR 1493/05 - ZIP 2006, 1956) Bork (ZIP 2006, 58): IVw ist nicht Sanierungsgehilfe des Schuldners, sondern in erster Linie neutrales (Gesamt-)Vollstreckungsorgan im Interesse der Gläubigergesamtheit i anders: ESUG § 56 I 3 Nr. 1 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 104 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Neuregelung durch ESUG § 56 I InsO „(1) Zum Insolvenzverwalter ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist. Die Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen kann auf bestimmte Verfahren beschränkt werden. Die erforderliche Unabhängigkeit wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Person 1. vom Schuldner oder von einem Gläubiger vorgeschlagen worden ist, 2. den Schuldner vor dem Eröffnungsantrag in allgemeiner Form über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten hat.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 105 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Neuregelung durch ESUG Gesetzesbegründung Stärkung der Gläubigerautonomie bei der Verwalterauswahl Gilt über § 21 II Nr.1 InsO auch für den vorl. Insolvenzverwalter bedeutsam, weil dieser regelmäßig zum Insolvenzverwalter bestellt wird Planbarkeit des Insolvenzverfahrens Änderung des RegE durch Rechtsausschuss: Prätendent ist nicht unabhängig, wenn er für den Schuldner einen Insolvenzplan erarbeitet hat Interessenkonflikt zwischen Schuldner und Gläubiger Beratungsfehler würden nicht aufgedeckt Anfechtung der Honorarzahlung an sich selbst? Anschein einer Parteilichkeit muss vermieden werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 106 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Neuregelung durch ESUG Die Neuregelung des § 56 I InsO wird als Anschlag auf die Unabhängigkeit des IVw angesehen Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters als „hohes Gut“ und Voraussetzung dafür, dass der Staat jemandem fremdes Vermögen anvertraut. Die erforderliche Unabhängigkeit ist bereits dann nicht gegeben, wenn die Besorgnis ihres Nichtvorliegens begründet ist. (vgl. §§ 41, 42 ZPO, §§ 45 f. BRAO; § 319 Abs. 2 HGB) Vorgeschlagener Insolvenzverwalter weckt regelmäßig Zweifel an seiner Unabhängigkeit und damit an seiner Geeignetheit, weil ihm der „Makel der Befangenheit“ anhaftet. Bsp: Kreditinstitut oder ein institutioneller Gläubiger schlägt immer nur ein und denselben IVw vor und verlangt von diesem, dass er keine Anfechtungsansprüche geltend macht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 107 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Neuregelung durch ESUG Die Neuregelung des § 56 I InsO wirft Fragen auf: Wo liegen die Grenzen einer Beratung „in allgemeiner Form über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen“? Muss sich der Insolvenzrichter vor der Auswahlentscheidung den Gegenstand und den Inhalt der Vorberatung detailliert beschreiben und versichern lassen? Ist der Insolvenzverwalter nach § 59 I InsO aus wichtigem Grund zu entlassen, wenn sich später herausstellt, dass er den Schuldner vor Insolvenzantragstellung nicht nur in allgemeiner Form beraten hatte? In der Praxis wird sich die Vorberatung wohl nicht auf eine solche „in allgemeiner Form“ beschränken lassen. Bevorzugung der großen, überregional tätigen Verwalterkanzleien indem diese einen Schuldner durch ein Mitglied der Sozietät nicht nur allgemein, sondern umfassend beraten kann, ohne dass dieses die Unabhängigkeit eines sozietätsangehörigen Verwalters ausschließt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 108 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter § 56a InsO „(1) Vor der Bestellung des Verwalters ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen, die an den Verwalter zu stellen sind, und zur Person des Verwalters zu äußern, soweit dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt. (2) Das Gericht darf von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Das Gericht hat bei der Auswahl des Verwalters die vom vorläufigen Gläubigerausschuss beschlossenen Anforderungen an die Person des Verwalters zugrunde zu legen. (3) Hat das Gericht mit Rücksicht auf eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners von einer Anhörung nach Absatz 1 abgesehen, so kann der vorläufige Gläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung einstimmig eine andere Person als die bestellte zum Insolvenzverwalter wählen.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 109 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Neuregelung durch ESUG § 56a InsO - Einbindung der Gläubiger in die Verwalterwahl Stärkung der Gläubigerautonomie Diese Einbindung der Gläubiger soll künftig in den Fällen, in denen nach den neu eingeführten §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a InsO ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt worden ist, die Regel sein. Eine Abweichung ist nur möglich, wenn die vorgeschlagene Person ungeeignet ist. § 56a InsO gilt über § 21 II Nr.1 InsO auch für den vorl. IV Wahlrecht nach § 57 InsO soll nicht beschränkt werden Gesetzgeber: Notwendigkeit, „besonders eingehend“ die Unabhängigkeit zu prüfen, wenn Vorberatung durch Sozietät des IVw „Ein besonderes Augenmerk auf die Unabhängigkeit des Verwalters ist auch in den Fällen zu richten, in denen der Vorgeschlagene etwa in einer internationalen Großkanzlei mit Unternehmensberatern tätig ist, die den Schuldner in der Krise beratend begleitet haben.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 110 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter Neuregelung durch ESUG Begründung der gerichtlichen Auswahlentscheidung § 27 II Nr. 5 InsO: „die Gründe, aus denen das Gericht von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters abgewichen ist; dabei ist der Name der vorgeschlagenen Person nicht zu nennen.“ Gesetzesbegründung die Beteiligten sollen die Möglichkeit haben, mit den Gründen der gerichtlichen Entscheidung auseinander zusetzen und dennoch in der ersten Gläubigerversammlung den Vorgeschlagenen nach § 57 InsO zu wählen abgelehnte Person ist aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht im Beschluss namentlich zu erwähnen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 111 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter - Wahlrecht der Gläubiger nach § 57 InsO Normzweck Wahlrecht und nicht nur ein Vorschlagsrecht Einflussmöglichkeit der Gläubiger (Gläubigerautonomie) Unabhängigkeit des IV ./. Vertrauen der Gläubigermehrheit Gläubigerversammlung 1. Gläubigerversammlung nach der Bestellung des IV Auch nach Verwalterwechsel Wahl mit qualifizierter Mehrheit: Kopf- und Summenmehrheit eine Bestätigung des mit dem Eröffnungsbeschluss bestellten IV ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich konkreter Personalvorschlag kein konstruktives Misstrauensvotum Begründung ist nicht erforderlich © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 112 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter - Wahlrecht der Gläubiger nach § 57 InsO Bestellung des gewählten IV durch InsG Annahme des Amtes ist erforderlich Versagung, wenn der gewählte IV für das Amt nicht geeignet ist „ nicht geeignet“ ist unbestimmter Rechtsbegriff umfasst auch alle Gründe in der Person des Gewählten, die dessen Entlassung nach rechtfertigen würden InsG hat die Geeignetheit des Gewählten von Amts wegen (§ 5 I InsO) zu prüfen bei Feststellung der Ungeeignetheit – kein Entscheidungsermessen § 59 I InsO Amt des ursprgl. bestellten IV endet automatisch Funktionale Zuständigkeit (str.) Insolvenzrichter: nach § 18 I Nr. 1 RPflG zuständig für die Bestellung des IV bei Eröffnung des InsVerf Rechtspfleger: umfassende Kompetenzzuweisung für das eröffnete Insolvenzverfahren nach §§ 4 I, 18 I RPflG wegen Gläubigerbeteiligung geringeres Fehlerpotential kein eigener Eingriff in die Rechtsstellung des Schuldners © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 113 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter - Wahlrecht der Gläubiger nach § 57 InsO Rechtsmittel sofortige Beschwerde (§ 6 InsO) gegen Versagung der Bestellung jedem Insolvenzgläubiger (§ 57 S. 3 InsO) nur wenn dieser für die gewählte Person gestimmt hat (Beschwer) mangels Beschwer kein Rechtsmittel der Gewählte im Falle der Versagung seiner Bestellung der „Abgewählte“ (BVerfG, Beschl. v. 9.2.2005 – 1 BvR 2719/04) aus § 57 InsO folgt eine nur vorläufige Bestellung mit dem Eröffnungsbeschluss © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 114 B. Einführung in das Insolvenzrecht IV. Die Verfahrensbeteiligten 5. Der Insolvenzverwalter - Haftung § 60 InsO Schadensersatzpflicht gegenüber allen Beteiligten schuldhafte Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten Sorgfaltsmaßstab: der ordentliche und gewissenhafte Verwalter Ausn: § 278 BGB nicht anwendbar (§ 60 II InsO) § 61 InsO Masseverbindlichkeit aus Rechtshandlung des IVw kann aus der Masse nicht erfüllt werden mangelnde Erkennbarkeit im Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit „starker“ vorl.IV §§ 21 II Nr.1, 60, 61 InsO für Steuerverbindlichkeiten §§ 34 III, 69 AO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 115 B. - Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger Der Gläubigerausschuss (§§ 67 ff. InsO) - - selbständiges, nicht weisungsgebundenes Selbstverwaltungsorgan zur Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters Die Gläubigerversammlung (§§ 74 ff. InsO) - Selbstverwaltungsorgan, das von dem Insolvenzgericht einberufen wird und wesentliche Verfahrensentscheidungen trifft (z.B. §§ 57, 59, 157 InsO). © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 116 B. - Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Einberufung durch Insolvenzgericht (§ 74 I 1 InsO) - von Amts wegen - auf Antrag (§ 75 I InsO) IVw (Nr.1) GlA (Nr.2) mind. 5 Absonderungs- oder Insolvenzgläubiger mit mind. 20 % der Forderungssumme (Nr.3) mind. Absonderungs- oder Insolvenzgläubiger mit mind. 40 % der Forderungssumme (Nr.4) - es kommt nicht darauf an, ob die Forderung angemeldet, anerkannt oder bestritten - InsG hat vor Entscheidung über Einberufung einer Gläubigerversammlung nicht sämtliche bestrittenen Forderungen zu prüfen (BGH, Beschl. v.16.12.2010 - IX ZB 238/09 -) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 117 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Einberufung einer Gläubigerversammlung auf Antrag des Gläubigerausschusses zur Wahl eines neuen Sachwalters schon vor dem Berichts- und Prüfungstermin? LG Stendal, Beschl. v. 22.10.2012 – 25 T 184/12 - ZIP 2012, 2168 (+) Wortlaut des § 75 InsO Rechtsschutzbedürfnis trotz bereits anberaumten Berichtstermin Wahl des IVw kann vorher getroffen werden (Vgl. § 86 RegE-InsO, BT-Drcks. 12/2443, S. 133) Gläubigerautonomie kein Ermessen des InsG („hat einzuberufen“) InsG ist nicht befugt, den Antrag auf Zweckmäßigkeit oder auf ein besonderes Bedürfnis hin zu prüfen andernfalls unzulässiger Übergriff in die Entscheidungsautonomie der Gläubiger nach § 75 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 118 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Schätzungsmaßstab für Quorum ?(BGH, Beschl. v. 16.07.2009 - IX ZB 213/07 - ZIP 2009, 1528) - kein allgemeingültige Antwort möglich. - Gegen aufwändige Ermittlung von Schätzgrundlagen steht Zeitmangel, weil zwischen Eingang des Antrags und Termin der GlVers höchstens drei Wochen liegen sollen (§ 75 II InsO) - kein Schätzbetrag "aus der Luft zu greifen". InsG hat vielmehr vorliegende Unterlagen wie das Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO), die Forderungsanmeldungen der Gläubiger nebst beigefügter Urkunden (§ 174 InsO), die Forderungstabelle (§ 175 InsO) sowie etwaige Stellungnahmen des IVw zu berücksichtigen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 119 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Ablehnung des Antrages auf Einberufung der GlV sofortige Beschwerde des Antragstellers (§ 75 III InsO) BGH (Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 212/09 - ZIP 2011, 673) Lehnt das Insolvenzgericht die Einberufung einer Gläubigerversammlung ab, so sind gegen diese Entscheidung nur diejenigen Antragsteller beschwerdebefugt, die auch das Einberufungsquorum erfüllen Beschwerdebefugnis aus § 75 III InsO schließt an das Antragsrecht aus § 75 I InsO an Ablehnung des Antrags stellt eine Beschwer nur für den Antragsteller dar © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 120 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Einladung (§ 74 II InsO) Zeit, Ort und Tagesordnung sind öffentlich bekannt zu machen zwischen Antrag und Termin höchstens 3 Wochen (§ 75 II InsO) BGH, Beschl. v. 20.3.2008 - IX ZB 104/07 - NZI 2008, 430 zu einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Tagesordnung gehört eine wenigstens schlagwortartige Bezeichnung der Tagesordnungspunkte Die in der Bekanntmachung mitgeteilte Paragrafenkette, noch versehen mit dem Zusatz „gegebenenfalls“, genügt diesen Anforderungen eindeutig nicht nicht ordnungsgemäße Ladung zieht Unwirksamkeit der Beschlüsse der GlV nach sich teilnahmeberechtigt (§ 74 I 2 InsO) Insolvenzverwalter Mitglieder des GlA (Nr.2) Insolvenzgläubiger, Absonderungsgläubiger Schuldner © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 121 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung die wichtigsten Gläubigerversammlungen im Verfahren Berichtstermin (§ 156 InsO) erste Gläubigerversammlung Entscheidung über Fortführung od. Stilllegung des Unternehmens Prüfungstermin (§§ 176 ff. InsO) zweite Gläubigerversammlung Prüfung der angemeldeten Forderungen Erörterung der bestrittenen Forderungen Erörterungs- und Abstimmungstermin (§§ 235 ff. InsO) Schlusstermin, § 197 InsO Erörterung Schlussrechnung IV Einwendungen gegen Schlussverzeichnis Entscheidung über nicht verwertbare Massegegenstände © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 122 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Ablauf Berichtstermin (§ 156 InsO) Bericht des IV mündl. Bericht über die wirtschftl. Lage des Sch. und deren Ursachen Bericht endet mit Stellungnahme zur Sanierungsfähigkeit Wahl eines anderen IV Wahl eines anderen Verwalters, § 57 InsO beschränkte Aufsicht durch das Gericht, § 58 InsO Beschluss über Fortgang Entscheidung über Stilllegung od. Fortführung, § 157 InsO Gläubigerausschuss Einsetzung eines Ausschusses und deren Mitglieder, § 67 InsO weitere Entscheidungen Unterhalt für den Schuldner aus der Insolvenzmasse, § 100 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 123 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Beschlussfähigkeit der Gläubigerversammlung - vom Gericht festzustellen - (+) bei Anwesenheit nur eines stimmberechtigten Gläubigers alle Gläubiger sind an diese Beschlüsse gebunden - Kein Anwesenheitszwang für Gläubiger - Besonderheit: § 160 I 3 InsO - Genehmigungsfiktion © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 124 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Zustandekommen von Beschlüssen, § 76 II InsO - Stimmrechtsfeststellung, § 77 InsO - Einigung oder - Entscheidung des Rechtspflegers im Termin (§ 77 II 2 InsO) - Rechtsmittel: Entscheidung des Insolvenzrichters (§ 77 II 3 InsO, § 18 III 2 RPflG) abschließende Entscheidung (BGH, Beschl. v. 23.10.2008 - IX ZB 235/06 - NZI 2009, 106) - - - Möglich: Antrag auf Wiederholung der Abstimmung (§ 18 III RPflG ESUG) Summenmehrheit der anwesenden Gläubiger - Ausn.: Wahl eines anderen IV (§ 57 InsO) - schriftliche Abstimmung unzulässig (Umkehrschluss aus §§ 242, 312 II InsO) formelle Voraussetzungen für wirksamen Beschluss - öffentl. Bekanntmachung der Tagesordnung (§ 9 InsO) - bei formellen Fehlern ist der Beschluss nichtig, kein Aufhebungsbeschluss © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 125 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Beschlussfassung im Planverfahren (§ 235 InsO) - Abstimmung in Gruppen, §§ 222, 243 InsO - doppelte Mehrheit (= Kopf- und Summen) erforderlich (§ 244 I InsO) - schriftliche Abstimmung zulässig (§ 242 InsO) - Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) Verweigert eine Gruppe die Zustimmung, ohne sachlichen Grund, kann das Gericht die Zustimmung ersetzen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 126 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Rechtsmittel gegen Beschlüsse der Gläubigerversammlung? - in InsO nicht vorgesehen - stattdessen Antrag auf Aufhebung des Beschlusses durch InsG (§ 78 InsO) - - Antrag von IVw, Insolvenz- oder Absonderungsgläubiger - Vs.: Beschluss widerspricht dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger gegen Ablehnung der Aufhebung: sofortige Beschwerde (§ 78 II 3 InsO) gegen Aufhebung: sofortige Beschwerde (§ 78 II 2 InsO) - jeder Absonderungsgläubiger - jeder Insolvenzgläubiger iSv. § 38 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 127 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung Fall: IE am 1.2.2010; InsG lud die Verfahrensbeteiligten zum „Berichtstermin sowie Termin zur Beschlussfassung über die eventuelle Wahl eines anderen Insolvenzverwalters, über die Einsetzung eines Gläubigerausschusses“ sowie „über die in den §§ 66, 100, 149, 157, 160, 162, 233 InsO bezeichneten Angelegenheiten“. Versammlung am 10.3.2010 Teilnehmer: IVw, Schuldner, 3 Gläubiger mit unbestrittenen Forderungen, 3 Gläubiger, deren Forderungen durch IVw unter Hinweis auf § 39 I Nr. 5 InsO bestritten waren. Der IVw erstrebte Vorratsbeschlüsse zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen sowie zur Betriebsveräußerung (§§ 160, 162 InsO). Keine Einigung über die Stimmrechte der Gläubiger mit den bestrittenen Forderungen. Der Rechtspfleger setzte sie auf 0 € fest. Die stimmberechtigten Gläubiger erteilten dem IVw die erbetenen Zustimmungen. Am 23.3.2010 beantragten die Gläubiger mit den bestrittenen Forderungen die Feststellung, dass der Beschluss der GlVers betreffend die nach §§ 160, 162 InsO zustimmungsbedürftigen Geschäfte nichtig und die Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers unwirksam sei. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 128 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 1. Gläubigerversammlung BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 128/10 - ZIP 2011, 1626 Rechtsbeschwerde zur Feststellung der Unwirksamkeit der Stimmrechtsentscheidung ist unstatthaft nur Rechtspflegererinnerung nach § 18 III RPflG Ladung war nicht ordnungsgemäß („Paragraphenkette“) Beschluss zu §§ 160, 162 InsO ist nichtig InsO keine Regelungen zur Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der GlVers und zur Beschwerdemöglichkeit bei Ablehnung dieser Feststellung § 78 InsO unmittelbar keine Anwendung, da die Aufhebung die Wirksamkeit des Beschlusses voraussetzt; nichtige Beschlüsse sind ipso iure unwirksam teilw. § 78 InsO analog Grenze zwischen Nichtigkeit und wirksamen Beschlüssen fließend Rechtssicherheit über Unwirksamkeit eines Beschlusses BGH: § 78 InsO nicht analog Zweck des § 6 InsO, den zügigen Ablauf des Insolvenzverfahrens als Vollstreckungsverfahren zu gewährleisten © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 129 B. - - Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. Gläubigerausschuss Organ der Gläubigerautonomie (§§ 67 ff. InsO) Bestellung - im Antragsverfahren nach §§ 21 II 1a, 22a InsO - vor Berichtstermin durch das Insolvenzgericht (§ 67 I InsO - danach nur noch durch GlVers (§ 68 InsO) Mitglieder - Gläubiger mit den höchsten Forderungen - Absonderungsberechtigte - Kleingläubiger - Vertreter der Arbeitnehmer („soll“) - Personen, die keine Gläubiger sind (§ 67 III InsO) - mind. 2 Personen (BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 148/08 - ZIP 2009, 727 Rn.4) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 130 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. Gläubigerausschuss Einberufung einer GlA-Sitzung - keine gesetzlichen Regelungen - Recht zur Einberufung - - aus selbst gegebener Geschäftsordnung - sonst IVw und jedes einzelne Ausschussmitglied Form und Frist - ggf. in der Geschäftsordnung festgelegt - i.d.R. sollten 2 Wochen zwischen Einladung und Termin liegen Beschlussfassung (§ 72 InsO) Teilnahme Mehrheit und Zustimmung der Mehrheit der anwesenden Mehrheit © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 131 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. vorläufiger Gläubigerausschuss § 21 II Nr. 1a InsO (ESUG) „(2) Das Gericht kann insbesondere 1a. einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden.“ § 22a InsO (ESUG) „(1) Das Insolvenzgericht hat einen vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Absatz 2 Nummer 1a einzusetzen, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale erfüllt hat: 1. mindestens 4 840 000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs; 2. mindestens 9 680 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; 3. im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 132 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. vorläufiger Gläubigerausschuss (2) Das Gericht soll auf Antrag des Schuldners, des vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines Gläubigers einen vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Absatz 2 Nummer 1a einsetzen, wenn Personen benannt werden, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen und dem Antrag Einverständniserklärungen der benannten Personen beigefügt werden. (3) Ein vorläufiger Gläubigerausschuss ist nicht einzusetzen, wenn der Geschäftsbetrieb des Schuldners eingestellt ist, die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Hinblick auf die zu erwartende Insolvenzmasse unverhältnismäßig ist oder die mit der Einsetzung verbundene Verzögerung zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt. (4) Auf Aufforderung des Gerichts hat der Schuldner oder der vorläufige Insolvenzverwalter Personen zu benennen, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 133 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. vorläufiger Gläubigerausschuss Gesetzesbegründung Weichen für erfolgreiche Unternehmensfortführung regelmäßig unmittelbar nach Antrag gestellt frühzeitige Mitwirkung der Gläubiger erforderlich vorl. GlA war bisher nicht normiert Mitglied kann auch PSVaG sein, der erst mit Verfahrenseröffnung Gläubiger wird vorl. GlA soll zukünftig das Instrument für frühzeitigen Einfluss der Gläubiger auf Verwalterauswahl, die Anordnung der Eigenverwaltung und die Bestellung des Sachwalters sein bei Erreichen der Schwellenwerte des § 22a I InsO (= § 267 I HGB) ist ein vorl. GlA zu bestellen (obligatorischer GlA) bei Eigenantrag soll wegen der nach § 13 I 3 InsO beizufügenden Verzeichnisse die Einsetzung eines vorl GlA so zügig erfolgen können, dass eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage nicht zu befürchten ist Benennungspflicht nach § 22a IV InsO - Auswahlermessen des InsG © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 134 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. Gläubigerausschuss Aufgaben - Mitwirkung bei Auswahl des Insolvenzverwalters, § 56a InsO - Unterstützung und Überwachung des IVw (§ 69 S.1 InsO) - - Informations- und Prüfungsrechte (§ 69 S.2 InsO) - Stellungnahme im Berichtstermin, § 156 II 1 InsO - Anhörung bei Verfahrenseinstellung (§ 214 II InsO) - Stellungnahme zur Schlussrechnung des IV (§ 66 II InsO) - Informationsrecht während Planüberwachung (§ 261 II InsO) - Anzeigepflicht des IVw bei Eigenverwaltung (§ 274 III InsO) - Information über die Vergütungsfestsetzung (§ 64 II InsO) - Information über Verfahrensaufhebung im Planverfahren (§ 258 III InsO) Mitwirkung bei der Aufstellung eines Insolvenzplans (§ 218 III InsO) - Zustimmung zum Antrag des IVw auf Planzurückweisung (§ 231 II InsO) - Fortsetzung der Verwertung im Planverfahren (§ 233 I InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 135 B. - Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. Gläubigerausschuss Zustimmung bei wichtigen Geschäften für Gläubiger bei Geschäften besonderer Bedeutung (§ 160 I, II InsO), z.B. Abschluss eines Sozialplans Verzicht auf erhebliche Ansprüche Gründung von Gesellschaften - Geschäftsveräußerung oder -stilllegung, § 158 InsO bei Verteilungen (§ 187 III 2 InsO) bei Festlegung der Quote für Abschlagsverteilungen (§ 195 I 1 InsO) Unterhaltsgewährung (§ 100 II 1 InsO) Bestimmung der Hinterlegungsstelle (§ 149 I InsO) Verletzung des Zustimmungserfordernis Rechtshandlung bleibt im Außenverhältnis wirksam (§ 164 InsO) ggfls. Haftung des Insolvenzverwalters © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 136 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. Gläubigerausschuss Haftung (§ 71 InsO) - Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht - Verschulden = Vorsatz oder Fahrlässigkeit - - eigenes Verschulden des Gläubigerausschusses oder seiner Mitglieder - Fremdverschulden, das § 278 BGB den Ausschussmitgliedern zuzurechnen ist Kausalität - - (+) wenn bei pflichtgemäßen Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre Verjährungsbeginn? - Ausschlaggebend für Verjährungsbeginn ist die Kenntniserlangung durch Sonderverwalter oder neu bestellten Ivw (BGH, Urt. v. 8.5.2008 - IX ZR 54/07 - NZI 2008, 491) - tatsächliche Verhinderung des Vorverwalters aufgrund Interessenkollision: er muss bei erfolgreicher Inanspruchnahme des GlA wegen Verletzung der Aufsichtspflicht einen Ausgleichsanspruch nach § 426 II BGB fürchten. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 137 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. Gläubigerausschuss Anfechtbarkeit der Auswahl der Mitglieder des vorl GlA durch das Insolvenzgericht? LG Kleve, Beschl. v. 4.4.2013 – 4 T 32/13 - ZIP 2013, 992 § 21 I 2 InsO erfasst nur das „ob“ der Bestellung eines vorläufigen GlA, nicht die Auswahl der Mitglieder. Besetzung des vorl GlA ist gem. § 21 II S.1 Nr. 1a Halbs. 1 i.V.m. § 67 II InsO dem InsG zugewiesen InsG ist an die Vorschläge gem. § 22a II, IV InsO nicht gebunden, deshalb Auswahlermessen § 6 I InsO schließt einen weitergehenden Rechtsschutz aus. Anfechtbarkeit der Auswahlentscheidung würde zu schädlichen Verfahrensverzögerungen führen Rechtsbeschwerde wurde zugelassen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 138 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. Gläubigerausschuss Fall: Das zum Kassenprüfer ernannte Mitglied des GlA ordnet eine Kassenprüfung an. IVw weigert die Herausgabe der prüfungsrelevanten Unterlagen und bietet stattdessen die Einsichtnahme in die Unterlagen am Ort ihrer Aufbewahrung an. Kassenprüfer beantragt, das InsG möge den IVw anweisen, ihm die Unterlagen auszuhändigen – hilfsweise ihm eine vollstreckbare Ausfertigung einer Urkunde über seine Bestellung zum Mitglied des Gläubigerausschusses zu erteilen. Das InsG und das Beschwerdegericht haben diesen Antrag zurückgewiesen. Fragen Wäre eine solche Entscheidung (GesO) auch unter Geltung der InsO möglich? Hat der GlA Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 139 B. Einführung in das Insolvenzrecht V. Die Organe der Gläubiger 2. Gläubigerausschuss BGH, Beschl. v. 29.11.2007 - IX ZB 231/06 - NZI 2008, 181 Nach InsO kein Rechtsmittel gegen Nichtvornahme aufsichtsrechtlicher Maßnahmen § 6 I InsO, aber Rechtspflegererinnerung (§ 11 II RpflG) Mitglieder des GlA sind zur Kassenprüfung berechtigt und verpflichtet (§ 69 S.2 InsO ) nach § 88 II 2 KO 1x Monat Die Kassenprüfung darf sich nicht nur auf die Barbestände beschränken, sondern muss sich auch auf die Konten und Belege erstrecken § 69 S.2 InsO – Recht zur Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere des IVw grundsätzlich am Verwahrungsort, eine Herausgabe oder Übersendung der Unterlagen ist von dem Begriff „einsehen“ nicht umfasst Gefahr des Verlustes, der Manipulation oder der verzögerten Rückgabe Anders, wenn das Mitglied des GlA darlegt und glaubhaft macht, dass es die Kasse dort, wo die Unterlagen verwahrt werden, nicht prüfen kann Kassenprüfung ist gesetzliche Pflicht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 140 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Insolvenzantrag 1. Zulässigkeit des Antrags 2. Begründetheit des Antrags II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit 2. Drohende Zahlungsunfähigkeit 3. Überschuldung III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 1. Amtsermittlung durch das Insolvenzgericht 2. Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, §§ 21 ff. InsO 3. Insolvenzgeld-Vorfinanzierung IV. Der Eröffnungsbeschluss © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 141 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag § 13 I 1 InsO: „Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet.“ Antragsverfahren, kein Amtsverfahren zu unterscheiden: Zulassungsverfahren Prüfung, ob ein zulässiger Insolvenzantrag vorliegt es gilt der zivilverfahrensrechtliche Beibringungsgrundsatz liegt ein zulässiger Gläubigerantrag vor, ist der Schuldner anzuhören (§ 14 II InsO) Eröffnungsverfahren Prüfung der Begründetheit des Insolvenzantrags es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 142 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag Ruhenlassen des Insolvenzantrages? BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05 - ZIP 2006, 1261 (Tz.12) Das InsG kann auf Wunsch des Antragstellers die Behandlung des Antrags kurzfristig zurückstellen Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Antrag erst mit dem Zeitpunkt als gestellt gilt, zu dem das InsG mit seiner Bearbeitung beginnt. Bittet der Antragsteller um kurzfristige Zurückstellung der Behandlung, ist dies regelmäßig nur eine unverbindliche Anregung, welche die Wirksamkeit des Antrags nicht berührt. Ein Insolvenzantrag, der nur mit der Maßgabe gestellt würde, dass er zunächst nicht bearbeitet wird, wäre unzulässig. Der Insolvenzantrag kann weder bedingt noch befristet gestellt werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 143 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit Zuständigkeit des Gerichts Sachliche Zuständigkeit (§ 2 InsO) Grundsatz der Zuständigkeitskonzentration Amtsgericht im Bezirk eines Landgerichts Ausnahmen (§ 2 II InsO) keine Änderung durch das ESUG Örtliche Zuständigkeit (§ 3 InsO) ausschließliche Zuständigkeit abweichende Vereinbarung unzulässig (§ 4 InsO iVm § 40 II Nr.2 ZPO) Grundsatz: allgemeiner Gerichtsstand (§§ 12 ff. ZPO) bei natürlichen Personen: Wohnsitz (§ 13 ZPO) bei juristischen Personen: Sitz (§ 17 ZPO) Vorrang des COMI des Schuldners (§ 3 I 2 InsO) kein Wahlrecht entspricht Art. 3 EuInsVO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 144 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit Das Land hatte wegen Abgabenschulden eines Schuldners beim AG Hanau Insolvenzantrag gegen den Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt. Im Bezirk des AG Hanau leben die Ehefrau des Schuldners und der gemeinsame eheliche Sohn. In der Gemeinde waren auch eine Reihe von Fahrzeugen des Schuldners, u. a. ein PKW der Marke Rolls Royce zugelassen. Dem Eröffnungsantrag ist der Schuldner mit der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen AG Hanau entgegengetreten, da er seinen Lebensmittelpunkt nach Italien verlegt habe und von seiner Ehefrau getrennt lebe. Das InsG hat einen vorlIVw mit Zustimmungsvorbehalt bestellt, den es ermächtigt hat, Auskünfte bei Banken einzuholen. Dagegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt Fall: © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 145 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 164/06 - ZIP 2008, 878: Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anknüpfungsmerkmale zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des InsG gem. § 3 InsO ist der Eingang des Antrags Zuständigkeit bleibt bestehen, wenn Wohnsitz/COMI nach Antragstellung verlegt = perpetuatio fori (§ 4 InsO iVm § 261 III Nr.2 ZPO) Anordnung von Maßnahmen nach § 21 InsO setzt grundsätzlich einen zulässigen Insolvenzantrag voraus nach dem Wortlaut des § 21 I InsO aber nicht vorausgesetzt Bei zweifelhaftem Gerichtsstand können wegen berechtigter Sicherungsinteressen der Gl Maßnahmen nach § 21 InsO vor der Feststellung der Zulässigkeit des Antrags zulässig sein Liegen Anknüpfungspunkte für die Frage nach der Zulässigkeit des Antrags wie bei der örtl und der internat Zuständigkeit in der Sphäre des Schuldners und trägt dieser zur Aufklärung nicht bei, kann es für die Anordnung der Maßnahme im Einzelfall ausreichen, dass die nicht sicher zu verneinende Zulässigkeitsvoraussetzung noch zu prüfen ist © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 146 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit COMI- „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ EuGH, Urt. v. 20.10.2011 – Rs C-396/09 - ZIP 2011, 2153 Auslegung des Art. 3 I EuInsVO unter Bezugnahme auf das Unionsrecht COMI ist der Ort der Hauptverwaltung der Gesellschaft, wie er anhand von objektiven und durch Dritte feststellbaren Faktoren ermittelt werden kann. Befindet sich der Ort der Hauptverwaltung einer Gesellschaft nicht an ihrem satzungsmäßigen Sitz, können das Vorhandensein von Gesellschaftsaktiva und das Bestehen von Verträgen über deren finanzielle Nutzung in einem anderen Mitgliedstaat als dem des satzungsmäßigen Sitzes der Gesellschaft nur dann als zur Widerlegung dieser Vermutung ausreichende Faktoren angesehen werden, wenn eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren die von Dritten überprüfbare Feststellung zulässt, dass sich der tatsächliche Mittelpunkt der Verwaltung und der Kontrolle der Gesellschaft sowie der Verwaltung ihrer Interessen in diesem anderen Mitgliedstaat befindet. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 147 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit Wird der satzungsmäßige Sitz einer Schuldnergesellschaft verlegt, bevor ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wird, wird vermutet, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen dieser Gesellschaft am Ort ihres neuen satzungsmäßigen Sitzes befindet. Der Begriff „Niederlassung“ i.S.v. Art. 3 II EuInsVO ist dahin gehend auszulegen, dass er die Existenz einer auf die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgerichteten Struktur mit einem Mindestmaß an Organisation und einer gewissen Stabilität erfordert. Das bloße Vorhandensein einzelner Vermögenswerte oder von Bankkonten genügt dieser Definition grundsätzlich nicht. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 148 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit COMI bei eingestelltem Geschäftsbetrieb ? BGH, Beschl. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10 - ZIP 2012, 139: Die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft mit Sitz im Ausland, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat und nicht abgewickelt wird, richtet sich danach, wo sie bei Einstellung ihrer Tätigkeit den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen hatte so ist sichergestellt, dass an dem Ort das Insolvenzverfahren durchgeführt wird, zu dem die Gesellschaft objektiv und für Dritte erkennbar die engsten Beziehungen hat © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 149 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit Insolvenzfähigkeit des Schuldners, §§ 11, 12 InsO welcher Rechtsträger oder welche Vermögensmasse kann einem Insolvenzverfahren unterworfen werden natürliche Personen juristische Personen auch: nicht rechtsfähiger Verein (§ 11 I 2 InsO) auch: aufgelöste Gesellschaft bis zur Vermögensverteilung (§ 11 III InsO) Personengesellschaften (§ 11 II Nr. 1 InsO) Vermögensmassen (§ 11 II Nr.2 InsO) Nachlass Gütergemeinschaft nicht: Bund, Land (§ 12 I Nr.1 InsO); jur. Person des öffR. (§ 12 I Nr.2 InsO); kirchliche Körperschaften des öffR. aber: IHK, RAK sind insolvenzfähig © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 150 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit Antragsberechtigung Schuldner, § 13 InsO Antragspflicht bei jurPers (§ 15a InsO) unverzüglich, max. innerhalb von 3 Wochen; auch für ausländische Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland Gläubiger, §§ 13,14 InsO, wenn Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes Anforderungen nach den Umständen des Einzelfalls wenn Eröffnungsgrund aus einer einzigen und bestrittenen Forderung des Antragstellers, dann muss die Forderung bewiesen werden (BGH, Beschl. v. 14.12.2005 - IX ZB 207/04 - ZIP 2006, 247) z.B. durch deklaratorisches Schuldanerkenntnis (BGH, Beschl. v.12.03.2009 - IX ZB 157/08) Eine nicht titulierte Forderung ist nach Grund und Höhe schlüssig darzulegen. Die Glaubhaftmachung hat sich auf die tatsächlichen Voraussetzungen zu beziehen (BGH, Beschl.v. 13.6.2006 - IX ZB 88/05). © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 151 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit rechtliches Interesse an der Eröffnung nur solche Gläubiger sollen Anträge stellen können, die im Falle der IE als InsGl beteiligt wären, und um missbräuchlichen Anträgen vorzubeugen, die etwa zu dem Zweck gestellt werden, Zahlungen solventer, aber zahlungsunwilliger Schuldner zu erzwingen regelmäßig, wenn dem Gläubiger eine Forderung zusteht und dieser einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht (BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05 - NZI 2006, 588, 589) kein Rechtsschutzinteresse wenn der Antrag allein zu dem Zweck gestellt wird, einen Konkurrenten aus dem Wettbewerb zu entfernen (BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 214/10 - ZIP 2011, 1161) Gl will Vermögensgegenstände des Schuldners im Eröffnungsverfahren ermitteln lassen, um dann zum Nachteil anderer Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens die ZV zu betreiben (BGH, Beschl. v. 15.7.2004 – IX ZB 280/03 - ZVI 2004, 753) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 152 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit Fall Fremdantrag antragstellende Gläubiger hat Forderungen iHv 33.000 €. SV bejaht in seinem Gutachten die Zahlungsunfähigkeit und führt aus, mit dem Anfechtungsanspruch gem. §§ 129, 131 I Nr.1 InsO von € 7.200,- gegen den Antragsteller könnten die Verfahrenskosten gedeckt werden Gl lehnt es ab, dem InsG die anfechtbaren Zwangsvollstreckungserlöse mitzuteilen InsG weist Antrag als unzulässig abgewiesen und legt dem Gl die Verfahrenskosten auf Gl missbraucht Eröffnungsverfahren in unredlicher Weise um weiteres Vermögen des Schuldners ermitteln zu lassen es geht dem Gl gar nicht um die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, da er ja ohne großen Aufwand die angeforderten Auskünfte erteilen könne © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 153 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit BGH, Beschl. v. 7.2.2008 - IX ZB 137/07 – ZIP 2008, 565 Tatbestandsmerkmal „rechtliches Interesse“ soll sicherzustellen, dass nur InsGl Anträge stellen und missbräuchlichen Anträgen vorbeugen. In aller Regel wird einem Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht abgesprochen werden können InsO kennt keine Auskunftspflichten möglicher Anfechtungsschuldner gegenüber InsG auch im Zivilprozess gibt es keine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht; es gilt der Beibringungsgrundsatz: keine Partei hat dem Gegner das Material für seinen Prozesssieg zu verschaffen, wenn nicht materiell-rechtliche Auskunfts- und Vorlagepflichten bestehen oder die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen dieses gilt ebenfalls, wenn die Erfolgsaussichten eines Anfechtungsprozesses nur eine Vorfrage bei der Prüfung der Verfahrenskostendeckung sind Verfahrenskostendeckung liegt nicht im Verantwortungsbereich des Gläubigers © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 154 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit Fall: Gl hat Darlehensforderung über 103.880,88 € zzgl. Zinsen gegen Sch aus notarieller Urkunde vom 1.12.1998. Sch hat sich in der Urkunde der sofortigen ZV in sein gesamtes Vermögen unterworfen. Gl stellte am 27.8.2008 wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag. Sch erhob am 4.2.2009, verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde, Vollstreckungsabwehrklage. Das LG hat die Vollstreckung am 2.3.2009 gegen Sicherheitsleistung von 5.000 € einstweilen eingestellt. Diesen Beschluss hat das LG durch Beschluss vom 29.4.2009 dahin abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistungen i.H. v. 90.000 € vorläufig eingestellt wird. InsG hat den Insolvenzantrag durch Beschluss vom 1.4.2009 mit Rücksicht auf die von Sch erbrachte Sicherheitsleistung von 5.000 € als unzulässig abgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gl ist vom LG zurückgewiesen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt G den Antrag auf Insolvenzeröffnung weiter. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 155 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 124/09 - ZIP 2010, 291: Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gl abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein; Glaubhaftmachung nicht ausreichend durch die Vorlage der vollstreckbaren Urkunde nicht: wenn Schuldner die Sicherheitsleistung tatsächlich erbracht hat Fehlt es hingegen an einer Sicherheitsleistung, kann der Insolvenzantrag auf die dann weiter vollstreckbare Forderung gestützt werden. BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 141/06 - ZIP 2007, 1226: die Berechtigung einer vom Schuldner erhobenen Verjährungseinrede kann grds. nur im Prozesswege überprüft werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 156 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit (ESUG) (1) „Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. 3Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. 4Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden 1. die höchsten Forderungen, 2. die höchsten gesicherten Forderungen, 3. die Forderungen der Finanzverwaltung, 4. die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie 5. die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung. 5Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. 6Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn 1. der Schuldner Eigenverwaltung beantragt, 2. der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder 3. die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde. 7Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach Satz 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 157 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit (ESUG) Gesetzesbegründung die Angaben sind von zentraler Bedeutung für das weitere Verfahren insbes. für die Einsetzung eines vorl GlA bereits nach § 20 InsO umfangreiche Auskunftspflichten § 305 I Nr. 3 InsO bei Fehlen des Gläubiger- und SchuldnerVz (S.3) - Insolvenzantrag unzulässig Ausn. trotz gebührender Anstrengung nicht vollständig Höhe der Forderungen kann geschätzt werden vollständige Bezifferung inkl. Zinsen ist nicht erforderlich die besonderen, weiteren Angaben gem. S.4-5 sollen dem InsG die Grundlage geben, einen vorl Gl bestellen zu können nur unter den Voraussetzungen des S.6 obligatorisch © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 158 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit (ESUG) Erklärung der Richtigkeit und Vollständigkeit es soll verhindert werden, dass Schuldner bestimmte Informationen zurückhält. förmliche Versicherung an Eides Statt wird als nicht erforderlich angesehen. keine Prüfungspflicht des Insolvenzgerichts Konkretisierung der richtigen Insolvenzantragstellung i.S.d. §15a IV InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 159 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 1. Zulässigkeit (ESUG) Kritik Häufig haben weder Schuldner noch seine Buchhaltung einen genauen Überblick darüber, wer alles eigentlich „Gläubiger“ ist Schuldner müsste erst Finanzbuchhaltung auf den aktuellen Stand bringen. In der Praxis häufig nicht möglich, weil Steuerberater nicht bezahlt werden kann Geforderte Versicherung kann Schuldner dann nicht abgeben Die von dem Schuldner zu erteilenden Informationen spielen insbesondere im Zusammenhang mit § 15a IV InsO eine Rolle. Bei Unvollständigkeit liegt möglicherweise ein unzulässiger Eigenantrag vor, der den Vorwurf der Insolvenzverschleppung nicht entkräften kann. Allzu große Gründlichkeit ist hier jedoch unnötig, da vereinzelte Unrichtigkeiten die Zulässigkeit des Antrags nicht tangieren und die Nichtberücksichtigung einzelner Gläubiger nicht anfechtbar ist Außerdem Zeitverzögerung: Legt der Schuldner bei der Antragsstellung kein Verzeichnis vor, so ist ihm eine Frist zur Nachreichung zu setzten (§ 4 InsO, § 139 ZPO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 160 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Eröffnungsantrag 2. Begründetheit wenn tatsächlich ein Eröffnungsgrund vorliegt Amtsermittlungsprinzip, § 5 I InsO Beauftragung eines Sachverständigen (Insolvenzgutachters) (zwingende) Abweisung des begründeten Insolvenzantrages mangels Masse (§ 26 I InsO), wenn Verfahrenskosten nicht gedeckt sind Insolvenzantrag ist begründet, wenn ein Eröffnungsgrund (§ 16 InsO) „Insolvenz“grund greift zu kurz lat. insolvens = nicht-lösend = Schuldschein nicht einlösend = zahlungsunfähig Eröffnungsgründe, §§ 16 ff. InsO (numerus clausus) Bestimmen Zeitpunkt, in dem Schuldner mit der privatautonomen Gestaltung seiner Vermögensverhältnisse gescheitert und Verfügungsrecht über Schuldnervermögen auf die Gläubigergesamtheit (vertreten durch den IVw) übergeht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 161 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Allgemeiner Insolvenzgrund (§ 17 I InsO) Legaldefinition des § 17 II 1 InsO: „Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu bezahlen.“ Vermutungswirkung der Zahlungseinstellung (§ 17 II 2 InsO): „Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“ nicht bloße Zahlungsstockung = wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen - 3 Wochen (BGH, Urt. v. 24.5.2005 - IX ZR 123/04 - NJW 2005, 3062) = wenn es dem Schuldner über mehrere Monate nicht gelingt, seine fälligen Verbindlichkeiten spätestens innerhalb von drei Wochen auszugleichen, und die rückständigen Beträge insgesamt so erheblich sind, dass von lediglich geringfügigen Liquiditätslücken keine Rede sein kann (BGH, Urt. v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11 - ZIP 2012, 2355 Tz. 22). nicht bei Zahlungsunwilligkeit © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 162 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Nicht nur geringfügige Liquiditätslücken (BGH, Urt. v. 24.5.2005 - IX ZR 123/04 - NJW 2005, 3062): Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10% erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 163 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Ermittlung durch stichtagbezogene Liquiditätsbilanz (BGH) Geldbestände + kurzfristig verfügbare finanziellen Mittel ./. Fällige Verbindlichkeiten >0 Liquiditätsbilanz nur erforderlich, wenn sich die Zahlungsunfähigkeit nicht anderweitig feststellen lässt (BGH, Urt. v. 14.5.2009 - IX ZR 63/08 - ZIP 2009, 1235) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 164 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Zahlungseinstellung (BGH, Urt. v. 30.6.2011 - IX ZR 134/10 - NZI 2011, 589) dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen (st. Rspr.). Beweisanzeichen: tatsächliche Nichtzahlung erheblicher Teil der fälligen Verbindlichkeiten jahrelange Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen Nichtzahlung sowie schleppende Zahlung von Steuerforderungen sich immer wieder erneuernden Forderungsrückstände Schiebt der Schuldner ständig einen Forderungsrückstand vor sich her, den er nur schleppend abträgt, verwirklicht sich ein typisches Merkmal einer Zahlungseinstellung (BGH, Urt. v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11 - ZIP 2012, 2355 Tz.19). verschiedenen Vollstreckungsverfahren © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 165 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Nichteinlösung von Schecks mangels Deckung Haben im maßgeblichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen (BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222) mehrere gewichtige Beweisanzeichen Bewertung, dass eine Zahlungseinstellung vorliegt Zahlungsunfähigkeit, § 17 I 2 InsO Prozessgegner: Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis entgegenzutreten, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgeblichen Zeitraum für den Schuldner eine Deckungslücke von weniger als 10 % ausweist © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 166 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Die „große Bugwelle“ nach BGH – imparitätische Liquiditätsbilanz, in der die aktuell verfügbaren und kurzfristig innerhalb von 3 Wochen verfügbar werdenden Mittel in Beziehung zu den an demselben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten gesetzt werden Aktiva I Vorhandene liquiden Mittel (Stichtagsliquidität) + Aktiva II Einzahlungen der nächsten 3 Wochen = Liquidität ./. Passiva I fällige Verbindlichkeiten ./. Passiva II Fälligen Verbindlichkeiten der nächsten 3 Wochen Deckungsgrad © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 167 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Die „kleine Bugwelle“ 10%-Grenze des BGH wird dauerhaft nicht überschritten der BGH fordert keine 100%-igen Deckung der Verbindlichkeiten als Merkmal für das Nichtvorhandensein der Zahlungsunfähigkeit © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 168 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Feststellung des Ausnahmefalls BGH: Zahlungsunfähigkeit, wenn die Liquiditätslücke ≥ 10%, „sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist“. keine höchstrichterlicher Judikatur zur Auslegung dieser Regel „demnächst“? 3 Wochen gem. § 15a I InsO? bis zu 3 Monate, nicht mehr als 6 Monate (Fischer) „vollständig oder fast vollständig“? Einzelfall; >1 % nur ausnahmsweise „Zumutbarkeit für die Gläubiger“? frühere Insolvenzeröffnung kein Vorteil für die Gläubiger z.B. keine schnellere bzw. betragsmäßig höhere Befriedigung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 169 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Fällig oder nicht fällig? Richtet sich vorrangig nach den vertraglichen Vereinbarungen Sonst sofortige Fälligkeit (§ 271 I InsO) der Forderungen aber: für Zahlungsunfähigkeit erforderlich, dass der Gläubiger die Forderung „ernsthaft einfordert“ Zweck, solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich - also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung - gestundet sind © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 170 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Fall: FA stellt wegen rückständiger Abgabenforderungen von ca. 78.000 € gegen F, einen selbständig tätigen Friseurmeister, am 12.7.2006 Eröffnungsantrag. Im Insolvenzgutachten wurde festgestellt Aktiva von 34.581,39 € fällige Verbindlichkeiten von 208.657,95 € StB hatte mit F vereinbart, dass dieser die Honorarforderung von 28.749,47 nur im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten begleichen muss Forderung fällig und nicht gestundet StB will nur eine nachrangige Befriedigung im Rahmen der jeweiligen finanziellen Möglichkeiten des F erhalten; aus diesem Grunde kann die Forderung insoweit nicht zur Begründung einer Zahlungsunfähigkeit herangezogen werden. Darlehensforderung von 48.000 € der Frau H. war bis zur Veräußerung einer Immobilie gestundet worden. Forderung auf Rückzahlung des Darlehens nach § 271 BGB nicht fällig © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 171 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Die Ehefrau hat F die Mietforderung von ca. 142.000 € aus steuerlichen Gründen gestundet, so dass bei F ein Verlustvortrag entstand und die Ehefrau die Zahlung nicht begehrte, um zu versteuerndes Einkommen zu vermeiden es handelt sich nicht um eine fällige Forderung i.S.v. § 17 Abs. 2 InsO, wenn zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses Einigkeit darüber besteht, dass zwar Forderungen entstehen, aber nicht beglichen werden sollen. unerheblich, ob intendierte steuerliche Handhabung abgabenrechtlich korrekt sei und die beabsichtigten Wirkungen zeitigt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 172 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Beseitigung der ZU durch Stillhalteversprechen der Bank Stundung der Bankkredite reicht nicht aus, wenn die ZU bereits eingetreten ist vielmehr Schuldner muss Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen haben Die Beweislast trägt derjenige, der sich auf den Wegfall der ZU beruft © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 173 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit durch Patronatserklärungen „Weiche“ Patronatserklärung bloße Informationen über die Zahlungsfähigkeit einer Tochtergesellschaft oder allenfalls moralisch verpflichtende Goodwill-Erklärungen keinen rechtsgeschäftlichen Charakter „Harte“ Patronatserklärung Verpflichtung entweder im Innenverhältnis zur Tochtergesellschaft oder im Außenverhältnis zu deren Gläubiger, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren finanziellen Verbindlichkeiten zu genügen. rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Erfüllung der Verbindlichkeiten der Tochter Nur die konzerninterne harte Patronatserklärung kann die Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft beseitigen bzw. vermeiden Kündigungsrecht oder Laufzeit mit ex nunc- Wirkung kann vereinbart werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 174 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 2. drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO § 18 II InsO: „Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.“ Zweck: Zugang zu einem Sanierungsverfahren unter Aufsicht des Insolvenzgerichts Insolvenzgrund nur bei Eigenantrag Bei KapGes: Insolvenzantrag von allen GF/Vorständen, wenn nicht Einzelvertretungsberechtigung (§ 18 III InsO) Abstellen auf zukünftige Liquiditätssituation Finanzplan Decken die Zahlungsmittel im maßgeblichen künftigen Zeitpunkt voraussichtlich nicht wenigstens 90 % der fälligen Verbindlichkeiten, kann Zahlungsunfähigkeit drohen, sofern die Liquiditätslücke länger als drei Wochen andauern würde. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 175 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 3. Überschuldung nur für juristische Personen (GmbH, AG, GenG) Legaldefinition des § 19 II 1 InsO: „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.“ Überschuldungsbilanz (rechnerische Überschuldung) + negative Fortführungsprognose (v. 18.10.08 – 31.12.2013) Wiedererstarken des zweistufigen Überschuldungsbegriffs des BGH Ab 1.1.2014: positive Fortführungsprognose (wieder) nur bedeutsam für den Wertansatz in der Überschuldungsbilanz (Liquidations- oder Fortführungswert) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 176 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 3. Überschuldung Fortführungsprognose = Zahlungsfähigkeitsprognose subjektiv den Willen zur Unternehmensfortführung objektiv Überlebensfähigkeit, was durch einen Ertrags- und Finanzplan mit einem schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept für einen angemessenen Prognosezeitraum belegt wird (BGH, Beschl. v. 9.10.2006 - II ZR 303/05 - NZI 2007, 44) z.B. konkrete Veräußerungsmöglichkeit für das Unternehmen als Ganzes oder für Unternehmensteile (OLG Hamburg, Urt. v. 4.7. 2008 - 11 U 278/05 -) positive Fortführungsprognose, wenn sich aus Ertrags- und Finanzplanung die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass das Unternehmen mittelfristig Überschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können. Prognosezeitraum: laufendes und das folgende Geschäftsjahr verringerter Gläubigerschutz © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 177 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 3. Überschuldung Verspätete Feststellung der Überschuldung Haftungsgefahren unterhalb der Schwelle der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung nach § 64 GmbHG, § 92 II AktG reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus; das Verschulden des Geschäftsführungsorgans wird dann vermutet nach § 823 II BGB i.V.m. § 15a I InsO, § 64 GmbHG, § 92 II AktG gilt ein objektiver Verschuldensmaßstab nach § 43 I GmbHG, § 93 I AktG - Pflicht zur ordnungsmäßigen Unternehmensleitung Selbstprüfungspflicht zur Krisenfrüherkennung regelmäßigen Bilanzanalyse u Prüfung der aktuellen betriebswirtschftl. Daten in die Zukunft gerichtete Finanzplanung Beobachtung des Unternehmensumfeldes Einrichtung einer Organisation zur Krisenfrüherkennung (Risk Management) Spätestens bei ersten Krisenanzeichen – Pflicht zur Aufstellung einer Zwischenbilanz oder eines Vermögensstatus © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 178 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 3. Überschuldung Fehler bei der Prüfung der Fortführungsprognose erhebliche Haftungsgefahren für den Berater Fehler Gefahr der Schmälerung der Haftungsmasse BGH: subj. Fortführungskraft und obj. Fortführungsfähigkeit Prognosezeitraum: ~ 3 Jahre Prognosewahrscheinlichkeit: > 50 % IDW-Standard S 6 unzulässig ist ungeprüfte und nicht bewertete Übernahme von Daten, Informationen und Unterlagen des Unternehmens ohne eigene kritische Würdigung eigenständige Beurteilung der vorgelegten Ist-Daten bei Zweifeln Plausibilitätsprüfungen umfangreiche Dokumentation der Planungsprämissen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 179 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren II. Eröffnungsgründe 3. Überschuldung Gesellschafterdarlehen in der Überschuldungsbilanz Vor MoMiG: Bei Krise der Gesellschaft Umqualifizierung in eigenkapitalersetzende Darlehen Passivierung in Überschuldungsbilanz, wenn nicht qualifizierter Rangrücktritt Heutige Rechtslage: Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen nicht wie haftendes Eigenkapital Rückzahlung/Sicherheiten Anfechtung nach § 135 I InsO Gesellschafterdarlehen sind in der Insolvenz nachrangige Verbindlichkeiten (§ 39 I Nr. 5 InsO) in Überschuldungsbilanz zu passivieren Ausnahme: Vereinbarung eines ausdrücklichen, qualifizierten Rangrücktritts (§ 19 II InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 180 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 1. Amtsermittlung durch Insolvenzgericht Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I 1 InsO): „Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind.“ gesamte Dauer des Insolvenzverfahrens beginnend ab Zulässigkeit des Insolvenzantrages Sachverständigen- und Zeugenbeweis, § 5 I 2 InsO alle sonstigen Beweismittel (§ 4 InsO iVm §§ 371 ff ZPO) Grds. kein Rechtsmittel gegen Amtsermittlungsmaßnahmen (§ 6 I InsO) z.B. nicht gegen die Bestellung eines Insolvenzgutachters (BGH, Beschl. v. 14.7.2011 - IX ZB 207/10) Ausn., d.h. § 21 I 2 InsO analog wenn das InsG im Eröffnungsverfahren eine Maßnahme anordnet, die von vorneherein außerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse liegt und in den grundrechtlich geschützten räumlichen Bereich des Schuldners eingreift (BGH, Beschl. v. 4.3.2004 - IX ZB 133/03 - BGHZ 158, 212, 214 ff.) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 181 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 1. Amtsermittlung durch Insolvenzgericht Auskunftspflicht des Schuldners, § 20 I InsO alle Auskünfte, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind auch wenn diese geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen Beweisverwertungsverbot (§§ 20 I, 97 I 2 InsO) Vorrang der Gläubigerrechte vor dem nemo tenetur se ipsum accusare - Grundsatz auch: Organ und Angestellte (§§ 20 I, 103 InsO Durchsetzung eidesstattliche Versicherung (§§ 20 I, 98 I InsO) Zwangshaft (§§ 20 I, 98 II, III InsO) Kostentragungslast (§§ 20 I, 101 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 182 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 1. Amtsermittlung durch Insolvenzgericht Reichweite des Beweisverwertungsverbots? nicht für Auskünfte ggü Gutachter (OLG Jena, Beschl. v. 12.8.2010 − 1 Ss 45/1 - NZI 2011, 382; OLG Celle, Beschl. v. 19.12.2012 – 32 Ss 164/12 - ZIP 2013, 1040) Wortlaut: Gutachter ist in § 97 I 1 InsO nicht genannt. Die InsO räumt dem Gutachter im Eröffnungsverfahren keine Sonderrechte ein. Rechtsstellung des Gutachters nach § 4 InsO iVm §§ 144, 402 ff. ZPO Gutachter hat keine Zwangsbefugnisse gegenüber dem Insolvenzschuldner nicht für Sachverhalte, die der Verwalter selbst ermittelt Geschäftsunterlagen, Handelsbücher, Bilanzen. etc. vom Insolvenzschuldner aufgrund handelsrechtlicher Vorschriften erstellt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 183 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 1. Amtsermittlung durch Insolvenzgericht Auskunftspflicht nach § 20 I InsO ./. ärztliche Schweigepflicht BGH, Beschl. v. 05.02.2009 - IX ZB 85/08 - NZI 2009, 396 Die Verpflichtung, dem Insolvenzverwalter die für die Durchsetzung privatärztlicher Honorarforderungen erforderlichen Daten über die Person des Drittschuldners und die Forderungshöhe mitzuteilen, besteht auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse. vorrangiges Interesse der Insolvenzgläubiger an einer Transparenz der Einnahmen ihres Schuldners ansonsten wäre der insolvente Arzt in der Lage, seine Einkünfte dauerhaft vor seinen Gläubigern zu verschleiern © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 184 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Generalklausel des § 21 I 1 InsO: „Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten.“ Zweck: Sicherung der Gläubigergleichbehandlung (par conditio omnium creditorum) Bestandserhaltung: Abwehr unkontrollierter Zugriffe der Gläubiger auf das Schuldnervermögen Wahrung von Sanierungschancen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 185 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Kein Entscheidungsermessen aber: Auswahlermessen Art und Dauer der Maßnahme Auswahl des Adressaten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BGH, Urt. v.18.7.2002 - IX ZR 195/01 - NZI 2002, 543, 54) Grenzen: Sicherungszweck Wirkungen darf nicht weiterreichen als die Verfahrenseröffnung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 186 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren IIi. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Einzelne Sicherungsmaßnahmen, § 21 II InsO: (Aufzählung ist nicht abschließend) Nr.1: Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, Nr. 1a: Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (ESUG) Nr.2: Anordnung allgemeines Verfügungsverbot oder eines Zustimmungsvorbehalts Nr. 3: Untersagung oder einstweilige Einstellung der Einzelzwangsvollstreckung, Nr. 4: vorläufige Postsperre, Nr. 5: Verwertungssperre Vorläufiger Insolvenzverwalter, § 21 II Nr. 1 InsO „starker“ vorlIVw §§ 21 II Nr.1, 22 I InsO „schwacher“ vorlIVw §§21 II Nr.1 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 187 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen „Starker“ vorl.IV Auswahl wie IV (§§ 21 II Nr.1, 56 I InsO Aufgaben (§ 21 II InsO): Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens Fortführung Schuldnerunternehmen Prüfung der Verfahrenskostendeckung Zutritts- und Einsichtsrecht, Auskunftspflicht des Schuldners (§ 22 III InsO) Begründung von Masseverbindlichkeiten (§ 55 II, IV InsO) Aufsicht durch das InsG (§§ 21 II Nr.1, 58 InsO) Haftung nach §§ 21 II Nr.1, 60, 61 InsO Schlussrechnungslegungspflicht (§§ 21 II Nr.1, 66 InsO) Vermögenverwalter i.S.d. § 34 III AO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 188 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen „Schwacher“ vorlIVw Auswahl wie IVw (§§ 21 II Nr.1, 56 I InsO) Zustimmungsvorbehalt ist absolutes Verfügungsverbot (§§ 24 I, 81 InsO) Aufgaben: Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens Weitere bestimmt das InsG (§ 22 II InsO) Zutritts- und Einsichtsrecht, Auskunftspflicht des Schuldners (§ 22 III InsO) Begründung von Masseverbindlichkeiten nur nach § 55 IV InsO Ausn.: Ermächtigung nach §§ 22 II, 55 II InsO Aufsicht durch das InsG (§§ 21 II Nr.1, 58 InsO) Haftung nach §§ 21 II Nr.1, 60, 61 InsO Schlussrechnungslegungspflicht (§§ 21 II Nr.1, 66 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 189 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Fall: Der Beklagte wurde zum vorlIVw mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Im Beschluss heißt es: „Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln, ist jedoch, unbeschadet der Wirksamkeit der Handlung, verpflichtet, diese Befugnis nur wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgabe schon vor der Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist.“ Der vorlIVw hatte der Fortführung des Schuldnerunternehmens in den gemieteten Räumen zugestimmt. Die laufende Pacht wurde nicht bezahlt. Später wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin verlangt vom Gericht die Feststellung, dass es sich bei der ihr für die Zeit zwischen Eröffnungsantrag und Insolvenzeröffnung zustehenden Pachtforderung um eine Masseforderung handelt. zu Recht? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 190 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen BGH, Urt. v. 18.07.2002 - IX ZR 195/01 - NZI 2002, 543: § 55 II 2 InsO ist grds. weder unmittelbar noch entsprechend auf Rechtshandlungen eines vorlIVw anzuwenden, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin nicht übergegangen ist. Erlässt das InsG im Eröffnungsverfahren kein allgemeines Verfügungsverbot, so ist eine dem vorlIVw erteilte umfassende Ermächtigung, „für den Schuldner zu handeln“, unzulässig; die Befugnisse des vorl. Zustimmungsverwalter muss das InsG selbst einzeln festlegen (§ 22 II InsO). © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 191 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Fall: 3.8.2004 Eigenantrag 6.8.2004 Anordnung der vorl. InsVw mit Zustimmungsvorbehalt und „Im Hinblick auf die beantragte Eigenverwaltung wird dem vorläufigen Verwalter das Recht eingeräumt, Mitglieder der Geschäftsführung, leitende Angestellte oder Prokuristen von ihren Aufgaben zu entbinden und freizustellen. Bis zur Freistellung getroffene Verfügungen des Freigestellten bleiben wirksam.“ „Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, hinsichtlich sämtlicher Betriebsgelände der Schuldnerin Betretungsverbote auszusprechen.“ 11.8.2004: der vorlIVw entbindet die beiden Geschäftsführer von ihren Ämtern und erteilt ihnen Hausverbot. Geschäftsführer erheben sofortige Beschwerde während des Beschwerdeverfahrens wird Insolvenzverfahren eröffnet © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 192 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04 - ZIP 2007, 438 sofortige Beschwerde setzt eine Beschwer voraus, die im Zeitpunkt der Entscheidung noch gegeben sein muss. Wegfall macht Rechtsmittel unzulässig; eine Sachentscheidung ist nicht mehr möglich Fortsetzungsfeststellungsantrag unzulässig, Verfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Sicherungsmaßnahme in InsO/ZPO nicht geregelt Ausn.: z.B. tiefgreifender Grundrechtseingriff Betretungsverbot fällt nicht in den Schutzbereich des Art.13 I GG Art 13 I GG verbietet, gegen den Willen des Wohnungsinhabers in dessen Wohnung einzudringen oder darin zu verweilen Betretungsverbote schränken demgegenüber das Besitzrecht des Berechtigten ein, es geht also um Besitzrecht und nicht Privatheit Ermächtigung zu Betretungsverbot ist nach § 22 II 1 InsO zulässig © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 193 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Entbindung von Geschäftsführung ist rechtswidrig Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat keinen Einfluss auf die gesellschafts-rechtliche Verfasstheit der betroffenen Gesellschaft Es bleibt auch bei der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für die Bestellung und die Abberufung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5 GmbHG), soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht. vorlIVw ist nicht berechtigt, einen Geschäftsführer abzuberufen; er kann allenfalls dessen Anstellungsvertrag kündigen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 194 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen BGH, Beschl. v. 24.09.2009 – IX ZB 38/08 - ZIP 2009, 2068 Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht ermächtigen, Räume eines am Eröffnungsverfahren nicht beteiligten Dritten zu durchsuchen keine Rechtsgrundlage in der InsO Bedürfnisse der Praxis genügen den Anforderungen des Art. 13 GG nicht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 195 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Verfügungsverbot (§ 21 II Nr. 2 InsO) erfasst alle Verfügungen im Rechtssinn Wirkungen (§ 24 I InsO iVm §§ 81, 82 InsO) allgemeines Verfügungsverbot § 22 I InsO: Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf vorlIVw Alle Verfügungen des Schuldners sind absolut unwirksam Schuldner verfügt als Nichtberechtigter absolutes Verfügungsverbot Zustimmungsvorbehalt (generell oder für bestimmte Verfügungen) Verfügungen des Schuldners ohne Zustimmung des vorlIVw sind absolut unwirksam dann verfügt Schuldner als Nichtberechtigter © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 196 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Schuldner begründet während der vorläufigen Insolvenzverwaltung ohne Zustimmung des vorl IV Arbeitsverhältnisse. wirksam, mit der Folge, dass die Lohnansprüche im eröffneten Insolvenzverfahren aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind? Verfügungsbeschränkung erfasst nicht Verpflichtungsgeschäfte offen gelassen: BAG (Beschl. v. 10.4.2008 - 6 AZR 368/07 - ZIP 2008, 1346) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 197 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen (vorlGlA) § 21 II Nr. 1a InsO (ESUG) „(2) Das Gericht kann insbesondere 1a. einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden.“ § 22a InsO (ESUG) „(1) Das Insolvenzgericht hat einen vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Absatz 2 Nummer 1a einzusetzen, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale erfüllt hat: 1. mindestens 4 840 000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs; 2. mindestens 9 680 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; 3. im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 198 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen (vorlGlA) (2) Das Gericht soll auf Antrag des Schuldners, des vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines Gläubigers einen vorläufigen Gläubigerausschuss nach § 21 Absatz 2 Nummer 1a einsetzen, wenn Personen benannt werden, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen und dem Antrag Einverständniserklärungen der benannten Personen beigefügt werden. (3) Ein vorläufiger Gläubigerausschuss ist nicht einzusetzen, wenn der Geschäftsbetrieb des Schuldners eingestellt ist, die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Hinblick auf die zu erwartende Insolvenzmasse unverhältnismäßig ist oder die mit der Einsetzung verbundene Verzögerung zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt. (4) Auf Aufforderung des Gerichts hat der Schuldner oder der vorläufige Insolvenzverwalter Personen zu benennen, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 199 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen (vorlGlA) Gesetzesbegründung Die Weichen für eine erfolgreiche Unternehmensfortführung regelmäßig in den ersten Wochen nach Antragstellung frühzeitige Mitwirkung der Gläubiger z.B. bei Unternehmenssanierung vorl GlA war bisher nicht normiert Mitglied kann auch PSVaG sein, der erst mit Verfahrenseröffnung Gläubiger wird vorl. GlA soll zukünftig das Instrument sein, um einen frühzeitigen Einfluss der Gläubiger auf Auswahl des Verwalters, die Anordnung der Eigenverwaltung und die Bestellung des Sachwalters sicherzustellen bei Erreichen der Schwellenwerte des § 22a I InsO (= § 267 I HGB) ist ein vorl. GlA zu bestellen bei Eigenantrag soll wegen der nach § 13 I 3 InsO beizufügenden Verzeichnisse die Einsetzung eines vorl GlA so zügig erfolgen können, dass eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage nicht zu befürchten ist Benennungspflicht nach § 22a IV InsO - Auswahlermessen des InsG © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 200 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Untersagung/Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 21 II Nr. 3 InsO) Insolvenzantrag bewirkt kein automatisches Vollstreckungsverbot es soll verhindert werden, dass einzelne Gläubiger noch während des Eröffnungsverfahrens auf Gegenstände des Schuldners zugreifen können. nicht im Hinblick auf unbewegliche Vermögensgegenstände Einzelvollstreckungsverbote generelles Vollstreckungsverbot nur zukünftige Vollstreckungsmaßnahmen bereits durchgeführten Maßnahmen bleiben wirksam Pfändungsmaßnahmen bleiben bestehen im eröffneten Insolvenzverfahren Anfechtung nach §§ 129, 131 InsO möglich © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 201 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Anordnung nach § 21 II Nr. 5 InsO Anordnung, dass Gegenstände die im eröffneten Verfahren von § 166 InsO erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen und diese zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden dürfen Zweck dem unternehmerischen Zweck dienende Gegenstände sollen als wirtschaftlicher Verbund vorläufig zusammengehalten werden Sanierungsmöglichkeit soll erhalten werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 202 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Anordnung nach § 21 II Nr. 5 InsO Reichweite nur individualisierende Anordnung Unzulässig und unwirksam sind formularmäßige Pauschalanordnungen, die auf die erforderliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verzichten (BGH, Urt. v. 3.12.2009 - IX ZR 7/09 - NZI 2010, 95) aber: Unzulässigkeit kann Ausgleichsanspruch des Aus-/Absonderungsberechtigten nicht entgegengehalten werden, weil diesem kein Rechtsmittel gegen die Anordnung zusteht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 203 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Anordnung nach § 21 II Nr. 5 InsO Rechtsfolge Zinszahlungspflicht Beginn: 3 Monate nach Anordnung (BGH, Urt. v. 3.12.2009 - IX ZR 7/09 - NZI 2010, 95) gilt auch für Aussonderungsrechte Wertersatzanspruch auch für Aussonderungsberechtigte (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11 - ZIP 2012, 779) aber keine Deckelung durch § 21 II Nr. 5 S.2 InsO Anspruch auf Wertersatz ergänzt Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach dem Wortlaut nur für Absonderungsrechte jeder durch Nutzung bedingte Wertverlust berührt Integritätsinteresse des Aussonderungsberechtigten an dem Rückerhalt des unversehrten Gegenstands Wertersatzanspruch bemisst sich nach der Differenz des Werts des Aussonderungsguts bei Beginn und Ende der Nutzung durch Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung wird die vertragsgemäße Abnutzung abgegolten Wertersatzanspruch nur im Blick auf die Kompensation eines Verlustes, der darauf beruht, dass der Gegenstand entweder über die vertragliche Abrede hinaus genutzt wird oder eine Beschädigung erleidet und dadurch an Wert verliert © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 204 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Anordnung nach § 21 II Nr. 5 InsO Fall: Der Beklagte ist IVw im am 1.2.2002 eröffneten Insolvenzverfahren des S Mit Beschluss vom 1.11.2002 war er bereits zum „schwachen“ vorlIVw bestellt und ermächtigt worden, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Klägerin hatte dem S mehrere Darlehen gewährt. Zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs vereinbarten die Klägerin und der S die Abtretung der Ansprüche gegen die zukünftigen Zahlungsverpflichteten des S. Die abgetretenen Ansprüche sollten von S eingezogen werden; der Erlös sollte unverzüglich an die Klägerin weitergeleitet werden. Die Zahlungsverpflichteten wurden hierüber nicht informiert. Nach einiger Zeit war der S nicht mehr in der Lage, Erlöse an die Klägerin weiterzuleiten. Die Parteien streiten nun um den Erlös aus den Forderungen, welche während des Eröffnungsverfahrens vom beklagten IVw eingezogen worden sind. Steht der Klägerin ein Ersatzabsonderungsrecht entspr. § 48 InsO zu? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 205 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Anordnung nach § 21 II Nr. 5 InsO BGH, Urt. v. 21.1.2010 - IX ZR 65/09 – BGHZ 184, 101; hierzu: Smid, DZWiR 2010, 7ff. Verlust des Absonderungsrechts Durch die Einziehung der Forderungen hat die Klägerin ihre Rechtsstellung als Sicherungsabtretungsempfängerin verloren. Den Drittschuldnern war die Abtretung nicht angezeigt worden. Die in Unkenntnis der Abtretung an den Beklagten als den vorläufigen Insolvenzverwalter geleisteten Zahlungen muss die Klägerin gegen sich gelten lassen (§ 407 I BGB) durch Zahlung erlischt Forderung (§ 362 I BGB) und zugleich auch das Absonderungsrecht „Unberechtigte“ Einziehung der Forderung durch vorlIVw BGH unter KO: „dass der Sicherungszedent verliert Einziehungsbefugnis nicht ohne weiteres, wenn er in eine finanzielle Krise gerät, die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen beantragt wird und Sequestrationsmaßnahmen angeordnet werden […]“ „Im Hinblick auf § 21 II 1 Nr. 5 InsO könnte an eine Änderung der bish. Rspr. gedacht werden, auch deshalb, weil die Annahme eines Erlöschens der Einziehungsbefugnis mit dem Insolvenzantrag sicherstellt, dass die Forderung nicht durch den Schuldner, sondern nur noch - einen Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 21 II 1 Nr. 5 InsO vorausgesetzt - durch den vorläufigen Insolvenzverwalters eingezogen wird […]“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 206 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Anordnung nach § 21 II Nr. 5 InsO die Einziehung wurde nicht allein dadurch "unberechtigt", dass die eingezogenen Beträge nicht, wie der Schuldner und die Klägerin vereinbart hatten, unverzüglich an die Klägerin weitergeleitet wurden. Verpflichtung zur Weiterleitung an die Klägerin ist rein schuldrechtlicher Natur. Weiterleitungspflicht erst nach Einziehung der Forderungen Ob die Einziehung einer Forderung im Sinne von § 48 InsO "unberechtigt" ist, muss jedoch im Zeitpunkt der Einziehung (und damit des Unterganges des Absonderungsrechts) selbst beurteilt werden können. Das spätere Verhalten des (vorl) IV oder des Schuldners kann nicht dazu führen, dass eine zunächst berechtigte Verwertungshandlung zu einer unberechtigten wird […] Ergebnis: Die Klägerin hat kein Ersatzabsonderungsrecht entspr. § 48 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 207 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 2. Sicherungsmaßnahmen Rechtsmittel Sofortige Beschwerde, § 21 I 2 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 208 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 3. Insolvenzgeld-Vorfinanzierung §§ 165 – 172 SGB III – Insolvenzgeldsicherung § 165 SGB III – Anspruch auf Insolvenzgeld letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses vor Insolvenzereignis (Insolvenzgeld-Zeitraum) Insolvenzereignis, § 165 I 2 SGB III alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis § 165 II SGB III Begrenzung auf Beitragsbemessungsgrenze, § 167 SGB III (Kappungsgrenze) Ausschluss: § 166 SGB III auch Gesamtsozialversicherungsbeitrag, § 175 SGB III Antragserfordernis (§ 323 SGB III) zuständig: Agentur f. Arbeit im Bezirk die Lohnabrechnungsstelle des ArbG (§ 327 III SGB III) Ausschlussfrist von 2 Monaten nach dem Insolvenzereignis (§ 324 III SGB III) Cessio legis der Entgeltansprüche, § 169 SGB III mit dem Antrag, so wie sie „stehen und liegen“ Anfechtung dann gegen BAfArbeit (§ 169 S.3 SGB III) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 209 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 3. Insolvenzgeld-Vorfinanzierung § 168 SGB III – Vorschuss wenn Insolvenzantrag Arbeitsverhältnis beendet damit ist Vorschuss bei Betriebsfortführung ungeeignet Vs. f Insolvenzgeld sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 210 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren III. Maßnahmen im Eröffnungsverfahren 3. Insolvenzgeld-Vorfinanzierung Insolvenzgeld-Vorfinanzierung Sanierungssubvention Forderungskauf: finanzierende Kreditinstitut erwirbt die Entgeltansprüche der AN gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe des Nettolohns Darlehenstilgung aus Insolvenzgeldanspruch (§ 170 I SGB III) Voraussetzung: vorherige Zustimmung der Agentur f Arbeit (§ 170 IV SGB III) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 211 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren IV. Der Eröffnungsbeschluss Inhalt, §§ 27 ff. InsO: Bestellung des IVw Eröffnungsdaten (§ 27 II InsO) Aufforderung zur Anmeldung der Forderungen (§ 28 I InsO) Aufforderung zur Geltendmachung von Drittrechten (§ 28 II InsO) Aufforderung an Drittschuldner zur Zahlung an IVw (§ 28 III InsO) Terminbestimmungen (§ 29 InsO) Berichtstermin auch kürzere Ladungsfrist, § 4 InsO iVm § 217 ZPO Prüfungstermin Bekanntmachung, §§ 30 ff. InsO Öffentlich (§§ 30 I, 9 InsO) Zustellung an Gläubiger und Schuldner (§§ 30 II, 9 InsO) Eintragung in Register (§§ 31 - 33 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 212 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren IV. Der Eröffnungsbeschluss Rechtsmittel Sofortige Beschwerde, § 34 InsO: Abweisung des Insolvenzantrages Antragsteller Abweisung nach § 26 InsO Antragsteller Insolvenzschuldner Eröffnung Insolvenzschuldner auch wenn Abweisung mangels Masse erreicht werden soll (BGH, Beschl. v. 15.7.2004 - IX ZB 172/03 - NZI 2004, 625) ausgenommen Eigenantrag keine formelle Beschwer (BGH, Beschl. v. 18.1.2007 – IX ZB 170/06 - ZIP 2007, 499) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 213 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren IV. Der Eröffnungsbeschluss Rechtsmittel … bei Überleitung beantragten Verbraucher- in ein Regelinsolvenzverfahren ? BGH, Beschl. v. 25.4.2013 – IX ZB 179/10 - ZIP 2013, 1139 1. Wird das auf Antrag des Schuldners eröffnete Verbraucherinsolvenzverfahren in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet, hat der Schuldner hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. 2. Wird das Verfahren auf Eigenantrag des Schuldners als Verbraucherinsolvenz eröffnet, steht hiergegen einem Gläubiger ein Beschwerderecht auch nicht mit dem Ziel zu, das Verfahren als Regelinsolvenzverfahren fortzuführen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 214 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren IV. Der Eröffnungsbeschluss Amtsgericht Kiel Insolvenzgericht Az. 99 IN 5678/11 In dem Insolvenzverfahren Beschluss über das Vermögen der S GmbH wird auf ihren Antrag vom 03.9.2011 heute, am 01.10.2011 um 12 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet. Die durch das Gericht angeordneten Ermittlungen haben ergeben, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig ist. Zum Insolvenzverwalter wird bestimmt: Herr RA Dr. V, Adresse. Forderungen sind gem. § 28 Abs. 1 InsO bis zum 02.04.2004 unter Beachtung von § 174 Abs. 1 und 2 InsO beim Insolvenzverwalter anzumelden. Alle Gläubiger werden gem. § 28 Abs. 2 InsO aufgefordert, dem Insolvenzverwalter innerhalb der oben genannten Frist mitzuteilen, welche Sicherungsrechte sie an beweglichen Sachen oder an Rechten der Schuldnerin in Anspruch nehmen wollen. Der Gegenstand, an dem ein Sicherungsrecht beansprucht wird, die Art und der Entstehungsgrund des Sicherungsrechts sowie die gesicherte Forderung sind zu bezeichnen. Wer die Mitteilung schuldhaft verzögert oder unterlässt, haftet für den daraus entstehenden Schaden. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 215 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren IV. Der Eröffnungsbeschluss Alle Personen, die zur Masse gehörende Sachen in Besitz haben, zur Masse etwas schulden, wird gem. § 28 Abs. 3 InsO aufgegeben, die Gegenstände nicht mehr an die Schuldnerin herauszugeben oder Leistungen vorzunehmen. Schuldbefreiende Leistungen sind nur an den Insolvenzverwalter möglich. Der Termin zur ersten Gläubigerversammlung (Berichtstermin) und der allgemeine Prüfungstermin werden bestimmt auf den 16.01.2012, 10 Uhr, Saal B des Amtsgerichts Kiel. Tagesordnung: 1. Bericht des Insolvenzverwalters; 2. Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens; 3. Entscheidung über die in §§ 149, 150 bis 163 InsO bezeichneten Gegenstände; 4. Forderungsprüfung. Der Insolvenzverwalter wird gem. § 8 Abs. 3 InsO beauftragt, Zustellungen vorzunehmen und widerruflich von der Verpflichtung zur Niederlegung von Anmeldungen und Urkunden nach § 175 Abs. 1 S. 2 InsO befreit. Die Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen erfolgt im schriftlichen Verfahren (§ 177 InsO). R. Richter am Amtsgericht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 216 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens I. II. III. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den IV Unterbrechung und Aufnahme von Prozessen Vollstreckungsverbote 1. Vollstreckungssperre, § 88 InsO 2. Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO 3. Vollstreckungsverbot nach § 90 InsO IV. Die Aufrechnung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 217 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts § 80 I InsO: „Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.“ Zweck: Sicherung der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung Eintritt der Rechtswirkung im Eröffnungszeitpunkt gem. § 27 II Nr. 3, III InsO; sofortige Beschwerde (§ 34 InsO) hat keine aufschiebende Wirkung Zustellung ist nicht erforderlich. umfasst das zur Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) gehörende Vermögen = Ist-Masse IVw tritt in Rechtsstellung des Insolvenzschuldners ein und kann deshalb grundsätzlich für die Masse nicht mehr und keine anderen Rechte beanspruchen können, als diesem zustehen (BGH, Urt. v. 27.5.1971 – VII ZR 85/69 - BGHZ 56, 228, 230 f.). Lasten und Beschränkungen des Vermögens des Schuldners sind der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des IVw vorgegeben und grenzen diese ein. dieses gilt auch für schuldrechtliche Beschränkungen der Rechte des Schuldners Ausn: § 80 II InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 218 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts § 148 I InsO: „Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen.“ Herausgabevollstreckung aus Eröffnungsbeschluss (§ 148 II InsO) nur wenn Gegenstände im Schuldnergewahrsam Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO zuständig: Insolvenzgericht (BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 127/05 - ZIP 2006, 2008) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 219 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts offensichtlich insolvenzzweckwidrige Maßnahmen des Verwalters sind unwirksam Ablösung „Schornsteinhypothek“ (BGH, Beschl. v. 20.03.2008 - IX ZR 68/06 - NJW-RR 2008, 1074) Spekulationsgeschäfte (OLG Celle, Urt. v. 14. 6. 2006 – 3 U 20/06 - ZIP 2006, 1364) Handlungen des IVw wirken unmittelbar für und gegen den Schuldner auch über das Insolvenzverfahren hinaus. Schuldner bleibt Eigentümer der Gegenstände und Inhaber der Rechte, außerdem bleibt er geschäftsfähig. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 220 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts § 82 InsO: keine schuldbefreiende Leistung an den Schuldner bei Kenntnis von der Verfahrenseröffnung Beweislast für Kenntnis IVw: vor öffentlicher Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung (§ 9 InsO) nach Bekanntmachung der Drittschuldner seine Unkenntnis. Maßgeblicher Zeitpunkt: „Bewirkung“ der Bekanntmachung, also mit Ablauf des zweiten Tages nach dem Tag der Eröffnung (§ 9 I 3 InsO) BGH, Urt. v. 15. 4. 2010 – IX ZR 62/09 – ZIP 2010, 935: Unternehmen mit umfangreichem Zahlungsverkehr hat nach Verfahrenseröffnung an Schuldner geleistet. Die Möglichkeit, die Verfahrenseröffnung durch Einzelabfrage im Internet zu erfahren, hindert nach Treu und Glauben nicht daran, sich auf ihre Unkenntnis zu berufen. Sie sind auch nicht gehalten, sich wegen der Möglichkeit der Internetabfrage beweismäßig für sämtliche Mitarbeiter zu entlasten © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 221 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts § 81 I 1 InsO: Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der Insolvenzmasse sind absolut unwirksam Gutgläubiger Erwerb nur bei Grundstücken möglich, § 81 I 2 InsO Rückgewähranspruch aus der Masse, § 81 I 3 InsO soweit noch bereichert künftige Forderungen, § 81 II InsO bedeutsam für § 287 I InsO und Restschuldbefreiung Genehmigung nach § 185 II BGB durch IVw möglich © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 222 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts gesetzliches Erwerbsverbot des § 91 I InsO greift ein, obwohl der Verfügungstatbestand bereits abgeschlossen ist, solange sich der Rechtserwerb nicht vollendet hat. z.B. Abtretung eines künftigen oder aufschiebend bedingten Anspruchs Ausn.: gesicherte Rechtsstellung erlangt (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.2011 – IX ZR 142/10 - ZIP 2011, 2364 (Tz.9)) wenn das Recht aus dem Vermögen des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der IE ausgeschieden war, so dass für ihn keine Möglichkeit mehr bestand, es auf Grund alleiniger Entscheidung wieder zurückzuerlangen Dann ist insolvenzfest nicht nur die uneingeschränkte Übertragung eines bedingten Rechts, sondern auch die unter einer Bedingung erfolgte Übertragung eines unbedingten Rechts (BGH, Urt. v. 17. 11. 2005 - IX ZR 162/04 - NZI 2006, 229, Tz.13) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 223 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts IE = Gesetzlicher Auflösungsgrund (§ 60 I Nr. 4 GmbH, § 262 I Nr. 3 AktG, § 81a GenG, § 131 I Nr. 3 HGB, § 728 I BGB). Fortsetzungsbeschluss bei Verfahrenseinstellung auf Antrag des Schuldners (§§ 212, 213 InsO) oder im Insolvenzplanverfahren (vgl. § 728 I BGB, § 60 I Nr. 4 GmbH) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 224 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts Schuldner behält Kaufmannseigenschaft bis zur Stilllegung/ Veräußerung seines Unternehmens durch den IVw IVw wird nicht Kaufmann (h.M. Uhlenbruck, § 80 InsO Rn. 11) Bei Betriebsfortführung finden die handelsrechtliche Regeln auf Geschäfte des IVw entsprechende Anwendung (h.M. Uhlenbruck, § 80 InsO Rn.11) Bei zulassungspflichtigen Berufen wird dem Schuldner die Berufszulassung entzogen (z.B. § 50 I Nr.6 BNotO; § 15 II Nr.7 BRAO; § 46 II Nr. 4 StBerG) aber: Möglichkeit der Wiederzulassung eines RA während der WVP (BGH, Beschl. v. 25.6.2007 - AnwZ (B) 101/05 - NZI 2007, 678) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 225 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren I. Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts Personengesellschaft, § 84 InsO Teilung/Auseinandersetzung nach den geltenden Bestimmungen außerhalb der InsO (§ 84 I 1 InsO), vertragliche Beschränkungen unwirksam (§ 84 II InsO). Absonderungsrecht der am Gemeinschafts- bzw. Gesellschaftsverhältnis Beteiligten am Anteil/ Auseinandersetzungsanspruch (§ 84 I 2 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 226 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren II. Unterbrechung und Aufnahme von Prozessen Unterbrechung von anhängigen Rechtsbehelfsverfahren oder Prozessen (§ 240 ZPO), wenn zivil-, verwaltungs- oder steuerrechtliche Streitigkeit; nicht bei Ermittlungsverfahren Gegenstand ein vermögensrechtlicher Anspruch Schuldner Beteiligter (Kläger, Beklagter, Streitgenosse) Verlust der Prozessführungsbefugnis des Schuldners in Bezug auf Insolvenzmasse Partei- und Prozessfähigkeit bleibt unberührt; § 170 I 2 ZPO nicht anwendbar (BGH, Urt. v. 26.1.2006 – IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260) eine nach Insolvenzeröffnung gegenüber dem Schuldner bewirkte Zustellung ist gültig Klage gegen Schuldner ist unzulässig, weil passive Prozessführungsbefugnis fehlt (§ 80 I InsO) Gläubiger kein Rechtsschutzbedürfnis Forderung kann nur noch durch Anmeldung im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (§ 87 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 227 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren II. Unterbrechung und Aufnahme von Prozessen Fristlauf endet; nach Beendigung der Unterbrechung beginnt Frist neu (§ 249 I ZPO) Prozesshandlungen einer Partei während der Unterbrechung sind ohne rechtliche Wirkungen (§ 249 II ZPO) Unterbrechung nach Schluss der mündlichen Verhandlung hindert Urteil nicht (§ 249 III ZPO) Ausn.: Unterbrechung nach dem Schluss einer mündlichen Verhandlung, aber vor dem Ende einer Schriftsatzfrist, die einer Partei bewilligt war (BGH, Beschl. v. 15.11.2011 – II ZR 6/11 - ZIP 2012, 86) Keine Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor Klagezustellung (BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – IX ZB 232/08 - ZIP 2009, 240) Wortsinn des § 240 ZPO setzt ein rechtshängiges Verfahren voraus (§ 253 I ZPO) Kostenerstattungsanspruch des Schuldners aus § 269 III 2 ZPO ist Neuerwerb, weil Klage erst nach IE zugestellt worden ist. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 228 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren II. Unterbrechung und Aufnahme von Prozessen Frage: Ist § 240 ZPO auf Zwangsvollstreckungsverfahren anwendbar? BGH, Beschl. v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05 – BGHZ 172, 16 f: nein § 240 ZPO soll die streitige Feststellung von Insolvenzforderungen im besonderen Verfahren der Anmeldung und Feststellungsklage nach § 179 InsO ermöglichen für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen: §§ 88, 89 InsO legis specialis © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 229 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren II. Unterbrechung und Aufnahme von Prozessen Aufnahme von Aktiv- und Passivprozessen durch IVw, §§ 85f. InsO Im pflichtgemäßen Ermessen des IVw, ggfls. § 160 InsO bei Verzögerung, kann Gegner den Rechtsstreit aufnehmen (§ 239 II-IV ZPO) Ablehnung der Aufnahme Aktivprozess = Freigabe, § 85 II InsO Aufnahme Passivprozess nur nach § 86 InsO, Für Insolvenzgläubiger gilt § 87 InsO, d.h. keine Möglichkeit der Führung von Prozessen, auch nicht gegen Schuldner persönlich © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 230 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren II. Unterbrechung und Aufnahme von Prozessen Kündigungsschutzklage Schuldner kündigt Arbeitsverhältnis vor Insolvenzeröffnung. ArbN erhebt Kündigungsschutzklage. Prozess wird durch Eröffnung des Schuldner-InsVerf. unterbrochen Prozessaufnahme? BAG, Urt. v. 18.10.2006 - 2 AZR 563/05 - ZIP 2007, 745 Aufnahme nach § 86 I Nr.3 InsO, wenn AN nach Verfahrenseröffnung weiter zu beschäftigen wäre, mithin Lohnanspruch Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr.2 InsO Aufnahme nach § 180 II InsO, wenn Kündigungszeitraum vor Eröffnung, mithin Lohnanspruch eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO wäre. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 231 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren II. Unterbrechung und Aufnahme von Prozessen Eigenverwaltung wird ein Schadensersatzprozess gegen den Schuldner durch Anordnung der Eigenverwaltung unterbrochen? § 270 I InsO: Schuldner behält Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ steht unter der Aufsicht des Sachwalters (§§ 274, 275 InsO) Prozessführungsbefugt ist Schuldner: „NN als eigenverwaltender Insolvenzschuldner“ § 240 ZPO ist anwendbar (BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - V ZB 93/06 – ZIP 2007, 249) aber kein Wechsel in der Prozessführungsbefugnis bei Insolvenzforderung: Aufnahme nach § 180 II InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 232 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren III. Vollstreckungsverbote 1. Vollstreckungssperre, § 88 InsO Unwirksamkeit von Vollstreckungsmaßnahmen, § 88 InsO im letzten Monat vor Antragstellung oder nach Antragstellung Fristbeginn: Eingang des Insolvenzantrages beim InsG (§ 139 I InsO) auch wenn beim unzuständigen Gericht gestellt (LSZ-Smid, § 88 InsO, Rn.13) auch bei zunächst unzulässigen, aber zur Verfahrenseröffnung führenden Insolvenzantrag (BGH, Beschl.v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09 - ZIP 2011, 1372) im vereinfachten Insolvenzverfahren: 3 Monate (§ 312 I 3 InsO) Noch nicht abgeschlossen, d.h. nur Sicherheit und noch keine Befriedigung diese ist nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar Zweck: Verfahrenserleichterung - IVw braucht diese Handlungen nicht nach §§ 129, 131 InsO anzufechten. Nicht erfasst sind rechtsgeschäftliche Sicherheiten Nur Sicherung massezugehörigen Vermögens gegen Insolvenzgläubiger, nicht Aus-/ Absonderungsberechtigte © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 233 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren III. Vollstreckungsverbote 1. Vollstreckungssperre, § 88 InsO h.M: Absolute (endgültige) Unwirksamkeit der Sicherung. Verstrickungswirkung der Pfändung bleibt bestehen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 234 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren III. Vollstreckungsverbote 1. Vollstreckungssperre, § 88 InsO Zwangssicherungshypothek Wann ist Sicherheit bei Zwangssicherungshypothek erlangt – mit Eintragungseintrag oder erst mit Eintragung? überw. M. erst mit der Eintragung (vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 88 InsO, Rn. 20) Löschung der Zwangssicherungshypothek (BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZB 219/11 - ZIP 2012, 1767) Antrag auf Grundbuchberichtigung nach §§ 22, 29 GBO § 22 I GBO: „Zur Berichtigung des Grundbuchs bedarf es der Bewilligung nach § 19 nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Dies gilt insbesondere für die Eintragung oder Löschung einer Verfügungsbeschränkung.“ § 29 I GBO: „Eine Eintragung soll nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind, des Nachweises durch öffentliche Urkunden.“ nicht ausr.: Bescheinigung des InsG über Zeitpunkt des Antragseingangs Klage (§ 894 BGB, § 894 ZPO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 235 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren III. Vollstreckungsverbote 1. Vollstreckungssperre, § 88 InsO Zwangssicherungshypothek Wiedererstehen mit Freigabe des Grundstücks mit Verfahrensaufhebung ohne Verwertung des Grundstücks © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 236 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren III. Vollstreckungsverbote 2. Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO Insolvenzforderungen können nur nach den Vorschriften der InsO geltend gemacht werden (§ 87 InsO) auch keine Zwangsvollstreckung für Insolvenzgläubiger während Insolvenzverfahren in die Insolvenzmasse und das sonstige Vermögen des Schuldners (§ 89 I InsO) Ziel: gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger auch für freigegebene Massegegenstände - „sonstige Vermögen“ - (BGH, Beschl. v.12.2.2009 IX ZB 112/06 – NZI 2009, 382) Auch für Neugläubiger in laufende Einkünfte aus Dienstverhältnis (§ 89 II 1 InsO) insolvenzrechtliche Privilegierung von Unterhalts- und qualifizierte Deliktforderungen (§ 89 II 2 InsO) in die nach §§ 850d, 850f ZPO erweitert pfändbaren Einkünfte © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 237 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren III. Vollstreckungsverbote 2. Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO Fall: Am 22.10.2003 Eröffnung des Insolvenzverfahrens Mit Schreiben vom 2.2.2004 meldete Landkreis eine Forderung in Höhe von €550,00 aus rückständigen Gebühren für Kfz-Zulassung zur Insolvenztabelle an Schuldner versuchte im eröffneten Insolvenzverfahren ein neues Fahrzeug anzumelden. Als der beklagte Landkreis die Zulassung aufgrund einschlägiger Vorschriften davon abhängig machte, dass die Rückstände gezahlt werden, beglich der Schuldner diese Forderung aus seinem insolvenzfreien Vermögen. Zulässig? BGH, Urt. v. 14.1.2010 - IX ZR 93/09 - ZIP 2010, 380 Die Vorschriften der InsO stehen der Befriedigung einzelner Insolvenzgläubiger aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners während des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht entgegen §§ 87, 89 InsO Grundsatz des par conditio creditorum nur in Bezug auf die Insolvenzmasse freiwillige Zahlungen aus dem insolvenzfreien Vermögen sind nicht untersagt © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 238 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren III. Vollstreckungsverbote 3. Vollstreckungsverbot nach § 90 InsO Sechsmonatiges Vollstreckungsverbot für oktroyierte Masseverbindlichkeiten z.B. aus MietV bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Zweck: Auseinanderreißen der Masse in der Anfangsphase soll verhindert werden. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 239 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren IV. Aufrechnung § 94 InsO: eine bei Verfahrenseröffnung kraft Gesetz oder Vereinbarung bestehende Aufrechnungslage bleibt erhalten Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 387 BGB): Aufrechnungslage Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen, Vollwirksamkeit und Fälligkeit der Gegenforderung, Erfüllbarkeit der Hauptforderung, Aufrechnungserklärung, kein Ausschluss der Aufrechnung Gegenforderung > Hauptforderung? Gegenforderung = Forderung, mit der aufgerechnet wird Hauptforderung = Forderung, gegen die aufgerechnet wird © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 240 D. Die Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahren IV. Aufrechnung Aufrechnungsverbote (§ 96 InsO), wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Verfahrenseröffnung etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist (Nr.1), ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Verfahrenseröffnung von einem anderen Gläubiger erworben hat (Nr. 2), wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (Nr. 3), wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet (Nr. 4). Spezielle Regelungen § 114 II InsO – Aufrechnungsmöglichkeit des Dienstberechtigten (Arbeitgebers) bleibt für die Dauer der Wirksamkeit der Vorausabtretung (§ 114 I InsO) erhalten aufgehoben mit Wirkung ab dem 1.7.2014 § 110 III InsO - Aufrechnungsmöglichkeit des Vermieters bleibt für die Dauer der Wirksamkeit der Vorausabtretung (§ 110 I InsO) erhalten © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 241 E. Die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse I. Sicherung der Insolvenzmasse 1. Inbesitznahme 2. Verzeichnisse 3. der Berichtstermin II. III. Die Verwertung der Insolvenzmasse Gegenstände mit Absonderungsrechten 1. unbewegliche Gegenstände 2. bewegliche Gegenstände 3. Sicherheitenpool © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 242 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse I. Sicherung der Insolvenzmasse 1. Inbesitznahme Inbesitznahme der Insolvenzmasse, § 148 I InsO Herausgabevollstreckung nach § 148 II InsO iVm §§ 883 – 885 ZPO Eröffnungsbeschluss als vollstreckbarer Titel (§ 794 I Nr. 3 ZPO) Herausgabe- und Räumungsvollstreckung Eröffnungsbeschluss berechtigt GVZ auch zum Betreten der Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners (h.M. Uhlenbruck, § 148 InsO, Rn.21; LSZ-Smid, § 148 InsO, Rn.11) besondere Anordnung nach Art.13 II GG nicht erforderlich Rechtsmittel Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO auch: Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO Zuständig: Insolvenzgericht (§ 148 II 2 InsO) Rechtsmittelzug nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften: §§ 567ff. ZPO (BGH, Beschl. v. 30.07.2008 - IX ZA 8/08 -) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 243 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse I. Sicherung der Insolvenzmasse 1. Inbesitznahme Fall: Insolvenzeröffnung am 9.4.2003 Schuldner ist Eigentümer eines EFH, das er mit seiner Frau bewohnt IVw forderte Schuldner auf, monatlich eine Miete von € 600 Euro an die Masse zu zahlen, anderenfalls das Grundstück bis 18.7.2005 zu räumen. Da die Eheleute weder zahlten noch das Grundstück räumten, strebte der Verwalter die Verwertung des Grundstücks an, wobei er davon ausging, dass Verkaufschancen nur dann bestehen, wenn das Objekt unbewohnt ist. Er beabsichtigte, gegen die Eheleute die Zwangsräumung aus der am 2.1.2007 beantragten vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses zu betreiben. Am 17.1.2007 beantragte der Schuldner, ihm Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu gewähren, weil er durch die Vollstreckung stark suizidgefährdet sei © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 244 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse I. Sicherung der Insolvenzmasse 1. Inbesitznahme BGH, Beschl. v. 16.10.2008 - IX ZB 77/08 - ZIP 2008, 2441 nach §§ 36 IV, 148 II 3 InsO analog ist für Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts an Stelle des Vollstreckungsgerichts gegeben Rechtsmittelzug richtet sich nach allg. vollstreckungsrechtlichen Vorschriften § 765a ZPO auf Vollstreckungsmaßnahmen nach § 148 II InsO entspr. anwendbar, wenn Schuldner eine natürliche Person Generalklausel des Vollstreckungsschutzes eng auszulegen Vollstreckungsschutz zur Wahrung der Grundrechte aus Art. 2 I, 14 I GG die Ziele des § 1 InsO und die Besonderheiten der Gesamtvollstreckung sind grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigen § 765a ZPO kommt nur in Betracht, sofern zusätzlich Rechte des Schuldners in insolvenzuntypischer Weise schwerwiegend beeinträchtigt werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 245 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse I. Sicherung der Insolvenzmasse 1. Inbesitznahme Hinterlegungsstelle, § 149 InsO Bestimmungsrecht Gläubigerausschuss subsidiär: Insolvenzgericht abweichende Regelungen durch Gläubigerversammlung Siegelung, § 150 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 246 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse I. Sicherung der Insolvenzmasse 2. Verzeichnisse Verzeichnis der Massegegenstände, § 151 InsO Wertangabe für jeden Gegenstand (§ 151 II 1 InsO) Ggfls. Liquidations- und Fortführungswert (§ 151 II 2 InsO) Ggfs. Bewertung durch Sachverständigen (§ 151 II 3 InsO) Ausnahme auf Antrag (§ 151 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 247 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse I. Sicherung der Insolvenzmasse 2. Verzeichnisse Gläubigerverzeichnis, § 152 InsO Verzeichnis der Gläubiger (§ 152 I InsO), die IVw bekannt werden aus Büchern und Geschäftspapieren des Schuldners, Angaben des Schuldners, aus Forderungsanmeldungen der Gläubiger oder auf andere Weise. Anschrift, Grund und Betrag der Forderung (§ 152 II 2 InsO) Gesonderte Darstellung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger (§ 152 II InsO) Zusätzliche Angabe des mit Absonderungsrecht belasteten Gegenstandes (§ 152 II 3 InsO) Angabe bestehender Aufrechnungsmöglichkeiten (§ 152 III 1 InsO) Schätzung der Masseverbindlichkeiten bei zügiger Verwertung (§ 152 III 2 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 248 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse I. Sicherung der Insolvenzmasse 2. Verzeichnisse Vermögensübersicht, § 153 InsO Stichtag: Zeitpunkt der IE Zusammenführung des Masse- und des Gläubigerverzeichnisses (Insolvenzeröffnungsbilanz) Möglichkeit zur eidesstattlichen Versicherung durch den Schuldner (§ 152 II InsO) Niederlegung, § 152 InsO Geschäftsstelle des InsG < 1 Woche vor dem Berichtstermin © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 249 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse II. Die Verwertung der Insolvenzmasse 3. Der Berichtstermin, § 156 InsO Bekanntgabe im Eröffnungsbeschluss, § 29 I Nr.1 InsO Bericht des IVw über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen, die Aussichten für Erhaltung des Unternehmens, die Möglichkeit für einen Insolvenzplan und dessen Auswirkungen auf die Befriedigung der Gläubiger Äußerungsmöglichkeiten (§ 156 II InsO) des Schuldners, des Gläubigerausschusses, des Betriebsrates und der leitenden Angestellten © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 250 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse II. Die Verwertung der Insolvenzmasse 3. Der Berichtstermin, § 156 InsO Entscheidung der Gläubigerversammlung über Stilllegung oder Fortführung des Unternehmens, § 157 InsO Beauftragung des IVw mit Ausarbeitung eines Insolvenzplans, § 218 II InsO Änderungsmöglichkeiten in späteren Gläubigerversammlungen Einberufung auf Antrag der Gläubiger nach § 75 I InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 251 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse II. Die Verwertung der Insolvenzmasse § 159 InsO: Verwertungsbeginn unverzüglich nach dem Berichtstermin Unverzüglich = ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 I BGB) Ausn.: entgegenstehende Beschlüsse der Gläubigerversammlung z.B. Unternehmensfortführung, § 157 InsO Ziel der Verwertung: Insolvenzmasse in Geld umsetzen, um dieses unter den Gläubigern verteilen zu können Zulässigkeit der Masseverwertung vor Berichtstermin Umlaufvermögen, wenn nicht zur Fortführung des Unternehmens nötig oder verderblich Anlagevermögen erst nach Berichtstermin (Kübler/Prütting, § 159 InsO, Rn. 4a) Unternehmensveräußerung, § 158 InsO Veräußerungschancen regelmäßig unmittelbar nach IE höher als nach Berichtstermin, weil dann der Vertrauensverlust schon eingetreten ist © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 252 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse II. Die Verwertung der Insolvenzmasse §§ 160 ff InsO -> Wahrung der Mitwirkungsrechte der Gläubiger GlV, wenn nicht ein GlA vorhanden § 160 InsO Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen Generalklausel (Abs.1) normierte Zustimmungserfordernisse (Abs.2) (Nr.1) das Unternehmen oder ein Betrieb, das Warenlager im ganzen, ein unbeweglicher Gegenstand aus freier Hand, die Beteiligung des Schuldners an einem anderen Unternehmen, die der Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen dienen soll, oder das Recht auf den Bezug wiederkehrender Einkünfte veräußert werden soll; (Nr.2) ein Darlehen aufgenommen werden soll, das die Insolvenzmasse erheblich belasten würde;, (Nr.3) ein Rechtsstreit mit erheblichem Streitwert anhängig gemacht oder aufgenommen, die Aufnahme eines solchen Rechtsstreits abgelehnt oder zur Beilegung oder zur Vermeidung eines solchen Rechtsstreits ein Vergleich oder ein Schiedsvertrag geschlossen werden soll © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 253 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse II. Die Verwertung der Insolvenzmasse § 162 InsO > Zustimmung bei Betriebsveräußerung an besonders Interessierte Erwerber ist nahestehende Person iSd § 138 InsO Erwerber ist Absonderungs- oder Insolvenzgläubiger mit 20% aller Absonderungs- oder Insolvenzgläubiger § 163 InsO > Betriebsveräußerung unter Wert § 164 InsO Verstoß gg §§ 160 – 163 InsO berührt nicht die Wirksamkeit der Verwertungshandlung des IV aber: ggfls Schadensersatzpflicht nach § 60 InsO Aufsichtsmaßnahmen nach §§ 58, 59 InsO Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 254 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten Absonderungsrechte (§§ 49ff InsO) > siehe Kap. B.IV.4. am unbeweglichen Vermögen Rechte an Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten, Miteigentumsanteilen, Luftfahrzeugen, eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, allen Gegenständen im Haftungsverband der Hypothek an beweglichen Sachen Mobiliarpfandrechte, Sicherungseigentum, zur Sicherheit abgetretene Forderungen, bestimmte Zurückbehaltungsrechte sowie Zoll- und Steuersicherheiten Verwertungsrecht des IVw nach §§ 165 ff InsO Verwertungsrecht gem. § 166 InsO ist ein selbstständig, im Kern geschützter Vermögenswert der Insolvenzmasse (BGH, Urt. v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 255 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 1. unbewegliche Gegenstände Nach § 49 InsO kann das Recht auf Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen nur nach dem ZVG verwirklicht werden. Freihändige Verwertung durch IVw möglich Vorherige Abstimmung mit den dinglichen Absonderungsgläubigern insbes. Massebeteiligung Ggfls. Zustimmung gem. § 160 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 256 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 1. unbewegliche Gegenstände IV hat Recht, Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung zu betreiben (§ 165 InsO) in der Praxis selten; Kostenentlastung der Insolvenzmasse auch durch Freigabe möglich Zwangsverwaltung laufenden Objektkosten, die sonst § 55 I Nr. 1 InsO, sind vom Zwangsverwalter zu berichtigen (§§ 155, 156 ZVG) Kostenvorschüsse des IVw werden in den Rang des § 10 I Nr.1 ZVG erhoben und damit vorrangig aus dem Verwertungserlös bezahlt Zwangsversteigerung Ausschluss der Gewährleistung (§ 56 ZVG) Untergang von Vorkaufsrechten, z.B. §§ 24 ff BauGB keine Schadensersatzpflicht des IVw (§ 60 InsO) wegen zu niedrigem Erlös wegen § 174a ZVG sind bei Feststellung des geringsten Gebots (§ 44 ZVG) nur die Verfahrenskosten und die § 10 I Nr. 1a ZVG vorgehenden Ansprüche zu berücksichtigen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 257 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 2. bewegliche Gegenstände Verwertungsrecht des Absonderungsberechtigten nach §§ 50, 51, 173 InsO wenn nicht Verwertungsrecht des IVw aus § 166 InsO Absonderungsrecht am Gegenstand wandelt sich in Recht an einer Sondermasse Erleichterung der sanierenden Übertragung o. Sanierung des Schuldners Informationsanspruch des AbsondGl (§ 167 InsO), Mitteilung der Veräußerungsabsicht (§ 168 I InsO), Eintrittsrecht des AbsondGl (§ 168 III InsO), keine erneute Information erforderlich, wenn IVw ein besseres Drittangebot annimmt (BGH, Beschl.v. 22.4.2010 - IX ZR 208/08 - NZI 2010, 525) Zinsanspruch des AbsondGl (§ 169 InsO), Ausgleich für Verlust des Verwertungsrechts durch § 166 InsO und Warten auf den Verwertungserlös Erlösauskehranspruch (§§ 170, 171 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 258 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 2. bewegliche Gegenstände Verzinsungsanspruch nach § 169 InsO (BGH, Urt. v. 16.2.2006 - IX ZR 26/05 - NZI 2006, 342; Urt. v. 20.2.2003 - IX ZR 81/02 - NZI 2003, 259) keine Verzinsungspflicht, wenn fehlende oder verzögerte Verwertbarkeit einer Sicherheit nicht auf einem insolvenzspezifischen Risiko beruht, z.B. Wertlosigkeit oder Beitreibbarkeit einer Forderung nur mit Verzögerung aus Gründen, die beim Drittschuldner liegen wenn AbsondGl den Sicherungsgegenstand nicht hätte schneller verwerten können Verschulden des IVw ist nicht erforderlich wenn Absonderungsgläubiger vor IE durch Anordnung nach § 21 II Nr. 5 InsO an Verwertung gehindert Darlegungs- und Beweislast: IVw § 169 S.3 InsO Höhe des Zinssatzes aus dem zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Rechtsverhältnis Verzugszins gem. § 288 BGB © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 259 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 2. bewegliche Gegenstände Verwertungsrecht des IVw, wenn SichN die Abtretung dem Drittschuldner angezeigt hat? BGH, Urt. v 11.7.2002 - IX ZR 262/01 - NZI 2002, 599 Verwertungsrecht des IVw aus § 166 II InsO Nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck sei diese Norm umfassend und erfasse jede Form der Abtretung von Forderungen. Sinn und Zweck von § 166 II InsO: Konzentration der Verwertungsbefugnis beim IV. IVw verfügt über Forderungsunterlagen des Schuldners und kann besser Einwendungen prüfen Rechtssicherheit für den Drittschuldner vor Mehrfachabtretung oder unwirksamen Globalzessionen. Anspruch der Masse auf Feststellungskosten, § 171 I InsO: Vorschrift des § 171 I InsO ist zwingend und knüpft lediglich an das Verwertungsrecht des IV an Tatsächlicher Aufwand des IVw ist irrelevant. Die Pauschalität des Anspruchs solle gerade nicht (im Gegensatz zu § 171 II) durch konkrete Berechnungen in Frage gestellt werden. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 260 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 2. bewegliche Gegenstände Anspruch auf Verwertungskostenpauschale, wenn SichN sicherungsabgetretene Forderung selbst eingezogen hat? BGH, Urt. v. 20.11.2003 - IX ZR 259/02 - NZI 2004, 137 umfassendes Einziehungs- und Verwertungsrecht nach § 166 InsO Anspruch auf Zahlung der Feststellungspauschale gem. § 171 I InsO (4 %) trotz eigenmächtiger Einziehung durch SichGl hat IVw Wirksamkeit und Umfang des Sicherungsrechts zu prüfen kein Anspruch auf Verwertungskostenpauschale gem. § 171 II InsO (5 %) der Masse ist kein Verwertungsaufwand entstanden mangels Gläubigerbenachteiligung (Kostenerstattungsprinzip) keine Anfechtbarkeit © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 261 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 3. Sicherheitenpool Vereinbarung mehrerer Sicherungsgläubiger über die gemeinsame Verwaltung und Verwertung von Kreditsicherheiten häufig erst in der Krise des Schuldners vereinbart BGB-Gesellschaft Sicherheiten werden Gesamthandvermögen grundsätzlich wirksam Vertragsfreiheit § 91 InsO wird nicht umgangen (h.M.) aber: Anfechtung, §§ 129 ff. InsO (+) Verbesserung der Rechtsstellung eines Poolmitglieds durch den Poolvertrag (-) wenn durch Poolvertrag nur Abgrenzungsfragen, d.h. Beteiligten erlangen durch Poolvertrag nicht mehr Rechte, als ihnen vorher zustanden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 262 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 3. Sicherheitenpool Saldenausgleichsklauseln sollen durch Überträge für eine gleichmäßige Befriedigung der Poolmitglieder entspr. der Kreditquote sorgen interner Saldenausgleich Poolmitglied, das in höherem Maße befriedigt wurde, erbringt nachträglich eine interne Ausgleichszahlung zulässig, nicht anfechtbar externer Saldenausgleich Poolmitglied, dass die von ihm gehaltene Sicherheit nicht in voller Höhe benötigt, kauft ungedeckte Forderung eines anderen Poolmitglieds an und verrechnet diese mit dem Guthabenauskehranspruch der Insolvenzmasse als inkongruente Deckung anfechtbar Aufrechnung nach §§ 96 I Nr.1, Nr.3 InsO unwirksam © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 263 E. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse III. Gegenstände mit Absonderungsrechten 3. Sicherheitenpool Wirksamkeit der Abtretung einer Grundschuld an ungesicherten Gläubiger zum Zwecke der Unterdeckungnahme? BGH, Urt. v. 21.2.2008 - IX ZR 255/06 - NZI 2008, 304 Ist der Schuldner Eigentümer eines mit einer Sicherungsgrundschuld belasteten Grundstücks, kann die Masseschmälerung in dem Verlust der Nichtvalutierungseinrede durch Abtretung der Grundschuld an einen bis dahin ungesicherten Gläubiger liegen. Eine unwirksame Unterdeckungnahme liegt nicht vor, wenn die das schuldnerische Grundstück belastende Sicherungsgrundschuld nach der mit dem Zedenten insolvenzfest getroffenen Sicherungsvereinbarung auch das Darlehen eines Dritten sichert und die Grundschuld nach Verfahrenseröffnung in dieser Höhe an ihn abgetreten wird. andernfalls ist Unterdeckungnahme nach § 91 InsO unwirksam © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 264 F. I. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger Die Feststellung der Forderungen 1. Anmeldung der Forderungen 2. Prüfung der Forderungen 3. Forderungsfeststellungsverfahren II. Die Verteilung an die Insolvenzgläubiger 1. Arten der Verteilung 2. Allgemeine Voraussetzungen 3. Die Abschlagsverteilung 4. Die Schlussverteilung 5. Der Schlusstermin 6. Die Nachtragsverteilung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 265 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 1. Die Forderungsanmeldung § 87 InsO: InsGl können ihre Forderungen nur nach InsO geltend machen Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) nicht fällige Insolvenzforderungen (§ 41 InsO) bedingte Insolvenzforderungen (§§ 42, 191 InsO) Schuldner ist Gesamtschuldner (§ 43 InsO) Regressanspruch Gesamtschuldner/Bürge (§ 44 InsO) Nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO) nur, wenn InsG besonders dazu aufgefordert hat (§ 174 III 1 InsO) Entlastung der Gerichte, da regelmäßig ohne Quotenerwartung nicht: Masse- und Neuforderungen, Aus- oder Absonderungsrechte © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 266 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 1. Die Forderungsanmeldung Forderungsanmeldung beim IVw (§ 174 InsO ) und Eintragung in die Tabelle durch IVw (§ 175 InsO) Forderungen müssen mit Grund und Betrag unter Beifügung der Urkunden, die für eine Prüfung durch IV erforderlich sind, angemeldet werden (§ 174 I, II InsO) ggfls. Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung ein vorsätzliches Delikt ergibt Ausreichende Individualisierung: schlüssige Darlegung eines Lebenssachverhalt, der in Verbindung mit einem – nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden – Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt Ivw und Insolvenzgläubiger sollen die Forderung prüfen können Anmeldung ist eine Form der Rechtsverfolgung und Gläubiger kann aus der Eintragung als Titel die Zwangsvollstreckung betreiben Beurkundungspflicht des IVw © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 267 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 1. Die Forderungsanmeldung IVw muss die Anmeldung formell überprüfen und den Anmeldenden auf Unvollständigkeiten hinweisen Erfüllen die Forderungsanmeldungen nicht die Voraussetzungen des § 174 InsO, sind sie unwirksam (Pape/Uhlenbruck, Rn. 721). Bei schwerwiegenden Mängeln auch Zurückweisung möglich, gegen die Anmeldender eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen kann In der Praxis: Aufnahme in Tabelle und Bestreiten ordnungsgemäße Forderungsanmeldung Hemmung der Verjährung (§ 204 I Nr.10 BGB) Sachurteilsvoraussetzung für Feststellungsklage nach § 180 I InsO (BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483) verspätete Forderungsanmeldung nach Anmeldefrist vor Prüfungstermin Prüfung im PT, wenn nicht IV oder InsGl widerspricht (§ 177 I InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 268 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 1. Die Forderungsanmeldung Fall: K ließ im Februar 2000 seine Forderung gegen S i.H.v. € 100,- nebst Zinsen gerichtlich festsetzen und versuchte hieraus mehrfach zu vollstrecken. Im August 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des S eröffnet. K meldete seine Forderung nebst Vollstreckungskosten i.H.v. € 200,- zur Tabelle an unter Vorlage von unbeglaubigten Fotokopien der vollstreckbaren Ausfertigung und der Gebührenrechnungen. IVw bestritt die Forderungen, weil K nicht die Vollstreckungsunterlagen im Original vorgelegt hatte. K klagte auf Feststellung der Forderungen zur Tabelle Argumente für Vorlage des Originaltitels: § 178 I 3 InsO – Feststellungsvermerk § 201 II InsO – vollstreckbare Ausfertigung aus der Tabelle © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 269 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 1. Die Forderungsanmeldung BGH, Urt. v. 01.12.2005 - IX ZR 95/04 - NZI 2006, 173 Die Feststellung einer titulierten Forderung zur Insolvenztabelle setzt nicht die Vorlage der Originale voraus. § 174 I 2 InsO verlange lediglich die Vorlage von „Abdrucken“ der Unterlagen, die eine Prüfung der Forderung ermöglichen sollen. Nichtvorlage der Unterlagen berührt die Wirksamkeit der Anmeldung nicht. Nichts anderes aus § 178 II 3 InsO Erleichterung der Übertragung verbriefter Forderungen, indem der Zessionar die Gewissheit erhält, dass die Forderung nicht bestritten ist Verhinderung doppelte Inanspruchnahme des Schuldners aus Vollstreckungstitel und vollstreckbaren Tabellenausfertigung (§ 201 II InsO). Hierzu aber nicht die Vorlage von Originalurkunden bereits im PT erforderlich; ausreichend bei der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle (§ 202 II InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 270 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 1. Die Forderungsanmeldung Fall: Der Beklagte ist IV in dem am 1.7.2002 über das Vermögen der M. GmbH (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Die Lieferanten traten ihre Forderungen an die Klägerin ab, die sie sodann nach Maßgabe der ihr von den Lieferanten übermittelten Rechnungen bei der Schuldnerin geltend machte. Dazu erstellte die Klägerin zweimal monatlich Debitorenabrechnungen über vor Insolvenzeröffnung begründete Forderungen, die für den Abrechnungszeitraum Januar 2002 bis Februar 2002 zu ihren Gunsten einen Forderungsbestand von 3.016.126,47 € ausweisen. Diese meldete sie unter Übersendung der Debitorenabrechnung beim IVw an, der der Forderung bestritt. zu Recht? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 271 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 1. Die Forderungsanmeldung BGH, Urt. v. 22.01.2009 – IX ZR 3/08 - ZVI 2009, 105: ordnungsgemäße Forderungsanmeldung setzt gem. § 174 II InsO die schlüssige Darlegung des Lebenssachverhalts voraus, aus dem der Gläubiger seinen Zahlungsanspruch herleitet. Handelt es sich um die Sammelanmeldung einer Mehrzahl von Forderungen, ist der Darlegungslast für jede Einzelforderung zu genügen. Grund der Forderung = Klagegrund = Sachverhalt, dem die Forderung entspringt Individualisierung der Forderung den IVw und die übrigen Insolvenzgläubiger in den Stand zu versetzen, den geltend gemachten Schuldgrund zu prüfen Entspricht die Anmeldung einer Forderung nicht den Mindestanforderungen oder wird der Forderungsgrund nach der Anmeldung ausgetauscht, erfordert die Zulässigkeit der Forderungsfeststellungsklage sowohl eine Neuanmeldung als auch die Durchführung eines hierauf bezogenen Prüfungstermins Bewahrung des Widerspruchsrechts © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 272 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 2. Forderungsprüfung Prüfungstermin, § 176 InsO Festsetzung im Eröffnungsbeschluss, § 29 I Nr. 2 InsO oder durch besonderen Beschluss Prüfung der angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach (§ 176 S.1 InsO) Anwesenheitspflicht des IVw Forderungsbestreiten durch IVw, Insolvenzgläubiger, Schuldner (§ 178 I InsO) Einzelerörterung der bestrittenen Forderungen (§ 176 S.2 InsO) Feststellungswirkung wenn kein Widerspruch (§ 178 I InsO) Widerspruch des Schuldners hindert Feststellung nicht (§ 178 I 2 InsO); aber Vollstreckungshindernis (§ 201 II InsO) Problem: Zulässigkeit des vorläufigen Bestreitens – relevant vor allem in Großverfahren mit zahlreichen Forderungsanmeldungen; relevant für Kostentragung im Feststellungsprozess bei sofortigen Anerkenntnis des IV © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 273 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 2. Forderungsprüfung Eintragung des Prüfungsergebnis in die Tabelle (§ 178 II InsO) InsG: keine materiell-rechtliche Prüfung, sondern nur ordnungsgemäße Anmeldung und Protokollierung der Widersprüche Tabelleneintrag wirkt für festgestellte Forderungen wie rechtskräftiges Urteil (§ 178 III InsO), gegenüber IVw und allen Insolvenzgläubigern Umfang wie angemeldet und geprüft (§ 181 InsO) Sonderfall Eigenverwaltung (§ 283 I InsO) Forderung gilt erst dann als festgestellt, wenn weder der Insolvenzgläubiger, noch der Sachwalter, noch der Schuldner bestritten hat © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 274 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 3. Forderungsfeststellungsverfahren Insolvenzgläubiger bestrittener Forderungen können die Feststellung gegen den Bestreitenden betreiben (§ 179 I InsO) Zuständig ist das InsG oder das entsprechende LG (§ 180 I InsO) Ausn. § 185 InsO Bei titulierten Forderungen muss der Bestreitende den Widerspruch verfolgen (§ 179 II InsO) Wird Forderungsfeststellung nicht betrieben, bleibt bestrittene Forderung bei der Verteilung unberücksichtigt (§ 189 III InsO) Sonderfall: bereits über Forderung anhängiger Prozess Unterbrechung (§ 240 ZPO) Gläubiger muss Forderung zur Tabelle anmelden, §§ 87, 174 ff. InsO wird die Forderung dann bestritten, kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit aufnehmen (§ 180 II InsO) Umstellung des Klageantrags von Leistung in Feststellung zur Tabelle © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 275 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 3. Forderungsfeststellungsverfahren Fall: vorläufiges Bestreiten und sofortiges Anerkenntnis Kläger hatte im am 1.4.2003 eröffneten Insolvenzverfahren eine Forderung angemeldet, die im PT vom IVw bestritten wurde. Neben dem Bestreitensgrund wurde dem Kläger mitgeteilt: „Sollte Ihre Forderung bestritten sein, gilt dies einstweilen als vorläufig … Wenn Sie eine weitere Prüfung der von Ihnen angemeldeten Forderung wünschen, teilen Sie dies bitte schriftlich mit. Sollte ich nach Prüfung der Unterlagen die Forderung ganz oder teilweise anerkennen, werden Sie unmittelbar benachrichtigt.” Nach Erhebung der Feststellungsklage erkannte der IVw die Forderung an, die daraufhin zur Tabelle festgestellt wurde. Im Anschluss hieran erklärten die Parteien den Rechtsstreit für erledigt. Das AG hat die Kosten des Rechtsstreits dem Kl. auferlegt. Dessen sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die zugelassene Rechtsbeschwerde. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 276 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 3. Forderungsfeststellungsverfahren BGH, Beschl. v. 9.2.2006 - IX ZB 160/04 - NZI 2006, 295: vorläufiges Bestreiten in InsO nicht vorgesehen (§ 176 InsO – „bestrittene Forderungen“). Daher ist auch ein solches vorläufiges Bestreiten als ein Bestreiten i.S.d. § 179 I InsO anzusehen. Hieraus folgt allerdings nicht, dass ein IVw, der eine Forderung „vorläufig” bestreitet, in jedem Fall genügenden Anlass zur Erhebung der Forderungsfeststellungsklage Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits gem. § 180 II InsO gibt IVw macht durch eine solche Erklärung deutlich, dass er die Forderung nur deshalb bestreitet, weil er sich zu ihr noch nicht abschließend erklären kann. Dann ist es dem Gläubiger zuzumuten, sich vor Erhebung der Feststellungsklage beim IVw zu vergewissern, ob dieser seinen Widerspruch aufrechterhält. Hierzu kann er ihm eine angemessene Frist zur abschließenden Entscheidung setzen. Wegen Ausschlussfrist nach § 189 InsO gilt § 93 ZPO nur bis zur erstmaligen öffentlichen Bekanntmachung des Verteilungsverzeichnisses (§ 188 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 277 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 3. Forderungsfeststellungsverfahren BFH, Urt. v. 23.02.2005 - VII R 63/03 - DStRE 2005, 850: Liegt bei IE bereits ein vom Schuldner angefochtener Steuerbescheid über die im PT vom FA angemeldete und vom IVe bestrittene Steuerforderung vor, so ist nach § 180 II iVm. § 185 InsO die Feststellung durch Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsbehelfs- oder Klageverfahrens zu betreiben. rechtskräftige Entscheidung Berichtigung der Insolvenztabelle (§ 183 II InsO). Ist eine Steuerforderung gegenüber dem IVw durch eine Einspruchsentscheidung bestandskräftig festgestellt worden, fehlt Feststellungsinteresse für Forderungsfeststellungsklage. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 278 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger I. Die Feststellung der Forderungen 3. Forderungsfeststellungsverfahren BFH, Urt. v. 23.02.2010 – VII R 48/07 - ZIP 2010, 844 Liegt bei IE eine bestandskräftige Steuerfestsetzung (= Schuldtitel i.S.d. § 179 II InsO) vor, ist das FA im Falle des Bestreitens der Forderung durch IVw berechtigt, das Bestehen der angemeldeten Forderung durch Bescheid festzustellen, wenn der IVw die Unwirksamkeit der Forderungsanmeldung behauptet. § 185 S.1 InsO iVm § 251 III AO: Gegenstand des Feststellungsbescheids ist nicht die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheids. Sein Regelungsinhalt geht vielmehr dahin, dass dem Steuergläubiger eine bestimmte Steuerforderung als Insolvenzforderung zusteht § 251 III AO: „Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen Verwaltungsakt fest.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 279 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger Aussonderung Absonderung Der Zugriff auf die Masse Massegläubiger Insolvenzgläubiger © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 280 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 1. Arten der Verteilung Zu unterscheiden sind Abschlagsverteilung: vor vollständiger Masseverwertung, wenn hinreichende Barmittel zur Verfügung (§ 187 II InsO) Schlussverteilung: nach Abschluss der Masseverwertung (§ 196 InsO) Nachtragsverteilung: nach aufgehobenem Insolvenzverfahren (§§ 203 ff. InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 281 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 2. Allgemeine Voraussetzungen Ausreichender Massebestand nach Befriedigung (Rückstellung) aus- und absonderungsberechtigte Gläubiger Masseverbindlichkeiten (§§ 53 ff. InsO) Verfahrenskosten (§ 54 InsO) Sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 54 InsO) allg. Prüfungstermin (§ 187 I InsO) Verteilungsverzeichnis (§ 188 InsO) Niederlegung auf der Geschäftsstelle des InsG Öffentliche Bekanntmachung Ablauf der Ausschlussfristen §§ 189 I, 190 I InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 282 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 2. Allgemeine Voraussetzungen § 189 I InsO – bestrittene Forderung Nachweis innerhalb der 2-Wochen-Frist, dass und für welchen Betrag Feststellungsklage erhoben oder anhängigen Rechtsstreit aufgenommen Dann: der auf die Forderung entfallende Anteil ist bei der Verteilung zurückzubehalten (§ 189 II InsO) nachträgliche Nachweisführung bei Abschlagsverteilung: Vorabausschüttung in der folgenden Verteilung (§ 192 InsO) nach Schlussverteilung: Ausschluss von weiteren Verteilungen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 283 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 2. Allgemeine Voraussetzungen § 190 I InsO – absonderungsberechtigte Gläubiger Nachweis innerhalb der 2-Wochen-Frist, dass und für welchen Betrag er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet hat oder bei ihr ausgefallen ist. bei Abschlagsverteilung genügt Nachweis, dass die Verwertung des Gegenstands betrieben wird, an dem das Absonderungsrecht besteht, und Glaubhaftmachung des mutmaßlichen Ausfalls (§ 190 II InsO) wird Nachweis nicht geführt, keine Berücksichtigung bei der Verteilung Sonderfall: Verwertungsrecht des IVw (§ 190 III InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 284 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 2. Allgemeine Voraussetzungen BGH, Urt. v. 2.7.2009 - IX ZR 126/08 - ZIP 2009, 1580 – Gehaltsabtretung: Absonderungsberechtigte wird in der WVP nur dann bei der Verteilung berücksichtigt, wenn er 2-Wochen-Frist des § 190 I InsO beachtet hat. § 190 InsO gilt auch für das Restschuldbefreiungsverfahren Aber: Ausfall steht wegen Zwei-Jahres-Frist des § 114 I InsO noch nicht endgültig fest. Schätzung Quotenermittlung auf der Grundlage der Forderungen vorzunehmen, die nach Auslaufen der Forderungsabtretung im Sinne des § 114 Abs. 1 InsO noch offen ist BGH: offen gelassen der absonderungsberechtigte Gehaltszessionar muss trotzdem Erklärung gem. § 190 I InsO abgeben © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 285 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 2. Allgemeine Voraussetzungen § 191 I InsO – aufschiebend bedingte Forderung volle Berücksichtigung durch Zurückbehaltung des entsprechenden Betrages (§ 191 I InsO) Auskehrung nur bei Bedingungseintritt Ausn. bei Schlussverteilung und fernliegenden Bedingungseintritt (§ 192 II InsO) wenn Bedingungseintritt gem. § 203 I Nr. 1 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 286 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 3. Abschlagsverteilung § 187 II 1 InsO: „ Verteilungen an die Insolvenzgläubiger können stattfinden, sooft hinreichende Barmittel in der Insolvenzmasse vorhanden sind.“ Voraussetzungen Allg. Voraussetzungen Zustimmung GlA, wenn vorhanden, (§ 187 III 3 InsO) Keine Einwendungen gegen Verteilungsverzeichnis (§ 194 InsO) Durchführung Bestimmung der Abschlagsquote (§ 195 InsO) Keine Verteilung an nachrangige InsGl (§ 187 II 2 InsO) Keine Einwendungen gegen Verteilungsverzeichnis (§ 194 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 287 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 4. Schlussverteilung § 196 I InsO: „Die Schlussverteilung erfolgt, sobald die Verwertung der Insolvenzmasse mit Ausnahme eines laufenden Einkommens beendet ist.“ Durchführung: Allg. Voraussetzungen Zustimmung GlA, wenn vorhanden (§ 187 III 3 InsO) Zustimmung des InsG (§ 196 II InsO) Keine Einwendungen gegen Verteilungsverzeichnis (§ 197 InsO) ein Überschuss ist dem Schuldner herauszugeben (§ 199 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 288 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 5. Schlusstermin § 197 I 1 InsO: „Bei der Zustimmung zur Schlussverteilung bestimmt das Insolvenzgericht den Termin für eine abschließende Gläubigerversammlung.“ Ladung Beschluss und öffentliche Bekanntmachung (§ 9 InsO) Ladungsfrist: mind. 1 M, max. 2 M (§ 197 II InsO) Gegenstand (§ 197 I 2 InsO) Erörterung der Schlussrechnung des Verwalters Erhebung von Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis, Entscheidung der Gläubiger über die nicht verwertbaren Gegenstände der Insolvenzmasse © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 289 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 5. Schlusstermin Forderungsanmeldung Forderungen können noch im SchlussT angemeldet werden nehmen aber nicht an der Schlussverteilung teil (h.M., BGH, Beschl. v. 22.03.2007 - IX ZB 8/05 - NZI 2007, 410) Ausschlussfrist des § 189 I InsO gilt entsprechend Nach Zustimmung gem. § 196 II InsO und nach Ablauf der Ausschlussfrist angemeldete Forderungen nehmen an einer Schlussverteilung nicht teil Schlussverzeichnis ist abschließend: nach Veröffentlichung (§ 188 InsO) Änderungen nur nach §§ 189 – 193 InsO oder § 4 InsO iVm. § 319 ZPO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 290 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 5. Schlusstermin Fall RA meldet für seine Mandantin, die X-Volksbank, eine titulierte und eine nicht titulierte Darlehensforderung an und übersendet dem IVw Ablichtungen der Darlehensverträge und des Vollstreckungsbescheids. Aus den übersandten Unterlagen ergibt sich als Gläubiger die A-Bank. Den Anmeldungsunterlagen war kein Nachweis darüber beigefügt, dass die A-Bank später in X-Bank umfirmiert worden war. Der IVw bestreitet im Prüfungstermin die Forderungen mit dem Hinweis „Aktivlegitimation nicht nachgewiesen“. RA wird hierüber vom InsG informiert. 4 Wochen nach der Veröffentlichung gem. § 188 InsO und 4 Tage vor dem Schlusstermin fordert der RA unter Übersendung eines Auszuges aus dem Genossenschaftsregister den IVw auf, das Forderungsbestreiten aufzugeben. RA hat Sorge, die X-Volksbank als Mandantin zu verlieren und will die Feststellung der angemeldeten Forderungen zur Tabelle erreichen. Wird er Erfolg haben? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 291 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 5. Schlusstermin Lösung Einwendung gegen Verteilungsverzeichnis nach § 194 InsO? gilt nach Gesetzeswortlaut nur für Abschlagsverteilungen Änderung des Verteilungsverzeichnisses nach § 193 InsO? Frist des § 189 I InsO ist abgelaufen nach § 189 III InsO: die Forderung wird bei der Verteilung nicht berücksichtigt. Änderung des Verteilungsverzeichnisses nach § 193 InsO im Schlusstermin? Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis (§ 197 I Nr.2 InsO) InsG entscheidet durch Beschluss (§ 197 III iVm § 194 II, III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 292 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 5. Schlusstermin unzulässige Einwendungen (Lit./Rspr): materiell-rechtliche gegen Bestand einer ins Schlussverzeichnis aufgenommenen Forderung Einwendungen, mit denen ein InsGl, der die Aufnahmefrist versäumt hat, durch Nachreichung von Belegen seine Säumnis ausräumen will BGH (Beschl. v. 22.03.2007 - IX ZB 8/05 - NZI 2007, 410): „Allein die Möglichkeit, im SchlussT noch Einwendungen vorzubringen, kann nicht dazu führen, dass Forderungen an der Verteilung teilnehmen, die im bisherigen SchlussVz nicht berücksichtigt waren.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 293 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 6. Nachtragsverteilung Voraussetzungen (§ 203 I InsO) Antrag IVw oder InsGl Anordnung auch von Amts wegen nach dem Schlusstermin werden Zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei, Aus der Insolvenzmasse gezahlte Beträge fließen zurück oder Gegenstände der Masse ermittelt. Keine Geringfügigkeit (§ 203 III 1 InsO) Zahlung Kostenvorschuss, wenn angefordert (§ 203 III 2 InsO) auch nach Verfahrensaufhebung (§ 203 II InsO) auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 211 III InsO) auch im vereinf. Insolvenzverfahren (BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – IX ZB 17/04) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 294 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 6. Nachtragsverteilung Anordnung durch Beschluss (§ 203 I InsO) Zustellung an IVw, Schuldner und antragstellendem InsGl Rechtsmittel Ablehnung der Anordnung Antragsteller (§ 204 I 2 InsO) Anordnung Schuldner ( § 204 II 2 InsO) Vollzug (§ 205 InsO) Verteilung aufgrund des Schlussverzeichnisses Rechnungslegung gegenüber InsG © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 295 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 6. Nachtragsverteilung Fall: Über das Vermögen der S wurde auf Eigenantrag am 30.12.2002 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Am 8.7.2003 verstarb der Vater der S, der ihren Bruder zum Alleinerben eingesetzt hatte. Mit Beschluss vom 17.6.2004 hob das InsG das Insolvenzverfahren nach Ankündigung der Restschuldbefreiung auf. Eine Verteilung hatte mangels Masse nicht stattgefunden. Am 6.7.2004 erhob die S gegen ihren Bruder Klage wegen ihres Pflichtteilsanspruchs. Durch rechtskräftiges Urteil vom 16.1.2009 wurde entschieden, dass der Bruder an die S 33.485,38 € nebst Zinsen zu zahlen hat. Zuvor hatte am 30.12.2008 die Laufzeit der Abtretungserklärung geendet. Das InsG hat mit Beschluss vom 2.4. 2009 die Nachtragsverteilung hinsichtlich des zugesprochenen Betrags angeordnet. Die sofortige Beschwerde der S hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 296 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 6. Nachtragsverteilung BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 184/09 - ZIP 2011, 135: (Ls.1) Der vom Schuldner durch einen Erbfall während des Insolvenzverfahrens erworbene Pflichtteilsanspruch gehört zur Insolvenzmasse. (Ls.2) Wird der während des Insolvenzverfahrens entstandene Pflichtteilsanspruch erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens anerkannt oder rechtshängig gemacht, unterliegt er der Nachtragsverteilung. Der Antrag des IVw ist nach § 203 I InsO an keine Frist gebunden Notfrist des § 586 ZPO schon deswegen nicht über § 4 InsO anwendbar, weil Nachtragsverteilung auch von Amts wegen angeordnet werden kann Pflichtteilsanspruch entstand mit Erbfall (§§ 2317 I, 1922 I BGB) § 852 I ZPO steht nicht entgegen, da Pflichtteilsanspruch bereits vor vertraglichen Anerkennung oder Rechtshängigkeit als in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden kann damit Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 36 I 1 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 297 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 6. Nachtragsverteilung gilt § 295 I Nr. 2 InsO? BGH: Nachtragsverteilung, weil der nachträglich eingeklagte Anspruch bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens zur Masse gehörte Pflichtteilsanspruch selbst ist mit dem Erbfall unbedingt entstanden = iSv. § 35 I InsO erlangt Aufschiebend bedingt ist lediglich die zwangsweise Verwertbarkeit. Diese Wirkung tritt erst mit der vertraglichen Anerkennung des Anspruchs oder mit Rechtshängigkeit ein (§ 852 I ZPO, § 158 I BGB). Die uneingeschränkte, sofortige Verwertbarkeit ist aber keine Voraussetzung der Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zur Masse © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 298 F. Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 6. Nachtragsverteilung „nachträglich ermittelt“ iSv. § 203 I Nr.3 InsO weit auszulegen Existenz oder Aufenthaltsort eines Massegegenstands muss nicht dem IVw während des Insolvenzverfahrens unbekannt gewesen sein. auch Gegenstände, von deren Existenz der IVw wusste, die er aber irrtümlich für nicht verwertbar hielt und deswegen nicht zur Masse zog ebenso, wenn Gegenstände während der Verfahrensdauer tatsächlich (noch) nicht verwertbar waren. Für solche Gegenstände kann die Nachtragsverteilung bereits im Schlusstermin vorbehalten werden Nachtragsverteilung stand nicht entgegen, dass die Laufzeit der Abtretungserklärung nach § 287 II 1 InsO bereits abgelaufen war. Nachtragsverteilung Gegenstände, die während des Insolvenzverfahrens zur Masse gehörten Abtretung Forderungen, die erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und dem damit verbundenen Ende des Insolvenzbeschlages entstehen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 299 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Verfahrenseinstellung 1. 2. 3. 4. Einstellung mangels Masse Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger II. Verfahrensaufhebung 1. Aufhebung nach Schlussverteilung 2. Aufhebung nach Planbestätigung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 300 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 1. Die Einstellung mangels Masse § 207 I 1 InsO: „Stellt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein.“ Voraussetzungen Masselosigkeit bei natP: keine Verfahrenskostenstundung (§ 207 I 2 InsO) Durchführung Anhörung der GlV, des IVw und der MasseGl (§ 207 II InsO) Kostenvorschuss gem. § 207 I 2 InsO Verteilung der Barmittel (§ 207 III 1 InsO) Keine Verwertungspflicht des IVw mehr © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 301 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 2. Einstellung nach Anzeige Masseunzulänglichkeit § 211 I InsO: „Sobald der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt hat, stellt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren ein.“ Voraussetzungen Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO Abschluss der Masseverwertung (§ 208 III InsO) Schlussrechnungslegung des IVw Allg. Schlussrechnung nach § 66 I InsO Besondere Rechnungslegungsanforderung nach § 211 II InsO Verfahrenskostendeckung, sonst § 207 I InsO Verteilung der Masse nach § 209 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 302 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 2. Einstellung nach Anzeige Masseunzulänglichkeit Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 I InsO) Voraussetzungen Verfahrenskostendeckung Keine oder voraussichtlich keine Deckung der sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO Anzeigepflicht des IV („hat“) Keine Prüfungspflicht des InsG Korrektiv: Haftung des IV nach §§ 60, 61 InsO Wirkung der Anzeige Vollstreckungsverbot (§ 210 InsO) Befriedigung nach 209 InsO („Insolvenz in der Insolvenz“) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 303 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 2. Einstellung nach Anzeige Masseunzulänglichkeit Durchführung Einstellung durch Beschluss Öffentliche Bekanntmachung, (§§ 215 I 1, 9 InsO) Unterrichtung Schuldner, IV, GlA über Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einstellung Löschung der Insolvenzvermerke (§ 215 I 3 InsO) Kein Rechtsmittel (§ 6 I InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 304 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 2. Einstellung nach Anzeige Masseunzulänglichkeit Wirkung Schuldner erhält Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück (§ 215 II 1 InsO) Rechte der Massegläubiger Kein Anspruch gegen Insolvenzschuldner Rechte der Insolvenzgläubiger (§ 215 II 2 InsO) Unbeschränkte Vollstreckungsmöglichkeit (§ 201 I InsO) aus vollstreckbarer Ausfertigung des Tabellenauszugs (§ 201 II InsO) Ausn.: Restschuldbefreiung (§ 201 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 305 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 3. Einstellung nach Wegfall des Eröffnungsgrunds § 212 S. 1 InsO: „Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, dass nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch (…) Überschuldung vorliegt.“ Voraussetzungen (§ 212 InsO) Antrag des Schuldners Glaubhaftmachung Wegfall des Eröffnungsgrundes Durchführung Öffentliche Bekanntmachung (§ 214 I 1 InsO) Niederlegung Antrag auf der Geschäftsstelle (§ 214 I 2 InsO) Ablauf der Widerspruchsfrist (§ 214 I 2 InsO) Anhörung des Schuldners, IVw, GlA © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 306 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 3. Einstellung nach Wegfall des Eröffnungsgrunds Entscheidung (§ 214 InsO) Sicherstellung Masseansprüche (§ 214 III InsO) Beschluss Bekanntmachung (§ 215 I InsO) Wirkung Schuldner erhält Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück (§215 II 1 InsO) Löschung der Insolvenzvermerke (§ 215 I 3 InsO) Rechtsmittel Jeder Insolvenzgläubiger bei Einstellung (§ 216 I InsO) Bei Ablehnung der Schuldner (§ 216 II InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 307 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 4. Einstellung mit Zustimmung Gläubiger § 213 I 1 InsO: „Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn er nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben.“ Voraussetzungen (§ 213 I InsO) Antrag des Schuldners Ablauf der Anmeldefrist (§ 28 I 1 InsO) Ausn.: andere Gl sind nicht bekannt (§ 213 II InsO) Zustimmung aller Insolvenzgläubiger Durchführung Öffentliche Bekanntmachung (§ 214 I 1 InsO) Niederlegung Antrag auf der Geschäftsstelle (§ 214 I 2 InsO) Ablauf der Widerspruchsfrist (§ 214 I 3 InsO) Anhörung des Schuldners, IVw, GlA Sicherstellung Masseansprüche (§ 214 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 308 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens I. Die Verfahrenseinstellung 4. Einstellung mit Zustimmung Gläubiger Entscheidung (§ 214 InsO) Sicherstellung Masseansprüche (§ 214 III InsO) Beschluss Bekanntmachung (§ 215 I InsO) Wirkung Schuldner erhält Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück (§ 215 II 1 InsO) Löschung der Insolvenzvermerke (§ 215 I 3 InsO) Rechtsmittel Jeder Insolvenzgläubiger bei Einstellung (§ 216 I InsO) Bei Ablehnung der Schuldner (§ 216 II InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 309 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens II. Die Verfahrensaufhebung 1. Aufhebung nach Schlussverteilung § 200 I InsO: „ Sobald die Schlussverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.“ Durchführung Öffentliche Bekanntmachung (§§ 200 II 1, 9 InsO) Löschung Insolvenzvermerke (§§ 200 II 2, 31- 33 InsO) Wirkung Amt des Ivw endet Schuldner erhält Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück Ausschluss von Massegläubigern (§ 206 InsO) Rechte der Massegläubiger Befriedigung nur aus Mitteln, die nach Schlussverteilung in der Masse verblieben sind (§ 206 Nr.2 InsO) Kein Anspruch gegen Insolvenzschuldner © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 310 G. Die Beendigung des Insolvenzverfahrens II. Die Verfahrensaufhebung 1. Aufhebung nach Schlussverteilung Rechte der Insolvenzgläubiger Unbeschränkte Vollstreckungsmöglichkeit (§ 201 I InsO) aus vollstreckbarer Ausfertigung des Tabellenauszugs (§ 201 II InsO) Ausn.: Restschuldbefreiung (§ 201 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 311 H. I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. Das Insolvenzplanverfahren Einführung Gerichtliche Vorprüfung Planinhalt Abstimmungsverfahren Planbestätigung Planwirkung Aufhebung Insolvenzverfahren Planüberwachung weitere Neuregelungen durch das ESUG 1. Masseunzulänglichkeit 2. Nachbesserungsrecht des Insolvenzverwalters © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 312 H. Das Insolvenzplanverfahren I. Einführung § 1 S.1 InsO: "Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, (…) oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.“ Str: Rechtsnatur des Insolvenzplans h.M.: schuldrechtlicher Vertrag sui generis zwischen Schuldner und seinen Gläubigern Gesetzgeberische Ziele Maßstab für die Sanierung des Schuldners/-unternehmens sollen wirtschaftliche und nicht rechtliche Erwägungen sein maßgeschneiderter Ausweg für problematische Insolvenzverfahren das Sanierungsverfahren soll zwischen Schuldner und seinen Gläubigern ausgehandelt und nicht vom InsG auferlegt werden Stärkung der Gläubigerautonomie – Entscheidung zwischen Einbeziehung des Schuldners (Vorbild: amerikanisches Chapter 11 Verfahren) oder Unterwerfung des Schuldners unter die Verwertungsmaßnahmen des Ivw © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 313 H. Das Insolvenzplanverfahren I. Einführung ESUG: Gesetzesbegründung Verfahrensleitende Insolvenzpläne und verfahrensbegleitende Teil-Insolvenzpläne sollen zulässig sein bisher streitig Ausbund der privatautonomen Verfahrensgestaltung keine Änderung der planfesten Regelungen, wie z.B. das Forderungsprüfungs- und feststellungsverfahren Gesellschafterrechte sollen in den Insolvenzplan einbezogen werden Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung Anteilsübertragung Fortsetzungsbeschluss Es sollen auch Schulden in Gesellschafterrechte umgestaltet werden können „debt-equity-swap“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 314 H. Das Insolvenzplanverfahren I. Einführung § 217 InsO - Grundsatz „Die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können in einem Insolvenzplan abweichend von den Vorschriften dieses Gesetzes geregelt werden. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so können auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen werden.“ (rot ESUG) Möglichkeit zur Abweichung von den dispositiven Vorschriften der InsO Befriedigung der Absonderungs- und Insolvenzgläubiger Verwertung der Insolvenzmasse, Verteilung der Insolvenzmasse an die Beteiligten, Haftung des Schuldners nach Beendigung des Verfahrens © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 315 H. Das Insolvenzplanverfahren I. Einführung Fall: Plan legt Formel zur Berechnung der Forderungen der geschädigten Anleger fest; alle anderen Insolvenzgläubiger sollen nach den Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens ermittelt werden. Zulässig? BGH, Beschl. v. 05.02.2009 - IX ZB 230/07 - NZI 2009, 230 - Phönix InsPlan darf nur plandispositive Gegenstände regeln. von planfesten Vorschriften darf nur dann abgewichen werden, wenn es durch Sondervorschriften ausdrücklich zugelassen ist planfest sind Regelungen über die Feststellung der Forderungen nach §§ 174ff. InsO die §§ 174ff. InsO garantieren den Gläubigern das Recht, ihre Forderungen in einem formalisierten Prüfungsverfahren feststellen zu lassen und im Fall des Widerspruchs gerichtlich zu verfolgen diese rechtlichen Garantien können den Gläubigern nicht durch einen Insolvenzplan entzogen werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 316 H. Das Insolvenzplanverfahren I. Einführung Vorlage, § 218 InsO (IV, Schuldner) Berichtstermin - Prüfungstermin Erörterungstermin – Abstimmungstermin, § 235 InsO • Gestaltender und darstellender Teil ( §§ 220, 221 InsO) • Gruppenbildung ( § 222 InsO), Abstimmung in Gruppen ( § 243 InsO) • Kopf- und Summenmehrheit (§ 244 InsO) • Ersatz von fehlenden Zustimmungen • Keine Beteiligung von Gesellschaftern Bestätigungstermin, § 252 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 317 H. Das Insolvenzplanverfahren I. Einführung Planarten Sanierungsplan (Unternehmensanalyse, Auswirkungen der Krise), Übertragungsplan, Liquidationsplan „prepackaged“-Plan, wird bereits vor Antragstellung vorbereitet und mit der Antragstellung vorgelegt (§ 218 I 2 InsO). Bedarf nur noch der Absegnung durch InsG und der Zustimmung der InsGl belässt Schuldner die Initiative in der Krisensituation, die er mit einem Antrag auf Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) noch steigern kann Verfahrensleitender bzw. –begleitender Plan (ESUG) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 318 H. Das Insolvenzplanverfahren I. Einführung Anwendungsbereich das Insolvenzplanverfahren kann zur Verfahrensabwicklung gewählt werden in Insolvenzverfahren über das Vermögen von juristischen Personen Personengesellschaften natürliche Personen wenn selbständige Tätigkeit und > 19 Gläubiger Ausnahme (§§ 312 II, 304 InsO) derzeit oder früher keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit bei „Kleinselbständigen“. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 319 H. Das Insolvenzplanverfahren I. Einführung Planinitiative zur Vorlage eines InsPlan befugt ist der Schuldner (§ 218 I InsO) der IVw mit beratender Unterstützung durch den GlA (§ 281 I, III InsO) die GlVers kann den IVw mit der Planerstellung beauftragen (§ 218 II InsO) Beachte: Werden mehrere Pläne vorgelegt, muss jeder durch das InsG geprüft und zur Abstimmung gebracht werden nach dem Schlusstermin kann kein InsPlan mehr vorgelegt werden (§ 218 I 3 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 320 H. Das Insolvenzplanverfahren II. Gerichtliche Vorprüfung Prüfungspflicht des InsG (folgt aus § 231 InsO) Zurückweisungsgründe (§ 231 I InsO): (Nr.1) wenn die Vorschriften über das Recht zur Vorlage und den Inhalt des Plans nicht beachtet sind und der Vorlegende den Mangel nicht beheben kann oder innerhalb einer angemessenen, vom Gericht gesetzten Frist nicht behebt; (Nr.2) wenn ein vom Schuldner vorgelegter Plan offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Gläubiger oder auf Bestätigung durch das Gericht hat; (Nr.3) wenn die Ansprüche, die den Beteiligten nach dem gestaltenden Teil eines vom Schuldner vorgelegten Plans zustehen, offensichtlich nicht erfüllt werden können; (Abs. 2) neuer Schuldnerplan, auf Antrag des IV mit Zustimmung eines bestellten GlA Rechtsmittel: sofortige Beschwerde (§ 231 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 321 H. Das Insolvenzplanverfahren II. Gerichtliche Vorprüfung § 231 I Nr.2 InsO: "ein vom Schuldner vorgelegter Plan offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Gläubiger oder auf Bestätigung durch das Gericht“ BGH, Beschl. v. 16.12.2010 – IX ZB 21/09 - ZIP 2011, 340 Bei der anzustellenden Prognose ist in erster Linie der Inhalt des Planes selbst zu berücksichtigen. In die Beurteilung können aber auch im Verfahren bereits erfolgte Stellungnahmen der Gläubiger einbezogen werden mit Vorsicht zu bewerten, weil sich die Meinung der Gläubiger bis zur Erörterung und Abstimmung über den Plan noch ändern kann. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 322 H. Das Insolvenzplanverfahren II. Gerichtliche Vorprüfung wenn keine Planzurückweisung nach § 231 InsO Einholung der Stellungnahmen durch das InsG (§ 232 InsO) GlA, Betriebsrat und Ausschuss der leitenden Angestellten, Schuldner, wenn IV den Plan vorgelegt hat, IV, wenn Schuldner den Plan vorgelegt hat. („kann“) auch IHK, HWK oder andere sachkundige Stellen ggfls. Aussetzung der Verwertung und Verteilung (§ 233 InsO) Gefährdung der Durchführung eines vorgelegten Plans durch die Fortsetzung der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse Antrag des IV oder Schuldners Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 323 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt § 219 InsO - Gliederung des Plans: „Der Insolvenzplan besteht aus dem darstellenden Teil und dem gestaltenden Teil. Ihm sind die in den §§ 229 und 230 genannten Anlagen beizufügen“ Darstellender Teil gestaltender Teil Anlagen Vermögensübersicht, Ergebnis- und Finanzplan (§ 229 InsO) Bereitschaftserklärung des Schuldners zur Fortführung des Unternehmens auf der Grundlage des Plans (§ 231 I InsO) Zustimmungserklärungen zur Übernahme von Mitgliedschaftsrechten (§ 231 II InsO) Verpflichtungserklärungen Dritter (§ 231 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 324 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt § 229 InsO – Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan. „ (….) Ergänzend ist darzustellen, welche Aufwendungen und Erträge für den Zeitraum, während dessen die Gläubiger befriedigt werden sollen, zu erwarten sind und durch welche Abfolge von Einnahmen und Ausgaben die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens während dieses Zeitraums gewährleistet werden soll. 3Dabei sind auch die Gläubiger zu berücksichtigen, die zwar ihre Forderungen nicht angemeldet haben, jedoch bei der Ausarbeitung des Plans bekannt sind.“ Gesetzesbegründung für S. 3 (ESUG) diese Vorschrift soll zusammen mit §§ 259a, b InsO das Risiko mindern, dass ein Plan nach rechtskräftiger Bestätigung durch nachträglich angemeldete Forderungen zu Fall gebracht wird Planersteller hat in der Vermögensübersicht und im Ergebnis- und Finanzplan alle ihm bekannten Forderungen zu berücksichtigen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 325 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Zulässigkeit von Ausschlussklauseln im Insolvenzplan? Pro ein Plan kann nach rechtskräftiger Bestätigung durch nachträglich angemeldete Forderungen zu Fall gebracht wird Contra keine gesetzliche Grundlage (BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 206/11 - ZIP 2012, 1359 Tz. 10) Der völlige Verlust einer Forderung als Folge einer Ausschlussfrist stellt einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht des Gläubigers (Art. 14 I GG) dem Planverfahren kommt keine Ausschlusswirkung zu (RegE zu § 259a, b InsO BT-Drcks. 17/5712 S. 37) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 326 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt darstellender Teil des Plans (§ 220 InsO) = Information der Gläubiger und des Insolvenzgerichts über Planziel und Planverlauf Bestandaufnahme bzgl. Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage Art der Verwertung und woher Geld zur Verwertung kommen soll, Art und Umfang der Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften, Angabe und Erläuterung von Betriebsänderungen und anderen organisatorischen sowie personellen Maßnahmen, Angaben über Umfang der Gläubigerbefriedigung ohne Insolvenzplan, Darstellung der Chancen und Risiken © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 327 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Frage: muss im darstellenden Teil des Plans auf eine rechtskräftige Verurteilung des Schuldners wegen Bankrottstraftaten hingewiesen werden? Versagungsgrund gem. §§ 290 I Nr.1, 297 InsO Schuldner erlangt regelmäßig RSB (§ 227 InsO) offengelassen BGH (Beschl. v. 19.5.2009 - IX ZB 236/07 - NZI 2009, 515), aber keine Pflicht zur allgemeinen Angaben zu Versagungsgründen BGH (Beschl. v. 13.10.2011 – IX ZB 37/08 – ZIP 2012, 187) : Werden in den darstellenden Teil des Insolvenzplans die vom Schuldner begangenen Insolvenzstraftaten (§§ 283 bis 283c StGB) nicht aufgenommen, ist die Bestätigung des Plans nur zu versagen (§ 250 Nr. 1 InsO), wenn der Plan auf eine Unternehmensfortführung abzielt © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 328 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Gestaltender Teil des Plans, § 221 InsO: „Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll.“ Regelungsgegenstand (§ 217 InsO) die im gestaltenden Teil festgelegten Regelungen treten erst mit Rechtskraft der Bestätigung des InsPlans durch das InsG ein (§ 254 InsO). Nach § 257 InsO kann gegen den Schuldner aus dem Plan vollstreckt werden; die Regelungen müssen demnach hinreichend bestimmt sein Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit §§ 222 ff. InsO Eingriff in die Rechtsstellung der absonderungsberechtigten Gläubiger (§ 223 InsO) Eingriff in die Rechtsstellung der Insolvenzgläubiger (§ 224 InsO) Mindestquoten für Gläubiger sind nicht vorgeschrieben © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 329 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Gruppenbildung Die Festlegung der Rechte der Beteiligten erfolgt in Gruppen (§ 222 InsO) kein Gleichbehandlungsgebot zwischen den einzelnen Gruppen aber: Gleichbehandlungsgebot innerhalb der Gruppen Ausnahmen nur mit Zustimmung aller Betroffenen (§ 226 II InsO) Nichtigkeit vorteilsgewährender Sondervereinbarungen (§ 226 III InsO) Die Gruppen müssen sachgerecht voneinander abgegrenzt werden. Die Kriterien für die Abgrenzung sind im Plan anzugeben (§ 222 II InsO) doppelte Differenzierung Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung (§ 222 I InsO): der absonderungsberechtigten Gläubiger, wenn durch den Plan in deren Rechte eingegriffen wird, der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger, der einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger, soweit deren Forderungen nicht nach § 225 als erlassen gelten sollen. © 2013 WZR Group !! Erlass ist Regelfall RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 330 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Aus den Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung können Gruppen gebildet werden, in denen Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden (§ 222 II 1 InsO), wie z.B. Gruppe der Arbeitnehmer, § 222 III 1 InsO Gruppe der Kleingläubiger, § 222 III 2 InsO z.B. Differenzierung der Grundpfandrechtsgläubiger nach Rangklasse und Befriedigungsaussichten („single asset real estate case“) unzulässig: Gruppe, die Gläubiger mit werthaltigen und nicht werthaltigen Absonderungsrechten in sich vereint (BGH, Beschl. v. 7.7.2005 – IX ZB 266/04 – ZIP 2005, 1648) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 331 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Debt-Equity-Swap § 222 InsO - Gruppenbildung „(1) (…) 4. den am Schuldner beteiligten Personen, wenn der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in dem Plan einbezogen werden.“ (…) (3) (…) 2Für Kleingläubiger und geringfügig beteiligte Anteilsinhaber mit einer Beteiligung am Kapital von weniger als einem Prozent oder weniger als 1000 Euro können besondere Gruppen gebildet werden.“ Gesetzesbegründung Folgeänderung zur Einbeziehung der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte in die Abstimmung über den Insolvenzplan Gesellschafter müssen nicht zwangsläufig gleich behandelt werden, es können je nach Interessenlage unter ihnen verschiedene Gruppen gebildet werden (Abs. 3) eine besondere Behandlung der Kleingesellschafter, die keinen unternehmerischen Einfluss ausüben können, ist zulässig © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 332 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Debt-Equity-Swap § 225a InsO – Rechte der Anteilsinhaber „(1) Die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen bleiben vom Insolvenzplan unberührt, es sei denn, dass der Plan etwas anderes bestimmt. Ausnahmen vom Grundsatz, dass die Gesellschafterrechte vom Insolvenzverfahren unberührt bleiben, können im Insolvenzplan geregelt werden (2) Im gestaltenden Teil des Plans kann vorgesehen werden, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt werden. Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist ausgeschlossen. Insbesondere kann der Plan eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber vorsehen.2 „Debt-equity-swap“ Geeignetes Instrument, über eine wertlose Forderung gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf das Unternehmen gewinnen zu können © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 333 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Debt-Equity-Swap die Rechte der Gesellschafter werden durch deren Beteiligung im Insolvenzverfahren gewahrt eigene Gruppe (§ 222 I 2 Nr. 4 InsO ESUG) Minderheitenschutz (§ 251 InsO ESUG) Rechtsmittel gegen Planbestätigung (§ 253 InsO ESUG) nicht gegen den Willen des betroffenen Gläubiger Individualrecht eines jeden Gläubigers keine Zustimmungsersetzung der Plan hat die rechtliche Gestaltung des „Debt-equity-swap“ im Einzelnen zu regeln z.B. Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung und Einbringung der Forderungen als Sacheinlage Wertfeststellung durch Gutachten bei AktG: Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre Regelung hinsichtlich bestellter Sicherheiten © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 334 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Debt-Equity-Swap Registereintragung der Beschlüsse regelmäßig das Organ der Schuldnerin nach § 254a II InsO ESUG auch der Insolvenzverwalter Gläubiger kommt Sanierungsprivileg des § 39 IV 2 InsO oder das Kleinstbetragsprivileg (§ 39 V InsO) zugute es ist davon auszugehen, dass der Anteilserwerb durch Debt-equity-swap zum Zwecke der Sanierung erfolgte eine Überbewertung der Sacheinlage führt nicht zur Differenzhaftung des Einlegers (vgl. z.B. § 9 GmbHG) gegenüber dem Schuldner (§ 254 IV InsO ESUG) Kalkulationssicherheit © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 335 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Debt-Equity-Swap (3) Im Plan kann jede Regelung getroffen werden, die Gesellschaft rechtlich zulässig ist, insbesondere die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft oder Übertragung von Anteilsoder Mitgliedschaftsrechten. Abs. 3 ermöglicht eine Änderung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen entsprechend den Bedürfnissen des Planverfahrens auch außerhalb des „Debt-equity-swap“ Fortsetzungsbeschluss Kapitalgesellschaft wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst Übertragung von Beteiligungen des Schuldners an Dritte Rechte der Gesellschafter durch Möglichkeit zur Bildung einer eigenen Gruppe gewahrt bei nicht ausreichender Kompensation der in den Plan einbezogenen Gesellschafterrechte ist dieser auf Antrag abzuweisen (§ 251 III ESUG) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 336 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Debt-Equity-Swap (4) Maßnahmen nach Absatz 2 oder 3 berechtigen nicht zum Rücktritt oder zur Kündigung von Verträgen, an denen der Schuldner beteiligt ist. Sie führen auch nicht zu einer anderweitigen Beendigung der Verträge. Entgegenstehende vertragliche Vereinbarungen sind unwirksam. Von den Sätzen 1 und 2 bleiben Vereinbarungen unberührt, welche an eine Pflichtverletzung des Schuldners anknüpfen, sofern sich diese nicht darin erschöpft, dass eine Maßnahme nach Absatz 2 oder 3 in Aussicht genommen oder durchgeführt wird. nach Abs. 4 soll eine planbedingte Änderung der Gesellschafterstruktur von Vertragspartnern des Schuldners nicht zum Anlass genommen werden können, die mit diesem bestehenden Vertragsbeziehungen zu beenden, um nicht die Erreichung des Planzwecks zu gefährden gilt insbesondere für die Change of Control-Klauseln unberührt bleiben Lösungsklauseln, die nicht allein an die Maßnahmen nach Abs.2 u 3, sondern an weitergehende Pflichtverletzungen knüpfen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 337 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Debt-Equity-Swap (5) Stellt eine Maßnahme nach Absatz 2 oder 3 für eine am Schuldner beteiligte Person einen wichtigen Grund zum Austritt aus der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit dar und wird von diesem Austrittsrecht Gebrauch gemacht, so ist für die Bestimmung der Höhe eines etwaigen Abfindungsanspruchs die Vermögenslage maßgeblich die sich bei einer Abwicklung des Schuldners eingestellt hätte. Die Auszahlung des Abfindungsanspruchs kann zur Vermeidung einer unangemessenen Belastung der Finanzlage des Schuldners über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren gestundet werden. Nicht ausgezahlte Abfindungsguthaben sind zu verzinsen.“ es soll verhindert werden, dass Abfindungsansprüche der planbedingt oder durch Ausübung eines Austrittsrechts ausscheidenden Gesellschafter zu einer die Sanierung gefährdenden Belastung des Schuldners führt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 338 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Debt-Equity-Swap § 230 InsO – weitere Anlagen „(1) (….) 2 Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, so ist dem Plan eine entsprechende Erklärung der Personen beizufügen, die nach dem Plan persönlich haftende Gesellschafter des Unternehmens sein sollen.(…) (2) Sollen Gläubiger Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte oder Beteiligungen an einer juristischen Person, einem nicht rechtsfähigen Verein oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit übernehmen, so ist dem Plan die Erklärung des Dritten beizufügen.“ Gesetzesbegründung Plananlage ist erforderlich, wenn beim „Debt-Equity-Swap“ vom eintretenden Anteilseigner eine persönliche Haftung übernommen wird. die Erklärung nach § 230 II InsO ist notwendige Plananlage beim „Debt-Equity-Swap, weil die Umwandlung der Forderung in Anteilsrechte nicht gegen den Willen des Gläubigers erfolgen darf. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 339 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Möglichkeit dinglicher Regelungen, § 228 InsO die erforderliche WE muss in den gestaltenden Teil enthalten sein Rechtskräftige Planbestätigung ist aufschiebende Bedingung für Wirksamkeit Weitere Akte zur Rechtsänderung (z.B. Übergabe) werden indes nicht ersetzt Kein Eingriff in Rechtsstellung Massegläubiger diese sind voll zu befriedigen (§§ 26, 258 II InsO) Aussonderungsberechtigte diese erhalten ihre Vermögensgegenstände aus der Masse (§ 47 InsO) Je nach Einzelfall sind ergänzende Regelungen vorzusehen: Kapitalmaßnahmen Finanzierungssachverhalte Investitionen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 340 H. Das Insolvenzplanverfahren III. Planinhalt Frage: kann in einem Plan – als Voraussetzung für eine Teilnahme an der Verteilung festgelegt werden, dass die Gläubiger von wirksam bestrittenen Insolvenzforderungen innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach Verkündung der gerichtlichen Bestätigung des Plans im ordentlichen Verfahren Klage gegen den Bestreitenden auf Feststellung zur Tabelle erheben und dem Sachwalter nachzuweisen haben, dass Feststellungsklage erhoben sei? BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10 - ZIP 2010, 1499 die Vorschriften über die Feststellung der Forderungen der Insolvenzgläubiger können in einem Insolvenzplan nicht abbedungen werden Abbedungen werden können aber die Vorschriften über die Verteilung (§ 217 InsO). die §§ 188, 189 InsO befinden sich im Abschnitt „Verteilung“ des fünften Teils der Insolvenzordnung. Sie können durch den Insolvenzplan modifiziert werden. Beginn der Ausschlussfrist: erst mit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 341 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Erörterungs- und Abstimmungstermin Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 InsO) "soll" innerhalb eines Monats nach Planvorlage (§ 235 I 2 InsO) darf nicht vor dem Prüfungstermin stattfinden, aber kann mit diesem verbunden werden (§ 236 InsO) öffentliche Bekanntmachung unter Hinweis auf die Möglichkeit zur Einsicht in den Plan auf der Geschäftsstelle (§ 235 II InsO) in der Ladung ist der Terminort zutreffend anzugeben, andernfalls liegt keine wirksame Ladung vor (BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10 - ZIP 2010, 1499, Tz. 30) besondere Ladung der InsGl, etc. unter Beifügung Plan oder einer Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte (§ 235 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 342 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Erörterungs- und Abstimmungstermin Feststellung des Stimmrechtes der Gläubiger, §§ 237, 77 InsO Stimmrecht wird in einer Stimmliste festgehalten Stimmrecht haben InsGl mit angemeldeten und nicht bestrittenen Forderungen (§§ 237 I 1, 77 I 1 InsO) Stimmrechtsfeststellung bei bestrittenen Forderungen gem. §§ 237 I, 77 II InsO Einigung zwischen Verwalter und erschienenen stimmberechtigten Gläubiger andernfalls: Entscheidung des Insolvenzgerichts bedeutsam, weil im anschließenden Verfahren über die Bestätigung des Insolvenzplans die Feststellung zum Stimmrecht nicht mehr überprüft werden (BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 235/06 – ZIP 2008, 2428) kein Stimmrecht haben nachrangige InsGl, wenn nicht gem. § 174 III InsO zur Forderungsanmeldung aufgefordert, die Gläubiger, in deren Rechte durch den Plan nicht eingegriffen wird Absonderungsgläubiger haben gem. § 237 I 2 InsO nur Stimmrecht in der Höhe, in der sie als InsGl teilnehmen (nach Verzicht auf Absonderung oder in Höhe des Ausfalls) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 343 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Erörterungs- und Abstimmungstermin § 235 InsO – Erörterung und Abstimmungstermin „(1) (….) und das Stimmrecht der Beteiligten erörtert (…). 3 Er kann gleichzeitig mit der Stellungnahme nach § 232 anberaumt werden. (…) (3) (…) 3Sind die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen, sind auch diese Personen gemäß den Sätzen 1 und 2 zu laden; dies gilt nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre. 4Für börsennotierte Gesellschaften findet § 121 Absatz 4a des Aktiengesetzes entsprechende Anwendung; sie haben eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Plans über Ihre Internetseite zugänglich zu machen.“ zur Verfahrensbeschleunigung sollen zeitgleich mit der Terminbestimmung die in § 232 InsO genannten Beteiligten zum Insolvenzplan angehört werden wenn die Anteilseigner in den Plan einbezogen werden, müssen sie auch zum Termin gesondert geladen werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 344 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Erörterungs- und Abstimmungstermin § 238a InsO – Stimmrecht der Anteilsinhaber „(1) Das Stimmrecht der Anteilsinhaber des Schuldners bestimmt sich allein nach deren Beteiligung am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners. Stimmrechtsbeschränkungen, Sonder- oder Mehrstimmrechte bleiben außer Betracht. (2) § 237 Abs. 2 gilt entsprechend.“ in der Insolvenz kann lediglich noch die Kapitalbeteiligung relevant sein, die im Einzelfall zu ermitteln ist. Bei Kapitalgesellschaften ist auf das eingetragene Haftkapital abzustellen bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien Stimmrecht im Planverfahren kein finanzieller Ausgleich für das fehlende Stimmrecht in der Insolvenz durch die Verweisung auf § 237 II InsO wird klargestellt, das Anteilseigner nur dann ein Stimmrecht haben, wenn durch den Plan in deren Rechte eingegriffen wird. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 345 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Erörterungs- und Abstimmungstermin Abstimmung erfolgt in Gruppen (§ 243 InsO) Jede Gruppe stimmt gesondert ab Kopf- und Summenmehrheit erforderlich (§ 244 I InsO), d.h. in jeder Gruppe stimmt die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger für den Plan und die zustimmenden Gläubiger repräsentieren in den Gruppen mehr als die Hälfte der Summe der Forderungen aller abstimmenden Gläubiger in der Gruppe Erörterungs- und Abstimmungstermin gem. § 235 InsO, ist so durchzuführen, dass eine geordnete Willensbildung und Abstimmung der Gläubiger möglich ist (BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10 - ZIP 2010, 1499, Tz. 34) die Wahrnehmung der Sitzungsleitung und die Aufrechterhaltung der Ordnung obliegt gem. § 176 GVG dem Rechtspfleger © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 346 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Erörterungs- und Abstimmungstermin § 244 InsO – erforderlichen Mehrheiten „(1) Zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger ist erforderlich, dass in jeder Gruppe (…) 2. die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt. (…) (3) Für die am Schuldner beteiligten Personen gilt Abs. 1 Nummer 2 entsprechend mit der Maßgabe dass an die Stelle der Summe der Ansprüche die Summe der Beteiligungen tritt.“ die Zustimmung der Anteilseigner liegt vor, wenn die Summe der Beteiligungen der zustimmenden Anteilseigner mehr als die Hälfte der Summe der Beteiligungen der abstimmenden Gläubiger entspricht auf eine Kopfmehrheit (§ 244 I Nr. 1 InsO) kommt es nicht an Vorrang des Gesellschaftsrechts: über Beschlüsse entscheidet die Mehrheit des Kapitals © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 347 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Erörterungs- und Abstimmungstermin § 246a InsO – Zustimmung der Anteilsinhaber „Beteiligt sich keines der Mitglieder einer Gruppe der Anteilsinhaber an der Abstimmung, so gilt die Zustimmung der Gruppe als erteilt.“ Vereinfachung des Abstimmungsverfahrens wenn Anteile durch die Insolvenz offensichtlich wertlos geworden sind, dann wird auch das Interesse der Anteilsinhaber an Planabstimmung gering sein. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 348 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren „Obstruktionsverbot“ gem. § 245 InsO Ausnahme vom Grundsatz der Kopf- und Summenmehrheit, d.h. die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe gilt als erteilt, wenn 1. die Gläubiger dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden, 2. die Gläubiger dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll, und 3. die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat. „Stimmrechtskauf“ = Geld für Vollmacht oder bestimmtes Abstimmungsverhalten ist unzulässig Versagung der Planbestätigung nach § 250 Nr. 2 InsO aber: offener Forderungsverkauf („dept trading“) ist zulässig Prüfung erfolgt im Rahmen der Bestätigungsentscheidung nach § 248 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 349 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren „Obstruktionsverbot“ gem. § 245 InsO § 245 InsO (1) Gläubiger diese Gruppe wird durch Angehöriger dieser Gruppe ersetzt. (2) „ Für eine Gruppe der Gläubiger liegt eine angemessene Beteiligung im Sinne des Abs. 1 Nummer 2 vor, wenn nach dem Plan (…) (3) Für eine Gruppe der Anteilsinhaber liegt eine angemessene Beteiligung im Sinne des Abs. 1 Nummer 2 vor, wenn nach dem Plan 1. kein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, und 2. kein Anteilsinhaber, der ohne einen Plan den Anteilsinhabern der Gruppe gleichgestellt wäre, besser gestellt wird als diese.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 350 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren „Obstruktionsverbot“ gem. § 245 InsO Gesetzesbegründung Abs.1, 2 – sprachliche Anpassung an die Ausweitung des Obstruktionsverbots Abs.3 – Ausdehnung des Obstruktionsverbots auf die Anteilsinhaber Definition der angemessenen Beteiligung kein Gläubiger soll durch den Plan wirtschaftlich mehr erhalten, als ihm ohne diesen rechtlich zusteht ebenso soll kein gleichgestellter Anteilsinhaber durch den Plan besser gestellt werden © 2013 WZR Group Damit kann die fehlende Zustimmung zur Besserstellung der Kleinaktionäre nicht nach § 245 InsO überwunden werden. RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 351 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Änderbarkeit des Plans im Abstimmungsverfahren, § 240 InsO BGH (Beschl. v. 26.4.2007 - IX ZB 5/06 - NZI 2007, 521): Stellt der Planinitiator vor der gerichtlichen Bestätigung des (bereits beschlossenen) Plans einen überarbeiteten Entwurf zur erneuten Abstimmung, der aus seiner Sicht dem bisherigen Diskussionsstand besser Rechnung trägt, ist das rechtliche Gehör aller Beteiligten gewahrt und sieht das Gericht keine Veranlassung, den neuen Plan nach § 231 InsO von Amts wegen zurückzuweisen, liegt kein Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften i.S. des § 250 Nr. 1 InsO vor, wenn über diesen neuen Plan abgestimmt wird. a.A. § 240 InsO berechtigt nicht zur Änderung des Plans in seinem Kerninhalt Vorprüfungsverfahren nach §§ 231 ff InsO umgangen Möglichkeit zur Manipulation © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 352 H. Das Insolvenzplanverfahren IV. Abstimmungsverfahren Zustimmung Schuldner gilt als erteilt, wenn er dem Plan nicht spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle widerspricht (§ 247 I InsO). Ein Widerspruch ist nach § 247 II InsO unbeachtlich, wenn der Schuldner durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und kein Gläubiger einen wirtschaftlichen Wert erhält, der den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 353 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung der Plan bedarf der Bestätigung durch InsG (§ 248 I InsO) vorher Anhörung IV, Schuldner und ein GlA (§ 248 II InsO) Bestätigung erfolgt durch Beschluss (§ 252 I InsO) im Abstimmungstermin oder gesonderten Termin Versagung von Amts wegen, wenn Planbedingungen nicht erfüllt (§ 249 InsO), wesentliche Verfahrensvorschriften nicht beachtet (§ 250 Nr. 1 InsO), nur Mangel, der Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben könnte (BGH) Angaben, die für die Vergleichsberechnung zu der Frage, inwieweit der Plan die Befriedigungschancen der Gläubiger verändert, erforderlich sind, wie z.B. Umfang der Masse unlautere Herbeiführung der Annahme des Plans (§ 250 Nr. 2 InsO) z.B. Begünstigung eines Gläubigers © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 354 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Minderheitenschutz, § 251 InsO Minderheitenschutz, § 251 InsO Versagung auf Antrag, wenn Widerspruch des antragstellenden Gläubigers im Abstimmungstermin voraussichtliche Schlechterstellung dieses Gläubigers durch den Plan („Minderheitenschutz“) Schlechterstellung ist glaubhaft zu machen (§ 251 II InsO) © 2013 WZR Group Glaubhaftmachung nur durch Beweisaufnahme, die sofort erfolgen kann (§ 4 InsO iVm. § 294 ZPO) RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 355 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Minderheitenschutz, § 251 InsO § 251 InsO – Minderheitenschutz „ (1) Auf Antrag eines Gläubigers oder, wenn der Schuldner keine natürliche Person ist, einer am Schuldner beteiligten Person ist die Bestätigung des Insolvenzplans zu versagen, wenn 1. der Antragsteller dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat und 2. der Antragsteller durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde (2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird. (3) Der Antrag ist abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Plans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist. Ob der Beteiligte einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb des Insolvenzverfahrens zu klären.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 356 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Minderheitenschutz, § 251 InsO Gesetzesbegründung Erstreckung des Minderheitenschutzes auf die Anteilsinhaber Art. 14 GG – Anteilsinhaber sollen Liquidationswert ihrer Anteilsrechte erhalten Verlust der Anteilsrechte im Planverfahren verfassungsrechtlich unbedenklich, weil das Regelinsolvenzverfahren zur Vollabwicklung und Löschung des Rechtsträgers führt, d.h. der Anteilsinhaber ohnehin nicht Erhalt seiner Anteilsrechte rechnen kann der Antrag mit Glaubhaftmachung der Schlechterstellung kann wirksam nur im Abstimmungstermin zu Protokoll gegeben werden (Abs.3) Vorsorge im Plan für den Fall, dass Schlechterstellung geltend gemacht wird eine Schlechterstellung ist durch den im Plan vorgesehenen finanziellen Ausgleich ausgeschlossen die Planbestätigung kann deshalb nicht mehr verzögert werden InsG muss prüfen, ob die im Plan vorgesehenen Mittel ausreichend sind © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 357 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung § 248 InsO – gerichtliche Bestätigung „(1) Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten (§§ 244 bis 246a) und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan der Bestätigung durch das Insolvenzgericht.“ einer gesonderten Bestätigung bedarf zukünftig nach § 248a InsO die Planberichtigung durch den Insolvenzverwalter, wenn diesem nach § 221 S.2 InsO im gestaltenden Teil des Plans ein Nachbesserungsrecht eingeräumt worden ist nach § 250 InsO hat das Gericht von Amts wegen die Bestätigung des Plans zu versagen, wenn der Plan unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften oder unlauter zustande gekommen ist. unter den Voraussetzungen des § 251 InsO kann die Bestätigung des Plans auf Antrag eines Gläubigers versagt werden Neufassung durch ESUG © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 358 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung § 252 InsO ESUG – Bekanntmachung der Entscheidung „(….) (2) Wird der Plan bestätigt, so ist den Insolvenzgläubigern, die Forderungen angemeldet haben, und den absonderungsberechtigten Gläubigern unter Hinweis auf die Bestätigung ein Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts zu übersenden. Sind die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen, so sind auch diesen die Unterlagen zu übersenden; dies gilt nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre. Börsennotierte Gesellschaften haben eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Plans über Ihre Internetseite zugänglich zu machen.“ Normergänzung ist notwendige Folge der Einbeziehung der Anteilsinhaber in den Insolvenzplan eine Vereinfachung gilt für börsennotierte Gesellschaften © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 359 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Fall: Im Insolvenzverfahren einer Zahnärztin hatte der IV einen Insolvenzplan vorgelegt, nach dem die Gläubiger für 3 Jahre aus den erwirtschafteten Überschüssen der Praxis eine Quote von 9,82 % erhalten sollten; im Regelinsolvenzverfahren: 2,77 % Nach Annahme des Plans stellte FA Antrag nach § 251 I Nr. 2 InsO: im Termin nach § 235 InsO hatte FA angeregt, während der im Plan vorgesehenen WVP mit Steuererstattungsansprüchen aufrechnen zu dürfen. Dies wurde von den übrigen Gläubigern abgelehnt. BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 204/05 - ZIP 2007, 923 Mehrheitsentscheidung keine Legitimation für Entzug von Vermögenswerten gegen den Willen des Beteiligten Gläubiger muss Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit seiner Schlechterstellung durch den Insolvenzplan ergibt. Glaubhaftmachung nur durch präsente Beweismittel (§ 294 ZPO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 360 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Die Prüfung des Insolvenzgerichts ist auf die vom Gläubiger vorgebrachten (und glaubhaft gemachten) Tatsachen und Schlussfolgerungen beschränkt Amtsermittlungen des InsG sollen vermieden werden Die Möglichkeit zur – in derzeit noch unbekannter Höhe – Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüche während der vorgesehenen dreijährigen Wohlverhaltensperiode reicht nicht aus keine überwiegende Wahrscheinlichkeit © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 361 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Rechtsmittel, § 253 InsO sofortige Beschwerde beschwerdebefugt Gläubiger Schuldner nicht: der Insolvenzverwalter (BGH, Beschl. v. 5.2.2009 - IX ZB 230/07 - NZI 2009, 230) § 6 I InsO § 231 III InsO nicht analog wahrt nur das Recht des Planvorlegers auf Zugang zum Abstimmungsverfahren Der Planvorleger hat weder einen Anspruch auf Zustimmung durch Gläubiger oder Schuldner noch auf Bestätigung durch das Gericht Versagung gem. § 252 InsO beeinträchtigt nicht eigene Rechte des Planvorlegers, sondern dient dem Minderheitenschutz (§ 251 InsO) oder der Ordnungsmäßigkeit des Planverfahrens (§ 250 InsO) Beschwer © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 362 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Rechtsmittel, § 253 InsO § 253 InsO „ (1) Gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder durch den die Bestätigung versagt wird, steht den Gläubigern, dem Schuldner und, wenn dieser keine natürliche Person ist, den am Schuldner beteiligten Personen die sofortige Beschwerde zu. Gesetzesbegründung Folge der Einbeziehung der Anteilsinhaber in den Insolvenzplan auch für diese muss ein Rechtsmittel eröffnet sein (2) Die sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer 1. dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat, 2. gegen den Plan gestimmt hat und 3. glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und dass dieser Nachteil nicht durch Zahlung aus den in §251 Abs. 3 genannten Mitteln ausgeglichen werden kann. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 363 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Rechtsmittel, § 253 InsO Gesetzesbegründung allgemeine Voraussetzung einer Beschwerde ist die Beschwer Verschärfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen gegen Störpotenzial einzelne Beschwerdeberechtigte können nach derzeitiger Rechtslage den Eintritt der Planwirkungen erheblich verzögern u.U. mit dem Ziel, sich das Beschwerderecht abkaufen zu lassen ohne Planungssicherheit lässt sich ein Unternehmen im Insolvenzplanverfahren nicht sanieren Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten, wenn Abweichung < 10 % damit Beschwerde von Personen ausgeschlossen, die Insolvenzforderung nur mit dem Ziel erwerben, sich das Beschwerderecht (= Störpotential) abkaufen zu lassen verfassungsrechtlich unbedenklich, weil nach § 18 I Nr.2 RPflG ESUG der Richter über Planbestätigung entscheidet durch § 251 III InsO ESUG kann materielle Beschwer ausgeschlossen werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 364 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Rechtsmittel, § 253 InsO Suspensiveffekt der Beschwerde (arg. e. § 570 I ZPO) bleibt bestehen materiellrechtlich gestaltende Wirkung des Plans Rechtssicherheit für eine Unternehmensfortführung (3) Abs. 2 Nummer 1 und 2 gilt nur, wenn in der öffentlichen Bekanntmachung des Termins (§ 235 Abs. 2) und in den Ladungen zum Termin (§ 235 Abs. 3) auf die Notwendigkeit des Widerspruchs und der Ablehnung des Plans besonders hingewiesen wurde. Gesetzesbegründung Beschränkung des Rechtsmittels nur zulässig bei Kenntnis oder Möglichkeit zur Kenntnisnahme von der Notwendigkeit zur Mitwirkung im Verfahren. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 365 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Rechtsmittel, § 253 InsO (4) Auf Antrag des Insolvenzverwalters weist das Landgericht die Beschwerde unverzüglich zurück, wenn das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans vorrangig erscheint, weil die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen; ein Abhilfeverfahren nach § 572 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung findet nicht statt. Dies gilt nicht, wenn ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt. Weist das Gericht die Beschwerde nach Satz 1 zurück, ist dem Beschwerdeführer aus der Masse der Schaden zu ersetzen, der ihm durch den Planvollzug entsteht; die Rückgängigmachung der Wirkungen des Insolvenzplans kann nicht als Schadensersatz verlangt werden. Für Klagen, mit denen Schadensersatzansprüche nach Satz 3 geltend gemacht werden, ist das Landgericht ausschließlich zuständig, dass die sofortige Beschwerde zurückgewiesen hat.“ Gesetzesbegründung (Rechtsausschuss) Planvollzug und Umsetzung des Sanierungskonzepts sollen nicht durch Rechtsmittel gefährdet werden Ausgleich zwischen Rechtsschutzinteresse der Rechtsmittelführer und Vollzugsinteresse der übrigen Beteiligten © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 366 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Rechtsmittel, § 253 InsO eine Beschränkung der Beschwerde wegen finanzieller Nachteile bereits in Abs. 2 Nr. 3 vorgesehen eine Einschränkung für den Fall der Beschwerde wegen finanzieller Nachteile bereits in Abs. 2 Nr. 3 vorgesehen Planvollzug soll auch in anderen Fällen beschleunigt werden Zurückweisung der Beschwerde durch LG, wenn das Vollzugsinteresse das Aufschubinteresse überwiegt keine Abhilfebefugnisse des Insolvenzgerichts Landgericht hat unverzüglich nach Eingang des Zurückweisungsantrages des Insolvenzverwalters die Gerichtsakten vom Insolvenzgericht anzufordern (§ 541 ZPO) hätte die Beschwerde Erfolg gehabt, kann der Beschwerdeführer Ersatz des ihm durch den Planvollzug entstandenen Schadens verlangen keine Rückgängigmachung der Planwirkungen zuständig als Prozessgericht ist das LG, das die sofortige Beschwerde zurückgewiesen hat dulde und liquidiere © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 367 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Rechtsmittel, § 253 InsO Frage: Welche Anforderungen sind an die Beschwer des Gläubigers für die Beschwerde nach § 253 InsO zu stellen? BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10 - ZIP 2010, 1499 A1: ausreichend, dass die Rechte des beschwerdeführenden Gläubigers durch den Plan verändert werden. A2: der Gläubiger muss durch den Plan schlechter gestellt werden als bei einer Regelabwicklung ohne Plan BGH: ausreichend, dass sich der beschwerdeführende Gläubiger darauf beruft, durch den Plan in seinen Rechten beeinträchtigt zu werden das Erfordernis einer Schlechterstellung würde eine umfassende Prüfung erfor-dern, die eine Glaubhaftmachung i.S.d. § 251 II InsO erfordern würde. Ein solches Erfordernis kennt § 253 InsO nicht © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 368 H. Das Insolvenzplanverfahren V. Planbestätigung Rechtsmittel, § 253 InsO Frage:Beschwerdebefugnis eines Gläubigers, dessen Stimmrecht im Abstimmungstermin nach § 235 InsO auf Null festgesetzt wurde? BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZB 29/10 - ZIP 2011, 781 Eine Verletzung der Vorschriften über die Bestätigung eines InsPlanes kann nur von solchen Beteiligten gerügt werden, die durch die Entscheidung des Insolvenzgerichts beschwert sind. Ausreichend: materielle Beschwer. Deren Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Auch formelle Beschwer: Planbestätigungsbeschluss beschwert jeden Gläubiger, der dem Plan gem. § 251 InsO widersprochen hat. gilt auch dann, wenn der Gläubiger dem Plan nur deshalb nicht widersprochen hat, weil er entgegen § 235 III InsO nicht zum Erörterungs- und Abstimmungstermin geladen worden war und den Termin deshalb nicht wahrnehmen konnte. wesentlicher Verfahrensmangel © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 369 H. Das Insolvenzplanverfahren VI. Planwirkung § 254 I InsO: Planwirkungen mit Rechtskraft der Planbestätigung die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen treten für und gegen alle Beteiligten ein (§ 254 I 1 InsO) Insolvenzforderungen nur in Höhe der vereinbarten Quoten durchsetzbar Soweit als erlassen gelten, sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann (h.M. BGH, Urt. v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08 - ZIP 2011, 1271 Tz.7) WE gelten als abgegeben, soweit Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden (§ 254 I 2 InsO) Planwirkungen erfassen auch Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben und solche Beteiligte, die dem Plan widersprochen haben (§ 254 I 3 InsO) Befreiung des Schuldners auch gegenüber Mitschuldner, Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten (§ 254 II InsO) Haftung von Mitschuldner, Bürgen u.a. bleibt vollumfänglich bestehen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 370 H. Das Insolvenzplanverfahren VI. Planwirkung § 254 InsO – Allgemeine Wirkungen des Plans „(1) (…). Satz 2 und 3 werden aufgehoben ( §§ 254a, b InsO) (2)-(3) (4) Werden Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt, kann der Schuldner nach der gerichtlichen Bestätigung keine Ansprüche wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan gegen die bisherigen Gläubiger geltend machen.“ Gesetzesbegründung der debt-equity-swap gelingt nur (Kalkulationssicherheit), wenn die Gläubiger nicht wegen eines nicht ausreichenden Wertes ihrer als Sacheinlage eingebrachten Forderungen das Risiko einer Differenzhaftung tragen müssen im Planverfahren haben die Beteiligten ausreichend Möglichkeit, auf eine fehlerhafte Bewertung der Sacheinlage hinzuweisen und deswegen Rechtsmittel einzulegen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 371 H. Das Insolvenzplanverfahren VI. Planwirkung § 254a InsO – Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans „(1) Wenn Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben oder Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung abgetreten werden sollen, gelten die in den Insolvenzplan aufgenommenen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. (2) Wenn die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen sind (§ 225a), gelten die in den Plan aufgenommenen Beschlüsse der Anteilsinhaber oder sonstigen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. Gesellschaftsrechtlich erforderliche Ladungen, Bekanntmachungen und sonstige Maßnahmen zur Vorbereitung von Beschlüssen der Anteilsinhaber gelten als in der vorgeschriebenen Form bewirkt. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, die erforderlichen Anmeldungen beim jeweiligen Registergericht vorzunehmen. (3) Entsprechendes gilt für die in den Plan aufgenommenen Verpflichtungserklärungen, die eine Maßnahme nach Abs. 1 oder 2 zu Grunde liegen.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 372 H. Das Insolvenzplanverfahren VI. Planwirkung Gesetzesbegründung notarielle Beurkundung oder Beglaubigung von Willenserklärungen ist aufgrund der gerichtlichen Planbestätigung nicht erforderlich alle zur Umsetzung der im Plan enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Regelungen notwendigen Willenserklärungen gelten als mit Rechtskraft der Planbestätigung formgerecht abgegeben und ordnungsgemäß bekannt gemacht. Die erforderlichen, konstituierenden Publizitätsakte, z.B. Eintragung in das Handelsregister, kann zur Verfahrensbeschleunigung der Insolvenzverwalter vornehmen § 254b InsO – Wirkung für alle Beteiligten „ Die §§ 254 und 254a gelten auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, und für Beteiligte, die dem Insolvenzplan widersprochen haben.“ entspricht dem bisherigen § 254 I S. 3 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 373 H. Das Insolvenzplanverfahren VI. Planwirkung Frage: Besteht eine vor IE erworbene Aufrechnungsbefugnis nach rechtskräftig bestätigtem InsPlan fort? z.B. vorinsolvenzliche Steuerforderung ./. vorinsolvenzlichen Werklohnanspruch, über den erst nach Rechtskraft des InsPlan abgerechnet wird BGH, Urt. v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08 - ZIP 2011, 1271 Planwirkung §§ 254ff. InsO Insolvenzforderungen nur in Höhe der vereinbarten Quoten durchsetzbar Soweit als erlassen gelten, sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann nicht aufrechenbar © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 374 H. Das Insolvenzplanverfahren VI. Planwirkung aber: § 94 InsO Aufrechnungslage bei IE (+) „durch das Verfahren“ (+) auch das Ergebnis des Verfahrens, das als Insolvenzplan über die Aufhebung hinauswirken kann Gesetzgeber (BT-Drs. 12/2443, S. 140): Eine vor IE erworbene Aufrechnungsbefugnis (= Selbstexekutionsbefugnis) von der Rechtsordnung weitgehend geschützte Rechtsstellung (vgl. §§ 389, 392, 406 BGB), die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll kein unbilliges Ergebnis, da Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers vor der Entscheidung über die Bestätigung des InsPlans für den IVw erkennbar In Zustimmung zum InsPlan/widerspruchslose Hinnnahme regelmäßig kein Verzicht Aufrechnung, wenn Hauptforderung nach Rechtskraft der Planbestätigung begründet? nein, da Insolvenzforderung nicht durchsetzbar (natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten) schließt Aufrechnung durch den (ehemaligen) Insolvenzschuldner nicht aus © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 375 H. Das Insolvenzplanverfahren VII. Aufhebung des Verfahrens Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Rechtskraft des InsPlans (§ 258 I InsO) zuvor hat der IV die unstreitigen Masseschulden zu berichtigen und für die streitigen Sicherheit zu leisten (§ 258 II InsO) die Ämter des IV und der Mitglieder des GlA enden (§ 259 I 1 InsO) Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis fällt an den Schuldner zurück (§ 259 I 2 InsO) im gestaltenden Teil des InsPlans kann der IV berechtigt werden, anhängige Insolvenzanfechtungsrechtsstreite fortzuführen (§ 259 III 1 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 376 H. Das Insolvenzplanverfahren VII. Aufhebung des Verfahrens § 258 InsO – Aufhebung des Insolvenzverfahrens „(1) Sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist und der Insolvenzplan nicht etwas anderes vorsieht, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) Vor der Aufhebung hat der Verwalter die unstreitigen fälligen Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen oder nicht fälligen Sicherheit zu leisten. Für die nicht fälligen Masseansprüche kann auch ein Finanzplan vorgelegt werden, aus dem sich ergibt, dass ihre Erfüllung gewährleistet ist.“ Gesetzesbegründung bei einer Betriebsfortführung regelmäßig nicht möglich, vor Verfahrensaufhebung alle unstreitigen aber noch nicht fälligen Masseansprüche zu befriedigen ausreichend, dass die Bezahlung der noch nicht fälligen Masseansprüche aufgrund einer belastbaren Liquiditätsrechnung sichergestellt ist bei Masseunzulänglichkeit gilt die Sicherstellungspflicht nach § 258 II InsO nicht für die Altmasseverbindlichkeiten (nach § 210a InsO in den Rang der § 38 InsO gerückt) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 377 H. Das Insolvenzplanverfahren VII. Aufhebung des Verfahrens § 259a InsO – Vollstreckungsschutz „(1) Gefährden nach der Aufhebung des Verfahrens Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bis zum Abstimmungstermin nicht angemeldet haben, die Durchführung des Insolvenzplans, kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben oder längstens für drei Jahre untersagen. Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Schuldner die tatsächlichen Behauptungen, die die Gefährdung begründen, glaubhaft macht. (2) Ist die Gefährdung glaubhaft gemacht, kann das Gericht die Zwangsvollstreckung auch einstweilen einstellen. (3) Das Gericht hebt ein Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn ab, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 378 H. Das Insolvenzplanverfahren VII. Aufhebung des Verfahrens Vollstreckungsschutz, § 259a InsO Gesetzesbegründung Planverfahren hat keine Ausschlusswirkung gegenüber Gläubigern, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. es gelten lediglich die Beschränkungen des Plans für Gläubiger mit vergleichbaren Ansprüchen unbekannte Gläubiger können in Abhängigkeit zur Forderungshöhe die dem Plan zu Grunde liegende Finanzplanung stören eine Ausschlusswirkung (vergleichbar § 14 GesO) lehnt der Gesetzgeber ab, weil diese aus verfassungsrechtlichen Gründen mit einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit verbunden werden muss, und man langjährige Streitigkeiten über die Wiedereinsetzung vermeiden will der Vollstreckungsschutz dient der Sicherung der Verwirklichung der Ziele, insbesondere der Unternehmenssanierung, gegenüber Gläubigern, die im Planverfahren ihre Forderungen nicht angemeldet haben © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 379 H. Das Insolvenzplanverfahren VII. Aufhebung des Verfahrens § 259b InsO – besondere Verjährungsfrist „(1) Die Forderung eines Insolvenzgläubigers, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden ist, verjährt in einem Jahr. (2) Die Verjährungsfrist beginnt, wenn die Forderung fällig und der Beschluss rechtskräftig ist, durch den der Insolvenzplan bestätigt wurde. (3) Die Abs. 1 und 2 sind nur anzuwenden, wenn dadurch die Verjährung einer Forderung früher vollendet wird, als bei Anwendung der ansonsten geltenden Verjährungsvorschriften. (4) Die Verjährung einer Forderung eines Insolvenzgläubigers ist gehemmt, solange wegen Vollstreckungsschutzes nach § 259a nicht vollstreckt werden darf. Die Hemmung endet drei Monate nach Beendigung des Vollstreckungsschutzes.“ Gesetzesbegründung Rechtssicherheit in angemessener Zeit für zu sanierende Unternehmen. gilt auch für titulierte Forderungen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 380 H. Das Insolvenzplanverfahren VII. Aufhebung des Verfahrens Frage: Kann der IV nach § 259 III 1 InsO Anfechtungsklage auch nach Aufhebung des Verfahrens erheben? BGH, Urt. v. 10.12.2009 - IX ZR 206/08 - NZI 2009, 99: § 259 III InsO verleiht dem IV nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, einen anhängigen Anfechtungsrechtsstreit fortzuführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Planes vorgesehen ist. die Insolvenzanfechtung kann grundsätzlich nur während des Verfahrens von dem IV kraft seines Amtes ausgeübt werden. Ausn. durch § 259 III InsO auf Grund einer Entscheidung der Gläubiger in dem Plan Vorbehalt nach § 259 III InsO ermöglicht dem IV, noch im Zeitraum zwischen der Abstimmung über den Insolvenzplan und der Verfahrensaufhebung auf der Grundlage erst jetzt bekannt gewordener Tatsachen Anfechtungsklage zu erheben; erlaubt aber nicht, eine Anfechtungsklage erst nach Aufhebung des Verfahrens zu erheben. Ausnahmecharakters der Vorschrift © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 381 H. Das Insolvenzplanverfahren VIII. Planüberwachung der gestaltende Teil des InsPlans kann vorsehen, dass die Planerfül-lung durch den IV überwacht wird (§ 260 I InsO) das Amt des IV besteht zu diesem Zweck fort (§ 261 I 2 InsO) bei Verstoß gegen Planerfüllung besteht Anzeigepflicht des IV (§ 262 InsO) Überwachung kann auch Übernahmegesellschaft einbeziehen (§ 260 III InsO) Aufhebung der Planüberwachung (§ 268 I InsO), wenn wenn alle Ansprüche erfüllt sind oder die Erfüllung gewährleistet ist oder wenn seit Insolvenzaufhebung mind. 3 Jahre vergangen sind und kein erneuter Insolvenzantrag gestellt wurde die Kosten der Überwachung trägt der Schuldner (§ 269 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 382 H. Das Insolvenzplanverfahren IX. weitere Neuregelungen durch das ESUG 1. Masseunzulänglichkeit Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 I InsO) Voraussetzungen Verfahrenskostendeckung, aber keine oder voraussichtlich keine Deckung der sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO Anzeigepflicht des IV („hat“) Keine Prüfungspflicht des InsG Korrektiv: Haftung des IV nach §§ 60, 61 InsO Wirkung der Anzeige Vollstreckungsverbot (§ 210 InsO) Befriedigung nach 209 InsO („Insolvenz in der Insolvenz“) Einstellung des Verfahrens nach § 211 I InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 383 H. Das Insolvenzplanverfahren IX. weitere Neuregelungen durch das ESUG 1. Masseunzulänglichkeit Insolvenzplan bei MU unzulässig § 208 InsO zwingendes Recht – nicht plandispositiv das Gebot gem. § 258 II InsO zur Zahlung der bzw. Sicherheitsleistung für die Masseverbindlichkeiten kann bei MU nicht erfüllt werden bereits § 323 RegE-InsO hatte Zulässigkeit eines Insolvenzplanes auch bei MU vorgesehen Regelung damals auf Vorschlag des Rechtsausschusses nicht in die InsO übernommen worden aber: auch bei MU kann Going-concern-Wert eines Unternehmens über dem Zerschlagungswert liegen und der Unternehmenserhalt im Planverfahren sinnvoll sein z.B. kann ein Umweltschaden zwar die Masse belasten, nicht jedoch die Ertragsaussichten des Schuldnerunternehmens © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 384 H. Das Insolvenzplanverfahren IX. weitere Neuregelungen durch das ESUG 1. Masseunzulänglichkeit § 210a InsO „Bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelten die Vorschriften über den Insolvenzplan mit der Maßgabe, dass 1. an die Stelle der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger die Massegläubiger mit dem Rang des § 209 Absatz 1 Nummer 3 treten und 2. für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger § 246 Nummer 2 entsprechend gilt.“ Wirkungen der Neuregelung Eingriff in die Altmasseverbindlichkeiten Altmassegläubiger haben über den Insolvenzplan abzustimmen die Insolvenzgläubiger haben keine Quotenaussichten Zustimmungsfiktion entspr. § 246 Nr.2 InsO Ausn. ein Insolvenzgläubiger wird durch den Plan besser gestellt. bei der Verteilung nach § 258 II InsO sind nur die Massekosten und die Neumasseverbindlichkeiten (§ 209 I Nr.2, II InsO) zu berücksichtigen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 385 H. Das Insolvenzplanverfahren IX. weitere Neuregelungen durch das ESUG 2. Nachbesserungsrecht des IV § 221 InsO „(….) 2Der Insolvenzverwalter kann durch den Plan bevollmächtigt werden, die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und offensichtliche Fehler des Plans zu berichtigen.“ § 248a InsO „(1) Eine Berichtigung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter nach § 221 Satz 2 bedarf der Bestätigung durch das Insolvenzgericht. (2) Das Gericht soll vor der Entscheidung über die Bestätigung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuss, wenn ein solcher bestellt ist, die Gläubiger und die Anteilsinhaber, sofern ihre Rechte betroffen sind, sowie den Schuldner hören. (3) Die Bestätigung ist auf Antrag zu versagen, wenn ein Beteiligter durch die mit der Berichtigung einhergehende Planänderung voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er nach den mit dem Plan beabsichtigten Wirkungen stünde. (4) Gegen den Beschluss, durch den die Berichtigung bestätigt oder versagt wird, steht den in Abs. 2 genannten Gläubigern und Anteilsinhabern sowie dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu. § 253 Abs. 4 gilt entsprechend.“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 386 H. Das Insolvenzplanverfahren IX. weitere Neuregelungen durch das ESUG 2. Nachbesserungsrecht des IV Gesetzesbegründung Formfehler, die eine Eintragung von im Plan vorgesehenen, eintragungswichtigen Umständen in ein Register verhindern, u.a. Unzulänglichkeiten im Plan sollen vereinfacht, ohne Einberufung der Gläubigerversammlung, korrigiert werden können. Vergleichbare Durchführungs- und Vollzugsvollmachten sind aus Notarverträgen bekannt. Das Erfordernis einer Bestätigung durch das Insolvenzgericht soll sicherstellen, dass die Grenzen der Befugnis des Insolvenzverwalters eingehalten werden. die Rechte der betroffenen Planbeteiligten werden durch die Anhörungspflicht und die Eröffnung der sofortigen Beschwerde gewahrt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 387 I. I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren Einführung 1. Gesetzeshistorie 2. Anwendungsbereich 3. Verfahren II. Das (gerichtliche) Schuldenbereinigungsverfahren 1. Voraussetzungen 2. Durchführung III. Das vereinfachte Insolvenzverfahren 1. Voraussetzungen 2. Eröffnung 3. Durchführung IV. Reformbestrebungen 1. Kritik 2. Reformüberlegungen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 388 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 1. Gesetzeshistorie Verbraucherinsolvenzverfahren stellt für Kleininsolvenzen ein gesondertes, im Vergleich zur Regelinsolvenz stark vereinfachtes Verfahren dar. Seine Einführung bezweckte eine Entlastung der Gerichte durch Anreize zur außergerichtlichen Verfahrensabwicklung. Die in die Verbraucherinsolvenz gesetzten Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Bisheriger Endpunkt der seit mehreren Jahren andauernden Reformdiskussion ist der RegE eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 18.1.2012 © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 389 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 1. Gesetzeshistorie Die KO kannte kein Verbraucherinsolvenzverfahren; private Insolvenz Angelegenheit der Einzelzwangsvollstreckung. Mangels Restschuldbefreiung kein Anreiz für Privatkonkursverfahren. Die Koppelung der Restschuldbefreiung an die vorherige Durchführung eines Insolvenzverfahrens ließ angesichts der hohen Anzahl überschuldeter Haushalte eine Vielzahl von Privatinsolvenzverfahren erwarten. Im Gesetzgebungsverfahren setzte sich die Ansicht durch, dass das Regelinsolvenzverfahren für Kleininsolvenzen zu aufwändig sei. In Kleininsolvenzen ist regelmäßig keine oder nur eine sehr geringe Masse zu verteilen. Der Verfahrenszweck verschiebt sich von der Liquidation des Schuldnervermögens hin zur Entschuldung des Schuldners Diese Überlegungen mündeten schließlich im Verfahren gem. §§ 304 ff. InsO, um insbesondere die Gerichte zu entlasten © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 390 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 2. Anwendungsbereich § 304 I 1 InsO: „Ist der Schuldner eine natürliche Person, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat, so (…)-“ nur für natürliche Personen losgelöst vom Begriff des Verbrauchers in § 13 BGB keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit bei früherer selbständigen Tätigkeit, wenn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen und Überschaubare Vermögensverhältnisse ( § 304 II InsO) Es besteht kein Wahlrecht. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 391 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 2. Anwendungsbereich Fall: S war früher als geschäftsführender Alleingesellschafter der insolventen L GmbH tätig. Er beantragte die Einleitung eines Regelinsolvenzverfahrens, da nach seinen eigenen Angaben seine sämtlichen Verbindlichkeiten in der genannten Tätigkeit begründet sind. Dabei handele es sich um Inanspruchnahmen aus Bürgschaften, Durchgriffshaftung für rückständige Sozialversicherungsbeiträge sowie rückständige Umsatz- und Lohnsteuer von insgesamt 19 Gläubigern. S meint, dabei handele es sich teilweise um Forderungen aus Arbeitsverhältnissen, weshalb kein Verbraucherinsolvenz-verfahren durchzuführen sei. AG und LG haben den Antrag des S verworfen, da sie meinten, es müsse ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet werden. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 392 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 2. Anwendungsbereich BGH, Beschl.v. 22.9.2005 - IX ZB 55/04 – NZI 2005, 676; Beschl. v. 12.02.2009 - IX ZB 215/08 - NZI 2009, 384 1. Selbständige wirtschaftliche Tätigkeit des S? wenn im eigenen Namen, in eigener Verantwortung, für eigene Rechnung und auf eigenes Risiko ausgeübt werde. Nicht: Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und Geschäftsführer einer GmbH In Lit.: stets Verbraucherinsolvenzverfahren. a.A. kein Verbraucherinsolvenzverfahren, wenn der Gesellschafter an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt sei oder gleichzeitig Geschäftsführer (Kübler/Prütting, § 304 InsO, Rn. 25). BGH: Ziel des § 304 InsO sei es, die Kleinunternehmer in das Verbraucher-insolvenzverfahren einzubeziehen, deren Verschuldensstruktur der von Verbrauchern entspreche. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 393 I. 2. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 2. Anwendungsbereich Der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH sei aufgrund seiner Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens einem selbständig Tätigen vergleichbar. So sähe er sich typischerweise in bestimmten Fällen einer Durchgriffshaftung ausgesetzt und müsse in der Regel bei Kredit- und Lieferverträgen der Schuld der Gesellschaft beitreten oder eine Bürgschaft übernehmen. Er hafte damit in großem Umfang für Forderungen, die grds. auch bei einem selbständigen Unternehmer, nicht dagegen bei einem Verbraucher bestünden. Auch bei 96%-Beteiligung -> kein wesentlicher Unterschied zu einem Alleingesellschafter auch bei GmbH & Co. KG Sind die Vermögensverhältnisse des S überschaubar und bestehen keine Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen? Die Vermögensverhältnisse des S seien gem. § 304 II InsO überschaubar, da er weniger als 20 Gläubiger. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 394 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 2. Anwendungsbereich Forderungen aus Arbeitsverhältnissen: tlw. nur zivilrechtliche Forderungen der Arbeitnehmer aA. Begriff sei weit zu verstehen und erfasse auch Beitrags- und Steuerforderungen BGH: weite Auslegung entspricht dem Willen des Gesetzgebers. © 2013 WZR Group auch Forderungen der Sozialversicherungsträger und des Finanzamts, die durch ein Arbeitsverhältnis veranlasst sind, sind Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis i.S.v. § 304 I S. 2 InsO RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 395 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 2. Anwendungsbereich Frage: Ist der ehemals Selbständige Verbraucher i.S.d. § 304 InsO? BGH, Urt. v. 20.01.2011 – IX ZR 238/08 - ZIP 2011, 578 Tz. 9ff. in diesem Fall Verbraucherinsolvenzverfahren gem. § 304 I S. 2 InsO nur dann, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und gegen den Schuldner keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. […] Gegen den Schuldner bestanden noch Forderungen von vier ehemaligen Arbeitnehmern auf Arbeitsentgelt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts waren diese nicht durch Anträge auf Insolvenzgeld "ablösbar". Beantragt ein Arbeitnehmer Insolvenzgeld nach § 183 SGB III, geht mit dem Antrag der Anspruch auf Arbeitsentgelt auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 187 Satz 1 SGB III). Auch nach dem Übergang auf die Bundesagentur bleibt der Anspruch ein solcher aus einem Arbeitsverhältnis. Dieser Begriff ist weit auszulegen. […] © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 396 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 3. Verfahren Antrag auf Eröffnung, § 13 InsO Antrag zulässig (+) Außergerichtliche Schuldenbereinigung (+) Außergerichtliche Schuldenbereinigung (-) Vergleich Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren Sanierungsplan (+) Sanierungsplan (-) Vereinfachtes Insolvenzverfahren Restschuldbefreiungsverfahren © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 397 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren I. Einführung 3. Verfahren Dreistufiger Aufbau: außergerichtliches Einigungsverfahren: Innerhalb von 6 Monaten vor Insolvenzantragstellung muss Schuldner eine außergerichtliche Schulden-bereinigung mit seinen Gläubigern erfolglos versucht haben. Dies ist von einer geeigneten Stelle zu bescheinigen (§ 305 I Nr. 1 InsO). Gerichtliches Einigungsverfahren: Das Gericht kann auf Basis des vom Schuldner mit einzureichenden Schuldenbereinigungsplanes erneut versuchen eine Einigung herzustellen. Es kann die Zustimmung der dem Plan widersprechenden Gläubiger ersetzen, wenn diese keine Kopf- oder Summenmehrheit erreichen. Vereinfachtes Insolvenzverfahren: Scheitert auch der gerichtliche Einigungsversuch, so setzt das Gericht das Eröffnungsverfahren fort. Das einzuleitende Verfahren läuft nach den allgemeinen Vorschriften ab, allerdings unter Berücksichtigung der in den §§ 311 ff. InsO aufgeführten Besonderheiten. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 398 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren II. Das Schuldenbereinigungsverfahren 1. Voraussetzungen Insolvenzantrag Gläubiger Schuldner ist über Eigenantrag zu belehren (§ 306 III InsO) Wenn Eigenantrag -> ruht Verfahren bis zum Scheitern eine außergerichtlichen Einigung (§ 306 III InsO) Wenn kein Eigenantrag vereinfachtes Insolvenzverfahren Schuldner © 2013 WZR Group Bescheinigung nach § 305 I Nr.1 InsO über erfolgloses außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren Antrag auf Restschuldbefreiung (§ 305 I Nr.2 InsO) Vermögensverzeichnis (§ 305 I Nr.3 InsO) Gläubigerverzeichnis (§ 305 I Nr.4 InsO) = alle Gläubiger, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung einen Vermögenanspruch gegen den Schuldner richten; auf die Fälligkeit kommt es nicht an. auch bestrittene Forderungen (BGH, Beschl. v. 2.7.2009 - IX ZB 63/08 – NZI 2009, 562) Schuldenbereinigungsplan (§ 305 I Nr.4 InsO) RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 399 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren II. Das Schuldenbereinigungsverfahren 2. Durchführung Schuldenbereinigungsplan Kernstück des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens Alle Angaben, die unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen sowie der Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners (Unterhaltspflichten) geeignet sind, zu einer angemessenen Schuldenbereinigung zu führen (§ 305 I Nr.4 InsO) Null-Plan – zulässig ? keine Befugnis des InsG zur inhaltlichen Überprüfung des Schuldenbereinigungsplans. Angemessenheit allenfalls für die Entscheidung über die Zustimmungsersetzung nach § 309 I 2 Nr. 1 InsO relevant. Es gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Einführung einer Mindestquote hat Gesetzgeber bewusst unterlassen. Null-Plan widerspricht nicht den Zielen der InsO, da Restschuldbefreiung auch für den mittellosen Schuldner eröffnet ist (vgl. § 289 III 1 InsO). © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 400 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren II. Das Schuldenbereinigungsverfahren 2. Durchführung Zustellung an Gläubiger (§ 307 I InsO) Stellungnahmefrist: 1 Monat (= Notfrist) Hinweis auf Niederlegung des Gläubigerverzeichnis Hinweis auf Einwendungsausschluss Annahme des Schuldenbereinigungsplans Ausdrückliche Zustimmung Zustimmungsfiktion (§ 307 II InsO) Zustimmungsersetzung (§ 309 InsO), wenn Kopf- und Summenmehrheit Angemessene Beteiligung des widersprechenden Gläubigers oder Voraussichtlich keine wirtschaftliche Schlechterstellung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 401 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren II. Das Schuldenbereinigungsverfahren 2. Durchführung Wirkung Wirkung eines Prozessvergleichs gem. § 794 I Nr. 1 ZPO Grundlage einer Vollstreckung bei Ablehnung des Schuldenbereinigungsplans Fortsetzung des Insolvenzverfahrens (§ 311 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 402 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren III. Das vereinfachte Insolvenzverfahren 1. Voraussetzungen Voraussetzungen des § 304 InsO Schuldenbereinigungsverfahren gescheitert, Einwendungen erhoben, die nicht nach § 309 InsO ersetzt werden (§ 311 InsO) Eröffnungsgründe: Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) Deckung der Verfahrenskosten (§ 54 InsO): Stundungsmöglichkeit (§ 4a InsO) Ausschluss der Stundung, wenn Versagungsgrund i.S.d. § 290 I Nr. 1 und 3 InsO vorliegt (vgl. auch §§ 4b, 4c) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 403 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren III. Das vereinfachte Insolvenzverfahren 2. Eröffnung Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen (§ 311 InsO) Öffentliche Bekanntmachung nur im Internet (§ 312 I 1 InsO) Bestimmung nur eines Prüfungstermins (§ 312 I 2 InsO) Bestellung eines Treuhänders (§ 313 I 1 InsO) Für diesen gelten §§ 56 – 66 InsO entsprechend © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 404 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren III. Das vereinfachte Insolvenzverfahren 3. Durchführung Wenn Eröffnung auf Antrag des Schuldners Verlängerung der Rückschlagsperre des § 88 InsO auf 3 Monate (§ 312 I 3 InsO) Kein Insolvenzplan (§ 312 II InsO) Keine Eigenverwaltung (§ 312 II InsO) Kein Anfechtungsrecht des Treuhänders (§ 313 II 1 InsO) Kein Recht zur Verwertung von Sicherungsgut (§ 313 III InsO) Aus.: Auftrag der GlVers (§ 313 II 3 InsO) Ausn.: vergebliche Fristsetzung nach §§ 313 III 3, 173 II InsO schriftliches Verfahren (§ 5 II InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 405 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren III. Das vereinfachte Insolvenzverfahren 3. Durchführung Vereinfachte Verteilung, § 314 InsO Antrag des Treuhänders Anhörung der Insolvenzgläubiger Verwertung der Masse nicht im Interesse der Gläubiger geboten Durch Beschluss Verwertung der Masse unterbleibt Schuldner einen entsprechenden Betrag an Treuhänder zahlt Fristsetzung Zahlung des Ablösebetrages © 2013 WZR Group Nichtzahlung ist Versagungsgrund (§ 314 II 2 InsO) RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 406 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren III. Das vereinfachte Insolvenzverfahren 3. Durchführung Fall Die Kl. hat gegen Schuldner eine titulierte Forderung iHv € 37.953,03. Dessen Ehefrau (Bekl.) ist Eigentümerin eines hälftigen Miteigentumsanteils, den ihr der Schuldner mit notariellem Vertrag vom 29.12.1998 übertragen hat. Mit ihrer am 31.8.2004 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Kl. zunächst die Duldung der Zwangsvollstreckung in den hälftigen Miteigentumsanteil wegen ihrer Forderung verlangt. (Gläubigeranfechtung) Am 14.2.2006 ist das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden. §§ 16, 17 AnfG Wer kann Anfechtungsklage fortsetzen? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 407 I. Das Verbraucherinsolvenzverfahren III. Das vereinfachte Insolvenzverfahren 3. Durchführung BGH, Urt. v. 3.12.2009 - IX ZR 29/08 - ZInsO 2010, 230-233: keine Regelung in InsO oder AnfG. Die Vorschrift des § 313 II 1 InsO betrifft (unmittelbar) nur die Insolvenzanfechtung, nicht die Gläubigeranfechtung §§ 16, 17 AnfG setzt einen Insolvenzverwalter voraus und findet auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren, in dem die Aufgaben des Insolvenzverwalters von dem Treuhänder wahrgenommen werden (§ 313 I 1 InsO) keine (unmittelbare) Anwendung. analoge Anwendung des § 313 II InsO Normzweck: Vereinfachung des Verfahrens und eine kostengünstige Abwicklung die Gläubiger seien motiviert und in der Lage, selbst die Anfechtung durchzuführen Das gilt für einen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängigen Gläubigeranfechtungsrechtsstreit sogar im besonderen Maße; denn wer einen Prozess begonnen hat, wird ihn regelmäßig auch zum Ende führen wollen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 408 J. I. II. III. Die Restschuldbefreiung Einführung Antrag auf Restschuldbefreiung Entscheidung über RSB-Antrag 1. Schlusstermin 2. Versagung der Restschuldbefreiung 3. Bestellung Treuhänder IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 1. Wohlverhaltensperiode 2. Obliegenheiten des Schuldners 3. Versagungsantrag 4. abschließende Entscheidung über den RSB-Antrag V. Wirkungen und Widerruf der Restschuldbefreiung 1. Wirkung der Restschuldbefreiung 2. Widerruf der Restschuldbefreiung 3. Widerruf der Restschuldbefreiung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 409 J. Restschuldbefreiung I. Einführung § 1 S.2 InsO: „Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.“ § 286 InsO: Restschuldbefreiung = Befreiung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gü. Insolvenzgläubigern Ausgangslage: Verjährung einer titulierten Forderung nach 30 Jahren (§ 197 I BGB) Aber: im eröffneten Insolvenzverfahrens Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO Vollstreckungsmöglichkeit grds. auch nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens Nachforderungsrecht (§ 201 I, II InsO) Ausn.: Restschuldbefreiung (§ 201 III InsO) Alternativen: erfolgreicher Abschluss eines Schuldenbereinigungsplans Entschuldung durch Insolvenzplan gem. §§ 217 ff. InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 410 J. Restschuldbefreiung I. Einführung Historie KO: unbeschränktes Nachforderungsrecht ebenso Preußische KO v. 1855 Art. 107 Hamburger Fallitenordnung v. 1753: cessio bonorum zum vollständigen Schuldabtrag bei „unglücklichem“ Schuldner §§ 244 ff. Bremer Debitorenverordnung v. 1843: beneficum competentiae 3 Jahre nach Beendigung Konkursverfahren © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 411 J. Restschuldbefreiung I. Einführung Kritik an der Restschuldbefreiung Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Gläubiger aus Art. 14 GG Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für Altforderungen, die vor Geltung der InsO begründet wurden Aber: die Menschenwürde (Art.1 GG) und Sozialstaatsprinzip erfordern es, dem redlichen Schuldner einen schuldenlosen Neuanfang früher als nach 30 Jahren zu ermöglichen („fresh start“) BVerfG – bisher keine Sachentscheidung h.M. Verfassungsmäßigkeit (vgl. LSZ-Kiesbye, § 286 InsO, Rn.12) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 412 J. Restschuldbefreiung I. Einführung Verfahren eigenständiges Verfahren, das vom Insolvenzverfahren zu unterscheiden ist (BGH, Beschl.v. 1. Abschnitt: Antragstellung bis Schlusstermin mit Entscheidung über Antrag und Ankündigung der RSB 2. Abschnitt: von Verfahrensaufhebung bis Ablauf der Laufzeit der Abtretung gem. § 286 II InsO („Wohlverhaltensperiode“) 18.12.2003 – IX ZB 60/03 – NZI 2004, 156) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 413 J. Restschuldbefreiung I. Einführung funktionale Zuständigkeit im RSB-Verfahren Insolvenzrichter (§ 18 I Nr.2 RPflG) Einleitung/Versagung der RSB (§ 289 InsO) vorzeitige Versagung nach §§ 296 f. InsO endgültige Entscheidung nach § 300 InsO, wenn Versagungsantrag Widerruf der RSB (§ 303 InsO) Insolvenzrechtspfleger © 2013 WZR Group Ankündigung der RSB (§ 291 I InsO) Bestellung Treuhänder (§ 291 II InsO) Versagung RSB nach § 298 InsO alle Angelegenheiten des Treuhänders h.M. Zurückweisung eines RSB-Antrages als unzulässig RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 414 J. Restschuldbefreiung II. Antrag auf Restschuldbefreiung Verfahrensrechtliche Voraussetzungen Natürliche Person Antrag des Schuldners (§ 287 I InsO) mit dem Eröffnungsantrag gestellt oder innerhalb von 2 Wochen nach dem Hinweis gem. § 20 II InsO Abtretungserklärung (§ 287 II InsO) die pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge Für 6 Jahre befristet (Laufzeit der Abtretung) an einen gerichtlich bestimmten Treuhänder © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 415 J. Restschuldbefreiung II. Antrag auf Restschuldbefreiung Frage: Zulässigkeit des RSB-Antrags bei „Null-“ bzw. „Fast-Null-Plan“? Teilw. (-), kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn weder pfändbares Einkommen noch pfändbare Gegenstände; Pfändungsschutz-bestimmungen der ZPO ausreichend geschützt (Kübler/Prütting, § 286 InsO, Rn. 78 ff.) h.M.: (+), da sich die Zulässigkeit von „Null-Plänen“ mittlerweile in der Rechtsprechung durchgesetzt habe; außerdem habe der Gesetzgeber den Nullplan nicht ausgeschlossen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.3.2002 – 8 W 560/01 – ZVI 2002, 380) InsO kennt keine Mindestquote © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 416 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 1. Schlusstermin im Schlusstermin (§ 197 InsO) Anhörung IV und InsGl zum RSB-Antrag (§ 289 I 1 InsO) InsG: Entscheidung über RSB-Antrag des Schuldners (§ 289 I 2 InsO) sofortige Beschwerde (§ 289 II InsO) Bestellung Treuhänder (§ 291 II InsO) Ankündigung Restschuldbefreiung (§ 291 I InsO) RSB bei Masseinsuffizienz? Einstellung nach § 207 InsO: nein Ausweg: Verfahrenskostenstundung, § 4a InsO Einstellung nach § 211 InsO: ja (§ 289 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 417 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB Einleitung Die Möglichkeit zur Versagung der RSB soll gewährleisten, dass nur dem redlichen, ehrlichen, zuverlässigen, pflichtbewussten Schuldner die Wohltat der RSB zugute kommt. Das Gesetz geht vom redlichen Schuldner als Regelfall aus und formuliert die Versagungsgründe als Ausnahmetatbestände. Es wurde im Interesse der Rechtssicherheit bewusst darauf verzichtet die Versagungsgründe durch eine Generalklausel zu erfassen. Bei den Versagungsgründen im Einzelnen handelt es sich um verschiedenartige Tatbestände, die sowohl die Einhaltung von verfahrensrechtlichen wie materiell-rechtlichen Pflichten regeln. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 418 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB Versagungsgründe bis zum Schlusstermin nach § 197 InsO nur aus § 290 InsO in der WVP nicht: § 290 InsO nur: §§ 295 – 298 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 419 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB Versagungsantrag Antrag eines Insolvenzgläubigers im Schlusstermin gestellt (Ausn. Schriftliches Verfahren) Glaubhaftmachung des Versagungsgrund (§ 290 II InsO) Versagungsgrund (§ 290 I InsO) der Schuldner aufgrund der §§ 283 – 283c StGB rechtskräftig verurteilt worden ist, der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Insolvenzantrag oder danach vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, in den letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt oder nach § 296 oder § 297 versagt worden ist. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 420 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB der Schuldner im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder danach vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beein-trächtigt hat, dass er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Verfahrenseröffnung verzögert hat, der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach der InsO vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat oder der Schuldner in den nach § 305 I Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnissen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 421 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB BGH, Beschl. v. 11.2.2010 - IX ZB 126/08 - NZI 2010, 264, zu § 290 I Nr. 5 InsO (Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten) Die Verpflichtung zur Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nachfrage, offen legen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen. Zu den Umständen, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können, zählen auch solche, die eine Insolvenzanfechtung begründen können, denn eine erfolgreiche Anfechtung führt zu einer Mehrung der Insolvenzmasse. Die Pflicht zur Auskunft setzt in einem solchen Fall nicht voraus, dass die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung tatsächlich vorliegen. Bereits konkrete Anhaltspunkte, die eine Anfechtbarkeit möglich erscheinen lassen, begründen die Pflicht des Schuldners, den Sachverhalt zu offenbaren. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 422 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB BGH, Beschl. v. 16.12.2010 – IX ZB 63/09 - ZIP 2011, 133. zu § 290 I Nr. 5 InsO: Der Schuldner verletzt grob fahrlässig eine gesetzliche Auskunftspflicht und erfüllt deshalb den Versagungstatbestand des § 290 I Nr. 5 InsO, indem er die Eigentumswohnung auf Mallorca in dem mit seinem Eröffnungsantrag vorgelegten Vermögensverzeichnis nicht angab. Eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der InsGl ist nicht erforderlich; es genügt, dass die Verletzung der Auskunftspflicht nach ihrer Art geeignet ist, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu gefährden.. Holt der Schuldner im Regelinsolvenzverfahren von sich aus eine gebotene, aber zunächst von ihm unterlassene Auskunftserteilung nach, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt ist, beeinträchtigt seine Obliegenheitsverletzung letztlich die Gläubigerinteressen nicht. Die Versagung der RSB ist dann in der Regel unverhältnismäßig im Verbraucherinsolvenzverfahren Heilung nur bis zur Verfahrenseröffnung möglich, weil schon für das vorangehende Schuldenbereinigungsverfahren richtige und vollständige Angaben des Schuldners erforderlich sind (§ 305 I InsO). © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 423 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB Frage: Ist nach Zurückweisung eines RSB-Antrags ein Zweitantrag zulässig? Die §§ 286 ff InsO sehen keine grundsätzliche Beschränkung für einen erneuten RSB-Antrag vor. Aus § 290 I Nr. 3 folgt, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit eines Zweitantrags sogar vorausgesetzt hat BGH, Beschl. v 6.7.2006 – IX ZB 263/05 - NZI 2006, 601: Hat der ordnungsgemäß belehrte Schuldner in einem früheren Insolvenzverfahren den RSB-Antrag nicht rechtzeitig gestellt, führt die Präklusion des früheren Antrags zur Unzulässigkeit eines erneuten RSB-Antrag, wenn kein neuer Gläubiger hinzugekommen ist Gilt auch wenn der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren rechtskräftig abgewiesen wurde © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 424 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB BGH, Beschl. v. 21.1.2010 - IX ZB 174/09 – NJW-RR 2010, 776 : Hat der Schuldner auf den ihm in Anschluss an den Antrag eines Gläubigers erteilten gerichtlichen Hinweis, er könne einen eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem RSB-Antrag stellen, bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag des Gläubigers nicht mit eigenen Anträgen reagiert, so kann er erst nach Ablauf einer Sperrfrist von drei Jahren nach Insolvenzeröffnung einen erneuten Insolvenz-, Stundungs- und RSB-Antrag stellen, vorausgesetzt ein auf Antrag des Gläubigers eröffnetes Verfahren ist zwischenzeitlich aufgehoben BGH, Beschl. v. 21.1.2010 - IX ZB 164/09 – Tz. 15: Gibt der Schuldner im Forderungsverzeichnis nach § 305 I Nr. 3 InsO eine Forderung nicht an, ist nicht nur der Inhaber der nicht angegebenen Forderung sondern auch jeder andere Insolvenzgläubiger befugt, einen Versagungsantrag nach § 290 I Nr. 6 InsO zu stellen. Der Schuldner vermag sich nicht dadurch zu entlasten, dass der Inhaber der nicht angegebenen Forderung die Forderung alsbald nach Verfahrenseröffnung selbst angemeldet hat © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 425 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB BGH, Beschl. v. 14.1.2010 - IX ZB 257/09 - NZI 2010, 407: Nach Ablauf der Sperrfrist von drei Jahren kann der Schuldner einen erneuten Insolvenz-, Stundungs- und Restschuldbefreiungsantrag auch dann stellen, wenn ihm in einem früheren Verfahren die Restschuldbefreiung wegen Vermögensverschwendung im Schlusstermin versagt worden ist; die Rechtskraft der Versagungsentscheidung steht dem Rechtsschutzinteresse an der Durchführung eines erneuten Verfahrens nicht entgegen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 426 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB Fall: S hat am 31.3.02 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt. Das Gericht hat am 2.5.02 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Abhaltung des Schlusstermins am 2.11.02 wird dem G bekannt, dass S wegen eines Insolvenzdelikts nach § 283 StGB rechtskräftig verurteilt worden ist. G stellt den Antrag , dem Schuldner die Restschuldbefreiung gem. § 290 I Nr. 1 InsO zu versagen. Zulässig? © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 427 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB BGH, Beschl. v. 18.5.2006 - IX ZB 103/05 – NZI 2006, 538 Schlusstermin ist Zäsur für die Versagung nach § 290 I InsO Ein auf die Versagungsgründe des § 290 I InsO gestützter Versagungsantrag ist nur zulässig, wenn der Gl diesen Antrag im Schlusstermin stellt. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers (Wortlaut des § 290 I InsO: „..wenn dies im Schlusstermin…“); wird dem Schuldner (rechtskräftig) RSB angekündigt, soll sein Verhalten in der Vergangenheit keine Rolle mehr spielen. verfassungsrechtlich nichts anderes geboten: der Eröffnungsbeschluss mit der Aufforderung nach § 28 InsO wird öffentlich bekannt gemacht. Die öffentliche Bekanntmachung genügt nach § 9 III InsO zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten. Das Gesetz geht danach ersichtlich davon aus, dass die Verantwortung für die rechtzeitige Beschaffung der erforderlichen Informationen beim Insolvenzgläubiger liegt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 428 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB Fall: Am 16.1.2006 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, die Stundung der Verfahrenskosten sowie RSB. Am 18.5.2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Bet. zu 3 zum IV bestellt. Im Schlusstermin beantragten die erste Ehefrau und die minderjährige Tochter des Schuldners (fortan: Gläubigerinnen), die Versagung der RSB, weil der Schuldner durch Leistung einer Zahlung auf fremde Schuld und durch die Bestellung zweier Grundschulden Vermögen verschwendet habe sowie seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Das InsG hat den Antrag wegen fehlender Glaubhaftmachung abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerinnen ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wollen die Gläubigerinnen weiterhin die Versagung der Restschuldbefreiung erreichen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 429 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB BGH, Beschl. v. 30.6.2011 − IX ZB 169/10 - NZI 2011, 641: Eine Verschwendung i.S.v. § 290 I Nr. 4 InsO ist aber auch dann anzunehmen, wenn Werte außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise verbraucht werden oder Ausgaben im Verhältnis zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des Schuldners als grob unangemessen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar erscheinen. Die Belastung eines Grundstücks zu Gunsten eines Dritten, dem keine zu sichernde Forderung gegen den Schuldner zusteht, stellt unabhängig davon eine Vermögensverschwendung dar, ob die Belastung nach dem AnfG, nach §§ 129 ff. InsO oder nach §§ 812 ff. BGB rückgängig gemacht werden könnte oder der Schuldner davon ausgehen kann, der Dritte werde die Grundschulden gegebenenfalls als Drittsicher-heit zur Verfügung stellen. Die schenkweise Hergabe von Vermögensgegenständen ohne nachvollziehbaren Anlass kommt als Verschwendung in Betracht, wenngleich eine nach § 134 InsO anfechtbare Schenkung für sich genommen nicht ohne Weiteres den Versagungsgrund ausfüllt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 430 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB Das schlichte Verbergen eines Vermögensgegenstandes erfüllt nicht den Begriff der „Verschwendung“ im Sinne von § 290 I Nr. 4 InsO, auch dann nicht, wenn dadurch der Zugriff von Gläubigern auf diesen Gegenstand erschwert oder sogar vereitelt wird. Ein Gegenstand, über den der Schuldner noch verfügen kann, kann schon begrifflich nicht verschwendet worden sein. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 431 J. Fall: Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB S hat am 31.3.02 Insolvenzantrag und RSB-Antrag gestellt am 2.5.02 Eröffnung des Insolvenzverfahrens später Schlusstermin im schriftlichen Verfahren Gläubigerin G beantragt, S die RSB gem. § 290 I Nr. 2 InsO zu versagen, da er bei Abschluss eines Kreditvertrages vom 18.11.99 das Antragsformular blanko unterschrieb und, indem er dem Kreditvermittler das weitere Ausfüllen weitgehend überlassen hatte, falsche Angaben über seine Vorschulden und seine Unterhaltsverpflichtungen gemacht habe. InsG hat RSB versagt. Dessen sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 432 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB BGH, Beschl. v. 21.7.2005 – IX ZB 80/04 – ZVI 2005, 503. Aufhebung und Zurückverweisung: Das Gesetz gehe von dem redlichen Schuldner als Regelfall aus. Feststellungslast trifft den antragstellenden Gläubiger. Sein Antrag ist zurückzuweisen, wenn nach Ausschöpfung der gem. § 5 I InsO gebotenen Maßnahmen Zweifel am Vorliegen des Versagungstatbestandes bleiben. einvernehmliches Zusammenwirken zwischen S und dem Kreditvermittler bzgl. der falschen Angabe von Daten ist nicht ersichtlich. Grobe Fahrlässigkeit liege nicht allein schon deshalb vor, weil der Schuldner dem Kreditvermittler das weitere Ausfüllen des Formulars überlasse. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob seitens des Schuldners Anlass bestand, daran zu zweifeln, dass der Kreditvermittler die fehlenden Angaben nicht ordnungsgemäß in das Formular eintragen werde. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 433 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 2. Versagung der RSB Entscheidung - durch Beschluss (§ 289 I 2 InsO) Abweisung des RSB-Antrags als unzulässig Ankündigung der RSB (§ 291 I InsO) Versagung der RSB funktional zuständig: Insolvenzrichter (§ 18 I Nr. 2 RPflG) Rechtsmittel sofortige Beschwerde (§ 289 II 1 InsO) Schuldner gegen Versagung Gläubiger gegen Abweisung des Versagungsantrages wenn keine Versagung der RSB Ankündigung der RSB durch Beschluss (§ 291 I InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 434 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 3. Bestellung Treuhänder Auswahl (§ 288 InsO) Vorschlagsrecht des Schuldners und der Gläubiger natürliche Person für den jeweiligen Einzelfall geeignet Aufgaben Anzeige der Abtretung (§ 292 I 1 InsO) Einziehung der Bezüge Grundsatz der getrennten Vermögensverwahrung jährliche Verteilung gestundeten Verfahrenskosten (abzüglich der Kosten für die Beiordnung eines Rechtsanwalts) an die Insolvenzgläubiger aufgrund des Schlussverzeichnisses © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 435 J. Restschuldbefreiung III. Entscheidung über RSB-Antrag 3. Bestellung Treuhänder Abführung an Schuldner (§ 292 I 4, 5 InsO) 10% der erlangten Beträge und sonstigen Leistungen nach 4 Jahren seit Aufhebung des Insolvenzverfahrens 15% nach Ablauf von 5 Jahren seit Aufhebung des Insolvenzverfahrens aber: Vorrang Berichtigung gestundeter Verfahrenskosten, soweit Einkommen nicht den Betrag nach § 115 ZPO übersteigt Überwachung der Obliegenheiten wenn Auftrag durch die GläubVers und Deckung der Vergütung (§ 292 II 1, 3 InsO) Benachrichtigungspflicht wenn Obliegenheitsverletzung (§ 292 II 2 InsO) Schlussrechnungslegung (§ 292 III 1 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 436 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 1. Wohlverhaltensperiode natürliche Person Antragsverfahren © 2013 WZR Group Insolvenzverfahren Wohlverhaltensperiode RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 437 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 1. Wohlverhaltensperiode = das im 8.Teil der InsO (§§ 286 ff) geregelte RSB-Verfahren im eigentlichen Sinne, das mit der Rechtskraft des Ankündigungsbeschlusses gem. § 291 I InsO beginnt (vgl. Uhlenbruck-Vallender, § 295 InsO, Rn.1) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 438 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners Obliegenheiten gem. § 295 I InsO Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit bzw. sich um eine solche Tätigkeit zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen (Nr. 1) Herausgeben der Hälfte des Wertes des Vermögens, das ererbt oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt (Nr.2); unverzügliches Anzeigen jedes Wechsels eines Wohnortes oder der Beschäftigungsstelle gegenüber Gericht und Treuhänder, keine Verheimlichung von Bezügen, die unter die Abtretungserklärung fallen oder von Vermögen i.S.d. Nr. 2 und Auskunftserteilung gegenüber dem Gericht und dem Treuhänder auf deren Verlangen über die Nr. 1, Nr. 2 und über seine Bezüge (Nr. 3); Leistung von Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger ausschließlich an den Treuhänder und keine Gewährung von Sondervorteilen an Insolvenzgläubiger (Nr. 4) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 439 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners bei Selbständigkeit des Schuldners Abführung eines entspr. Anteils seines Verdienstes an den Treuhänder (§ 295 II InsO) Maßstab: fiktives Arbeitseinkommen; nicht: tatsächlicher Gewinn BGH (Beschl. v. 19.5.2011−IX ZB 224/09 - NZI 2011, 596) zu § 295 II InsO: © 2013 WZR Group fiktives Nettoeinkommen aus angemessenen Dienstverhältnis zu berechnen. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit. keine Versagung, wenn Schuldner auf Grund Alter oder ungünstiger Arbeits-marktverhältnisse keine Möglichkeit, in ein angemessenes abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit höherem pfändbaren Einkommen zu wechseln RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 440 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners BGH (Beschl. v. 19.5.2011−IX ZB 224/09 - NZI 2011, 596) zu § 295 I Nr.1 InsO: im Regelfall bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet sein, laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeiter, sich selbst aktiv und ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemühen, zwei bis drei Bewerbungen in der Woche, sofern entsprechende Stellen angeboten werden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 441 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners Obliegenheit gem. § 297 InsO: Keine rechtskräftige Verurteilung wegen Insolvenzstraftaten (§§ 283 – 283c StGB) zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder während der Wohlverhaltensperiode Obliegenheit gem. § 298 InsO: Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 442 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners Fall: Schuldner begeht nach Eintritt in die WVP eine Straftat und wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Verletzung der Obliegenheit aus § 295 I Nr. 1 InsO? BGH, (Beschl. v. 01.07.2010 IX ZB 148/09 - ZInsO 2010, 1558-1560): Die Begehung einer Straftat, die zu einer Inhaftierung des Schuldners führt, rechtfertigt nur dann die Versagung der Restschuldbefreiung, wenn der Schuldner durch die Inhaftierung eine Arbeit verliert, aus der er pfändbare Einkünfte erzielt hat. Wie in anderen Fällen auch reicht allein der Verlust der Möglichkeit, sich auf dem Arbeitsmarkt um eine Tätigkeit zu bemühen, nicht aus, um die RSB zu versagen. So ist eine Versagung nach der Rechtsprechung des Senats nicht gerechtfertigt, wenn der Schuldner eine Erwerbstätigkeit aufgibt, die - etwa aufgrund seiner Unterhalts-pflichten - keine pfändbaren Beträge erbracht hat oder wenn der Schuldner eine (etwa nach Kinderbetreuung zumutbare Teilzeit-) Beschäftigung ablehnt, die keine pfändbaren Bezüge ergeben hätte. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 443 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners An diesen Grundsätzen ist auch der Schuldner zu messen, der in der WVP straffällig wird und in Haft kommt. Auch diesem kann die Restschuldbefreiung nur dann versagt werden, wenn er dadurch seine Obliegenheiten verletzt und eine konkret messbare Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten seiner Gläubiger verursacht. Die Auffassung, jeder zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilte Straftäter sei von vornherein von der Möglichkeit ausgeschlossen, RSB zu erlangen, ist weder mit dem Willen des Gesetzgebers noch dem Regelungszusammenhang der Versagungsgründe vereinbar. Der Wille des Gesetzgebers der InsO ging erkennbar dahin, auch Strafgefangenen die Möglichkeit der RSB zu eröffnen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 444 J. Fall: Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners In dem im Januar 2007 eröffneten Insolvenzverfahren kündigte das InsG dem Schuldner im Mai 2007 Restschuldbefreiung an und hob das Verfahren im Juni 2007 auf. Der Schuldner erhält Altersbezüge, von denen als pfändbarer Betrag monatlich 547,05 € an den TreuH abgeführt wurden. Während der WVP nahm er im November 2007 eine Aushilfstätigkeit an, die mit monatlich 400 € vergütet wurde. Die Aufnahme dieser Tätigkeit, die er mit krankheitsbedingten Unterbrechungen insgesamt 10 Monate ausübte, zeigte er dem TreuH zunächst nicht an. Im November 2008 holte der Schuldner dieses telefonisch nach. TreuH ermittelte daraufhin einen monatlich pfändbaren Betrag von 100 € und schloss mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung, nach der er zehnmal monatlich 100 €, beginnend ab Januar 2009, abführen sollte. Hieran hielt sich der Schuldner. Im Februar 2009 Versagungsantrag eines Gläubigers. Das InsG hat stattgegeben; sofortige Beschwerde des Schuldners wurde im August 2009 zurückgewiesen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 445 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZB 183/07 - ZVI 2008, 41; Beschl. v. 3.2.2011 - IX ZB 99/09 Verletzung des § 295 I Nr. 3 InsO wegen nicht unverzüglicher Mitteilung der Aufnahme einer Nebenbeschäftigung; aber Heilung dieser Obliegenheitsverletzung durch nachträgliche Anzeige und Nachzahlung des dem TH vorenthaltenen Betrags möglich. Zwar ist Heilung einer Obliegenheitsverletzung in der durch Zahlung des dem TH vorenthaltenen pfändbaren Einkommens ausgeschlossen ist, wenn ein Gläubiger bereits Versagungsantrag gestellt hat. Hieraus folgt aber - entgegen einer in Rspr. und Lit verbreiteten Auffassung nicht, dass eine Heilung der Obliegenheitsverletzung auch dann ausscheidet, wenn der Schuldner die Anzeige nachholt und den fehlenden Betrag einzahlt, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt ist. In diesem Fall liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, die letztlich die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt. Die Versagung der RSB wäre deshalb unverhältnismäßig. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 446 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners Eine entsprechende Heilungsmöglichkeit muss auch dann werden, wenn der Schuldner nach freiwilliger Aufdeckung eines Obliegenheitsverstoßes aufgrund einer Vereinbarung mit dem TH Teilzahlungen auf die Rückstände erbringt, die innerhalb eines nicht nur angemessenen, sondern auch überschaubaren Zeitraums zu einem vollständigen Ausgleich des dem TH vorenthaltenen Betrages führen. Solange sich der Schuldner an diese Vereinbarung hält, darf ihm nicht deswegen, weil ein Gläubiger einen Versagungsantrag stellt, bevor der vereinbarte Ratenzahlungszeitraum abgelaufen ist, die Restschuldbefreiung versagt werden. Er verdient aufgrund der Vereinbarung mit dem TH Vertrauensschutz. Es ist den Gläubigern deshalb zumutbar, mit der Stellung eines Versagungsantrags zuzuwarten, bis der Zeitraum abgelaufen ist, innerhalb dessen der Schuldner den Rückstand ausgleichen kann. Solange der Schuldner die Vereinbarung mit dem TH erfüllt, ist ein etwa gestellter Versagungsantrag eines Gläubigers unbegründet. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 447 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners Frage: Verzicht auf Pflichtteilsanspruch in WVP eine Obliegenheitsverletzung? BGH, Beschl. v. 10.03.2011 - IX ZB 168/09 - NZI 2011, 329: Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, die Ausschlagung einer Erbschaft oder der Verzicht auf ein Vermächtnis ist keine Obliegenheitsverletzung Die Entscheidung über die Ausschlagung einer Erbschaft und über die Geltendmachung des Pflichtteils ist höchstpersönlicher Natur. dieses ist auch in der WVP zu beachten und darf nicht durch einen mittelbaren Zwang zur Annahme der Erbschaft oder zur Geltendmachung des Pflichtteils unterlaufen werden, der sich ergäbe, wenn man schon die Erbausschlagung selbst oder den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils als Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 295 I 2 InsO ansähe Die Untätigkeit des Schuldners hinsichtlich seines Pflichtteilsanspruchs, die einem Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch gleich zu behandeln ist, rechtfertigt Versagung nicht. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 448 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 2. Obliegenheiten des Schuldners Bezüglich des Vermächtnisses kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Die dadurch für den Schuldner bestehende Möglichkeit, den Halbteilungsgrundsatz zu umgehen, indem er das Vermächtnis erst nach Ablauf der WVP annimmt, muss in Kauf genommen werden. Macht der Schuldner den Pflichtteil erst nach diesem Zeitpunkt geltend, tritt diese Folge ebenfalls ein (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2009 - IX ZB 72/09 - ZInsO 2009, 1831 Rn. 10). auch keine Versagung der RSB nach § 295 I Nr. 3 InsO. Begriff des Verheimlichens über denjenigen des schlichten Verschweigens hinausgeht, d.h. Verhalten, durch das von der Abtretung erfasste Bezüge oder von Todes wegen erworbenes Vermögen der Kenntnis des Treuhänders entzogen werden. Ein schlichtes Unterlassen stellt dann ein Verheimlichen dar, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln - zur Offenbarung des Vermögensgegenstandes also - besteht. Die Pflicht, einen in der WVP eingetretenen Erbfall unaufgefordert schon zu einem Zeitpunkt anzuzeigen, zu dem die Erbschaft oder ein Vermächtnis noch ausgeschlagen werden kann oder noch nicht feststeht, ob ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird, sieht die InsO nicht vor. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 449 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 3. Versagungsantrag Versagung nach § 296 I InsO Voraussetzungen (§ 296 I InsO) Antrag eines Insolvenzgläubigers Obliegenheitsverletzung Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger Verschulden des Schuldners Antragsfrist: 1 Jahr nach Bekanntwerden (§ 296 I 2 InsO) Glaubhaftmachung (§ 296 I 3 InsO) Anhörung Treuhänder, Schuldner, Insolvenzgläubiger (§ 296 II 1 InsO) Entscheidung durch Beschluss Rechtsmittel (§ 296 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 450 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 3. Versagungsantrag Frage: Darf WVP-Treuhänder Gläubiger über Umstände unterrichten, welche die Versagung der Restschuldbefreiung begründen können, auch wenn ihm diese Aufgabe nicht eigens übertragen worden ist? BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 84/09 - ZInsO 2010, 1498-1499: Ja § 292 II InsO zeigt, dass ein Zusammenwirken von Gläubigern und Treuhänder in der WVP erlaubt ist, um den Gläubigern die für einen Versagungsantrag erforderliche Kenntnis von einem Versagungsgrund zu vermitteln. Der WVP-Treuhänder hat zwar auch Belange des Schuldners zu wahren. Eine absolute Neutralität sieht das Gesetz jedoch nicht vor Ausdrücklich offen gelassen für das (eröffnete) Insolvenzverfahren © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 451 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 3. Versagungsantrag Versagung nach § 296 II 3 InsO Voraussetzungen Verletzung der Mitwirkungs- und Auskunftspflicht durch Schuldner ohne hinreichende Entschuldigung Antrag eines Insolvenzgläubigers (BGH) Anhörung des Schuldners (§ 296 II 1 InsO) Entscheidung durch Beschluss Rechtsmittel (§ 296 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 452 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 3. Versagungsantrag BGH, Beschl. v. 19.5.2011 − IX ZB 274/10 - NZI 2011, 640 zu § 296 II 3 InsO: § 296 II 3 InsO enthält gegenüber § 296 I InsO einen eigenständigen Versagungstatbestand, der an die Mitwirkungspflichten des Schuldners im Versagungsverfahren nach § 296 II 1 InsO anknüpft. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 296 II 1 InsO kann es eine Versagung der RSB ohne einen Gläubigerantrag nicht geben. erst dann setzt Amtsermittlungspflicht ein das Verfahren auf Versagung der RSB unterliegt der Gläubigerautonomie § 296 II 2 InsO begründet besondere Auskunftspflichten für den Schuldner, die jedoch erst entstehen, wenn ein Gläubiger einen Antrag nach § 296 I InsO gestellt hat kommt Schuldner den sich aus § 296 II 2 InsO ergebenden Auskunftspflichten nicht nach, ist ihm die RSB zu versagen, ohne dass es eines zusätzlichen Antrags, der diesen Tatbestand aufgreift, bedarf ursprgl. Antrag nach § 296 I InsO muss nicht zulässig sein © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 453 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 3. Versagungsantrag Versagung nach § 297 InsO Voraussetzungen Antrag eines Insolvenzgläubigers Rechtskräftige Verurteilung des Schuldners wg. eines Insolvenzdelikts nach dem Schlusstermin Antragsfrist: 1 Jahr nach Bekanntwerden (§§ 297 II, 296 I 2 InsO) Glaubhaftmachung (§§ 297 II, 296 I 3 InsO) Anhörung des Schuldners Entscheidung durch Beschluss Rechtsmittel (§§ 297 II, 296 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 454 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 3. Versagungsantrag Versagung nach § 298 InsO Voraussetzungen Antrag des TreuH keine Verfahrenskostenstundung Nichtzahlung der Mindestvergütung (§ 14 III InsVV) Mahnung mit Fristsetzung von 2 Wochen und Restfolgenbelehrung Anhörung des Schuldners und Aufforderung durch InsG (§ 298 II InsO) keine Zahlung innerhalb von 2 Wochen nach Aufforderung Entscheidung durch Beschluss Rechtsmittel (§§ 297 II, 296 III InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 455 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 3. Versagungsantrag Rechtsfolge der Versagung, § 299 InsO die Laufzeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger enden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 456 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 4. Entscheidung über den RSB-Antrag wenn keine vorzeitige Beendigung der WVP entscheidet das InsG nach Ablauf der Dauer der Abtretung (§ 287 II InsO) durch Beschluss über den RSB-Antrag des Schuldners (§ 300 InsO) Anhörung TH, Schuldner u InsGl (§ 300 I InsO) Versagung (§ 298 II InsO) Antrag Gläubiger nach §§ 296 I, II 3, 297 InsO Antrag TH nach § 298 InsO öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses Rechtsmittel Schuldner jeder InsGl, der Versagungsantrag gestellt hat © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 457 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 4. Entscheidung über den RSB-Antrag Frage: Ablauf der 6-Jahresfrist des § 287 II 1 InsO vor Abschluss des Insolvenzverfahrens – Entscheidung nach § 300 InsO? BGH, Beschl. v. 3.12.2009 - IX ZB 247/08 - NZI 2010, 111: Ist die [sechsjährige] Frist der Abtretungserklärung abgelaufen, bevor dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt worden ist, muss schon vor Beendigung des Insolvenzverfahrens über die Restschuldbefreiung gem. § 300 InsO entschieden werden. Dies entspricht h.M. in Rspr. und Lit. Wille des Gesetzgebers, den Zeitpunkt der Erteilung der RSB von der Dauer des eröffneten Verfahrens zu lösen. Er hat § 287 II 1 InsO dahin geändert, dass der Lauf der Abtretungsfrist von sieben auf sechs Jahre verringert wurde und diese Frist nicht mehr erst bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens, sondern bereits bei Eröffnung zu laufen beginnt. Ist nach Ablauf der Abtretungserklärung das Insolvenzverfahren noch nicht beendet, kann die Abtretungserklärung keine Wirkung mehr entfalten. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 458 J. Restschuldbefreiung IV. Erteilung der Restschuldbefreiung 4. Entscheidung über den RSB-Antrag Eine Ankündigung der RSB gem. § 291 InsO entfällt ebenso wie die sich sonst anschließende WVP. Damit entfallen für den Schuldner auch die Obliegenheiten, die erst nach Ankündigung der RSB von ihm zu beachten sind. Gemäß § 300 I InsO ist demgemäß nach Ablauf von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden, auch wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist. die Anhörung der InsGl, des IV anstelle des TH und des Schuldners muss in einer Form durchgeführt werden, die dem Schlusstermin entspricht (vgl. § 289 I InsO). Dies kann in einer GlVers. oder gem. § 5 II InsO im schriftlichen Verfahren erfolgen. Durch § 287 II InsO werden die Wirkungen des § 35 I Alt. 2 InsO (Neuerwerb) zeitlich begrenzt. teilw.: Neuerwerb gebührt der Masse bis zur Rechtskraft der RSB-Entscheidung BGH: Neuerwerb gebührt der Masse nur bis zum Ablauf der Abtretungsfrist, wenn RSB erteilt wird. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 459 J. Restschuldbefreiung V. Wirkungen und Widerruf der Restschuldbefreiung 1. Wirkung der RSB Die Restschuldbefreiung wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger sowie gegen die Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 301 I InsO) Unberührt bleiben die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt (§ 301 II InsO); Von der Erteilung der RSB sind ausgenommen (§ 302 InsO) Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, sofern Forderung nach § 174 II InsO angemeldet wurde; Geldstrafen und die diesen in § 39 I Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten; Verbindlichkeiten aus einem zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 460 J. Restschuldbefreiung V. Wirkungen und Widerruf der Restschuldbefreiung 2. Widerruf der RSB § 303 I InsO: InsG kann die Erteilung der RSB widerrufen, wenn Antrag eines Insolvenzgläubigers innerhalb 1 Jahr nach Rechtskraft der Entscheidung über die RSB nachträglich herausgestellt Obliegenheitsverletzung und dadurch erhebliche Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung keine Kenntnis des Gläubigers Glaubhaftmachung © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 461 J. Restschuldbefreiung V. Wirkungen und Widerruf der Restschuldbefreiung 2. Widerruf der RSB Verfahren (§ 303 III InsO) Anhörung Schuldner und Treuhänder funktionelle Zuständigkeit: Insolvenzrichter (§ 18 I Nr.3 RPflG) Entscheidung durch Beschluss öffentliche Bekanntmachung des Widerrufsbeschlusses Rechtsmittel Schuldner gegen Widerruf Insolvenzgläubiger gegen Abweisung seines Widerrufsantrags © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 462 K. Die Eigenverwaltung I. Einführung II. Anordnung der Eigenverwaltung III. Aufhebung der Eigenverwaltung IV. Verfahren V. Sachwalter VI. "Schutzschirmverfahren“ © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 463 K. Die Eigenverwaltung I. Einführung § 270 I 1 InsO: „Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet.“ Vorbild: „debtor in possession“, Chapter 11 US Bankruptcy Code In Ausnahmefällen kann es nötig sein, dem Schuldner die Verfügungsbefugnis zu belassen, um zu einer besseren Verwertung der Masse und Befriedigung der Gläubiger zu gelangen, wenn Kenntnisse und Erfahrungen im Rahmen der Unternehmensfortführung notwendig sind wenn Einarbeitung eines IVw zu aufwendig © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 464 K. Die Eigenverwaltung I. Einführung Vorteile kostengünstigeres Verfahren ? geringere Vergütung des Sachverwalters Vermeidung von Kostenbeiträgen für die Feststellung von Sicherungsgut (§ 282 I InsO) nur tatsächliche Verwertungskosten aber: Kosten der Sanierungsexperten zur Beratung/Verstärkung der Geschäftsführung Anreiz für frühere Insolvenzantragstellung Je mehr die Geschäftsleitung eines Unternehmens fürchtet, sie werde abgelöst, desto später stellt sie in der Regel den Insolvenzantrag. Kontinuität in der Unternehmensleitung Nutzung der Unternehmens- und Branchenkenntnis des Schuldners Wahrung des Vertrauens des Geschäftsverkehrs (Kunden und Lieferanten aber: auch Eigenverwaltung wird vom Geschäftsverkehr als Insolvenzverfahren wahrgenommen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 465 K. Die Eigenverwaltung I. Einführung Risiken Verschiebung von Massegegenständen Nichtentdeckung von Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführung Gläubigerbegünstigungen Oft schwer abzuschätzen, ob Schuldner der Aufgabe gewachsen ist Gefahr, dass Gläubiger sehr lange auf ihre Befriedigung warten müssen sinnvoll nur bei unzweifelhafter Vertrauenswürdigkeit des schuldnerischen Managements © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 466 K. Die Eigenverwaltung I. Einführung rechtliche Wirkungen es gelten die allgemeinen Vorschriften der InsO (§ 270 I 2 InsO) Schuldner bleibt verwaltungs- und verfügungsbefugt durch den Eröffnungsbeschluss wird das Schuldnervermögen vom Insolvenzbeschlag erfasst Schuldner ist Amtswalter in eigenen Angelegenheiten unter der Aufsicht des Sachwalters © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 467 K. Die Eigenverwaltung I. Einführung Reform der Eigenverwaltung durch das ESUG 37. Änderung der InsO seit Einführung zum 1.1.1999 „Dauerbaustelle InsO“ BMJ: „Insgesamt wollen wir durch das neue Gesetz einen Mentalitätswechsel für eine neue ‚Insolvenzkultur‘ in Deutschland einleiten.“ Stärkung der Gläubigerautonomie Anhörung des GlA zum Eigenverwaltungsantrag (§ 270 III InsO) Wahrung des Einflusses des Schuldners § 270a InsO: Eröffnungsverfahren nur mit Aufsicht führenden Sachwalter Rücknahmemöglichkeit (§ 270a II InsO) § 270b InsO - Schutzschirmverfahren © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 468 K. Die Eigenverwaltung I. Einführung Kritische Anmerkungen zur Eigenverwaltung nach ESUG ESUG ist nicht in der Lage, mangelnde Kenntnisse der Schuldner und ihrer Berater zu kompensieren die Praxis zeigt, dass Unabhängigkeit und Qualifikation des Sachwalters eine besondere Bedeutung gewonnen haben problematisch z.B. § 270b II InsO: Vorschlagsrecht des Schuldners „Beauty Contest“ der Kandidaten im Vorfeld Eigenverwaltung nur für große Unternehmen an, die weit vor Antragstellung mit neuer Mannschaft (CRO) strukturelle Probleme angegangen sind wichtig: Entstigmatisierung der Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 469 K. Die Eigenverwaltung II. Anordnung mit Eröffnungsbeschluss (§ 270 I 1 InsO) § 270 II InsO – Voraussetzung der Anordnung Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung (Nr. 1) und nach den Umständen keine Verfahrensverzögerung oder Nachteile für die Gläubiger zu erwarten (Nr. 2) § 271 InsO – nachträgliche Anordnung, wenn InsG zuvor Schuldnerantrag abgelehnt hat, auf Antrag der ersten Gläubigerversammlung Stärkung der Eigenverwaltung und der Gläubigerautonomie qualifizierte Mehrheit soll Beherrschung der Eigenverwaltung durch wenige Großgläubiger oder geschickt agierende Kleingläubiger verhindern bisheriger IVw kann zum Sachwalter bestellt werden kein Entscheidungsermessen des InsG öffentliche Bekanntmachung, § 273 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 470 K. Die Eigenverwaltung II. Anordnung § 270 InsO - Voraussetzungen (1) (…) (3) Vor der Entscheidung über den Antrag ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. Wird der Antrag von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt, so gilt die Anordnung nicht als nachteilig für die Gläubiger. (4) Wird der Antrag abgelehnt, so ist die Ablehnung schriftlich zu begründen; § 27 Abs. 2 Nummer 5 gilt entsprechend. (Abs. 3) dient der Stärkung der Gläubigerautonomie (Abs.4) Begründungspflicht Begründung wird in den Eröffnungsbeschluss aufgenommen Grundlage für die Gläubigerversammlung, über eine nachträgliche Beantragung der Eigenverwaltung zu entscheiden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 471 K. Die Eigenverwaltung III. Aufhebung § 272 InsO – Aufhebung der Anordnung Antrag des Schuldners oder Antrag der Gläubigerversammlung Antrag eines einzelnen (absonderungsberechtigter) Gläubiger, wenn Verfahrensverzögerung/Gläubigernachteile eingetreten oder zu erwarten sind Glaubhaftmachung (§ 272 II 1 InsO) bei Gläubigerantrag: Anhörung des Schuldners (§ 272 II 2 InsO) öffentliche Bekanntmachung, § 273 InsO Rechtsmittel sofortige Beschwerde (§ 272 II 3 InsO) Wirkung der Aufhebung Verfahren ist nach den allg. Regeln abzuwickeln (§ 270 I 3 InsO) IVw ist zu bestellen; kann auch der bisherige Sachwalter sein (§ 272 III InsO) Sperrvermerke nach §§ 32, 33 InsO sind nachzuholen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 472 K. Die Eigenverwaltung III. Aufhebung Kann der Beschluss gem. § 272 I Nr. 1 InsO nach § 78 InsO angefochten werden? (+) HK-InsO-Landfermann, § 272 InsO Rz.3 Verweis in § 270 I 2 InsO kein Ausschluss durch § 272 InsO Gefahr des Machtmissbrauchs durch Großgläubiger oder Kleingläubigergruppen (-) BGH, Beschl.v. 21.7.2011 - IX ZB 64/10 – ZIP 2011, 1622 kein schützenwertes Interesse der Gläubiger an kostengünstigeren Eigenverwaltung Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung muss nicht begründet werden, dann kann es auch keine Abwägung nach § 78 I InsO durch das InsG geben Antrag im Ermessen der Gläubigerversammlung kein Rechtsmittel vorgesehen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 473 K. Die Eigenverwaltung IV. Verfahren Maßnahmen bei Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 III InsO) statt einem Insolvenzverwalter wird ein Sachwalter bestellt Keine Registereintragungen (§ 270 III 3 InsO) Forderungen sind beim Sachwalter anzumelden Zustimmungserfordernisse GlA (§ 276 InsO) Sachwalter auf Antrag der Gläubigerversammlung (§ 277 InsO) § 279 S.3 InsO gewöhnliche und ungewöhnliche Geschäfte: § 275 InsO Gegenseitige Verträge Rechte nach §§ 103 ff InsO hat der Schuldner (§ 279 InsO) Ausübung „soll“ im Einvernehmen mit dem Sachwalter Betriebsvereinbarungen und Kündigungen (§§ 120, 122, 126 InsO) nur wirksam mit Zustimmung des Sachwalters © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 474 K. Die Eigenverwaltung IV. Verfahren Gläubigerinformation Verzeichnisse nach §§ 151ff InsO vom Schuldner (§ 281 I InsO) im Berichtstermin berichtet der Schuldner (§ 281 II InsO) Prüfungspflicht des Sachwalters Stellungnahme des Sachwalters Rechnungslegung nach §§ 66, 155 InsO: Schuldner (§ 283 III 1 InsO) Prüfung der Schlussrechnung durch Sachwalter (§ 283 III 2 InsO) Verwertung durch Schuldner Sicherungsgut (§ 282 InsO) „soll“ im Einvernehmen mit dem Sachwalter Verteilung vom Schuldner durchgeführt (§ 283 II 1 InsO) Prüfungspflicht des Sachwalters (§ 283 II 2 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 475 K. Die Eigenverwaltung IV. Verfahren § 276a InsO – Mitwirkung der Überwachungsorgane „ Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners. die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung ist nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Maßnahme nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt.“ Gesetzesbegründung zusätzliche Überwachung durch die Organe des Schuldners ist in der Eigenverwaltung nicht erforderlich deren Einfluss auf die Geschäftsführung soll die Eigenverwaltung nicht stören © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 476 K. Die Eigenverwaltung V. Sachwalter § 270c InsO – Bestellung des Sachwalters „ Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird anstelle des Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger sind beim Sachwalter anzumelden. Die §§ 32 und 33 sind nicht anzuwenden.“ Schuldner behält seine Verwertungs- und Verfügungsbefugnis Sicherung der Insolvenzmasse durch den Sachwalter Eigenschaften § 274 I iVm § 56 InsO personenverschieden vom Aussteller der Bescheinigung nach § 270b I InsO vgl § 270b II 1 InsO für den vorläufigen Sachwalter auch sozietätsverschieden © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 477 K. Die Eigenverwaltung V. Sachwalter Aufgaben Forderungsanmeldung und -prüfung Forderungsanmeldung beim Sachwalter (§§ 270c 2 InsO) Sachwalter führt die Tabelle (§§ 270c 2, 175 InsO) Sachwalter hat Widerspruchsrecht im Prüfungstermin (§ 283 I 1 InsO) Forderung gilt dann als nicht festgestellt (§ 283 I 2 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 478 K. Die Eigenverwaltung V. Sachwalter Kassenführungsrecht: Sachverwalter kann verlangen, dass Gelder von ihm entgegenzunehmen und Zahlungen an ihn zu richten sind (§ 275 II InsO) Prüfungspflicht Verteilungsverzeichnisse (§ 283 II 2 InsO) Verteilungen an die Insolvenzgläubiger werden vom Schuldner vorgenommen Verzeichnisse nach §§ 151 – 153 InsO diese Verzeichnisse hat der Schuldner zu erstellen (§ 281 I 2 InsO) Zustimmungsvorbehalt Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll Schuldner nicht ohne Zustimmung des Sachwalters eingehen (§ 275 I 1 InsO) Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll Schuldner nicht eingehen, wenn Sachwalter widerspricht (§ 275 I 2 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 479 K. Die Eigenverwaltung V. Sachwalter Prüfung der wirtschaftlichen Lage und Überwachung der Geschäftsführung und Lebensführung (§ 274 II 1 InsO) „kontrollierte Handlungsfreiheit“ des Schuldners Betretungsrecht (§§ 274 II 2, 22 III InsO) Anzeigepflicht des Sachwalters gegenüber dem InsG und der GlV bei Anhaltspunkten für Nachteile für die Gläubiger (§ 274 III InsO) Haftung und Vergütung entspr. IV (§ 274 I InsO) Insolvenzanfechtung (§ 280 InsO) Haftungsansprüche nach §§ 92, 93 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 480 K. Die Eigenverwaltung II. Anordnung - § 270a ESUG § 270a InsO - Eröffnungsverfahren (1) Ist der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, 1. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder 2. anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind. (2) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt und die Eigenverwaltung beantragt, sieht das Gericht jedoch die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht gegeben an, so hat es seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und diesem Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 481 K. Die Eigenverwaltung II. Anordnung - § 270a ESUG Bekanntmachung, § 9 InsO (-) zB Horstkotte, ZInsO 2012, 1161 Kein Verweis auf § 9 InsO in § 270a InsO (+) Frind, ZIP 2012, 1591 Gesetzeslücke Ermessen des InsG © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 482 K. Die Eigenverwaltung II. Anordnung - § 270a ESUG Gesetzesbegründung Vorteile der Eigenverwaltung drohen durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters verloren zu gehen Vertrauen der Geschäftspartner in Geschäftsleitung und Sanierungskonzept des Schuldners stärken Vermeidung des unmittelbaren Kontrollverlust des Schuldners über sein Unternehmen stattdessen besteht die Möglichkeit zur Bestellung eines vorläufigen Sachwalters, der mit den Befugnissen der §§ 274, 275 InsO ausgestattet ist Überwachung der Geschäftsführung Zustimmungsvorbehalt für außerordentliche Verbindlichkeiten (Abs.2) Weg zur Eigenverwaltung soll für Schuldner bei drohender Zahlungs-unfähigkeit attraktiver gemacht werden, indem er die Möglichkeit zur Antragsrück-nahme hat, wenn das Gericht die Eigenverwaltung ablehnen will © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 483 K. Die Eigenverwaltung II. Anordnung - § 270a ESUG Zulässigkeit der Ermächtigung zu Masseverbindlichkeiten (-) AG Fulda, Beschl. v. 28. 3. 2012 – 91 IN 9/12 – ZIP 2013, 1471 keine Rechtsgrundlage §§ 21, 22, 55 Abs. 2 InsO nur für vorläufige Insolvenzverwaltung § 270b III InsO nicht entsprechend (+) AG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012 – 67g IN 74/12 – ZIP 2012, 787 Ermächtigung des vorl. Sachwalters anstelle eines vorl InsVw, § 270a I 2 InsO (+) AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12 - ZIP 2012, 788 Ermächtigung des Schuldners (+) AG München, Beschl. v. 27.6.2012 - 1506 IN 1851/12 – ZIP 2012, 1470 Ermächtigung des Schuldners auch mit Zustimmungsvorbehalt durch vorl. Sachwalter (+) LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12 – ZIP 2012, 2453 Schuldner © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 484 K. Die Eigenverwaltung II. Anordnung - § 270a ESUG Kann Insolvenzschuldner Masseverbindlichkeiten begründen? AG Montabaur, Beschl. v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12 - ZIP 2013, 899; Frind, ZInsO 2012, 1099, 1101 f.; Verweis in § 270a I 2 InsO auf §§ 274, 275 InsO Wenn im Regelverfahren das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter zur Begründung einzelner Masseverbindlichkeiten ermächtigen könne, so entspreche dieser Ermächtigung im Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren der fehlende Widerspruch oder die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters nach § 275 I InsO. (-) Klinck, ZIP 2013, 853, 859 auch im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren ergibt sich die Kompetenz zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht aus § 275 InsO, sondern §§ 270 I2, 55 I InsO unanwendbar im Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren, vgl § 55 II InsO Befugnisse nach § 55 II InsO beruhen auf richterlichem Beschluss § 38 InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 485 K. Die Eigenverwaltung II. Anordnung - § 270a ESUG Haftung GF für Lohn- und Umsatzsteuer? §§ 34 I 1, 69, 191 AO kein Verfügungsverbot oder Zustimmungsvorbehalt Steuerzahlungspflicht ./. Massesicherungspflicht im 3-Wochen-Zeitraum des § 15a InsO hat Schutzzweck der Massesicherung Vorrang vor einer Strafbarkeit nach § 266a StGB (vgl. BGH, Urt. v. 9.8.2005 – 5 StR 67/05, ZIP 2005, 1678) Vorrang gilt auch für LSt-Abführungspflicht (BFH, Urt. v. 27.2.2007 – VII R 67/05 - ZIP 2007, 1604) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 486 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren“ § 270b InsO – Vorbereitung einer Sanierung (1) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans. Die Frist darf höchstens drei Monate betragen. Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. (2) In dem Beschluss nach Absatz 1 bestellt das Gericht einen vorläufigen Sachwalter nach § 270a Absatz 1, der personenverschieden von dem Aussteller der Bescheinigung nach Absatz 1 zu sein hat. Das Gericht kann von dem Vorschlag des Schuldners nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist; dies ist vom Gericht zu begründen. Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Abs. 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5 anordnen; es hat Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nummer 3 anzuordnen, wenn der Schuldner dies beantragt. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 487 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren“ (3) Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. § 55 Absatz 2 gilt entsprechend. (4) Das Gericht hebt die Anordnung nach Absatz 1 vor Ablauf der Frist auf, wenn 1. die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist; 2. der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt oder 3. ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger die Aufhebung beantragt und Umstände bekannt werden, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird; der Antrag ist nur zulässig, wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist und die Umstände vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter haben dem Gericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. Nach Aufhebung der Anordnung oder nach Ablauf der Frist entscheidet das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 488 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren“ eigenständiges Sanierungsverfahren im Eröffnungsverfahren, wenn keine Zahlungsunfähigkeit („Schutzschirm) Der Schuldner kann dann innerhalb von drei Monaten, begleitet durch einen vorläufigen Sachwalter in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan ausarbeiten, der anschließend im Planverfahren umgesetzt werden soll. Den vorläufigen Sachwalter kann der Schuldner selbst bestimmen, das Gericht darf nur bei offensichtlicher Ungeeignetheit der Person von dem Vorschlag abweichen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 489 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren Gesetzesbegründung Nach Verfahrenseröffnung Entscheidung über Sanierungsplan n allg. Planvorschriften Ermächtigung nach § 270b III InsO dient dem Schutz der Gläubiger, die Geschäfte mit Schuldner abschließen oder ein Dauerschuldverhältnis erfüllen. Dies ist für eine Betriebsfortführung und somit auch für die Sanierung Grundvoraussetzung. Gerade in der kritischen Phase des Eröffnungsverfahrens ist es besonders geboten, das Vertrauen der Geschäftspartner zu gewinnen, deren Mitwirkung für eine Betriebsfortführung unerlässlich ist. Will der Schuldner Verbindlichkeiten begründen, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, so sollte er diese auch im Eröffnungsverfahren nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Die Tätigkeit des vorläufigen Sachwalter ist auf eine Überwachungsfunktion begrenzt. Stärkung des Vertrauens des Schuldners in das Insolvenzverfahren Anreiz für einen frühzeitigen Eröffnungsantrag, um rechtzeitig die Weichen für eine Sanierung zu legen © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 490 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren“ Das Insolvenzgericht ist jedoch unter den Voraussetzungen des § 270b IV InsO verpflichtet, das „Schutzschirmverfahren“ zu beenden und das Eröffnungsverfahren nach den allg. Vorschriften der §§ 21 – 25 InsO fortzuführen Schuldner soll die Sorge genommen werden die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren und dadurch bereits vorbereitete Sanierungsschritte nicht mehr durchführen zu können Vertrauen des Schuldners in die Sanierung durch garantierte Frist bis zur Eröffnung gekoppelt an Bestellung eines lediglich vorläufigen Sachwalters und eine eingeschränkte Anordnungskompetenz des Gerichts. Gleichzeitig wird Schuldner durch den Schutzschirm für begrenzten Zeitraum vor dem unmittelbaren Zugriff seiner Gläubiger entzogen Durch Recht zur Auswahl des vorläufigen Sachwalters erhält der Schuldner die Sicherheit mit einer ihm vertrauenswürdigen, gleichzeitig aber unabhängigen Person die Sanierung vorbereiten zu können © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 491 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren““ Bewertung Grundsätzlich ist die vorgeschlagene Stärkung der Eigenverwaltung als Sanierungsalternative zu begrüßen. Fraglich ist aber, ob das Institut vor- bzw. außerinsolvenzliche Sanierungsverfahren zu ersetzen vermag. Die Antragstellung könnte nach wie vor öffentlich werden und Lieferanten etc. von geschäftlichen Verbindungen zum Schuldner zurückschrecken lassen. Auch ist die Bindung des Gerichts an einen Sachwaltervorschlag des Schuldners problematisch: Ein nicht unabhängiger Sachwalter könnte es dem Schuldner ermöglichen, während des Schutzschirms über erhebliche Vermögenswerte gläubigerbenachteiligend zu verfügen. © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 492 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren““ Darf InsG die Bescheinigung (§ 270 I InsO) durch Sachverständigen prüfen lassen? (+) dafür Bescheinigung ist Zulässigkeitsvoraussetzung (Amtsermittlung, § 5 I InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 493 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren““ Rechtsfolge der nach Antragstellung eintretenden Zahlungsunfähigkeit? RegE sah in § 270b IV Nr.1 InsO noch die Aufhebung des Schutzschirmverfahrens bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vor aufgehoben durch Rechtsausschuss (Vgl. BT-Drucks. 17/7511, S. 37) damit nicht ein Gläubiger durch Fälligstellung seiner Forderung das Schutzschirmverfahren torpedieren kann mit der Streichung der Nr. 1 des RegE wird das Schutzschirmverfahren gestärkt vgl. Ganter, Zur drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 270 b InsO, NZI 2012, 985 © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 494 K. Die Eigenverwaltung VI. „Schutzschirmverfahren““ Ermächtigung nach § 270b III InsO Kein Ermessen des InsG Ist Vorlage einer Liquiditätsplanung Voraussetzung? Gesetzgeber hat Prüfungspflicht des InsG nicht geregelt aA Hölzle, ZIP 2012, 158, 162 Liquiditätsplanung ist bereits Bestandteil der Bescheinigung nach § 270b I InsO © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 495 L. Nachlassinsolvenzverfahren I. Zweck II. Eröffnungsgründe III. Masseverbindlichkeiten IV. Insolvenzforderungen V. Doppelinsolvenz © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 496 L. Nachlassinsolvenzverfahren I. Zweck Partikularinsolvenzverfahren über bestimmte Vermögensmasse (Sondermasse) Nachlass ist nach § 11 II Nr.2 InsO insolvenzrechtsfähig keine Insolvenz über Erbteil (§ 316 III InsO) Wahrung der Interessen der Nachlassgläubiger Mittel zur Haftungsbeschränkung Schutz der Erben (§§ 1975, 2013 BGB) erbrechtliche Universalsukzession (§ 1922 BGB) Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 BGB) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 497 L. Nachlassinsolvenzverfahren II. Eröffnungsgründe Gläubigerantrag Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, § 320 S. 1 InsO Antragsfrist: 2 Jahre nach Annahme der Erbschaft (§ 319 InsO) Antrag des Erben, Nachlasspflegers, etc. zusätzlich: drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 320 S. 2 InsO) Antragspflicht (§ 1980 I 1 BGB) Schadensersatzpflicht nach § 1980 I 2 BGB für die Feststellung des Eröffnungsgrundes nur in Bezug auf den Nachlass Vermögensverhältnisse des Erben bleiben außer Betracht Vermächtnisse und Auflagen unbeachtlich (§ 1980 I 3 BGB) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 498 L. Nachlassinsolvenzverfahren III. Masseverbindlichkeiten §§ 54, 55 InsO Aufwendungen des Erben nach §§ 1978, 1979 BGB (§ 324 I Nr.1 InsO) Kosten der Beerdigung des Erblassers (§ 324 I Nr.2 InsO) Kosten der Todeserklärung (§ 324 I Nr.3 InsO) Kosten der Testamentseröffnung, der gerichtlichen Nachlasssicherung, der Nachlasspflegschaft, des Aufgebots der Nachlassgläubiger und der Inventarerrichtung (§ 324 I Nr.4 InsO) Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften des Nachlasspflegers oder Testamentsvollstreckers (§ 324 I Nr.5 InsO) .3 © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 499 L. Nachlassinsolvenzverfahren IV. Insolvenzforderungen nur Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1967 BGB (§ 325 InsO) Nachlass wird haftungsrechtlich allein den Nachlassgläubigern zugewiesen Erblasserschulden gem. § 1967 BGB vererbten Schulden des Erblassers, die von diesem durch Vertrag oder Gesetz begründet worden sind Unterhaltspflichten erlöschen (§§ 1360a III, 1615a, 1615 BGB) © 2013 WZR Group Ausnahme: geschiedener Ehegatte (§ 1586b BGB) RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 500 L. Nachlassinsolvenzverfahren IV. Insolvenzforderungen Erbfallschulden = Verbindlichkeiten, die zu Lasten des Erben durch den Erbfall selbst ausgelöst werden Pflichtteilsansprüche, Vermächtnis, Auflagen ErbSt Nachlassverwaltungsschulden Unterhalt werdende Mutter (§ 1963 BGB) Nachlasserbenschulden Verbindlichkeiten, die z.B. durch die Fortführung eines Nachlassunternehmens durch den Erben begründet werden Haftungsverdoppelung möglich © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 501 L. = Nachlassinsolvenzverfahren V. Doppelinsolvenz Gleichzeitige Insolvenz von Nachlass und Erbe (§ 331 InsO) Die Gläubiger bleiben getrennt Die Nachlassgläubiger sind ausnahmsweise mit ihrem im Nachlass-insolvenzverfahren erlittenen Ausfall am Erbeninsolvenzverfahren beteiligt, wenn der Erbe ihnen gegenüber unbeschränkt haftet (§§ 331, 52 InsO) © 2013 WZR Group RA/FAInsR Dr. Hans-Peter Rechel Seite 502