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Aktuelles zum Wettergeschehen
19. Januar 2007 / Ludwig Z'graggen, Andreas Hostettler
Starker Weststurm und sehr hohe Temperaturen
Am 18. und in der Nacht auf den 19. Januar ereignete sich in der Schweiz und in
weiten Teilen von Mitteleuropa ein starker Weststurm namens Kyrill. Die höchsten
Böenspitzen wurden dabei im Flachland der Alpennordseite an der Wetterstation von
MeteoSchweiz am Zürichberg (570 M.ü.M.) gemessen. Hier wurden 132 km/h
erreicht. Sonst lagen die Böen im östlichen Mittelland zwischen 90 und 120 km/h.
Weniger heftig war der Weststurm im zentralen und westlichen Mittelland sowie am
Juranordfuss. Hier lagen die Windspitzen zwischen 70 und 100 km/h. Stärker stürmte
es im Jura und auf den Voralpengipfeln. Hier wurden durchwegs Werte zwischen 110
und 140 km/h gemessen. Der Höchstwert verzeichnete mit 150 km/h das
Jungfraujoch, vgl. Abbildung 1.
Abbildung 1: Böenspitzen Sturm Kyrill 18./. 19. Januar 2007
Ausgelöst wurde der Sturm durch ein ausgedehntes Sturmtief, welches sich über das
nördliche Mitteleuropa sehr rasch nach Osten bewegte. Die Schweiz lag dabei stets im
Warmsektor. Die Böenspitzen wurden durch den starken Druckgradienten zwischen
einem kräftigen Hoch über Südwesteuropa und dem Sturmtief über Nordwesteuropa
sowie durch das zeitweilige Hinuntergreifen der stürmischen Höhenwinde verursacht.
Bei starken Weststürmen werden üblicherweise die stärksten Böen in kräftigen
Randtiefs mit kleinräumig starken Druckgegensätzen erreicht. Der beim Durchgang
der Kaltfront verbundene Druckanstieg beschleunigt die Luft zusätzlich, so dass diese
Kombination extreme Windböen bewirkt. Das Fehlen dieser Kombination mag der
Grund sein, dass der Sturm Kyrill in der Schweiz nicht als Extremereignis eingestuft
werden kann. Im übrigen Mitteleuropa, vor allem in Mittel- und Norddeutschland, wo
sich zwar ebenfalls kein Randtief ewickelte, aber die Kaltfront für eine zusätzliche
Verstärkung der Sturmböen sorgte, war der Sturm Kyrill weit heftiger. So wurden im
Flachland verbreitet Werte bis gegen 140 km/h gemessen, was für tiefe Lagen nahe an
die Rekordwerte herankommt. In höheren Lagen, so zum Beispiel auf dem Brocken in
Norddeutschland, zeigte der Windmesser 198 km/h. Entsprechend waren die
Gebäude- und Waldschäden gross, es mussten sogar mehrere Tote beklagt werden.
Auch in anderen Teilen Europas, so in Grossbritannien, den Beneluxländern sowie in
Polen und Tschechien brachte der Sturm grosse Schäden und forderte ebenfalls
Todesopfer.
Abbildung 2: Böenspitzen in km/h über Mitteleuropa, Donnerstag,
18. Januar 2007
Vergleich zu Vivian und Lothar
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ein Weststurm von dieser Stärke im Schnitt
etwa alle drei Jahre zu erwarten ist. Bei MeteoSchweiz in Zürich beträgt der mittlere
Jahreshöchstwert der Windspitzen ca. 110 km/h, dieser Wert wurde beim Sturm
Kyrill deutlich überschritten. Es gab in der Schweiz allerdings schon weit stärkere
Stürme - Unvergessen bleiben wohl der Orkan Lothar vom 26. Dez. 1999 sowie
Vivian vom 27. Feb. 1990. Bei beiden Stürmen wurde beispielsweise in Zürich knapp
160 km/h gemessen, das sind 25 km/h mehr als beim jetzigen Sturm. Auch an den
übrigen Stationen des Flachlandes waren die Spitzengeschwindigkeiten weit höher.
Beim Sturm Vivian wurden im Mittelland verbreitet 100-130 km/h gemessen. In
Glarus konnten sogar extreme 169 km/h registriert werden. Auf den Berggipfeln
wurde vielerorts 200 km/h überschritten. Am extremsten stürmte es auf dem Grossen
Sankt Bernhard mit 268 km/h. Noch extremer war besonders in den Niederungen der
Alpennordseite der Sturm Lothar. Hier erreichten die Böenspitzen verbreitet 110 bis
150 km/h. Äusserst heftig tobte der Sturm damals in Brienz im Berner Oberland, wo
mit über 180 km/h für eine Tallage ein sehr extremer Wert erreicht wurde. Die
Böenspitzen von Lothar und Vivian sind in Abbildung 3 bzw. Abbildung 4
ersichtlich.
Abbildung 3: Böenspitzen Sturm Lothar vom 26. Dezember 1999
Abbildung 4: Böenspitzen Sturm Vivian 27./28. Februar 1990
Weiterhin ungewöhnlich hohe Januar Temperaturen
Mit der Verlagerung von Kyrill gegen Osten drehte am 19. Januar die Strömung auf
West- bis Nordwest und die Winde frischten nun auch in den Alpentälern stürmisch
auf.
•
In Altdorf im Urner Reusstal erreichten die Böenspitzen bis 110 km/h.
Gleichtzeitig kam es in Altdorf aber auch in anderen Alpentälern zu einer
starken Erwärmung. Am Freitagmorgen stieg die Temperatur in Altdorf auf
18.4 Grad, während gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit auf fast 40 %
zurückging. Dieses Phänomen hängt wahrscheinlich mit der starken Weitung
des Reusstals im Bereich Altdorf zusammen. Bei Nordwestwinden kann es
vorkommen, dass die Luft von grösserer Höhe ins Talbecken von Altdorf
absinkt und nicht, wie sonst üblich, von der zum Teil engen Urnerseefurche
ins Reusstal einströmt. Damit lassen sich die höheren Temperaturen und die
geringere Luftfeuchtigkeit erklären. Das beobachtete Phänomen tritt vor allem
bei starken Nordwestwinden und zusätzlich bei relativ labiler Luftschichtung
auf der auf Alpennordseite auf. In diesen Fällen kann die Luft aus Nordwesten
fallwindartig nach Altdorf gelangen. Die gemessenen 18.4 Grad bedeuteten
einen neuen Wärmerekord für Altdorf. Dies ist umso überraschender, weil
sonst Wärmerekorde in Altdorf üblicherweise bei Föhn errreicht werden. Der
bisherige Höchstwert von 18.0 Grad stammt aus dem Jahr 1997 und wurde bei
Föhn registriert.
•
Ein neuer Temperaturrekord verzeichnete am 19. Januar auch Sion im Wallis.
Hier wurden 16.8 Grad abgelesen, was das bisherige Maximum um mehr als
1 Grad übertraf.
Auf der Alpensüdseite setzte im Laufe des Vormittags der Nordföhn ein und
trieb dort, ähnlich wie vor Wochenfrist, die Temperaturen auf extrem hohe
Werte. Vielerorts wurden neue Temperaturrekorde für den Monat Januar
aufgestellt, so in Locarno Monti mit 24.0 Grad, in Stabio mit 23.4 Grad und in
Robbia mit 16.1 Grad. In Lugano wurden 1944 mit 24.5 Grad höhere Werte
gemessen. Die extremen Temperaturmaxima sind in Abbildung 4 enthalten.
•
Somit erreichte die nun schon seit Anfang Januar andauernde extrem milde
Witterung, einen weiteren Höhepunkt. Eingebetet in der starken Westdrift erreichten
in den letzten Tagen atlantische Luftmassen subtropischen Ursprungs Mitteleuropa. In
Basel Binningen beispielsweise, wurden in der Nacht vom 17. auf den 18.1.07 bis zu
13.4 Grad verzeichnet. In der folgenden Sturmnacht lagen die Temperaturen in Basel
Binningen sogar durchwegs zwischen 14.0 und 14.5 Grad.
Ein Rekord ist dies hingegen nicht: vom 11. auf den 12. Januar 1993 sank die
Temperatur in Basel Binningen während der ganzen Nacht nie unter 16 Grad.
Abbildung 4:Tageshöchsttemperaturen am 19. Januar 2007
Markante Wetterumstellung
In der Woche 4 ist mit einem markanten Wetterwechsel zu rechnen. Die nun seit
Jahresbeginn anhaltende Westlage geht zu Ende. Am Montag bildet sich über
Südfrankreich ein Tief welches unter Verstärkung gegen Oberitalien zieht. Es steuert
in der Höhe feuchte Mittelmeerluft gegen die Alpen. Nördlich der Alpen kommt die
Bise auf und führt in den unteren Luftschichten zunehmend kalte Kontinentalluft
heran. Im Mischbereich dieser beiden Luftmassen kommt es zu Schneefällen bis in
tiefe Lagen. In Abbildung 5 ist die Berechnung des europäischen Wettermodells für
Mittwoch, 24. Januar 18 UTC ersichtlich. Die Strömung über weiten Teilen Europas
hat auf nördliche bis östliche Richtungen gedreht. Aus Nordosten wird zunehmend
kalte Kontinentalluft herangeführt Die Temperaturen im Flachland wären im
Vergleich zur aktuellen Lage rund 15-20 Grad kälter!
Abbildung 5: Wettekarte für den Mittwoch, 24. Januar 2007(Europäisches
Wettermodell): Dargestellt sind die Temperaturen (blau eingefärbt) und der
Wind auf ca. 1500 M.ü.M sowie der Bodendruck.
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© 2005 - 2007 MeteoSchweiz | Letzte Änderung: 19.01.2007
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