Neue antibakterielle Oberfläche schützt orthopädische Implantate

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URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM160720_Orthoimplantate.pdf
Neue antibakterielle Oberfläche schützt orthopädische Implantate
Thüringer Forschungsverbund entwickelt innovative Beschichtung für
orthopädische Titanimplantate, um implantatassoziierte Infektionen zu
vermeiden
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
Materialwissenschaftler Prof. Dr. Klaus D. Jandt hat an der vorklinischen Studie mitgearbeitet, die
belegt, dass die Implantate mit der neuen Oberfläche in über 90 Prozent der Fälle einen Schutz vor
der Anhaftung von Bakterien bieten.
Thüringer Forscher haben eine spezielle antibiotikahaltige Beschichtung entwickelt, mit der es
gelungen ist, Titanimplantate vor der Besiedlung mit infektionsauslösenden Bakterien zu schützen.
In einer vorklinischen Studie haben die Unfallchirurgen, Materialwissenschaftler und
Implantathersteller nachgewiesen, dass die neuartige Oberfläche im Vergleich zu herkömmlichen
Implantaten einen wirksamen Schutz vor den gefürchteten implantatassoziierten Infektionen bietet.
Neue antibakterielle Oberfläche schützt orthopädische Implantate
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Die Ergebnisse sind kürzlich vorab online im renommierten Fachjournal "Biomaterials"
veröffentlicht worden.
In Deutschland werden mittlerweile pro Jahr ca. 200.000 Hüftprothesen und 100.000
Knieprothesen implantiert. Diese künstlichen Gelenke funktionieren in fast allen Fällen
hervorragend und lassen die Patienten einen Großteil ihrer gewohnten Mobilität wiedergewinnen.
Komplikationen bei der operativen Implantation der Kunstgelenke sind selten. "Bei der Implantation
einer Hüft- oder Knie-Totalendoprothese liegt die Gefahr einer postoperativen Infektion bei nur 1-2
Prozent. Allerdings stellt eine solche Infektion für die wenigen betroffenen Patienten eine
Katastrophe dar", berichtet PD Dr. Michael Diefenbeck, ehemaliger Mitarbeiter der Klinik für
Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Jena, der als Dozent der
Universität weiterhin verbunden ist. "Zur Behandlung dieser implantatassoziierten Infektionen sind
häufig mehrere Operationen und oft der Wechsel des Kunstgelenks nötig. Daher sind neue
Strategien notwendig, um implantatassoziierte Infektionen zu vermeiden", sagt der Mediziner, der
mittlerweile am Universitätsklinikum in Oxford tätig ist.
Beschichtet mit einem Antibiotikum
Eine dieser Strategien ist es, die Oberfläche der Implantate mit antibakteriellen Substanzen
auszustatten. Eine solche innovative Beschichtungstechnik wurde im interdisziplinären Verbund
von Wissenschaftlern des INNOVENT e. V. in Jena, des Lehrstuhls für Materialwissenschaft der
Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Thüringer Implantatherstellers Königsee Implantate
GmbH entwickelt und getestet. Die spezielle Beschichtung enthält eine hohe Konzentration des
Antibiotikums Gentamicin. Zwar sind bereits mehrere antibakterielle Beschichtungen, auch unter
Verwendung von Gentamicin, zum Schutz vor Infektionen bekannt. "Die Herausforderung bei
diesem Projekt war es, eine relativ große Menge an Gentamicin stabil an die Oberfläche der
Implantate zu binden", betont Dr. Christian Schrader. Der Wissenschaftler vom INNOVENT e. V.
testete hierzu verschiedene Trägerstoffe. "Wir haben auf den Implantaten eine
Gentamicin-Tannin-Schicht realisieren können, die stark antibakteriell wirkt, dann aber innerhalb
von ca. fünf Tagen vollständig abgebaut wird. Das ist wichtig, damit Antibiotikaresistenzen
verhindert werden", so der Chemiker. "Durch die Auflösung dieser antibakteriellen Schutzschicht
werden die darunterliegenden Poren in der Titanoberfläche wieder freigegeben, was das
Einwachsen von Knochen und so die Verankerung des Implantats verbessert", ergänzt Jürgen
Schmidt, der das Projekt beim INNOVENT e. V. leitet.
Grundlage für eine neue Generation von Implantaten
In einer vorklinischen Studie haben die Wissenschaftler gezeigt, dass die Implantate mit der neuen
Oberfläche in über 90 Prozent der Fälle einen Schutz vor der Anhaftung von Bakterien bieten. Dies
wurde in mikrobiologischen und histologischen Untersuchungen nachgewiesen. "Diese neuen
vorklinischen Erkenntnisse sind nicht nur wissenschaftlich interessant, sondern könnten auch die
Grundlage für eine neue Generation von sicheren Implantaten legen", sagt Prof. Dr. Klaus D.
Jandt. Der Experte für Biomaterialien hat den Lehrstuhl für Materialwissenschaft an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena inne und arbeitet seit Jahren an der Entwicklung und
Strukturierung von Materialien, die zu verschiedenen Zwecken in biologische Systeme integriert
werden.
Das Verbundprojekt wurde vom Freistaat Thüringen mit EU-Mitteln in Höhe von 706.975 Euro
gefördert. Für die Königsee Implantate GmbH bot es die Möglichkeit zur interdisziplinären
wissenschaftlichen Zusammenarbeit. "Das stellt bei der Entwicklung neuer Verfahren für die
Implantatherstellung und die Umsetzung in die industrielle Praxis einen wesentlichen Schwerpunkt
Thüringer Forschungsverbund entwickelt innovative Beschichtung fürorthopädische Titanimplantate, um implantatassoziierte Infektionen zuvermeiden
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unserer langfristigen Forschungs- und Entwicklungsstrategie dar", betont Geschäftsführer Frank
Orschler.
Mit ihren bisherigen Erfahrungen wollen die Wissenschaftler die neuen Implantate nun auch
klinisch einsetzen. "Gerade bei Patienten, bei denen ein erhöhtes Risiko für postoperative
Infektionen besteht - z. B. durch Diabetes mellitus, Abwehrschwäche, immunsuppressive
Medikamente oder bei Wechseloperationen - könnten diese Implantate zum Einsatz kommen", so
Unfallchirurg Diefenbeck. Aufgrund der anspruchsvollen Zulassungsverfahren für neue Implantate
wird es allerdings noch mehrere Jahre dauern, bis die neuen Beschichtungen den Patienten
zugutekommen können.
Original-Publikation:
Diefenbeck M, Schrader C, Gras F, Mückley T, Schmidt J, Zankovych S, Bossert J, Jandt KD,
Völpel A, Sigusch BW, Schubert H, Bischoff S, Pfister W, Edel B, Faucon M, Finger U: Gentamicin
coating of plasma chemical oxidized titanium alloy prevents implant-related osteomyelitis in rats
Biomaterials (2016), DOI: 10.1016/j.biomaterials.2016.05.039
Kontakt:
Prof. Dr. Klaus D. Jandt
Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Universität Jena
Löbdergraben 32, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 947730
E-Mail: [email protected]
Jürgen Schmidt
INNOVENT e. V.
Prüssingstraße 27 B, 07745 Jena
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