StEx-Vorbereitung 2014 12 17 Seite 1 Ein unterbrochener

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Ein unterbrochener Spaziergang
Nach einer längeren Phase trüben Wetters geht Hermine O., eine jetzt 60-jährige Rentnerin, an
einem sonnigen Septembersonntag mit ihrem Mann wieder im Park spazieren. In den gefühlt letzten
Monaten war dies nicht mehr möglich gewesen, und Hermine fühlte sich eingesperrt.
Nach etwa 30 Minuten klagt Hermine über Schwindel und Atemnot, und sie muss sich auf eine
Parkbank setzen. Die Atemnot besserte sich sehr schnell wieder, aber als Hermine wieder aufsteht
und weitergehen möchte, verliert sie das Bewusstsein. Ihr Mann kann sie gerade noch festhalten, er
legt sie auf den Boden und ruft mit seinem Mobiltelefon den Notarzt in den Grüneburgpark.
Acht Minuten später ist ein Notarztwagen am Ort; Hermine ist immer noch leicht verwirrt. Ein
schneller Blutzuckertest ergibt einen Wert von 98 mg/dl, ein EKG unauffällig, die
kapillaroxymetrische Sättigung ist 71% . Hierauf wird Sauerstoff gegeben, woraufhin sie Sättigung
schnell auf 99% ansteigt.
Hermine wird in das nahe gelegene Bürgerhospital gebracht.
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In der Notaufnahme ist Hermine orientiert und fühlt sich wieder wohl. Die Atemnot ist vergangen,
und auf Nachfrage verneint sie bestehenden Schwindel, Übelkeit, Benommemheit, Brustschmerzen
oder Bauchschmerzen, Erbrechen oder Diarrhoe. Hermine hat bisher keine vergleichbaren
Symptome gehabt. Am Morgen, beim Frühstückmachen, hatte sie kurzzeitige Krämpfe im linken
Unterschenkel, die spontan wieder nachließen.
Hermine nimmt keine Medikamente, sie hat keine Allergien. Sie lebt mit ihrem Mann, einen
früheren Chirurgen, in einem großen Apartment im Frankfurter Nordend; sie haben keine Kinder.
Als Ihr Mann in Rente ging, hat sie ihre Arbeit als Kinderkrankenschwester ebenfalls aufgegeben.
Hermine hat nicht geraucht und trinkt keinen Alkohol. Vor zwei Wochen waren sie auf Sizilien in
Urlaub und haben an einer Rundreise durch die antiken griechischen Stätten teilgenommen. Ihre
Mutter ist jetzt 87 Jahre alt und lebt in einer Seniorenresidenz; sie hat Herzinsuffizienz, Hypertonie
und Vorhofflimmern. Ihr Vater ist vor jetzt 34 Jahren an einer Hirnembolie gestorben. In der
weiteren Verwandtschaft sind ihr keine anderen thrombotischen oder Blutungskrankheiten bekannt.
Bei der körperlichen Untersuchung ist der Blutdruck 121/81 mm Hg, der Puls 77/min, die
Atemfrequenz 24/min und die Sättigung 88% unter Raumluft. Mit 6 l/min Sauerstoff steigt die
Sättigung auf 98% an. Hermine wiegt 105 kg bei einer Größe von 178 cm, mit einer Fettanlagerung
vorwiegend im abdominalen Bereich. Die weiteren Ergebnisse der körperlichen Untersuchung sind
unauffällig.
Ein 12-Kanal-EKG zeigt Sinusrhythmus mit einem inkompletten Rechtsschenkelblock, marginale
diffuse ST-Senkungen (< 1 mm, diverse Ableitungen), und eine flache T-Welle.
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Im Notfalllabor, welches bald zurückkommt, ist der HK 46%, der Hb-Wert 15,2 g/dl, die
Thrombozyten 120 000/µl und die Leukozyten 7 200/µl. Der CO2-Wert beträgt 20.9 mmol/l, und
die D-Dimere >10 000 ng/ml. Gerinnungswerte, Troponin T, NT-pro-BNP, Elektrolyte, Glukose,
Nierenparameter und Leberwerte sind unauffällig.
Noch in der Notaufnahme wird ein fokussiertes Herzultraschall (FOCUS) durchgeführt:
Hermine wird auf die Pulmonologie aufgenommen.
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Im FOCUS-Ultraschall im apikalen Vierkammerblick ist der rechte Ventrikel vergrößert (Rrechts/Rlinks
>1), mit Hypokinesie der rechten Herzwand und Akinesie der rechtsseitigen Herzbasis. Diese
Zeichen belegen eine rechtsventrikuläre Belastung und sind sehr verdächtig auf eine
Lungenembolie. Zusätzlich ist eine mobile echogene Masse zwischen rechtem Vorhof und Ventrikel
auf Klappenebene erkennbar.
Zur Bestätigung und zur Bestimmung des Ausmaßes der pulmonalen Embolisierung wird ein CT
angefertigt:
welches eine eher periphere Embolisierung in allen Lungenlappen belegt. Auch hier ist das Herz
asymmetrisch dilatiert, mit einem D-Zeichen. Zusätzlich finden sich im rechten Vorhof und der
rechten Kammer streifenförmige Artefakte, die auf intrakardiale Thromben deuten.
Die ergänzende Venographie der Beine belegt die vermutete tiefe Beinvenenthrombose links, die
von der Poplitea bis zur Mitte der V. femoralis reicht.
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Mit einem “Thrombus in Transit” hat Hermine eine gefürchtete Komplikation, die mit einer hohen
Letalität einhergeht. Antikoagulation allein ist nicht ausreichend (Mortalität 40%), es sollte aber
intial verhindert werden, dass der Thrombus weiter wächst.
Eine Möglichkeit ist eine systemische Lyse mit rtPA; bei hämodynamisch instabilen Patienten ist
dies die Methode der Wahl. Als Rettungslyse ist dies auch die letze Möglichkeit, einen größeren
Embolus aufzulösen. Ungünstiger zu bewerten ist hier eine Katheterlyse, da durch den Katheter und
die notwendigen Manipulationen des Einbringens des rtPA der Thrombus mobilisiert werden kann.
Weitere Möglichkeiten sind kardiochirurgisch – offene Thrombektomie und
Katheterthrombektomie. Bei Hermine fällt die Entscheidung zugunsten einer offenen
Thrombektomie.
15 Minuten nach der FOCUS-Untersuchung wird Hermine noch einmal ausführlich mit TTE
untersucht. Hierbei ist die Funktion des linken Ventrikels unauffällig, ein Perikarderguss ist nicht
nachweisbar. Der rechte Ventrikel ist mäßig vergrößert, mit eingeschränkter systolischer
Kontraktion der Wand, insbesondere der basisnahen Wand. Die rechtsseitige Herzspitze ist normal
beweglich. Die normale systolische Septumbewegung nach rechts fehlt, das Vorhofseptum wird
systolisch nach links gedrückt. Die Trikuspidalklappe ist leicht insuffizient (Grad 1), der
rechtsventrikuläre Druck wird zu 46 mm Hg geschätzt.
Im rechten Vorhof findet sich eine geschlängelte echoreiche Struktur, deren Länge auf 8 cm
geschätzt wird. Die Bewegungen während der Herzaktion sprechen am ehesten für einen
Transitthrombus, der im Vorhof lokalisiert ist und diastolisch immer wieder in den Ventrikel
prolabiert. Auch im linken Vorhof sind einige echoreiche Fäden zu erkennen, so dass auch ein
offenes Foramen ovale möglich ist.
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Ein TTE bestätigt einen Thrombus, der im Foramen ovale liegt; dieses muss damit anatomisch offen
sein.
Hermine wird für eine notfallmäßige offene Thrombektomie direkt zum HTC-Operationssaal
gebracht. Nach der Anästhesieeinleitung (die bereits für die TEE vorgenommen worden war),
erfolgt eine mediane Sternotomie und die Anlage eines kardiopulmonalen Umgehung. Nach
Eröffnung des rechten Vorhofs kann der Thrombus komplikationslos extrahiert werden:
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Nach der Thrombektomie wird das Foramen ovale verschlossen. Die Operation selbst verläuft
komplikationslos; nach dem Aufwachen wird eine neurologische Untersuchung durchgeführt, die
keinen Hinweis auf eine Embolieverschleppung in das Hirn ergibt.
Heparin in therapeutischer Dosierung wird angesetzt, eine schnelle Umsetzung noch in der Klinik
auf Coumarin ist beabsichtigt.
Nach 24 Stunden auf der Intensivstation wird Hermine auf die kardiologische Normalstation
verlegt. Drei Tage nach der Operation entwickelt sie eine Tachykardie von 105 – 120/min; im EKG
ist ein Vorhofflattern mit 2:1-Überleitung erkennbar. Nach Gabe von ß-Blockern plus Amiodaron
kann ein Sinusrhythmus wieder hergestellt werden.
Parallel wird die Quelle der Embolie gesucht. Durch Duplex-Sonographie lassen sich im linken
Bein verschließende Thromben in der linken V. femoralis, der V. poplitea und kleinen Vv. saphenae
erkennen, die trotz einer therapeutischen Heparinisierung bestehen blieben. Daher wird transvenös
ein Kava-Filter implantiert. Nach insgesamt 10 Tagen in der Klinik wird Hermine entlassen; sie hat
regelmäßige engmaschige Kontrollen, insbesondere wegen der Antikoagulation.
Bei der Entlassung bekommt Hermine ß-Blocker und Warfarin; es besteht Sinusrhythmus, Hermine
ist gut mobil, sie trägt Kompressionsstrümpfe.
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Hermine weiß als frühere Krankenschwester, dass sie die Antikoagulation wohl lebenslang
einnehmen muss. Sie weiß auch um die Probleme, die eine Coumarisierung mit sich bringt. Da sie
wahrscheinlich eine Lungenembolie und eine Embolusbildung ohne einen nachvollziehbaren Grund
hatte, ist die Wahrscheinlichkeit für eine gleichartige wiederholte Embolie hoch (25% in 5 Jahren).
Und die Zweitembolie kann auch schwerer verlaufen – letztendlich hat sie Glück gehabt, dass sich
der Thrombus im offenen Foramen ovale “verfangen” hat. Unklar ist auch, wie lange der
Cavaschirm verbleiben muss – ein halbes Jahr ohne Komplikationen scheint eine gute Dauer zu
sein.
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