Global Die Temperaturkurve zeigt nach oben Durch die anthropogene Verstärkung des natürlichen Treibhauseffekts, wird sich die globale Mitteltemperatur in diesem Jahrhundert um 2,9° C (1,8-4,0° C) erhöhen. Diese als abgesichert geltende Einschätzung stützt sich auf ein breites Fundament wissenschaftlicher Arbeiten und wird von einem breiten Konsens in der wissenschaftlichen Gemeinschaft getragen. Mit welchen Änderungen ist noch zu rechnen? Für den im Jahr 2007 erschienenen Bericht des IPCC wurden die Simulationsergebnisse einer Vielzahl an globalen Zirkulationsmodellenverwendet, um die Entwicklung des Klimas bis zum Ende des 21. Jahrhunderts abzuschätzen. Die Mittelwerte über alle verwendeten Modelle (sog. Multi-Model Ensemble) bilden die Basis für die Temperatur- und Niederschlagsabschätzung. Durch diesen Ansatz wird versucht die Übereinstimmung der Modelle aufzuzeigen und einzelne Modellausreißer zu eliminieren. Temperatur Basierend auf den Simulationen der globalen Klimamodelle wird für die globale, bodennahe Lufttemperatur ein Anstieg von 1,8-4,0° C bis zum Ende des 21.Jahrhunderts gezeigt. Die Stärke der Änderung hängt dabei ganz wesentlich vom verwendeten Emissionsszenario ab. Abbildung 1 zeigt die projizierten Temperaturänderungen im globalen Vergleich für den Beginn und das Ende dieses Jahrhunderts. Die stärksten Änderungen sind im Szenario A2 zu erwarten. Als besonderes Merkmal ist die ungleiche räumliche Verteilung der Erwärmung hervor zu heben. Demnach werden über den Landflächen höhere Werte erwartet als über den Ozeanen. In absoluten Zahlen gemessen sind dabei die höchsten Werte über den nördlichen Breiten zu finden. Dies wird durch die EisAlbedo Rückkopplung bewirkt. Global betrachtet wird von einer Erwärmung von über 0,2° C pro Dekade für die nächsten zwei Jahrzehnte ausgegangen. Selbst wenn die Treibhausgaskonzentrationen auf den Werten aus dem Jahr 2000 konstant gehalten würden, wäre mit einem Temperaturanstieg von 0,1° C pro Dekade zu rechnen. Dies ist aufgrund der verzögerten Reaktion der Ozeane auf veränderte atmosphärische Bedingungen zu erklären. Europa Im Norden feuchter, im Süden trockener Immer wieder spricht man von „globaler Erwärmung“, jedoch heißt das nicht, dass sich die Erde an jedem Ort gleich erwärmen wird. Die Auswirkungen dieser Erwärmung sind regional sehr unterschiedlich. Dabei kann es in einzelnen Regionen zu einer starken Erwärmung im Vergleich zu heute kommen, in anderen Regionen dagegen gleich bleiben. Um die zukünftigen Änderungen auf kontinentaler und subkontinentaler Ebene abzuschätzen, werden regionale Klimamodelle oder statistische Verfahren genutzt. Diese Modelle stellen eine vereinfachte Welt dar und kennen nicht alle der in der Natur auftretenden physikalischen Prozesse. Die Ergebnisse der verschiedenen Klimamodelle zur Abschätzung des zukünftigen Klimas unterscheiden sich deshalb stark. Man spricht von einer Unsicherheit des berechneten Klimasignals. Simulationen für die Vergangenheit haben gezeigt, dass das Mittel aus möglichst vielen Klimamodellen die Realität am besten abbildet (Ensemble-Simulation). Betrachtet man nun beispielsweise für Europa Ergebnisse verschiedener regionaler Klimamodelle für ein wahrscheinliches Zukunftszenario A1B (global und umweltorientiertes Agieren) und dabei genau die Änderungen für den Zeitraum 2030-2050 im Vergleich zu heute (1961-2000) zeigt sich für die Temperatur und den Niederschlag folgendes Bild: Temperatur In Europa nimmt die Temperatur im Mittel um 1 bis 3° C zu. Bis zum Ende des Jahrhunderts (2070-2100) ist sogar mit einem Temperaturplus von bis zu 5° C zu rechnen. Damit ist die Erwärmung in Europa höher als im globalen Mittel. Die Temperaturerhöhung in Europa ist jedoch nicht überall gleich. Hier gibt es regionale Unterschiede aber auch Unterschiede in den verschiedenen Jahreszeiten. In den Herbst- und Wintermonaten (Sep-Nov, Dez-Feb) sind beispielsweise stärkere Zunahmen in Nord- und Osteuropa als in Südeuropa zu beobachten. Während in Nordeuropa mit Temperaturzunahmen von bis zu 3° C zu rechnen ist, gilt für Südeuropa ca. 1-1.5° C. In den Sommermonaten dagegen ist die Zunahme der Temperatur über Süd- und Südosteuropa mit ca. 2.5° C höher als im Norden unseres Kontinents, wo die Zunahme etwa bei weniger als 2° C liegt. Abb. 1: Mögliche zukünftige Änderung der Temperatur 2030-2050 im Vergleich zu heute (1961-2000) in °C für Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON).(ENSEMBLES 2010) Abb. 2: Mögliche zukünftige Änderung des Niederschlages 2030-2050 im Vergleich zu heute (1961-2000) in mm/Tag für Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON). (ENSEMBLES 2010) Fehlender Niederschlag im Frühjahr kann die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Hitzewellen, wie in Europa im Jahr 2003, erhöhen. Vor allem bei den Zukunftserwartungen des Niederschlages liegt Österreich jeweils im Übergangsgebiet zwischen Zu- und Abnahme. Dies bedeute eine größere Unsicherheit für die Änderung in Österreich verglichen mit beispielsweise jener von Skandinavien (klare Zunahme) oder jener im Mittelmeerraum (klare Abnahme). Alpenraum Wärmer, feuchter und trockener, weniger Schnee Um das zukünftige Klima im Alpenraum abschätzen zu können ist man auf die Simulationsergebnisse globaler und regionaler Klimamodelle angewiesen. Die Modellergebnisse zeigen dabei eine Fortsetzung des gegenwärtigen Trends zu höheren Temperaturen, die Niederschläge hingegen nehmen generell ab, obwohl hier teilweise gegensätzliche Trends zwischen Beobachtungen und Simulationen in bestimmten Gebieten festzustellen sind. Der Alpenraum ist stärker vom globalen Klimawandel betroffen als andere Gebiete der Erde. Im Mittel ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts die globale Temperatur um ca. 0,8° C gestiegen, die Temperaturen im österreichischen Alpenraum jedoch um das Doppelte, um knapp 1,6° C (Abbildung 1). Basis für die Temperaturdaten aus dem Alpenraum bildet dieHISTALP-Datenbank, welche homogenisierte Datenreihen von Temperatur, Niederschlag und anderen Klimaelementen auf Monatsbasis bereitstellt, wobei die Region von 4-19° östlicher Länge und 43-49° nördlicher Breite abgedeckt wird (Abbildung 2). Als Terminus für dieses Gebiet hat sich die Abkürzung GAR (Greater Alpine Region) etabliert. Niederschlag Auch die Änderungen im Niederschlag sind regional und auch über die verschiedenen Jahreszeiten unterschiedlich. In den Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst kommt es zu einer Abnahme in den Niederschlagsmengen im Süden und Südosten Europas. Im Norden und Nordosten dagegen nehmen die Niederschlagssummen zu. In den Wintermonaten kommt es in Mittel- und Südeuropa nur zu sehr geringen Änderungen in den Niederschlagsmengen. Im Norden Europas dagegen nimmt der Niederschlag zu. In den Sommermonaten ist besonders südlich des 55. Breitengrades mit starken Abnahmen in den Niederschlagsmengen zu rechnen. In Nordeuropa kommt es auch im Sommer zu Niederschlagszunahmen. Abb. 1: Änderung der Lufttemperatur in Österreich und auf globaler Ebene, bezogen auf das Mittel von 19611990 (Böhm 2010, bearbeitet). Abb. 2: Greater Alpine Region und HISTALP -Stationsnetz. Für eine grobe Abschätzung über die Klimazukunft im Alpenraum können Simulationsergebnisse aus globalen Klimamodellen verwendet werden. In Abbildung 3 ist nun die weitere Temperaturentwicklung in der GAR für das Szenario A1B dargestellt. Basis für diese Abbildung bilden Daten aus über 15 globalen gekoppelten OzeanAtmosphären Modellen (sog. Multi-Model Ensemble), mit denen Klimaszenarien für den 4. Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahr 2007 berechnet wurden. Aus diesen großräumigen Datenfeldern wurde die Temperaturänderung in der GAR relativ zum Referenzzeitraum 1961-1990 extrahiert. In der Abbildung sind die Zeitreihen gefiltert (geglättet) dargestellt um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Die Schwankungsbreite des Modell-Ensembles ist in Graustufen dargestellt und der Median als rote Linie. Die Messdaten aus der HISTALPDatenbank entsprechen der grünen Linie. Abb. 3: Änderung des Jahresmittels der Lufttemperatur (30-jährig gefiltert) in der GAR bezogen auf das Mittel von 1961-1990 aus Klimamodellierungsdaten (IPCC 2007) und Messdaten. Rot: Median aus 15 globalen Klimamodellen, grün: HISTALP-Messdaten, grau: Streuung der Modelle (aus einer laufenden Untersuchung an der Abteilung für Klimaforschung, Abb. 4: Änderung der Jahressumme des Niederschlages (30-jährig gefiltert) in der GAR bezogen auf das Mittel von 1961-1990 aus Klimamodellierungsdaten (IPCC 2007) und Messdaten. Rot: Median aus 15 globalen Klimamodellen, grün: HISTALP-Messdaten, blau: HISTALP-Messdaten für die Region Nordwest, gelb: HISTALPMessdaten für die Region Südost, grau: Streuung der Modelle (aus einer laufenden Untersuchung an der Abteilung für Klimaforschung Die globalen Zirkulationsmodelle zeigen für die Region eine Fortsetzung des beobachteten Trends hin zu höheren Temperaturen. Bis zum Ende des Jahrhunderts steigt die Jahresmitteltemperatur in den Simulationen um ca. +3,5° C verglichen mit der von der WMO festgelegten {Klimanormalperiode 1961-1990}, mit einer Schwankungsbreite innerhalb der Modelle von +2 bis +5,5° C. Gegenwärtig liegen die gemessenen HISTALPTemperaturen über den Modellergebnissen, jedoch sind die AOGCMs in diesem relativ kleinen räumlichen Ausschnitt nicht in der Lage dekadische Variabilitäten des Klimas wiederzugeben. Das „kalte Ende“ des 19. Jahrhunderts und die warmen 1940er Jahre werden nicht aufgelöst. Abbildung 4 für den Niederschlag ist ähnlich zu jener für die Temperaturen, mit dem Unterschied, dass die Niederschlagsänderung in Prozent bezogen auf den Referenzzeitraum 1961-1990 angegeben wird. Zusätzlich zu den Messwerten aus der gesamten GAR in grün sind die gegenläufigen Teilregionen Nord-West (blau) und SüdOst (gelb) dargestellt. Die gemessenen Niederschlagstrends in der GAR sind sehr unterschiedlich in den verschiedenen Regionen. Der Nord-Westen des Alpenraums zeigt eine Zunahme, der Süd-Osten eher eine Abnahme. Im Mittel über alle Messdaten der HISTALP-Datenbank ist, abgesehen von dekadischen Schwankungen, kein Trend im gemessenen Niederschlag zu erkennen. Dies steht im Gegensatz zu den Ergebnissen der Klimasimulationen aus den AOGCMs. Sie zeigen eine stetige Abnahme in der Niederschlagssumme seit Mitte des 19. Jahrhunderts, wobei bis 2100 mit einer Abnahme von etwas mehr als 5% zu rechnen ist, bei einer Schwankungsbreite innerhalb der Modelle von -25 bis +12%. Globale Zirkulationsmodelle können aufgrund ihrer sehr groben räumlichen Auflösung nur eine erste Abschätzung über die Klimaentwicklung im Alpenraum liefern. Für umfangreichere Untersuchungen nützt man Modellergebnisse aus regionalen Klimamodellen. Es gibt eine Vielzahl dieser Regionalmodelle, im Folgenden werden Modellierungsergebnisse aus dem Modell COSMO-CLM (CCLM) für die Klimaelemente Temperatur Niederschlag Dauer der Schneebedeckung wiederum für das Szenario A1B vorgestellt. Temperatur Bis etwa zur Mitte des 21. Jahrhunderts ist mit einem Temperaturanstieg im Alpenraum von knapp 2°C zu rechnen, bezogen auf die WMO-Normalperiode 1961-1990 (Abbildung 5). Die Modellprojektionen zeigen im Jahresmittel eine stärkere Erwärmung in Gebieten wie Südtirol, oder in den südlichen Ausläufern des Alpenbogens, ansonsten ist die Temperaturerhöhung relativ homogen über die gesamte Region. Betrachtet man die Änderungen saisonal, treten größere Unterschiede zu Tage. Eine geringere Erwärmung als im Jahresmittel wird für die Wintermonate (Dezember, Jänner, Februar) simuliert, hierbei vor allem Gebiete der Südosten Frankreichs, oder Italien südlich der Alpen. Im Gegensatz dazu berechnet CCLM eine deutlich höhere Erwärmung im Sommer (Juni, Juli, August) für diese Regionen und auch für Teile Kroatiens und Bosnien Herzegowinas. Abb. 5: Änderung der Lufttemperatur sowohl im Jahresmittel, als auch im Sommer und Winter von 2041-2070 bezogen auf das Mittel von 1961-1990 aus regionalen Klimamodellierungsdaten des Modells CCLM ( DKRZ , Lautenschlager, u.a. 2005 & Lautenschlager, u.a. 2009); Abbildungen aus einer laufenden Untersuchung an der ZAMG, Abteilung für Klimaforschung. Niederschlag Über das gesamte Jahr gesehen ergibt sich nur eine geringe Änderung der Niederschlagsmenge nördlich und östlich der Alpen (Abbildung 6). In Gebieten im Süden und Westen der GAR sind stärkere Abnahmen des Niederschlags um ca. 10-15% zu erkennen. Ähnlich wie bei der Temperatur sind auch beim Niederschlag die saisonalen Unterschiede der Veränderung sehr groß. In den Wintermonaten kommt es fast ausschließlich zu einer Zunahme der Regenmenge, vor allem wiederum in Gebieten südlich des Alpenhauptkamms, ganz besonders im äußersten Nordwesten Italiens. Der Sommer ist geprägt von einer markanten Niederschlagsabnahme fast über die gesamte GAR, wobei auch hier der Süden und Westen stärker betroffen ist. Lediglich im Wald- und Mühlviertel wird eine leichte Zunahme der Regenmenge simuliert. Abb. 6: Änderung des Niederschlags sowohl im Jahresmittel, als auch im Sommer und Winter von 2041-2070 bezogen auf das Mittel von 1961-1990 aus regionalen Klimamodellierungsdaten des Modells CCLM ( DKRZ , Lautenschlager, u.a. 2005 & Lautenschlager, u.a. 2009); Abbildungen aus einer laufenden Untersuchung an der ZAMG, Abteilung für Klimaforschung. Dauer der Schneebedeckung Im Zuge einer Temperaturzunahme und Niederschlagsänderung kommt es auch zu einer Veränderung der Schneebedeckung (Abbildung 7). Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass eine kürzere Schneedeckendauer über das gesamte Gebiet zu erwarten sein wird. In einigen Bereichen wird es in Zukunft keine Schneedecke mehr geben, wie die westliche Poebene und das Gebiet der Còte d’Azur im Südosten Frankreichs. In den Zentralen Alpen fällt der Rückgang geringer aus, da bei der langen Schneedeckendauer im Jahresverlauf eine Abnahme von einigen Tagen eine geringe relative Änderung erzeugt als in Flachlandgebieten, wo die Schneedeckendauer grundsätzlich kürzer ist. Abb. 7: Prozentuelle Änderung der Schneedeckendauer im Jahresmittel von 2041-2070 bezogen auf das Mittel von 1961-1990 aus regionalen Klimamodellierungsdaten des Modells CCLM; die graue Signatur zeigt Gebiete in denen keine Schneebedeckung mehr zu erwarten ist ( DKRZ , Lautenschlager, u.a. 2005 & Lautenschlager, u.a. 2009); Abbildungen aus einer laufenden Untersuchung an der ZAMG, Abteilung für Klimaforschung. Extremwerte Wird das Klima immer verrückter? Meteorologische Extremereignisse sind in der Welt der Klimawissenschaft von großem Interesse, da diese einen starken Einfluss auf unser Leben und unsere Umwelt ausüben können. Ob und inwieweit sich die Häufigkeit von seltenen bzw. exzessiven Ereignissen geändert hat (und noch ändern wird) ist daher auf der gesamten Welt Gegenstand laufender Untersuchungen. Ein Teil der noch vorhandenen Unsicherheiten im Hinblick auf die Zukunftserwartungen extremer Ereignisse geht auf die auch in Großrechenanlagen (noch) zu geringe Kapazität und Rechengeschwindigkeit zurück, das Klimasystem wirklichkeitsnah simulieren zu können. Hier ist jedoch Optimismus angebracht, und mit Verbesserungen ist mit jedem neuen Modelllauf zu rechnen – das gilt ganz besonders für regionale Modelle im komplizierten Alpenraum Ereignisse werden als extrem bezeichnet wenn diese mit besonders hohen oder niedrigen Intensitäten einhergehen. Oft führt aber auch die extreme Wirkung auf Mensch und Natur zur Klassifizierung als Extremereignis wie im Fall von Gewittern, Sturmtiefs und Überflutungen. Extremereignisse hinsichtlich der Temperatur sind Hitzetage (maximale Temperatur >30°C), tropische Nächte (minimale Temperatur >20°C) oder aber auch Hitze- und Kältewellen. Beispiele für extreme Niederschlagsereignisse sind einzelne Starkniederschlagsereignisse, intensive Niederschlagsepisoden über mehrere Tage oder Dürreperioden. Im statistischen Sinne sind Extremereignisse solche die niedrige Wiederkehrwahrscheinlichkeiten aufweisen, d.h. selten vorkommen. Meist definiert man Schwellenwerte und untersucht dann die Über- bzw. Unterschreitungswahrscheinlichkeiten sowie auch die Änderung der Intensitäten solcher Ereignisse. Hitze Die jährliche Mitteltemperatur in Europa ist von 1850 bis 2008 um 1,3°C gestiegen. Die 9 wärmsten Jahre dieses Zeitraums waren innerhalb der letzten 12 Jahre zu beobachten. Parallel dazu nahm die Zahl der warmen Nächte und heißen Tage deutlich zu. Auch die Vegetationsperiode weist einen positiven Trend von 3.6 Tagen pro Dekade auf. Nach Einschätzung des IPCC wird die Zunahme der Lufttemperatur mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Zunahme von Hitzewellen einhergehen. Dies betrifft sowohl die Häufigkeit, als auch die Andauer dieser Ereignisse. Ein Beispiel für die Änderung von Temperaturextremen ist in Abbildung 1 gegeben. Diese zeigt die Anzahl der Tage über 40,7°Celcius in verschiedenen Klimazeitscheiben aus dem Forschungsprojekt ENSEMBLES. Demnach werden die extremen Hitzetage im warmen Osten Österreichs von 3 aus dem Zeitraum 1961-1990 auf 17 bis Ende des Jahrhunderts (2071-2100) steigen. Die gerade im Bereich der Extremwerte noch existierenden Unzulänglichkeiten zeigt gerade dieser spezifische Fall. Tatsächlich sind in Österreich noch nie Temperaturen von 40° und mehr gemessen worden. Abb. 1: Hitzeindex Sommer (JJA 1961-2100): Tage > 40.7 °C. Mittelwert aus fünf regionalen Klimamodellsimulationen (MPI, KNMI, HC, ETH, C4I) im Rahmen des Projektes ENSEMBLES http://eca.knmi.nl/ensembles. (Haylock et al. 2008, Bildquelle: European Environment Agency) Bei der Anzahl der Tropennächte in Österreich ist in den Niederungen des Ostens mit einer Verdreifachung im extremen {Emissionsszenario A2} zu rechnen (Abbildung 2). Abb. 2: Tropische Nächte Sommer (JJA 1961-2100): Nächte mit Tmin>20°C. Simulationen des Dänischen Meteorologischen Instituts (DMI) mit dem HIRHAM4 Regionalmodell – Emissionsszenario A2. (Dankers R., Hiederer R. 2008, Bildquelle: European Environment Agency) Aus verschiedenen Klimaszenarien lässt sich ableiten, dass in Zukunft die Temperaturschwankungen von Tag zu Tag im Winter abnehmen und im Sommer zunehmen werden und sich damit die Extremwerte der Temperatur signifikant verändern. Bisher ist jedoch auch die damit angesprochene Verbreiterung des Schwankungsbereichs in den Messdaten nicht zu beobachten. Starkniederschlag Bei Untersuchungen der globalen Niederschlagsänderung der letzten 50-100 Jahre wurde festgestellt, dass die Niederschlagssummen in diesem Zeitraum durchschnittlich um 5% zugenommen haben. Die Gesamtanzahl der Niederschlagstage ist dabei etwa gleich geblieben. In den globalen Klimasimulationen zeigt sich somit eine Intensivierung von starken Niederschlagsereignissen. Diese Änderungen der Extreme sind im Allgemeinen deutlicher ausgeprägt als die Änderungen der Mittelwerte – allerdings mit ausgeprägten regionalen Unterschieden. Der Ursache der größeren Niederschlagsmengen in einem wärmeren Klima bei Einzelereignissen ist im höheren Wasserdampfgehalt zu suchen, wodurch auch das verfügbare Niederschlagswasser in der Atmosphäre ansteigt. Aber auf eine veränderte Vertikalstruktur der Atmosphäre (vertikale Stabilität) kann zu einer Veränderung im Niederschlagsverhalten führen. Eine aktuelle Studie der Abteilung Klimaforschung der ZAMG (Priskchange) zeigt eine Zunahme der Intensitäten 30-jähriger täglicher Niederschlagsmengen in Österreich um mehr als 17-26% im Sommerhalbjahr 2007-2051 verglichen mit dem Zeitraum 1963-2006. Des Weiteren fanden wir eine besonders ausgeprägte Zunahme im Südosten und Osten Österreichs während der Herbstmonate (25-40%). Zweites könnte auf eine Veränderung der atmosphärischen Strömung – und damit der Wetterlagen im östlichen Alpenraum – hinweisen. Stürme Untersuchungen über das Sturmklima der letzten 100 Jahre über Nordwesteuropa zeigen keine Zunahme der Stürmigkeit, jedoch aber eine hohe Variabilität auf jährlichen und dekadischen (10-50-jährigen) Zeitskala. Die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete über Europa haben sich weiter nach Norden bzw. Nordosten hin verlagert. Globale Klimamodelle zeigen für die nächsten Jahrzehnte eine weitere Verlagerung der Zugbahnen der atlantischen Tiefdruckgebiete nach Norden hin (55-60° Breitengrad). Auch wird eine Zunahme der Häufigkeit von Sturmtiefs über Nordwesteuropa in einem wärmeren Klima erwartet. Die Zunahme wird hauptsächlich durch den höheren Wasserdampfgehalt der Atmosphäre und der damit verbundenen Zunahme verfügbarer Energie begründet. Wird das Wetter immer extremer? Viele Menschen nehmen den Wetterablauf immer öfter als extrem wahr. So hat es z.B. den Anschein, dass intensive kalte und warme Phasen sehr rasch wechseln oder dass die Jahreszeiten fließend vom Winter in den Sommer bzw. umgekehrt übergehen. Laufende Studien der Klimaabteilung der ZAMG die die Variabilität von Temperatur, Niederschlag und Luftdruck in den letzten 150 Jahren untersuchen, können diese subjektive Beobachtung jedoch bis jetzt nicht unterstützen. Ganz im Gegenteil zeichnet sich z.B. bei der Änderung der Temperatur von Monat zu Monat im Alpenraum eine Abschwächung der Wechselhaftigkeit des Klimas ab (laufende Arbeit). Klimafolgen Auswirkungen des Klimas – Auswirkungen auf das Klima Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels sind ein wesentlicher Teil der Klimaforschung. Die Ergebnisse der Klimafolgenforschung bilden die Grundlage für Vermeidungs- und Minderungsstrategien beziehungsweise notwendige Anpassungsmaßnahmen. Das Klima der Erde als der mittlere Zustand der Atmosphäre (Abb. 1) steht mit den anderen Erdsphären Hydrosphäre, Lithosphäre, Pedosphäre,,Biosphäre und Kryosphäre in enger Wechselwirkung. Deutlich sichtbar manifestiert sich die enge Beziehung zwischen Klima und Kryosphäre. Da unsere Gruppe gerade hier einen Schwerpunkt ihrer Expertise besitzt, stehen die Auswirkungen des Klimawandels auf Schnee und Eis im Vordergrund dieses Abschnitts. Schwerpunkt Kryosphäre Die größten Ansammlungen an Schnee und vor allem Eis auf der Erde findet man in Form vonkontinentalen Eisschilden. Diese reagieren auf Veränderungen des Erdklimas, haben aber aufgrund ihrer Größe selbst einen unmittelbaren Einfluss auf das globale Klima (Eis-Albedo-Rückkopplung, Süßwassereintrag in den Ozean usw.). Rückkopplungsprozesse wie der Eis-Albedo-Effekt kommen auch bei der Beziehung zwischen Meereis und Klima zum Tragen. Die einzelnen im Klimasystem der Erde sind oft sehr komplex und werden momentan noch teilweise unzureichend verstanden. Neben den polaren Eismassen sind besonders Gebirgsgletscher in den mittleren Breiten unmittelbar von Klimaänderungen betroffen. Aufgrund ihrer Größe ist aber das Einwirken derGebirgsgletscher auf das globale Klima vernachlässigbar. Das Verhalten der gesamten globalen Eismassen steht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Variationen desMeeresspiegels, dessen zukünftige Entwicklung eine der zentralen Fragen der internationalen Klimaforschung darstellt. Die Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Schneedecke sind für Österreich von besonders großer Bedeutung. Die winterliche Schneedecke ist ein wichtiger Faktor für den alpinen Tourismus. Aber auch der Einfluss des Schnees auf das Verhalten der Gletscher und des Permafrosts, die das eindrucksvolle Landschaftsbild der Alpen prägen und formen, ist entscheidend. Die Wasserführung von Fließgewässern wird von der saisonalen Schneedecke mitbestimmt, was wiederum unmittelbare Konsequenzen für die Wasserwirtschaft hat. Bildergalerie der verschiedenen Sphären des Klimasystems der Erde Das dynamische Klima der Erde hat auf alle Erdsphären Einfluss. Die einzelnen Sphären (Abb. 1–8) stehen untereinander im ständigen Austausch (Abb. 9–14). Da die komplizierte Vernetzung eine der herausragenden Eigenschaften des Klimasystems selbst ist, mögen die Fotos der Bildergalerie dazu dienen, diese Komplexität zumindest teilweise visuell zu erfassen (alle Fotos: Reinhard Böhm). Abb. 1: ATMOSPHÄRE – Cirruswolken im klaren Himmel über Schottland. Abb. 2: HYDROSPHÄRE – Sturmgepeitschte Nordsee bei Norderney. Abb. 3: LITHOSPHÄRE – Lavaschichten der Cumbre dorsal, Teneriffa. Abb. 4: PEDOSPÄHRE – Selten ist die Bodenhülle der Erde wirklich unvermischt und rein sichtbar. Auch hier, im norddeutschen Wattenmeer, ist ein Schuss Hydrosphäre dabei. Abb. 5: BIOSPHÄRE (natürlich) – Der Lorbeerurwald der Kanarischen Inseln. Abb. 6: BIOSPHÄRE (anthropogen) – Getreidefeld in der Wiener Lobau. Abb. 7: KRYOSPHÄRE – Eis und Schnee des Goldbergkeeses in den Hohen Tauern. Abb. 8: KRYOSPHÄRE – die gefrorene Donau in Wien im Februar 2006. Auch die dunklen Flecken sind kein flüssiges Wasser, sondern dünnes, klares Eis, das sich in den Zwischenräumen der einzelnen Schollen gebildet hat. Abb. 9: BIOSPHÄRE, HYDROSPHÄRE und ATMOSPHÄRE – Typisch für die enge Vernetzung der verschiedenen Erdsphären ist diese Aufnahme aus dem Pietzmoor in der Lüneburger Heide. Abb. 10: PEDOSPHÄRE, BIOSPHÄRE und ATMOSPHÄRE – An diesem Strandabschnitt der Nordseeinsel Baltrum ist viel Pedosphäre und wenig Biosphäre zu erkennen. Das liegt hauptsächlich an dem stürmischen Einfluss der Atmosphäre. Abb. 11: LITHOSPHÄRE und ATMOSPHÄRE – Beinahe ganz ohne die Puffer von Pedo- oder Biosphäre schafft hier, in den Lavafeldern der Canadas del Teide (Teneriffa), das Aufeinandertreffen von Lithosphäre und Atmosphäre die bizarren Formen der Roques de Garcia. Abb. 12: BIOSPHÄRE und KRYOSPHÄRE – Ein sehr kurzlebiger Teil der Kryosphäre bedeckt hier nach einem Eisregen am 16. Jänner 2010 im Wienerwald einen kleinen Teil der Biosphäre. Abb. 13: BIOSPHÄRE, PEDOSPHÄRE, HYDROSPHÄRE und ATMOSPHÄRE – Nur die in dieser Gegend, dem Ostfriesischen Wattenmeer, kaum zutage tretende Lithosphäre fehlt, um alle Sphären in einem Bild zu versammeln. Abb. 14: ATMOSPHÄRE, LITHOSPHÄRE, PEDOSPHÄRE, BIOSPHÄRE, KRYOSPHÄRE und HYDROSPHÄRE: Alle sechs Erdsphären in einem Bild. Viel Litho- und Pedosphäre treffen hier im Gletschervorfeld des Goldbergkeeses auf die im Herbst noch spärlich sichtbare Biosphäre. Die Kryosphäre ist bereits stark auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 2008 zurückgewichen. Im 19. Jahrhundert hätte sie noch den gesamten Vordergrund des Bildes bedeckt. Eisschilde Die trägen Giganten Zum Typ der dem Relief übergeordneten Vergletscherung gehören die mächtigsten Eismassen der Erde. Als (kontinentaler) Eisschild oder Inlandvereisung werden die gigantischen Gletscher der Antarktis und Grönlands bezeichnet. Aufgrund ihrer enormen Größe bestimmen die Eisschilde der Erde den Zustand des globalen Klimas mit. Diese mächtigen Eisdecken bewegen sich im zentralen Akkumulationsgebiet extrem langsam (einige Zentimeter bis wenige Meter im Jahr) und sind nicht auf Gebirgstäler beschränkt. Sie nehmen praktisch die gesamte Landoberfläche ein und werden nur von einzelnen Gebirgsgipfeln, so genannten Nunatakern, überragt. Die Maximaltiefen findet man im zentralen Akkumulationsgebiet der Eismasse. An den Randzonen bilden sich schmale Zungen (Eisströme, Ausflussgletscher), ähnlich denen der Talgletscher, die ins Meer kalben, in ein Eisschelf münden oder am Festland enden. Die enormen Eispanzer der Antarktis und Grönlands Im Erdzeitalter des Pleistozäns gab es vier große Eisschilde auf der Erde. Neben den heute noch existenten, konnte man weitere großflächige Vereisungen in Nordamerika und Nordeurasien nachweisen. Die noch verbliebenen Eismassen der Antarktis und Grönlands können potenziell den Meeresspiegel um 60 bis 70 m (Tab. 1) erhöhen. Dabei liefern nur die Eismassen auf dem Festland über Meeresniveau einen Beitrag zum eustatischen Meeresspiegelanstieg. Nach Abzug der gesamten Eisdecke würde das Minimum der Seehöhe etwa -2500 m für die Antarktis und etwa -200 m für Grönland betragen. Dabei ist kein isostatischer Ausgleich der Landmassen berücksichtigt, welcher eine vertikale Hebung der Landmassen beim Verschwinden der Auflast der Eismassen zur Folge hat. Eisschilde der Erde Antarktis Grönland AE [km²] ~12,8×106 ~1,7×106 AE / AÖ 158.6 20.4 AE / AD 36 5 AE / AEU 3 0,4 Maximale Eisdicke [m] >4000 >3000 6 Eisvolumen [km³] 30×10 2,9×106 potentieller Meeresspiegelanstieg [m] ~56 ~7 Tabelle 1: Eckdaten zu den Eisschilden der Antarktis und Grönlands. (A E…Fläche Eisschild, AÖ…Fläche Österreichs, AD…Fläche Deutschlands, AEU…Fläche der EU Forschungsbedarf bei der Bestimmung der Massenbilanzen Die gegenwärtige und vor allem zukünftige Massenbilanz der Eisschilde birgt große Unsicherheiten. Neben den Unsicherheiten aufgrund der unterschiedlichenEmissionsszenarien selbst, sind die geringe Datendichte und ein teilweise noch unvollständiges Prozessverständnis entscheidender Vorgänge dafür verantwortlich. Die gegenwärtigen Massenbilanzen der Antarktis und Grönlands sind nach den wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten Jahre negativ und weisen einen Anstieg der Massenverluste Antarktis Dynamischer als angenommen Die Bestimmung des Massenhaushalts der Antarktis ist mit großen Unsicherheiten verbunden. Das ist vor allem auf die Größe und die lebensfeindlichen Bedingungen zurückzuführen. Die Folge dieser Eigenschaften sind räumlich relativ spärliche Daten für nur kurze Zeiträume, die das Treffen von verlässlichen Aussagen erschweren. Trotz der relativ großen Unsicherheiten geben unabhängige, wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre ein konsistentes Bild des Massenverlusts der Antarktis. Die weltweit größte Ansammlung an Eis findet man auf dem antarktischen Kontinent. Die Antarktis ist mit einer mittleren Seehöhe von mehr als 2200 m der höchstgelegenste und trockenste Kontinent der Erde. Das antarktische Eisschild weist eine mittlere Eisdicke von 1856 m mit Maximaltiefen von über 4000 m auf (Abb. 1). Unter der antarktischen Eisdecke hat man in den letzten Jahren über Fernerkundungs- und geophysikalische Erkundungsmethodenhunderte subglaziale Seen entdeckt (mehr als 145 allein im Jahr 2005), die teilweise miteinander verbunden sind. Dieses subglaziale Wasser und dessen Dynamik hat großen Einfluss auf die Eisdynamik und somit auch auf den Massenhaushalt des antarktischen Eisschilds. Das Verständnis dieses Einflusses ist momentan noch sehr lückenhaft und kann noch in keine Modelle gefasst werden. Aufgrund den möglichen folgenschweren globalen Konsequenzen des eustatischen Meeresspiegelanstiegs handelt es sich hierbei um ein topaktuelles Forschungsthema. Abb. 1: Links: Topografie der Antarktis. Die weißen Bereiche stellen die höchsten Gebiete dar und bilden die Grenzen der einzelnen glaziologischen Einzugsgebiete (Bamber u.a. 2008). Rechts: Die Eisdicken der Antarktis. Die maximalen Eisdicken von über 4000 m findet man im zentralen Akkumulationsgebiet (Lythe u.a. 2001). Der Massenhaushalt des antarktischen Eisschilds wird vor allem von eisdynamischen Vorgängen dominiert. Betrachtet man die Karte der mittleren Jahrestemperaturen der Antarktis (Abb. 2), so ist ersichtlich, dass oberflächliche Schmelzvorgänge eine untergeordnete Rolle spielen. Lediglich in den küstennahen, wärmeren Gebieten ist dieser Prozess nicht vernachlässigbar. Abb. 2: Eine interpolierte Karte der mittleren Jahrestemperatur der Antarktis für die Periode 1957-2003. Die gelben Punkte stellen Messwerte von einzelnen wissenschaftlichen Expeditionen dar. Die Temperaturdaten sind in Grad Celsius angegeben (Dixon 2008). Massenverlust über Eisströme Der eisdynamische Massenverlust wird vorwiegend über einzelne, räumlich klar begrenzte Eisströme bewerkstelligt (Abb. 3), die sich in subglazialen Talstrukturen bilden. Bei Eisströmen kann man aktive und ruhigere Phasen beobachten. Diese Variabilität der Fließgeschwindigkeit spielt sich innerhalb unterschiedlichster Perioden (Stunden bis Jahrhunderte) ab und kann mit verschiedenen Ursachen in Zusammenhang gebracht werden (Variation der Akkumulation, Gezeiten, Gletscherbetteigenschaften usw.). Der Einfluss der derzeitigen Klimaerwärmung auf die Fließgeschwindigkeit der Eisströme zählt momentan zu den großen Fragen der Glaziologie. Abb. 3: Links: Die bisher vollständigste Karte von oberflächlichen Fließgeschwindigkeiten des antarktischen Inlandeises aus Satellitenbeobachtungen und Modelldaten. Die Farbcodierung beruht auf einer logarithmischen Skalierung der Fließgeschwindigkeit. Dunkelblau veranschaulicht Fließgeschwindigkeiten von 0 m pro Jahr, rot von 1000 m pro Jahr (Jezek 2008). Rechts: Ein vergrößerter Bereich (schattierter Bereich links) zeigt die oberflächlichen Fließgeschwindigkeiten für den Whillans-Eisstrom (WES), den stagnierenden Kamb-Eisstrom (KES), den Bindschadler-Eisstrom (BES) und den MacAyeal-Eisstrom (MES), die alle in das Ross-Eisschelf (RES) münden, im Detail (Turner u.a. 2009). Komplexe Eisdynamik Viele Eisströme der Antarktis münden in ein Eisschelf. Bei einem Eisschelf handelt es sich um ein einige hundert Meter bis wenige Kilometer dickes, schwimmendes Eis, das fix mit dem Festlandeis verbunden ist. Das Ende eines Eisschelfs bildet eine nahezu vertikale Eiswand, die über den Prozess des Kalbens an Masse verliert. Das Kalben unterliegt Perioden unterschiedlich hoher Kalbungsraten. Sehr hohe Kalbungsraten, die bis zu einem völligen Kollaps des gesamten Eisschelfs führten, konnte man in den letzten Jahrzehnten vor allem auf der antarktischen Halbinsel beobachten (Abb. 4). Abb. 4: Beim Kollaps des Larsen-B-Eisschelfs im Jahr 2002 ging eine Eisschelffläche von 3200 km² verloren. In der Satellitenaufnahme vom 31.01.2002 (links) kann man bereits eine Vielzahl an oberflächlichen Schmelzwasserseen erkennen, die sehr wahrscheinlich eine wesentlichen Rolle bei der völligen Disintegration des Eisschelfs spielten. Das rechte Satellitenbild zeigt das Eisschelf einen Monat später (Turner u.a. 2009). Das Abschmelzen bzw. Kollabieren eines Eisschelfs hat keinen direkten Einfluss auf deneustatischen Meeresspiegelanstieg. Eine indirekte Folge ist aber eine zwei- bis achtfache Beschleunigung der unmittelbar angrenzenden Eisströme. Dies führt wiederum zu einem erhöhten Massenverlust des Inlandeises und einem Meeresspiegelanstieg. Die Prozesse die zur Disintegration eines Eisschelfs führen sowie dessen Folgen werden momentan in mehreren Forschungsprojekten untersucht. Der globale Anstieg der Luft- und infolgedessen der Meerestemperatur sowie die Meeresströmungen sind jedenfalls wesentliche Einflussfaktoren. Für die Schmelze an der Eisschelf-Ozeanwasser-Grenze aufgrund des Zustroms von wärmerem Meerwasser, konnte man Beträge von mehreren Metern pro Jahr beobachten. Die gesamte Antarktis bilanziert laut einer aktuellen Studie von Rignot u.a. (2008) negativ, mit einem Verlust von –196 (± 92) Gigatonnen pro Jahr. Chen u.a. (2009) veröffentlichen für die Antarktis einen Massenverlust von – 190 (±77) Gigatonnen pro Jahr. Unterdessen stellten Wu u.a. (2010) mit dem selbem methodischen Ansatz (GRACE-Daten) etwa die Hälfte an Massenverlust für die Antarktis fest. Generell ist die Frage nach der Massenbilanz der Antarktis noch nicht mit einer genauen Zahl zu beantworten, was auf die großen Unsicherheiten, die sich in den Fehlerangaben widerspiegeln, zurückzuführen ist. Die Antarktis verliert immer schneller Eis Zusammenfassend zeigt sich kein einheitliches Verhalten der Antarktis (siehe „Regionen der Antarktis“). Bedenkt man die große räumliche Ausdehnung, ist das nicht überraschend. Die Beobachtungen der letzten Jahre liefern allerdings ein dynamisches Bild der Antarktis, das noch vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen wäre. Beobachtete regionale Prozesse sind nicht eindeutig der derzeitigen Klimaänderung, vergangenen Klimafluktuationen oder interner Variabilität zuzuordnen. Die verbesserte Methodik zum Erfassen der Eisschilde der Erde und die damit wachsende Datenmenge lässt aber ein immer konsistenter werdendes Bild über den Zustand der Antarktis zu. Dieses Bild zeigt einen aktuellen Massenverlust des antarktischen Inlandeises, der sich über die letzten Jahre verstärkt hat. Westantarktis ist nicht Ostantarktis Die Antarktis kann man grob in drei Regionen einteilen, welche sich grundlegend unterscheiden. Diese Unterschiede spiegeln sich auch im Verhalten des Eisschilds in den einzelnen Regionen wider. Um realistische Zukunftsszenarien zu entwickeln, ist das Verständnis der wichtigsten Prozesse, die das Verhalten der einzelnen Regionen prägen, essenziell. Die Ergebnisse verschiedener Massenhaushaltsstudien der letzten Jahre ergeben für dasgesamte Eisschild der Antarktis einen Massenverlust mit einem negativen Trend. Die einzelnen Regionen der Antarktis zeigen aber teilweise ein sehr unterschiedliches Verhalten. Alle folgenden Zahlen zu den Massenbilanzen der einzelnen Regionen beziehen sich auf die Studie von Rignot u.a. (2008). Diese Studie ist als ein Ergebnis unter mehreren zu sehen, die tendenziell in die gleiche Richtung weisen, sich aber in ihren Absolutwerten unterscheiden. Das kontinentale Eisschild der Antarktis kann grob in drei morphologische Zonen unterteilt werden (Abb. 1, siehe Abb. 1 im Abschnitt „Antarktis“): Antarktische Halbinsel: Fläche…0,52×106 km² Westantarktis: Fläche…1,97×106 km² Ostantarktis: Fläche…10,35×106 km² Abb. 1: Fließgeschwindigkeiten wichtiger Ausflussgletscher. Die schwarzen Linien skizzieren die einzelnen Regionen. Skalierte rote bzw. blaue Symbole veranschaulichen die Höhe des Massenverlustes bzw. -gewinns in Gigatonnen pro Jahr (Rignot u.a. 2008). Die antarktische Halbinsel Die antarktische Halbinsel nördlich von 70°S stellt lediglich 1 % des auf dem Festland gelagerten antarktischen Eisschildes dar, erhält aber aufgrund der klimatischen Bedingungen rund 10 % des gesamten Schneefalls. Insgesamt hat die antarktische Halbinsel ein Eisvolumen von 95.200 km³, was einem potenziellen eustatischen Meeresspiegelanstieg von 24 cm entspricht. Aufgrund der Küstenlage und der geringen Seehöhe (ein Drittel unter 200 m) steigen die Sommertemperaturen regelmäßig über 0°C. Daher muss man oberflächliche Schmelzvorgänge unbedingt in die Berechnung der Massenbilanz einbeziehen. In den letzten 50 Jahren konnte man eine Erwärmung von 3°C feststellen, was sich in einer stärkeren oberflächlichen Schmelze geäußert hat. Vor allem die antarktische Halbinsel ist vom Kollaps von Eisschelfen und der folglichen Beschleunigung von Eisströmen betroffen. Die räumliche Verteilung der in der Vergangenheit kollabierten Eisschelfe korreliert sehr gut mit der sich ändernden Temperaturverteilung. Die Massenbilanz der antarktischen Halbinsel beträgt rund –60 (±46) Gigatonnen pro Jahr. Die Westantarktis Der Großteil der Westantarktis liegt unter dem Meeresniveau und wird daher als marines Eisschild bezeichnet. Marine Eisschilde werden als instabil betrachtet. Bamber u.a. (2009) berechneten für einen katastrophalen Kollaps des marinen Bereichs der Westantarktis einen maximalen Anstieg des Meeresspiegels von 3,3 m. In Summe bilanziert die Westantarktis mit –132 (±60) Gigatonnen pro Jahr negativ. Abb. 2 zeigt die Ergebnisse für zwei Satelliten-Altimetrie-Studien, die für zwei unterschiedliche Zeiträume gemacht wurden. Vor allem in den auffälligen Regionen der antarktischen Halbinsel und der Westantarktis ist eine Beschleunigung des dynamischen Ausdünnens festzustellen. Das Gesamteisvolumen der Westantarktis und der antarktischen Halbinsel besitzt ein Potenzial für einen eustatischen Meeresspiegelanstieg von 4,8 m. Die westantarktischen Eisströme rund um das Amundsen-Meer verzeichnen den größten Massenverlust der Antarktis (Abb. 1): Die Ausdünnungsraten des Pine-Island-Gletschers (PIG) ergeben gemittelt über ein Gebiet von der doppelten Größe Großbritanniens 10 cm pro Jahr, im Küstenbereich sogar von mehreren Metern pro Jahr. Seine Fließgeschwindigkeit hat sich seit 1970 verdoppelt. Oberflächliche Schmelzprozesse spielen hier eine untergeordnete Rolle, ein beträchtlicher Einfluss wird aber dem sich erwärmenden Ozean zugesprochen. Andere Gebiete der Westantarktis zeigen kein vergleichbares Verhalten. Das Gebiet rund um das Ross-Meer (siehe Abb. 3 rechts im Abschnitt „Antarktis“) bilanziert mit +34 (±8) Gigatonnen pro Jahr positiv. Das Gebiet um das Weddell-Meer zeigt für die letzten Jahrtausende ein stabiles Verhalten. Abb. 2: Links: Höhendifferenz der Oberfläche des antarktischen Eisschildes zwischen 1992 und 2003 (Sheperd und Wingham 2007). Rechts: Höhendifferenz der Oberfläche des antarktischen Eisschildes für das Jahr 2007 bezogen auf 2003. Seehöhen von mehr als 2500 m sind nicht dargestellt (Pritchard u.a. 2009). Man beachte die unterschiedlichen farblichen Skalierungen der zwei Abbildungen. Die Ostantarktis Die Ostantarktis ist das höchstgelegene, kälteste und trockenste (rund 50 mm Niederschlag pro Jahr) Gebiet der Antarktis. Der theoretische, eustatische Meeresspiegelanstieg der Ostantarktis beträgt 51 m. Die Veränderungen der Ostantarktis sind weniger dramatisch als jene der antarktischen Halbinsel und der Westantarktis. Der innere Bereich zeigte über die letzten Jahre ein Ansteigen der Oberfläche. Die möglichen Ursachen reichen von einem eventuellen Ansteigen des Niederschlags bis hin zu einer verspäteten Reaktion auf Klimaänderungen der Vergangenheit. Die einzigen zwei Gebiete mit eklatanten Veränderungen sind marine Eisschilde wie das Cook-Eisschelf und der Totten-Gletscher, die zuletzt Ausdünnungsraten von 25 cm pro Jahr zeigten. Aufgrund des Datenmangels ist unklar, ob diese Entwicklung erst in den letzten Jahren begann. Da es sich um großteils marine Eisschilde handelt, ist ein Einfluss des Ozeans ähnlich wie beim Amundsen-Gebiet denkbar. Die aktuelle Massenbilanz der Ostantarktis wird zwischen –4 und +61 Gigatonnen pro Jahr angenommen Grönland Wird Grönland grün? Wie stark nimmt die Eismasse Grönlands ab? Ist mit einem raschen und vollständigen Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes durch den Klimawandel zu rechnen? Was bedeutet „rasch“ für eine so große Eismasse? Das sind derzeit zentrale Fragen der weltweiten Klimaforschung, nicht nur weil diese Fragestellungen wissenschaftlich höchst spannend sind, sondern auch, weil ein Abschmelzen dieses zweitgrößten Eisschildes der Erde weitreichende Folgen für das globale Klima und für den Meeresspiegel hätte. Im Gegensatz zur Antarktis ist das Klima Grönlands um 10-15 °C wärmer und teilweise auch durch deutlich höhere Niederschläge geprägt. Jedoch sind die räumlichen Unterschiede des grönländischen Klimas sehr groß, die durch die große Nord-Süd Erstreckung und durch die verschiedenen Einflussfaktoren wie etwa der Westwindzone, polaren Ostwindzone und der dazwischenliegenden Polarfront sowie dem Grönlandstrom und dem Nordatlantikstrom zu verstehen ist. Die räumlichen Variationen des Klimas prägen die Massenbilanz Grönlands. Schließlich muss auch angeführt werden, dass Grönland nicht nur das Eisschild besitzt sondern auch eine sehr große Anzahl kleinerer Gletscher und Eiskappen. Mehrere Prozesse können eine Massenänderung eines Eisschildes bewirken. Für Grönland sind derzeit Veränderungen der Niederschlagsmengen im Winter (Akkumulation), der Schnee- und Eisschmelze im Sommer (Ablation) sowie Massenverluste durch eisdynamische Prozesse (Kalben) wesentlich. Während Änderungen der Akkumulation und Ablation recht gut abgeschätzt werden können, sind Veränderungen des Massenverlustes durch Kalben zwar gut messbar, werden aber derzeit noch nicht ausreichend gut verstanden. Durch das fehlende Wissen ob den Wirkungsmechanismus beim Kalben können zukünftige Veränderungen nur unzureichend modelliert werden. Allgemein muss auch erwähnt werden, dass die Zeitreihen der Massenänderung des Grönländischen Eisschildes sehr kurz sind (maximal bis in die 1950er Jahre zurück, wobei genauere Daten erst ab ca. 1970 existieren) und die Unsicherheiten im Vergleich zum Änderungssignal recht groß sind. Abb. 1: Zeitliche Entwicklung der schmelzenden Flächen des Grönlandischen Eisschildes. Man kann seit den 80er Jahren einen eindeutigen Trend in Richtung Zunahme der räumlichen Ausdehnung von Flächen des Grönländischen Eisschildes erkennen, die oberflächliche Schmelzvorgänge zeigen. (Steffen et al., 2008) Messergebnisse und Auswertungen von Satellitendaten zeigen eine Zunahme der im Sommer schmelzenden Schneeflächen (Abbildung 1). Das deckt sich mit Ergebnissen von Modellläufen mit Regionalen Klimamodellen die ebenfalls eine Zunahme der sommerlichen Schmelze seit den 1980er Jahren als Konsequenz einer Temperaturzunahme berechnen. Die Temperaturzunahme selbst ist jedoch schlecht durch Messungen belegt, da die Wetterstationen meist in Küstennähe und nicht auf dem Eisschild liegen. Neben der Zunahme der Schmelze wurde etwa zur Millenniumswende recht eindeutig ein generelles Beschleunigen mehrerer kalbender Gletscher (in Abbildung 2 für den Illulisatgletscher) beobachtet, die Eis des Eisschildes direkt ins Meer transportieren. Da die Gletscher in Grönland teilweise sehr hohe Geschwindigkeiten erreichen, ist diese Art des Massenverlustes wesentlich und macht einem Anteil von ca. 30-40% des Gesamtmassenverlustes aus. Als Ursache für das Beschleunigen werden zurzeit unterschiedliche Faktoren diskutiert: eine Abnahme der basalen (Grenze Gletscher/Gletscherbett) Reibung durch verstärkte Schmelzwasserführung; Veränderungen am Gletscherbett, die sich durch den Rückzug der Kalbungsfront ergeben; sowie Veränderungen der Eiseigenschaften durch den steigenden Energieeintrag des sich erwärmenden Meerwassers. Mittlerweile belegen Messungen für einzelne dieser „schnellen“ Gletscher wieder einen Rückgang der Fließgeschwindigkeiten. Die Anzahl der Studien zur Massenänderung des Grönländischen Eisschildes ist mittlerweile sehr groß und laufend kommen neue Studien hinzu. Der Großteil bezieht sich auf Auswertungen von Satellitenmessungen oder auf Ergebnisse von Modellierungen. Der generelle Trend der meisten Studien ist ähnlich und wird durch Abbildung 3 beschrieben. Die Masse des Grönländischen Eisschildes nimmt derzeit ab. Abb. 3: Massenbilanz des Grönländischen Eisschildes aus Beobachtungen und Rekonstruktionen. Besonders im letzten Jahrzehnt hat man negative Massenbilanzen beobachtet, des weiteren lässt sich ein negativer Trend im letzten Jahrzehnt erkennen. Die Symbole veranschaulichen unterschiedliche methodische Ansätze der Bestimmung der Massenbilanz. Der blaue Punkt steht für Ergebnisse aus Satelliten-Altimetrie Studien, das grüne Dreieck für GRACE Studien und das rote Quadrat für die dritte Methode der Massenbilanzierung von Eisschilden, die unter “Massenbilanz von Eisschilden” kurz zusammengefasst sind. (Jiang et al. 2010) Die Massenänderung des Grönländischen Eisschildes ist aus zwei Gründen sehr wichtig. Einerseits hat die Größe der Eisfläche einen Einfluss auf den Energieeintrag an der Erdoberfläche (Albedoeffekt) und andererseits wird durch Veränderungen der Eismasse derMeeresspiegel beeinflusst. Insgesamt hat das Grönlandische Eisschild ein Potential, denMeeresspiegel im globalen Mittel um ca. 7 m ansteigen zu lassen. Sehr schnell kommt man dabei zu der Frage, unter welchen Bedingungen das Eisschild zur Gänze abschmilzt und wie lange das brauchen würde. Dazu gibt es mittlerweile mehrere Studien. Interessant ist eine Analogie mit der Vergangenheit herzustellen. So weiß man aus den Eisbohrungen im Grönlandischen Eisschild, wo und zu welchem Zeitpunkt Eis vorhanden war und welche Temperatur zu diesem Zeitpunkt vorgeherrscht hat. Abbildung 4 zeigt, dass vor etwa 125.000 Jahren (Eem-Interglazial vor der letzten Eiszeit) die Temperatur um ca. 2-4 °C wärmer war als heute und dass zu diesem Zeitpunkt noch ein Teil des Eisschildes vorhanden war. Betreffend den groben Zeitrahmen für ein vollständiges Verschwinden des Eisschildes zeigen Modellüberlegungen, unter Annahme verschiedener Szenarien eines zukünftigen globalen Temperaturanstiegs, dass dafür zumindest mehrere Jahrhunderte bis Jahrtausende notwendig sind. Sollte das Grönländische Eisschild zur Gänze verschwinden, dann würde es sich unter heutigen Klimabedingungen nicht mehr aufbauen können. Abb. 4: Lufttemperatur (links) und die Eisdicken zur Zeit des Eem-Interglazials (vor ca. 125.000 Jahre) in Grönland. (IPCC 2007) Gebirgsgletscher Pasterze und Co im Rückzug Gebirgsgletscher gibt es auf allen Kontinenten der Welt, sie sind einer der besten Indikatoren des Klimawandels. Global ist vor allem ihr Beitrag zum Meeresspiegelanstieg wichtig, der im 21. Jahrhundert den Beitrag von Grönland und der Antarktis überwiegen wird. Nach den kontinentalen Eisschilden (Fläche > 50 000 km²) und den großen Eiskappen (< 50 000 km²) bilden Gebirgsgletscher die nächst kleinere Kategorie sich bewegender Eismassen. Gebirgsgletscher kommen weltweit aufgrund von Topographie und Klima in den unterschiedlichsten Größen und Formen vor (eine anschauliche Übersicht findet sich aufSwissEduc ): Von wenigen hundert Metern großen Kar- und Hängegletschern (z.B. Mieminger Schneeferner in Tirol, Eiskar in Kärnten (Abb. 1) oder Teile des Bisgletschers am Schweizer Weisshorn) über mehrere Kilometer lange alpine Talgletscher (z.B. Pasterze in Österreich (15 km) (Abb. 2), Aletschgletscher in der Schweiz (23 km)) bis hin zu Auslassgletschern der Antarktis und Grönlands (Abb. 3) (größter weltweit: Lambert Gletscher (Ostantarktis) 400 km lang, 100 km breit). Die Beiträge Gebirgsgletscher besprechen die Rolle dieser Gletscher im Klimasystem und die Auswirkungen der aktuellen Klimavergangenheit auf die Eismassen, mit Schwerpunkt auf die Alpengletscher. Abb. 1: Das schuttbedeckte Eiskar in den karnischen Alpen, als Beispiel für einen kleinen Kargletscher. Es ist ca.600 m breit und 300 m lang. (Foto: Gerhard Hohenwarter, ZAMG). Abb. 2: Österreichs größter Gletscher, die Pasterze als typischer alpiner Talgletscher mit einer Länge von 8 km und einer Breite von ca. 500 m. (Foto: Gernot Weyss, ZAMG). Abb. 3: Auslassgletscher der AP-Olsen Eiskappe in NO Grönland (74°N). An dieser Stelle hat der Gletscher eine Breite von 1.25 km, insgesamt ist er 10.5 km lang (von rechter bis linker Bildseite). (Foto: Gernot Weyss, ZAMG). Gebirgsgletscher reagieren empfindlich auf die äußeren Antriebe (z.B. mehr Schmelze durch stärkere Sonnenstrahlung und höhere Lufttemperatur oder mehr Akkumulation durch mehr Schneefall) als auch auf die internen Umsetzungen des Klimasystems (Wärmetransporte in den Ozeanen unterliegen Zyklen, welche die Zirkulationsmuster der Atmosphäre und somit die Verteilung von Hochs und Tiefs verändern) und interagieren mit ihm in Form diverserRückkopplungen (Schnee an der Gletscheroberfläche reflektiert bis zu 90% der einkommenden Sonnenstrahlung zurück in die Atmosphäre, aperes Gletschereis hingegen nur 20-40%). Dies macht Gebirgsgletscher zu den sichtbarsten Indikatoren einer Klimaveränderung. Die Grundlagen zur Erfassung und Interpretation vonGletscherveränderungen liefern die Messmethoden und physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Gletscherforschung. Im Gegensatz zu den großen kontinentalen Eisschilden (98.5% des globalen Eisvolumens bzw. 3.4% Bedeckung der Erdoberfläche) und dem Meereis (0.3% des Eisvolumens bzw. 5% der Erdoberfläche), hat die Existenz von Gebirgsgletschern mit einer weltweiten, räumlichen Ausdehnung von 760 000 km² (0.2% des Eisvolumens bzw. 0.1% der Erdoberfläche) deutlich schwächere Auswirkungen auf das globale Klima. Rückkopplungen (z.B. Eis-Albedo) mit dem Klimasystem sind global zu vernachlässigen, ihr Beitrag zum Meeresspiegelanstieg hingegen (geschätzte 2.5 cm in der Periode 1961-2005) wird voraussichtlich in der nahen Klimazukunft mit bis zu ca. 16 cm bis zum Jahr 2100 über den Beitrag der großen Inlandeismassen Grönland und Antarktis überwiegen. In den folgenden fünf Beiträgen erfahren Sie mehr zur Reaktion der Gebirgsgletscher auf ein sich änderndes Klima, zu ihrer regionalen Bedeutung im Alpenraum und zu ihrenVeränderungen seit der kleinen Eiszeit in Österreich. Aktuelle Zahlen zeigen wie viel heimisches Eis es noch gibt, das letzte Kapitel erläutert einige mögliche Zukunftszenarien der Alpengletscher. Aktuell Der Ist-Zustand der Gletscher in Österreich Der Massenverlust der heute ca. 900 Gletscher Österreichs, die im Mittel eine Eisdicke von etwa 38 m aufweisen, hat sich in der Periode 1997-2006 im Vergleich zu 1969-1997 erneut beschleunigt. Da für ca. 40% der Gletscherfläche auch die Eisdicke gemessen wurde, kann das Gesamtvolumen aller Gletscher Österreichs aber gut abgeschätzt werden. Die weltweiten Daten zu Gletscheränderungen werden beim World Glacier Monitoring Servicein Zürich gesammelt und publiziert. Der Zustand aller Österreichischen Gletscher (Flächen, Volumina und Änderungen) wird im sogenannten Österreichischen Gletscherinventar in Innsbruck quantitativ erfasst, dass es für die Jahre 1969, 1997 und teilweise schon für 2006 gibt. Der Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins bietet in jährlicher Auflösung Daten zu Längenänderungen von derzeit 96 Österreichischen Gletschern (Stand 2010), derHydrographische Dienst (HD) veröffentlicht Massenbilanzdaten von einigen ausgewählten Gletschern in Österreich in seinen Jahrbüchern, die es mittlerweile auch digital im Internet gibt. Für das Jahr 2006 wird derzeit auf Grundlage von sehr genauen Laserscandaten das neueste Inventar erstellt. Erste Ergebnisse für die Ötztaler Alpen zeigen, dass sich sowohl der Flächen- als auch der Volumensverlust in der Periode 1997-2006 im Vergleich zu 1969-1997 beschleunigt haben. Diese Beschleunigung spiegelt den seit 1980 besonders starkenTemperaturanstieg und Eintritt ins Treibhauszeitalter verzögert wieder, indem der Klimawandel vorherrschend anthropogen bedingt ist. Die neuesten Daten spiegeln auch die typischeGletscherKlima Reaktion wieder: Besonders kleine Gletscher haben sich weniger stark verändert als große. Sie konnten sich also einerseits bereits an das geänderte Klima anpassen, andererseits liegen sie im Mittel meist höher und haben geringere Abschmelzraten zu verzeichnen. Große Gletscher haben meist lange, niedrig gelegene Zungen mit noch sehr dickem Eis, was zu hohen Abschmelzraten und Volumensverlusten aber nur zu geringen Flächenverlusten führt. Aus diesem Grund sind in der Periode 1997-2006 die Volumensverluste deutlich stärker angestiegen als die Flächenverluste. Über die absolut in Österreich vorhandenen Eisvolumina weiß man weit weniger gut Bescheid als über die oben beschriebenen relativen Volumenänderungen zwischen zwei Zeitpunkten, die aus digitalisiertem Kartenmaterial bzw. Luftaufnahmen berechnet werden können. Das liegt am hohen Aufwand von Eisdickenmessungen, die in mühevoller Kleinarbeit für jeden Gletscher z.B. mit Radargeräten einzeln durchgeführt werden müssen um das Eisvolumen zu bestimmen. Für nur 60 der ca. 900 österreichischen Gletscher gibt es derartige Messungen. Da die meisten großen Gletscher erfasst wurden, ist das Volumen von immerhin 40% der Gesamtfläche aller Gletscher in Österreich bekannt. Österreichisches Gletscher-Inventar 1998 Anzahl Mittlere Eisdicke Fläche Volumen Ca. 900 Ca. 38 m 471 km² (1998) Ca. 17.7 km³ (1998) Tabelle 1: Kennzahlen zum Ist-Zustand der Österreichischen Gletscher (Österreichisches Gletscherinventar, Institut für Meteorologie und Geophysik, Univ. Innsbruck). TOP 3 der Österreichischen Gletscher (Stand 1998) Name Gebirgsgruppe Fläche (km²) Dickstes Eis (m) Pasterzenkees Glocknergruppe 18.4 275 Gepatschferner Ötztaler Alpen 17.7 (21.6)* 235 Obersulzbachkees Venedigergruppe 11 184 Tabelle 2: Kennzahlen der 3 größten Österreichischen Gletscher (*Die Grenze zu Italien verläuft auf dem Gepatschferner, der Österreichische Teil hat somit nur 17.7 km², der Gepatschferner ist daher die größte zusammenhängende Gletscherfläche mit Teil in Österreich (21.6 km²). (Österreichisches Gletscherinventar, Institut für Meteorologie und Geophysik, Univ. Innsbruck) Zukunft Wie lange gibt es noch Alpengletscher? Die kleinen und mittleren Gletscher werden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verschwunden sein, die großen, in stark verkleinerter Form, das 22. Jahrhundert noch erleben. Die österreichischen Gletscher werden aufgrund der geringeren Gipfelhöhen früher abschmelzen als die im Mittel höhergelegenen Gletscher der Westalpen. Wie sich die Alpengletscher in Zukunft verhalten werden, hängt einerseits davon ab, wie dick ihr Eis ist, wie stark der jeweilige Gletscher mit dem momentanen Klima im Ungleichgewichtist und davon, wie sich die treibenden meteorologischen Faktoren wie Strahlung,Lufttemperatur , Wind und Niederschlag über längere Zeit verändern werden. Im jetzigenTreibhauszeitalter ist das vor allem eine Funktion der Entwicklung der Menschheit, ihrer Wirschaftstätigkeit und ihrer Lebensweise. Detaillierte Gletschermodelle , die das gesamte Gletschersystem und seine Wechselwirkungen erfassen können, also sowohl die Fließdynamik des Eises, die Gestaltung des Eisuntergrundes und andere Faktoren wie die Schuttbedeckung und Strahlungsexposition der Eisoberfläche, sind sehr rechenaufwendig und können daher momentan nur für einzelne Gletscher angewendet werden. Daher muss man sich für Zukunftsszenarien von Gletschern oft mit einfacheren, aber gut durchdachten, zumeist statistischen Methoden behelfen. Eine davon wurde vom World Glacier Monitoring Service (WGMS) in Zürich erarbeitet. Sie koppelt Änderungen von Temperatur und Niederschlag aus IPCC Szenarien an der Gleichgewichtslinie(GGL) der untersuchten Alpengletscher mit der noch aktiven Gletscherfläche, ausgehend von Massenbilanzdaten der Periode 1971-90. Alle oberhalb der neuen GGL verbleibenden Gletscherflächen stellen das neue Nähr- oder Akkumulationsgebiet des Gletschers dar. Steigt die GGL über das Gipfelniveau des Gletschers an, verliert er sein Nährgebiet und besteht bald nur noch aus blankem Eis ohne Nachschub und Neubildung von Eis. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Eisreste wegschmelzen. Je nachdem wie dick das Eis ist, können noch Jahre vergehen, oder bei großen Gletschern noch Jahrzehnte. Zu den Ergebnissen dieser Studie (Abb. 1): Wenn wir die durchaus plausible Modellwelt des IPCC Szenarios A1B als Grundlage nehmen, landen wir in der Mitte des 21. Jahrhunderts bei noch 37% bis 56% verbleibender, aktiver Gletscherfläche in den Alpen, je nachdem ob der Niederschlag ab- oder zunimmt. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts ist dann noch 13% – 20% der Fläche gegenüber dem Ende des 20. Jahrhunderts vorhanden. Abb. 1: Diagramm zur Abschätzung der künftigen Entwicklung der Alpengletscher. Die erwartete Temperaturänderung kann entlang der horizontalen Achse verändert werden, die 6 verschiedenfarbigen Ganglinien stehen für unterschiedliche Niederschlagsentwicklungen. An der vertikalen Achse kann die resultierende verbleibende Fläche mit aktiven Gletscher-Nährgebieten abgelesen werden (in % des Basiswertes 1971-1990, für den Gletscherhöhenmodelle aller Alpengletscher existieren). Zwei plausible Zustände für die Alpen in der Mitte und gegen Ende des 21. Jahrhunderts wurden hervorgehoben (IPCC-Modellwelt A1B, mit gut 1.5° C Temperaturerhöhung bis 2050 und 3.5° C bis 2100), wobei die sicherere Temperaturerwartung als Fixwert angenommen, die unsicherere Niederschlagserwartung zwischen -10% und +10% variiert wurde. (Zemp 2006) Vergleicht man die einzelnen Alpenländer, so erweisen sich die Schweizer Gletscher als am stabilsten, gefolgt von den italienischen, französischen, österreichischen und den deutschen. Österreich steigt durch die im Schnitt geringeren Gipfelhöhen gegenüber den Westalpen wesentlich ungünstiger aus, mit nur mehr 20% bzw. 7% aktiver Gletscherfläche zur Mitte bzw. Ende des 21. Jahrhunderts. Alpine Eisriesen wie der Aletschgletscher, der Rhonegletscher, die beiden Grindelwaldgletscher, Mer de Glace, Glacier des Bossons, Gepatsch- und Hintereisferner, die Sulzbachkeese und die Pasterze werden allesamt im 22. Jahrhundert auch noch da sein, wenn auch in stark verkleinerter Form. Abb. 2: Links: Karte der potentiell verbleibenden aktiven Nährgebiete der Pasterze nach unterschiedlich starken Temperaturzunahmen. Von +1° C bis +5° C gegenüber dem Mittel 1971-1990. (Quelle: Zemp, 2006, angepasst und umgezeichnet). Rechts: Der Rückgang der vergletscherten Fläche des Goldbergkeeses von 2003 bis 2020 bzw. 2050. Abschätzung auf der Basis der Massenbilanzen 1992-1998, der Eisdickenkarte 2003 und unter der Annahme einer vernachlässigbaren Fließgeschwindigkeit. Das Szenario beinhaltet einen weiteren linearen Temperaturanstieg bis zu Verhältnissen, die um das Jahr 2100 denen des Sommers 2003 entsprechen, für den es eine gemessene Massenbilanz gibt. Der Niederschlag wurde im Modell nicht verändert. (Böhm et al. 2007). Für Österreich bedeutet das ein vergleichsweise langes Leben für die großen Talgletscher im Vergleich zu den mittelgroßen bis kleinen Gebirgsgletschern. Mögliche Zukunftszenarien berechnet mit unterschiedlichen Methoden für einzelne große und kleine Gletscher zeigt Abbildung 2 für Pasterze und Goldbergkees und Abbildung 3 für Fernauferner und Gepatschferner. Abb. 3: Ursprüngliche Gletscherfläche für das Jahr 2006 und Abschätzung zukünftiger Gletscherausdehnungen auf Basis der Eisdickenkarte 2006, der Höhenänderung 1997-2006 und einer Empfindlichkeit der Massenbilanz in Abhängigkeit der Temperatur für a) Gepatschferner (Fläche 2006: 16.6 km²) und b) Fernauferner (Fläche 2006: 1.5 km²). Der Niederschlag wurde nicht verändert. Das Jahr 2050 entspricht ungefähr den Szenarien 2006 +1° C bis +2° C, das Jahr 2100 den Szenarien 2006 +3° C bis +4° C. (Olefs et al., 2009) Das Schmelzwasser der Gletscher wird in den kommenden Jahren aufgrund stärkerer Schmelze (höhere Temperaturen) weiter zunehmen, dann aber einem gewissen Zeitpunkt aufgrund der steten Verkleinerung der noch vorhandenen Eisfläche wieder abnehmen. Berechnungen zeigen, dass dieser Zeitpunkt für die kleinen bis mittelgroßen Gletscher in ca. 40-60 Jahren, für die großen in ca. 70-90 Jahren erreicht sein könnte. Meeresspiegel Zu ernst für vereinfachte Antworten Zu den ernsthaftesten und langfristigsten globalen Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels gehört der Anstieg des Meeresspiegels. Anscheinend ist das Problem so klar wie einfach: Es wird wärmer und der Meeresspiegel steigt. Es gibt jedoch eine Fülle von Details, die berücksichtigen werden müssen, wenn man die globalen und überraschenderweise auch regional unterschiedlichen relativen Meeresspiegelanstiege für die Vergangenheit rekonstruieren, für die Gegenwart messen und für die Zukunft abschätzen will. Die Wissenschaft ist somit gerade auf diesen Forschungsfeldern in höchstem Maß gefordert, um nicht den „Kassandras“ auf der einen und den „Abwieglern“ auf der anderen Seite das Feld überlassen zu müssen. Sie sind in der öffentlichen Debatte gerade dann immer dominant, wenn die rationale Wissenschaft noch keine fundierten Antworten auf entscheidende Zukunftsfragen anbieten kann. Einen fiktiven, besonders alarmistischen Roman hat etwa Risto Isomäki geschrieben (2005, deutsch 2008), in dem große Teile des grönländischen Inlandeises von einem Tag auf den anderen ins Meer stürzen und der darauf folgende Megatsunami die halbe Menschheit vernichtet. Forschungsbedarf als Nahrung für Unseriosität Seriöser aber leicht sarkastisch ist Böhm (2010) mit dem Thema umgegangen. Fantastische und sehr suggestive Bild- und Filmbeiträge liefert auf seiner Website „ Extreme Ice Survey “ James Balog. Gewarnt wird jedenfalls vor den simplifizierten, oft auch falschen und meistens völlig unbelegbaren Aussagen, die zu diesem noch ungelösten Thema bereits angeboten werden. Als anregende Worte zu diesem diffizilen Thema, in dem die Problematik der öffentlichen Wahrnehmung – meist geprägt durch Medien und Politik – von wissenschaftlichen Ergebnissen zu Tage tritt, ist der Rat von André Gide sicher passend: „Glaube denen, die die Wahrheit suchen – und zweifle an denen, die sie gefunden haben.“ Gerade auf einem Gebiet, an dem die Wissenschaft derzeit intensiv arbeitet, gibt es noch wenig Populärwissenschaftliches. Um sich selbst ein unabhängiges Bild zu machen, ist der mühevolle Weg durch die Fachliteratur unumgänglich. Die folgenden drei Abschnitte erleichtern diesen Weg durch Vergangenheit, Gegenwart und möglicher Zukunft der Höhe des Meeresspiegels. Gegenwart Die Ursachen des aktuellen Anstiegs im Detail Über die Veränderungen des Meeresspiegels in den letzten beiden Jahrhunderten liegen Messungen in höherer zeitlicher und räumlicher Auflösung vor. Sie sind eine Notwendigkeit, wenn man die lebhaften regionalen Unterschiede in Rechnung stellt, die den Begriff „globaler Meeresspiegelanstieg“ stark relativieren. Die isostatische Ausgleichshebung übertrifft momentan stellenweise den aktuellen Meeresspiegelanstieg. In Helsinki etwa zeigen langjährige Messreihen ein Absinken des Meeresspiegels um 25 cm relativ zum Festland während des 20. Jahrhunderts. In Schottland betrug die relative isostatische Landhebung im 20. Jahrhundert regional bis zu 60 cm, während in Teilen Südenglands und der französischen Kanalküste das Land in einer Gegenbewegung um 40 bis 60 cm absank. Die absinkenden Bereiche zeigten keine Eisbedeckung während der letzten Kaltzeit. Diese gegenläufigen dynamischen Prozesse in unmittelbarer Nachbarschaft kann als Wippeneffekt der kontinentalen Lithosphäre verstanden werden. Skandinavien steigt, Südengland sinkt Im 19. Jahrhundert wurde das Pegelnetz in den Seehäfen allmählich global und gegen Ende des Jahrhunderts dicht genug, um die regionalen Unterschiede durch die Dynamik des Festlands festzustellen. Erst seit den frühen 1990er-Jahren erlauben Präzisionsmessungen von Satelliten (1993–2002 TOPEX, seither Jason) flächig die tatsächliche Höhe des Meeresspiegels zu bestimmen („Ocean Surface Topography“). Es bestätigte sich dadurch endgültig, dass der Meeresspiegel selbst alles andere als „eben“ ist. Räumlich und zeitlich variable Phänomene wie das Gravitationsfeld der Erde und Meeresströmungen formen die Topografie der Ozeanoberfläche, die Höhendifferenzen im Meterbereich aufweist. Diese Höhendifferenzen spielen sich somit in etwa der gleichen Größenordnung ab wie der erwartete klimabedingte Meeresspiegelanstieg in der Zukunft. Die Meeresoberfläche ist nicht flach Die aktuellsten Rekonstruktionen aus Pegel- und Satellitenmessungen des Verlaufs des globalen, mittleren Meeresspiegelanstieges seit 1870 zeigt die linke Zeitreihe von Abbildung 1. Insgesamt ist in den letzten 140 Jahren der Meeresspiegel also um etwa 22,5 (±2,5) cm angestiegen. Der Anstieg war nicht regelmäßig, sondern es gab zwei Zeitspannen mit Anstiegsraten von nur rund 1 mm pro Jahr und zwei mit 2,5 bis 3 mm pro Jahr. Ursachen des aktuellen Meeresspiegelanstiegs entschlüsselt Der zweistufige Verlauf des Meeresspiegelanstieges erinnert an das, was vom globalen Verlauf der Lufttemperatur in der instrumentellen Periode her bekannt ist. Insgesamt verliefen jedoch bis in die jüngste Vergangenheit alle Erklärungsversuche des Zusammenhangs erfolglos. Der Meeresspiegelanstieg war zu stark im Vergleich zu der Summe seiner bis dato quantifizierten Ursachen (Komponenten). Eine erste geschlossene, plausible Erklärung für die letzten 50 Jahre gaben erst im Jahr 2008 Domingues u.a. Die Basis ihres Ansatzes war die Zerlegung des integralen Meeresspiegelanstieges in fünf Komponenten (Abb. 2). Die Summe der einzelnen Komponenten ergab den gesamten, beobachteten Meeresspiegelanstieg und stellt somit eine geschlossene Wasserbilanz dar. Nicht rekonstruiert werden konnten jedoch die dekadischen Variationen des Meeresspiegels. Der Grund dafür wird in den noch vorhandenen Unsicherheiten zu den quantitativen Anteilen und Variationen der globalen Eismassen und der tiefen Ozeanschichten vermutet. Abb. 2: Die fünf Komponenten, anhand deren der rezente Meeresspiegelanstieg plausibel erklärt werden kann. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die thermische Ausdehnung seichter (0–700 m, rot) und tiefer (unter 700 m, orange) Ozeanschichten, den Zufluss der schmelzenden Eisschilder (Grönland und Antarktis, blau), den Zufluss der der schmelzendenGletscher und Eiskappen (grau) und schließlich die Wassermengen, die kurz- bis mittelfristig auf dem Festland gespeichert bzw. freigegeben werden (Schneedecke, Permafrost, Stauseen, Trockenlegung von Feuchtgebieten, Förderung von fossilen Wasserquellen usw., dunkelgrün) (Domingues u.a. 2008). In ihrer Arbeit bezifferten Domingues u.a. für die untersuchte Zeitspanne 1961–2003 den Anteil der thermischen Expansion der seichten Ozeanschichten sowie der schmelzenden Gletscher und Eiskappen am Meeresspiegelanstieg mit jeweils etwa 20 mm. Die genaue Daten-Analyse lieferte dabei einen etwa 50 % höheren Trend für die thermische Expansion der seichten Ozeanschichten als berechnete Trends aus früheren Arbeiten. Die thermische Expansion der seichten Ozeanschichten und das Schmelzwasser der Gletscher und Eiskappen sind somit für das Gros des rezenten Meeresspiegelanstiegs verantwortlich. Die berechneten Anstiegsraten dieser zwei Hauptkomponenten sind 0,5 (±0,1) mm pro Jahr für die thermische Expansion der seichten Ozeanschichten und 0,5 (±0,2) mm pro Jahr für die schmelzenden Gletscher und Eiskappen. Für die Anstiegsrate der schmelzenden Gletscher und Eiskappen in den letzten zehn Jahren (1993–2003) des Beobachtungszeitraums konnten sie eine beschleunigte Rate von 0,8 (± 0,2) mm pro Jahr feststellen. Unterschätze temperaturbedingte Ausdehnung des Ozeanwassers Die Anstiegsrate für die tiefen Ozeanschichten wurde für den untersuchten Zeitraum (1961–2003) mit 0,2 (±0,1) mm pro Jahr angenommen, wobei dieser Wert aufgrund der nur spärlich vorhandenen Daten zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen ist. Für das grönländische bzw. antarktische Eisschild geben Domingues u.a. eine Rate von 0,1 (±0,1) bzw. 0,2 (±0,4) mm pro Jahr an, wobei wieder auf die Unsicherheiten bezüglich dieser Zahlenwerte hinzuweisen ist. Die Beiträge des auf dem Festland gespeicherten oder freigegebenen Wassers sind in Summe null. Nur kurzfristigere Einflüsse wie das lokale Minimum von etwa –5 mm in den kühlen 1970er-Jahren sind zu erkennen. Der Grund war die Speicherung von Wasser in Form von Schnee am Festland, der den Sommer überdauerte. Aber auch eine rege Bautätigkeit von Stauseen in den 70er-Jahren war mitverantwortlich. Die Summe aller Einzelkomponenten dieser Analyse ergibt somit für den Zeitraum 1963–2003 eine Anstiegsrate des Meeresspiegels von 1,5 (±0,4) mm pro Jahr. Vergleicht man dazu die tatsächlich in dem Zeitraum beobachtete Anstiegsrate des Meeresspiegels von 1,6 (±0,2) mm pro Jahr, so lässt sich die relativ hohe Qualität dieser Analyse erkennen. Aufbauend auf Analysen dieser Qualität ist erst ein naturwissenschaftlich begründeter Blick in die Zukunftmöglich und zulässig. Zukunft Die Höhe des Anstiegs ist nicht ausgemacht Zur Abschätzung des zu erwartenden, global gemittelten Meeresspiegelanstieges im 21. Jahrhundert, wird auf berechnete Zukunftsszenarien von Klimamodellen zurückgegriffen, die auf die standardisierten Emissionsszenarien aufbauen. Dabei kommen gekoppelte Atmosphäre-Ozean Klimamodelle sowie regionale Klimamodelle zum Einsatz. Letztere bieten die Möglichkeit, den nicht zu vernachlässigenden, regionalen Variationen der verschiedenen Küstengebiete gerecht zu werden. Die Erwartungen für den global gemittelten Meeresspiegelanstieg des 21. Jahrhunderts stellen sich zurzeit so dar, wie sie der 4. Sachstandsbericht des IPCC formuliert hat und wie es detaillierter in Church u.a. (2010) beschrieben ist: Von den Komponenten des globalen Meeresspiegelanstieges ist für den weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts zunächst eine weitere Dominanz der thermischen Expansion der seichten Ozeanschichten und der Gletscherund Eiskappenschmelze zu erwarten. Der große Beitrag der Gletscher- und Eiskappenschmelze wird jedoch gegen Ende des Jahrhunderts aufgrund der Abnahme der vergletscherten Flächen verloren gehen. Die thermische Ausdehnung der seichten Ozeanschichten wird zur alleinigen Hauptkomponente des Meeresspiegelanstieges werden. Aber auch die tieferen Ozeanschichten werden weiterhin einen geringen, kontinuierlichen Beitrag liefern. Die genaue Quantifizierung des Beitrags der tieferen Ozeanschichten ist noch mit Unsicherheiten verbunden, die nur durch vermehrte hochqualitative Messungen verringert werden können. Der Prozess der in die tieferen Ozeanschichten vordringenden Wärmewelle würde sich auch bei einem Abklingen der globalen Erwärmung fortsetzen. Unsicherheitsfaktor Kalbungsrate Große Unsicherheiten in den Meeresspiegel-Zukunftsszenarien liegen noch im Verhalten der Inlandvereisungen Grönlands und der Antarktis. Grundlegende Ursache dieser Unsicherheiten ist das noch unvollständige Wissen über die für den Meeresspiegelanstieg entscheidenden Prozesse wie das Kalben der Ausflussgletscher der Eischilde in die Ozeane (Abb. 1 und 2). Die Massenbilanzen der Eisschilde der Antarktis und Grönlands) sind momentan noch mit großen Fehlerbalken versehen. Erst durch ein detailliertes Prozessverständnis kann man diese Prozesse in Modelle packen und somit wissenschaftlich legitime Zukunftsszenarien berechnen. Abb. 1: Links: Ein ins Meer kalbender Gletscher in Ostgrönland zwischen Scoresbysund und Zackenberg (Foto: B. Hynek). Rechts: Der Prozess des Kalbens selbst, festgehalten beim Kronebreen im Nordwesten Spitzbergens (Fotos: A. Buras, pers. Mitteilung von A. Chapuis). Im Bewusstsein dieser Probleme wurde im letzten IPCC-Bericht aus dem Jahre 2007 eine 95 %-ige Wahrscheinlichkeit eines mittleren Meeresspiegelanstiegs zwischen 18 und 59 cm im 21. Jahrhundert angegeben. Dieser weite Unsicherheitsbereich liegt nicht nur an den beschriebenen Unsicherheiten sondern auch an den unterschiedlichen Emissionsszenariensowie der Unsicherheit der Klimamodelle selbst. Für den noch in den Modellen überhaupt nicht vertretenen Prozess eines Ansteigens der Kalbungsraten aufgrund einer verstärkten Eisdynamik der Eisschilde wurde vom letzten IPCC-Bericht ein möglicher zusätzlicher Meeresspiegelanstieg von 10 bis 20 cm nach besten Wissen und Gewissen abgeschätzt. Vergleicht man die Zahlen des letzten IPCC-Berichts mit den Zahlen jüngerer Arbeiten, so bewegen sich die IPCC Ergebnisse im unteren Bereich. Pfeffer u.a. (2008) berechneten unter der Annahme einer zukünftigen, beschleunigten Eisdynamik einen maximal möglichen Meeresspiegelanstieg zwischen 0,8 und 2 m bis zum Jahr 2100. Die Berechnungen von Jevrejeva u.a. (2010) liefern einen Meeresspiegelanstieg bis 2100 zwischen 0,6 und 1,6 m. Ganz aktuelle Zahlen aus dem laufenden EU-Projekt ice2sea bewegen sich zwischen 0,5 und 1,4 m Meeresspiegelanstieg bis 2100. 18 cm oder 2 m? Bedenkt man, dass weltweit etwa 160 Millionen Menschen in Regionen leben, die sich weniger als 1 m über dem Meeresspiegel befinden, so lassen sich die globalen Konsequenzen in etwa erahnen. Das Auftreten von etwa 100-jährigen oder 1.000-jährigen Flutwellenereignissen wird sich dem Meeresspiegelanstieg entsprechend häufen. Für die Adaptierung von Küstenschutzbauten ist es daher etwa eine entscheidende finanzielle Frage, die weltweit über Milliarden an Geldern entscheidet, ob sie um 0,2, 0,6 oder sogar 1 m erhöht werden müssen. Abb. 2: Zwei der gigantischen Eisberge, die vom Sermeq Kujalleq (früher Jakobshavn Isbrae) bei Ilulissat in Westgrönland ins Meer gekalbt sind. Dieser größte aller grönländischen Eisbergproduzenten hat in Jahren 2004 und 2005 seine Fließgeschwindigkeit fast verdoppelt und dadurch dazu beigetragen, dass man auf die Probleme der Eisdynamik der Eisschilde aufmerksam wurde. Die Frage, ob die Ursache dieser Beschleunigung die derzeitige Klimaerwärmung ist, kann nicht vollständig beantwortet werden (Fotos: R. Böhm). Insgesamt ist der breite Unsicherheitsbereich für diese vielleicht bedeutungsvollste aller Folgeerscheinungen des Klimawandels im Hinblick auf die notwendigen Anpassungsmaßnahmen sicher unbefriedigend. Auf Seiten der Wissenschaft wird daher zurzeit mit Nachdruck an den offenen Fragen wie der Eisdynamik Grönlands und der Antarktis gearbeitet. Jüngste Veröffentlichungen von Messdaten und dazugehörigen Modellrechnungen geben bezüglich der Gefahr von katastrophalen „Eisausbrüchen“ auf Grönland oder eines plötzlichen „Aufschwimmens“ des unterhalb der Meeresoberfläche aufsitzenden westantarktischen Eisschildes eine vorsichtige Entwarnung. Auf die Fachliteratur zu diesem spannenden Stück Wissenschaftsgeschichte wird besonders hingewiesen. Schnee Abnahme der Schneedecke mit Folgen Die saisonale Schneedecke bedeckt zur Zeit des Wintermaximums durchschnittlich 47 Millionen km², wovon 98% auf der Nordhalbkugel liegen. Die Schneedecke reagiert sehr empfindlich auf Klimaänderungen, wobei sie durch die Fähigkeit Sonnenenergie zu reflektieren und Wasser zu speichern auch in Wechselwirkung mit dem Klima steht. Aufgrund des Einflusses der Schneedecke auf den globalen Energie- und Wasserhaushalt, spielt ihre räumliche Ausdehnung eine wichtige Rolle für das Klima. Frischer, weißer Schnee reflektiert 80% – 90% der Sonneneinstrahlung, im Vergleich dazu reflektieren Vegetation oder Boden nur 10% bis 20%. Nimmt die räumliche Ausdehnung der winterlichen Schneedecke ab, wird weniger Energie ins Weltall reflektiert und anstatt dessen von der schneefreien Erdoberfläche absorbiert. Dieser zusätzliche Energieeintrag trägt zu einer Erwärmung der Erde und somit des Klimas bei. Ein wärmeres Klima hat wiederum weniger Niederschlag in fester Form und eine geringere Schneedeckendauer zur Folge.Dieser sich selbst verstärkende Prozess wird mit Albedo-Rückkopplung bezeichnet und gehört zur Gruppe der positiven Rückkopplungen des Klimas. Am wirksamsten ist die Albedo-Rückkopplung in den polaren Gebieten. Bedenkt man jedoch, dass momentan im Winter immerhin 30% der Nordhalbkugel von Schnee bedeckt ist (Abbildung 1), erhält man eine Idee des noch vorhandenen Potentials dieses sich selbst aufschaukelnden Effekts. Abb. 1: durchschnittliche mittlere Schneebedeckung in mm Wasseräquivalent auf der Nordhalbkugel im Jänner (1988-2003) (links) und Juli (1988-2002) (rechts); (Quelle: NSIDC) Eine weitere wichtige Eigenschaft des Schnees ist die des Wasserspeichers: Über den Winter wird Wasser in der Schneedecke zurückgehalten, welches bei der Schneeschmelze langsam über Tage und Wochen wieder freigegeben wird. Das Schmelzwasser kann damit gut in den Untergrund eindringen, füllt die Grundwasserspeicher und versorgt den Boden, der damit für die kommende Wachstumsperiode gerüstet ist. Ein Winter mit wenig Schnee zieht oft Probleme in der Landwirtschaft und Wasserversorgung durch die Trockenheit von Böden und tiefe Grundwasserstände nach sich. Eine Schneedecke verhindert im Winter zusätzlich ein Abstrahlen der gespeicherten Bodenwärme in die vergleichsweise kühlere Atmosphäre. Sie fungiert somit als guter Isolator und schützt die Pflanzen vor Frost. Der Schnee befindet sich bei den in den Alpenländern üblichen Wintertemperaturen häufig nahe seinem Schmelzpunkt und ist dadurch sehr klimasensitiv. Auch zum Leidwesen desWintertourismus in Österreich ist in Lagen unter 1000 m ein Ansteigen des flüssigen Anteils am winterlichen Gesamtniederschlag deutlich messbar. Seit den 90er Jahren fällt zum Beispiel in Kitzbühel im Tal (790 m) in der Wintersaison ungefähr gleich viel Regen wie Schnee (Abbildung 2). Abb. 2: langjährige Niederschlagszeitreihen für (790m, rechts). Dünn: Einzeljahre, Dick: 20jährig geglättet, (Böhm 2008) Südlich des Alpenhauptkammes wurde in Österreich die größte Abnahme sowohl an Tagen mit einer Schneedecke als auch in der Schneemächtigkeit gefunden (siehe Abbildung 3). Eine Erklärung bieten die Langzeittrends der Temperatur und des Niederschlags für Österreich von 1900 – 2009. Generell wurde seit 1900 eine Zunahme der Temperatur um ca. 1,5°C für ganz Österreich festgestellt. Zusätzlich wurde südlich des Alpenhauptkammes auch eine deutliche Niederschlagsabnahme im Winterhalbjahr um ca. 20% beobachtet. Diese beobachtete Niederschlagsabnahme ist wahrscheinlich auf eine Änderung der winterlichen Wetterlagen, genauer gesagt auf eine Abnahme der Südanströmungen (z.B.: Genua-Tief), zurückzuführen. Dieser Trend in Richtung einer Niederschlagsabnahme im Winter ist für die Gebiete nördlich des Alpenhauptkammes nicht zu erkennen. Abb. 3: Differenz der Schneedeckendauer und Differenz der Schneehöhe zwischen den 20järigen Perioden 18961916 und 1980-2000, (Jurkovich 2008) Fließgewässer Wie reagieren die Flüsse? Das Klimasystem ist sehr stark mit den Vorgängen im Wasserkreislauf verwoben. Die Flüsse als Teil dieses Systems sind in ihrem Abflussverhalten im Wesentlichen geprägt durch die Klimakomponenten Niederschlag und Temperatur. Die starke Verknüpfung zwischen dem Wasserkreislauf und dem Klima lässt sich am deutlichsten mit der Wasserbilanzgleichung ausdrücken: A = N – V ± ∆S A … Abfluss N … Niederschlag V … Verdunstung ∆S … Änderungen im Speicher Der Abfluss an der Oberfläche wird im Wesentlichen durch die klimatologischen Größen Niederschlag und Verdunstung sowie durch Änderungen in den Speichern (Grundwasserkörper) bestimmt. In Abbildung 1 sind die aktuellen Trends (1976–2007) der jährlichen und jahreszeitlichen Niederschlagssumme auf Basis von homogenisierten HISTALP-Datenreihen dargestellt. Die etwas ungewöhnliche Trendperiode resultiert zum einen aus pragmatischen Gründen der Datenverfügbarkeit, zum anderen aus der Tatsache, dass ab den späten 1970er-Jahren der anthropogene Treibhauseffekt voll zum Tragen kommt (siehe Artikel „Klimaantriebe im Vergleich“). Im Norden mehr, im Süden weniger Niederschlag Ein leicht steigender Trend der Jahresniederschlagssumme lässt sich dabei nördlich des Alpenhauptkamms feststellen, abnehmende Niederschläge in den südlichen Regionen und in Vorarlberg, wobei diese nicht signifikant sind. Im Frühjahr ist das Muster ähnlich, wobei die abnehmenden Trends im Süden nicht stark ausgeprägt sind. Die Sommermonate sind von generell zunehmenden Niederschlägen geprägt, mit wenigen Ausnahmen im Land Salzburg und in Vorarlberg. Der Herbst präsentiert sich ähnlich, allerdings sind die Trends eher schwach und statistisch nicht signifikant. Das deutlichste Trendsignal des Niederschlags zeigt sich in den Wintermonaten. Hier ist ein stark negativer Trend in Kärnten und in Teilen Salzburgs erkennbar, bundesweit nehmen die Winterniederschläge bis auf wenige Ausnahmen ebenso ab. Abb. 1: Trends der jährlichen (groß) und jahreszeitlichen (klein, in Schreibrichtung Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter) Niederschlagssumme für die Periode 1976–2007 in Prozent. Steigende Trends sind blau, fallende Trends rot und statistisch signifikante Trends mit einem + gekennzeichnet (Schöner u.a. 2010). In Abbildung 2 sind die Trends in den jährlichen und jahreszeitlichen Abflüssen dargestellt, wobei nur Flussabschnitte ohne bauliche Maßnahmen im Untersuchungszeitraum in die Darstellung einfließen. Der Jahresabfluss im Zeitraum von 1976 bis 2007 zeigt für 81 % der Pegelmessstellen keinen statistisch signifikanten Trend. Für bestimmte Gebiete lassen sich jedoch Trends ablesen. So zeigt sich beispielsweise im Süden ein fallender Trend, ebenso wie in Vorarlberg. Im östlichen Alpenraum sind positive Trends zu verzeichnen. Schwache Trends zu geänderten Abflüssen Die saisonalen Trends zeigen wieder deutliche Unterschiede zum Jährlichen. Im Frühjahr nehmen die Abflüsse im Süden signifikant ab, in allen anderen Landesteilen kommt es zu einer leichten – vor allem in den alpinen Gebieten signifikanten – Zunahme der Abflüsse. Im Sommer zeigt sich ein deutliches Ost-West-Gefälle mit positiven Trends östlich und negtiven Trends westlich einer Achse Linz-Graz. Eine Ausnahme bilden Pegel in großen Höhen wie beispielsweise in Tirol. Die Herbstmonate sind durch zunehmende Abflusstrends in alpinen Gebieten gekennzeichnet, in den niedriger gelegenen Gebieten sind keine eindeutigen Trends erkennbar. Dieses heterogene Muster ist im Winter über das gesamte Bundesgebiet erkennbar, lediglich im Bereich der Hohen Tauern zeigt sich ein positiver Trend im Abfluss. Abb. 2: Trends der jährlichen (groß) und jahreszeitlichen (klein, in Schreibrichtung Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter) Abflüsse für die Periode 1976–2007 in Prozent. Steigende Trends sind blau, fallende Trends rot, statistisch signifikante Trends durch große und insignifikante Trends durch kleine Kreise gekennzeichnet (Blöschl u.a. 2010). Der Niederschlag ist zweifelsfrei der Hauptfaktor für die Bildung von Oberflächenabfluss. Vergleicht man allerdings Abbildungen 1 und 2, so ergeben sich in einigen Gebieten gegensätzliche Trends. Ziemlich groß sind die räumlichen Unterschiede in den Sommermonaten, hier zeigt der Abfluss in weiten Teilen Österreichs einen negativen Trend. Dieser ist nicht allein durch den Niederschlag zu erklären, da dieser weitgehend positiv ist. Demgegenüber steht der Winter mit signifikant abnehmenden Niederschlägen, welche sich nicht im Abflussverhalten widerspiegeln. Die Trends in den Übergangsjahreszeiten präsentieren sich wesentlich homogener. Mehr Niederschlag – weniger Abfluss? Die beiden fehlenden Terme der Wasserbilanzgleichung, nämlich die Verdunstung und der Speicher, sind offenbar nicht zu vernachlässigen. So kann sich ein steigender Trend in der Verdunstung, verursacht durch höhere Temperaturen, negativ auf das Abflussverhalten auswirken. Will man einen vorsichtigen Blick in die Zukunft des Wasserkreislaufes auf Einzugsgebietsebene werfen, so ist man auf die Simulationsergebnisse aus regionalen Klimamodellen angewiesen. Eine Abschätzung über die Entwicklung von Temperatur, Niederschlag und Schneebedeckung findet sich im Artikel „Klimazukunft im Alpenraum“. Diese Daten gehen in Niederschlag-Abfluss-Modelle ein, welche zukünftige Abflussmengen an Pegelmessstellen berechnen. Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse erhöht sich, wenn man mehrere Methoden, die sich im Hinblick auf Daten und Annahmen unterscheiden, verwendet. Eine Zusammenschau der unterschiedlichen Ansätze hat zu folgenden Ergebnissen geführt: Zukünftige Änderungen des Abflusses Im Zeitraum 2021–2050 wird sich verglichen mit dem Zeitraum 1976–2007 der mittlere Jahresabfluss um weniger als ±5 % verändern. Die Niederschläge werden in Zukunft zwar leicht zunehmen. Die höheren Temperaturen sorgen aber für eine höhere Verdunstung, was sich negativ auf die Abflussmengen auswirkt. Im Südosten kann die Abnahme der jährlichen Abflüsse größer als 5 % werden, da in diesem Gebiet der Abfluss sensibler auf Änderungen der Lufttemperatur und des Niederschlags reagiert (Abb. 3). Grundsätzlich ist die natürliche Variabilität des mittleren jährlichen Abflusses zwischen den Jahren größer ist als die zufolge einer Klimaänderung im Zeitraum 2021–2050 zu erwartenden Änderungen. Abb. 3: Änderung des Jahresabflusses zwischen den Zeiträumen 1976–2007 und 2021–2050 in Prozent auf Basis dreier unterschiedlicher Modellierungsmethoden. Zunehmende Aflüsse sind blau, abnehmende Abflüsse rot dargestellt (Blöschl u.a. 2010, bearbeitet). Abflussmaxima verschieben sind Für ganz Österreich mit Ausnahme des Südens ist eine Erhöhung der Winterabflüsse um etwa 20 % zu erwarten. Im Osten ist möglicherweise eine Abnahme des Frühjahrsabflusses und im Westen eine Abnahme des Sommerabflusses um jeweils 10 bis 20 % zu erwarten. Das Abflussmaximum in den alpinen Regionen könnte sich etwas nach vor verschieben, von Mitte auf Anfang Juni. Im Süden ist mitunter ein späteres Abflussmaximum zu erwarten. Im nördlichen Alpenvorland verschieben sich die Abflussminima möglicherweise vom Winter in den Sommer. In Abbildung 4 ist die Veränderung des Abflussregimes an der Donau am Pegel Wien abgebildet. Im Szenario für den Zeitraum 2021-2050 sind im Winter höhere Abflüsse zu erwarten, im Gegensatz zum Frühjahr. Abb. 4: Verschiebung des Abflussregimes vom Zeitraum 1976–2006 (beobachtet grün, simuliert blau) zum Zeitraum 2021–2050 (rot) an der Donau am Pegel Wien (Blöschl u.a. 2010). Pflanzen und Tierwelt Die Vegetationsperiode verlängert sich Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur macht sich in mittleren und höheren Breiten durch eine Verschiebung des jahreszeitlichen Zyklus von Pflanzen und Tieren zu früheren Beginnzeiten im Frühling und zu einem späteren Ende der aktiven Zeit im Herbst bemerkbar. Der globale Temperaturanstieg schlägt sich neben nicht-biologischen Systemen wieKryosphäre und Hydrosphäre auch in (natürlichen und bewirtschafteten) biologischen Systemen nieder. Gut belegt ist die Wirkung der Temperaturzunahme auf die Biosphäre auf den Kontinenten der nördlichen Hemisphäre. Pflanzen und Tiere können auf Veränderungen des Klimas mit einer entsprechenden Änderung ihres saisonalen Zyklus, mit einer Änderung des Verbreitungsgebietes oder der Bestandsdichte, mit einer Veränderung ihrer Gestalt (z.B. Körpergröße) oder mit dem Aussterben reagieren. Blühbeginn, Insektenflug, Vogelzug Eine Reihe von Arbeiten zur Wirkung der Klimavariabilität auf die Biosphäre greift auf „phänologische“ Beobachtungen zurück, die sich mit dem jahreszeitlich bedingten saisonalen Zyklus von Pflanzen und Tieren beschäftigen. Dazu gehören gut erkennbare Erscheinungen wie Blattentfaltung, Blüte, Fruchtreife, Blattverfärbung, Blattfall, der Vogelzug oder das erste Erscheinen von Insekten im Frühjahr (Abb. 1). Abb. 1: Schneeglöckchen als Zeichen des Frühlingsbeginns (H. Scheifinger, ZAMG). Phänologische Beobachtungen weisen eine jahrhundertealte Tradition auf. Oft waren es Naturliebhaber, die den saisonalen Zyklus von Pflanzen und Tieren ihrer näheren Umgebung systematisch beobachteten und aufzeichneten. In Österreich begann die systematische Beobachtung 1851, als Carl Frisch an der neu gegründeten ZAMG ein phänologisches Beobachtungsnetz in der ganzen Monarchie ins Leben rief. Die Problematik des vom Menschen verstärkten Treibhauseffektes rückte die Phänologie als Klimaindikator ins Zentrum der Klimawirkungsforschung. Früher Frühling, später Herbst Langen phänologischen Beobachtungsreihen folgend hat sich in Europa und Nordamerika seit der Mitte des 20. Jahrhunderts der Blühbeginn und die Blattentfaltung um etwa 2,3 bis 5,2 Tage pro Jahrzehnt zu früheren Eintrittszeiten hin verschoben. Laubverfärbung und Laubfall traten hingegen immer später im Jahr ein (Abb. 2). Dadurch verlängerte sich die Vegetationsperiode um bis zu zwei Wochen. Abb. 2: Zeitreihen der Abweichungen diverser phänologischer Phasen in Deutschland in Verbindung mit Abweichungen der mittleren Frühlingstemperatur und des Nordatlantischen Oszillationsindex (NAO-Index) (Rosenzweig u.a. 2007). Mehrjährige globale Satellitenbeobachtungen von Vegetationsindizes und Analysen von Zeitreihen der CO 2Konzentration in der Atmosphäre bestätigen die Verlängerung der Vegetationsperiode. Auch in der Land- und Forstwirtschaft und im Obstbau machen sich die Auswirkungen des jüngsten Klimawandels bemerkbar, beispielsweise durch frühere Aussaat- und Erntetermine oder früheres Blühen von Obstgehölzen. In Westeuropa konnte beobachtet werden, dass das erste Auftreten und die Hauptflugzeit von Schmetterlingen früher eintritt. Ebenso verlängerte sich die Flugzeit von Insekten, die mehrere Generationen in einer Saison hervorbringen können. Die Ankunftszeiten von Zugvögeln und der Brutbeginn von Vögeln reagiert bereits auf den Temperaturanstieg, meist mit einer Verschiebung zu früheren Eintrittszeitpunkten. Frühere Ernte möglich Bei zahlreichen in Österreich beobachteten phänologischen Zeitreihen lässt sich eine gute Übereinstimmung des langfristigen Trends mit dem langfristigen Trend der Temperatur beobachten. Vor allem Fruchtreifephasen reagieren auf das erhöhte Temperaturangebot während der warmen Jahreszeit (Abb. 3; vgl. Artikel „Historische Archive“). Abb. 3: Vergleich zwischen einer Messreihe der Lufttemperatur (schwarz) und einer phänologischer Zeitreihe (rot). Bei der Messreihe handelt es sich um die mittlere Temperatur des Sommerhalbjahres in der nordöstlichen HISTALP -Region, relativ zum Mittel des Zeitraumes 1901–2000. Als phänologische Zeitreihe ist der Beginn der Fruchtreife des schwarzen Holunders ausgewählt. Die dicken Linien stellen die über 21 Jahre gleitenden Mittel dar (Auer u. a. 2007; phänologische Datensammlung der ZAMG). Wasserwirtschaft Mehr oder weniger Strom aus Wasserkraft? Der Mensch und seine Bedürfnisse sind in vielfacher Weise mit dem Wasserkreislauf verflochten. Er treibt Kraftwerke an, gewährleistet die Trinkwasserversorgung und das Gewerbe mit Brauchwasser. Dieser Kreislauf als integrativer Bestandteil des Klimasystems reagiert daher auf Veränderung des Klimas, was wiederum den Menschen als Nutzer des Wassers betrifft. Für Österreich als Land mit einem sehr hohen Anteil der Stromproduktion aus Wasserkraft ist die zukünftige Entwicklung der Wasserführung an den heimischen Flüssen von großem Interesse. Im Moment geht man von einem gesamten Wasserkraftpotenzial von etwa 118.000 GWh pro Jahr aus. Das Wasserkraftpotenzial wird dabei im Wesentlichen von den Faktoren Durchflussmenge und Höhendifferenz entlang der Flussstrecke bestimmt. Österreich ist von der Wasserkraft abhängig In Abbildung 1 ist die räumliche Verteilung des Wasserkraftpotenzials dargestellt. Es zeigen sich dabei große räumliche Unterschiede mit hohem Potenzial entlang der Donau und in alpinen Gebieten. In flacheren Gebieten Österreichs ist aufgrund der geringeren Höhendifferenz entlang der Gewässerläufe das Wasserkraftpotenzial kleiner. Abb. 1: Räumliche Verteilung des mittleren jährlichen Wasserkraftpotenzials in GWh pro Jahr und Flusskilometer für den Zeitraum 1976–2006 (Blöschl u.a. 2010a). Das Wasserkraftpotenzial ist nicht nur räumlich äußerst variabel, sondern auch zeitlich. Etwa 38 % des Potenzials sind im Sommer verfügbar, im Gegensatz dazu nur 14 % im Winter. Regionale Unterschiede in der saisonalen Verteilung sind zwar vorhanden, jedoch sind alle für die Wasserkraftnutzung wichtigen Gewässer in Österreich durch den Abfluss aus alpinen Einzugsgebieten dominiert, mit einem deutlichen Niederwasser im Winter und Abflussspitzen im Sommer. Dem entgegengesetzt steht die saisonale Verteilung des Inlandsstromverbrauchs, welcher aufgrund des Heizaufwandes im Winter seine Maximalwerte erreicht. Potenzial bleibt großteils unverändert Um die Änderung des Wasserkraftpotenzials in Zukunft abschätzen zu können, wurde auf die szenarienbasierte Simulation der zukünftigen Abflüsse zurückgegriffen. Die Änderungen des Wasserkraftpotenzials für den Zeitraum 2021–2050 im Vergleich zum Zeitraum 1976–2006 sind aufgrund der geringen Änderung der Abflüsse klein. Insgesamt wurde für Österreich eine Zunahme des Wasserkraftpotenzials von weniger als 1 % ermittelt. Die saisonalen Änderungen sind größer als die räumlichen. Im Sommer ist im Westen mit einer Abnahme des Potenzials um mehr als 10% zu rechnen, während im Winter eine Erhöhung des Wasserkraftpotenzials um etwa 15–20 % erwartet wird (Abb. 2). Abb. 2: Änderungen der jahreszeitlichen Verteilung des Wasserkraftpotenzials zwischen den Zeiträumen 1976– 2007 und 2021–2050 (Blöschl u.a. 2010a). Bessere Anpassung an Verbrauchsspitzen möglich In Abbildung 3 werden die saisonale Verschiebung und die Erhöhung des Winteranteils besonders deutlich, welche sich für alle Kraftwerke Österreichs abzeichnet. Dies könnte in Zukunft zu einer besseren Anpassung der Stromproduktion an die Verbrauchsspitzen im Winter führen und damit die Flexibilität der Kraftwerksbetreiber erhöhen. Abb. 3: Jährlicher Verlauf des Abflusses (links) und des ausgebauten Potenzials (rechts) für die Zeiträume 1976– 2006 (blau) und 2021–2050 (rot) für das Donaukraftwerk Altenwörth (Blöschl u.a. 2010a). Die Klimaszenarien zeigen, dass die Änderungen des Niederschlags in Zukunft eher gering ausfallen werden, mit regionalen Unterschieden. Aufgrund der hohen Wasserverfügbarkeit in Österreich ist daher auch kein nennenswerter Mangel an Wasser zu erwarten, abgesehen von Gebieten die heute schon mit Wasserknappheit zu kämpfen haben. Gesicherte Wasserversorgung für Haushalt und Industrie Der größte Teil des mit 60 % angegebenen Anteils der Industrie am Gesamtwasserbedarf in Österreich geht zu Lasten der Kühlwasserthematik und der Prozesswässer. Der Wasserverbauch durch Prozesswasser wurde in den letzten Jahren maßgeblich durch Kreislaufführung in den industriellen Anlagen verringert. Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich in Folge des Klimawandels die Entnahme von Prozesswasser erhöht. In thermischen Kraftwerken und anderen industriellen Anlagen ist der Abtransport von Wärme erforderlich. Dieser geschieht am effizientesten über Kühlwasser, solange keine unzulässige Erwärmung des kühlenden Gewässers beobachtet wird. Da in den nächsten Jahrzehnten mit einem Anstieg der Lufttemperatur gerechnet werden muss, kann es in langen sommerlichen Trockenperioden zu Überschreitungen der zulässigen Wassertemperatur kommen, was eine Reduktion des Wärmefrachteintrags nach sich ziehen muss. Dieses Problem wird vor allem die Regionen nördliches und östliches Weinviertel, Burgenland, südliche und östliche Steiermark, Kärnten und Osttirol betreffen. Tourismus Bedrohung für den Winter, Chance für den Sommer Direkte Auswirkungen auf den österreichischen Tourismus durch den Klimawandel sind durch weniger Schnee in den Schigebieten, höhere Wassertemperaturen der Badeseen, Gefährdungen durch Auftauen des Permafrostes zu erwarten. Die österreichische Wirtschaft ist stark tourismusabhängig. Hochsaison für den Tourismus sind der Kernwinter (Jänner und Februar) sowie der Hochsommer (Juli und August). Studien, die die Auswirkung des Klimawandels auf den Tourismus untersuchen, müssen Klimafolgen in den Zielgebieten (das sind die Gebiete wo Touristen hinfahren) aber auch die Klimaänderung in den Quellgebieten (das sind die Regionen, aus denen die Touristen kommen) berücksichtigen. Der Temperaturanstieg ist für alle Jahreszeiten zu erwarten. Direkte Auswirkungen auf die Tourismusbranche in den Zielgebieten Österreichs wären beispielsweise weniger Schnee in den Schigebieten, höhere Wassertemperaturen der österreichischen Badeseen, Gefährdung alpiner Wanderwege durch Auftauen des Permafrostes und oder auch Hangrutschungen. In den Quellgebieten könnten veränderte klimatische Voraussetzungen zur Wahl neuer Zielgebiete führen. So ist es vorstellbar, dass vermehrte sommerliche Hitze in südlichen Ballungszentren den Wusch für einen Urlaub in einem erfrischend „kühlen“ Alpental aufkommen lässt. Ebenso könnte die zunehmende Wärme in Österreich, das Verlangen nach noch mehr Sonne und Hitze im Süden Europas versiegen lassen. Entscheidend ist aber, inwieweit die Klimafolgen von anderen Größen wie wirtschaftlicher oder politischer Situation in den Hintergrund gedrängt werden. Unabhängig von allen gesellschaftspolitischen Problemen ist und bleibt es Aufgabe der Klimatologie touristisch relevante Klimakenngrößen für die Zukunft zu bestimmen. Diese müssen, bedingt durch die vertikale Gliederung Österreichs und Einflüsse von atlantischen, mediterranen und kontinentalen Luftmassen auf regionaler/lokaler Ebene und entsprechender zeitlicher Auflösung betrachtet werden. Es ist auch zu prüfen, ob die Zusammenhänge zwischen einzelnen Elementen linearer Natur sind, oder nicht. Der wohl wichtigste Parameter für den Winterfremdenverkehr ist der Schnee, der in engem Zusammenhang mit der Lufttemperatur steht. Der Temperaturanstieg hat allerdings in den verschiedenen Höhenstufen eine unterschiedliche Reaktion ausgelöst. Noch gibt es in der Dreitausenderregion ausreichend Schnee – nahezu 100% des Gesamtniederschlages fallen als Schnee, im Tal hingegen sind schon drastische Rückgänge zu beobachten, und die Variabilität von Jahr zu Jahr ist beträchtlich, – auf den schneereichen Winter 2005/2006 folgte der extrem schneearme Winter 2006/2007. Bei weiterem Temperaturanstieg wird sich der Schneeanteil am Gesamtniederschlag weiter verringern. Gletscherschigebiete sind unter dem Aspekt „Ganzjahresschilauf“ zu betrachten. Sie reagieren besonders im Sommer sensibel auf höhere Temperaturen. Das Ausbleiben sommerlicher Schneefälle schränkt nicht nur den Schibetrieb ein, es schadet den Gletschern insgesamt. Schneefälle schützen die Gletscher vor der Einwirkung der Sonnenstrahlung, da eine weiße Schneedecke bis zu 90% der Sonnenstrahlung reflektiert, das apere Eis nur 20 bis 30%. Wie die Abbildung 1 zeigt, ist bis gegen Ende des 21. Jahrhunderts mit weiterem drastischen Rückgang der sommerlichen Schneefälle in der Dreitausenderregion zu rechnen. Abb. 1: Prozentanteil des Schnees am Gesamtniederschlag in drei Seehöhenstufen der Region Hohe Tauern für das Mittel des 20. Jahrhunderts (blau), für die Zeit um 2000 (rosa) sowie für die Zeit um das Jahr 2100 (rot), (berechnet aus dem regionalen Temperatur-Szenario A1B und aus dem Zusammenhang zwischen dem Schneeanteil und dem Monatsmittel der Temperatur). (Auer et al. 2010) Auch ohne Schibetrieb (oder eben, weil sie keinen Schibetrieb gestatten) zählen die Gletscher zu den touristischen Attraktionen Österreichs. Auch um sie ist es im Klimawandel nicht gut bestellt: gegen Ende des 21. Jahrhunderts wird nur noch wenig vom einstigen „ewigen Eis“ zu sehen sein. Über die Reaktion der Gletscher im Klimawandel ist sehr viel im BeitragGebirgsgletscher zu lesen. Positive Chancen sehen die Studien für den alpinen Sommertourismus mit klimatischen Vorteilen gegenüber den Ebenen und städtischen Regionen Europas. Lagen über 1200 m bleiben in Österreich frei von Hitzestress. Abbildung 2 zeigt die mittlere Häufigkeit von Sommertagen (mittlere Zahl der Tage mit einem Temperaturmaximum von mindestens 25°C für die Periode 1961-1990) und im Vergleich dazu Zukunftsprojektionen für die Situation 2050 für drei ausgewählte Szenarien von Temperaturzunahmen. Man erkennt wie sich die Zahl der Sommertage ausgehend von den Flachlandregionen in Richtung größere Seehöhen ausbreitet. Selbst im Worst Case-Szenario bleiben die zentralalpinen Höhenlagen als „kühle Refugien“ bestehen. Badeurlauber werden sich zukünftig an höheren Wassertemperaturen und einer verlängerten Badesaison erfreuen können, da die Wassertemperaturen eng an den Verlauf der Lufttemperatur gekoppelt sind. Abb. 2: Mittlere Häufigkeit von Sommertagen (mittlere Zahl der Tage mit einem Temperaturmaximum von mindestens 25°C für die Periode 1961 – 1990) und vergleichend Zukunftsprojektionen für die Situation 2050 für Temperaturzunahmen von +1.4°C, 2.7°C und 4.8°C. (Krajasits et al. 2007) Das mögliche Auftauen von Permafrost im Hochgebirge und die damit verbundenen Gefahren für Mensch und Infrastruktur (Wege, Steige und Kletterrouten, Schutzhütten, Seilbahnstationen) sind für den Sommertourismus relevant. Die Zusammenhänge zwischen Lufttemperatur und Permafrost sind detailliert im Beitrag Permafrost beschrieben. Kaum beschäftigen sich die Studien mit den Auswirkungen eines geänderten Niederschlagsverhaltens auf den Tourismus. Die Abschätzung der zukünftigen Niederschlagsregime weist noch große Unsicherheiten auf, speziell was die räumliche und zeitliche Auflösung betrifft. Eine Zunahme von Starkregenereignissen in einem wärmeren Klima basiert auf der physikalischen Tatsache, dass eine wärmere Atmosphäre mehr verfügbares Niederschlagswasser enthalten kann. Auf welche Art und Weise dieses globale Mehr an Wasser in der Atmosphäre allerdings regional und lokal als Niederschlag fällt, ist durch regionale Klimamodelle zurzeit noch schlecht simulierbar. Wie schon eingangs erwähnt, sind aber für erfolgreiche Tourismusstrategien regionale und lokale Betrachtungsweisen in entsprechender zeitlicher Auflösung erforderlich. Wetterrekorde Der österreichische Hitzerekord: +39.7 Grad C Im Zuge einer zweiwöchigen Hitzewelle wurde am 27. Juli 1983 in Dellach im Drautal die österreichische Rekordtemperatur von 39.7 Grad C gemessen. Dass der österreichische Hitzerekord in Kärnten verzeichnet wurde, ist keine Überraschung. Im südlichsten Bundesland ist es zwar im Winter grimmig kalt, die Sommer jedoch gehören auch im Mittel zu den wärmsten Österreichs. Zur Enttäuschung der Klimastatistiker wurde auch damals nicht die anscheinend magische Grenze von +40 Grad überschritten. Zusammen mit dem Kälterekord vom Sonnblick von -37.4 Grad beträgt der gesamte Variationsbereich der Lufttemperatur in Österreich somit knapp 80 Grad. Der österreichische Kälterekord: -37.4 Grad Am 1. Jänner 1905 wurden auf dem Sonnblick die tiefsten Temperaturen Österreichs gemessen. Stürmischer Nordostwind brachte polare Kaltluft zum Alpenhauptkamm, und auf dem Sonnblick fiel die Quecksilbersäule 24 Stunden lang unter -30 Grad C. Der damalige Wetterbeobachter Alois Sepperer schrieb nach seinen Neujahrsgrüßen an die Kollegen in Wien: “…Bei uns war´s nicht gar rar; das Telephon kaputt, ausrücken auch nicht gut: die Kälte zu groß, die Thermometer zu kurz. Hygrometer und dreitägiger Hygrograph sind erkrankt vor Kälte, in unserem Zimmer fangen die Kirschen an den Wänden zu blühen an…” Mit seinen Sorgen wegen der “zu kurzen” Thermometer hatte Alois nicht unrecht, nur 2 Grad weniger, und das Quecksilber wäre in der Thermometersäule erstarrt. Der Extremwinter 1928/29 Die extremste Kältewelle des 20.Jahrhunderts in den besiedelten Gebieten Österreichs ereignete sich im Winter 1928/29, der Schwerpunkt war im Februar 1929. Die Temperaturregistrierung Wiens zeigt den Verlauf eines kontinentalen Kaltlufteinbruchs von Anfang Jänner bis Anfang März 1929. Mehr als 2 Monate hindurch lagen die Tagesminima der Lufttemperatur in Wien unter Null Grad, das Mittel des Februars war -10 Grad C. Auf dem Höhepunkt der Kältewelle, vom 10. bis 13. Februar wurden vier Tage hindurch jeweils -20 Grad C unterschritten, am 11. Februar wurden sogar -26.3 Grad C erreicht. An der meteorologischen Station in Stift Zwettl wurden an diesem Tag -36,6 Grad C gemessen. Die Folgen waren in Zeiten wirtschaftlicher Krise und Arbeitslosigkeit sehr ernst. Durch einen Eisstoß auf der Donau von Mohacs bis Melk war die Schifffahrt unmöglich, Kohle und Wasser waren knapp und die Kälte forderte zahlreiche Todesopfer. Der extreme Kälteeinbruch zu Neujahr 1979 Am 1. Jänner 1979 erlebten die Österreicher eine herbe Neujahrsüberraschung. Die gesamte Silvesternacht hindurch war es in den meisten Gegenden nördlich des Alpenhauptkamms mit rund +10 Grad C außergewöhnlich warm gewesen. Erst nachdem auch die letzte Silvesterfeier ihr Ende gefunden hatte, überschwemmte arktische Kaltluft das Land, und als nach Neujahrskonzert und Schispringen ein Blick auf das Thermometer riskiert wurde, traute so mancher seinen Augen nicht und glaubte wohl an Nachwirkungen des Alkohols der Silvesternacht, denn die Temperatur war um bis zu 25 Grad gefallen und bremste sich gerade bei -10 bis -15 Grad C ein. Nur die Oststeirer und Kärntner hatten noch etwas Zeit für einen Neujahrsspaziergang, hier schlug die arktische Kaltluft erst gegen Abend des 1. Jänner zu. In weiterer Folge floss die Kaltluft bis weit nach Italien hinein und sorgte dort für große Schäden an den nicht kälteresistenten Pinien und Olivenbäumen. Die 1990er Jahre – Änderung der Lufttemperatur gegenüber 1961-1990 Wird es wärmer, wird es kälter? Eine derzeit wohl häufig gestellte Frage. Dazu ein Vergleich des letzten Jahrzehnts (1991-2000) mit den Klimanormalwerten (1961-1990). Die Antwort fällt in Österreich sehr leicht, es ist sowohl auf den Bergen als auch in den Tälern wärmer geworden, im Tiefland leicht zu Gunsten des Minimums, auf den Bergen umgekehrt. Das Ausmaß der Erwärmung bewegt sich für die Halbjahresmittel zwischen 0.4 bis 0.8 Grad C, im Jahresmittel 0.6 bis 0.7 Grad C. Inwieweit sind nun die “menschlichen Aktivitäten” daran schuld, oder befinden wir uns noch im Rahmen der natürlichen Klimavariabilität, oder ist die Erwärmung auf beide Ursachen zurückzuführen? An der Beantwortung dieser Fragen arbeitet derzeit ein “Heer” der besten Wissenschaftler weltweit. Aenderung der Lufttemperatur 1991-2000 im Vergleich zu 1961-1990 APROKTJANSEP MÄR DEZ Österreichmittel, Tiefland mittleres +0.7°C +0.4°C +0.6°C Temperaturmaximum mittleres +0.8°C +0.6°C +0.7°C Temperaturminimum Österreichmittel, hochalpin mittleres +0.8°C +0.7°C +0.7°C Temperaturmaximum mittleres +0.7°C +0.6°C +0.7°C Temperaturminimum Markante Änderungen gewährt der Blick ins Detail, anhand des Beispiels der höchstgelegen Station Österreichs. Fast 2 Grad C wärmer als der Normalwert (1961-1990) war es am Sonnblick im Jänner, im August wurde der Normalwert um 1.5 Grad C übertroffen. Ein gegenteiliger Effekt zeigt sich hingegen im Herbst. Bei gleichzeitig übernormaler Bewölkung waren in den Monaten September bis November die Lufttemperaturen unternormal. Quelle: Zentralanstalt für Meteorologie und Klimaschutz, Abteilung Klimaforschung, Dr. Ingeborg Auer ist gebürtige Pörtschacherin und Abteilungsleiterin für Klimaforschung.