Blick ins staubige - Spektrum der Wissenschaft

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Welt der Wissenschaft: Radioastronomie
Blick ins staubige
Universum
Das wissenschaftliche Potenzial des Atacama Large Millimeter Array
Bald wird in den chilenischen Anden ALMA in Betrieb gehen. Dieses riesige
Interferometer für Submillimeterwellen ist ein gemeinsames Projekt europäischer,
nordamerikanischer und japanischer Partner. Es wird unter anderem ganz neue
Möglichkeiten eröffnen, die »Ursprünge« unserer Welt zu erforschen: die Geburt von
Planetensystemen und die ersten Wachstumsphasen der Galaxien.
Von Karl M. Menten und Friedrich Wyrowski
In Kürze
ó Erst der Standort von ALMA in
einer 5000 Meter hoch gelegenen
Wüste, wo die Luft dünn und
ßen Erfolg der beiden in Kalifornien ope-
große räumliche Ausdehnung
rierenden Millimeter-Interferometer, die
und
Fortschritte
vom California Institute of Technology
in der Detektortechnologie ma-
und der University of California at Berke­
chen das Atacama Large Millimeter Array
ley betrieben werden, mit der Planung
(ALMA) zu einem einzigartigen Instru-
eines »Millimeter Array«.
dramatische
extrem trocken ist, eröffnet den
ment: Beobachtungen im Millimeter- und
In Europa, wo etwas später die ersten
Zugang zur Submillimeterstrah­
Submillimeterwellenbereich werden mit
spektakulären Ergebnisse mit dem IRAM-
lung des kosmischen Staubs und
einer um mehrere Größenordnungen hö-
Interferometer auf dem Plateau de Bure
Gases.
heren Empfindlichkeit als bisher möglich
bei Grenoble erzielt wurden, diskutierten
sein. Und ALMAs Auflösungsvermögen
die Forscher in den frühen 1990er Jahren
vereinigt so viele Einzelantennen
wird sich mit jenem der größten, heute
über ein »Large Southern Array«; etwa zur
zu einer so großen, über ein so
an ihrer Beugungsgrenze betriebenen
gleichen Zeit begann in Japan die Konzep-
ausgedehntes Areal verteilten
optischen und Infrarot-Teleskope verglei-
tion eines »Large Millimeter and Submilli-
Sammelfläche.
chen lassen.
meter Array«.
ó Kein vergleichbares Instrument
ó Daraus ergibt sich eine gänzlich
Hier möchten wir das gänzlich neu-
Als Standort visierten alle drei Projekte
neuartige Abbildungsqualität
artige wissenschaftliche Potenzial dieses
die rund 5000 Meter hohe Atacama-Wüste
und ein räumliches Auflösungs­
Observatoriums vorstellen und illustrieren
im Norden Chiles an. Um Synergieeffekte
vermögen, das mit jenem der
dies anhand einiger Beispiele aus den ver-
zu nutzen – und weil die Anzahl der Basis-
modernsten Großteleskope mit
schiedensten Bereichen der Astronomie.
linien einer Interferometer-Anordnung,
adaptiver Optik im sichtbaren
Licht zu vergleichen ist.
28
E
ine riesige Sammelfläche, eine
Mai 2009
Ein internationales Projekt
und damit ihre Bilderzeugungskapazität,
etwa proportional zum Quadrat der An-
Seit mehr als zwei Jahrzehnten haben sich
tennenanzahl ist –, wurde 1999 für das
Astronomen in aller Welt über eine Inter-
europäische und das US-amerikanische
ferometeranlage der nächsten Generation
Projekt eine gemeinsame Entwurfs- und
für Radiowellen im Submillimeter- und
Entwicklungsphase beschlossen, mit dem
Millimeterbereich
gemacht.
Ziel, eine gemeinsame Interferometeran-
In den USA begann man in den frühen
lage (englisch: array) zu konstruieren und
1980er Jahren, motiviert durch den gro­
zu betreiben. Damit war das »Atacama
Gedanken
Sterne und Weltraum
ESO
Diese Computergrafik zeigt eine mögliche Anordnung der ALMA-Antennen.
Links vom zentralen Feld sind die elf eng zusammenstehenden Antennen des
ALMA Compact Array zu sehen, vorne rechts fährt einer der Transporter, mit
denen die Antennen versetzt werden.
Large Millimeter Array« (ALMA) geboren.
Wellenlängen hin zunehmenden Absorp-
aufgrund
Japan kam 2004 hinzu und steuert das
tion der Erdatmosphäre (siehe den Kasten
um ein Vielfaches. Für sehr weit entfernte
»ALMA Compact Array« (ACA) bei, das aus
»Submillimeter-Astronomie« auf S. 30),
Galaxien aus dem frühen Universum,
zwölf 7-Meter-Antennen und vier 12-Me-
ist für bodengebundene Beobachtungs-
deren Licht aufgrund der kosmischen Ex-
ter-Antennen bestehen wird.
instrumente der Bereich zwischen etwa
pansion stark rotverschoben bei der Erde
anderer
Strahlungsprozesse
Was ist die Motivation für ein solches
1,5 und 0,8 Millimeter Wellenlänge für
eintrifft, verschiebt sich dieses Maximum
Submillimeter-Interferometer wie ALMA,
Untersuchungen des kalten interstellaren
sogar vom fernen Infrarot in den Submil-
und welche Fähigkeiten können wir von
Staubs optimal.
limeter- und Millimeterwellenbereich, in
ihm erwarten? Das Potenzial von ALMA
Die thermische Emission des gesam­
dem die Absorption in der Erdatmosphäre
möchten wir anhand einiger wichtiger
ten interstellaren Staubs in einer Galaxie
wesentlich schwächer ist. Dadurch wird
Projekte aus den verschiedensten Ge-
erreicht das Maximum ihrer spektralen
die Abschwächung der Helligkeit der Gala-
bieten der Astronomie schildern. Diese
Energieverteilung bei etwa 100 Mikrome-
xien aufgrund ihrer Entfernung kompen-
Forschungsvorhaben sind mit heute ver-
ter Wellenlänge. Dieser Beitrag des Staubs
siert, und das Beobachten der Staubemis-
fügbaren Instrumenten völlig unmöglich,
zur gesamten Strahlung ist schon für nor-
sion von ULIRGs im frühen Universum
werden aber mit ALMA Routine sein.
male Galaxien bedeutend; für so genann-
wird zumindest an besonders günstigen,
te
das heißt hoch gelegenen und trockenen
Submillimeter-Astronomie
ultraleuchtkräftige
Infrarotgalaxien
(ULIRGs) übertrifft er die Energieabgabe
Standorten möglich.
Gewöhnliche Sterne strahlen den größten
Teil ihrer Energie im sichtbaren Licht und
im nahen Infrarot ab. Warmer interstel-
Zu diesem Beitrag stehen jedem Interes­
larer Staub mit Temperaturen zwischen
sierten auf unserer Internetseite www.
30 und einigen Hundert Kelvin strahlt
wissenschaft-schulen.de didaktische
im fernen Infrarot zwischen 30 und 200
Materialien zur freien Verfügung. Darin
Mikrometer Wellenlänge, kalter Staub
wird gezeigt, wie einige der hier ange­
mit Temperaturen unter 20 Kelvin strahlt
sprochenen Themen im Rahmen des Physikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe
vor allem im Submillimeterbereich mit
behandelt werden können. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir
Wellenlängen größer als 200 Mikrometer.
in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad
Wegen der starken Wellenlängenabhän-
durch. Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH großzügig gefördert.
gigkeit der Strahlung und der zu kürzeren
www.astronomie-heute.de
Mai 2009
29
Abgesehen vom interstellaren Staub
zirkumstellaren Hüllen der Roten Riesen-
Der Standort
leitet sich das Interesse der Astronomen
sterne. Insbesondere die Rota­tions­linien
ALMA wird gegenwärtig in der Atacama-
an Beobachtungen im Millimeter- und
des Kohlenmonoxid-Moleküls (CO), die
Wüste aufgebaut. Das ist einer der
Submillimeterwellenbereich
dem
sich in all diesen Umgebungen beobach-
trockens­ten Plätze der Erde und somit ein
Umstand ab, dass die Rotationsspektren
ten lassen, dienen routinemäßig dazu,
idealer Standort für Astronomie im Sub-
vieler astronomisch interessanter Mole-
die Molekülwolken in unserer Milch-
millimeterbereich. Erst der dort herr-
küle in diesem Bereich liegen. Anhand
straße und in anderen Galaxien zu kar-
schende ­extrem geringe Wasserdampfge-
der Moleküllinien im Submillimeter-
tieren. Denn das häufigste Molekül, der
halt der Atmosphäre macht diese für
bereich lässt sich eine Vielzahl astrono-
molekulare Wasserstoff, ist in normalen
Submillimeterstrahlung durchlässig. Der
mischer Objekte in einem weiten Bereich
Umgebungen nur schwer zu beobachten.
hervorragende weitläufige Standort auf
physikalischer Parameter untersuchen
Selbst in Galaxien im frühen Universum
dem Llano de Chajnantor, nahe San Pedro
– von den sehr kalten, dichten inneren Zo-
konnte man in den letzten Jahren CO
de Atacama (siehe die Karte unten rechts),
nen der Molekülwolken bis zu den heißen
nachweisen.
erlaubt
aus
Submillimeter-Beobachtungen
Submillimeter-Astronomie
D
er Submillimeterbereich des elektromagnetischen Spek­
unten rechts zu sehen ist, steigt die thermische Emission des
trums erstreckt sich von 300 Mikrometer bis 1 Millimeter
Staubs zum Submillimeterbereich hin stark an, daher lässt er
Wellenlänge. Das entspricht einer Frequenz der Strahlung von
sich dort optimal beobachten. Für die sehr weit entfernten und
300 Gigahertz bis 1 Terahertz. Dieser Bereich ist relativ wenig er­
deshalb stark rotverschobenen Galaxien aus dem frühen Univer­
forscht. Die Gründe dafür sind erstens die starke Abschwächung
sum verschiebt sich das Maximum der spektralen Energievertei­
der Submillimeterstrahlung in der Erdatmosphäre, vor allem
durch atmosphärischen Wasserdampf (siehe die Grafik unten),
lung sogar bis in den Submillimeterbereich.
Im Submillimeterbereich hat man Zugang zur Linienstrahlung
zweitens die im Vergleich zum Radiobereich deutlich schwie­
einer Vielzahl von Molekülen – hier eröffnete sich sogar ein neuer
rigere Empfangstechnik, und drittens die Notwendigkeit, relativ
Wissenschaftszweig, die Astrochemie. Im Gegensatz zu optischen
großflächige Teleskope mit hochgenauer Oberfläche zu bauen.
und Infrarotwellenlängen, in denen sich elektronische und Vibra­
Trotz dieser Schwierigkeiten ist der Submillimeterbereich für
tionsübergänge beobachten lassen, die zu ihrer Anregung relativ
Astronomen hochinteressant, denn er bietet die Möglichkeit, das
hohe Temperaturen benötigen, werden im Submillimeterbereich
»kalte Universum« zu erforschen: Im Submillimeterbereich lässt
hauptsächlich Rotationsübergänge von Molekülen beobachtet,
sich die thermische Emission von kaltem Staub erkunden; diese
zu deren Anregung Temperaturen von etwa 10 bis 100 Kelvin und
Emission ist im Submillimeterbereich noch »optisch dünn«, das
relativ geringe Dichten ausreichen. Da sich aus den gemessenen
heißt, die Astronomen können tief in die jeweiligen Objekte hin­
Spektren dieser Rotationsübergänge über den Dopplereffekt Ge­
einschauen und sehen nicht nur deren äußere Oberfläche, wie
schwindigkeiten ableiten lassen, kann damit die Kinematik kalter
es für »optisch dicke« Quellen der Fall wäre. Wie in der Grafik
astronomischer Objekte studiert werden.
104
Frequenz in Gigahertz
400
600
800
HIRES
1000
1000
60
40
20
0
300
450
850
3000
Wellenlänge in Mikrometer
Im Diagramm ist die Durchlässigkeit der Atmosphäre an ALMAs
APEX
100
MSX
10
SEST
Friedrich Wyrowski / SuW-Grafik
Niederschlagswasser
0,3 mm
0,6 mm
1,0 mm
Flussdichte in Jansky
80
200
N. Schneider, J. Urban, Ph. Baron 2009 / SuW-Grafik
Transmission in Prozent
100
0
1
GLIMPSE
0,1
70 Kelvin
300 Kelvin
0,01
1
10
100
1000
104
Wellenlänge in Mikrometer
So ist die spektrale Energieverteilung einer massereichen
Standort als Funktion der Beobachtungsfrequenz oder -wellenlänge
Sternentstehungsregion verteilt: Die Kurven sind ein Fit
für unterschiedlichen Wasserdampfgehalt dargestellt. Die drei
mit zwei Temperaturkomponenten von 70 und 300 Kelvin
Kurven entsprechen Bedingungen, die während 25 Prozent (schwarz),
an die beobachteten Intensitäten. ALMA wird im Bereich
50 Prozent (rot) und 75 Prozent (blau) der Zeit vorherrschen.
der APEX-Messpunkte (rot) operieren.
30
Mai 2009
Sterne und Weltraum
fast zu jeder Zeit, und ­die Antennen lassen
sich auf einer bis zu hundert Qua­drat­
kilometer großen Fläche optimal aufstellen. Längere Basislinien von bis zu 20 Kilometern sind möglich, indem benachbarte
ALMA- und IRAM-Interferometer im Vergleich
H
ier werden die grundlegenden Parameter von ALMA mit jenen des aus sechs
Antennen bestehenden IRAM-Interferometers verglichen, das heute in vieler
Hinsicht das leistungsfähigste Instrument seiner Art ist. ALMA vereint auf einem we­
Areale einbezogen werden.
Die Inbetriebnahme von ALMA an die-
sentlich größeren Areal mit 54 größeren und 12 kleineren Antennen eine wesentlich
sem Standort wird eine Revolution in der
größere Sammelfläche, und seine Empfänger besitzen eine weit größere Bandbrei­
Submillimeter-Astronomie bewirken und
te. Die Kombination von modernster Empfängertechnologie und hervorragendem
eröffnet völlig neue Bereiche der Wellen-
Standort resultiert in einer 100-fach höheren Empfindlichkeit für Kontinuumstrah­
längenüberdeckung, räumlichen Auflö-
lung im Vergleich zu den besten heute existierenden Instrumenten.
sung, Empfindlichkeit und Abbildungstreue. Ein weites Spektrum von zum Teil
miteinander
konkurrierenden
ALMA und IRAM im Vergleich
Forde-
rungen nach höchster Empfindlichkeit
und Winkelauflösung wird dadurch abge-
Antennen
Sammelfläche
Längste Basislinie
Höchste Winkelauflösung
Frequenzüberdeckung
Wellenlängenbereich
Bandbreite
Höhe
deckt, dass sich die Einzelantennen in den
verschiedensten Konfigurationen anordnen lassen. Transportiert werden die Antennen mit speziellen Fahrzeugen. Ein
Beispiel für eine relativ kompakte Anordnung ist auf Seite 29 dargestellt.
ALMA
IRAM-Interferometer
54 3 12 m + 12 3 7 m
6600 m2
18 km
0,01 Bogensekunden
84 – 950 GHz
0,32 – 3,57 mm
2 3 8 GHz
5000 m
6 3 15 m
1060 m2
750 m
0,3 Bogensekunden
80 – 267 GHz
1,12– 3,75 mm
2 GHz
2500 m
Submillimeter-Interferometrie
Im Folgenden werden wir die wichtigsten
Beobachtungstechnik
größten Radiointerferometer für Zenti-
Weil die heutigen Millimeter-Interfero-
beschreiben, indem wir einerseits die
meterwellen, oder mit den großen, mit
meter aus nur wenigen Teleskopen beste-
Beschränkungen gegenwärtiger Interfero-
adaptiver Optik versehenen optischen
hen, erfordert die Kartierung (»Imaging«)
meter und andererseits die neuen Mög-
Teleskopen erreichbare Auflösung. Das
komplexer Helligkeitsverteilungen mit der
lichkeiten von ALMA schildern.
bessere Auflösungsvermögen durch wei-
nötigen »Dynamik«, das heißt mit einem
Aspekte
dieser
Das Beobachten im Submillimeter-
ter ausein­ander liegende Teleskope wird
hinreichend hohen Verhältnis von Signal
bereich ist mit den heute existierenden
durch die schlechte Phasenkohärenz an
zu Rauschen, dass dieselbe Quelle hinter­
Interferometern nur sehr eingeschränkt
den herkömmlichen Standorten begrenzt.
ein­ander in verschiedenen Konfiguratio­
oder überhaupt nicht möglich, weil sie
ALMA kann eine Auflösung besser als 20
nen beobachtet wird. Dazu bewegt man die
an relativ niedrigen Standorten stehen,
Millibogensekunden erreichen; das ist
Antennen auf Schienen, folglich multipli-
wo erhebliche atmosphärische Absorp-
vergleichbar mit der Beugungsgrenze
ziert sich die insgesamt erforderliche Beob­
tion herrscht und die Phasenkohärenz
eines Acht-Meter-Teleskops im sichtbaren
achtungszeit. Die exzellente »Schnapp­
schlecht ist. Weiterhin sind die Oberflä-
Licht.
schuss«-Qualität, die das VLA in nur
chen ihrer Reflektoren für den Empfang
kurzwelliger Strahlung meist zu ungenau
gefertigt. An dem für ALMA ausgesuchten
0
Laguna Verde
50 km
San Pedro
de Atacama
Standort werden die Transparenz der
Atmosphäre und die Phasenkohärenz
herrschen, die Beobachtungen in allen
Submillimeterfenstern ermöglichen. Für
die Antennen des ALMA-Interferometers
Ata
cam
a
de
lar
exzellente atmosphärische Bedingungen
Chajnantor
(ALMA)
Antofagasta
Sa
sich, dass während der Hälfte der Zeit
Pazifischer Ozean
seit vielen Jahren gemessen, und es zeigt
ng
el
es
ist eine Oberflächengenauigkeit von 25
sA
Mikrometern notwendig, die für einen
de
lo
effizienten Betrieb bei allen Wellenlängen
terwellen-Interferometern
erreichbare
räumliche Auflösung beträgt etwa 0,5
Cerro Paranal
(VLT)
W
lla
N
O
ESO / SuW-Grafik
Die höchste mit heutigen Millime-
Co
rd
i
oberhalb 300 Mikrometer ausreicht.
S
Bogensekunden. Das ist mehr als eine
Größenordnung schlechter als die mit
Die Standorte des ALMA-Interferometers (oben rechts) und des Very Large
dem Very Large Array (VLA), dem weltweit
Telescope (VLT, unten links) liegen im Norden Chiles.
www.astronomie-heute.de
Mai 2009
31
ESO
Die technischen Gebäude des »Array Operations Site« befinden sich auf dem ChajnantorPlateau. Links ist das APEX-Teleskop mit dem Cerro Chajnantor im Hintergrund sichtbar.
wenigen Minuten Beobachtungszeit er-
hochgelegenen Plateau auf ein Minimum
Nach den Beobachtungen werden alle
reicht, ergibt sich aus der großen Anzahl
zu reduzieren, wird am Rande der Hoch­
Daten zu den ALMA-Büros in Santiago de
von Basislinien (351) bei diesem Instru-
ebene, auf 2900 Meter Höhe, ein Basislager
Chile übertragen, wo neben der Verwal-
ment. Die 1225 Basislinien von ALMA ge-
eingerichtet, die so genannte »Operation
tung auch das Datenarchiv angesiedelt
währleisten eine hohe Dynamik und er-
Support Facility« (OSF), wo sich die Anten-
sein wird. Die Schnittstellen zwischen
möglichen ein extrem schnelles Imaging.
nen zusammenbauen, testen und regelmä-
dem ALMA-Projekt und den Astronomen
ßig warten lassen. Für den Transport der
in Nordamerika, Europa und Fernost bil-
Infrastruktur und Betrieb
Antennen vom Basislager zum Chajnantor-
den so genannte ALMA Regional Centers
Neben dem eigentlichen Standort der Tele-
Plateau und zurück entstand eine fast
(ARCs). In Europa ist das zentrale ARC bei
skope auf dem Chajnantor-Plateau, dem so
autobahnbreite, 43 Kilometer lange Schot-
ESO in Garching geplant und wird durch
genannten »Array Operations Site« (AOS,
terstraße, auf der die Antennen mit großen
Außenstellen in sechs weiteren europäi­
siehe das Bild oben), wo die Teleskope und
Spezialtransportern befördert werden (sie-
schen Ländern verstärkt.
auch technische Gebäude mit dem Korre-
he Bild unten). Von der OSF aus wird man
lator, der die Signale der einzelnen Anten-
auch die Beobachtungen durchführen. Hier
APEX, der Wegbereiter
nen zusammenführt, entstehen, umfasst
finden alle direkt mit den Beobachtungen
Bevor wir die wissenschaftlichen Mög-
das ALMA-Projekt noch andere wichtige
zusammenhängenden wissenschaftlichen
lichkeiten von ALMA beschreiben, wollen
Komponenten. Um die Arbeiten auf dem
Aktivitäten statt.
wir APEX, das »Atacama Pathfinder Experiment«, vorstellen. Mit diesem ZwölfMeter-Teleskop für Beobachtungen im
Submillimeter-Bereich sind schon heute
Untersuchungen möglich, die ALMA später
mit seiner hohen räumlichen Auflösung
weiterführen und vertiefen kann.
APEX wird von der Max-Planck-Gesellschaft, der Europäischen Südsternwarte
ESO und dem schwedischen Onsala Space
Observatory unter Leitung des MaxPlanck-Instituts für Radioastronomie in
Bonn betrieben. Das Teleskop (Bild rechts
oben) steht auf der Chajnantor-Hochebene in der chilenischen Atacama-Wüste, wo
auch ALMA errichtet wird.
ó Kalter Staub in der Milchstraße: Die
Beobachtung der kontinuierlichen thermischen Strahlung des kalten Staubs bie-
ESO
tet einen optimalen Zugang zu den frühesten Phasen der Sternentstehung in der
Milchstraße. Zwar beobachtete man in
Der Transporter für die einzelnen Antennen von ALMA ist zehn Meter lang
den letzten Jahren einzelne Molekülwol-
und sechs Meter hoch.
ken mit Hilfe neu entwickelter Bolometer
32
Mai 2009
Sterne und Weltraum
Reihe von Filamenten bis zu einer Länge
schnitten mit den neuen Multi-Element
von mehreren Grad. Einzelne kompakte
Bolometer-Kameras wie SCUBA am James-
Quellen sind Verdichtungen in Molekül-
Clerk-Maxwell Telescope auf Mauna Kea
wolken, in denen entweder bereits Sterne
und unserem »Max Planck Millimeter
Bolometer Array« (MAMBO) am IRAM-30-
stellen, aus dem sich künftig Sterne und
Meter-Teleskop zur Entdeckung von eini-
Sternhaufen bilden werden. Diese Klum-
gen Dutzend Quellen. Bei ihnen handelt
pen sind typischerweise einige Lichtjahre
es sich höchstwahrscheinlich um hoch
groß, und ihre Massen liegen im Durch-
rotverschobene (z > 1) ultraleuchtkräftige
schnitt bei einigen hundert Sonnenmas-
Infrarotgalaxien (ULIRG), deren Infrarot-
sen. Oft bilden die Klumpen größere, durch
Leuchtkraft mehrfach höher ist als dieje-
Filamente verknüpfte Komplexe. Die voll-
nige der archetypischen ULIRG Arp 220.
ständige Durchmusterung wird mehrere
Die neue Bolometerkamera LABOCA am
zehntausend kalte Staubquellen enthalten
APEX-Teleskop ist ideal für großflächige,
Das APEX-Teleskop steht auf der Chajnan-
und eine für das Studium der Entstehung
hochempfindliche Kartierungen. Damit
tor-Hochebene in der Atacama-Wüste.
massereicher Sterne und Sternhaufen aus-
wird die Statistik für Submillimeter-
gezeichnete statistische Basis bilden. Viele
Galaxien nochmals erheblich verbessert.
dieser neu gefundenen Quellen werden
Außerdem bereiten diese Beobachtungen
und Bolometerkameras, aber es gibt noch
lohnende Objekte für nachfolgende hoch-
den Weg für detaillierte Studien dieser
keine vollständige Kartierung des kalten
auflösende Studien mit ALMA sein.
Quellen mit ALMA.
insbesondere zum Studium der Entste-
ó Galaxienentstehung im frühen Uni-
grammen wird APEX seinem Namen als
hung massereicher Sterne erforderlich.
versum: Eine der interessantesten Entde-
Wegbereiter gerecht: Es hat bereits und
Die Entstehungsphase dieser Sterne ist
ckungen der Submillimeter-Astronomie
wird noch viele weitere astronomische
viel kürzer als diejenige massearmer
war der zweifelsfreie Nachweis einer
Objekte entdecken, die sich im nächsten
Sterne – deshalb lassen sich nur wenige
Submillimeter-Hintergrundstrahlung,
Jahrzehnt in allen Einzelheiten mit ALMA
Beispiele beobachten. Schon die Frühpha-
die sich mittlerweile, ähnlich wie der
studieren lassen.
sen massereicher Sternentstehung zu lo-
Röntgenhintergrund, auf diskrete Quel-
kalisieren, ist besonders schwierig – dies
len in größtenteils kosmologischen Ent-
gelingt nur mit Hilfe systematischer
fernungen zurückführen lässt. Große
Beispiele für die Wissenschaft
mit ALMA
Durchmusterungen. Das Verständnis der
Massen warmen Staubs erzeugen diese
Mit seiner überragenden Empfindlichkeit
Entstehung massereicher Sterne ist aber
Emission. Da der Staub von heißen, mas-
und seinem Auflösungsvermögen wird
für viele Bereiche der Astronomie von
sereichen, und deshalb kurzlebigen Ster-
ALMA in praktisch allen Feldern der As-
entscheidender
diese
nen aufgeheizt wird, ist seine Wärme-
trophysik bahnbrechende Beobachtungen
Sterne während ihres gesamten, wenn
strahlung ein direktes Maß für die
ermöglichen.
auch kurzen Lebens heftig mit dem inter-
Sternentstehungsaktivität in der Quelle.
Die optimale wissenschaftliche Aus-
stellaren Medium in Wechselwirkung
Die Beobachtung einer statistisch signifi-
sagekraft wird erreicht, wenn in den ver-
treten und so das Erscheinungsbild gan-
kanten Anzahl solcher Quellen zeigte,
schiedenen Wellenlängen, bei denen die
zer Galaxien auf vielfältige Weise prägen.
Einen Ausschnitt aus dem bisher kar-
dass alle Ableitungen der Sternentste-
untersuchten Objekte strahlen, Beobach-
hungsrate im frühen Universum, die al-
tungen mit vergleichbarer räumlicher
tierten Gebiet der Milchstraße zeigt das
lein auf optischen Daten wie dem Hubble
Auflösung vorliegen. Im Submillimeter-
Bild unten. Neben zahlreichen kompakten
Deep Field (HDF) beruhen, diese Rate er-
Bereich wird ALMA an das Auflösungs-
Quellen
heblich unterschätzen.
vermögen der optischen Großteleskope
Wyrowski/MPIfR
entstehen, oder die das Rohmaterial dar-
Staubs. Eine solche Kartierung ist aber
Bedeutung,
unterschiedlichster
da
Auch mit diesen Beobachtungspro-
Helligkeit
Im Laufe der letzten Jahre führten Kar-
herankommen, deshalb wird der kombi-
Emissionsgebiete zu erkennen sowie eine
tierungen von begrenzten Himmelsab-
nierte Einsatz von ALMA und dem Very
Dieser Ausschnitt aus der mit APEX
durchgeführten Kartierung der Milchstraße
zeigt die Emission des kalten Staubs über
etwa vier Grad der galaktischen Ebene in
Richtung des Norma-Spiralarms.
www.astronomie-heute.de
ATLASGAL / Frederic Schuller, MPIfR
sind auch schwächere, ausgedehntere
Mai 2009
33
stätigten die Verteilung der Albedostruk-
hundert Kilometer von ALMA entfernt
turen.
auf dem Cerro Paranal steht (siehe die
Im Bereich der Millimeterwellenlän-
Karte auf Seite 31), entscheidende Fort-
gen erforschte das Pluto-Charon-System
schritte mit sich bringen.
ALMA wird heute noch unerreichbare
unter Verwendung des IRAM-30-Meter-
Ergebnisse zu Fragestellungen aus ver-
Teleskops. Diese Beobachtungen deuteten
schiedenen Gebieten der Astronomie lie-
auf eine überraschend niedrige Hellig-
fern, die von unserem Sonnensystem bis
keitstemperatur hin, nur wenig unterhalb
hin zur Kosmologie reichen. Obwohl sich
der Gleichgewichtstemperatur. Der tat-
ALMA auch hervorragend für großflächige
sächliche Wert der Temperatur ist wichtig
Kartierungen eignet, haben wir vorwie-
für alle Modelle von Plutos Atmosphäre,
gend Beispiele ausgewählt, die seine exzellente Empfindlichkeit für Punktquellen
da die Sublimationstemperaturen ihrer
plausiblen Bestandteile (CH4, N2 und CO)
demonstrieren, das heißt für Objekte, die
im fraglichen Bereich liegen.
Antennenkeule
zuerst Wilhelm Altenhoff im Jahr 1988
0,1 Bogensekunden
Eine numerische Simulation von ALMA-
nur wenige bis einige Dutzend Auflösungs-
ALMA kann die Temperaturverteilung
elemente groß sind.
Im Submillimeterbereich hängt die für
auf Plutos Oberfläche direkt kartieren. Bei
Beobachtungen zeigt eine zirkumstellare
einer Wellenlänge von 0,7 Millimetern
Akkretionsscheibe, in der sich ein Jupiter-
das Erreichen einer vorgegebenen Mess-
wird eine ­Stunde Beobachtungszeit in ei-
ähnlicher Planet mit fünf Jupitermassen
genauigkeit erforderliche Beobachtungs-
ner Zehn-Kilometer-Konfiguration aus-
bildet. Das Bild stellt die Scheibe bei einer
zeit von der Qualität des Detektors, aber
reichen, um die Oberflächen von Pluto
Entfernung von 150 Lichtjahren dar.
auch besonders dramatisch von den Wet-
und Charon räumlich aufzulösen und
terbedingungen ab – insbesondere vom
Karten ihrer Temperaturverteilungen mit
Wasserdampfgehalt der Erdatmosphäre.
einer Genauigkeit von einem Bruchteil
tungszeiten von mehreren Tagen. Erfolg-
Für die hier folgenden Abschätzungen
eines Kelvin zu erstellen. Zusätzlich las-
versprechender ist die Beobachtung von
nehmen wir Bedingungen an, wie sie auf
sen sich mit ALMA zahlreiche Objekte des
Planeten während ihrer Entstehung in
der Chajnantor-Ebene während etwa der
Kuipergürtels im Submillimeterbereich
protostellaren Akkretionsscheiben.
Hälfte der Zeit vorherrschen.
beobachten und – in Verbindung mit op-
ó Das Wetter auf Pluto und Charon: Vor
tischen Beobachtungen – deren Durch-
ó Planetenentstehung und protostellare
messer bestimmen.
Akkretionsscheiben: Beobachtungen mit
einiger Zeit revolutionierten eine Reihe
dem Weltraumteleskop Hubble lieferten
bahnbrechender neuer Beobachtungen
ó Jupiter-ähnliche Planeten um nahe
in den letzten Jahren spektakuläre Bilder
vom Erdboden aus unser Wissen über das
Sterne: Für direkte Beobachtungen extra-
von Akkretionsscheiben um junge, neu
Pluto-Charon-System. In Plutos Atmosphäre fanden sich Methan (CH4) und an-
solarer Planeten im sichtbaren Licht stellt
gebildete Sterne. Um allerdings genau
der extreme Helligkeitskontrast zwischen
zu verstehen, wie in diesen Scheiben die
dere schwerere Bestandteile wie Stickstoff.
Stern und Planet die größte Hürde dar.
Staubteilchen bis zur Bildung so genann-
Zudem ließen sich räumlich aufgelöste
Dieser Kontrast ist im Submillimeterbe-
ter Planetesimale (das sind bis zu einigen
Albedo-Karten des Systems erstellen (sie­
reich deutlich geringer. Auch reicht das
Kilometern große feste Körper) zusam-
he Bild unten). Diese Karten entstanden
Auflösungsvermögen von ALMA aus,
menwachsen, sind räumlich aufgelöste
aus Daten, die während gegenseitiger Ver-
um die nahegelegenen unter den bisher
Beobachtungen im Submillimeterbereich
finsterungen des Pluto-Charon-Systems
gefunden »heißen Jupiter« von ihren
notwendig, wie sie nur ALMA ermöglichen
aufgenommen wurden. Direkte Beob­
Sternen getrennt abzubilden. Ein Problem
wird.
achtungen mit dem Weltraumteleskop
ist die äußerst geringe Helligkeit dieser
Bereits heute beobachten Millimeter-
Hubble erlaubten später die Bestimmung
Planeten. Dadurch ergeben sich selbst für
Interferometer die Staub- und Molekül-
der Durchmesser beider Körper und be-
die nächstgelegenen Systeme Beobach-
linienemission protostellarer Scheiben.
Allerdings beschränken sich diese Studien noch auf den äußeren Bereich der
Akkre­tionsscheiben und einige wenige
Moleküle. ALMA wird räumlich aufgelöste
Studien der thermischen, chemischen
und Dichtestruktur dieser Scheiben bis in
Marc W. Buie, Lowell Observatory
den inneren Teil ihrer planetenbildenden
Bereiche erlauben.
Als eine der aufregendsten von ALMA
gebotenen Möglichkeiten dürfte die Beobachtung der direkten Wechselwirkung
0,02 Bogensekunden
34
Mai 2009
Diese Albedo-Karten von Pluto und seinem
der sich formenden Planeten mit den
Mond Charon wurden aus Messungen
Akkretionsscheiben sein. Das Bild oben
gegenseitiger Verfinsterungen abgeleitet.
zeigt eine Simulation, in der ein JupiterSterne und Weltraum
Sebastian Wolf, Gennaro D’Angelo, ApJ 619, S. 1114, 2005
Large Telescope (VLT), das nur wenige
HH 211
HH 211
Frederic Gueth, IRAM
y < 10 km/s
y > 10 km/s
17 Bogensekunden
Antennenkeule
5000 AE
17 Bogensekunden
Antennenkeule
5000 AE
Diese mit dem IRAM-Interferometer auf
dium ermöglicht es, auf indirekte Weise
Überriesen von bis zu 10–4 Sonnenmassen
dem Plateau de Bure aufgenommene Karte
Informationen über den auf wesentlich
pro Jahr. (Zum Vergleich: Unsere Sonne,
zeigt die Linienemission des bipolaren
kleineren Skalen ablaufenden Akkretions-
die erst in etwa fünf Milliarden Jahren
mo­lekularen Ausflusses eines jungen
prozess zu gewinnen und den Einfluss der
zum Roten Riesen wird, verliert in Form
Sterns, dabei ist links der langsame, rechts
Jets auf die umgebenden Molekülwolken
der schnelle Anteil dargestellt. Offenbar ist
zu untersuchen.
ihres »Sonnenwinds« zur Zeit etwa 10–14
Sonnenmassen jährlich.) Die in diesen zir-
das schnelle Gas stärker zur Polachse hin
ALMA soll im Detail erforschen, welche
kumstellaren Hüllen produzierten Staub-
kollimiert als das langsame. Die roten
physikalischen Prozesse die Jets antreiben
teilchen und Moleküle sind ein wichtiger
Konturen kennzeichnen die Emission der
und in welcher Beziehung protostellare
Teil des Materialrückflusses von den Ster-
zirkumstellaren Staubscheibe.
Scheiben und Jets zueinander stehen.
nen zurück ins interstellare Medium, aus
Die Beobachtung der Emissionslinien
dem sie entstanden sind.
einer Vielzahl von Molekülen in den Jet-
Die Beobachtungen der Millimeter-
ähnlicher Planet in einer Entfernung vom
getriebenen Ausflüssen wird über die
Interferometer führten zu detaillierten
Protostern entsteht, die etwa der Entfer-
Wechselwirkung der Ausflüsse mit den
Bildern der Emissionsverteilungen zahl-
nung von Jupiter zur Sonne entspricht.
umgebenden Wolken Aufschluss geben.
reicher Moleküle in den äußeren Hüllen
Der Einfluss des Protoplaneten zeigt sich
dieser Sterne – und zwar Hunderte bis
durch die Ausbildung von Lücken und
ó Staubteilchen in den Winden Roter
Tausende Sternradien vom Stern entfernt
Spiralwellen in der Scheibe. Mit ALMA
Riesensterne: In den späten Phasen ih-
(sie­he Bild unten). Die neuesten Ergebnisse
sollte dieser Effekt in protostellaren Schei-
rer Entwicklung werden sonnenähnliche
sind von so hoher Qualität, dass es hoch
ben bis zu einer Entfernung von etwa 300
Sterne zu Roten Riesen. Weil die Schwere-
interessant ist, sie mit den modernsten
Lichtjahren sichtbar sein.
beschleunigung an der Oberfläche eines
chemischen Modellen zu vergleichen, die
Roten Riesen gering ist, verliert er kontinu-
neben den durch die stellare Atmosphäre
ó Jets und molekulare Ausflüsse: Sterne
ierlich Materie, und wegen der niedrigen
bestimmten Anfangsbedingungen auch
bilden sich durch den Kollaps von Mo-
Temperatur (etwa 2000 bis 3000 Kelvin)
den maßgeblichen Einfluss des ultravio­
lekülwolken unter dem Einfluss ihrer
bilden sich in diesem »Sternwind« sofort
letten interstellaren Strahlungsfelds be-
Schwerkraft. Während dieser Kontraktion
einfache Moleküle. Weiter außen, sobald
führt schon ein geringer anfänglich vor-
die Temperatur unter etwa 1500 Kelvin
rücksichtigen.
ALMAs hohe räumliche Auflösung
handener Drehimpuls zur Abplattung
gesunken ist, kondensieren die Moleküle
und exzellente Empfindlichkeit werden
des kollabierenden Molekülwolkenkerns
zu Staubkörnern. Diese werden durch
detaillierte Studien der innersten Region
und zur Ausbildung einer rotierenden
den mächtigen Strahlungsdruck des Rie-
dieser zirkumstellaren Hüllen ermögli-
Akkretionsscheibe in der Äquatorebene
sensterns nach außen beschleunigt und
chen. Mit ALMA wird man die Submilli-
des Systems. Aufgrund der in der dichten
reißen durch Reibung nichtkondensierte
meter-Photosphären vieler naher Sterne
Scheibe auftretenden Reibung wird hier
Moleküle mit. Dadurch erleiden Rote Riesen einen Massenverlust von 10–8 bis 10–6 ,
auflösen und ihre Temperaturverteilung
der Drehimpuls nach außen transpor-
messen können. Durch Beobachtungen
tiert, so dass weitere Materie ins Innere
des Wolkenkerns vordringen und sich
auf dem heranwachsenden Protostern
ansammeln kann. Überraschenderweise
beobachtete man schon sehr früh während der Erforschung der Sternentstehung
radio­astronomischen
Methoden,
dass zusätzlich auch Gas über die Pole
Das IRAM-Interferometer auf dem Plateau
abfließt, vermutlich durch den Einfluss
de Bure nahm diese Karte der molekularen
von Magnetfeldern. Diese »molekularen
Hülle des Sterns TT Cygni auf. Im Licht einer
Ausflüsse« treiben energiereiche »Jets«,
Spektrallinie des Kohlenmoxids (CO)
schnelle hoch kollimierte Strömungen,
erscheint im Querschnitt eine dünne Hülle,
welche die Protosterne in Richtung beider
die sich als Folge episodisch veränderlichen
Pole verlassen (siehe Bild oben). Ihr Stu-
Massenverlusts gebildet hat.
www.astronomie-heute.de
H. Olofsson/OSO
mit
Mai 2009
35
M. Reid, K. M. Menten / SuW-Grafik
strahlung gefundenen Galaxien räumlich aufzulösen. Neueste Ergebnisse aus
Beobachtungen mit dem IRAM-Interfe-
3 109
1100
rometer auf dem Plateau de Bure zeigen
Temperatur in Kelvin
Staub
1300
5 1010
Silizium-SauerstoffMasers
Radiophotosphäre
1600
1012
Chromosphäre
molekulare
Photosphäre
2400
2 1014
Dichte in Teilchen pro Kubikzentimeter
schon heute das Potenzial solcher Studi1010
1200
en, welche die Bilder und Spektren der
leuchtkräftigsten Objekte in mehrere, nur
Bogensekunden voneinander entfernte,
kollidierende Galaxien auflösen.
ALMA und weitere
Observatorien der Zukunft
Die von ALMA ermöglichten Beobachtungen werden die Ergebnisse zu denen
einer Anzahl weiterer, zukünftiger Observatorien ergänzen:
In den nächsten Wochen wird die
europäische
optische
Photosphäre
Herschel-Mission
starten.
Herschel wird dann mit seinem 3,5 Meter
großen Spiegel das größte im Weltraum
betriebene Teleskop sein und als einziges
0
2
4
6
8
Radius in Astronomischen Einheiten
im Submillimeter- bis Ferninfrarotbereich arbeiten, also auch bei kürzeren
Wellenlängen als ALMA. Es kann insbe-
So ist die innerste Hülle eines roten Riesensterns aufgebaut: Hat sich hier
sondere Moleküle untersuchen, die von
einmal Staub gebildet, so wird dieser durch den Strahlungsdruck des Sterns
der Erde aus nur schwer beobachtbar sind,
nach außen beschleunigt und reißt dabei auch Moleküle mit. Diese zirkum-
zum Beispiel Wasser. Allerdings wird die
stellaren Hüllen aus Staub und Molekülen sind bis zu hundert Mal größer als
räumliche Auflösung von Herschel auf
das hier abgebildete Volumen. Man beachte, dass ALMAs maximale
bestenfalls vier Bogensekunden begrenzt
Auflösung etwa einem halben Sternradius entsprechen wird!
sein. ALMA wird dann die innere Struktur
der mit Herschel beobachteten Objekte
untersuchen können.
hoch angeregter Spektrallinien vieler
bald die »Konfusionsgrenze« erreicht,
In einer Kooperation zwischen der
Moleküle wird man Häufigkeitsprofile
das heißt, die Galaxien stehen am Him-
NASA und dem Deutschen Zentrum für
durch die gesamte heiße (T > 1000 Kelvin)
mel so dicht beisammen, dass sie sich
Luft- und Raumfahrt (DLR) wird zukünf-
innere Hülle bestimmen können, die
nicht mehr in einzelne Quellen auflösen
tig das Stratosphären-Observatorium für
heutzutage nur anhand von Infrarot-Ab-
lassen. Hier wird ALMA helfen, wichtige
Infrarotastronomie
sorptionslinien und Radio/Submillime-
Fragen zur Sternentstehung im frühen
Es besteht aus einem umgebauten Ver-
ter-Maserlinien zugänglich ist (siehe Bild
Universum zu beantworten. Selbst in
kehrsflugzeug, einer Boeing 747, aus dem
oben). ALMA wird direkte Informatio­nen
der kompaktesten Konfigurationen (bei
heraus in Flughöhen von mehr als zwölf
auf den räumlichen Skalen liefern, in de-
der geringsten räumlichen Auflösung)
Kilometern mit einem 2,7-Meter-Infrarot-
nen refraktäre Moleküle zu Staubkörnern
beträgt die mit ALMA aufgelöste Fläche
Teleskop beobachtet werden kann. Dieses
kondensieren, und somit fundamentale
weniger als ein Hundertstel der Fläche,
fliegende Infrarot-Observatorium wird
neue Erkenntnisse über die Abreiche-
die ein Einzelteleskop auflösen kann.
voraussichtlich im Jahr 2010 erste wissen-
rungen der Elemente und Staubentste-
Entsprechend tiefer liegt für ALMA die
schaftliche Beobachtungen durchführen.
hungsprozesse ermöglichen.
Konfusionsgrenze. Durch die einem In-
Auch hier dürfte ALMA wichtige komple-
(SOFIA)
betrieben.
terferometer eigene Methode, Kreuzkor-
mentäre hochauflösende Beobachtungen
ó Sternentstehung im frühen Univer-
relationen zu messen, lässt sich das Sta-
liefern.
sum: Bei der Beschreibung der Wissen-
bilitätsproblem bei langen Integrationen,
Die Erweiterung des seit vielen Jah-
schaft mit APEX diskutierten wir bereits
mit dem Einzelteleskope zu kämpfen
ren erfolgreich betriebenen Very Large
über die Bedeutung der Suche nach Ga-
haben, vermeiden. Mit langen Integra-
Array (VLA) zum Expanded Very Large
laxien im frühen Universum aufgrund
tionszeiten wird ALMA weit schwächere
Array (EVLA) wird ein praktisch neues
ihrer
Große
Galaxien der Submillimeter-Population
Observatorium für Interferometrie im
Bolometerkameras an Einzelteleskopen
beobachten können, die wesentlich re-
Zentimeterbereich ergeben, das weit über
lassen sich zwar in ihrer Empfindlichkeit
präsentativer sein werden als die extrem
die bisherigen Möglichkeiten des VLA hin­
selbst von ALMA nicht schlagen, aller-
leuchtstarken Quellen, die gegenwärtig
ausgeht. Seine Empfindlichkeit wird um
dings bedeutet ihre relativ geringe räum-
allein gefunden werden.
Zusätzlich wird es mit ALMA möglich
ein Vielfaches steigen, seine räumliche
liche Auflösung einen entscheidenden
Nachteil: Im Submillimeterbereich wird
sein, die aufgrund ihrer Submillimeter-
Die beiden Instrumente decken komple-
36
Submillimeterstrahlung.
Mai 2009
Auflösung wird die von ALMA erreichen.
Sterne und Weltraum
mentäre Wellenlängenbereiche ab: Wäh-
Bild auf Seite 32 oben), und dort ist bereits
rend ALMA als kontinuierliche Strahlung
ein Teil des Korrelators installiert. Für die
vor allem die thermische Staubemission
Teleskope werden auf der Hochebene die
beobachten wird, wird das EVLA vorwie-
ersten Fundamente vorbereitet, und die
gend Strahlung von ionisierten Gebieten
Spezialfahrzeuge für den Transport zur
und Synchrotronstrahlung nachweisen.
Aber bei vielen astronomischen Fragestel-
Hochebene sind in der Erprobung.
Auch der Bau der Empfangssysteme
lungen führt erst die Summe der Informa-
macht große Fortschritte. Für die vollstän-
tionen von all diesen Strahlungsprozessen
dige Überdeckung des Frequenzbereichs
zu einem vollständigen physikalischen
von 84 bis 950 GHz werden acht unter-
Verständnis, so dass sich beide Observato-
schiedliche
rien hervorragend ergänzen.
Sechs davon sind im Bau und mindestens
erster Beobachtungsanträge
drei weitere werden frühzeitig für die
ó 2011: Erste Beobachtungen mit
Gegenwärtiger Stand des ALMA-Projekts
Empfängertypen
Die Zeitskala für ALMA
ó 2007: Erste interferometrische
Tests in New Mexico
ó 2009: Inbetriebnahme und Tests
der ersten Antennen auf der
Hochebene
ó 2009: Erste interferometrische
Tests auf der Hochebene
ó 2010: Aufruf zur Einreichung
benötigt.
einem Teil der Antennen (mindes­
»Early Science« zur Verfügung stehen.
tens 16)
Die nebenstehende Tabelle gibt einen
In den letzten Jahren machte das ALMA-
Überblick über den Zeitplan des ALMA-
ó 2013: Alle Antennen sind instal­
Projekt enorme Fortschritte, so dass erste
Projekts.
Die Wissenschaftler stehen nun er-
liert, der reguläre wissenschaft­
Beobachtungen mit dem Instrument nun
in greifbare Nähe rücken. Die Prototyp-
wartungsvoll in den Startlöchern. In
Antennen der »ALMA Test Facility« (ATF)
den letzten Jahren fanden zahlreiche
in New Mexico wurden abschließend ge-
wissenschaftliche
testet und liefern erste interferometrische
um Forschungsprojekte für ALMA zu
Spektren (siehe Bild unten).
diskutieren und zu planen. Diese Phase
Konferenzen
liche Betrieb beginnt
statt,
geht nun langsam vorüber und schon
Karl M. Menten ist
stellt: Die nordamerikanischen und eu-
nächstes Jahr werden Forscher in aller
Direktor am Max-Planck-
ropäischen Partner gaben bei Vertex RSI
Welt aufgefordert sein, konkrete wis-
Institut für Radioastrono­
und dem europäischen Konsortium AEM
senschaftliche
Beobachtungsanträge
mie (MPIfR) in Bonn und
25 Antennen mit einer späteren Option
aus den unterschiedlichsten Themen-
leitet dort die Abteilung
für weitere 32 Stück in Auftrag. Mehrere
bereichen der Astronomie zu formu-
»Millimeter- und Submilli­
Vertex-Antennen wurden bereits geliefert,
lieren und einzureichen. Diese Anträge
meter-Astronomie«.
die erste wurde im Dezember 2008 offiziell
werden dann einer eingehenden tech-
an das ALMA-Projekt übergeben. Auch die
nischen und wissenschaftlichen Über-
Friedrich Wyrowski
Japaner bestellten die Antennen für das
prüfung unterzogen, und die besten der
erforscht am MPIfR die
ALMA Compact Array, die vier 12-Meter-
vorgeschlagenen Projekte werden für die
Sternentstehung und ist
Antennen sind bereits in Chile eingetrof-
erste Wissenschaft mit ALMA ab etwa
Projektwissenschaftler für
fen und werden dort nun getestet.
2011 ausgewählt und durchgeführt. Wir
APEX. Bei ALMA arbeitet
können sicher sein, dass damit eine neue
er an der Heuristik der
Ära der Astronomie beginnen wird.
Datenreduktion.
Auf der Chajnantor-Hochebene ist das
technische Gebäude fertiggestellt (siehe
C2H5CN
CS
7
HCOOCH3
C2H5CN
HCOOCH3
C2H5CN
2
C2H5CN
3
34SO
4
HCOOCH3
5
CH3OH
relative Intensität
6
Todd Hunter / SuW-Grafik
Die endgültigen Antennen sind be-
1
0
97,0
97,5
98,0
98,5
Frequenz in Gigahertz
Die ALMA-Prototyp-Antennen in New Mexico nahmen dieses erste interferometrisch gemessene Spek­trum auf. Es zeigt Linien von komplexen Mole­külen
99,0
Literaturhinweise
Beuther, H.: Das Submillimeter Array
auf dem Mauna Kea. In: Sterne und
Weltraum 3/2004, S. 36 – 41.
Dahlem, M., Brinks, E.: Radiobeobach­
tungen. Welches Instrument für welche
Anwendung? Teil 1, Einzelteleskope. In:
SuW 5/1994, S. 350 – 357; Teil 2, Inter­
ferometer. In: SuW 6/1994, S. 446 – 452;
Teil 3, Strahlungsprozesse. In: SuW
7/1994, S. 524 – 531; Teil 4, Messtech­
niken. In: SuW 10/1994, S. 692 – 702.
Neumann, M.: APEX – das Atacama
Pathfinder Experiment. In: Sterne und
Weltraum 10/2005, S. 38 – 46.
Weblinks zu diesem Artikel:
www.astronomie-heute.de/artikel/
986443
in einem massereichen Sternentstehungsgebiet im Orionnebel.
www.astronomie-heute.de
Mai 2009
37
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