Prähospitale psychiatrische Notfälle Monika Hanl-Andorfer LNK Linz, Psychiatrie 2 Notarztfortbildung 19.10.2012 1 Psychiatrischer Notfall Akutes Auftreten oder Exazerbation einer bestehenden psychiatrischen Störung mit unmittelbarer Gefährdung für Leben und Gesundheit des Betroffenen und/oder seiner Umgebung Arbeitskreis Notfallmedizin, Pajonk et al 2005 Notarztfortbildung 19.10.2012 2 1 Ca. 9 – 14 % der Einsätze 2. - 3. häufigste Ursache Einordnung nach ICD 10 oder DSM IV nicht primär notwendig DD: klinische Behandlungsnotwendigkeit vs. Notfall m1 Schönefeldt-Leucone et al(2008), Psychiatrische Notfälle im Notfallund Rettungswesen, Notfall&Rettungsmed 11: 525 - 536 Notarztfortbildung 19.10.2012 3 Ärztliches Gespräch wird oft abgelehnt Verhaltensbeobachtung Umgebung beachten Fremdanamnese m2 Gespräch ruhig, sachlich, empathisch Wahninhalte nicht diskutieren oder ausreden Notarztfortbildung 19.10.2012 4 2 Folie 3 m1 monika; 09.06.2012 Folie 4 m2 Fremdanamnese: oft große Diskrepanz mit Eigenanamnese, Vorgeschichte wichtig, Dinge Bsp. alkohol, Spritzen, Wie ist pat gekleidet, schützt er sich , Bsp: Polster gegen STrahlen, monika; 09.06.2012 Minimale psychiatrische Untersuchung Bewusstseinslage und Orientierung Psychomotorik Produktive psychotische Symptomatik Fremd- und Eigengefährdung Notarztfortbildung 19.10.2012 5 Notarztindikation Absolute – – – – – – – – hochgradiger Erregungszustand Aggressivitä Aggressivität Gewalttä Gewalttätigkeit erfolgter Suizidversuch konkrete Suizidplä Suizidpläne konkrete Fremdtö Fremdtötungsabsichten schwere Intoxikationen Delir – – – – – Verwirrtheit Entzugssyndrom ohne Delir Suizidgedanken Angst, Panik akute Belastungsreaktion Relative Arbeitskreis Notfallmedizin, Pajonk et al 2005 Notarztfortbildung 19.10.2012 6 3 Therapie allgemein Bisher (noch) keine evidenzbasierten Therapieleitlinien Pharmakotherapie (meist) nicht spezifisch Zielsymptome: Anspannung, Angst, Erregung, Unkooperativität, psychotisches Erleben →Patient körperlich untersuchbar, transportfähig, explorierbar durch Psychiater Notarztfortbildung 19.10.2012 F.G.Pajonk et al(2006) Psychopharmakatherapie 7 In der Notfallmedizin, Notfall Rettungsmed 9:393-402 Medikamente Benzodiazepine – Diazepam – Lorazepam – (Midazolam) Midazolam) Antipsychotika (parenteral) parenteral) – Haloperidol →Cave: Cave: EPMS! – (Atypika: Atypika: Olanzapin, Olanzapin, Zeldox, Zeldox, Aripiprazol) Aripiprazol) Titrieren, Titrieren, Beginn mit 1 – 2 Amp Höchstdosis beachten! Gut dokumentieren Notarztfortbildung 19.10.2012 Pajonek et al (2006), Psychopharmakotherpaie In der Notfallmedizin, Notfall Rettungsmed 9: 393-402 8 4 Zwangsmaßnahmen →Bei Gefahr im Verzug →Ubg-Gesetz: 1. Psychische Erkrankung 2. Ernste und erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung 3. Keine Behandlungsalternative Notarztfortbildung 19.10.2012 9 Zwangsmaßnahmen Traumatisierung! Immer Alternativen suchen und anbieten → immer nur letztes Mittel Immer ankü ankündigen Mindestens 55- 6 Personen, alles vorher herrichten! Dokumentation! Notarztfortbildung 19.10.2012 10 5 Häufige psychiatrische Notfälle 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Suizidalitä Suizidalität Akute Angst (Panikattacke) Erregungszustand Akute Psychose Akute Intoxikationen EntzugsEntzugs- und Intoxikationsdelir Katatone Zustä Zustände, malignes Neuroleptikasyndrom Nach Schönefeldt-Lecuona et al.(2008), Psychiatrische Notfälle im Notfall- und Rettungswesen, Notfall Rettungsmed 11:525 - 535 Notarztfortbildung 19.10.2012 11 1. Suizidalität = Gesamtheit der Gedanken und Handlungen, die darauf abzielen, sich das Leben zu nehmen Ca 10 – 15% der psychiatrischen Patienten suizidieren sich, Suizidversuche bis zu 10 mal häufiger Notarztfortbildung 19.10.2012 12 6 Hinweise für erhöhtes Suizidrisiko Äußerung von Suizidabsichten Suizidversuch beim Eintreffen des Notarztes Frü Frühere Suizidversuche oder deren Verheimlichung Familiä Familiäre Hä Häufung von Suiziden Suizide im Bekanntenkreis Gestö Gestörte Urteilsbildung, fehlende Realitä Realitätskontrolle, fehlende Krankheitseinsicht Depressiver oder Verfolgungswahn, imperative oder beschimpfende Stimmen Depressive Stimmungslage mit HoffungsHoffungs- und Perspektivenlosigkeit Starke psychomotorische Unruhe DrogenDrogen- bzw. Alkoholabusus Terminale Erkrankung Schönefeldt-Leucone et al(2008), Psychiatrische Notfälle im Notfallund Rettungswesen, Notfall&Rettungsmed 11: 525 - 536 Notarztfortbildung 19.10.2012 13 →Suizidalität muss konkret erfragt werden Besonders: konkrete Vorstellung? konkrete Planung? abgebrochener Versuch? Wofür weiterleben? → Vorstellung beim Psychiater Notarztfortbildung 19.10.2012 14 7 2. Akute Angst – Panikattacke Unruhe, Hyperventilation mit Steigerung der neuromuskulä neuromuskulären Erregbarkeit, vegetative Symptome, thorakalem Engegefü Engegefühl Todesangst, Angst vor „Verrü Verrücktwerden“ cktwerden“ Angst steigt rasch an, Dauer Minuten bis Stunden Bei verschiedenen Krankheitsbildern mö möglich: Panikstö Panikstörung, posttraumatischer Belastungsstö Belastungsstörung, Depression, mit verschiedensten Konfliktsituationen Notarztfortbildung 19.10.2012 15 Akute Angst - Panikattacke Können zusä zusätzlich unter einer kö körperlichen Erkrankung leiden – daher abklä abklären Beruhigende Gesprä Gesprächsfü chsführung wichtig Anwesenheit des Rettungspersonal bringt oft schon Beruhigung Therapie: Therapie: Lorazepam 1 – 2,5 mg oral, iv, iv, im Diazepam 5 – 10mg iv., iv., oral Notarztfortbildung 19.10.2012 16 8 3. Erregungszustand Nosologisch unspezifisches Syndrom: Syndrom: – – – – – – schizophrene und manische Psychosen Intoxikationen mit Alkohol und/oder Drogen hirnorganische Stö Störungen( v.a. v.a. im Alter) Epilepsie metabolische Stö Störungen ( Hypoglykä Hypoglykämien, mien, etc) Infektionen Innere Unruhe, massive Anspannung, intensive Angst oder Wut, Misstrauen, psychomotorisch agitiert AutoAuto- und Fremdaggressionen Notarztfortbildung 19.10.2012 17 Vorgehen bei Erregungszuständen mit Eigen- und Fremdgefährdung modifiziert nach Steinert 1995 Zunä Zunächst Abstand vom Patienten halten (Waffen? Gefä Gefährliche Gegenstä Gegenstände?) Rechtzeitig Polizei anfordern Exploration nur mit Übermacht (keine Zweiergesprä Zweiergespräche) Körperliche Fixierung und Medikation mehrmals ankü ankündigen Pro Extremitä Extremität ein Helfer ( + Kopf ≥ 5 Helfer) Injektionen vorher aufziehen Bis zum Eintritt der Sedierung weiter festhalten und kontinuierlich überwachen bzw. Sicherung der Vitalfunktionen Therapie: Lorazepam, Lorazepam, Diazepam, Diazepam, Haloperidol Notarztfortbildung 19.10.2012 18 9 4. Akute Psychose Schwerste Form seelischer Desintegration Halluzinationen Wahnvorstellungen Auflö Auflösung der IchIch-Grenzen Stö Störung des Denkens, zerfahrener Duktus Bizarres Verhalten Stupor bis Raptus Notarztfortbildung 19.10.2012 19 Akute Psychose Exazerbation einer Schizophrenie Organische Ursachen mö möglich: – Infektionen – Verletzungen cerebral – Substanzeinfluss ( Steroide, Medikamente, Halluzinogene… Halluzinogene…) → Soweit wie mö möglich differenzieren Therapie: Therapie: Lorazepam, Lorazepam, Diazepam, Diazepam, Haloperidol Notarztfortbildung 19.10.2012 20 10 5. Akute Intoxikationen Sofortige Intervention und Transport in nä nächste medizinische Notaufnahme Alkohol Drogen Psychopharmaka Oft Mischintoxikationen Cave: Benzodiazepine! Benzodiazepine! Notarztfortbildung 19.10.2012 21 6. Entzugs- und Intoxikationsdelir Akuter Beginn, Symptomatik fluktuiert Störung Bewusstsein und Aufmerksamkeit, desorientiert Ängstlich, psychomotorisch unruhig, nestelnd Oft optische Halluzinationen Krampfanfälle Notarztfortbildung 19.10.2012 22 11 6. Entzugs- und Intoxikationsdelir Immer organische Ausschlussdiagnostik Ausgeprägtes Delir ist intensivpflichtig Unbehandelt 15 – 20% tödlich, unter Behandlung 5% Therapie: Flüssigkeit, Haloperidol, Lorazepam, Diazepam, ev. ß-blocker Notarztfortbildung 19.10.2012 23 7. Katatone Symptome Agitation bis Raptus Stupor, Mutismus Bizarre Haltungen Echopraxie, Echolalie Wortstereotypien Vor allem bei Schizophrenie Therapie: Lorazepam, Diazepam Notarztfortbildung 19.10.2012 24 12 Malignes Neuroleptikasyndrom Rigor, Fieber, Bewusstseinsstörung Lebensbedrohlich Unter allen NL möglich, bei typ. NL häufiger Therapie: ausreichende Hydrierung, Tranquilizer, Absetzen von NL Notarztfortbildung 19.10.2012 25 Danke für die Aufmerksamkeit! Notarztfortbildung 19.10.2012 26 13 Verwendete Literatur Kardels, Kardels, Kinn, Pajonk(2008) Akute psychiatrische Notfä Notfälle, Thieme Hewer, Hewer, Rössler (2007) Akute psychische Erkrankungen, 2. Auflage, Urban & Fischer Fischer Arbeitskreis Notfallmedizin, Pajonk (2005) Sind psychiatrische Notfä Notfälle im Notarztdienst wirklich relevant? Protokoll der Veranstaltung vom 1.6.2005 A.Biedler et al (2012) Behandlungsbedü Behandlungsbedürftigkeit psychiatrischer Notfä Notfälle im Notarztdienst, Anä Anästhesist 61: 116116- 122 C.Schö C.Schönefeldtnefeldt-Lecuona et al (2008) Psychiatrische Notfä Notfälle im NotfallNotfall- und Rettungswesen, Notfall Rettungsmed 11:525 – 536 F.G.Pajonk et al (2006) Psychopharmakatherapie in der Notfallmedizin, Notfall Rettungsmed 9: 393393-402 F.G.Pajonk et al (2004) Psychiatrische Notfä Notfälle aus Sicht von Rettungsdienstmitarbeiter, Notfall Rettungsmed 7: 161 – 167 F.G. Janonk et al (2004) Psychiatrische Notfä Notfälle aus Sicht der Notä Notärzte, Anä Anästesist 53: 709 – 716 W.Wilhelm (2003) Psychiatrische Notfä Notfälle – „Notfall“ Notfall“ für den Notarzt?, Anä Anäshesist 52: 575 – 576 F.G.Panjonk, F.G.Panjonk, B.Fleiter ( (2003) Psychopharmakotherapie im Notarztdienst, Anä Anästhesist 52: 577577-585 F.G.Pajonk et al (2002) Psychiatrische Notfä Notfälle, Notfall Rettungsmed 5: 110110-115 Notarztfortbildung 19.10.2012 27 Vorgehen bei Suizidankündigung modif. modif. Nach Fertig und Weitersheim 1997 Anfahrt ohne Sondersignal, groß großräumige Absperrung Sofortige Kontaktaufnahme mit anderen Fachdiensten (Einsatzleitung FW, Polizei, ev. PND) Kompetenten Gesprä Gesprächsfü chsführer auswä auswählen ( ev weibl. weibl. Unterhä Unterhändler) Keine konfrontative Gesprä Gesprächsfü chsführung Persö Persönliche Vorstellung ( positiv erlebte Bezugsperson?) Ziele: Zeit gewinnen, Vertrauen aufbauen Psychiatrische Befunderhebung im Gesprä Gesprächsverlauf Nach Behandlungseinwilligung oder Abbruch der suizidalen Handlung sofortiges psychiatrisches Konsil Notarztfortbildung 19.10.2012 28 14 Risikofaktoren für Fremdaggressionen Gewaltbereitschaft – Planung (Abwä (Abwägung, Vorhaben) – Kontrollverlust Psychopathologische Aspekte – – – – – – Feindseligkeit Ärger Angst, Anspannung, Agitation Impulsivitä Impulsivität Aggression produktivproduktiv-psychotische Symptome, Wahnsymptome Vorgeschichte mit Fremdaggressionen Notarztfortbildung 19.10.2012 29 Therapie allgemein nach Pajonk et al 2001 Infusion ( RL, Glu, HAES,): 55 % Keine Behandlung: 35% Sedativum: 20% Antipsychotikum(meist Haloperidol): 1,5 % Antidot: 3% Beatmung: 2 % Reanimation: 1 % Notarztfortbildung 19.10.2012 30 15 Erregungszustand Versuch verbal Kontakt aufzunehmen, „talk down“ down“ Bei aggressiven Verhalten frü frühzeitig Hilfe holen, kein „Heldentum“ Heldentum“ Schutz fü für Patienten und Personal! Keine Zweiergesprä Zweiergespräche! Fixierung und Sedierung: Sedierung: mind. 6 Personen, alles vorbereiten Therapie: Lorazepam, Lorazepam, Diazepam, Diazepam, Haloperidol Notarztfortbildung 19.10.2012 31 16