IKB Kapitalmarkt-News – Leistungsbilanzen, Wechselkurse und Implikationen für den Euro 17. Dezember 2013 Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Die Notwendigkeit für die EZB, eine engagiertere Krisenpolitik zu betreiben, wird durch eine mögliche Euro-Stärke noch dringlicher; wobei hier der Fokus auf dem gewichteten Wechselkurs (im Vergleich mit verschiedenen Fremdwährungen) und nicht nur auf dem oft referenzierten EUR-US-$-Kurs liegen sollte. Eine deutliche Aufwertung des gewichteten oder effektiven Euro-Wechselkurses ist Zeichen einer straffen Geldpolitik, da sie deflationäre Kräfte in der Wirtschaft freisetzt: Importpreise fallen und die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte sinkt. Die Bank of England wie auch die japanische Notenbank sehen deshalb eine explizite Abwertung ihrer Währung als Teil der Krisenpolitik. So wird von mehreren Notenbanken auch das Konzept eines „monetary condition“-Index benutzt, um die Ergebnisse der Geldpolitik zu messen. Der Index spiegelt das Verhältnis von Zinsen und Wechselkurs – allerdings ist die Berechnung solch eines Maßstabs nicht ohne Probleme. Im aktuellen Umfeld von Niedrigzinsen und Entschuldung ist allerdings die Kreditvergabe die entscheidende Größe in der Beurteilung der Geldpolitik – entscheidender als Zinsen oder Wechselkurse. Doch diese Größen stehen in einer bestimmten Beziehung zueinander. In „Normalzeiten“ müsste eine rückläufige Kreditvergabe mit steigenden Zinsen einhergehen bzw. durch sie verursacht werden. Steigende Zinsen lassen wiederum die Währung aufwerten. So geht eine Wechselkursaufwertung mit einem niedrigen Kreditwachstum einher, beides getrieben durch steigende Zinsen. Die aktuellen Zinsen (kurz oder lang) sind jedoch auf beiden Seiten des Atlantiks relativ niedrig, auch wenn sich jüngst das Langfristzinsdifferenzial zugunsten des US-$ ausgeweitet hat. Und dennoch zeigt der Euro eine anhaltende relative Stärke. Dies ist umso mehr verwunderlich, als die sich abzeichnende Wende in der US-Notenbankpolitik das Zinsdifferenzial noch weiter zugunsten des US-$ ausweiten sollte. Kann es also doch die positive Leistungsbilanz der Eurozone sein, die den Euro treibt? Wie Abbildung 1 zeigt, hat sich die Leistungsbilanz der Eurozone strukturell verbessert; sie weist aktuell den größten Überschuss aller Regionen aus. Der Grund liegt unter anderem in dem anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands gegenüber Drittländern (ohne Euro-Länder), aber auch in der deutlichen Reduzierung der Defizite der südlichen Euro-Länder. Generell zeigt Abb. 1 zudem, dass sich die Leistungsbilanzen der Eurozone sowie der USA verbessert und die von Asien bzw. Südamerika verschlechtert haben – eine globale Umschichtung findet statt: Schwellenländer konsumieren relativ zu ihrer Produktion mehr, entwickelte/hochverschuldete Länder eher weniger. Abb. 1: Leistungsbilanzen augewälter Regionen, in Mrd. US-$ 900 600 300 0 -300 -600 -900 2005 2006 Euro-Zone 2007 2008 Nordamerika 2009 2010 Lateinamerika 2011 2012 2013 Asien u. Australien Quellen: EIU; IKB Wir haben bereits gezeigt (Kapitalmarkt-News vom 13 Dez. 2013), dass für die Entwicklung des EUR-US-$-Wechselkurses die Leistungsbilanz alleine empirisch nur eine marginale Rolle spielt. Treiber wie Zinsunterschiede, relative Preise sowie Risikoeinschätzungen reichen völlig aus, um den größten Teil einer Veränderung zu erklären – zumindest was den EUR-US-$Wechselkurs angeht. Aktuell würden diese Größen den Wechselkurs allerdings bei ca. 1,32 sehen, also deutlich schwächer als das aktuelle Niveau. Gemäß dem IKB Fair-Value-Model ist die derzeitige Euro-Stärke weniger auf die Verbesserung der Leistungsbilanz zurückzuführen, sondern vor allem auf eine Überreaktion der Märkte. Dies sollte allerdings nur von kurzfristiger Natur sein. Kapitalmarkt News Doch gilt die Aussage eines begrenzten Einflusses der Leistungsbilanz im Allgemeinen und somit auch für andere Wechselkurse, insbesondere für die der Schwellenländer? Länder wie die Türkei, Südafrika, Indien oder Australien haben chronische Leistungsbilanzdefizite. Steigende US-Zinsen haben in 2013 die Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite erschwert, was zur Abwertung der Währungen geführt hat. So ist es nicht die Leistungsbilanz an sich, sondern ihre Finanzierbarkeit und damit die relative Zinsentwicklung bzw. Risikoeinschätzung für ein Land, die entscheidend ist. Dies wird auch durch die dominante Rolle des Langfristzinsdifferenzials im IKB-EUR-US-$-Wechselkurs bestätigt. Um die Relevanz der Leistungsbilanz auf Wechselkursschwankungen erneut zu prüfen, hat die IKB eine Panelregression über 15 Schwellenländer bzw. 13 Industrieländer durchgeführt. Der Fokus lag dabei auf dem nominalen effektiven Wechselkurs – also dem mit Handelsvolumina gewichteten Wechselkurs eines Landes. Die Ergebnisse: Wechselkurse von Schwellenländern reagieren deutlich sensitiver auf eine Veränderung der Leistungsbilanz, als dies bei industrialisierten Ländern der Fall ist. Denn bei Schwellenländern wird oftmals die Finanzierbarkeit eines erhöhten Defizites von den Märkten in Frage gestellt. Für Industrie- wie auch für Schwellenländer ist die Leistungsbilanz als Treiber der Wechselkursentwicklung zu vernachlässigen. Die Finanzierbarkeit des Defizits ist entscheidend, sie spiegelt sich aber deutlicher in der Risikoeinschätzung und vor allem im Zinsdifferenzial wider – und nicht in erster Linie in der Leistungsbilanz. Empirische Analysen zur Kausalität zwischen einer Veränderung der Leistungsbilanz und dem preisbereinigten Wechselkurs bestätigen die obige Einschätzung. Für industrialisierte Länder kann keine eindeutige Kausalität festgestellt werden, für Schwellenländer schon: Die Veränderung des preisbereinigten Wechselkurses und damit der Wettbewerbsfähigkeit führt zur Anpassungen der Leistungsbilanz und nicht andersherum. Verändern sich die zu erwartenden Renditen, setzt dies die Währung unter Druck, verursacht reale Wechselkursveränderungen und beeinflusst somit die Leistungsbilanz. Dies würde die Entwicklungen nicht nur in der Türkei und Südafrika, sondern auch in Australien als industrialisiertes Land erklären. Der Australische Dollar hatte lange Zeit einen Aufwertungstrend, obwohl das Land kontinuierliche Leistungsbilanzdefizite verzeichnete. Der Grund liegt in der relativ attraktiven Verzinsung, die Australien als AAA-geratetes Land – vor allem im Kontext der Niedrigzinspolitik der Industrieländer – angeboten hat. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der australische Dollar mit der Korrektur der USLangfristzinsen seit Mai 2013 an Boden verloren hat. Abb. 2: Australien: Wechselkurs und Leistungsbilanz 0 1,1 1,0 -2 0,9 -4 0,8 -6 -8 2005 0,7 0,6 2006 2007 2008 2009 Leistungsbilanz, in % des BIP 2010 2011 2012 2013 US-$ je 1 AUD-$, rechte Skala Quellen: Bloomberg; IKB Fazit: Leistungsbilanzen, isoliert betrachtet, haben nur einen begrenzten Einfluss auf die Entwicklung von Wechselkursen. Entscheidend sind vielmehr die Parameter, die die Finanzierung der Leistungsbilanz sicherstellen bzw. die Attraktivität der zu erwartenden Renditen beeinflussen: Kapitalbewegungen und ihre Treiber (Zinsen und Risikoeinschätzungen). Empirische Ergebnisse betätigen zudem, dass die Leistungsbilanz immerhin bei Schwellenländern einen größeren Einfluss auf die Wechselkursentwicklung hat als bei Industrieländern. Der Euro ist auf dem aktuellen Niveau überbewertet. Und in dem Maße, wie die US-Geldpolitik überrascht und sich das Langfristzinsdifferenzial zwischen den USA und Deutschland weiter ausweitet, wird der Aufwertungsdruck des US-$ gegenüber dem Euro immer größer. Daran sollte auch die positive Entwicklung der Leistungsbilanz in der Eurozone nichts ändern. Kapitalmarkt News Disclaimer: Diese Unterlage und die darin enthaltenen Informationen begründen weder einen Vertrag noch irgendeine Verpflichtung und sind von der IKB Deutsche Industriebank AG ausschließlich für (potenzielle) Kunden mit Sitz und Aufenthaltsort in Deutschland bestimmt, die auf Grund ihres Berufes/ Aufgabenstellung mit Finanzinstrumenten vertraut sind und über gewisse Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um unter Berücksichtigung der Informationen der IKB Deutsche Industriebank AG ihre Anlage- und Wertpapier(neben)dienstleistungsentscheidungen zu treffen und die damit verbundenen Risiken unter Berücksichtigung der Hinweise der IKB Deutsche Industriebank AG angemessen beurteilen zu können. Außerhalb Deutschlands ist eine Verbreitung untersagt und kann gesetzlich eingeschränkt oder verboten sein. Die Inhalte dieser Unterlage stellen weder (i) eine Anlageberatung (ii) noch eine individuelle Anlageempfehlung, (iii) noch eine Einladung zur Zeichnung (iv) noch eine Willenserklärung oder Aufforderung an den Kunden ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten abzugeben oder einen Vertrag über eine Wertpapier(neben)dienstleistung zu schließen, dar. Die Unterlage wurde nicht mit der Absicht erarbeitet, einen rechtlichen, steuerlichen oder bilanziellen Rat zu geben. Empfehlungen und Prognosen stellen unverbindliche Werturteile zum Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage dar. Die Angaben beziehen sich ausschließlich auf den Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage. Eine Änderung der Meinung des Verfassers ist daher jederzeit möglich, ohne dass dies notwendigerweise publiziert wird. Die in der Unterlage zum Ausdruck gebrachten Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der IKB wider. Prognosen zur zukünftigen Entwicklung geben Annahmen wieder, die sich in Zukunft als nicht richtig erweisen können; für Schäden, die durch die Verwendung der Unterlage oder von Teilen davon entstehen, wird nicht gehaftet. Bei der Unterlage handelt es sich auch nicht um eine Finanzanalyse im Sinne des WpHG. Sie unterliegt daher nicht den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an eine Finanzanalyse. Die inhaltlichen und organisatorischen Vorgaben an eine Finanzanalyse sind nicht anwendbar. Ein Verbot des Handelns vor Veröffentlichung besteht nicht. Die vorliegende Unterlage ist urheberrechtlich geschützt. Das Bearbeiten oder Umarbeiten der Unterlage ist untersagt. Eine Verwendung der Unterlage für gewerbliche Zwecke, auch auszugsweise, ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der IKB Deutsche Industriebank AG zulässig. Ansprechpartner in der IKB Deutsche Industriebank AG 40474 Düsseldorf Wilhelm-Bötzkes-Straße 1 Telefon +49 211 8221-0 Volkswirtschaft und Research Telefon +49 211 8221-4118 17. Dezember 2013 Herausgeber: IKB Deutsche Industriebank AG Rechtsform: Aktiengesellschaft Sitz: Düsseldorf Handelsregister: Amtsgericht Düsseldorf, HR B 1130 Vorsitzender des Aufsichtsrats: Bruno Scherrer Vorsitzender des Vorstands: Hans Jörg Schüttler Vorstand: Dr. Dieter Glüder, Claus Momburg, Dr. Michael H. Wiedmann