Forum für Wissen 2006: 47–53 47 Zeitliche Verschiebungen von Austrieb, Blüte, Fruchtreife und Blattverfärbung im Zuge der rezenten Klimaerwärmung Annette Menzel Lehrstuhl für Ökoklimatologie, Department für Ökologie, Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt, TU München, Am Hochanger 13, D-85354 Freising [email protected] Das Einsetzen der Jahreszeiten, so wie sie in der Natur zu beobachten sind, hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Austrieb, Blüte und Fruchtreife setzen im Frühjahr und Sommer immer früher ein, und im Herbst sind Blattverfärbung und Blattfall teilweise verspätet. Eine umfangreiche Studie für Europa (COST725) bestätigte dies für die letzten 30 Jahre anhand von 75 218 Zeitreihen: Blüte und Blattentfaltung verfrühten sich im Frühjahr um durchschnittlich 2,5 Tage pro Dekade, und in Mitteleuropa dauert heute die Vegetationsperiode bis zu zwei Wochen länger. Die Signale sind klar auf die Erwärmung durch den anthropogen verstärkten Treibhauseffekt zurückzuführen. Sie sind in ganz Europa zu beobachten, wobei Länder mit stärkerer Erwärmung in den letzten Jahren auch die grössten Veränderungen zeigten. 1 Beobachtete Veränderungen in der Natur im Zuge der rezenten Klimaerwärmung 140 a 130 120 110 100 90 1900 b 11 Temperatur März / April [°C] Rosskastanienblüte [Tag seit Jahresbeginn] Im Jahre 2001 folgerte das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) in seinem letzten Sachstandsbericht, dass sich unser Klima in den letzten zwei Jahrhunderten wesentlich verändert hat. Diese beobachteten Klimaänderungen, vor allem in den letzten Jahrzehnten, hätten bereits vielfältige Auswirkungen in physikalischen und biologischen Systemen gehabt (IPCC 2001). So haben sich beispielsweise Verbreitungsgebiete von Arten polwärts und in höhere Lagen verschoben, die Dichte der Vegetation hat an machen Stellen, wie in der Arktis, zugenommen. Die Zusammensetzung der Vegetationsgemeinschaften hat sich teilweise verändert und der Anteil wärmeliebender Arten, z. B. in den Niederlanden und Norwegen, hat zugenommen. Die am einfachsten festzustellende Veränderung betrifft jedoch Eintrittstermine von wiederkehrenden Ereig- 10 9 8 7 6 5 4 1920 1940 Jahr 1960 1980 2000 nissen im Jahresverlauf, wie Blattentfaltung, Blüte, Fruchtreife, Blattverfärbung und Blattfall. Diese Phasen werden in vielen Ländern Europas von naturinteressierten Bürgern beobachtet und auf den Tag genau festgehalten; deshalb sind zeitliche Verschiebungen genau quantifizierbar. Abbildung 1a zeigt ein Beispiel einer langjährigen (100jährigen) Beobachtungsreihe der Blüte der Rosskastanie in Geisenheim (nähe Frankfurt am Main). Eine Veränderung (Verfrühung) der Eintrittstermine zum Ende der Zeitreihe ist deutlich zu erkennen. Ein weiterer Vorteil dieser Bio-Indikatoren für den Klimawandel ist ihre direkte Abhängigkeit von der Temperatur. Laubabwerfende Pflanzen in unseren mittleren Breiten benötigen zunächst kalte Temperaturen («chilling»), um die genetisch bedingte echte Winterruhe (endogene Dormanz; dormancy) zu durchbrechen. In der sich anschliessenden erzwungenen Winterruhe (exogene Dormanz; rest) hindern nur noch kalte Umgebungsbedingungen die Pflanze am Austrieb – warme Bedingungen (forcing) dagegen för- 90 Mai April 120 Rosskastanienblüte [Tag seit Jahresbeginn] 150 Abb. 1. a) Beispiel einer langjährigen phänologischen Beobachtungsreihe: Blühbeginn der Rosskastanie in Geisenheim (nähe Frankfurt am Main), von 1900 bis 2000 (Regressionsgerade: y = –0.08x + 280.9; R2 = 0.09); b) Eintrittstermine der Rosskastanienblüte und Mitteltemperatur der Monate März/April in Geisenheim 1935 bis 2000 (Korrelationskoeffizient r = –0,797, 63,5 % der Varianz werden durch die Frühjahrstemperaturen erklärt). 48 Forum für Wissen 2006 dern die ontogenetische Entwicklung und führen dann zu Blattentfaltung und Blüte. Auch der Zeitpunkt der Fruchtreife wird durch die Temperatur gesteuert, denn zusätzliche Wärme beschleunigt den Prozess. Deshalb zeigen sich Erwärmungen ausgangs des Winters, im Frühjahr und im Sommer in diesen Gebieten in sich verfrühenden Eintrittsterminen von entsprechenden Frühjahrs- und Sommerphasen (SPARKS und MENZEL 2002; MENZEL 2002; MENZEL 2003). Die Tageslänge gibt dabei einen zeitlichen Rahmen vor, innerhalb dessen die Pflanze dann auf Temperatursignale reagiert (siehe Schema in Abb. 2). In unserem Beispiel der Rosskastanienblüte (Abb. 1b) zeigt eine Korrelation zwischen Eintrittsterminen und Frühjahrstemperaturen diesen engen (statistischen) Zusammenhang deutlich auf (Korrelationskoeffizient r = –0.797). Aus Manipulationsexperimenten in Gewächshäusern und phänologischen Modellen weiss man, dass dieser Zusammenhang auch eine kausale Beziehung darstellt. Der beobachtete Zeitpunkt der herbstlichen Laubverfärbung und des Blattfalls ist dagegen weitaus schwieriger mit Witterungscharakteristika, sei es Temperatur, Tageslänge oder Bodenfeuchtigkeit, zu erklären. Es kann lediglich statistisch gezeigt werden, dass ein warmer Spätsommer die Laubverfärbung im Durchschnitt verzögert, ein warmer Juni dagegen beschleunigt. Deshalb können beobachtete Veränderungen im Herbst bisher keinem Klimaänderungssignal eindeutig zugeschrieben werden (ESTRELLA und MENZEL im Druck). Chilling («Kältereiz») Forcing Um Veränderungen in längeren phänologischen Zeitreihen (> 30 Jahre, Kasten S. 49, A) festzustellen, muss gezeigt werden, dass die Veränderung nicht zufällig ist (d. h. statistisch signifikant) und dass es sich um keine natürliche (interne) Variabilität des beobachteten Faktors handelt (Kasten, B). In vielen Studien wurden diese Veränderungen bisher mit linearen Regressionen beschrieben (siehe SPARKS und MENZEL 2002; SPARKS und TRYJANOWSKI 2005). In Abbildung 1a ist solch eine signifikante lineare Regressionsgerade für das Beispiel der Rosskastanienblüte in Geisenheim eingezeichnet. Soll nun eine beobachtete, signifikante Veränderung in Eintrittsdaten der Klimaerwärmung zugeschrieben werden, so ist ein zweistufiger Prozess notwendig (Kasten, C). Zuerst muss gezeigt werden, dass die Veränderung durch eine Änderung in einem Klimaparameter (meist Temperatur) hervorgerufen wurde und nicht durch irgendeine oder mehrere andere lokale Antriebsfaktoren wie Landnutzungsänderung oder Erhöhung der atmosphärischen CO2-Konzentration. Hier kommen die Vorteile phänologischer Daten zum Tragen, denn gerade das Eintreten von Frühjahrs- und Sommerphasen ist in unseren Breiten nahezu ausschliesslich von der Temperatur abhängig. Abb. 2. Phänologische Uhr für Süddeutschland mit den phänologischen Jahreszeiten Vor-, Erst-, Vollfrühling, Früh-, Hoch-, Spätsommer, Früh-, Voll-, Spätherbst und Winter und ihren charakteristischen Phasen: Blüte von Hasel/Schneeglöckchen, Forcing Forsythie/Weide, Apfel, Schwar(«Wärmereiz») zer Holunder, Sommerlinde, Fruchtreife von Apfel, Schwarzer Holunder, Stieleiche/Rosskastanie, Blattverfärbung Stieleiche, Auflaufen von Winterweizen. Wichtige beeinflussende Witterungsfaktoren sind im Text erläutert. Tageslänge ? 2 Methodik: Feststellung von beobachteten Veränderungen und ihre Zuschreibung zur Klimaänderung Wenn im Beispiel der Rosskastanienblüte (Abb. 1b) 63,5 Prozent der Varianz der Blüte allein durch die Monatsmitteltemperaturen von März und April erklärt werden und kein anderer möglicherweise beeinflussender Faktor bekannt ist (beispielweise gibt es keine schlüssigen Hinweise aus Experimenten, dass ansteigende CO2Konzentrationen die Eintrittstermine gerichtet verändern), so ist dies der erste Schritt der Zuordnung von beobachteter phänologischer Veränderung zur lokalen/regionalen Temperaturänderung. In einem zweiten Schritt muss gezeigt werden, dass die lokale oder regionale Änderung der Lufttemperatur durch den anthropogen verstärkten Treibhauseffekt bedingt ist und nicht etwa durch eine städtische Wärmeinsel oder interne (natürliche) Variabilität im Klimasystem. Nach KAROLY und WU (2005), die diese Frage bereits für die gesamte Erde und für drei verschiedene Zeiträume analysiert haben, gilt u.a. für Europa, dass die beobachtete Temperaturerhöhung in den letzten drei Jahrzehnten auf den menschlichen Einfluss zurückzuführen ist. Neue, auf der Bayes’schen Theorie aufbauende Ansätze erlauben eine verbesserte Analyse der Veränderungen in phänologischen Zeitreihen und Temperaturreihen. Hierzu wird zunächst die Güte verschiedener Modelltypen zur Beschreibung der Daten verglichen. Für jeden dieser Typen, beispielsweise konstanter Eintritt der phänologischen Phasen, lineare Änderung der Eintrittstermine und Änderung mit einem oder mehreren Umkehrpunkten, werden die jährlichen Funktionswerte und die erste Ableitung (Trend), beide mit Konfidenzintervallen, berechnet (siehe DOSE und MENZEL 2004). In Abbildung 3 werden am Beispiel der Rosskastanienblüte und der Monatsmitteltemperatur März/April in Geisenheim (siehe Abb. 1) die Ergebnisse dieser Bayes’schen Zeitreihenanalyse aufgezeigt. Jahre mit wärmerem Frühjahr sind mit früheren Blühterminen verbunden, in den letzten Jahrzehnten ergeben sich bei den gegenläufigen Zeitreihen deutliche Änderungen (Abb. 3a). Die Rosskastanienblüte weist Mitte der 1980er Jahre einen deutlichen Umkehrpunkt auf (in Forum für Wissen 2006 49 Methodisches Vorgehen, um phänologische Veränderungen dem anthropogenen Klimawandel zuzuschreiben. A Auswahl von phänologischen Zeitreihen B Detektion von signifikanten, beobachteten Veränderungen d. h. beobachtete Veränderung ist signifikant und nicht durch natürliche interne Variabilität zu erklären C Zuschreibung an Klimawandel 1) in Verbindung mit einer beobachteten Veränderung in einem Klimaparameter d.h. nicht in Zusammenhang mit einem oder mehreren anderen Antriebsfaktoren 2) beobachtete regionale Klimaänderung muss anthropogenen Ursachen zugeschrieben werden Aus der Literatur ist bekannt, dass die Temperaturänderung in Mitteleuropa menschlichem Einfluss zugeschrieben werden kann. den Jahren 1985 / 86 jeweils 12 Prozent Umkehrpunktwahrscheinlichkeit) (Abb. 3b), ganz ähnliches gilt auch für die Temperatur der Monate März/ April mit sieben Prozent Umkehrpunktwahrscheinlichkeit im Jahr 1986. In diesen Jahren setzt dann auch eine deutliche Verfrühung der Blühtermine und eine Erhöhung der Temperatur ein (Abb. 3c). Während bei der Rosskastanienblüte im Jahr 2000 ein Verfrühungstrend von etwas über einem Tag/ Jahr erreicht wird, der deutlich von Null verschieden ist, zeigt sich bei der Frühjahrstemperatur nur eine Änderung um rund 0,1 °C/Jahr (Abb. 3d). Das Beispiel der Rosskastanienblüte zeigt deutliche Veränderungen in phänologischen und Temperaturzeitreihen. In beiden ist eine starke Änderung Mitte der 1980er Jahre festzustellen, die möglicherweise mit der Nordatlantikzirkulation in Zusammenhang steht. ons» (www.cost725.org) wurde eine umfangreiche Analyse sämtlicher verfügbarer phänologischer Zeitreihen in Europa durchgeführt (MENZEL et al. 2006). Dabei wurden über 125 000 Zeitreihen (1971–2000) aus 17 Ländern von 31 Wissenschaftlern bearbeitet. Ziel dieser Studie war es, (1) für einen ganzen Kontinent systematisch zu untersuchen, wie sich phänologische Eintrittstermine verändert haben, und (2) zu zeigen, dass bisherige Veröffentlichungen nicht selektiv waren und vorwiegend von starken Veränderungen berichtet haben. Zunächst konnte anhand von 254 nationalen Zeitreihen (1951–1999) aus neun Ländern demonstriert werden, dass es gerade für Frühjahrs- und Sommerphasen wie Blattentfaltung, Blüte und Fruchtreife, einen engen Zusammenhang mit der Temperatur vorangehender Monate gibt (Korrelationsanalyse) und dass sich diese Phasen um ein bis fünf Tage pro Grad Celsius Tempe- raturerhöhung verfrühen (Regressionsanalyse). Die herbstliche Blattverfärbung zeigt einen weniger engen Zusammenhang mit der Sommertemperatur, sie verspätet sich im Durchschnitt um bis zu zwei Tage pro Grad Celsius (Abb. 4). Die Ergebnisse aller linearen Trends (1971–2000, mindestens 20 Beobachtungsjahre, über 125 000 Zeitreihen) zeigten deutlich, dass sich Blattentfaltung und Blüte durchschnittlich um 2,5 Tage pro Jahrzehnt verfrüht haben, Fruchtreifephasen um 2,4 Tage/Jahrzehnt. Landwirtschaftliche Phasen, wie Aussaat und Ernte, haben sich weitaus weniger stark verändert (–0,4 Tage / Dekade), ebenso die Herbstphasen, die im Durchschnitt eine leichte Verspätung zeigten (0,2 Tage / Dekade). In Tabelle 1 sind die Anzahl der Reihen und die jeweiligen Anteile von sich (signifikant) verfrühenden und sich (signifikant) verspätenden Reihen angegeben. Bei Blattentfaltung, Blüte und Fruchtreife verfrühen sich mehr als 3/4 der Reihen, mehr als 1/4 sogar signifikant. Das wichtigste Ergebnis dieser Studie (MENZEL et al. 2006) ist aber, dass Länder mit stärkerer Temperaturerhöhung auch deutlichere Änderungen in der Phänologie aufweisen. So sind die Erhöhung der Frühjahrstemperatur und die Verfrühung von Blüte und Austrieb in Ländern West- und Zentraleuropas (z. B. Spanien, Belgien, Deutschland, Dänemark) besonders ausgeprägt, während in Südosteuropa (Slowakei, Griechenland) Verspätungen zu beobachten sind (Abb. 5). 3 Ergebnisse der COST725 Studie Verschiedene Übersichtsartikel (WALTHER et al. 2002) und zwei globale Meta-Analysen (PARMESAN und YOHE 2003 bzw. ROOT et al. 2003), die bisher veröffentlichte Studien zusammengefasst haben, konnten zeigen, dass sich in mittleren und höheren Breiten das Frühjahr durchschnittlich um 2,3 bzw. 5,1 Tage pro Dekade verfrüht hat. Allerdings wurden in den Meta-Analysen nur 172 bzw. 109 Reihen untersucht. Im Rahmen der COST725 Aktion «Establishing a European Phenological Data Platform for Climatological Applicati- Tab. 1. Statistik aller phänologischen Trends in Europa basierend auf Resultaten von linearen Regressionen für Zeitreihen von 1971 bis 2000 (nach MENZEL et al. 2006). Landwirtschaftliche Blattentfaltung Phasen und Blüte Anzahl der Reihen 22338 64027 Verfrühung 57 % 78 % sign. Verfrühung 13 % 31 % Verspätung 43 % 22 % sign. Verspätung 6% 3% Fruchtreife 11191 75 % 25 % 25 % 3% Laubverfärbung 5643 48 % 12 % 52 % 15 % 50 Forum für Wissen 2006 a 11 Temperatur März / April [°C] 150 Rosskastanienblüte [Tag seit Jahresbeginn] 140 130 120 110 100 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 1930 90 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Jahr 1940 1950 1960 1970 Jahr 1980 1990 2000 b Temperatur März/April Wahrscheinlichkkeit Wahrscheinlichkkeit Rosskastanienblüte Temperatur März / April [°C] Rosskastanienblüte [Tag seit Jahresbeginn] c Trend [°C/Jahr] Trend [Tage/Jahr] d Abb. 3. a) Blühzeitpunkt der Rosskastanie (1900–2000) und Mitteltemperatur der Monate März /April (1935–2000) in Geisenheim, bei Frankfurt am Main. b) Bayes’scher Ansatz mit Ergebnissen des Change-Point-Modells für die Rosskastanienblüte (links) und für die Temperatur (rechts): Jährliche Wahrscheinlichkeit eines Umkehrpunktes. c) Funktionsausgleich mit Konfidenzintervallen. d) Trend mit Konfidenzintervallen. Forum für Wissen 2006 Korrelationskoeffizient 0,5 b Landwirtschaftliche Phasen Blattentfaltung und Blüte Fruchtreife Blattverfärbung Temperaturreaktion der phänologischen Phase [Tage/°C] a 51 0 –0,5 –1 100 200 Tag seit Jahresbeginn Landwirtschaftliche Phasen Blattentfaltung und Blüte Fruchtreife Blattverfärbung 2 1 0 –1 –2 –3 –4 –5 –6 –7 300 100 200 Tag seit Jahresbeginn 300 Abb. 4. Temperatursensitivität (a) und Temperaturreaktion (b) von 254 nationalen phänologischen Zeitreihen in neun Ländern Europas mit Mitteltemperaturen des vorangehenden Monats (nach MENZEL et al. 2006). Die Temperatursensitivität wurde mit Korrelationskoeffizienten zwischen phänologischen Eintrittsterminen und Temperatur bestimmt, die Temperaturreaktion als Regressionskoeffizienten von phänologischen Eintrittsterminen (abhängige) und Temperatur (unabhängige Variable). Verspätung 0,2 SK zeigt, deckt die neue Analyse die sprunghaften Änderungen v.a. Mitte der 1980er Jahre auf. Woher kommt diese sprunghafte Änderung zu diesem Zeitpunkt? DOSE und MENZEL (2006) gingen der Frage nach, ob Zeitreihen von Temperaturen und von Blühterminen besser kohärent oder unabhängig zu betrachten sind. Es zeigte sich, dass gerade Kirsch- und Lindenblüte besser kohärent mit Temperaturen zu betrachten sind und dass diese Temperaturzeitreihen ebenfalls Mitte der 1980er Jahre markante Änderungen (Anstiege) aufwiesen (siehe auch Abb. 3). GR A Blattentfaltung und Blüte Verschiedene Tierphasen 0,1 0 HR CZ N –0,1 Verfrühung Mit Hilfe des Bayes’schen Ansatzes können die Veränderungen in der Phänologie Europas (z. B. Blattentfaltung, Blüte, Laubverfärbung) noch besser beschrieben werden. DOSE und MENZEL (2004) sowie MENZEL und DOSE (2005) konnten anhand von sechs langjährigen Reihen der Blüte zeigen, dass das Change-Point-Modell sich weitaus besser als das lineare und das konstante Modell eignet, phänologische Zeitreihen und ihre Änderungen zu beschreiben. Eine umfangreiche Analyse von europäischen Daten aus dem EU Projekt POSITIVE durch SCHLEIP (2005) bestätigte die Überlegenheit des Change-Point-Modells gegenüber anderen Modelltypen. Dies gilt vor allem für spätere Phasen im Jahresverlauf, wie Fruchtreife (SCHLEIP et al. Mskr. akzeptiert). Innerhalb von Europa sind die Trends unterschiedlich: Im Osten (z. B. Weissrussland, Ukraine) verändern sich die Eintrittstermine eher linear oder bleiben konstant. Dies führt letztendlich auch zu stärkeren Änderungen im Westen Europas, wie sie auch schon mit der klassischen Methode der linearen Regression beschrieben wurden (AHAS et al. 2002). In allen bisherigen Untersuchungen von phänologischen Zeitreihen Mitteleuropas mit dem Bayes’schen Ansatz (u.a. DOSE und MENZEL 2004; MENZEL und DOSE 2005; SCHLEIP 2005) zeigte sich, dass vor allem Mitte der 1980er Jahre die Wahrscheinlichkeit für einen Umkehrpunkt besonders gross ist. Dies zeigen diskontinuierliche Änderungen zu diesem Zeitpunkt, meist verbunden mit einer Trendumkehr, an. In Abbildung 6 sind Bayes’sche Analysen aller phänologischen Jahreszeiten in Geisenheim (Nähe Frankfurt am Main) für das gesamte letzte Jahrhundert dargestellt. Im Vergleich zur klassischen phänologischen Uhr in der Bildmitte, die lediglich Veränderungen der Eintrittstermine in ausgewählten Zeitabschnitten an- Mittlere phänologische Trends [Tage/Jahr] 4 Veränderungen in langjährigen Beobachtungsreihen mit Bayes’scher Statistik RUS FIN –0,2 –0,3 –0,4 –0,5 SLO MK EST E GB A CH GB D IRL PL DK E B 0 0,05 0,10 Temperaturtrend des vorangehenden Monats [°C/Jahr] Abb. 5. Mittlere Temperaturtrends und Trends phänologischer Phasen im Frühjahr und Sommer in Ländern Europas: Gefüllte Kreise: Blattentfaltung und Blüte; offene Kreise: Tierphasen (aus: MENZEL et al. 2006). 1985 –2000 1946 –1984 1900 –1945 Vollfrühling Erstfrühling Abb. 6. Phänologische Uhr für Geisenheim bei Frankfurt am Main (1900–2000) mit Ergebnissen der Bayes’schen Zeitreihenanalyse (Change-Point-Modell) für die phänologischen Jahreszeiten. Blaue Punkte: jährliche Umkehrpunktwahrscheinlichkeit; Trend in Tage/Jahr (rot) und Funktionsausgleich in Tagen seit Jahresbeginn (blau) jeweils mit Konfidenzintervallen. Blüte Apfel Blüte Salweide Blüte Schneeglöckchen Vorfrühling Frühsommer Winter Hochsommer Blüte Sommerlinde Winter Spätsommer Frühherbst Vollherbst Spätherbst Geisenheim 1900 bis 2002 Fruchtreife Holunder Fruchtreife Rosskastanie Laubverfärbung Birke Phänologische Uhr Bayes‘sche Analyse 52 Forum für Wissen 2006 Forum für Wissen 2006 5 Zusammenfassung Pflanzen sind «integrierende Messinstrumente» für die Witterung. Einer der besten Bio-Indikatoren für den Anstieg der Temperatur in den mittleren und höheren Breiten sind Veränderungen des Eintrittszeitpunktes von phänologischen Phasen, wie Blattentfaltung, Blüte oder Fruchtreife. Der Lufttemperatur kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, denn die oben genannten Frühjahrs- und Sommerphasen werden im wesentlichen von der Temperatur der vorangehenden Monate beeinflusst. In den letzten Jahrzehnten haben sich diese Ereignisse im Schnitt um 2,3 Tage / Dekade verfrüht (PARMESAN und YOHE 2003). Für Europa konnte die COST725 Studie einen vergleichbaren Wert von 2,5 Tagen / Dekade für Blattentfaltung, Blüte und Fruchtreife (75 218 Reihen) ermitteln. Blattentfaltung und Blüte verfrühen sich dabei um 2,5 Tage / °C Temperaturerhöhung, Fruchtreife um 2,2 Tage / °C (MENZEL et al. 2006). 6 Literatur AHAS, R.; AASA, A.; MENZEL, A.; FEDOTOVA, V.G.; SCHEIFINGER, H., 2002: Changes in European spring phenology. Int. J. Climatol. 22: 1727–1738. DOSE, V.; MENZEL, A., 2004: Bayesian Analysis of Climate Change Impacts in Phenology. Glob. Chang. Biol. 10: 259–272. DOSE, V.; MENZEL, A., 2006: Bayesian Relation between temperature data and blossom onset observations. Glob. Chang. 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The onset of summer phases, such as flowering or fruit ripening, is also advancing. In contrast, the picture of autumn is more heterogeneous with partly later onset of leaf colouring and leaf fall. A new comprehensive European study (COST725) revealed that flowering and leaf unfolding in spring (75 218 records) have advanced by 2.5 days / decade over the last 30 years. In total the vegetation period in Central Europe is now up to two weeks longer than 30 years ago. This signal, which is most apparent in Germany and Switzerland in the mid 1980s, can be attributed to warming due to the anthropogenic greenhouse effect. This far-reaching study within the COST725 action further revealed that the advance of bud burst and flowering is not an accidental result of selected observational records, but is evident throughout Europe. Countries with larger warming have experienced stronger changes in nature. Keywords: phenology, vegetation period, spring, autumn, climate change