South-Stream-Desaster: Russland büßt seine Rolle als Angstgegner

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South-Stream-Desaster: Russland büßt seine Rolle als Angstgegner ein (04.12.2014)
Russland im Dezember 2014 hat viel Ähnlichkeit mit Borussia Dortmund im Dezember 2014: Von
allen Seiten regnet es Buhrufe, im Ranking-Vergleich mit anderen steht man ganz unten und der
Mann an der Spitze will seinen Platz nicht räumen. Im Unterschied zu Wladimir Putin aber gestand
Jürgen Klopp ein: "Ich sehe mich hier total in der Verantwortung und stelle mich dem. Ich stehe ganz
bestimmt nicht im Weg, aber ich kann auch nicht gehen, bevor es eine bessere Lösung gibt."
Putin hingegen zeigt offiziell noch immer keine Neigungen, nach
einem Nachfolger zu suchen, dabei gäbe es hierfür genügend
Anlässe. Das neueste Kreml-Desaster dreht sich einmal mehr um
Energiefragen. Nachdem Russland vergangene Woche vergeblich
versuchte, die OPEC von einer Drosselung bei der Öl-Förderung
zu überzeugen, hat der neueste Paukenschlag mit Erdgas zu tun.
Am Montagabend verkündete Putin das Aus für das russische
Prestige-Projekt „South Stream“-Pipeline. Bei seinem
Türkei-Besuch in Ankara erklärte der Kreml-Chef: „Unter den
jetzigen Bedingungen“ könne man das Projekt nicht
weiterverfolgen. Noch deutlicher wurde der Vorstandsvorsitzende
des South-Stream-Eigners Gazprom, Alexej Miller: „Das Projekt
ist abgeschlossen“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Reuters,
„das war’s“.
Es ist das vorläufige Ende eines Mammut-Projekts. Die an der South Stream beteiligten Konzerne wie
Wintershall (Deutschland), Eni (Italien) und EdF (Frankreich) hüllen sich noch in Schweigen. Die Pipeline
sollte genau 2.380 Kilometer lang sein und von der russischen Schwarzmeer-Küste bis nach Italien
verlaufen. Mit dem Gas aus dieser Leitung sollten von 2019 an 38 Millionen europäische Haushalte versorgt
werden. Putin schob den Schwarzen Peter für das Scheitern der South Stream Bulgarien zu: Die Regierung
in Sofia hatte nämlich noch immer keine Genehmigung für die notwendigen Bauarbeiten im Schwarzen Meer
erteilt. Putin vermutete dahinter Druck aus Brüssel. Damit dürfte er Recht haben. Seit dem vergangenen Juni
hatte Bulgarien die Vorarbeiten zur Pipeline unterbrochen.
Die Europäische Union hatte die South Stream noch nie unterstützt – die Pipeline verstößt nach Meinung
der Brüsseler gegen das 2009 beschlossene „Dritte Energiepaket“ der EU. Hier geht es unter anderem um
die Entflechtung von Einzelinteressen bei der Erzeugung und Versorgung auf den Strom- und Gasmärkten.
Da bei dem Projekt von Anfang an Gazprom dominierte, lag der Filz-Verdacht nahe. Zweifelsohne war die
South Stream dann im Zuge des Ukraine-Konflikts auch noch zu einem politischen Druckmittel der EU
geworden. Schließlich wollte Russland mit der South-Stream-Pipeline die Ukraine umgehen, die bisher
immer ein wichtiges Transitland für Gaslieferungen nach Europa war.
Doch Politik hin, Taktik her: Es herrschen durchaus Zweifel darüber, ob für den Projekt-Stopp nicht vor allem
der wirtschaftliche Aspekt ausschlaggebend war. Die Ursache für diese Überlegungen liegt in der
Besonderheit der russischen Gasverträge – diese sind nämlich seit je her an den aktuellen Ölpreis
gekoppelt. Und der befindet sich seit Juni im freien Fall, rund 30 Prozent hat er weltweit seit dem
Frühsommer eingebüßt. Nach der Entscheidung der OPEC auf ihrem Wiener Gipfel, die tägliche
Fördermenge nicht zu reduzieren, könnte er sogar noch weiter absinken. Außerdem ist die Nachfrage nach
Gas innerhalb der EU seit 2010 um etwa 10 Prozent gefallen.
Muss sich Europa jetzt Sorgen um seine Gasversorgung machen? Eher nicht. In Ankara zeigte Putin sich
unbeeindruckt von der Entwicklung. Russisches Gas werde nun in andere Regionen geliefert, kündigte er
an. Er erklärte weiter: „Wir werden andere Märkte fördern, und Europa wird diese Mengen nicht bekommen,
jedenfalls nicht von Russland. Wir glauben, dass dies nicht den wirtschaftlichen Interessen Europas
entspricht und unserer Zusammenarbeit schadet. Aber das ist die Entscheidung unserer europäischen
Freunde.“ Doch selbst falls das russische Gas nun in die Türkei in einen Energie-Hub fließen solle, wie Putin
andeutete, dürfte ein beträchtlicher Teil davon am Ende doch in europäischen Leitungen landen.
Und Wirtschaft hin oder her: Die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Russland und der Türkei
sind nicht gerade gering. Bis heute ist Moskau der wichtigste Verbündete für Baschar al-Assad, den
umstrittenen syrischen Präsidenten. Die Türkei aber unterstützt mit aller Kraft die syrische Opposition. Und
auch die Ukraine-Krise belastet das Verhältnis zwischen den beiden Mächten, da sich Ankara seit der
Annexion der Krim um das Schicksal der Krimtataren sorgt.
Russlands Rolle in der Türkei ist also alles andere als unangefochten. Am Ende ist es mit der Weltpolitik
nämlich wie mit der Bundesliga: Wenn man seinen Ruf als Angstgegner eingebüßt hat, werden auch die
kleineren Kontrahenten immer respektloser.
Quelle: OILCO Research
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