Deponierückbau in der Praxis

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Deponierückbau in der Praxis
Deponierückbau in der Praxis
– Technologie, Produkte und Kosten am Beispiel
des Rückbaus einer 7,5 Millionen m³ großen Deponie –
1.
Einleitung .....................................................................................................624
2.
Vorgefundene Situation vor dem Rückbau ..............................................624
3.
Vorerkundung..............................................................................................626
4.
Das Projekt und Übersicht der Ergebnisse ..............................................630
5.
Produkte .......................................................................................................636
5.1.
Rückfüllmaterial ..........................................................................................636
5.2.
Recyclingprodukte ......................................................................................638
5.3.
Sonderabfall .................................................................................................640
6.
Probleme ......................................................................................................641
7.
Kosten ...........................................................................................................643
8.
Schlussfolgerung .........................................................................................645
9.
Quellen .........................................................................................................645
Im Beitrag werden die Ergebnisse des bisher weltweit größten Deponierückbauprojektes
präsentiert. Diese 206 ha große Deponie mit etwa 7,5 Millionen m³ Deponievolumen
wurde von 2005 bis 2010 vollständig zurück gebaut, wobei der abgelagerte Abfall
großteils verwertet wurde. Am ehemaligen Deponiegelände erstand und entsteht heute
ein neues Stadtviertel mit Wohneinheiten, Schulen, einer Universität und der notwendigen Infrastruktur wie Autobahnen usw. Da die Deponiefläche bereits Teil der sich
rasch entwickelnden Stadt war und die Nachbarn unmittelbar an die Deponiefläche
angrenzten wurde besonderes Augenmerk auf die maximal mögliche Reduktion aller
Belastung gelegt. Die eingesetzte Technologie erlaubte die Verwertung eines Großteils
der abgegrabenen Materialien und nur ein geringer Rest musste wieder in einer anderen
Deponie abgelagert werden. Die aufwendige labortechnische Begleitung mit tausenden
von Untersuchungsergebnissen erlaubt eine praxisgerechte, realistische Beurteilung
dieses großen Deponie-Rückbauprojektes.
623
Deponien
Reinhard Göschl
Reinhard Göschl
1. Einleitung
Die IUT GmbH arbeitet seit 1989 an Deponierückbauprojekten. Ausgehend von einem
Besuch in Collier County/Florida [1, 2] im Jahr 1989 begann die Beschäftigung mit dem
Rückbau von Deponien. Bereits ein Jahr später konnte ein erstes Rückbau-Testprojekt
in Perry Sound/Kanada gestartet werden. Anschließend wurde das Demonstrationsprojekt in Ludwigsburg entwickelt, welches von 1993 bis 1996 in Betrieb war. Dieses
Projekt wurde wissenschaftlich von Professor Rettenberger begleitet, wurde sehr gut
dokumentiert und in zahlreichen Publikationen u.a. [3, 4] veröffentlicht und gestattet
eine eigene Technologie zu entwickeln.
Aus dieser jahrelangen Erfahrung ergeben sich vier Gründe, um einen Rückbau einer
Deponie überhaupt zu starten:
a) Grund Umweltschutz:
Die Deponie verursacht erhebliche Emissionen im Luft- und Wasserpfad und beeinträchtigt die Umgebung. Diese Projekte werden hauptsächlich von der öffentlichen Hand initiiert.
b) Grund Infrastruktur:
Die Deponie lag früher außerhalb der Stadt, die Stadt wuchs jedoch in den Folgejahren und umschließt nun die Deponie. Die gereinigte Deponiefläche ist werthaltig
und kann zur Finanzierung eines Rückbauprojektes herangezogen werden. Dies ist
derzeit der häufigste Grund, um ein Rückbauprojekt zu starten.
c) Grund Deponievolumenerweiterung:
Durch den Rückbau einer Deponie können 35 bis 50 Vol.-% neues Volumen in einer
bestehenden Deponie gewonnen werden – ein guter Grund für Deponiebetreiber,
den Rückbau zu starten in Zeiten, wo die Genehmigung eines neuen DeponieStandortes fast unmöglich geworden ist.
d) Grund Rückgewinnung von Rohstoffen:
Dieser, relativ neue Grund um ein Rückbauprojekt zu starten, ist wahrscheinlich
zukünftig von Interesse. Dazu werden noch weitergehende Technologien benötigt,
die eine Verwertung der gewonnenen Altstoffe ermöglicht.
Am Beispiel des Rückbaues der Deponie University City Road in Sharjah/Vereinigte
Arabische Emirate sollen die Vorgehensweise und die Ergebnisse eines derartigen
Projektes erläutert werden.
Deponien
2. Vorgefundene Situation vor dem Rückbau
Sharjah ist das drittgrößte Emirat in den VAE und grenzt im Westen an den Arabischen
Golf, im Südwesten direkt an Dubai und im Nordosten an das Emirat Ajman. Die Ausdehnung der Stadt Sharjah, hervorgerufen durch ein enormes Bevölkerungswachstum,
konnte daher nur in Richtung Süd/Südost erfolgen. Die Deponie an der University City
624
Deponierückbau in der Praxis
Road wurde von 1995 bis 2001 mit Haushaltsabfall, Gewerbe- und Industrieabfall,
gefährlichen Abfällen und Bauabfällen befüllt. Eine Untersuchung der Universität von
Sharjah [5] dieser Altlast war die Grundlage zu dem vorgelegten Angebot.
Im Zuge der Vorerkundung, die später näher beschrieben wird, wurde unter der Deponiesohle und einer etwa zwei Meter starken Sandschicht eine sehr dichte Sandsteinschicht vorgefunden. Diese Sandsteinschicht erhob sich außerhalb des nordwestlichen
Endes der Deponie, unter der vorhandenen Autobahn (311 Emirates Highway), bis
zu einer Tiefe von etwa zwei Meter. Diese geologische Barriere bildete ein Becken und
verhinderte den Rückdruck von Brackwasser aus dem etwa zehn Kilometer entfernten
Arabischen Golf. Dadurch war diese Fläche früher auch ohne Grundwasser – im Gegensatz zu fast allen anderen Bereichen der Stadt, – wodurch diese ehemals trockene
Grube zur Verfüllung mit Abfall führte.
Bild 1:
Deponien
Später wurde jedoch an der Südseite der Deponie die, im Übrigen wunderschöne Universitätsstadt des Emirates Sharjah gebaut, welche mehr als intensiv bewässert wurde.
Zusätzlich wurde genau an der Deponiegrenze die Abwasserbehandlungsanlage für die
Universitätsstadt gebaut und betrieben. Da ein Anschluss an das Bewässerungsnetz
der Stadt nicht vorhanden war und die Universität nur mit frischem Wasser bewässert
werden durfte, wurde das gereinigte Abwasser in die Deponie abgelassen. Das Ergebnis
waren mehrere große Teiche in und um die Deponie und ein Wasserspiegel, der nur etwa
einen Meter unter der Deponieoberfläche lag. Die Deponie war also komplett geflutet.
Luftbild der Altlast 2001
625
Reinhard Göschl
Die Ausmaße des abgelagerten Abfalls konnten nur vermutet werden, da die Tiefe der
Deponiesohle unbekannt war. Die ersten Schätzungen lauteten auf 4,6 Millionen m³,
letztendlich wurden (vermessene) 7.506.551 m³ Abfall auf einer Fläche von 205 ha
ausgegraben.
3. Vorerkundung
Bevor der Rückbau einer Deponie beginnt, sind Vorarbeiten notwendig, die die
Kenntnis über den Inhalt dieser Deponie verbessern. Besonders wichtig ist eine genaue Erkundung über die Zusammensetzung der abgelagerten Abfälle sowie über die
Menge und Qualität der vorhandenen Gase und dem Sickerwasser. Anhand dieser
Informationen können dann die Methode, die notwendigen Schutzmaßnahmen und
die Reihenfolge der Rückbauarbeiten festgelegt werden. Besonderheiten, wie Wasser,
Öl oder Asbest im Deponiekörper, erfordern besondere Aufmerksamkeit.
Um an diese Informationen zu kommen, sind folgende Schritte notwendig:
• Vorhandene Aufzeichnungen, Monatsberichte usw., aber auch Augenzeugenberichte überprüfen,
• Oberflächenbegehung,GrobeinteilungderAblagerung,Gasmessungen,
• ProbebohrungenundProbeschürfe.
In Sharjah war die erste Information ein Report der University of Sharjah, welcher auf
Grund von zehn Probebohrungen den Inhalt der Deponie abschätzte und auch generelle Informationen zur Geologie und Hydro-Geologie des Standortes enthielt. Und
natürlich eine Sammlung von alten Fotografien, die die Stadtverwaltung angelegt
hatte. Schriftliche Aufzeichnungen über
die abgelagerten Abfälle existierten nicht.
Deponien
Im Juni 2004 begann die Erkundung mit
der Herstellung von 146 Schürfen. Dabei
wurde die Gasemission gemessen sowie
eine Klassifizierung der Ablagerung nach
Hausabfall, Bauschutt/Baumischabfall und
Industrieabfall durchgeführt. Zusätzlich
wurde eine erste genauere Abschätzung
des abgelagerten Volumens ermittelt.
Der nächste Schritt war der Aufbau eines
kompletten chemischen Labors im Juli
2004. Drei Chemiker arbeiten seit dieser Zeit an der Analyse der Boden- und
Wasserproben.
Bild 2:
626
Probegrabung
Die genaue Erkundung begann im August
2004 durch Ausflaggen eines 50 m Netzes
Deponierückbau in der Praxis
Bild 3:
Deponien
an der Oberfläche, der Normierung dieses Netzes und der Schürfung von gesamt
812 Probegrabungen. Dabei wurden neben der chemischen Analyse des ausgegrabenen
Materials auch Gas- und Wassermessungen durchgeführt.
Übersichtsplan über das Sharjah Deponierückbauprojekt
627
Reinhard Göschl
Die Auswertung des Erkundens erbrachte als Ergebnis, dass etwa die Hälfte des abgelagerten Abfalls Haushaltsmüll, die andere Hälfte Bauschutt und Industrieabfall war.
Natürlich wurden auch chemische Abfälle und Krankenhausabfälle unkontrolliert und
völlig vermischt abgelagert.
Boden 55 %
Stein/Beton 7 %
Flaschen/Glas 2 %
Gummi (Reifen) 1 %
Pappe/Papier 7 %
Kunststoffe 17 %
Holz 6 %
Teppich (Textil) 4 %
Metall 1 %
Bild 4:
Durchschnittliche Zusammensetzung der Deponie
Das Problem mit dieser Deponie wurde durch das Fluten des Deponiekörpers von
täglich 8.500 m³ Wasser aus der nebenan gelegenen Abwasserreinigungsanlage der
Universität verschärft. Der Grundwasserspiegel wurde drastisch erhöht und lag im
Durchschnitt weniger als ein Meter unter der Deponieoberfläche. Die Gasproduktion
wurde angeregt und dadurch auch das Geruchsproblem verstärkt.
Bild 5:
Deponien
Abwasser aus der Kläranlage
Aber der enorme Wasserfluss durch die Deponie hat auch zum Auswaschen von
Chemikalien geführt. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Verunreinigungen wurde
dadurch am nördlichen Rand – Richtung Meer – der Deponie an der Böschung des
Sandsteinrückens gefunden und extra behandelt und entsorgt.
628
Deponierückbau in der Praxis
Bild 6:
Schlammentsorgung aus der
Lagune NW
Einheit
Durchschnitt
Grenzwert
Wassergehalt
%
17,1
nein
Trockensubstanz
%
82,6
nein
Glühverlust
%
1,9
10,0
Blei Pb
mg/kg
5,8
50,0
Cadmium Cd
mg/kg
3,3
10,0
Quecksilber Hg
mg/kg
1,0
3,0
TPH
mg/kg
542,1
1.000,0
mg/l
1.300,2
2.500,0
–
8,2
6,0 bis 13,0
300,0
Trockenrückstand
pH-Wert
Leitfähigkeit
mS/m
124,2
TPH
mg/l
1,0
0,5
Nitrit NO2-
mg/l
2,0
10,0
Nitrat NO3-
mg/l
17,0
500,0
Ammoniak NH4+
mg/l
5,1
40,0
Chlorid CI-
mg/l
68,4
5.000,0
Sulfat SO42-
mg/l
356,1
5.000,0
Tabelle 1:
Mittelwert der Verunreinigungen
der Deponie
Das Ergebnis der Vorerkundung führte dann zum Aufstellen des Abbauplanes und
der Behandlungsmethoden. Diese wurden in 14 sogenannten Methode Statements
mit dem Consultant des Auftraggebers abgestimmt und waren auf Grund fehlender
Gesetze die Grundlage des Projektes. Der internationale Consultant überwachte den
Rückbau ständig und verfasste auch die monatlichen Berichte an den Auftraggeber.
Die Ergebnisse der intensiven Voruntersuchung wurden dann im Betrieb des Projektes
im Wesentlichen bestätigt, wodurch keine unliebsamen Überraschungen entstanden.
629
Deponien
Verunreinigung
Reinhard Göschl
Voruntersuchung
Bild 7:
Realität
Metall
Metall
1%
3%
Rückstand
Rückstand
29 %
34 %
Holz
Holz
6%
2%
Nachfüllmaterial
Nachfüllmaterial
64 %
61 %
Vergleich der Volumenbestandteile
4. Das Projekt und Übersicht der Ergebnisse
Im April 2004 wurde die IUT Gmbh mit dem Rückbau des ersten Teiles der Deponie (Fläche Nr. 966, 135 ha) und im Juni 2005 mit dem verbleibenden Teil (70 ha)
beauftragt.ImOktober2006kamnochdieReinigungderLaguneNWhinzu.Der
Auftrag umfasste den totalen Rückbau mit Aerobisierung, Abgrabung, Sortierung
und Reinigung, Rückverfüllung gereinigter Inert-Stoffe sowie die Verführung von
Resten – hauptsächlich Plastik, Holz und gefährliche Abfalle – zur neuen, etwa 30 km
entfernt liegenden Deponie. Das Projekt sollte ursprünglich bis August 2007 beendet
sein. Durch eine Vergrößerung der Abbauarbeiten sowie leichte Verspätungen, die auf
Grund der örtlichen Situation und verzögerter Zahlungen anfielen, konnte es erst im
Mai 2010 abgeschlossen werden.
Der Zeitplan
• StartErkundung:2.Juni2004
• StartAufbauSortieranlagen:September2004
• StartAerobisation:November2004
• BeginndernormalenArbeit:2.Januar2005
Deponien
• EndederAbgrabung:März2010
• NacharbeitungderSortieranlagen:bisMai2010
• AbbauderAnlagen,Abschluss:September2010
630
Deponierückbau in der Praxis
Übersicht der verwendeten Maschinen und Anlagen:
• Abgrabung
* Abgrabevolumen:
* Schaufelbagger:
* Interne Transport-LKWs:
* Raupe:
* Volumenkontrolle:
8.500 bis 10.000 m³ pro Tag
7
18
1
monatliche Vermessung
Bild 8:
Abgrabung
2
2
Mechanisch-Händische Sortierung
Bild 9:
Deponien
• Sortieranlagen:
* Linien pro Anlage:
* Typ:
Sortieranlage
631
Reinhard Göschl
Linie 100 und 300
* Aufgabematerial:
* Aufbau:
Linie 200 und 400
* Aufgabematerial:
* Aufbau:
Aushub hausmüllähnlicher Abfall
Aufgabe mit Grobsieb, Trommelsieb, Handsortierung des
Überlaufes (Holz, Steine, Sonderabfall)
Magnetabscheider
Ballenpresse für Reste (Plastik)
Siebdurchgang der Trommel zur Feinabsiebung und
Windsichter und zur Lagerhalde des Verfüllmaterials
Aushub Bauschutt ähnliches Material
Aufgabe mit Grobsieb, Flachsieb
Handsortierung des Überlaufs (Holz, Plastik, Sonderabfall)
Magnetabscheider
Windsichter
Prallmühle
Lagerhalde Verfüllmaterial
Siebdurchgang des Flachsiebes zur Feinabsiebung und
Windsichter und zur Lagerhalde des Verfüllmaterials
• BilanzderSortieranlagen
* Abgrabung:
* Verarbeitung:
* Rest in Ballen zur neuen Deponie
bzw. teilweise als Brennstoff:
* Holz, Metalle:
* Rückfüllmaterial:
7.506.551 m³
7,5 Millionen m³ = 100 Vol.-%
1.257.270 Ballen = 1.140.790 m³ = 15 Vol.-%
90.080 m³ = 1,2 Vol.-%
4.022.210 m³ = 53,2 Vol.-%
Deponien
Bild 10:
Eine der beiden Sortieranlagen
632
Deponierückbau in der Praxis
Ausgrabung 100 Vol.-%
Volumenbilanz
Sortieranlagen
Recycling
1,2 Vol.-%
Wiederverfüllung
53,2 Vol.-%
Ballenpresse
Bild 11:
Volumenbilanz der Sortierung
Bild 12:
Verpresster Rest
Bild 13:
Deponien
Reste zur Deponie
bzw. RDF
15 Vol.-%
Verfüllmaterial
633
Reinhard Göschl
• Aerobisation
* Anzahl der Aerobisations-Anlagen: 2
* Typ:
Smell-Well-System
* Tägliche Leistung:
8.250 m³
Prinzip der Aerobisierung mit dem Smell-Well-System
Ziel der Aerobisierung ist eine Umstellung des Bakterienhaushaltes im Deponiekörper
von anaeroben zu aeroben Verhältnissen.
Die Aktivität der anaeroben Bakterien wird durch die Zufuhr von Luft gestoppt.
Gleichzeitig wird auch das Gas-Luftgemisch aus der Deponie gesaugt und in Biofiltern
gereinigt. Die zugeführte Luft wird durch die Biofilter geführt, wo sie aerobe Bakterien
aufnimmt und in den Deponiekörper einbringt.
Dadurch wird in der Deponie eine oxidative Atmosphäre mit aeroben Bakterien geschaffen, die die Gasbildung beendet und den Geruch bindet.
Durch den wechselnden Belüftungsrhythmus wird der Wasserhaushalt vergleichmäßigt
und die Biofilter werden stets mit ausreichend Wasser versorgt. Überschusswasser wird
aus dem System entfernt.
org.
Abfall
Dichtungsschicht
Luft
Saugen/Druck
Luft
Saugen/Druck
org.
Abfall
Deponiematerial
Bild 14:
Prinzip des Smell-Well-Systems
Deponien
Die Luftrichtung wird stündlich gewechselt, dadurch wird die Bildung von Kanälen
im belüfteten Teil der Deponie verhindert.
Zur Installation werden 3,5 m (Standard Lanze) lange perforierte Stahlrohre im Abstand
von fünf bis sechs Metern in den Deponiekörper gepresst. Die Installation erfolgt einfach mit der Baggerschaufel und benötigt nicht mehr als 10 bis 15 Minuten pro Lanze.
Nach dem Verbinden der Lanzen mit der Gebläsestation mittels flexibler Stahlrohre
wird der Aerobisierungprozess gestartet. Nach 4 bis 6 Tagen sind Methanwerte unter
0,5 Prozent im Deponiekörper erreicht, die Lanzen werden wieder gezogen und der
Abbau kann beginnen.
634
Deponierückbau in der Praxis
Bild 15:
Eine der Smell-Well-Anlagen
Die Aerobisierungsanlagen liefen von Beginn an problemlos und haben dazu geführt, dass es trotz direkt angrenzender Nachbarschaft zu keinen erwähnenswerten
Beschwerden geführt hat.
Bild 16:
Smell-Well-Anlage im Einsatz
Vorher
Nachher
Kohlendioxid
37 %
Sauerstoff
Methan
0%
0%
Kohlendioxid
Stickstoff
13 %
6%
Sauerstoff
Bild 17:
Methan
Stickstoff
50 %
81 %
Deponien
13 %
Gaszusammensetzung vor und nach der Aerobisierung
635
Reinhard Göschl
5. Produkte
5.1. Rückfüllmaterial
Hauptziel des Projektes war die Produktion von Verfüllmaterial, das auf der gereinigten
Deponiesohle in Schichten mit einer Dichte von Proctor 95 aufgebracht wurde. Zum
Teil musste die Verfüllung auch ins Wasser erfolgen, was die Verdichtung entsprechend
erschwerte.
Bild 18:
Wiederverfüllte Fläche
Die Qualität des Verfüllmaterials wurde ständig überprüft und entspricht den nachstehenden Tabellen.
Verunreinigung
Einheit
Mittelwert
Grenzwert
Wassergehalt
%
7,7
nein
Trockensubstanz
%
92,3
nein
Glühverlust
%
6,1
10,0
Blei Pb
mg/kg
3,0
50,0
Cadmium Cd
mg/kg
0,7
10,0
Quecksilber Hg
mg/kg
1,7
3,0
TPH
mg/kg
496,1
1.000,0
mg/l
998,4
2.500,0
–
7,6
6,0 bis 13,0
300,0
Trockenrückstand
Deponien
pH-Wert
Leitfähigkeit
mS/m
128,4
TPH
mg/l
0,3
0,5
Nitrit NO2-
mg/l
0,9
10,0
Nitrat NO3-
mg/l
10,5
500,0
Ammoniak NH4+
mg/l
1,9
40,0
Chlorid CI-
mg/l
72,5
5.000,0
Sulfat SO42-
mg/l
403,0
5.000,0
636
Tabelle 2:
Mittelwert der Qualität des Verfüllmaterials aus Bauresten
Deponierückbau in der Praxis
Verunreinigung
Einheit
Mittelwert
Wassergehalt
%
11,5
Grenzwert
nein
Trockensubstanz
%
88,5
nein
Glühverlust
%
8,6
10,0
Blei Pb
mg/kg
2,8
50,0
Cadmium Cd
mg/kg
0,7
10,0
Quecksilber Hg
mg/kg
2,1
3,0
TPH
mg/kg
697,8
1.000,0
mg/l
1.127,7
2.500,0
–
7,7
6,0 bis 13,0
300,0
Trockenrückstand
pH-Wert
Leitfähigkeit
mS/m
148,0
TPH
mg/l
0,4
0,5
Nitrit NO2-
mg/l
2,0
10,0
Nitrat NO3-
mg/l
14,9
500,0
Ammoniak NH4+
mg/l
5,4
40,0
Chlorid CI-
mg/l
103,0
5.000,0
Sulfat SO42-
mg/l
584,2
5.000,0
Tabelle 3:
Mittelwert der Qualität des Verfüllmaterials aus Haushaltsabfall
Die Qualitätskriterien entsprechen den Europäischen Standards und wurden vom
ConsultantdesAuftraggebersfestgelegt.DerOrganikgehalt,dargestelltalsGlühverlust (550 °C) war gering und im Mittel immer unter zehn Prozent. Zusätzlich wurde
noch regelmäßig die Atmungsaktivität mit gemessen. Dieser Wert schwankte immer
zwischen 1 und 2,5 mg/g oTS.
Atmungsaktivität
mg O2/g Trockensubstanz
5,0
4,5
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0
05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05
06 06 06 06 06 06 06 06 06 06 06 06 06 06
20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20
20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20
2. 1. 1. 0. 0. 9. 9. 8. 7. 7. 6. 5. 5. 4. 3. 3. 2. 1. 1.
2. 1. 8. 8. 7. 6. 6. 5. 4. 3. 3. 2. 1. 1.
.1 4.1 8.1 6.1 1.1 7.0 3.0 4.0 9.0 2.0 6.0 4.0 8.0 9.0 0.0 5.0 3.0 9.0 5.0
.1 9.1 7.0 9.0 9.0 2.0 6.0 0.0 8.0 3.0 5.0 1.0 7.0 4.0
0
3
1 2 0 1 0 1 0 0 1 0 0 2 0 0 2 0 1 2 0
1 0 2 0 0 2 0 2 0 2 0 1 2 1
Bild 19:
Deponien
Zeit
Gemessene Atmungsaktivität
637
Reinhard Göschl
Nach der Verfüllung wurden dann noch Beobachtungssonden gesetzt, die bis ins Jahr
2014 auf eventuelle Gasproduktion regelmäßig überprüft wurden.
Bild 20:
Sonde an der verfüllten Fläche
Heute befindet sich auf der ehemaligen Deponiefläche bereits ein neuer Stadtteil mit
Wohneinheiten,gewerblichenObjekten,derErweiterungderUniversitätundInfrastruktur.
Bild 21:
Teilansicht der verfüllten und
bereits bebauten Fläche
5.2. Recyclingprodukte
Die gewonnenen Recyclingprodukte bestanden im Wesentlichen aus:
Deponien
• Metallen,
• Holz,
• Brennstoff.
638
Deponierückbau in der Praxis
Metalle
Bei den Metallen handelte es sich hauptsächlich um Reste der Bewehrung aus den
Baurestabfällen. Die Kontamination war gering und erlaubte einen Verkauf der Metalle
zu marktüblichen Preisen.
Bild 22:
Metalle
Holz
Das Holz wurde in den Sortieranlagen händisch aussortiert und vorerst zwischengelagert. Da die Kontamination gering war, konnte das Holz später als Ersatzbrennstoff
an eine Zementfabrik verkauft werden.
Bild 23:
Holz
Bild 24:
Holz
Ein wesentlicher Bestandteil des Restes waren Kunststofffolien, die in den Sortieranlagen zu niederkalorischem Ersatzbrennstoff (EBS) verarbeitet wurden. Dieser EBS
erfüllte folgende Parameter:
Heizwert Hu:
> 13.200 kJ/Kg
Wassergehalt:
< 20 %
Aschegehalt:
< 30 % v. TS
Chlor ges.:
< 1,8 %
639
Deponien
Ersatzbrennstoff
Reinhard Göschl
Bild 25:
Ersatzbrennstoff
Es konnte allerdings nicht der gesamte Brennstoff in einem der vielen Zementwerke
in den VAE thermisch verwertet werden, da die Transportkosten erheblich waren und
der Bauherr es vorzog, den Brennstoff z.T. in der neuen Deponie zu lagern.
5.3. Sonderabfall
Natürlich wurden auch gefährliche Abfälle in der Deponie gefunden. Sofern diese Abfälle
in Gebinden vorzufinden waren, wurden diese Gebinde unter Anwendung der notwendigen Vorsicht gesammelt, getrennt und einer gesonderten Entsorgung zugeführt.
Bild 26:
Deponien
Bergung eines Giftfasses
In der Deponie wurden auch große Mengen von Ölschlamm aus der Öl-und Gasindustrie abgelagert. Zum größten Teil konnte diese Kontamination durch eine biologische
Behandlung soweit gereinigt werden, dass die Grenzwerte für die Wiederverfüllung
eingehalten wurden. Dazu wurden die kontaminierten Erden auf Halden aufgesetzt,
bewässert und regelmäßig umgesetzt. Zuschlagstoffe beschleunigten bei Bedarf den
Prozess.
640
Deponierückbau in der Praxis
Bild 27:
Umsetzgerät für die biologische
Behandlung
Dieses Verfahren musste auch beim geborgenen Schlamm aus der Lagune an der
nordwestlichen Deponiegrenze eingesetzt werden. Das daraus erzeugte Material konnte allerdings nicht wieder verfüllt werden und musste als Abdeckmaterial zur neuen
Deponie transportiert werden.
6. Probleme
Im März 2006 zerstörte ein Brand auf Anlage 1, hervorgerufen durch Brandstiftung, die
Hälfte dieser Anlage und führte zu einem Produktionsausfall von etwa einem Monat.
Bild 28:
Anlage 1 nach dem Brand
Das größte Problem war jedoch das Wasser. Der Wasserstand war teilweise nur
ein Meter unter der Deponieoberfläche, der gesamte Deponiekörper war geflutet.
Durch das Graben von Entwässerungskanälen und das Einteilen der Aushubfläche in
641
Deponien
Der Auftraggeber änderte die Abbaustrategie und dadurch mussten die Sortieranlagen
im August 2006 und im März 2007 versetzt werden. Auch dies kostete 2 x 5 Wochen
Produktionsausfall.
Reinhard Göschl
unterschiedliche Sektoren konnte mit Hilfe großer, mit Dieselmotor betriebener
Pumpen ein teilweises Absenken des Wasserstandes erreicht werden. Die Entwässerungskanäle wurden dann mit frischem Verfüllmaterial befüllt und verfestigt und
derart zu Dämmen umfunktioniert. Innerhalb eines Dammsystems wurde dann das
Wasser weiter abgesenkt und der Aushub bis zur Deponiesohle in einem oder mehreren Schritten durchgeführt. Nach der Reinigung und Abnahme der Deponiesohle
wurde dann das Pumpen beendet und das gereinigte und abgenommene Gebiet mit
Rückfüllmaterial befüllt.
Dabei wurde das abgepumpte Wasser im Kreislauf geführt, da auf der Baustelle keine
Wasserreinigungsanlage vorhanden war. Die Situation wurde durch das ständige neue
Zuführen von Wasser aus der Kläranlage noch verstärkt. Erst im Jahr 2008 entschärfte sich die Situation erheblich, nachdem der Auftraggeber eine Verbindungsleitung
zwischen den Abwasserreinigungsanlagen errichtete, die den Abfluss der Abwasserreinigungsanlage der Universität dann in das Bewässerungssystem der Stadt Sharjah
einfließen ließ.
Geholfen hat dabei natürlich die enorme Verdunstungskapazität, die durch das vorhandene Klima gegeben ist.
Bild 29:
Entwässerungskanal
Deponien
Bild 30:
Dämme, Pumpen und SWS
Anlage
642
Deponierückbau in der Praxis
Bild 31:
Reinigung der Deponiesohle
Bild 32:
Überprüfen der Deponiesohle
7. Kosten
Während im Jahr 2004 die Erkundung stattfand, wurden die Aerobisierungsanlagen
und die Sortieranlage geplant, hergestellt und aufgestellt. Dazu wurde von der IUT
Gmbh ein Betrag von etwa 9,1 Millionen EUR vorab investiert.
Ab Januar 2005 wurde der Rückbau begonnen und die monatlichen Zahlungen erfolgten.
643
Deponien
Der Auftrag wurde vom Grundstückseigner im April 2004 als Einheitspreis per m³
rückgebautem Deponievolumen vergeben, zahlbar monatlich nach vorgelegtem Vermessungsplan. Alle Maßnahmen wurden von einem international tätigen Consultant,
beauftragt vom Grundstückseigner kontrolliert. Der erste Auftrag umfasste nur das
Kerngebiet von etwa 135 ha und im Juni 2005 wurde der Auftrag auf die gesamte Deponiefläche erweitert.
Reinhard Göschl
In der Endabrechnung stellten sich die Kosten wie folgt dar:
Gesamtkosten für den Rückbau, inkludiert:
• Vorerkundung,
• Aerobisierung,
• Abgrabung,internerTransport,
• VerarbeitungindenSortieranlagen,
• RückverfüllungdesgewonnenenMaterials,
• ChemischeBegleitung/Labor.
Aber ohne
• TransportezuexternenEinrichtungen,
• DeponiegebührenoderVerarbeitungskostenfürdieReste,
• KostenfürdenexternenConsultant,
• VerfüllmaterialzurvollständigenNivellierungderFläche,
• InfrastrukturwieneueStraßen,KanalundWasserleitungen,Stromleitungenusw.
Gesamtkosten: 278.732.000 AED – etwa 68.653.200 EUR
Oderperm³Volumen:37.13AED/m³–etwa9,15EUR/m³
Die Kostenaufteilung betrug:
Vorerkundung
7%
Aerobisierung
15 %
Aushub, interner Transport
32 %
Verarbeitung
34 %
Rückverfüllung mit Verfestigung
7%
Chemisches Labor
5 %.
Deponien
Das Projekt konnte sehr kostengünstig abgewickelt werden, da die spezifischen Kosten
für Personal, Diesel usw. in den VAE zur Projektabwicklungszeit noch günstig waren.
Der Grundstückseigner musste noch etwa 135 Millionen AED (33,3 Millionen EUR)
für die externen Maßnahmen, vor allem zur Herstellung der neuen Infrastruktur – ohne
Autobahn – investieren.
Die Gesamtkosten – ohne Finanzierungskosten – für den Grundstückseigner beliefen
sich daher auf etwa 200 AED/m². Der Grundstückseigner verkaufte anschließend einzelne Teile dieser gesamten sanierten Fläche für 2.200 AED/m².
644
Deponierückbau in der Praxis
8. Schlussfolgerung
Der Rückbau der alten Deponie an der University City Road in Sharjah/VAE war das
weltgrößte Projekt dieser Art. Innerhalb von 63 Monaten wurden 7,5 Millionen m³
Deponievolumen belüftet, abgegraben, sortiert und z.T. wiederverfüllt. Die technischen
und organisatorischen Aufgaben waren enorm und es bedurfte einer genauen Planung
undOrganisation,umdiesesProjekterfolgreichabzuwickeln.
Da die Altlast praktisch komplett mit Wasser geflutet war, mussten besondere Maßnahmen getroffen werden, um diesen Rückbau zu ermöglichen. Durch eine genaue und
detaillierte Vorerkundung war es möglich, die verfüllten Abfallarten zu lokalisieren und
das Abbauprogramm entsprechend aufzustellen. Zwei große Aufbereitungsanlagen mit
jeweils zwei Linien wurden aus Europa importiert und aufgebaut, zur Aerobisierung
dienten zwei Smell-Well-Anlagen.
Etwa die Hälfte des abgegrabenen Volumens konnte als gereinigtes und stabiles Verfüllmaterial wieder auf dem Deponiegelände verdichtet abgelagert werden, nur etwa
15 Vol.-% wurde in Ballen gepresst und als Rest entweder in einer neuen Deponie
gelagert oder als Ersatzbrennstoff in einem Zementwerk verwertet.
In der wieder verfüllten Fläche wurde anschließend für 36 Monate die Gaszusammensetzung und Produktion regelmäßig gemessen, wobei keine nennenswerte Gasproduktion festgestellt wurde.
Die Gesamtkosten für den Rückbau konnten durch spezifisch niedere Kostenstruktur
geringgehalten werden und lagen bei etwa 9,15 EUR/m³ Deponievolumen.
Das Rückbauprojekt Deponie Sharjah zeigt eine realistische Möglichkeit auf, um aus
einer Altlast inmitten einer schnell expandierenden Stadt neues Bauland zu entwickeln.
Das Projekt wurde zur vollsten Zufriedenheit des Grundstückeigners sowie aller beteiligten Behörden und der Anrainer abgewickelt. Heute ist die ehemalige Deponiefläche
ein neues Zentrum der schnell wachsenden Stadt Sharjah.
9. Quellen
[1] EPA Report 600R-93/163 September 1003: Evaluation of the Collier County. Florida, Landfill
Mining Demonstration
[2] Fahey, Robert E.: Landfill Mining/Reclamation. Die Umwelt Akademie Seminar 19426 8.-9.
November 1994, Ludwigsburg
[4] Rettenberger, G.: Rückbauen und Abgraben von Deponien und Altablagerungen. Verlag Abfall
aktuell, 1998, ISBN 3-9806505-1-0
[5] Shanableh,A.;Omar,M.:InvestigationoftheSharjahWasteDisposalSitesandRemediation
Alternatives.A2001PreliminaryStudy,TechnicalReportNo4OS-2,UniversityofSharjah,2001
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Deponien
[3] Rettenberger, G.: Deponierückbau: Technik, Wirtschaftlichkeit und Perspektiven. Verlag Abfall
aktuell, Band 35 – Deponietechnik, Feb. 2010
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