Fachtagung „Sozialer Zusammenhalt“ am 5.6.2008 in Potsdam ___________________________________________________________________________ Fritz Georgi: „Sozialer Zusammenhalt – Thesen“ ___________________________________________________________________________ Laut allgemeinem Konsens ist unter sozialem Zusammenhalt die Bereitschaft der Mitglieder einer Gemeinschaft solidarisch zu handeln zu verstehen. Zwei Formen der Solidarität lassen sich unterscheiden, nämlich die Formen konkreter und abstrakter Solidarität. Unter konkreter Solidarität verstehen wir die tatsächlich geleistete gegenseitige Unterstützung innerhalb bestimmter Gemeinschaften wie in Familien, in der Nachbarschaft u.a.. Die abstrakte Form der Solidarität äußert sich durch Strukturen wie das System der Sozialversicherungen, in dem also niemand mehr in der Lage ist, konkret darüber Auskunft zu geben, welche Person durch seine eigenen Beiträge gefördert worden ist. (Vgl. SOCIALinfo Wörterbuch der Sozialpolitik). In den letzten Jahren ist der soziale Zusammenhalt jedoch zunehmend gefährdet. Das soziale Gefälle in Deutschland wird immer größer. Gemäß des im Mai 2008 veröffentlichten Armuts- und Reichtumsbericht der Regierung, ist inzwischen jeder vierte Deutsche arm oder er muss durch staatliche Leistungen vor Armut bewahrt werden. 13 Prozent der Bundesbürger gelten laut dem Bericht als arm, weitere 13 Prozent können nur aufgrund von Sozialtransfers wie Kindergeld oder Arbeitslosengeld II vor dem Abrutschen in Armut bewahrt werden. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass die Einkünfte der Reichen weiter gestiegen sind. Somit lässt sich eindeutig ein Anwachsen der Schere zwischen arm und reich beobachten. Die Finanzierung der Sozialsystems ist immer problematischer. Wachsende soziale Unzufriedenheit ist dadurch automatisch vorprogrammiert, denn nur die Befriedigung bestimmter Grundbedürfnisse (Nahrung, Wohnung …) allein, ist nicht ausreichend. Wie kann jedoch einer solchen Entwicklung entgegen gewirkt werden? Zur Sicherung des sozialen Zusammenhalts muss ein gewisses Maß an Zufriedenheit unter den verschiedenen Akteuren geschaffen werden. Dieser definiert sich auf den ersten Blick jedoch eindeutig über monetäre Aspekte. Eine über die Grundversorgung hinausgehende Sicherung muss gefunden und vor allem durch alle Akteure getragen und als gerecht empfunden werden, denn die Überbelastung einer Gruppe (reich) führt genauso zu Unzufriedenheit, wie die Vernachlässigung der anderen Gruppe (arm). Wie könnte jedoch ein solcher Modus Vivendi geschaffen werden. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei der Bildung zu – der Bildung in allen Facetten. Dabei ist es egal, ob es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen (elterliche Erziehung, Kinderkrippe, Kindergarten), die Vermittlung schulischer Kenntnisse, die Berufsausbildung oder die universitäre Ausbildung handelt. Niemand bestreitet, dass die individuellen insbesondere die intellektuellen Voraussetzungen unterschiedlich sind. Die Möglichkeiten der Förderung der Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft müssen jedoch verbessert werden. In Deutschland hat jeder Mensch den Anspruch auf Bildung und der Zugang zur Bildung ist im Grunde genommen nicht beschränkt. Dennoch zeigen Umfragen wie die Pisastudie, dass Deutschland im internationalen Vergleich nicht mehr zur Elite gehört. Folglich geht es um die Qualität der Bildung und damit unweigerlich um die Gestaltung des (Aus)Bildungsprozesses. Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung spielen dabei natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle. Das Hauptaugenmerk muss jedoch auf die schulische Ausbildung und die berufliche und universitäre Bildung gelegt werden, denn gerade die Jungen werden im langen Zeithorizont der entscheidende Faktor für die Entwicklung des Landes sein. Wenn also nicht schnellstmöglich weitere Aktionen im Kampf gegen Bildungsmissstände unternommen werden, dann wird die soziale Kluft insbesondere angesichts des demographischen Wandels weiterhin wachsen und eine zunehmende Polarisierung in arm und reich stattfinden, welcher den noch bestehenden sozialen Zusammenhalt aufsprengen könnte. Die Probleme sind seit geraumer Zeit bekannt, jedoch ist eine konzertierte Aktion notwendig, um diesen erfolgreich entgegen treten zu können. Aus diesem Grund sind folgende Schritte zu unternehmen: 1. Das deutsche Bildungssystem muss international auf einen wettbewerbsfähigen Stand gebracht werden. Mit aller Kraft und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln muss hier in die Zukunft investiert werden. Versäumnisse werden gefährden nicht nur den sozialen Frieden sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt. Alle Versäumnisse belasten den Staat finanziell zusätzlich. Konzepte dafür gibt es genug, die Politik setzt sie nicht oder nur halbherzig um. 2. Die momentan auf dem Arbeitsmarkt eingesetzten Instrumente wie MaE, ABM greifen nicht langfristig bzw. sind für einen Großteil für die in Frage kommende Klientel ungeeignet. Kombilohn oder Einarbeitungszuschüsse sind nur für die Klientel geeignet, die integrationsfähig sind, oder es ist ein begleitender Betreuungsaufwand notwendig. Damit werden nur kurzfristige Erfolge erzielt. Das Ende der Maßnahmen bedeutet oftmals den Weg zurück in die Arbeitslosigkeit. Daher müssen neue Instrumente entwickelt werden, die das Bestreben haben, die tatsächliche Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. 3. Lebenslanges Lernen ist und bleibt ist ein notwendiges Erfordernis und ist nicht nur als Schlagwort zu sehen. Die Unternehmen müssen daran Interesse haben, ihre Mitarbeiter fortwährend bedarfsgerecht zu qualifizieren. 4. Die Vermittlung soziokultureller Kompetenzen spielt eine wichtige Rolle, vor allem wenn die Gesellschaft zunehmend multikulturell wird und Staatsgrenzen nur noch pro forma oder eben als Kulturgrenze existieren. Toleranz und Verständnis innerhalb eines bestimmten Rahmens müssen eindeutig gefördert werden. Aus diesen zunächst vier Schwerpunkten lassen sich einzelne weit reichende Themenschwerpunkte, Handlungsfelder und Konzepte ableiten, die aber nicht als Projekte durchgeführt werden sollen, sondern es müssen dauerhafte berechenbare Strukturen entstehen, deren Kompetenzen sich ständig weiterentwickeln lassen.