Aktuelle Versorgungslage im Kt. Bern für Frauen mit psychischen Belastungsstörungen während Schwangerschaft und im Postpartum Prof. Dr. med. Thomas Müller Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universität Bern 22.01.2016, 3. Fachtagung Geburtshilfe Wo stehen wir? • Perinatale psychische Erkrankungen wenig bekannt (BAG) • Föderalistisch organisiertes Gesundheitswesen in der Schweiz: 26 verschiedene Gesundheitssysteme • Bisher keine Richtlinien: weder für die Erfassung noch für die Behandlung perinataler psychischer Erkrankungen • kaum spezifisch ausgebildetes Gesundheitspersonal • Wenig interdisziplinäre Zusammenarbeit (Gynäkologen, Hebammen, Psychiater, Mütter Beratungsstellen…) • Bisher kaum Präventionsarbeit • Perinatale psychische Erkrankungen sind tabuisiert. 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 2 Rückblick auf die Entwicklung von spezifischen Mutter-Kind-Angeboten • Bis Mitte des letzten Jahrhundert wurden Mutter und Kind getrennt • Ab den 50er Jahren werden in GB Behandlungen gemeinsam durchgeführt à kürzere Hospitalisationen und wenige Rückfälle der Mütter • Zunehmend Erkenntnisse über den gewichtigen Einfluss auf die Kindesentwicklung • In Europa nachfolgend, aber sehr zögerlich Aufbau von spezialisierten Angeboten • Aber: weiterhin sehr uneinheitliche Versorgungslage; nur wenige Länder mit klaren Vorgaben seitens der Gesundheitsbehörden • Bsp. Grossbritannien: eigene Subspezialität in der Psychiatrie 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 3 Mutter-Kind-Einheiten rund um den Globus • Einheiten definiert mit spezialisiertem Angebot mit mind. 4 Betten und Wiegen • USA: uneinheitlich, dtl. unterversorgt • Australien: Fokus auf Melbourne, Angebote überwiegend für Privatversicherte • Mittel- und Westeuropa: seit den 80er punktuell gute Versorgungslage • GB: führend, aber unterversorgt • Deutschland: gute Versorgung mit ca. 140 Einheiten (Kosteneffizienz jedoch nicht gesichert) • „Dritte Welt“: 5 Betten in Indien, 8 Betten in Sri Lanka 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 4 Was sagt die Forschung zu Mutter-Kind-Einheiten? • Kein Konsens über den Aufbau, aber • Einbezug des Vaters wichtig • Optimale Grösse von 5 Betten • Durchgehende Weiterbildung gefordert • Fokus auf Vernetzung und Früherkennung • Aufenthalte • zumeist freiwillig (ca. 80%) • 50% wegen Rückfall bei vorheriger Erkrankung • 25% Neuerkrankungen • Liegedauer 10 Wochen (Daten aus Frankreich) • Ca. 15% der Mütter nach Entlassung von Kindern getrennt! • Wichtig: Nachsorge muss gesichert werden • Aktuell keine gesicherten Erkenntnisse zur Kosteneffizienz 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 8 • 23 Studien analysiert mit ca. 5000 Patientinnen • Verbesserung von • Gesundheit der Mutter • Mutter-Kind-Beziehung • Entwicklung des Kindes • Schlechteres Outcome bei schweren Depression, Psychosen und Persönlichkeitsstörungen sowie geringem soziokulturellen Status • Untersuchte Studien von wechselnder Qualität und nur einzelne randomisierte Ansätze à Aussagekraft reduziert 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 12 Schnittstellen Poliklinik UPD und Frauenspital/Neonatologie UPD Poliklinik Frauenspital KIS 1-3 Muki Betten Wochenbett Ambulant/stationär Gynopsychiatrische Sprechstunde Familienplanung Konsiliardienst Gynäkologische Endokrinologie Sexualsprechstunde Psychosomatische Sexualsprechstunde 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern Neonatologie Wochenbett: Kinderschutz 14 Mutter-Kind Behandlungskonzept: Schnittstelle Poliklinik UPD und Frauenspital UPD Poliklinik Spezialisiertes Behandlungsangebot bot auf der KIS Psychologin Frauenspital Spielzimmer Interdisdisziplinäre ambulante Ambulante Vätergruppe 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern Wochenbett Müttergruppe Spielzimmer Hebamme Kinderhütedienst 15 Mutter- Kind Behandlungsangebot stationär auf der KIS Spezialisiertes Behandlungsangebot für 1-3 Müttern auf der Kriseninterventionsstation: Psychiatrisch psychotherapeutische Behandlung der Mutter Videogestützte Therapie der Mutter-Kind-Beziehung Unterstützung der Mutter im Alltag Miteinbezug des Partners 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 16 Mutter- Kind Behandlungsangebot stationär auf der KIS Psychiatrisch psychotherapeutische Behandlung der Mutter. Diagnostik nach ICD Bei Bedarf Psychopharmakotherapie ( Beratung: Psychopharmaka und Stillen) Psychotherapie: verhaltenstherapeutisch, störungsspezifisch, IPP Ausschluss: akute Selbst-oder Fremdgefährdung 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 17 Mutter- Kind Behandlungsangebot stationär auf der KIS Videogestützte Einzeltherapie der Mutter-Kind Beziehung 60 Min /pro Woche 10 Minütige Videoaufnahme mit signifikanten Mutter- Kind –Interaktion Videomikroanalytische Therapie nach Downing Aufbau mütterlicher Kompetenzen und emotionalen Austausch mit dem Baby Visualisierung der Beziehung 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 18 Mutter- Kind Behandlungsangebot stationär auf der KIS Unterstützung der Mutter-Kind Betreuung im Alltag Unterstützung durch Hebamme und Pflegeteam bei der alltäglichen Betreuung des Kindes Babymassage Positive Verhaltensweisen der Mutter werden bestätigt Sensibilisierung für kindliche Signale Beruhigungstechniken 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 19 Ambulante Müttergruppe: Module an der Murtenstr.21 (In Anlehnung an S. Wortmann und Ch. Hornstein) Rollenbilder Wahrnehmung positiver Gefühle, Stressfaktoren Stressbewältigungsstrategien Krisenmanagement Wecken der Neugierde an der Beobachtung des Kindes, Bedeutung der beschreibenden Sprache, Echo auf kindliche Signale geben, Beruhigungstechniken, Führen und Folgen in der Interaktion 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 20 Ambulante Vätergruppe: „Väter unter sich“ Module an der Murtenstr.21 • Alternierend zur ambulanten Müttergruppe : Monatlich statt findender Austausch der Vätern • Anbindung an unsere allgemeine Sprechstunde möglich 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 21 Gedanken zum Konzept • • • • Ziel Schliessen der bestehenden Behandlungslücke ( fehlende MutterKind Behandlungsplätze) Bereitstellen eines spezialisierten stationären und ambulanten Behandlungsangebotes für Mütter mit Kindern ( bis max 1 Jahr) Fokus: Nebst der Behandlung der Mutter liegt der Fokus auch auf der Interaktion(Mutter/Kind) ev. mit Begleitforschung sowie dem Miteinbezug des Vaters Entstigmatisierung durch Zusammenschluss der beiden Disziplinen im Behandlungskonzept Positionierung durch interdisziplinäre Behandlung und Vernetzung mit den bestehenden ambulanten Angeboten (ambulante Hebammen, Mütterberatung aber auch mit den Niedergelassenen..) 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 22 8 000 14 000 13 000 12 000 11 000 10 000 9 000 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern Quelle: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/06/blank/data/01.html 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Ist der Bedarf im Kanton Bern abgedeckt? Geburten 23 Ist der Bedarf im Kanton Bern abgedeckt? • Stationär sollten gemäss Glangeaud-Freudenthal et al. (2014) pro 2‘000 Lebendgeburten 1-1.5 Betten zur Verfügung stehen à für den Kanton Bern zwischen 5-8 Betten • Mit ca. 4 Betten im Kanton Bern mit expliziter Bezeichnung „MutterKind“ besteht stationär eine leichte Unterversorgung • Im stationären Bereich muss auch beachtet werden, dass die Angebote nicht für perakute psychiatrische Störungen geeignet sind. • In Vor- und Nachsorge gibt es keine internationalen Empfehlungen; im Kanton Bern wäre aber eine bessere Vernetzung und Kommunikation der Angebote dringend angezeigt. 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 24 Stationäre Angebote im Kanton Bern 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 25 Stationäre Angebote im Kanton Bern 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 26 Blick in die Zukunft • Bedarf an noch engerer interdisziplinärer Vernetzung (Spezialfächer, Berufsgruppen) • Aufzeigen der Angebote (Kampagne wie Berner Bündnis gegen Depression) • Interdisziplinäre Weiter- und Fortbildungen • Fokus auf vulnerable Populationen (zB Migratinnen) • Einbindung des sozialen Umfeldes (Väter) • Evtl. Entwicklung von Behandlungsempfehlungen • Forschungsförderung • Kantonale oder eidgenössische Versorgungsvorgaben (?) 3. Fachtagung Geburtshilfe, Frauenklinik Bern 28