Die wasserunlöslichen, fettlöslichen Vitamine Vitamine & Coenzyme • Die Vitamine A, D, E, K sind wasserunlöslich und fettlöslich • Vitamine A und D stellen keine Vorstufen von Coenzymen dar (Sehpigment, „Hormon“) • Die Rolle von Vitamin E (Tocopherol) ist nicht vollständig aufgeklärt! (Antioxidans) • Vitamin K ist essentiell als COFAKTOR für die Carboxylierung von Blutgerinnungsfaktoren 61 Hypervitaminosen Vitamine & Coenzyme • Überschuss an wasserlöslichen Vitamine wird über die Niere im Urin ausgeschüttet • Überschuss an wasserunlöslichen Vitaminen kann teilweise nicht ausreichend exkretiert werden und daher kommt es zur Speicherung, vor allem in der Leber • Die Aufnahme von Vitamin A, D, E oder K über die empfohlene bzw. der erlaubten Tagesdosis kann daher gesundheitsschädlich sein! 62 Die wasserunlöslichen, fettlöslichen Vitamine Vitamine & Coenzyme Vitamin Aktive Form Mangelerkrankung β-Carotin (Provitamin A) Retinol (A) Retinal Nachtblindheit, Sehstörung Ergocalciferol (D2) Cholecalciferol (D3) Dihydroxycholecalciferol Rachitis, Osteomalazie Tocopherol (E) α-Tocopherol (E) selten, unspezif. Symptome Phylloquinon (K1) Menaquinon (K2) Dihydroformen Blutgerinnungsstörungen 63 Die wasserunlöslichen, fettlöslichen Vitamine Vitamine & Coenzyme Aktive Form Reaktion Biolog. Funktion Retinal cis-trans Isomerisierung Sehprozess, Entwicklung Dihydroxycholecalciferol Hormon Ca- & P-Stoffwechsel α-Tocopherol Reduktion von Radikalen ? Antioxidans Proteinkinase C Dihydrophylloquinon Dihydromenaquinon Carboxylierung Blutgerinnung 64 Vitamin A: Provitamin A = Carotine Vitamine & Coenzyme Carotine (lat. carota: „Karotte“): • sekundäre Pflanzenstoffe (tiefgelb-orange Farbe) • unpolar, fettlöslich • Tetraterpene: 2 Iononringe –> über C-Kette mit 9 konjugierten DB verbunden • Überdosierung nicht toxisch (im Gegensatz zu Vitamin A!) • bekanntester Vertreter: β-Carotin (= Provitamin A -> wichtigste Vorstufe von Vitamin A) Funktion in Pflanzen: Photosynthese, Schutz vor UV-Strahlen und Infektionen Funktion beim Mensch: Zellschutz durch antioxidative Wirkung, Provitamin A 65 Vitamin A: Von Carotin zu Retinol Vitamine & Coenzyme this bond is broken 66 Vitamin A: Von Carotin zu Retinol Vitamine & Coenzyme Vitamin A = Retinol • fettlösliches, essentielles Vitamin • DITERPEN -> einwertiger, primärer Alkohol mit einem β-Jononring und konjugierten DB • wichtigster Vetreter: all-trans-Retinol • z. B. in Orangen, Karotten, Spinat, Fisch, Leber, Eigelb, Milchprodukte Funktion: Bestandteil des Sehpigments (als Retinal), Wachstumsfaktor, beteiligt bei Testosteronbildung, Nervensystem, Erythrozytenbildung, Proteinsynthese, Fettstoffwechsel, Schutz vor DNA-Schäden in Haut und Schleimhaut, Knochen, Embryonalentwicklung, Immunsystem Folgen bei Mangel: Haarausfall, Sehstörungen (z. B. Nachtblindheit), Atrophie von Schleimhäuten und Speicheldrüsen 67 Vitamin A: Von Carotin zu Retinal Vitamine & Coenzyme this bond is broken 68 Vitamin A: Sehvorgang durch Lichtabsorption Vitamine & Coenzyme Retinal in der Konfiguration 11-cis-Retinal ist in den Stäbchen der Netzhaut mit dem 11-cis-Retinal Protein Opsin verbunden -> Rhodopsin (Sehpurpur). CH3 11 12 H3C CHO CH3 11-cis-Retinal Lichtabsorption führt zur Konfigurationsänderung von 11-cis-Retinal zu all-transRetinal, wodurch das Opsin abgespalten wird und eine Signalkaskade bis zum Sehnerv einsetzt. Leichter Mangel an Retinol: • verminderte Nachtsicht CH3 H3C Lichtabsorption: cis-trans Isomerisierung CH3 H3C CH3 CH3 11 CHO 12 11-trans-Retinal Stärkerer Mangel: • schnelles Ermüden der Augen • Nachtblindheit • Verhornung der Sehzellen CH3 all-trans-Retinal strukturelle Veränderung im Opsinprotein 69 Vitamin A: Farbensehen Vitamine & Coenzyme Sichtbares Licht: Wellenlängenbereich 380 - 780 nm Sehzellen (Photorezeptoren): Photonen lösen in den Photorezeptoren der Netzhaut durch einen chemischen Vorgang am Eiweiß (Opsin) des Sehpurpurs (Rhodopsin) elektrische Signale aus. Über die Sehnerven werden diese Signale ins ZNS weitergeleitet -> Farbeindruck! Es gibt zwei Systeme von Photorezeptoren: Stäbchen: - nur 1 Typ - nur Hell-Dunkel-Kontraste - für Nachtsehen (skotopisches Sehen) Zapfen (Farbrezeptoren): - für Tagessehen (photopisches Sehen) - 3 Typen mit je spezifischer spektraler Empfindlichkeit 70 Vitamin A: Farbensehen Vitamine & Coenzyme Die ZAPFEN exprimieren drei verschiedene sog. Photopsine (L, M, S), die das Retinal in einer unterschiedlichen Umgebung einbetten -> dies führt zu einem veränderten Absorptionsspektrum mit Maxima bei 420, 530 und 560 nm (blaues, grünes und rotes Pigment). L-Zapfen (Long): für längere Wellenlängen Absorptionsmax.: 560 nm = rot M-Zapfen (Medium): für mittlere Wellenlängen Absorptionsmax.: 530 nm = grün S-Zapfen (Short): für kürzere Wellenlängen Absorptionsmax.: 420 nm = blau Um Farben zu unterscheiden, muss das Gehirn die Antworten von mindestens 2 verschiedenen Zapfentypen vergleichen. Animation Sehvorgang 71 Vitamin A: Farbenfehlsichtigkeit Vitamine & Coenzyme Farbenblindheit (Achromasie): vollständiger Ausfall des Farbsinns -> keine Farben, sondern nur Kontraste (hell-dunkel) wahrgenommen (geringe Sehschärfe, sehr hohe Blendungsempfindlichkeit); alle Zapfen funktionsunfähig; autosomal-rezessiv vererbt oder erworben Farbenfehlsichtigkeit (Dyschromasie): resultiert aus dem Fehlen eines der drei Photopsine; meist genetisch bedingt; Monochromasie: nur 1 Zapfen funktioniert; Farben als Graustufen wahrgenommen Dichromasie: - bei rot-grün „Blindheit“ ist entweder der rote oder grüne Photorezeptor nicht funktional (rot- oder grün- Dichromat) - fehlen die S-Zapfen liegt eine Blau-Gelb-Sehschwäche vor (sehr selten!) John Daltons Augen: 150 Jahre nach seinem Tod konnte durch DNA Analyse festgestellt werden, dass er ein Grün- Dichromat war! 72 Vitamin A: Hypervitaminose Retinol Vitamine & Coenzyme Hypervitaminose → (längere) Überversorgung mit hohen Dosen Vitamin A → 300 mg Vitamin A sind toxisch und 900 mg tödlich → Körper speichert überschüssiges Vitamin A insbesonders in der Leber -> Leberkonsum gering halten (Schweineleber: 42 mg Vit A/100g)! Symptome: Lebertoxisch, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, erhöhter Hirndruck, Osteoporose, Verringerung der Schilddrüsentätigkeit, Wucherungen der Knochenhaut Leber von POLAR-CARNIVOREN: aufgrund ihres sehr hohen Vitamin-AGehaltes toxisch -> von den Inuit nicht gegessen! 100 g Leber eines Eisbären bzw. 300 g Leber eines Huskies sind für den Menschen tödlich! Quelle von Vitamin A Ochse (Leber) Dorsch Lebertran Heilbutt Lebertran Weddell-Robbe (Leber) Mensch (Leber) Ant. Huskies (Leber) Ark. Robben (Leber) Eisbär (Leber) [Vitamin A](µg)/g 165 180 9000 133 172 3171 3600-4200 7200-10500 73 Vitamin A und Mawsons Polarexpedition Vitamine & Coenzyme DOUGLAS MAWSON leitete eine Polarexpedition in der Antarktis von 1911-1914. Durch mehrere unglückliche Umstände verloren sie ihre Vorräte und mussten ihre Schlittenhunde verspeisen. Einer der beiden Expeditionsteilnehmer verstarb an einer Vitamin A-Vergiftung, da er die Innereien einschließlich der Leber aß! Douglas Mawson (1882-1958) 74 Vitamin D / Cholecalciferol Vitamine & Coenzyme Physiologisches Vitamin D -> 25(OH)-D3 = 25-Hydroxy-Cholecalciferol (Seco-Steroid) eigentlich kein Vitamin, sonder „Pro-Hormon“ -> Umwandlung ins Hormon Calcitriol Vorkommen: - in der Haut mit Hilfe von UV-B-Licht aus 7-Dehydrocholesterol gebildet - in der Nahrung v.a. in fettem Fisch (Lebertran!) Funktion Hormon: • Regulierung des Calcium- Spiegels im Blut • Knochenaufbau Vitamin-D-Mangel: Rachitis, Osteomalazie Hypervitaminose D: -> eher selten, da beschränkte exogene Aufnahme -> bei chron. Überdosierung: Hypercalciämie, Hypercalciurie, Nierenschädigung, Niereninsuffizienz, Erbrechen, Bauchkrämpfe, Psychosen, Muskelschmerzen etc... 75 Vitamin D ist ein Steroidderivat Vitamine & Coenzyme C H3 R CH 3 10 9 HO C H3 R UV-Licht CH 3 C H3 R spontan HO HO Prävitamin D3 7-Dehydrocholesterol H 3C CH 3 CH 2 Vitamin D3 Hydroxylierungen (Leber/Niere) OH CH 3 25 CH 3 Calcitriol 1α,25-Dihydroxy-Vitamin D3 (aktive Form) CH 2 1 HO OH 76 Vitamin E / Tocopherol Vitamine & Coenzyme Gr.. toko, Geburt; pherein, hervorbringen Vitamin E: • Gruppe von > 16 fettlöslichen Substanzen • Bestandteil aller Membranen tierischer Zellen • nur von Pflanzen und Cyanobakterien gebildet α-Tocopherol: - am besten erforschte Form - beste Speicher- und Transportform im Körper Vorkommen: Weizenkeimöl und andere pflanzliche Öle, Leber, Vollkornprodukte, Blattgemüse, Eier ... Funktion: • lipidlösliches Antioxidans -> Tocopherol wirkt als Radikalfänger • Steuerung der Keimdrüsen („Antisterilitätsvitamin“) 77 Vitamin E / α-Tocopherol Vitamine & Coenzyme CH3 O H3C OH H CH3 CH3 CH3 CH3 H3C CH3 Grundstruktur: • Chromanring -> an Pos. 6 hydroxyliert • unterschiedliche Methylierung -> α-, β-, γ- oder δ-Form • unterschiedlich gesättigte Seitenketten, z.B.: Tocopherole: Tocotrienole (T3): gesättigte Seitenkette dreifach ungesättigte Seitenkette 78 Vitamin E / α-Tocopherol Vitamine & Coenzyme Wirkung als Antioxidans: Tocopherol kann mehrfach ungesättigte Fettsäuren in Membranlipiden, Lipoproteinen und im Depotfett vor Oxidation (Lipidperoxidation) schützen. Freie Radikale greifen die Doppelbindungen der Fettsäuren an. Tocopherol wirkt als Radikalfänger, indem es selbst zu einem mesomeriestabilisierten Radikal wird. Das Tocopherol-Radikal wird dann unter Bildung eines Ascorbatradikals reduziert (d.h. die Regenerierung von Vitamin E benötigt Vitamin C!). Das Ascorbatradikal wird mit Hilfe von Glutathion (GSH) regeneriert. Reduktion eines Fettsäure-Radikals durch Vitamin E -> 79 Vitamin K Vitamine & Coenzyme Vitamin K: Namensgebung: K -> Koagulation R= O Struktur: CH3 CH3 Grundgerüst von 2-Methyl-1,4-Naphtochinon (Menadion = K3) -> unsubstituierter, aromatischer Ring -> Methylgruppe -> lipophile Seitenkette (nur bei K1 und K2) CH3 H R R= O H Vitamin K1: R = O 3 CH CH H R = CH • Phyllochinon O CH 3 CH CH • in Pflanzen für die Photosynthese CH H 3 R= 3 3 3 3 3 O R R= 3 H CH3 R= 8 CH3 CH3 3 Vitamin K2: R = CH 8 O • Menachinon H H R= R R= 8 • auch von Mikroorganismen im menschlichen Darm produziert O H R= O RCH3 H 8 3 H Vitamin K3: R = • Menadion • synthetisches Vitamin K-Analogon ohne Seitenkette (künstliches Provitamin K) • wasserlöslich 80 H Vitamin K Vitamine & Coenzyme Nobelpreis für Medizin/Physiologie 1943 HENRIK DAM (1895-1976) „For his discovery of vitamin K“ EDWARD ADELBERT DOISY (1893-1986) „For his discovery of the chemical nature of vitamin K“ 81 Vitamin K Vitamine & Coenzyme Funktion: Vitamin kann zwischen seinen oxidierten (Chinon) und reduzierten (Hydrochinon) Formen wechseln: K2 und K3 beim Mensch: Cofaktor für Vitamin-K-abhängige Carboxylierungsreaktionen -> - Blutgerinnung - Knochenstoffwechsel: Aktivierung von Osteocalcin und Calbindin - Zellwachstum 82 Mechanismus von Vitamin K abhängiger Carboxylierung Vitamine & Coenzyme Vitamin K-abhängige Carboxylierungsreaktion: Enzym: γ-Glutamylcarboxylase Protein wird mittels CO2 und ATP am γ-Glutamylrest carboxyliert das aktivierte Vitamin K-Dihydrochinon wirkt als Cofaktor der Carboxylase und wird dabei zu einem 2,3-Epoxid umgewandelt - Epoxid-Form durch VITAMIN-K-EPOXIDREDUKTASE zur Chinon-Form umgewandelt durch gerinnungshemmende Medikamente wie Dicoumarol und Warfarin inhibierbar - Chinon mittels CARBONYLREDUKTASE zum Hydrochinon reduziert 83 Mechanismus von Vitamin K abhängiger Carboxylierung Vitamine & Coenzyme O H N CHC O H N CHC CH2 CH2 HC H CH COO COO CO2 CH2 HC COO COO Glu Vitamin KDihydroquinon Gla O2 H2O O OH OH S S O H N CHC CH3 CH3 R O R O O Vitamin K-2,3-Epoxid SH Dithiol SH CH3 SH R SH O Vitamin K-Quinon S S Disulfid 84 Vitamin K Antagonisten Vitamine & Coenzyme Dicoumarol und Warfarin sind kompetitive Inhibitoren von Vitamin K. O CH3 Vitamin K R O O OH O O C H2 O O OH OH O CH Dicoumarol wird bei der Zersetzung von Pflanzen (süsser Klee) gebildet und kann zu tödlichen Blutungen bei Rindern führen! Warfarin (Rodentizid) CH2 C O CH3 85 Vitamin K reguliert die Blutgerinnung Vitamine & Coenzyme Vitamin K ist essentiell für die posttranslationale Modifikation wichtiger Proteasen und Proteine in der Blutgerinnungskaskade: • es aktiviert die Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X durch Einführung von Carboxyglutamatresten • außerdem werden durch Vitamin K auch die gerinnungshemmenden Proteine C und S carboxyliert und so aktiviert Faktor II (Prothrombin) besitzt 10 γ-Carboxyglutamatreste am N-Terminus (AS 6-33). Prothrombin ohne die CarboxyglutamatModifikation besitzt nur etwa 1-2% der “Blutgerinnungsaktivität”. 86 Vitamin K und die Blutgerinnung Vitamine & Coenzyme Blutgerinnung 87