www.SchulLV.de Basiswissen > Biochemische Grundlagen > Vitamine Vitamine Skript PLUS Einführung Stoffe, welche die tierische Zelle zum Überleben braucht, aber nicht selbst produzieren kann, bezeichnet man als essenzielle Nährstoffe. Davon sind einige Substanzen für alle Tiere essenziell, andere werden nur von bestimmten Tieren benötigt. Zu diesen essenziellen Nährstoffen, die mit der Nahrung aufgenommen werden müssen, gehören unter anderem die Mineralstoffe und die Vitamine, wie z.B. die Ascorbinsäure (=Vitamin C), deren Strukturformel in Abb. 1: Strukturformel des Vitamin C. Abbildung 1 abgebildet ist. Vitamine sind organische Verbindungen und werden vom Organismus nicht als Energieträger gebraucht. Statt dessen sind sie für andere lebenswichtige Funktionen nötig. Es gibt einige Vitamine, die dem Körper als Provitamine (= Vorstufen) bereit gestellt werden. Diese werden dann erst im Körper in die Wirkform gewandelt. In diesem Skript lernst du die Geschichte der Vitamine kennen, bekommst einen Überblick über die Vitamine und deren Einsatz. Zum Ende wird dann geklärt, ob Vitaminzusätze, wie Multivitamintabletten, überhaupt fu?r den Menschen nötig sind. Geschichte der Vitamine Als 1912 der polnische Biochemiker Casimir Funk einen Artikel des niederländisches Arztes Christiaan Eijkman über die Vitaminmangelkrankheit Beri-Beri (zu deutsch: Schafsgang), eine zu dieser Zeit noch unerforschte neue Krankheit, die in Japan und auf Java auftauchte, gelesen hatte, setzte er sich ausführlich mit der Isolierung des Wirkstoffs gegen diese Krankheit auseinander. In diesem Artikel konnte Eijkman in der javanischen Stadt Batavia, in einem Militärhospital beobachten, dass die Symptome der Krankheit Beri-Beri, Lähmungen und Kräfteverlust, auch bei den Hühner im Hof des Hospitals auftraten. Diese wurden genauso wie die Patienten mit weißem, geschältem Reis (s. Abb.2) gefüttert. Auffällig war, dass die Krankheit auch erst nach der Einführung europäischer Reisschälmaschinen auftrat. Nachdem er vermutete, dass es sich bei Beri-Beri um eine Mangelkrankheit handelt, konnte 1885 der japanische Arzt Takaki die Krankheit heilen. Dafür führte er dem Reis einfach wieder die entfernte www.SchulLV.de 1 von 4 Reiskleie zu. Daraufhin isolierte Casimir Funk aus Reiskleie einen Stoff, mit dem man die Beri-Beri-Krankheit heilen konnte. Durch Analysen fand er heraus, dass es sich um eine stickstoffhaltige Verbindung handelt, ein Amin namens Thiamin (= Vitamin B1). Wegen diesen Entdeckungen nannte er diese Stoffe Vitamine, vita (= das Leben) und Amine. Heute weiß man, dass dieses Kunstwort nicht auf jedes Vitamin zutrifft, da viele keine Aminogruppen besitzen. Ein weiteres wichtiges Ereignis in der Geschichte der Vitamine war die erstmalige Isolierung von Vitamin B1 in kristalliner Form 1926 durch die holländischen Chemiker Barend C. P. Jansen und Willem F. Donath. Die zur Zeit bekannten Vitamine, die jetzt auch über chemische Synthesewege hergestellt werden ko?nnen, wurden zwischen 1920 und 1980 erstmals rein dargestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden zum ersten Mal Krankheiten, Vitaminmangelerscheinungen die durch ausgelöst Abb. 2: Weißer, geschälter Reis. werden, bemerkt. Deshalb versuchte man zuerst Krankheiten wie Beri-Beri, Skorbut und Rachitis durch Zugabe entsprechender Nahrungsmittel zu heilen. Die nächste Stufe war dann, die jeweiligen Vitamine aus essenziellen Nahrungsmittelbestandteilen zu isolieren. Überblick Heute kennt man 13 essenzielle Vitamine für den Menschen, unterteilt werden diese in fettlösliche (lipophile) und wasserlösliche (hydrophile) Vitamine. Eine Übersicht über diese Vitamine findest du in Tabelle 1 und 2. Vitamin wichtig für empfohlen bei Schwächen bzw. Mangelsymptome Vitamin B1 (= Thiamin) Energiestoffwechsel, Nervensystem Müdigkeit, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, PMS, Diabetes, Immunschwäche Vitamin B2 (= Riboflavin) Energiestoffwechsel, Aminosäurenstoffwechsel Müdigkeit, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Migräne,PMS, Diabetes, Immunschwäche Vitamin B3 (= Niacin) Blutzuckerregulierung, Energiestoffwechsel, Detox, DNA Replikation Müdigkeit, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Migräne,PMS, Diabetes, Immunschwäche, Arthrose, Arthritis Haut, Haare, Nerven, Vitamin B5 Immunsystem, (= Energiestoffwechsel, Pantothensäure) Nervensystem Vitamin B6 (= Pyridoxin) www.SchulLV.de Haut, Haare, Muskulatur, Nervensystem Dermatitis (Hautfunktionsstörungen), Kopfschmerzen, Immunsystem, Arthritis Haarausfall, Konzentrationsschwäche, Depressionen, PMS, Muskelschwäche, Allergien, Dermatitis 2 von 4 Vitamin B7, auch Vitamin H Glucosestoffwechsel, Haut, Haare, Immunsystem Haarausfall, Hauterkrankungen (Dermatitis), brüchige Fingernägel, Immunsystem (= Biotin) Vitamin B9 (= Folsa?ure) VOR der Schwangerschaft, Fruchtbarkeit (Mann), Nervensystem, DNA Bildung, allgemeine Schwäche, Abgeschlagenheit, Homocysteinspiegel Dermatitis, Haarausfall, Diabetes Vitamin B12 Nervensystem, Zellteilung, Detox von Homocystein Vitamin C Immunsystem, (= Ascorbinsa? ure) Eisenstoffwechsel, Detox, kontrolliert Histaminspiegel Diabetes mellitus, Asthma, Allergie, Konzentrationsstörungen, Stress, Depressionen Infekten, Allergien, Asthma, eingeschränkte Fruchtbarkeit, Diabetes, Bluthochdruck Tabelle 1: wasserlösliche (hydrophile) Vitamine empfohlen bei Schwächen bzw. Vitamin wichtig für Vitamin A (= Retinol) Sehfunktion, Körperwachstum, Haut und Schleimhaut Diabetes, Infektanfälligkeit, Augenerkrankungen, Schwangerschaft, Hautschutz Vitamin D Immunsystem, Kalziumstoffwechsel (Knochen!) Immunsystem, Fruchtbarkeit (Männer), Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Ostheoporose, Arthrose Vitamin E (= Tocopherol) Antioxidans, schützt Fettsäuren, Immunsystem, wirkt entzündungshemmend Arteriosklerose, Diabetes mellitus, Immunsystem, Fruchtbarkeit (Männer), Arthritis / Rheuma Mangelsymptome Vitamin K (= Calciumstoffwechsel Phyllochinon) Knochenaufbau, Osteoporose Tabelle 2: fettlösliche (lipophile) Vitamine Sind Vitaminpräparate nötig? Vitaminmangel In der Vergangenheit litten die Menschen oftmals unter Krankheiten, die durch Vitaminmangel ausgelöst wurden, so genannten Hypovitaminosen. Bekannte Krankheiten sind Rachitis, Mangel an Vitamin D, Skorbut, Mangel an Vitamin C, Beri-Beri, Mangel an Vitamin B1 und Pellagra, Mangel an Vitamin B3. Heute treten diese Hypovitaminosen in Mitteleuropa kaum noch auf. Wenn hierzulande Menschen doch an Vitaminmangel leiden, ist dies meist auf eine Darmerkrankung zurückzufu?hren, weswegen nicht genügend Vitamine aus der Nahrung aufgenommen werden können, oder es liegt an einer schweren Leberkrankheit, häufig in Kombination mit einer einseitigen Ernährung. Bei Alkoholikern trifft dies oft zu. Eine Gefahr besteht vor allem auch fu?r Senioren, bei denen ein Vitamin-D- und Kalzium-Mangel das Risiko fu?r Knochenschwund und Knochenbrüche deutlich www.SchulLV.de 3 von 4 erhöht. Mediziner waren bei Schwangeren immer wieder vor einem Folsäuremangel, der zu schweren Schäden beim Fötus führen kann. Vitaminüberschuss Vitamine werden heute hoch angepriesen. Durch Einnahme von hochkonzentrierten Vitaminen, angereichert in Säften, Joghurts, Brot und anderen Lebensmitteln, sollen z.B. lebensverlängernden Anti-Aging-Effekte eintreten. Seit den 1980er Jahren boomen dieser Präparate. Die Nahrungsmittel-Industrie erkannte damals, dass sich mit Vitaminen viel Geld verdienen lässt und wirbt seitdem offensiv fu?r Multivitaminpräparate (s. Abb.2) und Lebensmittel mit Vitaminzusätzen. Durch zusätzliche Aufnahme von Vitaminen und anderen Nahrungsmittelergänzungsstoffen sollen sogar verschiedenste Krankheiten wie zum Beispiel Krebs, Herzkreislauf-Probleme, Osteoporose, Sehschwächen und vieles mehr vorgebeugt werden. Abb. 3: Multivitaminpräparate. Welche dieser Eigenschaften den Vitaminen nun zugeschrieben werden können, ist oft noch Interpretationssache der Ernährungsexperten, die meist sehr unterschiedliche Meinungen vertreten. Wirklich unterscheiden, zwischen Mythen und Fakten, kann man als Laie praktisch nicht. Viele Experten setzen heute, statt auf hochdosierte Vitamin-Pra?parate, wieder eher auf eine natürliche, ausgewogene Ernährung. Eine Extradosis an Vitaminen soll aber meistens nicht schaden, da der Körper überschüssige Mengen wasserlöslicher Vitamine normalerweise mit dem Urin wieder ausscheidet. Bei den fettlöslichen Vitaminen, vor allem A und D, kann ein übermäßiger Konsum schädlich sein, da der Körper die fettlöslichen Vitamine in Kombination mit fetthaltigen Lebensmitteln leichter aufnimmt und speichern, also anreichern kann. Vitamine sollten also nur dann in synthetischer Form, als Nahrungsergänzung, zugeführt werden, wenn tatsächlich ein Bedarf besteht. Ob dies der Fall ist und die dann passende Dosierung sollte mit dem Arzt oder Apotheker besprochen werden. Vitamine „vorbeugend“ in großen Mengen einzunehmen, ist nicht sinnvoll, manchmal sogar schädlich, vor allem bei fettlöslichen Vitaminen. Bildnachweise [nach oben] [1] © 2015 – SchulLV. [2] Public Domain. [3] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Four_colors_of_pills.jpg – Ragesoss, CC BY-SA. www.SchulLV.de 4 von 4