EUROPÄISCHES PARLAMENT 2009 - 2014 Petitionsausschuss 26.10.2011 MITTEILUNG AN DIE MITGLIEDER Betrifft: Petition 1793/2009, eingereicht von Alessandro Rasman, italienischer Staatsangehörigkeit, zur Schaffung von EU-Rahmenrechtsvorschriften für die innovative Behandlung der multiplen Sklerose, Petition 1817/2009, eingereicht von Carolina Bandidni, italienischer Staatsangehörigkeit, zur Gewährung des Zugangs von MS-Patienten zur endovaskulären Behandlung der multiplen Sklerose, Petition 1836/2009, eingereicht von Domenico D'Orsi, italienischer Staatsangehörigkeit, im Namen von Liberate Zamboni, zur CCSVI- und MultipleSklerose-Untersuchung, Petition 0187/2011, eingereicht von Aline Meliyi, französischer Staatsangehörigkeit, zu einer innovativen Behandlung bei multipler Sklerose, die in Frankreich verweigert wurde, Petition 0425/2011, eingereicht von Alessandro Rasman, italienischer Staatsangehörigkeit, im Namen des „Comitato Sclerosi Multipla“, zur Behandlung von chronischer cerebro-spinaler venöser Insuffizienz in Italien 1. Zusammenfassung von Petition 1793/2009 Der Petent bezieht sich auf ermutigende Ergebnisse aus der Forschung bei der endovaskulären Behandlung von MS-Patienten. Er würde es begrüßen, wenn Rechtsvorschriften auf EUEbene verabschiedet werden, die allen unter multipler Sklerose leidenden Patienten Zugang zu dieser Behandlung verschaffen. Zusammenfassung von Petition 1817/2009 CM\882124DE.doc DE PE445.616v02-00 In Vielfalt geeint DE Die Petentin verlangt, dass MS-Patienten Zugang zu einer endovaskulären Behandlung der multiplen Sklerose erhalten. Zusammenfassung von Petition 1836/2009 Der Petent leidet an multipler Sklerose und möchte die Aufmerksamkeit auf die Chronische Gehirn-Kreislauf-Insuffizienz (CCSVI) lenken, ein Syndrom, bei dem das Gefäßsystem nicht in der Lage ist, sauerstoffarmes Blut aus dem zentralen Nervensystem effizient abzuführen. Grund dafür sind in erster Linie die venöse Stenose der Halsschlagader und der Azygos-Vene bzw. Venenklappenprobleme. Diese komplexe Gefäßkrankheit wurde von Paolo Zamboni entdeckt, der auch auf den merkwürdigen und beunruhigenden Zusammenhang zwischen CCSVI und multipler Sklerose hingewiesen hat. Der Petent teilt mit, dass es bereits eine CCSVI-Therapie gibt (das so genannte CCSVI Liberation Treatment). Er beklagt die Tatsache, dass der nationale Gesundheitsdienst Italiens (SSN) MS-Patienten eine einfache Untersuchung auf CCSVI verwehrt und für diese Patienten keine andere Möglichkeit besteht, als sich in Ländern untersuchen und behandeln zu lassen, in denen diese Therapie durchgeführt wird (z. B. in Polen). Zusammenfassung von Petition 0187/2011 Die Petentin leidet an MS und hat von einer innovativen Behandlung gehört, die von Dr. Zamboni vorgeschlagen wurde. Die Ärzte in Frankreich bieten diese Behandlung nicht an. Zusammenfassung von Petition 0425/2011 Der Petent vertritt die Ansicht, dass die Entscheidung des italienischen Obersten Gesundheitsrates „Consiglio Superiore di Sanità“ vom 4. März 2011, die Diagnose und Behandlung von CCSVI ausschließlich im Rahmen randomisierter klinischer Studien zu gestatten, im öffentlichen Gesundheitswesen jede diagnostische und therapeutische Tätigkeit blockiere. 2. Zulässigkeit Petition 1793/2009 Für zulässig erklärt am 19. März 2010. Die Kommission wurde um Auskünfte gebeten (Artikel 202 Absatz 6 der Geschäftsordnung). Petition 1817/2009 Für zulässig erklärt am 22. März 2010. Die Kommission wurde um Auskünfte gebeten (Artikel 202 Absatz 6 der Geschäftsordnung). Petition 1836/2009 Für zulässig erklärt am 23. März 2010. Die Kommission wurde um Auskünfte gebeten (Artikel 202 Absatz 6 der Geschäftsordnung). PE445.616v02-00 DE 2/8 CM\882124DE.doc Petition 0187/2011 Für zulässig erklärt am 24. Mai 2011. Die Kommission wurde um Auskünfte gebeten (Artikel 202 Absatz 6 der Geschäftsordnung). Petition 0425/2011 Für zulässig erklärt am 18. Juli 2011. Die Kommission wurde um Auskünfte gebeten (Artikel 202 Absatz 6 der Geschäftsordnung). 3. Antwort der Kommission, eingegangen am 24. Juni 2010 Petitionen 1793/2009, 1817/2009, 1836/2009 Die Chronische Gehirn-Kreislauf-Insuffizienz (CCSVI) ist eine chronische Erkrankung, die unbehandelt dazu führt, dass der Rückfluss des Blutes vom Gehirn und Rückenmark zum Herzen verlangsamt oder verhindert wird. Ursache dafür ist eine Stenose, d. h. Verengung, derjenigen Venen, die hauptsächlich für die Ableitung von Blut aus dem Gehirn und Rückenmark verantwortlich sind. Es entsteht ein Mangel an Sauerstoff (Hypoxie) im Gehirn, der mit der erhöhten Erschöpfbarkeit (Fatigue) in Verbindung gebracht wurde, einem häufigen Symptom der Multiplen Sklerose (MS). Ein führender Chirurg, Dr. Paolo Zamboni aus Italien, untersuchte bei einer Vorstudie mittels Ultraschall und MRV (Magnetresonanz-Venografie) die zum bzw. vom Gehirn führenden Gefäße Hunderter Patienten und gesunder Kontrollpersonen. Nach Aussage von Dr. Zamboni waren bei den meisten MS-Patienten die Vena jugularis und die Vena azygos (die Blut vom Gehirn ableiten) missgebildet oder blockiert. Dr. Zambonis Theorie lautet, dass CCSVI eine erhöhte Ablagerung von Eisen im Gehirn verursacht, die eine Schädigung wichtiger Blutgefäße hervorruft. Durch diese Schädigung können Metalle und Immunzellen die BlutHirn-Schranke überwinden. Dr. Zamboni ist der Auffassung, dass die CCSVI-bedingte Schädigung und der damit verbundene Übertritt von Immunzellen ins Hirngewebe das Myelin zerstören, das die Nerven umhüllt und schützt. Eine Reihe von Patienten in der EU und anderen Teilen der Welt sind der Auffassung, dass das öffentliche Gesundheitswesen den Ansatz von Dr. Zamboni anerkennen sollte, und der Petent fordert die Kommission auf, dessen Konzept für die Behandlung der Multiplen Sklerose zu unterstützen. Die Anmerkungen der Kommission zu den Petitionen Die Kommission ist mit der Arbeit von Dr. Zamboni vertraut. Es sind mehrere Artikel dazu in begutachteten Fachzeitschriften erschienen. Soweit der Kommission bekannt ist, wurde die Übertragung der Ergebnisse in die klinische Praxis bislang nur in einer dieser Publikationen beschrieben. Konkret handelt es sich um eine offene Sicherheitsstudie, deren Ergebnisse im Dezember 2009 veröffentlicht wurden (J Vasc Surg. 2009 Dec; 50(6):1348-58.e1-3: „A prospective open-label study of endovascular treatment of chronic cerebrospinal venous CM\882124DE.doc 3/8 PE445.616v02-00 DE insufficiency“)1. Die Autoren selbst weisen im Titel der Publikation darauf hin, dass dies vorläufige Ergebnisse sind. Nach Ansicht der Kommission eröffnen sich durch diesen neuen Ansatz und durch die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Multipler Sklerose (MS) und Chronischer Gehirn-Kreislauf-Insuffizienz gewiss neue Wege für die Forschung, darunter auch für die Erforschung neuer Behandlungsmöglichkeiten. Obwohl die ersten Daten von großem Interesse sind, darf nicht übersehen werden, dass das Konzept der CCSVI als Ursache der MS sowie die Behandlung von Venenstenosen durch Aufweitung mittels Stents oder Ballonkathetern in weit größeren Studien wiederholt und validiert werden müssen. Wie bei jeder Forschung kommt es darauf an, bekannte Ergebnisse zu bestätigen und zu replizieren sowie Fragen zu beantworten, mit denen die Zuverlässigkeit der aufgestellten Theorie getestet wird. Folgendes ist zu klären: 1) der Zusammenhang zwischen CCSVI und MS (z. B.: Tritt CCSVI bei allen MS-Patienten und bei allen Arten von MS auf? Tritt CCSVI bei Nicht-MS-Patienten auf? Tritt CCSVI bei Kindern auf? Wird CCSVI durch MS verursacht oder umgekehrt? Wie wirkt sich die Venenblockade aus?) und 2) Welche Auswirkungen hat die Behandlung der Veneninsuffizienz (z. B.: Treten die Auswirkungen der Behandlung bei allen Arten von MS auf? Wie lange halten die Auswirkungen der Behandlung vor? Lassen sich die Ergebnisse in einem „Blindversuch“ replizieren, bei dem weder die Teilnehmer noch die Untersuchenden wissen, welche Behandlung angewandt wird? Wie steht es um die Zuverlässigkeit, die Risiken und den Nutzen der Behandlung? Wie schneidet diese Behandlung gegenüber vorhandenen Therapien ab, was die Wirksamkeit und Sicherheit anbelangt?). Rund um den Erdball entwickeln Wissenschaftler Forschungsprotokolle, um zu ermitteln, wie sich CCSVI und MS zueinander verhalten. Momentan werden zwei Großstudien durchgeführt, um mögliche Zusammenhänge zwischen MS und CCSVI zu belegen und weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Von den Ergebnissen dieser beiden Studien, die an den Universitäten von Buffalo und Georgetown in den USA stattfinden, hängt es ab, ob eine überzeugende Antwort gegeben werden kann. Im Februar 2010 haben Forscher von der Universität Buffalo Zwischenergebnisse ihrer Arbeit vorgelegt. Ihre vorläufigen Erkenntnisse waren interessant, teils aber auch uneinheitlich2. Schlussfolgerung Die Kommission kann nicht die endgültigen wissenschaftlichen Ergebnisse absehen, die erst nach gründlichen plazebokontrollierten Doppelblind-Studien vorliegen werden; sie kann auch nicht beurteilen, wie die rechtliche Zukunft dieses neuen Behandlungsansatzes für die Multiple Sklerose aussehen wird. Die Organisation des Gesundheitswesens und die gesundheitliche Versorgung liegen in der Zuständigkeit der nationalen Regierungen. Die EU hat die Aufgabe, die Mitgliedstaaten zu unterstützen, so z. B. durch die Förderung des Wissensaustauschs und der Forschung. 1 2 http://www.neuropromise.it/ http://www.mssociety.ca/ccsvi/resources/201002_BuffaloPrelimReport.pdf. PE445.616v02-00 DE 4/8 CM\882124DE.doc Die Kommission hat derzeit nicht vor, aufgrund der Ergebnisse von Dr. Zamboni konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Zur Forschungsförderung durch die Kommission ist anzumerken, dass die jährlichen Arbeitsprogramme für das Programm „Zusammenarbeit“, das ein Bestandteil des 7. Rahmenprogramms (RP7) für Forschung und technologische Entwicklung (RP7, 2007-13) ist, in Konsultation mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten aufgestellt werden. Durch das Programm „Ideen“ bietet das RP7 auch Möglichkeiten zur Einreichung von Projektvorschlägen nach dem Bottom-up-Prinzip. Die Kommission leistet schon seit vielen Jahren Unterstützung für die Forschung zur Multiplen Sklerose. Das noch lauf e n d e integrierte Projekt NeuroproMiSe1 http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=E-20101019&language=EN - def1#def1 wurde in dem vorangegangenen Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung (RP6, 2002-06) mit einem EU-Beitrag in Höhe von 11,4 Mio. EUR gefördert. Aktuell werden beim RP7 zwei Projekte mit Bezug zu Multipler Sklerose gefördert, wobei sich der bisherige EU-Beitrag auf insgesamt 6 Mio. EUR beläuft. Die Kommission geht außerdem davon aus, dass die künftigen Arbeitsprogramme, die für das Thema „Gesundheit“ des Programms „Zusammenarbeit“ des RP7 aufgestellt werden, weiterhin eine Förderung gesundheitspolitischer Maßnahmen in Bezug auf Multiple Sklerose vorsehen. Auch durch das Programm „Gesundheit (2008-2013)“ werden seit vielen Jahren Maßnahmen im Bereich MS unterstützt. Zu den Ergebnissen des Projekts „Multiple Sclerosis - Information Dividend“ der EMSP (Europäische Multiple-Sklerose-Plattform) zählten die Erweiterung des Kenntnisstandes und die Stärkung der politischen Unterstützung für den Code of Good Practice on MS2, die Schaffung des MS Barometer3 und die Ausrichtung der ersten europäischen Konferenz zu MS. Der Arbeitsplan 2010 für die Durchführung des Programms „Gesundheit" sieht die Möglichkeit der Förderung einer Machbarkeitsstudie für ein künftiges Europäisches MS-Register vor4. Die Kommission geht außerdem davon aus, dass die künftigen Arbeitsprogramme, die im Rahmen des Programms „Gesundheit“ aufgestellt werden, weiterhin eine Förderung gesundheitspolitischer Maßnahmen in Bezug auf Multiple Sklerose vorsehen. 4. (REV) Antwort der Kommission, eingegangen am 26. Oktober 2011 Petitionen 1793/2009, 1817/2009, 1836/2009, 0187/2011, 0425/2011 Die Anmerkungen der Kommission zu den Petitionen Die Chronische Gehirn-Kreislauf-Insuffizienz (CCSVI) ist eine Erkrankung, die dazu führt, dass der Rückfluss des Blutes vom Gehirn und Rückenmark zum Herzen verlangsamt oder verhindert wird. Ursache dafür ist eine Stenose, d. h. eine Verengung derjenigen Venen, die hauptsächlich für die Ableitung von Blut aus dem Gehirn und Rückenmark verantwortlich sind. Dr. Paolo Zamboni aus Italien untersuchte bei einer Vorstudie mittels Ultraschall und MRV 1 http://www.neuropromise.eu/ http://www.ms-in-europe.com/w3p_dokumentearchiv/1code08.pdf. 3 http://www.ms-id.org/barometer2008/. 4 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:340:0001:0046:DE:PDF. 2 CM\882124DE.doc 5/8 PE445.616v02-00 DE (Magnetresonanz-Venografie) die zum bzw. vom Gehirn führenden Gefäße einer begrenzten Anzahl von Patienten und gesunden Kontrollpersonen. Anhand seiner Ergebnisse kam Dr. Zamboni zu dem Schluss, dass bei den meisten MS-Patienten die Vena jugularis und die Vena azygos (die Blut vom Gehirn ableiten) missgebildet oder blockiert waren. Dr. Zambonis Theorie lautet, dass CCSVI eine erhöhte extravasale Ablagerung von Eisen im Gehirn verursacht, die eine Schädigung der Blutgefäße hervorruft, weil auf diese Weise Metalle die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Durch diese wichtige Blut-Hirn-Schranke werden Blut und Rückenmarksflüssigkeit voneinander getrennt. Dr. Zamboni ist der Auffassung, dass die CCSVI-bedingte Schädigung und der damit verbundene Übertritt von Immunzellen ins Hirngewebe das Myelin zerstören, das die Nerven umhüllt und schützt. Dr. Zambonis Hypothesen und die positiven Ergebnisse seiner Untersuchungen werden in einigen neueren Veröffentlichungen in Frage gestellt. Es ist daher verständlich, dass die Behandlung von CCSVI durch Dr. Zamboni in Italien, wie von mehreren Petenten angeführt, ausschließlich im Rahmen randomisierter klinischer Studien durchgeführt werden kann. Ungeachtet der aktuellen wissenschaftlichen Debatte machen alle Petenten aus Italien und Frankreich geltend, dass die Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen und andere Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens die Behandlung der multiplen Sklerose nach Dr. Zamboni anbieten sollten, und die Kommission wird in den aufgeführten Petitionen aufgefordert, die genannte Methode für die Behandlung der Multiplen Sklerose zu unterstützen. Der Kommission sind die Arbeiten von Dr. Zamboni1,2 zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Multipler Sklerose (MS) und Chronischer Gehirn-Kreislauf-Insuffizienz (CCSVI) bekannt. Gegenwärtig entwickeln Wissenschaftler in aller Welt Forschungsprotokolle, um zu ermitteln, ob und wie sich CCSVI und MS zueinander verhalten. Ihre bisherigen vorläufigen Erkenntnisse lassen noch keinen eindeutigen Schluss zu3. Die Kommission ist überzeugt, dass sich durch diesen neuen Ansatz und durch die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Multipler Sklerose (MS) und Chronischer Gehirn-Kreislauf-Insuffizienz gewiss neue Wege für die Forschung, darunter auch für die Erforschung neuer Behandlungsmöglichkeiten, eröffnen. Obwohl die ersten Daten von großem Interesse sind, darf nicht übersehen werden, dass das Konzept der CCSVI als Ursache der MS sowie die Behandlung von Venenstenosen durch Aufweitung mittels Stents oder Ballonkathetern in weit größeren Studien wiederholt und validiert werden müssen. Wie bei jeder Forschung kommt es darauf an, bekannte Ergebnisse zu bestätigen und zu replizieren sowie Fragen zu beantworten, mit denen die Zuverlässigkeit der aufgestellten Theorie getestet wird. Folgendes ist zu klären: 1) der Zusammenhang zwischen CCSVI und MS (z. B.: Tritt CCSVI bei allen MS-Patienten und bei allen Arten von MS auf? Tritt CCSVI bei Nicht-MS-Patienten auf? Tritt CCSVI bei Kindern auf? Wird CCSVI durch MS verursacht oder umgekehrt? Wie wirkt sich die Venenblockade aus?) und 2) Welche Auswirkungen hat die Behandlung der Veneninsuffizienz (z. B.: Treten die Auswirkungen der 1 Zamboni P et al.: Hypoperfusion of brain parenchyma is associated with the severity of chronic cerebrospinal venous insufficiency in patients with multiple sclerosis: a cross-sectional preliminary report. BMC Medicine 2011, 9:22. 2 Zivadinov R et al: Value of MR venography for detection of internal jugular vein anomalies in multiple sclerosis: a pilot longitudinal study. AJNR Am J Neuroradiol. 2011;32:938-46. 3 http://www.mssociety.ca/ccsvi/resources/201002_BuffaloPrelimReport.pdf. PE445.616v02-00 DE 6/8 CM\882124DE.doc Behandlung bei allen Arten von MS auf? Wie lange halten die Auswirkungen der Behandlung vor? Lassen sich die Ergebnisse in einem „Blindversuch“ replizieren, bei dem weder die Teilnehmer noch die Untersuchenden wissen, welche Behandlung angewandt wird? Wie steht es um die Zuverlässigkeit, die Risiken und den Nutzen der Behandlung? Wie schneidet diese Behandlung gegenüber vorhandenen Therapien ab, was die Wirksamkeit und Sicherheit anbelangt?). Rund um den Erdball entwickeln Wissenschaftler Forschungsprotokolle, um zu ermitteln, wie sich CCSVI und MS zueinander verhalten. Momentan werden zwei Großstudien durchgeführt, um mögliche Zusammenhänge zwischen MS und CCSVI zu belegen und weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Von den Ergebnissen dieser beiden Studien, die an den Universitäten von Buffalo und Georgetown in den USA stattfinden, hängt es ab, ob eine überzeugende Antwort gegeben werden kann. Im Februar 2010 haben Forscher von der Universität Buffalo Zwischenergebnisse ihrer Arbeit vorgelegt. Ihre vorläufigen Erkenntnisse waren interessant, teils aber auch uneinheitlich1. Schlussfolgerung Die Organisation des Gesundheitswesens und die gesundheitliche Versorgung liegen in der Zuständigkeit der nationalen Regierungen. Die EU hat die Aufgabe, die Mitgliedstaaten zu unterstützen, so z. B. durch die Förderung des Wissensaustauschs und der Forschung. Die Kommission kann daher nicht die endgültigen wissenschaftlichen Ergebnisse absehen, die erst nach gründlichen randomisierten und kontrollierten Doppelblind-Studien vorliegen werden; sie kann auch nicht beurteilen, wie die rechtliche Zukunft dieses neuen Behandlungsansatzes für die Multiple Sklerose aussehen wird. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass die nationalen italienischen Behörden den Zugang zu dieser Behandlung für Patienten ausschließlich im Rahmen randomisierter kontrollierter Studien zugelassen haben. Die Kommission hat derzeit nicht vor, aufgrund der Ergebnisse von Dr. Zamboni konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Zur Forschungsförderung durch die Kommission ist anzumerken, dass die jährlichen Arbeitsprogramme für das Programm „Zusammenarbeit“, das ein Bestandteil des 7. Rahmenprogramms (RP7) für Forschung und technologische Entwicklung (RP7, 2007-13) ist, in Konsultation mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten aufgestellt werden. Durch das Programm „Ideen“ bietet das RP7 auch Möglichkeiten zur Einreichung von Projektvorschlägen nach dem Bottom-up-Prinzip. Die Europäische Union unterstützt die MS-Forschung seit mehreren Jahren. Das Projekt NeuroproMiSe2 wurde in dem vorangegangenen Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung (RP6, 2002-06) mit einem EU-Beitrag in Höhe von 11,4 Mio. EUR gefördert. Im laufenden Siebten Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung (FP7, 2007-2013) werden etwa 20 Forschungsprojekte zu den pathophysiologischen Mechanismen von MS, den biologischen Prozessen der Myelenisierung/Remyelenisierung sowie zu Autoimmunprozessen im Zusammenhang mit MS (z. B. das SYBILLA-Projekt3) mit einer Gesamtsumme von mehr als 20 Mio. EUR 1 http://www.mssociety.ca/ccsvi/resources/201002_BuffaloPrelimReport.pdf. http://www.neuropromise.eu/ http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=E-2010-1019&language=EN. 3 http://www.sybilla-t-cell.de/?Home. 2 CM\882124DE.doc 7/8 PE445.616v02-00 DE gefördert. Darüber hinaus wird gegenwärtig über ein Projekt zur Identifizierung neuer Therapieziele für die Amyotrophe Lateralsklerose und die Multiple Sklerose verhandelt. Auch durch das Programm „Gesundheit (2008-2013)“ werden Maßnahmen im Bereich MS unterstützt. Zu den Ergebnissen des Projekts „Multiple Sclerosis - Information Dividend“ der EMSP (Europäische Multiple-Sklerose-Plattform) zählten die Erweiterung des Kenntnisstandes und die Stärkung der politischen Unterstützung für den Code of Good Practice on MS1, die Schaffung des MS Barometers2 und die Ausrichtung der ersten europäischen Konferenz zu MS. Der Arbeitsplan 2010 für die Durchführung des Programms „Gesundheit“ hat die Möglichkeit der Förderung einer Machbarkeitsstudie für ein künftiges Europäisches MS-Register vorgesehen. Um eine finanzielle Unterstützung von der Europäischen Union zu erhalten, müsste für die laufenden CCSVI-Untersuchungen zunächst ein Vorschlag im Rahmen einer Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen durch die EU3 innerhalb des RP7 vorgelegt werden. Diese Aufforderungen sind wettbewerbsorientiert (d. h. die Vorschläge stehen in einem bestimmten Sachgebiet im Wettbewerb miteinander) und zielen auf die Förderung von Spitzenleistungen ab. Es gelten strenge Förderkriterien4 und die Projekte werden im Rahmen externer unabhängiger Peer-review-Bewertungsverfahren anhand strenger Kriterien (wissenschaftliche und technologische Exzellenz, Verwaltung, Auswirkungen) ausgewählt. 1 http://www.ms-in-europe.com/w3p_dokumentearchiv/1code08.pdf. http://www.ms-id.org/barometer2008/. 3 FP7-Aufforderungen werden unter http://cordis.europa.eu/fp7/dc/index.cfm?fuseaction=UserSite.FP7CallsPage aufgelistet. 4 ftp://ftp.cordis.europa.eu/pub/fp7/docs/fp7-evrules_de.pdf. 2 PE445.616v02-00 DE 8/8 CM\882124DE.doc