Blick in die Forschung: Kurzberichte Auf dem Gelände der Thüringer Landessternwarte Tautenburg befindet sich eine der LOFAR-Stationen. Nahe dem Karl-Schwarzschild-Observatorium stehen nun 96 Lowband-Antennen (rechts) für den Frequenzbereich von 10 bis 80 Megahertz und weitere 96 Highband-Antennen für den Bereich von 120 bis 240 Megahertz. Die Kuppel im Hintergrund beherbergt das Alfred-Jensch-Teleskop, einen Schmidt- Thüringer Landessternwarte / M. Pluto Spiegel mit zwei Meter Öffnung. LOFAR läuft! Die über mehrere Länder verteilte Teleskopanlage LOFAR zur Untersuchung des ­Ra­dio­him­mels bei Wellenlängen von zwischen 1 und 30 Meter erreicht mit ­Hilfe eines in Echtzeit arbeitenden Supercomputers die Auflösung optischer Teleskope und wird zehnmal so viele Radioquellen finden wie bisher bekannt sind. D as Low Frequency Array (LOFAR) land, Mittelfrankreich und Südschweden nimmt Gestalt an: Bis April 2010 sind zur Zeit im Bau, weitere sind geplant wurden zwanzig Stationen vollständig (siehe Grafik rechts oben). LOFAR ist ein Radiointerferometer, das genommen. Sie befinden sich in den Nie­ im Frequenzbereich von 10 bis 240 Mega­ derlanden und in Deutschland. Effelsberg hertz arbeitet. Dieser Radiofrequenzbe­ und Tautenburg sind die beiden deut­ reich entspricht Wellenlängen von etwa schen Standorte (siehe Bild rechts und 30 bis herab zu 1 Meter. Das Qualitätskri­ oben). Seitdem stehen die fertig gestellten terium für Teleskope von 1/40 der Wellen­ Stationen den Astronomen für Test­be­ob­ länge bedeutet für LOFAR, dass der Unter­ ach­tungen zur Verfügung. Weitere Sta­tio­ grund für die Antennen auf etwa drei Zen­ nen sind zurzeit im Bau: In den Niederlan­ timeter (1/40 von 1,25 Metern) genau pla­ den arbeiten die Astronomen an 16 neuen niert und stabil sein muss. Die Kern­sta­tio­ Anlagen. In Deutschland entsteht eine nen in den Niederlanden errichten die Be­ In unmittelbarer Nähe zum 100-Meter- weitere Station in Unterweilenbach, die treiber deshalb auf einem künstlichen Hü­ Radioteleskop bei Effelsberg in der Eifel das MPI für Astrophysik in Garching be­ gel mit etwa 300 Meter Durchmesser, des­ entstand eine zweite LOFAR-Station. Aus treiben wird, und noch eine in Bornim, die sen frisch aufgeschütteter Boden sich erst luftiger Höhe vom Teleskop herab fällt der das Astronomische Institut Potsdam baut. noch setzen muss. Die Wellenlänge be­ Blick auf die Lowband-Antennen im Eine Station in Jülich in Zusammenarbeit stimmt auch den kleinsten auflösbaren Vordergrund und die dunkle Highband- mit dem John von Neumann Institute for Winkel eines Teleskops, es gilt die Faust­ Antennenfläche im Hintergrund. Die Computing (NIC) soll bis zum Jahresende formel: 1,22 mal Wellenlänge geteilt durch Highband-Antenne besitzt eine Größe von folgen. Zusätzliche Stationen in Südeng­ Teleskopöffnung. 62362 Metern. 20 Juni 2010 Max-Planck-Institut für Radioastronomie aufgebaut und in technischer Hinsicht ab­ Sterne und Weltraum Quer über Europa erstreckt sich das Radioteleskop LOFAR. Kleine Antennen- Onsala felder an Standorten in Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, Frankreich, Deutschland, Polen, der Ukraine und Italien Edinburgh spannen ein großes Interferometer mit einer Basislänge von mehr als 2000 Jodrell Bank Kilometern auf. Die ersten Stationen in den Oosteinde Lords Bridge Exloo Schoonebeek Jülich Chilbolton Potsdam Niederlanden und in Deutschland sind nun Toruń in Betrieb; die Grafik zeigt alle geplanten Zielona Góra Tautenburg Stationen in Europa. Krakau Effelsberg Rakhiv Spektrum der Wissenschaft / Emde Grafik Garching Nançay Medicina Gleichzeitig mehrere ­Blickrichtungen ist LOFAR ein extrem schnelles und flexi­ einer einzelnen LOFAR-Station erreicht zwar nur eine Auflösung von rund drei LOFAR ist ein komplett digitales Radioin­ leuchtkräftiges Objekt registriert oder von Grad (siehe Bild rechts unten), be­nö­tig­te terferometer. Die einzelnen Stationen einem anderen Teleskop gemeldet, lässt aber kaum eine Minute Messzeit. Soll je­ sind nämlich keine Parabolantennen, die sich eine laufende Beobachtung sofort un­ doch die gleiche Auflösung wie bei einem sich auf ein bestimmtes Himmelsobjekt terbrechen und LOFAR auf dieses Objekt optischen Teleskop mit nur zehn Zentime­ ausrichten lassen, vielmehr bestehen sie ausrichten. ter Durchmesser erreicht werden, so muss aus vielen vergleichsweise kleinen Einzel­ LOFAR wird für viele Bereiche der As­ die effektive Öffnung des Teleskops gigan­ antennen. Die Richtwirkung der Anten­ trophysik von großer Bedeutung sein. In tische 1000 Kilometer betragen. Dies ist nenfelder Astronomen einem der Schlüsselprojekte werden die nur mit vielen weitaus kleineren Stationen durch digitale Phasenverzögerungen. Die Astronomen erforschen, wann und wie realisierbar, die auf interferometrischem Richtung am Himmel, in die LOFAR schaut, schnell die ersten Sterne und Galaxien Weg zusammengeschaltet sind. Dieses wird also erst bei der Verarbeitung der An­ entstanden. Zu dieser Zeit war der Wasser­ Prinzip ist nicht neu und wird bei der In­ tennendaten festgelegt. Da die Anlage stoff, der das Universum fast gleichmäßig terferometrie mit großen Basislängen gleichzeitig mehrere Datenströme verar­ ausfüllt, neutral, also nicht ionisiert, und (englisch: Very Long Baseline Interferome- beitet, ist es mit LOFAR möglich, zum glei­ sendete Radiostrahlung mit einer Wellen­ try, VLBI) mit mehreren einzelnen welt­ chen Zeitpunkt in verschiedene Rich­ länge von 21 Zentimetern aus. Die ersten weit verteilten Radioteleskopen wie zum tungen am Himmel zu schauen. Zudem Sterne und Galaxien ionisierten den Was­ Das Radiobild des gesamten Himmels erreichen die bles Instrument: Wird kurzfristig ein Beispiel dem von Effelsberg betrieben. LO­ FAR revolutioniert diese Beobachtungsme­ N thode, indem es die Beobachtungsdaten aller Stationen in Echtzeit mit Hilfe eines Supercomputers verarbeitet. Jede Station Cassiopeia A LOFAR-Station Effelsberg lediglich eine in ein spezielles Datenarchiv, zu dem das Minute Integrationszeit. Es zeigt die Forschungszentrum Jülich die Speicherka­ Milchstraße als blaues und lilafarbenes pazität von einem Petabyte (1000 Terabyte) Band, ihr Zentrum und die beiden hellsten beisteuert, und stehen dann den Astro­ Radioquellen am Himmel, Cassiopeia A und nomen zur Verfügung. Cygnus A. www.astronomie-heute.de W Cygnus A d net. Zwischen- und Endprodukte gelangen O an quenz 120 Megahertz benötigte die nb am 10. November 2009 bei der Radiofre- werden daraus die Himmelskarten berech­ ße Sekunde. Im Rechenzentrum in Groningen a str lch Für dieses Radiobild des gesamten Himmels Mi Daten mit einer Rate von drei Gigabit pro James M. Anderson, MPIfR sendet über speziell reservierte Leitungen Zentrum S Juni 2010 21 ellen Schätzungen zufolge wird LOFAR et­ wa zehnmal so viele Ra­dio­quel­len finden Das Bild links unten zeigt die Radiogalaxie Reinout van Weeren, Universität Leiden 3C61.1 mit der höchsten Auflösung, die bei wie bisher bekannt sind. Welche Auflösung mit LOFAR möglich der Wellenlänge von 173 Megahertz je ist, zeigt eine Beobachtung der Radiogala­ gewonnen wurde. Es beweist die Leistungs- xie 3C61.1 (siehe die Bilder auf dieser Sei­ fähigkeit und das große Potenzial von te). Ein aktiver Kern in dieser Galaxie sen­ LOFAR. Dem Radiobild sind Linien gleicher det durch Magnetfelder gebündelte Strah­ Helligkeit überlagert und es weist eine len von energiereichen Elektronen und Auflösung von rund 10 x 10 Bogensekun- Protonen, so genannte Jets, aus. Im Gegen­ den auf. Dazu war eine Ge­samt­be­ob­ach­ satz zu anderen Aufnahmen in diesem tungs­zeit von 60 Stunden unter Verwen- Frequenzbereich werden in der LOFAR- dung von insgesamt 20 LOFAR-Stationen Aufnahme die beiden so genannten Hot erforderlich. Zum direkten Vergleich ist das Spots, das sind die Punkte, an denen die Bild verkleinert in der oberen Reihe Jets von dem umgebenden Medium ge­ Aufnahmen von anderen Radioteleskopen bremst werden, sehr gut aufgelöst. gegenübergestellt: Das Bild in der Mitte Zur offiziellen Eröffnung von LOFAR entstand bei 74 Megahertz und stammt am 12. Juni 2010 erwarten wir Wissen­ vom Very Large Array (VLA) in New Mexico, schaftler und Politiker aus allen betei­lig­ USA. Die Aufnahme rechts bei 325 ten Ländern. An diesem Termin wird das Megahertz gelang dem niederländischen Radioteleskop formal den Astronomen Westerbork Synthesis Radio Telescope zur Nutzung übergeben. Auch wenn zu WEST. diesem Zeitpunkt noch nicht alle ge­ planten Stationen aufgebaut sind und serstoff in ihrer Umgebung und erzeugten Forschergruppe eingerichtet, an der acht noch nicht jedes Softwaremodul funktio­ dabei typische Muster. Diese so genannte deutsche Institute beteiligt sind. nieren wird, so zeigen schon die bishe­ Epoche der Reionisation begann vermut­ In dem niedrigen Frequenzbereich, in rigen Ergebnisse, dass auch mit Teilen von lich nur einige hundert Millionen Jahre dem LOFAR arbeitet, existieren bislang nur LOFAR spektakuläre Himmelsaufnahmen nach dem Urknall. Die Wellenlänge der mäßig gute Karten des Radiohimmels mit möglich sind. Strahlung wurde auf dem Weg zu uns verhältnismäßig niedriger Empfindlich­ durch die kosmische Expansion vergrö­ keit und Auflösung. Die Synchrotronemis­ ßert und sollte heute eine Wellenlänge sion vieler Radioquellen nimmt zu nie­ Matthias Hoeft forscht im Team der LOFAR- von etwa zwei Metern aufweisen – genau drigen Frequenzen hin stark zu. Synchro­ Station an der Thüringer Landessternwarte dafür ist LOFAR konzipiert. Matthias Hoeft, Rainer Beck tronemission rührt her von elektrischen Tautenburg, Rainer Beck ist Mitglied im Team LOFAR-Schlüsselprojekten Ladungen, denen ein Magnetfeld eine der LOFAR-Station des Max-Planck-Instituts für sind Wissenschaftler deutscher Institute Richtungsänderung aufzwingt, wobei die Radioastronomie in Bonn. beteiligt. Das Projekt »Radiostrahlung der Ladungen Radiowellen ausstrahlen. Auch Sonne und Weltraumwetter« wird vom Grote Reber, einer der Pioniere der Radio­ Astrophysikalischen Potsdam astronomie, kam im Jahr 1938 der von Karl (AIP) geleitet. Das Max-Planck-Institut für Jansky fünf Jahre zuvor entdeckten kos­ Radioastronomie in Bonn kümmert sich mischen Radiostrahlung erst dann auf die um das Projekt zum Nachweis von kos­ Spur, als er einen Empfänger für niedrige mischen Magnetfeldern in der Milchstra­ Frequenzen bei 160 Megahertz benutzte. ße, in Galaxien und im intergalaktischen LOFAR führt uns also zu den Wurzeln der Raum. Hierzu hat die Deutsche For­ Radioastronomie zurück, allerdings mit schungsgemeinschaft (DFG) eine eigene enorm gesteigerter Empfindlichkeit. Aktu­ An 22 allen Juni 2010 Institut Literaturhinweis Falcke, H., Beck, R.: Per Software zu den Sternen. In: Spektrum der Wissenschaft 7/2008, S. 26 – 34. Weblinks zum Thema: www.astronomie-heute.de/ artikel/1030152 Sterne und Weltraum