Angstkrankheiten: Trotz der Angst Schritte wagen

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8. November 2010
SARGANSERLAND, SEITE 5
Trotz der Angst Schritte wagen
Mit der Einleitung «Wir alle haben Angst. Sie zu bewältigen ist eine
Lebensaufgabe!» begann Chefarzt Dr. Thomas Meier von der Klinik St.
Pirminsberg in Pfäfers, einen Vortrag, den er in Bad Ragaz hielt.
Von Martin Nauer
Bad Ragaz. - «Angst ist ein Überbegriff. Er umschreibt unbestimmte Bedrohungsund Beklemmungsgefühle. Jeder Mensch kennt Furcht als eine auf etwas Bestimmtes
gerichtete Angst. Signalängste weisen auf ein Problem hin, das Betroffene haben.
Vitalängste können durch körperliche Störungen ausgelöst werden. Gewissensängste
und existenzielle Ängste begleiten uns durchs ganze Leben», fuhr Thomas Meier
weiter.
Angst zeige sich seelisch in einer qualvollen Beengung und in einem Gefühl des
Ausgeliefertseins. Körperlich, im Bereich des Bewegungsapparates, seien Symptome
wie Blockierung, Erstarren aber auch Angetriebensein festzustellen. Letzteres
manifestiert durch Unruhe oder gar Bewegungsstürme, erklärte Meier. Angst führe
über das unwillkürliche Nervensystem zu Reaktionen wie Schweissausbruch, Zittern,
weichen Knien bis zu Kopfschmerzen Appetitlosigkeit, Durchfall und Schlaflosigkeit.
Angstkrankheiten
«Krankhafte und krankmachende Ängste unterscheiden sich von normaler Angst durch
die sie auslösenden Situationen, ihre Angemessenheit, bezogen auf die auslösende
Situation, ihre Stärke, ihre Dauer und ihre Folgen», so Meier. Er beschrieb die
Entstehung, Symptomatik und Auswirkungen der verschiedenen Angsterkrankungen
im System der Internationalen Klassifikation Psychischer Störungen: Phobien und
sonstige Angststörungen wie die Panikstörung oder die Generalisierte Angststörung.
Als Angststörungen im weiteren Sinne bezeichnete Meier Zwangsstörungen,
Störungen als Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie
Angst in einer psychotischen Erkrankung. Posttraumatische Belastungsstörungen
können als Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation
ausserordentlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmasses auftreten.
Für Angsterkrankungen seien verschiedene Faktoren verantwortlich, sagte Meier. Eine
erhöhte Angstsensibilität könne angeboren sein. Angst könne anerzogen werden.
Traumatische Erlebnisse könnten Menschen verunsichern und überfordern.
Angsterkrankungen würden auch durch Unwohlsein wegen Schlafmangels und
schlechten Essgewohnheiten sowie Krankheiten verursacht. Ererbte und angeborene
Faktoren sowie anhaltende Belastungen führten dazu, dass kritische Ereignisse im
Leben Symptome der Angststörung auslösen könnten, die oft in einen Teufelkreis
mündeten. Frauen seien von Angsterkrankungen häufiger betroffen als Männer.
Mit Angst umgehen lernen
«Angst lähmt. Sie kann zu passivem Verhalten führen. Oder auch zu einer Flucht in
Alkohol, Drogen, Angst lösende Medikamente, Phobien und Zwangsverhalten. Sie
kann in körperliche Krankheiten oder Symptome umgewandelt werden. Doch besser
wäre die sinnvolle Auseinandersetzung mit der Störung», erklärte Meier. «Sich zu
informieren, fördert das Verstehen. Wer versteht, was Angst ist, kann sie besser
überwinden. Entspannungstechniken wie die progressive Muskelentspannung helfen.
Das Einüben neuen Verhaltens durch Methoden der Desensibilisierung oder die
,paradoxe Verstärkung' ebenfalls.» Die Liste der Vorschläge des erfahrenen Arztes zur
Bewältigung von Ängsten und Angsterkrankungen war lang. Von den Möglichkeiten,
sich selbst zu behandeln - zum Beispiel mit EFT (Emotional Freedom techniques) - bis
zur fachgerechten, ärztlichen Betreuung.
Die Arbeitsgruppe kirchliche Erwachsenenbildung hatte Thomas Meier, der sich von
Berufs wegen mit Angstkrankheiten und den dazu gehörenden Therapien befasst, um
ein Referat gebeten. Es war ein kleiner Kreis, der sich den Vortrag des Fachmannes
anhörte. Was der Referent zum Thema Angst ausführte, und wie er es sagte, stiess
auf grosses Interesse. So sehr, dass mitten im Vortrag spontan Fragen gestellt
wurden, die er umgehend beantwortete. Das Erzählen von Ereignissen, die der Arzt im
Umgang mit Angst erlebt hatte, förderte das Verständnis für die Zusammenhänge. Die
Gesichter der Zuhörenden spiegelten, dass das Gehörte niemanden unberührt liess
und verständlich machte, was Thomas Meier mit «Angst haben und trotzdem Schritte
wagen» meinte. Mit der Empfehlung von zwei Büchern, «Ängste verstehen und
über-winden» von Doris Wolf sowie «Endlich frei von Angst», verfasst von Ines von
Witzleben und Aljoscha A. Schwarz, schloss er den Anlass ab.
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EFT (Emotional Freedom Techniques)
EFT ist die Bezeichnung für ein therapeutisches Konzept aus dem Bereich der
energetischen Psychologie. Es ist eine Methode zur Linderung und Behandlung von
Stress und psychischen Störungen (besonders Angst) durch Selbst-Stimulation von
Akupressurpunkten. Bezeichnend und wahrscheinlich auch das Wirksame an der
Methode ist, dass sie in die sanfte Konfrontation mit der Angst führt. EFT ist die
bekannteste verschiedener «Klopftherapien» und wurde vor gut 20 Jahren durch Gary
Craig in den USA entwickelt.
(Quelle: Thomas Meier)
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Was sind Phobien, was ist eine Panik?
Phobien sind unverständliche, massive, an bestimmte Reize, Situationen und Dinge
gebundene, für die Betroffenen nicht kontrollierbare, als übertrieben und unsinnig
empfundene Ängste, die zu erheblichem Leidensdruck führen können und ein
Vermeidungsverhalten zur Folge haben.
Panik tritt unvermittelt auf und verhindert sinnvolles Denken und Handeln. Es
entstehen blockierende Angst und das Gefühl völliger Hilflosigkeit.
Es sind unvorhersehbare, wiederholt auftretende schwere Angstattacken. Eine
generalisierte Angststörung ist nicht an bestimmte Situationen gebunden, sondern
lässt Betroffene anhaltend Angst und Sorgen um sich selber und um andere erleben.
(Quelle: Thomas Meier)
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Der Teufelskreis der Angst
1. Eine bestimmte Situation liegt vor.
2. Diese führt mehr oder weniger zur Wertung: Die Situation ist gefährlich.
3. Angst und körperliche Beschwerden sind die Folge.
4. Angstgefühle und körperliche Beschwerden werden wahrgenommen.
5. Sie werden bewertet: Wenn ich so starke Angst habe, muss die Situation
gefährlich sein.
6. Angst und körperliche Beschwerden verstärken sich.
7. Und so weiter ...
(Quelle: Thomas Meier)
Kompetent: Chefarzt Dr. Thomas Meier von der Psychiatrie Süd erläutert einfühlsam den Umgang mit normalen Ängsten
und Angsterkrankungen. Bild Martin Nauer
© Sarganserländer
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