Auflage: 10379 Gewicht: Artikel auf regionalen Seiten, gross 8. November 2010 SARGANSERLAND, SEITE 5 Trotz der Angst Schritte wagen Mit der Einleitung «Wir alle haben Angst. Sie zu bewältigen ist eine Lebensaufgabe!» begann Chefarzt Dr. Thomas Meier von der Klinik St. Pirminsberg in Pfäfers, einen Vortrag, den er in Bad Ragaz hielt. Von Martin Nauer Bad Ragaz. - «Angst ist ein Überbegriff. Er umschreibt unbestimmte Bedrohungsund Beklemmungsgefühle. Jeder Mensch kennt Furcht als eine auf etwas Bestimmtes gerichtete Angst. Signalängste weisen auf ein Problem hin, das Betroffene haben. Vitalängste können durch körperliche Störungen ausgelöst werden. Gewissensängste und existenzielle Ängste begleiten uns durchs ganze Leben», fuhr Thomas Meier weiter. Angst zeige sich seelisch in einer qualvollen Beengung und in einem Gefühl des Ausgeliefertseins. Körperlich, im Bereich des Bewegungsapparates, seien Symptome wie Blockierung, Erstarren aber auch Angetriebensein festzustellen. Letzteres manifestiert durch Unruhe oder gar Bewegungsstürme, erklärte Meier. Angst führe über das unwillkürliche Nervensystem zu Reaktionen wie Schweissausbruch, Zittern, weichen Knien bis zu Kopfschmerzen Appetitlosigkeit, Durchfall und Schlaflosigkeit. Angstkrankheiten «Krankhafte und krankmachende Ängste unterscheiden sich von normaler Angst durch die sie auslösenden Situationen, ihre Angemessenheit, bezogen auf die auslösende Situation, ihre Stärke, ihre Dauer und ihre Folgen», so Meier. Er beschrieb die Entstehung, Symptomatik und Auswirkungen der verschiedenen Angsterkrankungen im System der Internationalen Klassifikation Psychischer Störungen: Phobien und sonstige Angststörungen wie die Panikstörung oder die Generalisierte Angststörung. Als Angststörungen im weiteren Sinne bezeichnete Meier Zwangsstörungen, Störungen als Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie Angst in einer psychotischen Erkrankung. Posttraumatische Belastungsstörungen können als Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation ausserordentlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmasses auftreten. Für Angsterkrankungen seien verschiedene Faktoren verantwortlich, sagte Meier. Eine erhöhte Angstsensibilität könne angeboren sein. Angst könne anerzogen werden. Traumatische Erlebnisse könnten Menschen verunsichern und überfordern. Angsterkrankungen würden auch durch Unwohlsein wegen Schlafmangels und schlechten Essgewohnheiten sowie Krankheiten verursacht. Ererbte und angeborene Faktoren sowie anhaltende Belastungen führten dazu, dass kritische Ereignisse im Leben Symptome der Angststörung auslösen könnten, die oft in einen Teufelkreis mündeten. Frauen seien von Angsterkrankungen häufiger betroffen als Männer. Mit Angst umgehen lernen «Angst lähmt. Sie kann zu passivem Verhalten führen. Oder auch zu einer Flucht in Alkohol, Drogen, Angst lösende Medikamente, Phobien und Zwangsverhalten. Sie kann in körperliche Krankheiten oder Symptome umgewandelt werden. Doch besser wäre die sinnvolle Auseinandersetzung mit der Störung», erklärte Meier. «Sich zu informieren, fördert das Verstehen. Wer versteht, was Angst ist, kann sie besser überwinden. Entspannungstechniken wie die progressive Muskelentspannung helfen. Das Einüben neuen Verhaltens durch Methoden der Desensibilisierung oder die ,paradoxe Verstärkung' ebenfalls.» Die Liste der Vorschläge des erfahrenen Arztes zur Bewältigung von Ängsten und Angsterkrankungen war lang. Von den Möglichkeiten, sich selbst zu behandeln - zum Beispiel mit EFT (Emotional Freedom techniques) - bis zur fachgerechten, ärztlichen Betreuung. Die Arbeitsgruppe kirchliche Erwachsenenbildung hatte Thomas Meier, der sich von Berufs wegen mit Angstkrankheiten und den dazu gehörenden Therapien befasst, um ein Referat gebeten. Es war ein kleiner Kreis, der sich den Vortrag des Fachmannes anhörte. Was der Referent zum Thema Angst ausführte, und wie er es sagte, stiess auf grosses Interesse. So sehr, dass mitten im Vortrag spontan Fragen gestellt wurden, die er umgehend beantwortete. Das Erzählen von Ereignissen, die der Arzt im Umgang mit Angst erlebt hatte, förderte das Verständnis für die Zusammenhänge. Die Gesichter der Zuhörenden spiegelten, dass das Gehörte niemanden unberührt liess und verständlich machte, was Thomas Meier mit «Angst haben und trotzdem Schritte wagen» meinte. Mit der Empfehlung von zwei Büchern, «Ängste verstehen und über-winden» von Doris Wolf sowie «Endlich frei von Angst», verfasst von Ines von Witzleben und Aljoscha A. Schwarz, schloss er den Anlass ab. --- EFT (Emotional Freedom Techniques) EFT ist die Bezeichnung für ein therapeutisches Konzept aus dem Bereich der energetischen Psychologie. Es ist eine Methode zur Linderung und Behandlung von Stress und psychischen Störungen (besonders Angst) durch Selbst-Stimulation von Akupressurpunkten. Bezeichnend und wahrscheinlich auch das Wirksame an der Methode ist, dass sie in die sanfte Konfrontation mit der Angst führt. EFT ist die bekannteste verschiedener «Klopftherapien» und wurde vor gut 20 Jahren durch Gary Craig in den USA entwickelt. (Quelle: Thomas Meier) --- Was sind Phobien, was ist eine Panik? Phobien sind unverständliche, massive, an bestimmte Reize, Situationen und Dinge gebundene, für die Betroffenen nicht kontrollierbare, als übertrieben und unsinnig empfundene Ängste, die zu erheblichem Leidensdruck führen können und ein Vermeidungsverhalten zur Folge haben. Panik tritt unvermittelt auf und verhindert sinnvolles Denken und Handeln. Es entstehen blockierende Angst und das Gefühl völliger Hilflosigkeit. Es sind unvorhersehbare, wiederholt auftretende schwere Angstattacken. Eine generalisierte Angststörung ist nicht an bestimmte Situationen gebunden, sondern lässt Betroffene anhaltend Angst und Sorgen um sich selber und um andere erleben. (Quelle: Thomas Meier) --- Der Teufelskreis der Angst 1. Eine bestimmte Situation liegt vor. 2. Diese führt mehr oder weniger zur Wertung: Die Situation ist gefährlich. 3. Angst und körperliche Beschwerden sind die Folge. 4. Angstgefühle und körperliche Beschwerden werden wahrgenommen. 5. Sie werden bewertet: Wenn ich so starke Angst habe, muss die Situation gefährlich sein. 6. Angst und körperliche Beschwerden verstärken sich. 7. Und so weiter ... (Quelle: Thomas Meier) Kompetent: Chefarzt Dr. Thomas Meier von der Psychiatrie Süd erläutert einfühlsam den Umgang mit normalen Ängsten und Angsterkrankungen. Bild Martin Nauer © Sarganserländer