Sensorik & Regelung Im Blickpunkt: Farbe Farbregelungstechnik für Papierhersteller Anthony Byatt, Steve Sturm Die richtige Papierfarbe zu gewährleisten, ist ein wichtiges Element der Qualitätssicherung für einen Papierhersteller. Kunden erwarten nicht nur, dass Umschläge und Schreibpapier immer zueinander passen, sondern auch, dass das Papier, das sie heute kaufen, zu den Umschlägen passt, die sie schon vor Monaten oder gar Jahren gekauft haben. Nicht selten müssen unterschiedliche Papiersorten, die mit verschiedenen Maschineneinstellungen produziert wurden, den gleichen Farbton aufweisen. Bei diesem Heft der ABB Technik ist der Umschlag zum Beispiel etwas dicker als die übrigen Seiten, und trotzdem ist die Farbe exakt gleich. Die Reproduktion von Farbe ist keine leichte Aufgabe und ohne die Hilfe fortschrittlicher Farbregelalgorithmen und hochempfindlicher Instrumente kaum zu bewältigen. Doch bei diesen Geräten kommt es nicht nur auf Empfindlichkeit und Reproduzierbarkeit an. Sie müssen auch unter rauen Bedingungen mit hohen Feuchtigkeitsgraden, rasch wechselnden Temperaturen und mechanischen Erschütterungen zuverlässig funktionieren. Im Zuge der Papierherstellung hat auch ein unbeschriebenes Blatt eine Geschichte. Dieser und die nachfolgenden Artikel geben einen interessanten Einblick in die Farbregelung bei der Papierherstellung. 40 ABB Technik 4/2006 Im Blickpunkt: Farbe Sensorik & Regelung lektronikgeschäfte verfügen normalerweise über eine unfangreiche Auswahl an Fernsehgeräten. Nirgendwo sonst im Konsumgüterbereich kommt so viel leistungsstarke und kostengünstige Elektronik zum Einsatz wie in Farbfernsehgeräten. Und kaum jemand kann sich der Faszination entziehen, die die Brillanz der Farben auf einem solchen Bildschirm ausübt. Tritt man jedoch einen Schritt zurück und betrachtet die ganze Reihe der angebotenen Geräte, so wird ein feiner – und manchmal auch deutlicher – Farbunterschied zwischen scheinbar identischen Geräten sichtbar. Hinzu kommt, dass Farbe nicht absolut ist. So wird die Farbwahrnehmung unter anderem von der persönlichen Biologie eines Menschen (manche haben eine Farbschwäche oder sind gar Farbenblind) beeinflusst. Die wahrgenommene Farbe ist somit das Produkt aus der Leistung der jeweiligen Lichtquelle, dem Reflexionsvermögen des betrachteten Objekts und der individuellen Empfindlichkeit des Betrachters. 1 Der L*a*b*-Farbraum a Spektrale Absorption in den drei Zapfenarten und den Stäbchen (gestrichelte Linie) auf der menschlichen Netzhaut Die Netzhaut des menschlichen Auges besitzt drei Arten von farbempfindlichen Zellen (sog. Zapfen), die jeweils für einen bestimmten Wellenlängenbereich «zuständig» sind. Die Spitzen dieser Bereiche liegen bei etwa 440, 544 und 580 nm (für blaues, grünes und rotes Licht). Die einzelnen Bereiche überlappen sich stark a , sodass die Netzhaut auf sämtliche Frequenzen zwischen 400 und 700 nm reagiert. 100 Normalisierte Absorpion (%) E 50 0 400 Violett Blau 500 Cyan Grün 600 Gelb 700 Rot Ein einzelner Zapfen reagiert nur auf die Intensität des Reizes. Er kann weder die genaue Wellenlänge des einfallenden Lichts bestimmen, noch zwischen monochromatischem Licht (mit einer Wellenlänge) und polychromatischem Licht (mit einer Kombination aus verschiedenen Wellenlängen) unterscheiden. Hier liegt ein bedeutender Unterschied zum Hören. Das Gehör ist sehr wohl in der Lage, mit beträchtlicher Genauigkeit zwischen verschiedenen Wellenlängen zu unterscheiden. So kann ein geschulter Hörer sogar die einzelnen Noten eines Akkordes bestimmen. Wellenlänge (nm) b Darstellung des L*a*b*-Farbraums. Die L*-Achse bestimmt die Helligkeit von Schwarz bis Weiß +L* +b* -a* +a* -b* Trotzdem ist der Mensch in der Lage, eine breite Palette von Farben zu sehen. Dies liegt daran, dass in der Hirnrinde (der Bereich des Gehirns, der für das Sehen zuständig ist) die Signale der drei Zapfenarten kombiniert werden, wobei jede Kombination als ein anderer Farbton interpretiert wird. -L* Wenn es also in einem hochtechnischen Gerät wie einem Farbfernseher, der zudem auf eine möglichst getreue Farbwiedergabe ausgelegt ist, schon so schwierig ist, eine hohe Farbkonsistenz zu erreichen, ist es bei einem relativ einfachen und scheinbar wenig technischen Produkt wie Papier umso schwieriger. Bei der Papierherstellung spielt die Regelung der Farbe – meist der Weiße – eine entscheidende Rolle. Eine kontinuierliche Veränderung der Farbe im fertigen Produkt über einen Fertigungszeitraum von mehreren Stunden mag zwar für den menschlichen Betrachter nicht erkennbar sein. Doch der Unterschied in der Farbe wird deutlich, wenn man jeweils einen Bogen vom Beginn und vom Ende des Produktionslaufs nebeneinander legt. Nicht auszudenken, wenn diese als gegenüberliegende Seiten in einem Buch enden würden. Optische Eigenschaften von Papier wie Farbe, Helligkeit, Weiße, Opazität und Glanz sind mittlerweile zu qualitativen Unterscheidungskriterien für Papierprodukte geworden. ABB Technik 4/2006 Im Gegensatz zu diesen wahrgenommenen Farben stellt der L*a*b*-Farbraum die wirkliche Farbe eines Objektes dar, wobei L* die Helligkeit und a* und b* die Position zwischen Magenta und Grün bzw. zwischen Gelb und Blau wiedergibt b . Aus diesem Grund setzen die Hersteller alles daran, die Farbe ihres Produkts zuverlässig zu regeln, und ABB bietet ihnen mit fortschrittlichen Online-Farbsensoren und Software zur Regelung der Zugabe von Farbmitteln zum Prozess die dazu erforderliche Technologie. (Bild 1a stammt aus der Wikipedia-Enzyklopädie und unterliegt der GNU-Lizenz für freie Dokumentation) Quantifizierung der Farberscheinung Die Farbwahrnehmung erfolgt über den Reiz roter, grüner und blauer Sehzellen im Auge (Tristimulus) 1 . Die Beschreibung von Farbe ist nicht intuitiv und durch das CIE1) L*a*b*Farbmodell wissenschaftlich genormt. Es gibt zwar viele Möglichkeiten zur Quantifizierung der Farberscheinung, doch das L*a*b*-System gehört zu den universellsten Modellen. Die drei Parameter des Modells repräsentieren die Helligkeit der Farbe (Wert L*, wobei L* = 0 Schwarz und L* = 100 Weiß entspricht), ihre Position zwischen Magenta und Grün (Wert a*, wobei negative Werte für Grün und positive für Magenta stehen) und ihre Position zwischen Gelb und Blau (Wert b*, wobei negative Werte für Blau und positive für Gelb stehen). Trifft Licht auf eine Oberfläche, kann es reflektiert, absorbiert oder gestreut werden. Glatte Oberflächen reflektieFußnote 1) Die in Wien ansässige CIE (Commission Internationale de l‘Eclairage) gilt gemeinhin als international anerkannte Standardisierungskörperschaft auf dem Gebiet der Beleuchtung, Farbe und Farbräume. 41 Im Blickpunkt: Farbe Sensorik & Regelung ren das Licht, während es von rauen Oberflächen diffus gestreut wird. Eine Oberfläche, die sämtliche Wellenlängen gleich diffus reflektiert, erscheint weiß und eine Oberfläche, die alle Wellenlängen gleichermaßen absorbiert, erscheint schwarz. Neben dieser diffusen Reflexion ist auch eine spiegelnde Reflexion (wie bei einem Spiegel) möglich. Ein guter Spiegel reflektiert zwar alle Wellenlängen gleicher maßen, erscheint aber aufgrund seiner glatten Oberfläche nicht weiß. Ebenso kann ein schwarzes Objekt Licht reflektieren, wenn es eine glatte Oberfläche besitzt. 2 sen in der Lage sein, 365 Tage im Jahr rund um die Uhr bei Temperaturen von 60 °C und 100 % Luftfeuchtigkeit zu arbeiten. Nicht selten verschwindet das gesamte System bei der Bewegung über die Papierbahn in einer Wolke aus Wasserdampf. Und alle paar Stunden wird das Instrument für einige Minuten in einer plötzlich um 15 °C kälteren Umgebung geprüft und kalibriert. Darüber hinaus sind Belastungen von bis zu 4 g (Erdbeschleunigung) in jede Richtung keine Seltenheit, und Erschütterungen von 5 bis 500 Hz mit umgerechnet 2 g müssen toleriert werden. Die Scanplattform Die Stöße «in jede Richtung» sind in etwa so, als wenn man den Labortechniker kopfüber aus einer Höhe von 390 mm auf einen gefliesten Boden fallen lassen und dann noch zuverlässige Messungen verlangen würde! Dies ist der Einsatzbereich der vom ABB Quality Control Center of Excellence produzierten Online-Farbregelung. Das Kompetenzzentrum gehört zur Business Unit Paper mit Sitz in Dundalk, Irland, und ist auf die Online-Messung von Papiereigenschaften und die Implementierung komplexer Regelungen zur automatischen Optimierung dieser Eigenschaften spezialisiert. Die Farbmessung ist ein wichtiges Online-Element, das in 40 % aller verkauften Qualitätsleitsysteme eingesetzt wird. Die Spezialität von ABB: Farbmessung Die Messtechnik-Experten von ABB haben sich diesen Herausforderungen gestellt und Möglichkeiten gefunden, die Messprinzipien in Umgebungen anzuwenden, die für den Menschen auf Dauer zu widrig sind. Dabei müssen die Geräte nicht nur in der Lage sein, die Belastungen zu überstehen, sondern auch kontinuierlich arbeiten und Daten liefern, die denen von Laborinstrumenten in Genauigkeit und Präzision in nichts nachstehen. Moderne Messgeräte In den vergangenen 15 Jahren haben sich die von Qualitätsprüflaboren eingesetzten Farbmessgeräte extrem weiterentwickelt. Nahezu alle hochwertigen Instrumente messen die Reflexionsspektren der Proben, die dem Sensor ausgesetzt werden. Dazu ist generell eine stabile Lichtquelle und ein komplexes optisches System zur Aufnahme der reflektierten Energie erforderlich. ben ein und erfassen farbmetrische Daten. Dies geschieht etwa stündlich in einer günstigen Laborumgebung, wobei die Instrumente – und auch die Techniker – kaum Erschütterungen oder Stößen ausgesetzt sind. Laborfarbmessgeräte werden von Technikern bedient. Sie prüfen die Kalibrierung, wählen die erforderlichen Farbkoordinaten, richten Pro- Eine ähnliche Präzision, Zuverlässigkeit und Bedienerfreundlichkeit erwarten Kunden auch von den OnlineMessgeräten von ABB 2 . Diese müs- 42 Anthony Byatt ABB Ltd. Dundalk, Irland [email protected] Steve Sturm ABB Automation Technologies Westerville, OH, USA [email protected] ABB Technik 4/2006 Sensorik & Regelung Der LandEffekt 1 Welche Farben enthält dieses Bild? Rot ist nicht gleich rot. Dies zeigt sich am so genannten Land-Effekt, der 1977 vom Erfinder der PolaroidKamera Edwin Land beschrieben wurde. 2 Die Schritte zur Erstellung des Bildes in Für den Menschen besitzen die meisten Objekte unabhängig von der Art der Beleuchtung (Tageslicht, künstliches Licht usw.) eine konstante Farbe. So bleibt Gras, das bei intensivem Sonnenlicht grün erscheint, trotz der unterschiedlichen Intensität und spektralen Zusammensetzung der Lichtquelle auch bei Nacht unter einer Straßenlaterne grün. Nach Land nehmen wir die Farbe eines Objekts wahr, indem wir den dreifarbigen optischen Reiz (Tristimulus, siehe auch Bild 1 auf Seite 41) mit dem benachbarter Objekte vergleichen. Auf der Fotografie in 1 sind mehrere Farben sichtbar, oder? Tatsächlich handelt es sich hier um ein monochromes Bild aus Rottönen mit einem überlagerten SchwarzWeiß-Bild. Die einzig «echte» Farbe in diesem Bild ist Rot, doch das Gehirn ergänzt weitere Farben, einschließlich verschiedener Grün- und Brauntöne (am besten betrachtet man das Bild bei leicht gelbem künstlichem Licht). ABB Technik 4/2006 1 a b c d e Land demonstrierte diesen Effekt, indem er zwei Fotos eines Motivs 2a auf einem transparenten Schwarz-WeißFilm aufnahm, wobei er einmal einen roten 2b und einmal einen grünen Filter 2c vor die Linse setzte1). Dann legte er beide Bilder mithilfe zweier Projektoren übereinander. Vor den Projektor mit dem mit einem Rotfilter aufgenommenen Bild setzte er einen roten Filter 2d und ließ das mit einem Grünfilter aufgenommene Bild schwarzweiß 2e . Die daraus resultierende Projektion ist in 2f dargestellt. Obwohl keines der beiden Bilder die Farbe Grün enthält, scheint die Farbe in der resultierenden Darstellung sichtbar zu sein. Der Farbeindruck lässt sich durch Verändern der Intensitäten der Projektoren zueinander variieren 2g , wobei die Wahrnehmung der Bilder davon abhängt, bei welchem Licht sie betrachtet werden. Der Land-Effekt ist ein interessantes Beispiel dafür, wie leicht das Gehirn getäuscht werden kann und Farben «sieht», die nicht da sind. Dies wiederum unterstreicht die Bedeutung eines absoluten Systems zur Messung von Farben. f g Fußnote 1) Heute lässt sich dieses Experiment mithilfe der Funktionen zum Mischen von Farbkanälen in Bildbearbeitungssoftware wie Adobe Photoshop (wie hier geschehen) viel einfacher nachstellen. 43