Traumatologie des Alveolarfortsatzes und der Zähne Konkussion (keine Dislokation, parodontales Ödem) Subluxation (Zerreissung von Fasern, klinische Lockerung, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie keine Dislokation) Extrusion (axiale Dislokation, ohne Fraktur der Alveole) Vorlesung Doz. DDr. Clemens Klug Intrusion (axiale Dislok. mit Fraktur der Alveole) laterale Luxation (lat. Dislok., mit Fraktur der Alveole) Totalluxation = Avulsion Zahnmedizin Block Z-8 SS 2008 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Therapie Prinzipien Verhalten nach totaler Zahnluxation Patient (Eltern): sofort selbst replantieren, wenn möglich Milchzähne Extrusion - digitale Reposition, (cave Zahnkeim) Intrusion - keine Reposition laterale Luxation - Extraktion Totalluxation - keine Replantation Lagerung feucht und möglichst isoton (Mundhöhle, Zahnbox in Schulen, Milch, keine Desinfektion, keine Reinigung! ) AB bei Kontamination Alveolarfortsatzfraktur - je nach Mobilitätsgrad Reposition in ITN Tiefziehschiene bleibende Zähne Extrusion Alveolarfortsatzfraktur - Reposition, ev. Schienung, ev. WB Intrusion - Reposition, Schienung, ev. WB laterale Luxation - Reposition, Schienung, ev. AB, ev. WB Totalluxation - Replantation, Schienung, AB, ev. WB Alveolarfortsatzfraktur -Reposition, Schienung ev. Osteosynthese, AB eiligst zum Zahnarzt/NFA Arzt: Zahn sofort in isotone NaCl (darin mehrere Stunden ohne weitere Pulpa-Schäden haltbar) Anamnese (Tetanusprophylaxe, Unfallhergang) Inspektion, Palpation der Alveole (Kontamination, Parodontitis, klin. Frakturzeichen) Inspektion, Reinigung des Zahnes (Wurzelwachstum, NaCl) Röntgen der Alveole bei klin. Frakturzeichen Therapieentscheidung klinische Frakturzeichen unsicher: VLC (vulnus laceratum contortum) der Gingiva Hämatom Druckschmerz sicher: Krepitation Mobilität Fehlstellung Untersuchung total luxierter Zähne 1. Wurzelwachstum (UWW – AWW) 2. Kontamination 3. Desmodont: feucht - trocken 4. Integrität des Apex (Hertwigsche Epithelscheide, Fraktur) 5. Wurzel: Fissuren, Frakturen 6. Krone: Karies, Füllungen, Frakturen 7. Niveau des paradontalen Ligaments Therapie - Entscheidung UWW 4 Optionen Stadium 1 2 3 4 5 AWW 1 - keine Replantation - primäre Replantation, warten auf Vitalitätszeichen - primäre Replantation, früh-sekundäre Wurzelbehandlung - extra-alveoläre Wurzelbehandlung, dann Replantation nach Moorrees, Fanning, Hunt, J Dent Res, 1963 3 4 5 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Tertiale chirurgische Fächer II SS 2008 Kontraindikationen für die Replantation • Milchzähne • schlechte Mundhygiene • starke Kontamination • tiefe Karies • Längs-, Schrägfrakturen der Wurzel • schwere Parodontitis • ev. Grunderkrankungen des Patienten Bei apikalen, queren Wurzelfrakturen oder bei Abriß-Fraktur der Hertwigschen Epithelscheide, müssen alle Reste aus der Alveole entfernt werden, eine Replantation kann aber durchgeführt werden. (sekundäre WB (Amputation und Ca(OH)2) nach 1 Wo) Indikationsstellung ad primäre Replantation Warten auf Vitalität früh-sekundäre WB nach 1-2 Wo keine KI gegen Replantation feucht gehaltenes Desmodont unvollendet Wurzelwachstum UWW abgeschlossen AWW ad extra-alveoläre WB vor Replantation 1. ausschließlich bleibende Zähne 2. Karies- und Parodontalbefund (schlechter Hygienestatus ist Kontraindikation für Replantation) 3. Dauer des extraalveolären Aufenthalts (> 60 min trocken → Anklyose (= Versteifung durch Ersatzresorption) 4. Zustand der Alveole (zusätzliche Frakturen →Anklyose) Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie • keine KI gegen Replantation • ausgetrocknetes Desmodont • unvollendet oder abgeschlossenes Wurzelwachstum Untersuchung Befund: • total luxierter Zahn 11 • in der Mundhöhle feucht gehalten • extraalveoläre Zeit ca. 60 min • kein Hinweis auf Fraktur der Alveolenwände • keine Kontamination • Zahn intakt Prognose der Zahnreplantation zu erwartende 5-Jahres Raten UWW AWW • Überleben im Mund 66% 82% • Heilung der Pulpa 30% 0% • Heilung des Desmodonts 39% 17% Reinigung von Zahn und Alveole mit NaCl (Andreasen et al., 1993) Therapie: sofort Replantation, sekundäre WB rigide Schienung Reposition • Lokalanästhesie • vorsichtige digitale Reposition • Widerstand ist Zeichen für Fraktur der Alveolenwand • dann Zahn wieder in NaCl und Reposition mit Frear • Okklusion! Liquicoat Schiene • Phosphorsäure 36%, 30-45 s • Abspülen • Aufbringen von Composite • Lichthärten 20 sec • Fibersplint + Composit in Okklusion ! • Lichthärten 1 min sekundäre Endodontie weiteres Procedere • Kofferdamm • Exstirpation • Aufbereitung • Natriumhypochlorid • Ca(OH)2 einrotieren • Wattepellet • Prov. Verschluß • Röntgen-Kontrolle • Beginn der AB Therapie (z.B.: Amoxicillin + Clavulansäure) • ev. Tetanus-Prophylaxe • Breikost • Ko in 1 Wo 7-14 Tage post replantationem bei AWW semi-rigide Schienung Titan Traumasplint • Phosphorsäure 36%, 30-45 s • Abspülen • Aufbringen von Composite • Lichthärten 20 sec • Titan Splint + Composit in Okklusion ! • Lichthärten 1 min Der weiche Titansplint erlaubt physiologische Mikrobewegungen gilt heute als Goldstandard der Zahnschienung Schienung kann länger belassen werden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dauer der Schienung feucht erhaltenes Desmodont • Heilung des epithelialen Attachments in 7 Tagen •Entfernung einer rigiden Schienung zur Ankylose-Prophylaxe innerhalb von 14Tagen •Entfernung einer semirigiden Schbert, 2007Schieneung nach 4 Wochen ausgetrocknetemsDesmodont •Eine Ankylose wird therapeutsch nangestrebt •ist eine rigide Schienung für 6 Wo sinnvoll. •Die Wurzeloberfläche kann mit Fluoridlösung Andreasen, 1993 zur Verlangsamung der Ersatzresorption behandelt werden. Alternative Schienungen Extra-alveoläre Wurzelbehandlung Schuchard Schiene zur intermaxillären Fixation Befund: total luxierte Zähne 11, 21 mit AWW, in ausgetrocknetem Zustand, kontaminiert Reinigung, Aufbereitung und Abfüllung extraalveolär Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Schienung nach extra-alveolärer WB Eine primäre Heilung des Desmodonts kann nach extra-alveolärer WB nicht erwartet werden. rigide Schienung für 6 Wochen für sichere Ankylosierung. ev. Fluorid-Behandlung der Wurzel zur Verzögerung der Ersatzresorption. Behandlung der Wurzeloberfläche • bei Zähnen mit ausgetrocknetem Desmodont. • Nach 60 min trockener Lagerung kann von einer Nekrose des Desmodonts ausgegangen werden. mit 2,4% iger Natriumfluorid Lösung nach Andreasen Ziel: Verzögerung des Fortschreitens der Ersatzresorption bei klinisch ankylosierten Zähnen (diese Zähne werden über 6 Wo geschient) Verlauf: entzündliche Resorption Schrägfraktur durch die radix Therapie: schonende Zahnrextraktion mit erhalt des Alveolenfachs Implantat Replantation 1 Wo 3 Wo 1 Mo 2 Mo entzündliche Resorption von Wurzeldentin und Alveolarknochen → Zahnverlust Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Entzündliche Resorption Verlauf: entzündliche Resorption • ausgedehnte Verletzungen der innersten Schicht des Desmodonts und des Zements • Osteoklasten • Wurzeloberfläche mit Eröffnung der Dentintubuli • Bakterieninvasion • Pulpale Infektion und Nekrose • progressiver Ersatz der Wurzel durch Granulationsgewebe Replantation 6 Wo 2 Mo 1a 3a Wurzelbehandlung mit Ca(OH)2 Stop der entzündlichen Resorption, Bildung einer apikalen Hartgewebsbarriere Verlauf: Ersatzresorption Ersatzresorption • ausgedehnte Verletzungen der innersten Schicht des Desmodonts und Zementes • Osteoklasten • Wurzeloberfläche mit Eröffnung der Dentintubuli • sterile Bedingungen Replantation 6 Wo 8 Mo 1a 3a entzündl. Resorption • Einwanderung von Osteoblasten • progressiver Ersatz der Wurzel durch Knochen Ca(OH)2 Ersatzresorption, klin. Ankylose Ankylose - Behandlung mittels Luxation Oberflächenresorption Periometer: Ankylose 2 Mo post replantationem • Kleine Verletzungen der innersten Schicht des Desmodonts Anästhesie Luxation Mobilität Grad 2 • Osteoklasten • Wurzeloberfläche • Initiale Resorptionshöhle • Ausheilung mit neugebildeten Zement Der Patient soll den Zahn über 1 Monat bewegen. kann zu einem annähernd physilogischen Desmodont führen Titan Traumasplint zur semirigiden Schienung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Autotransplantation von Zähnen Geschichtliches: • Pioniere: Apfel 1950, Miller 1951 • Erste größere Studien: Nordenram 1963, Walker 1964 • “Papst” der Autotransplantation: Andreasen, Dänemark Indikationen: • frühzeitiger Verlust eines Zahnes, meist 1. Molaren durch Karies, marginale oder apikale Parodontitis oder Fraktur • Aplasie von Prämolaren, Frontzähne (Beschleifen des 8ers nötig) Analyse der Empfänger-Region: • klinische Vermessung des Platzangebotes mit Zirkel • orthoradiale Röntgenaufnahme Liquicoat zur herkömmlichen rigiden Schienung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Analyse des Spenderzahnes • radiologische Abklärung der Kronendurchmesser • OPTG verzeichnet: vert. 9-23%, horiz.: 52-64% Vergrößerung • orthoradiale oder axiale Kleinbildaufnahme Wahl des Spenderzahnes • Größen - Kompatibilität • Wurzelwachstum ⅔ bis ¾ besonders gut (WW Stadien 3, 4) • impaktierte Zähne mit abgeschlossenem WW sind wegen des hohen Ankylose - Risikos ungeeignet • Rotation um 90° bei oberen 3.Molaren kann nötig sein • Präferenzen für den Erstz eines UK-6ers: linguale Kronenflucht 1. ipsilat. UK-8er, 2. kontrolat., um 180° gedrehter, UK-8er, 3. ipsilat. oder 180° gedrehter kontrolat. OK-8er Chirurgisches Vorgehen orthoradialer Strahlengang Empfänger-Region: • schonende Extraktion • Entfernung des septum interradiculare axialer Strahlengang oberer 3. Molar Chirurgisches Vorgehen Spender-Region: • schonende operative ZE • Erhaltung des Zahnsäckchens garantiert intaktes Wurzeläutchen ad Zahnsäckchen Ansatz ausschließlich an der Schmelz/Zement-Grenze Erst nach Eruption Ausbildung eines Desmodonts Chirurgisches Vorgehen begleitende Maßnahmen • Einlegen in AB-Lösung (Nebacitin, Bacitracin) • infraokklusale Transplantation • Entfernen des koronalen Teils des Zahnsäckchens • Fixierung durch Naht oder semirigide Schienung • Wundverschluß retromolar • AB: orale Prophylaxe für 1 Wo • N ex 7-10 Tage • klin., radiolog. Ko nach 3 Wo, 2 Mo, 6 Mo, 1 Jahr • ev. WB (Ca(OH)2) nach 3 Wo bis 2 Mo • Abfüllen des Wurzelkanales (Guttapercha) nach 6 Mo Prognose der Transplantation von 3. Molaren zu erwartende 5-Jahres Raten • Überleben im Mund • Heilung der Pulpa • Heilung des Desmodonts Histologie eines transplantierten Weisheitszahnes Schmelz Dentin Neodentin Pulpa Zement Gefässe in der Pulpa Odontoblasten-Reihe 82% AWW 82% 0% 79% 12% (Andreasen et al., 1993) Nachweis der Vitalität mittels Dental MRT Extraktion auf Wunsch der Patientin bei anhaltenden Schmerzen trotz klinischer und radiologischer Vitalitätzzeichen S D ND P Z UWW 90% KM-Anreicherung in der Pulpa des tranplantierten Zahnes und im Granulationsgewebe in der leeren 8er Alveole. Wurzelwachstum nach Transplantation Weitere Möglichkeiten der Transplantation von Zähnen Transplantation von Prämolaren bei Aplasie von Prämolaren (OK → UK), bei impaktierten Prämolaren, bei Aplasie od. verlorenen Frontzähnen Transplantation von Eckzähnen, Frontzähnen bei ektopisch verlagerten Eckzähnen, Frontzähnen, wenn Bewegung mittels KFO nicht erfolgversprechend sind Allotransplantation in DK: Zahnbank mit gefrierkonservierten Zähnen immer prim. Endodontie, Ankylose bei Heilung Transplantation eines retinierten Premolaren 2.9.2004 Konservierung von Zähnen 1.12.2004 Danke für die Aufmerksamkeit • Mundhöhle, Milch (Schutz vor Austrocknung, ca. 60min) • isotone NaCl-Lösung (Erhaltung vitaler Zellen über bis zu 6h) Anmerkung: • Zell-Kultur-Medien (Tage bis Wochen) Inhalte sowie Teile des Bildmaterials dieser Vorlesung sind entnommen aus: • Gefrierkonservierung (Monate bis Jahre) Schwartz O, Int J Oral Maxfac Surg, 1986 • Andreasen OJ. Farbatlas der Replantation und Transplantation von Zähnen, Köln, 1993. •Schubert. Traumatologie für Zahnärzte, Sanovi-Aventis, 2007 Indikationen für mittel- bis langfristige Zahnkonservierung weitere empfohlene Literatur: • sofortige Re- oder Autotransplantation ev. nicht möglich bei Polytraumata, LKG-Spaltpatienten • prophylaktische Konservierung von extrahierten Zähnen nach KFO-Indikationsstellung • Schroll K, Watzek G: Zahnärztliche Chirurgie, Band II, 235-58. • Hausamen JE, Machten E, Reuther J: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, 3 Auflage, Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1995, 39-42. • Horch HH: Zahnärztliche Chirurgie, 3. Auflage, Urban&Schwarzenberg, München, Wien, Baltimore, 1995, 327-350.